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Full text of "Gesammelte Schriften"

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GESAMMELTE  SCHRIFTEN 


VON 


THEODOR  MOMMSEN 


SECHSTER  BAND 


HISTORISCHE    SCHRIFTEN 


DRITTER  BAND 


BERLIN 
WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNG 

1910 


1 


HISTORISCHE  SCHRIFTEN 


VON 


THEODOR  MOMMSEN 


DRITTER  BAND 


BERLIN 
WEIDMANNSCHE  BUCHHANDLUNa 

1910 


Weimar.  —  Hof- Buchdruckerei. 


V  0  r  w  0  r  t. 

Den  Bemerkungen,  die  ich  dem  ersten  Band  der  Historischen 
Schriften  vorausgeschickt  habe,  ist  nur  hinzuzufügen,  dass  bei  der 
Vorbereitung  und  Korrektur  auch  des  zweiten  Bandes  Dr.  Eugen 
Tiiubler  tätig  gewesen  ist;  an  seine  Stelle  ist  für  den  dritten  Band 
Dr.  Martin  Bang  getreten.  Bei  der  Drucklegung  auch  dieser  Bände 
hat  mich  mein  Freund  Hermann  Dessau  mit  seinem  Rat  unaus- 
gesetzt unterstützt. 

Die  Ausarbeitung  des  Registers  zu  den  Historischen  Schriften 
wird  Dr.  Walter  Baehr  verdankt. 

Nicht  abgedruckt  habe  ich  den  Aufsatz:  Ordo  et  spatia  episco- 
ponim  Romanorum  in  l'ibro  pontificali  (Jacobs  n.  1344),  da  derselbe 
im  wesentlichen  mit  Erweiterungen  in  der  Ausgabe  des  Liber  Ponti- 
ficalis  (p.  XXVni— LVH)  wiederholt  worden  ist. 

Charlottenburg,    Oktober  1910. 


Otto   Hirschfeld. 


Inhaltsverzeichnis. 


Seite 
I.    Die  GaYdetruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit 

(1879)    1 

Tl.    Die  germanischen  Leibwächter  der  römischen  Kaiser  (1883)    .  17 

III.  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit  (1884)  .     .  20 

IV.  Äc^yptische  Legionare  (1900) 118 

V.    Praetorium  (1900) 128 

VI.    Zu    Domaszewski's  Abhandlung   über   die    römischen    Fahnen 

(1886) 134 

VII.    Die  römischen  Provinzialmilizen  (1887) 145 

VIII.    Die  Hastiferi  von  Castel  (1889) 156 

IX.    Die  Walldürner  Inschrift  (1897) 166 

X.    Inschrift  vom  Feldberg  (1892) 173 

XL    Die  römischen  Lagerstädte  (1873) 176 

XII.    Dux  (1866) 204 

XIII.  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian  (1889) 206 

XIV.  Die  diocletianische  Reichspraefectur  (1901) 284 

XV.    Zu  der  Inschrift  von  Tropaea  (1894) 300 

XVI.    Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft 

in  ihrem  titularen  Ausdruck  (1882) 303 

XVII.    Consularia  (1897) 324 

XVIII.   Das  römisch -germanische  Herrscherjahr  (1891) 343 

XIX.    Aera  (1893) 359 

XX.    Ostgothische  Studien  (1889) 362 

XXI.    Die  Quellen  der  Langobardengeschichte   des  Paulus  Diaconus 

(1880) 485 

XXII.    Christianity  in  the  Roman  empire  (1893) 540 

XXIII.  Zu  Apostelgeschichte  28,  16  (1895) 546 

XXIV.  Zweisprachige  Inschrift  aus  Arykanda  (1893) 555 

XXV.    Papianisches  (1902) 566 

XXVI.    Die  römischen  Bischöfe  Liberius  und  Felix  IL  (1896/7)    ...  570 

XXVII.    Die  Synode  von  Turia  (1892) 582 

XXVIII.    Thessalonikische  Kaisererlasse  (1893) 585 

XXVlIIa.   Eine  Erwiederung  (1894) 586 

XXIX.    Zeitzer  Ostertafel  vom  Jahre  447  (1862) 589 

XXX.    Das  Nonnenalter  (1897) 602 


VIII 

XXXI. 
XXXII. 

XXXIII. 
XXXIV. 

XXXV. 

XXXVI. 
XXXVII. 
XXXVIII. 

XXXIX. 


Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

Ueber  die  Acten  zum  Schisma  des  Jahres  530  (1885)  ....  605 
Über  einen  neu  aufgefundenen  Reisebericht  nach  dem  gelobten 

Lande  (1887) 610 

Die  Papstbriefe  bei  Beda  (1892) 619 

Bemerkungen   zu   den  Papstbriefen   der   Britischen  Sammlung 

(1890) 629 

Die  Historia  Brittonum  und  König  Lucius  von  Britannien  (1894)  631 

Zu  den  Annales  Vedastini  (1891) 640 

Zur  V^eltchronik  vom  J.  741  (1897) 643 

Brief  des  Bischofs  Theonas  (1894) 649 

Rezensionen 653 

Inhaltsverzeichnis  zu  Band  IV — VI 655 


^^ 


I. 

Die   Gardetruppen  der  römischen  Republik 
und  der  Kaiserzeit.*) 

Es  liegt  im  Wesen  der  römischen  Bürgerwehr,  dass  es  eine  25 
Leibwache  für  den  Feldherrn  als  besondere  Abtheilung  in  ihr  nicht 
giebt.  Die  ersten  Anfänge  einer  Aussonderung  zu  diesem  Zweck 
zeigen  sich  merkwürdiger  Weise  bei  den  dem  Bürgerheer  ange- 
schlossenen bundesgenössischen  Abtheilungen;  nach  der  Wehrordnung 
des  sechsten  Jahrhunderts  der  Stadt,  wie  Polybios  sie  schildert, 
wird  aus  denselben  unter  dem  Namen  der  extraordinarü  ^  ein  Eliten- 
corps sowohl  von  Infanterie  wie  von  Reiterei  gebildet,  und  zwar  in 
dem  Verhältniss,  dass  auf  die  Doppellegion  (von  8200  Mann  Bürger- 
und 8000  bundesgenössischer  Infanterie  und  600  Bürger-,  1200 
bundesgenössischen  Reitern)  oder  das  gewöhnliche  consularische  Heer 
ungefähr  2000  extraordinarü  zu  Fuss  und  600  zu  Pferd  kommen  2; 
jene  bildeten  vier  Cohorten^,  diese  vermuthlich  zwanzig  Türmen. 
Dass  diese  Abtheilungen  zunächst  für  die  Bedeckung  des  Haupt- 
quartiers und  der  Person  des  Feldherrn  verwendet  werden,**)  beweist 

*)  [Hermes  14,  1879  S.  25—35  mit  Nachträgen  S.  160  und  B.  16,  1881 
S.  643  —  647.  —  Vgl.  F.  Fröhlich,  die  Gardetruppen  der  römischen  Republik. 
Aarau  1882.] 

1)  Den  Namen  hat  Polybios  6,  26,6  lateinisch,  ferner  Livius  27,  12,  14. 
34,  47,  3.  40,  27,  3. 

2)  Eine  genaue  Berechnung  gestatten  die  Ansätze  bei  Polybios  nicht  (vgl. 
Marquardt  Staatsverw.  2,879.  386  [2.  Aufl.  391  f.  398]);  auch  hing  wahr- 
scheinlich die  Stärke  der  Elitenabtheilungen  wesentlich  von  dem  Ermessen  des 
jeweiligen  Feldherrn  ab. 

3)  Dies  zeigt  Livius  40,  27,  3,  wo  der  Bericht  zwar  nicht  ganz  in  sich 
harmonirt  (denn  der  linke  Flügel  der  Bundesgenossen  von  4000  M.  muss  mehr, 
wahrscheinlich  zehn  Cohorten  gehabt  haben,  während  doch  nur  von  vieren  die 
Verwendung  nachweisbar  ist),  aber  doch  zu  ergeben  scheint,  dass  es  in  dem 
Zweilegionenheer  vier  Elitencohorten  gegeben  hat. 

**)  [Dagegen  v.  Domaszewski  bei  Marquardt,  Staatsverwaltung  2*  S.  402  A.  1.1 

MOMMSEN,   SCHR,  VI.  1 


2  Die  Gardetruijpen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit. 

namentlich  1  der  Bericht  über  den  Tod  des  Marcellus:  als  die  beiden 
26  Consuln  des  J.  546  eine  Recognoscirung  persönlich  auszuführen  be- 
schliessen,  nehmen  sie  zu  ihrer  Bedeckung  ausser  den  Lictoren,  die 
nicht  formell  als  Soldaten  anzusehen  sind,  nur  einige  Schwadronen 
bundesgenössischer  Reiter  mit  2.  Dass  bei  der  Bürgerwehr  keine 
analoge  Einrichtung  bestand,  geht  sowohl  aus  dem  Schweigen  der 
beglaubigten  Berichte  hervor^  wie  daraus,  dass  es  an  jeder  for- 
mellen Handhabe  für  eine  solche  Scheidung  fehlte;  wie  sie  denn 
auch  dem  "Wesen  der  republikanischen  Heerordnung  auf  das  Schroffste 
widersprach. 

Eine  folgenreiche  Aenderung  in  diesen  Ordnungen  führte  der 
numantinische  Krieg  herbei.  Das  Conimando,  welches  der  jüngere 
Africanus  als  Consul  im  J.  620  übernahm,  war  zunächst  nicht  so 
sehr  gegen  den  Feind  gerichtet  als  gegen  das  verwilderte  und  zügel- 
lose römische  Heer;  er  bedurfte  desshalb  einer  eigenen  ihm  ganz 
ergebenen  und  unbedingt  zuverlässigen  Truppe.  Von  der  gewöhn- 
lichen Heerbildung  nach  dem  gesetzlichen  Aushebungsschema  wurde 
abgesehen  und  durch  einen  besonderen  Senatsbeschluss  dem  Scipio 
ein  anderes  den  bestehenden  Gesetzen  keineswegs  entsprechendes 
"Verfahren  gestattet.  Scipio  rief  Freiwillige  auf  in  der  Zahl  von 
4000  Mann,  von  denen  die  mit  Rom  verbündeten  Städte  und  König- 
reiche den  grössten  Theil  stellten,  offenbar  ein  Surrogat  der  gewöhn- 
lichen bundesgenössischen  extraordinarii.  Ausserdem  aber  bildete 
er  aus  seinen  dienten  und  Freunden  eine  Bürgerabtheilung  von 
500  Mann*,  welche   der  Ausgangspunct   für   das  Institut  der  Garde 


1)  Wo  in  den  römischen  Annalen  einzelne  benannte  Cohorten  oder  Türmen 
der  Bundestruppen  auftreten,  sind  wohl  meistens  die  Abtheilungen  dieser  extra- 
ordinarii gemeint. 

2)  Liv.  27,  26,  11 :  cum  equitibus  CCXX,  ex  quibus  quadraginta  Fregellani, 
ceteri  Etrusci  erant,  pi'oficiscuntur  (hieraus  Plutarch  Marc.  29,  der  ausdrücklich 
hervorhebt,  dass  sie  römische  Soldaten  nicht  bei  sich  hatten).  Dass  diese  Reiter 
den  extraordinarii  entnommen  sind,  sagt  Livius  nicht,  aber  es  liegt  in  der  Sache. 
Polyb.  10,  32:  rcöv  tnneojv  avalaßövTeg  Hag  ovo  xal  yQoa(pofjidyovg  ixerä  xG>v  Qaßöo- 
(pÖQCov  eig  rQtäxovxa.  Dass  diese  Reiter  und  Schützen  Bundesgenossen  sind,  sagt 
Polybios  nicht,  schliesst  es  aber  nicht  aus.  300  Reiter  giebt  dem  Marcellus 
Appian  Hann.  50. 

3)  Es  ist  charakteristisch  für  den  livianischen  Bericht  (2, 20)  über  die  Schlacht 
am  Regillersee,  dass  die  Cohorte  des  Dictators  Postumius,  quam  delectam  manum 
praesidii  causa  circa  se  hahebat,  darin  eine  hervorragende  Rolle  spielt. 

4)  Dies  alles  ergiebt  der  eingehende  Bericht  Appians  Hisp.  84,  den  Wölfflin 
(Philologus  34,  413)  richtig  mit  der  bekannteren  Notiz  des  Festus  (unten  S.  8 
A.  1)  über  die  Entstehung  der  praetoria  cohors  combinirt  hat. 


Die  Gardetruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit.  3 

geworden  ist^.  Die  Benennung  dieser  Truppen  war  cohors  amiconnn,  27 
die  Schaar  der  Freunde  2,  oder  auch  coJiors  j^raetoria,  die  Haupt- 
quartierschaar  ^.  —  Als  eine  Reiterabtheilung  kann  sie  nicht  angesehen 
werden,  da  dies  weder  mit  der  Benennung  cohors  noch  mit  der 
späteren  Entwickelung  des  Instituts  sich  verträgt;  wohl  aber  hat  es 
darin,  etwa  wie  in  der  späteren  coJiors  equiiata,  eine  Anzahl  Reiter- 
stellen gegeben  oder  ist  sogar  dem  Feldherrn  gestattet  worden  den 
einzelnen  Cohortalen  nach  Belieben  ein  Pferd  anzuweisen*.  —  Die 
Freiwilligen  dieser  Abtheilung  erhielten  Löhnung,  und  sogar  um  die  28 
Hälfte    mehr    als    die   Legionare    (A.  1);    doch   scheint,    wie   diese 

1)  Festus  p.  223  M.:  praetoria  cohors  est  dicta,  quod  a  praetore  non  discedebat. 
Scipio  enim  Africanus  prinius  fortissimum  quemque  delegit,  qui  ab  eo  in  bello  non 
diiicederent  et  cetero  munere  militiae  vacarent  et  sesquiplex  Stipendium  acciperent. 

2)  Appian  a.  a.  0. :  ijiTjydyEzo  jisXdtas  sx  'Pwfirjg  >tai  <pllovg  nevTaxoaiovg,  ovg 
ig  llrjv  xaTake^ag  exd?.ei  <j>ü.cov  D.rjv. 

3)  Die  Bezeichnung  cohors  praetoria  braucht  Cicero  Verr.  1.  1,  14,  86  und 
zwar  in  officieller  Rechnungslegung:  dedi  stipendio,  frumento,  legatis,  pro  qicaestore, 
cöhorti  praetoriae  if5.  —  Wölfflin  a.  a.  0.  (S.  2  A.  4)  verwirft  die  Meldung  des 
Festus,  weil  aus  dem  Namen  folge,  dass  die  cohors  pi'aetoria  aufgekommen  sei 
in  jener  fernen  Zeit,  wo  der  Consul  noch  praetor  geheissen  habe  oder  richtiger, 
wo  pi'aetor  appellativisch  den  FeldheiTn  überhaupt  bezeichnete  (Staatsrecht  2,  74). 
Dass  diese  Annahme  sachlich  unmöglich  ist,  haben  wir  gesehen;  aber  auch 
sprachlich  empfiehlt  es  sich  wenigstens  ebenso  sehr  die  cohors  praetoria,  statt 
auf  den  praetor,  vielmehr  auf  das  pi'oetoritnn  zurückzuführen,  zumal  wenn  man 
des  militare  in  praetorio  und  ähnlicher  Ausdrücke  sich  erinnert. 

4)  Dass  Appian  diese  Truppe  als  Ihj  bezeichnet,  ist  auffallend.  "Rtj  ist 
bei  ihm  wie  bei  Folybios  für  die  ältere  Zeit  regelmässig  iztrma ;  diese  aber  passt 
hier  schlechterdings  nicht,  und  es  findet  .sich  das  Wort  auch  in  weiterer  Ver- 
wendung, wie  Polybios  10,  42,  6  von  Philipps  von  Makedonien  ßaoilixt]  i/.i] 
spricht  und  wie  dies  die  spätere  officielle  Bezeichnung  der  ala  der  Kaiserzeit 
als  iXrj  weiter  bestätigt.  Aber  als  Reiterabtheilung  muss  Appian  sich  die 
Truppe  gedacht  haben ,  da  er  sonst  den  Ausdruck  ü.rj  sicher  nicht  gebraucht 
haben  würde.  Dann  aber  hat  er  geirrt;  der  Name  cohors,  den  die  Trujjpe  ohne 
Zweifel  geführt  hat,  kann  einer  lediglich  aus  Reitern  be.steheuden  Abtheilung 
nicht  gegeben  werden.  Auch  der  anderthalbfache  Sold  passt  wohl  für  eine 
bevorzugte  Infanterieabtheilung,  aber  sehr  wenig  für  eine  Reitertruppe,  da  ja 
der  Reiter  wenigstens  der  Legion  den  dreifachen  Sold  empfängt;  warum  Wölfflin 
(a.  a.  0.)  umgekehrt  aus  dem  sesquiplex  Stipendium  der  cohors  praetoria  folgert, 
dass  sie  aus  Reitern  bestanden  habe,  ist  mir  nicht  deutlich  geworden.  Aber 
eine  gemischte  Truppe  kann  allerdings  die  cohoi's  gewesen  sein;  und  wenn  man 
annimmt,  was  beides  möglich  ist,  dass  entweder  bei  der  cohors  amicorum  eine 
beträchtliche  Anzahl  Reiterstellen  waren  oder  auch,  dass  es  hier  im  freien 
Ermessen  des  Feldherrn  stand,  wem  er  ein  Pferd  anweisen  wollte  und  dass 
diese  Anweisung  in  bedeutendem  Umfang  stattfand,  so  mochte  wohl  dem  Appian 
für  die  cohors  amicoriim,  wie  er  sie  ohne  Zweifel  aus  eigener  Anschauung  kannte, 
üf]  die  passende  Bezeichnung  zu  sein  scheinen. 

1* 


4  Die  Gardetruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit. 

ganze  Einrichtung  nicht  auf  gesetzlicher  Grundlage  ruhte,  so  auch 
ihre  Löhnung  mehr  den  bei  den  Officieren  üblichen  Gratificationen 
als  dem  gesetzlich  normirten  Stipendium  gleichgeachtet  worden  zu 
sein^.  —  Dass  in  diesem  Truppenkörper  Elemente  verschiedener 
gesellschaftlicher  Stellung,  'Freunde  und  dienten'  des  Feldherrn,  wie 
Appian  dies  ausdrückt,  sich  zusammenfanden,  ist  bei  der  Entstehung 
und  Zweckbestimmung  desselben  begreiflich;  wahrscheinlich  kam 
dieser  Gegensatz,  der  zu  einer  Entwickelung  der  cohors  amicorum 
praetoria  nach  entgegengesetzten  Seiten  und  schliesslich  zu  einer 
Spaltung  dieser  Organisation  geführt  hat,  schon  von  Haus  aus  auch 
äusserlich  zur  Geltung  sowohl  bei  der  Anweisung  der  Pferde  wie 
bei  der  Soldzahlung.  Ihr  gehören  einmal  an  die  jungen  Leute  von 
guter  Herkunft,  wie  sie  besonders  aus  den  Dichtern  der  augustischen 
Epoche  wohlbekannt  sind^;  es  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass  diese  zu 
Pferde  dienten  und  wenig  wahrscheinlich,  dass  sie  Löhnung  nahmen, 
wenn  sie  auch  vielleicht  dazu  berechtigt  waren.  Wenn  dagegen  die 
Soldaten  der  'prätorischen  Cohorte'  von  Haus  aus  um  die  Hälfte 
mehr  Löhnung  empfingen  als  die  Fusssoldaten  der  Bürgerwehr,  so 
werden  wir  dies  auf  die  'Clienten'  zu  beziehen  haben,  die  Scipio  und 
die  späteren  Heerführer  als  Freiwillige  annahmen  und  die  wohl  stets 
die  Hauptmasse  der  prätorischen  Cohorten  der  Republik  gebildet 
haben  werden.  Allem  Anschein  nach  ist  diese  Einrichtung  gleich 
mit  oder  doch  bald  nach  dem  J.  620  in  der  Weise  stehend  geworden, 
dass  sämmtlichen  Provinzialstatthaltern  bei  der  ornatio  ihrer  Aemter 
vom  Senat  die  Befugniss  zur  Annahme  von  Freiwilligen  aus  der 
römischen  Bürgerschaft  in  gleichem  Masse  wie  dem  Scipio  ein- 
geräumt ward.  Dass  noch  in  der  ersten  Kaiserzeit  die  ^GraecP 
nicht  in,  sondern  neben  der  cohors  amicorum  standen^,  erklärt  sich 
29  von  selbst,  nachdem  festgestellt  ist,  dass  die  zu  der  cohors  amicorum 
gehörigen  Personen  im  Rechtssinne  als  freiwillig  dienende  römische 
Bürger  betrachtet  worden  sind.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die 
Stärke  des  Corps  von  500  Mann  in  dieser  Epoche  stehend  gewesen 
ist;  auf  jeden  Fall  hat  damals  der  einzelne  Feldherr,  abgesehen  von 
den  bundesgenössischen  extraordinarii ,    die   übrigens    in  Folge   der 

1)  Dies  erhellt  aus  der  Art,  wie  die  Löhnung  dieser  Cohorte  in  den  Rech- 
nungen auftritt  (S.  3  A.  3) :  dedi  stipendio,  frumento,  legatis,  pro  quaestore,  cohorti 
praetoriae. 

2)  Cicero  Verr.  1.  2,  27,  66.  Horatius  ep.  1,  8, 14.  sat.  1,  7,  23.  Tibullus 
1,  3,  2. 

3)  Plutarch  Brut.  53;  Sueton  Tib.  46.  Vgl.  Hermes  4, 121  [=  Ges.  Sehr.  4 
S.  312];  Staatsrecht  2  S.  835. 


Die  Gardetruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit.  5 

Erstreckung  des  Bürgerrechts  auf  alle  Italiker  im  "Verfolg  des 
marsischen  Krieges  von  selber  verschwanden,  nicht  mehr  als  eine 
cohors  praetoria  gehabt^. 

In  dieser  Gestalt  ist  das  Institut  einer  aus  Freiwilligen  gebildeten 
im  Dienst  befreiten  und  in  der  Löhnung  besser  gestellten  Bürger- 
truppe bereits  im  letzten  Jahrhundert  der  Republik  aufgekommen. 
Eine  weitere  Yeränderung  trat  zunächst  unter  dem  Triumvirat  ein. 
Als  nach  der  Schlacht  bei  Philippi  die  beiden  Sammtherrscher 
Antonius  und  Caesar  das  Heer  reorganisirten,  bildeten  sie  aus  den 
zur  Entlassung  stehenden  Mannschaften,  die  um  Verbleiben  im  Dienst 
baten,  in  der  Gesammtzahl  von  8000  Mann,  eine  Anzahl  prätorischer 
Cohorten  ^.  In  Betreff  der  Freiwilligkeit,  der  Befreiung  von  gewissen 
Diensten  und  der  höheren  Löhnung  dürften  diese  Prätorianer  sich 
nicht  wesentlich  von  denen  der  Republik  unterschieden  haben;  neu 
ist  dagegen  theils  die  ausschliessliche  Auswahl  aus  den  ausgedienten 
Leuten,  thpils  und  vor  allem  die  Vermehrung  der  Zahl  und  die 
dadurch  bedingte  Bildung  mehrerer  neben  einander  stehender  prä-  30 
torischer  Cohorten  desselben  Feldherrn.  Neu  ist  ferner,  wenn  auch 
wahrscheinlich  längst  schon  vorbereitet,  die  Scheidewand,  welche 
hiemit  zwischen  dem  höheren  und  dem  niederen  Element  der  alten 
cohors  praetoria  amicorum  eintritt  und  der  scharfe  Gegensatz,  in 
welchen  seitdem  die  cohors  amicorum  und  die  cohortes  praetoi'iae  zu 
einander  treten^.     Es  kann  nicht  gefehlt  haben,  dass,  als  nach  der 

1)  Dass  Caesar  in  dem  gallischen  Krieg  nicht  mehr  als  eine  prätorische 
Cohorte  bei  sich  hatte,  zeigt  b.  G.  1,40  (vgl.  Dio  38,47).  Auf  dieselbe  Zahl 
führt  Cicero  in  Cat.  2,  11,  24.  Noch  von  Antonius  als  Consul  des  J.  710  heisst 
es  bei  Appian  b.  c.  3,  45  (vgl.  c.  52) :  ijiiks^d/^svog  ix  ndvKov  OTQaTtjytda  OTtsiQav 
dvdgcöv  dgiatcov  td  xe  awfiaxa  xal  xov  xQÖnov ,  und  während  des  mutinensischen 
Krieges  wird  der  cohors  pi'aetai'ia  der  einzelnen  Heerführer  mehrfach  gedacht. 
Galba  bei  Cicero  ad  fam.  10,  30,  1:  Antonms  eduxit  .  .  .  cohortes  praetwias  duas, 
unam  suam,  alteram  Silani  (des  Vertreters  des  Lepidus) ;  das. :  duas  cohortes  prae- 
torias  misei'at  Hirtius  nobis  und  nachher:  tibi  cohoi's  Caesaris  lyraetoria  erat. 
Appian  3,67:  xf}  axQaxrjycdi  'Avrcoviov  xtjv  KaiauQos  oxgaxrjyida  dvxsxa^av. 

2)  Appian  b.  c.  5,  3:  dcpieaav  xfjg  oxQaxsiag  xovg  iyrs^.ij  yQovov  kaxQaxsvfievov? 
XWQig  oxxaxioyiUcov ,  ovg  Ssrj&ivxag  exi  oxgaxsveo&ai  ocpioiv  dnode^d^iEvoi  disilovxo 
xal  avveXoyiaav  ig  oxgaxijyidag  xd^eig.  Diese  kommen  weiterhin  mehrfach  vor. 
Appian  5,  24:  Kaiaagi  de  iv  /iisv  Kajiv]]  xsooaQa  rjv  xslrj  xal  jisqI  avxov  ai  oxgaxT]- 
yidsg.  Octavia  schenkt  ihrem  Gemahl  Antonius  oxgaxiwxag  indixxovg  diaydiovg 
slg  axgaxrjyixdg  ansigag  xsxoafitj^evovg  ixTiQensai  jiavoTtUaig  (Plutarch  Ant.  53  vgl. 
Dio  49,  33).  Von  Antonius  giebt  es  Münzen  mit  der  Aufschrift  chm-tium  prae- 
tmiarum,  die  wie  die  Legionsmünzen  den  Adler  zeigen  (Eckhel  6,  52). 

3)  Sueton  Gai.  19:  comitante  praetorianorum  agmine  et  in  essedis  cohorte 
amicoj'wn. 


6  Die  Gardetruppen  der  römischeu  Republik  und  der  Kaiserzeit. 

Schlacht  von  Philipp!  die  Veteranen  militärisch  organisirt  wurden, 
zugleich  die  ehemalige  coJiors  praetoria  der  beiden  Machthaber  um- 
gestaltet ward,  wahrscheinlich  in  der  Weise,  dass  sie  die  Bezeichnung 
praetoria  verlor  und  als  coJiors  amicorum  eine  wohl  nur  nominell  noch 
mihtärische  Form  erhielt.  Einst  waren  beide  wenigstens  formell 
zusammengefallen;  jetzt  hatten  die  jungen  Männer  besseren  Standes, 
die  sich  dem  Hauptquartier  beigeben  Hessen,  mit  den  aus  den 
Legionen  hervorgegangenen  Veteranen  nichts  ferner  gemein,  und 
fast  nur  der  Name  erinnerte  noch  daran,  dass  die  ganz  des  Soldaten- 
charakters entkleidete  coliors  amicorum  eigentlich  eine  militärische 
Organisation  war.  In  Betreff  der  Zahl  erfahren  wir,  dass  Caesar  in 
der  Schlacht  bei  Actium  mindestens  fünf  prätorische  Gehörten  bei 
sich  gehabt  hat  ^. 

Es  folgte  die  Constituirung  des  Principats.  Wie  verkehrt  es  ist 
die  Einführung  der  Garde  auf  diese  Epoche  zu  beziehen,  leuchtet 
jedem  ein,  der  die  politische  Bedeutung  dieses  grossen  Versöhnungs- 
acts  erwogen  hat,  und  geht  auch  aus  den  oben  dargelegten  Nach- 
richten mit  voller  Deutlichkeit  hervor.  Die  Einrichtung  der  cohortes 
praetoriae  in  dem  späteren  Sinn  gehört  dem  Triumvirat  und  dem 
J.  712  an;  nach  der  Schlacht  von  Actium  wurde  das  Institut  nur 
beibehalten,  aber  zugleich  wesentlich  modificirt  und  der  res  publica 
restituta  accommodirt.  Die  Erhöhung  des  Soldes  der  Prätorianer 
von  dem  anderthalbfachen  auf  das  doppelte  des  Legionarsoldes  ist 
damals  festgesetzt  worden  2.  Auch  die  Festsetzung  der  Zahl  der 
Cohorten  auf  neun  und  der  Stärke  der  Gehörte  auf  1000  Mann 
31  gehört  wahrscheinlich  dieser  Zeit  an  ^.  Steigerung  lag  in  beidem 
wahrscheinlich  nicht,  wenn  nur  die  Ersetzung  der  doppelten  Garde 
der  beiden  Machthaber  durch  die  eine  Gaesars  in  Anschlag  gebracht 
wird.  Die  Zahl  scheint  übrigens  darum  so  gegriffen  zu  sein,  damit 
die  neun  prätorischen  doppelstarken  Cohorten  factisch  der  Legion 
mit  ihren  zehn  Cohorten  und  ihren  Auxiliartruppen  nahe,  aber  nicht 

1)  Orosius  6,  19. 

2)  Dio  53,  11,  der  übrigens  richtig  darauf  hinweist,  dass  in  diesem  Ver- 
fahren in  Betreff  der  Garde  die  factische  Beibehaltung  der  Monarchie  mit 
völliger  Deutlichkeit  zu   Tage  trat. 

3)  Bezeugt  ist  die  Zahl  für  die  Zeit  des  Tiberius  (Tacitus  ann.  4,  5).  Für 
die  des  Augustus  fehlt  ein  glaubwürdiges  directes  Zeugniss  (dass  Dio  55,  24  die 
zehn  Cohorten  seiner  Zeit  aus  Versehen  auf  Augustus  zurückführt,  ist  ausser 
Zweifel);  aber  es  ist  mehr  als  unwahrscheinlich,  dass  Tiberius  hieran  geändert 
haben  sollte.  Auch  zeugt  die  mit  10  beginnende  Numerirung  der  Cohortes 
urbanae  dafür,  dass  bei  deren  Einrichtung  es  neun  prätorische  Cohorten  gab, 
und  diese  Einrichtung  fällt  sicher  unter  Augustus. 


Die  Garcletruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit.  7 

völlig  gleichkämen.  Eine  weitere  wahrscheinlich  auch  der  gleichen 
grossen  Reorganisationsepoche  angehörige  Einrichtung  ist  die  Schaffung 
einer  dauernden  für  die  Aufrechthaltung  der  Ordnung  in  der  Haupt- 
stadt bestimmten  städtischen  Garnison  und  deren  Verknüpfung  mit 
der  reorganisirten  Garde;  diese  städtischen  Cohorten  wurden  im 
wesentlichen  nach  dem  gleichen  Muster  organisirt  wie  die  des  Prä- 
torium,  in  gleicher  Weise  unter  den  unmittelbaren  Oberbefehl  des 
Kaisers  gestellt  und  den  drei  oder  vier  Cohorten,  die  die  Garnison 
bildeten,  Nummern  gegeben,  welche  die  der  Cohorten  des  Prätorium 
fortsetzten.  —  Wichtig  aber  ist  vor  allem,  dass  damals  der  Garde- 
und  der  Legionendienst  von  einander  getrennt  ward,  so  dass  nur 
ausnahmsweise  die  Gardisten  aus  den  Legionen  sich  recrutirten, 
regelmässig  nur  die  latinische  Jugend  mit  Ausschluss  sogar  der  erst 
durch  den  Bundesgenossenkrieg  latinisirten  Landschaften  und  des 
cisalpinischen  Galliens^,  und  auch  diese  nur,  sofern  sie  nicht  in  die 
Legionen  eintrat,  zum  Dienst  in  der  Garde  sich  melden  durfte,  Die 
Freiwilligkeit  der  Meldung  wurde  beibehalten,  die  Verkürzung  der 
Dienstzeit  gegenüber  der  des  Legionars  um  vier  Jahre  ohne  Zweifel 
damals  eingeführt.  So  aufgefasst  passt  diese  Anordnung  vortrefflich 
in  das  System  der  Ausgleichung  zwischen  den  alten  Ordnungen  der 
Republik   und  dem  neuen  Herrscherthum  des  Triumvirats. 

Die  weitere  Entwickelung  der  Kaisergarde  ist  im  Allgemeinen 
klar  und  wohl  bekannt;  es  ist  nicht  erforderlich  dabei  zu  verweilen, 
wie  der  ursprünglich  vom  Princeps  selbst  geführte  Oberbefehl  für 
die  prätorischen  Cohorten  noch  unter  Äugustus  selbst  auf  die  prae- 
fecü  jrraetorio^  für  die  zum  Schutz  der  Hauptstadt  bestimmten 
städtischen  unter  der  Regierung  des  Tiberius  auf  den  neuen  ständigen 
Stadtpräfecten  überging  und  wie  die  Casernirung  der  ersteren  Truppe  32 
in  der  Hauptstadt  durch  Seianus  die  neue  Institution  zu  ihrem  vollen 
Abschluss  gebracht  Und  ihr  den  Charakter  aufgeprägt  hat,  durch  den 
sie  recht  eigentlich  die  Signatur  des  Principats  geworden  ist,  mit 
dem  sie  dann  auch  gefallen  ist,  als  derselbe  der  Monarchie  wich. 

Das  von  den  Triuravirn  aufgestellte  System  die  Garde  aus  den 
Legionen  zu  bilden  hatte,  wie  wir  sahen,  Äugustus  bei  der  Consti- 
tuirung  des  Principats  aufgegeben  und  die  herrschende  Nation  in- 
sofern der  militärischen  Vergewaltigung  entzogen,  als  die  in  Italien 
stehenden  Mannschaften  ausschliesslich  aus  italischen  Freiwilligen 
bestehen  sollten.  Aber  es  blieb  unvergessen,  dass  hierin  eine  Ab- 
dication  der  Militärmonarchie  enthalten  war,  und  sowie  diese  wieder 


1)  Tacitus  anu.  4,  5;  Hermes  4,  117  [Ges.  Sehr.  4  S.  309]. 


8  Die  Gardetruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit. 

emporkam,  griff  sie  sofort  zurück  zu  dem  alten  triumviralen  System. 
Zum  erstenmal  ist  dies  geschehen,  als  Italien  im  J.  69  von  den 
Rheinlegionen  unterworfen  ward.  Es  war  eine  der  ersten  Massregeln 
des  Titellius,  dass  er  die  hauptstädtischen  Soldaten  entliess  und  aus 
den  mitgebrachten  Truppen  eine  neue  Garde  und  eine  neue  Stadt- 
garnison bildete.  Wir  besitzen  noch  die  Inschrift  eines  dieser  Vitel- 
lianer,  der  nach  zehnjährigem  Dienst  in  der  16.  gallischen  Legion 
in  die  neunte  prätorische  Cohorte  übergingt.  Die  Niederschlagung 
33  dieser  übermüthigen  Soldatesca  führte  selbstverständlich  das  augus- 
tische System  wieder  zurück.  Aber  ein  Jahrhundert  später  voll- 
brachten die  Donaulegionen,  was  denen  des  Rheins  nur  vorüber- 
gehend gelungen  war,  und  bekanntlich  ist  es  das  rechte  Wahrzeichen 
des  illyrischen  Militärregiments,  dass  im  dritten  Jahrhundert  die 
Garde  wieder  der  Mehrzahl  nach  aus  Illyrikern  gebildet  wird  und 
der  Uebertritt  der  gemeinen  Legionare  in  die  Garde  häufig  vorkommt. 
Es  bleibt  nur  noch  eine  kurze  Ausführung  hinzuzufügen  über 
die  Gesammtzahl  der  prätorischen  und  der  mit  ihnen  verknüpften 
städtischen  Gehörten.  Sehen  wir  auf  die  bleibenden  Einrichtungen, 
so  gab  es  wie  unter  Augustus,  so  noch  unter  Vespasian  im  J.  76''^ 
nicht  mehr  als  neun  prätorische  Gehörten.  Eine  zehnte  ist  dann 
zwischen  den  Jahren  76  und  112^  eingerichtet  und  diese  Zahl  seit- 
dem nicht  überschritten  worden.    Ebenso  ist  die  Zahl  der  städtischen 


1)  C.  I.  L.  VI  2725  [Dessau  2034]:  C.  Vedennius  C.  f.  Qui.  Moderatm  Antio, 
milit(amt)  in  leg(ione)  XVI  Gal(lica)  a{nnos)  X;  tran(s)latfus)  in  coh(ortem)  IX 
pr(aetoriam),  in  qua  milit(amt)  ann(os)  VIII;  missus  honesta  mission(e)  revoc(atus) 
ab  imp(eratm'e)  fact(us)  evoc(atus)  Ä^ig(usti),  arcitect(us)  armament(arii)  impfera- 
toi'is),  evoc(atus)  ann(is)   XXIII,   donis  miUtarib(us)  donat(us)  bis  ab  divo  Ves- 

p(asiano)  et  imp.  Domitiano  Aug(usto)  Germ(anico) Moderatus,   gebürtig 

aus  Antium,  wurde  Soldat  im  J.  59/60,  kam  dann  unter  Valens  mit  den  übrigen 
niedergermanischen  Truppen  nach  Italien  und  war  unter  denen,  die  nach  der 
Ueberwältigung  Othos  in  die  neue  Garde  übergingen,  ebenso  unter  denen,  welche, 
wie  dies  Tacitus  (bist.  4,  46)  erzählt,  trotz  der  Katastrophe  des  Vitellius  in  der 
Garde  verblieben  und  allmählich  nach  Ablauf  ihrer  Dienstzeit  entlassen  wurden. 
Nachdem  er  zehn  Jahre  in  der  Legion,  acht  in  der  Garde  gedient  hatte,  im 
J.  76/7,  empfing  er  seinen  Abschied,  wurde  aber  dann,  als  brauchbarer  Architekt 
wie  es  scheint,  vom  Kaiser  aufgefordert  wieder  als  evocatus  einzutreten  und 
diente  in  dieser  Eigenschaft  es  scheint  noch  bis  zum  J.  99/100 ,  also  bis  zum 
Anfang  der  Regierung  Traians.  Unter  diesem  muss  die  Inschrift  gesetzt  sein ; 
wobei  es  freilich  auffallend  ist,  dass  der  Kaiser  damnatae  memoriae  mit  seinem 
vollen  Namen  genannt  wird.  —  Es  ist  mir  nicht  bekannt,  dass  auf  die  geschicht- 
liche Bedeutsamkeit  dieser  Inschrift  schon  hingewiesen  worden  ist. 

2)  Diplom  vom  J.  76:  C.  I.  L.  III  p.  853  [Dessau  1993]. 

3)  C.  I.  L.  VI  n.  208  =  Henzen  6862  [Dessau  2098]. 


Die  Gardetruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit.  9 

Cohorten  zwischen  den  J,  76^  und  117^  von  vier  auf  fünf  gebracht 
worden.  "Wahrscheinlich  ist  die  Bildung  der  10.  prätorischen  und  der 
14.  städtischen  Cohorte  gleichzeitig  erfolgt,  vielleicht  durch  Domitian. 
—  Aber  sowohl  die  Inschriften  wie  die  Schriftsteller  weisen  darauf 
hin,  dass  vorübergehend  die  Zahl  der  Cohorten  eine  andere  und 
höhere  gewesen  ist.     Ich  stelle  zunächst  die  Zeugnisse  zusammen. 

coh.  XI  pr.  bezeugt  durch  sechs  Inschriften :  *) 

Q.  Äconius  Q.  f.  Fup.  Messor  Laude,  mil.  coli.  XI  pr.  (cenhiria) 

Calpurni  Taciti.     Rom.  C.  VI  2762. 
L.  Aucilius  L.  f.  Vol.  Secundus  Vienna,  mil.  coh.  XI  pr.  (centuria) 

ProcuU.     Rom.  C.  VI  2763. 
L.  Cantonius  Mu  .  .  .  mü.  coh.  XI  praet.    Virunum.  C.  III  4838 

[Dessau  2033]. 
Q.  Gargennius  L.  f.  Sca.  Celer  Florentia  mü.  coh.  XI  pr.    Rom. 

C.  VI  2764. 
.  .  .  enus  C.  f.  [Ro]m.  Severus  \mil]es  coh.  XI  pr.     Ateste.  C.  V 

2513. 
L.  Tenatius  L.  f.  Puh.  Valens   domo   Verona  eques  coh.  XI  pr. 

Rom.  C.  VI  2765. 
coh.  XII  pr.  bezeugt  ebenfalls  durch  sechs  Inschriften:  34 

M.  Apicius  M.  f.  Puh.  Pudens  Verona  mil.  coh.  XII  pr.     Rom. 

C.  VI  2766. 
C.  Gavius  L.  f.  Stel.  Silvanus  .  .  tribunus  coh.  XII  praetoriae. 

Turin.     C.  V  7003  [Dessau  2701].    Bekanntlich  ist  dies  eben 

derjenige   Prätorianertribun,    der   wegen  seiner   Theilnahme 

an  der  pisonischen  Verschwörung  im  J.  65  das  Leben  verlor^. 
C.  hil.  Zoili  filius  Fahia  Montanus  domo  Heraclea  Sentica  miles 

coh.  XII  pr.  (centuria)  Lartidi.     Rom.    C.  VI  2767  [Dessau 

2032]. 
L.  Manlius   L.  f.  Cam.  Priscus    miles    coh.  XII  pr.      Piemont. 

C.  V  7162. 
M.  Rufitis  M.  f.  Puh.  liufinus  miles  coh.  XII  pr.  (centuria)  Baedi. 

Rom.  C.  VI  2768. 
M.  Viritis  .  .  Scaptia  Celer  Flmentinus  mil.  coh.  XII  praetoriae. 

Segusio.  C.  V  7258  [Dessau  2031]. 

1)  Diplom  vom  .7.  76  (S.  8  A.  2);  vgl.  Tacitus  bist.  2,  93. 

2)  Die   14.  städtische    Cohorte    bestand   unter   Traian:   Hennen  5456.  6771 
[C.  I.  L.  X  5829.  XI  5646  =  Dessau  2726.  2081]. 

*)  [Hinzu  kommt  Sex.  Abremis  Sex.  f.  Pol.  Buftis  mil.  chor.  XI  p:     Rom. 
Notizie  degli  Scavi  1906  S.  212.] 

3)  Tacitus  ann.  15,  50.  60.  61.  71. 


10  Die  Gardetruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit. 

coli.  XV  urhana  bezeugt  durch  eine  Inschrift: 

Q.  lunius   Q.  fil.  lullinus  mües   coli.  XV  tirh.      Misenum.   Wil- 
manns  1512  [C.  X  1765  =  Dessau  2128J.+) 


160  +)  (Nachtrag.*)    Die  misenatische  Inschrift  ist  nicht  die  einzige, 

welche  der  15.  Stadtcohorte  gedenkt.  Hinzuzufügen  sind  zwei  sardini- 
sche Steine,**)  die  freilich,  wie  fast  alles,  was  von  dieser  Insel  bekannt 
ist,  so  schlecht  überliefert  sind,  dass  nicht  viel  damit  anzufangen  ist. 
In  Porto  Torres,  aus  Vernazzas  Papieren  in  der  K.  Bibliothek 
in  Turin,  ungedruckt  [C.  I.  L.  X  7952J: 

XET   F 
OLLIONI 
LLIOPE 
l 

XV_V.B  5 

I  m  PR 

ROVINI 

IDENIO 

Epistyl   mit   grosser  schöner  Schrift,   in  Fordongianus;   mir  be- 
kannt einzig  aus  der  Publication  Spanes  Bull.  Sarclo  1860  S.  151: 
_  Q- L-POLLIO 

COH-XV-  VRB  •  TRIB  •  COH  .HI-  PR***) 
Augenscheinlich  betreffen  beide  Steine  denselben  Mann  und  es  hat 
danach  ohne  Zweifel  in  Z.  5  der  ersten  Inschrift  trih.  coh.  XV  VrB  | 
trib.  COM  III  PR  gestanden.  Aber  alles  weitere  bleibt  mir  völlig 
dunkel.  Man  kann  daran  denken  in  der  ersten  Inschrift  beispiels- 
weise herzustellen :  sex.  iulio  seXTI  •  F  |  pollia  POLLIONI  |  domo  sINOPE  | 
praef.  falM^  in  der  zweiten,  wo  offenbar  die  erste  Hälfte  der  Inschrift 
fehlt,  sex.  iulius  sex.  f.  pOh  ■  POLLIO  |  praef.  fahr.  trih.  COH  ■  XV  • 
VRB  •  TRIB  •  COH  ■  III  •  PR;  und  den  vorliegenden  Abschriften  gegen- 
über sind  diese  Aenderungen  keineswegs  allzu  kühn.  Aber  dass  sie 
die  ursprüngliche  Fassung  wiederherstellen  und  dass  diese  überhaupt 
im  Wege  der  conjecturalen  Besserung  wiedergefunden  werden  kann, 
wird  niemand  behaupten  wollen.  Der  zweite  Stein  —  der  erste  ist 
sicher  verloren  —  ist  möglicher  Weise  noch  nicht  der  Zerstörung 
anheimgefallen;  vielleicht  gelingt  es  von  diesem  eine  beglaubigte 
Copie  zu  erlangen.) 

*)  [Hermes  14,  1879  S.  160.] 
**)  [Einen  weiteren  Beleg  bietet  die  Inschrift  aus  Baalbek  C.  I.  L.  III  S.  14387 
ff,  wo  sie  zusammen  mit  der  cohors  XI  urhana  erwähnt  wird.] 

***)  [Jetzt  nach  Schmidts  Lesung  C.  I.  L.  X  7863 :  \ol.  PoUio  \  [trib.  mil.  c]oh. 
XV.  urb.  trib.  coh.  HU.  pr(aet.)] 


Die  Gardetruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit.  l\ 

coli.  XVI  urbana  bezeugt  durch  eine  Inschrift: 

M.  Vetthis  M.  f.  Ani.  Valens  (centtirio)  coli.  XVI  urh.    Ariminum. 
Henzen  G767   [C.  I.  L.  XI  395].     Die  Inschrift  ist  im  J.  6t> 
gesetzt;  doch  müssen  zwischen  jenem  Centurionat  und  diesem 
Jahr   mehrere   Jahre   verflossen   sein,    da  Valens  inzwischen 
zwei  Unteroffizierstellen  in  der  Garde,  zwei  Legionscenturio- 
nate  und  vier  Tribunate  verwaltet  hat. 
Tacitus    bist.  2,  67    berichtet    die  Verabschiedung    der  praetoriae 
coliortes,  die  Vitellius  vorfand  und  c.  93  die  Reorganisation: 
sedecim  praetoriae,  qnaftuor  tirbanae  coliortes  scrihebantur. 
Wer  diese  Zeugnisse    in   ihrer  Gesammtheit  erwägt,   wird   ein- 
räumen, dass  es  in  einem  gewissen  Zeitabschnitt  des  1.  Jahrhunderts 
nicht  neun,  sondern  zwölf  prätorische  Cohorten  gegeben  hat  und  dass 
wahrscheinlich   in  Folge    davon   die   städtischen   Cohorten   statt   der 
Xummern  10 — 13  die  Nummern  13  — 16  geführt  habend.     Denn  die 
beiden  einzigen  unter  jenen  Inschriften,   welche  datirt  sind,   führen  35 
die   eine   auf  das  J.  65,   die   andere   sogar  auf  eine  mindestens   ein 
Decennium  vor  dem  J.  66  liegende  Epoche^;   und  die  übrigen  nicht 
tlatirten  Steine  passen,   da   sie  sämmtlich  das  Cognomen  aufweisen, 
sonst  aber  streng  und  einfach  formulirt  sind,  sehr  gut  auf  die  clau- 
disch-neronische  Epoche.     Der  Urheber  dieser  Neuerung  kann  aber 
Nero  nicht  sein,  theils  weil  die  letztere  Inschrift  wahrscheinlich  über 
das  J.  54  zurückführt,  theils  besonders  weil  Tacitus  diesen  wichtigen 
Vorgang  sicher  nicht  übergangen  hat,  dann  aber,  da  die  Erzählung 
der  J.  47 — 66   bei  ihm  vollständig  vorliegt,   derselbe  füglich  nur  in 
die  Lücke   fallen   kann,   die   zwischen   dem  Tode   des  Tiberius   und 

1)  Dass,  als  man  später  die  zehnte  prätorische  Cohorte  einrichtete,  dies  auf 
die  damals  altgewohnten  Nummern  der  städtischen  Cohorten  nicht  einwirkte, 
sondern  man  fortan  eine  X  praetoi-ia  und  eine  X  urbana  unterschied,  beweist 
natürlich  nicht,  dass  man  nicht  früher  in  einem  ähnlichen  Falle  die  Nummern 
gerückt  hat.  —  Dagegen  erhebt  sich  hier  ein  anderes  Bedenken.  Wenn  zu  der 
Zeit,  wo  es  zwölf  prätorische  Cohorten  gab,  die  städtischen  die  Nummern  13 — 16 
führten,  so  dürfen  auf  den  sicher  dieser  Zeit  angehörigen  Inschriften  die  städti- 
schen Cohorten  10.  11.  12  nicht  vorkommen.  Nun  nennt  allerdings  der  Stein 
des  Silvanus  im  Einklänge  hiemit  die  coh.  XIII  urbana,  aber  Valens  war  kurz 
vor  66  trib.  coh.  XII  tirb.  Ich  weiss  dagegen  nur  geltend  zu  machen,  dass  die 
letztere  Zahl  verschrieben   sein  kann  [s.  dagegen  unten  S.  14  A.  1]. 

2)  Dass  man  gewagt  hat  aus  dem  Stein  des  Silvanus,  der  noch  vorhanden 
und  völlig  sicherer  Lesung  ist,  die  durch  fünf  andere  Inschriften  bezeugte 
Cohortennummer  herauszucorrigiren  (Marquardt  Staatsverwaltung  2  S.  461),  er- 
regt Befremden.  Die  Inschrift  vom  Jahre  66  steht  allerdings  nur  auf  einer  ein- 
zigen Abschrift;  doch  ist  auch  hier  ein  besonderer  Grund  nicht  vorhanden  die 
überlieferte  Lesung  anzufechten. 


12  Die  Gaidetruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit. 

dem  J.  47  liegt.  Es  wird  also  diese  Vermehrung  entweder  von 
Kaiser  Gaius  herrühren  oder  in  die  ersten  Jahre  des  Claudius  fallen. 
Vitellius  nahm  dann  noch  eine  weitere  Vermehrung  der  prätorischen 
Cohorten  von  zwölf  auf  sechzehn  vor.  Bestanden  hat  die  höhere 
Zahl  von  Gaius  oder  Claudius  bis  auf  Vespasian ;  welches  auch  recht 
wohl  dazu  stimmt,  dass  die  Inschriften  der  11.  und  12.  prätorischen 
Cohorte  nicht  eben  ausserordentlich  selten  sind.  Vespasian  hat, 
offenbar  aus  Finanzrücksichten  ^,  die  alte  augustische  Ordnung  wieder- 
hergestellt, und  es  wird  nicht  der  geringste  der  Dienste  sein,  die 
dieser  schlicht  verständige  und  energische  Regent  seinem  Lande 
geleistet  hat,  dass  er  dem  Umsichgreifen  des  bösen  Geschwürs,  das 
in  dem  Institut  der  Kaisergarde  bestand,  mit  kräftiger  Hand  Schran- 
ken gesetzt  hat. 

Die  römischen  Gardetruppen. 

(Nachtrag  zu  Bd.  14  S.  25  f.  [=  oben  S.  1  f.]). 

643  Die  in   dieser  Zeitschrift  14,  33  f.  [oben  S.  8  f.]  gegebene  Aus- 

führung über  die  unter  der  julisch-claudischen  Dynastie  in  der  Zahl 
der  Cohorten  der  Kaiser-  und  der  Stadtgarde  vorgekommenen 
Schwankungen  ist  nicht  vollständig,  und  nehme  ich  desshalb  die 
Frage  noch  einmal  auf. 

Es  steht  durch  Tacitus  Zeugniss^  fest,  dass  unter  Tiberius,  ohne 
Zweifel  in  Folge  der  Reorganisation  des  römischen  Militärwesens 
durch  Augustus,  in  der  Stadt  Rom  eine  Besatzung  von  zwölf  Bürger- 
cohorten  lag,  von  denen  neun  für  den  Dienst  bei  dem  Kaiser,  drei 
für  den  städtischen  bestimmt  waren;  und  es  stimmt  dazu,  dass  die 
erste  der  städtischen  Cohorten  die  Nummer  zehn  für  alle  Zeit 
behalten  hat.  Dazu  tritt,  wahrscheinlich  als  dreizehnte  ^,  die  gleich- 
artige in  der  gallischen  Hauptstadt  stationirte  Bürgercohorte ;  denn 
da  diese  Institution  schon  im  J.  21  n.  Chr.  bestand*,  so  muss  auch 
sie  auf  Augustus  zurückgeführt  werden. 

1)  Tacitus  hist.  4,  46:  immensa  pecunia  tanta  vis  Jwminum  retinenda  erat. 

2)  ann.  4,  5:  quamquam  insideret  urbem  proprius  miles,  tres  tirhanae,  novem 
praetoriae  cohortes. 

3)  Zeugnisse  für  die  Nummer  liegen  nicht  vor ;  aber  da  nach  allem  später 
Auszuführenden  daran  kaum  ein  Zweifel  bleiben  kann,  dass  diese  Cohorte  und 
die  stadtrömischen  durchgezählt  worden  sind,  so  ist  damit  auch  über  die  Ziffer 
entschieden. 

4)  ann.  3,  41  zum  J.  21:  Andecavos  Acilius  Aviöla  legatus  exeita  cohorte,  quae 
Liigduni  praesidium  agitabat,  coercuit.  Dies  bestätigen  weiter  die  solita  hiherna 
der  unten  zu  erörternden  Stelle  hist.  1,  64.    Wenn  0.  Hirschfeld  (Lyon  in  der 


Die  Gardetruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit.  13 

Es  ist  in  der  angeführten  Auseinandersetzung  gezeigt  worden,  644 
dass  bald  nachher  und  zwar  vor  Nero  die  hauptstädtische  Besatzung 
stark  vermehrt  worden  ist.  Da  Tacitus  diesen  Vorgang  nicht  über- 
gangen haben  kann  und  er  für  die  J.  29 — 31  nicht  passt,  muss  er 
entweder  unter  Gaius  fallen  oder  in  die  frühere  Zeit  des  Claudius 
vor  47,  von  wo  an  wir  seine  Erzählung  besitzen.  Die  geschichtliche 
Verbindung  fehlt  ^;  am  nächsten  liegt  es  darin  die  Gegengabe  zu 
finden,  mit  welcher  Kaiser  Claudius  die  ihm  unverhofft  wie  unverdient 
zugeworfene  Krone  bezahlte.  —  In  welchem  Umfang  diese  Vermehrung 
stattgefunden  hat,  ist  in  Betreff  der  Kaisergarde  ausser  Zweifel:  die 
Zahl  der  Cohorten  stieg  von  neun  auf  zwölf.  Die  ziemlich  zahl- 
reichen Zeugnisse  für  die  Existenz  einer  elften  und  zwölften  prätori- 
schen  Cohorte  in  der  früheren  Kaiserzeit  sind  a.  a.  O.  zusammengestellt 
worden;  ihre  relative  Häufigkeit  beweist  zugleich,  dass  es  höhere 
Ziffern  damals  nicht  gegeben  hat  und  wir  wie  die  Vermehrung,  so 
auch  deren  Grenze  kennen. 

Weniger  zweifellos  steht  es  in  Betreff  der  städtischen  Cohorten 
einschliesslich  der  ihnen  angeschlossenen  gleichartigen  ausserhalb 
Rom  stationirten.  Ich  stelle  zunächst  die  darüber  vorliegenden 
Zeugnisse  zusammen. 

1.  Die  Existenz  einer  fünfzehnten  städtischen  Cohorte  in  der  früheren 
Kaiserzeit  ist  erwiesen  durch  drei  [vielmehr  vier,  s.  ob.  S.  10**]  In- 
schriften, die  eines  Soldaten  derselben  aus  Misenum  (a.  a.  O.  S.  34 
[oben  S.  10])  und  zwei  sardinische  eines  und  desselben  Offiziers^. 

2.  Die  Existenz  einer  sechzehnten  städtischen  Cohorte  um  das  J.  56 
oder  noch   etwas  früher  ist   ebenfalls   inschriftlich   festgestellt^. 

Römerzeit  S.  27)  den  Ausdruck  solita  hiberna  für  eine  dort  als  ständige  Besatzung 
fungirende  Cohorte  von  Stadtsoldaten  wenig  geeignet  findet,  so  kann  ich  ihm 
nicht  beistimmen ;  mir  scheint  er  nichts  bezeichnen  zu  können  als  eben  dieses. 
Für  die  Stellung  Galliens  in  dem  römischen  Kaiserstaat  giebt  es  kaum  ein 
prägnanteres  Moment  als  diese  Einrichtung,  wodurch  die  Hauptstadt  der  tres 
Galliae  als  die  zweite  des  Reiches  charakterisirt  wird. 

1)  Sueton  mag,  gleich  uns  Neueren,  geirrt  durch  die  Gleichzahl  der  prä- 
torischen  Cohorten  Augusts  und  Vespasians,  die  ephemere  Vermehrung  der 
Garde  übersehen  haben.  Wäre  ihm  dieselbe  bewusst  gewesen,  so  hätte  er  im 
c.  25  der  Biographie  des  Claudius  davon  nicht  geschwiegen. 

2)  a.  a.  0.  S.  160  [oben  S.  10].  Die  zweite  dieser  Inschriften  (C.  I.  L.  X  7863) 
hat  seitdem  Hr.  J.  Schmidt  für  das  Inschriftencorpus  verificirt;  die  Schrift  ist 
gross  und  schön,  ohne  Zweifel  des  ersten  Jahrhunderts.  Die  Vermuthung,  dass  in 
Z.  1  statt  des  unmöglichen  Q  •  L  die  Tribus  j^OL  oder  vOL  gestanden  habe,  hat  sich 
bestätigt. 

3)  Allerdings  beruht  dieser  Erweis  einzig  auf  dem  Stein  von  Ariminum 
Henzen  6767  [C.  I.  L.  XI  395] ,  der  verloren  und  uns  nur  durch  eine  einzige, 
übrigens  allem  Anschein  nach  recht  zuverlässige  Abschrift  bekannt  ist. 


14  Die  Gardetruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit. 

<)45     3.    Grleichzeitig  hat  es  eine  zwölfte  städtische  Gehörte  gegeben  ^ 

4.  Piäeolis  et  Ostiae,  sagt  Sueton  von  Kaiser  Claudius  (Claud.  25), 
s'mgulas  cohortes  ad  arcendos  incendiorum  casus  collocavit.  Dass 
die  also  von  Claudius  eingerichteten  Cohorten,  wenn  überhaupt 
einem  schon  bestehenden  Truppencorps,  dann  den  coJwrtes  urhanar 
angeschlossen  worden  sind,  macht  die  Analogie  der  späterhin 
in  Lyon  stationirten  dieser  Truppe  zugezählten  Cohorte  wahr- 
scheinlich ^. 

5.  Tacitus  hist,  1,  SO  zum  J.  69:  septumam  äecumam  cohortem  e 
colonia  Ostiensi  in  urhem  acciri  Ofho  iusserat:  armandae  eins 
cura  Vario  Grispino  e  praetorianis  data.  Der  Verlauf  der  Er- 
zählung zeigt,  dass  das  armamentarium  der  Cohorte  in  Ostia 
war,  sie  also  dort  dauernd  stationirte. 

6.  Tacitus  hist.  1,  64  zum  J.  69:  cohortem  XV IIP  Lugduni  solitis 
sibi  hihernis  rclinqui  placuit. 

7.  Bronzetablette  unbestimmter  Herkunft,  zuerst  bekannt  geworden 
aus  einer  römischen  Sammlung  (C.  I.  L.  VI  481  f=  Dessau  2131]): 
Marti  et  Fortunae  C.  Alfidius  Secimdus  miles  coh.XVII  d.  d. 

8.  Inschrift  von  Moulins*:  L,  Fiifio  Equestre  mU(iti)  coh(ortis)  XVII 


1)  Diese  steht  auf  dem  eben  genannten  Stein  von  Ariminura  neben  der 
XVI  urbana.  Die  a.  a.  0.' S.  34  A.  2  [oben  S.  11  A.  1]  versuchte  Aenderung  der 
überlieferten  Zahl  nehme  ich  zurück.  Die  Aenderung  der  Nummern  der  cohories 
urbanae  älterer  Entstehung,  die  dabei  vorausgesetzt  werden  musste,  würde  ohne 
Beispiel  in  der  römischen  Militärgeschichte  sein. 

2)  Lanciaui  ann.  delF  inst.  1868  p.  184  denkt  an  cohortes  vigilum;  was,  da 
die  sieben  Cohorten  durchaus  für  die  vierzehn  Regionen  Roms  erfordert  wurden, 
nur  in  dem  Sinne  denkbar  sein  würde,  dass  zwei  weitere  derartige  Cohorten  für 
die  Häfen  eingerichtet  wurden.  Aber  nichts  zwingt  dazu  die  Verwendung  der 
im  Hinblick  auf  die  Gefährlichkeit  der  Feuersbrünste  in  Ostia  und  Puteoli  ein- 
gerichteten Hafencohorten  formell  auf  den  Löschdienst  zu  beschränken;  es  ist 
dies  vielmehr  unwahrscheinlich,  da  in  beiden  Orten  andere  Truppen  nicht  lagen. 

3)  So  die  Handschrift.  Mein  Vorschlag  (ann.  dell'  inst.  1853  p.  74)  XIII 
für  XVIII  zu  setzen  ist  mehrfach  gebilligt  und  von  Nipperdey  in  den  Text 
gesetzt  worden,  wird  aber,  nachdem  die  Sachlage  jetzt  in  weiterem  Umfang 
bekannt  geworden  ist,  nicht  mehr  aufrecht  erhalten  werden  können. 

4)  Diesen  merkwürdigen  Stein  hat  Otto  Hirschfeld  aufgefunden  und  in 
seiner  geistvollen  Abhandlung  Lyon  in  der  Römerzeit  (Wien  1878)  S.  27  bekannt 
gemacht;  wiederholt  hat  ihn  dann  nach  einem  Gipsabguss  der  verdienstvolle 
Herausgeber  der  revue  epigraphique  die  midi  de  la  France  A.  Allmer  in  derselben 
n.  6  (1879)  p.  95  [C.  L  L.  XHI  n.  1499].  Die  Inschrift  gehört,  wie  jetzt  auch 
Hirschfeld  anerkennt,  unzweifelhaft  in  das  erste  Jahrhundert;  mehr  noch  als 
die  Accente  sind  das  Fehlen  des  Cognomen  (denn  Equestre  bezeichnet  die  Heimath) 
und  das  Auftreten  der  moneta  in  Lyon  dafür  entscheidend.  Strabon  4,  3,  2  und 
die    Lyoner    Inschrift    Orelli    3228    [C.  I.   L.   XIII    1820]    eines    Sclaven    de^ 


Die  Gardetnippeii  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit.  ]  5 

Lugudüniensis   ad   monetam    (centuria)    lanudri.      L(ocus)    i(n) 
f(rontem)  p(edes)  IUI,  r(etro)  p(edes)  IUI.*) 

Diese  Daten,  alle  zufällig  überliefert,  geben  zwar  kein  vollständiges  646 
Oesammtbild,  aber  lassen  doch  ungefähr  sich  mit  einander  combiniren. 
Fand  Claudius  ausser  der  Kaisergarde  die  Gehörten  10.  11.  12  als 
iirbanae,  die  13.  als  Besatzung  von  Lyon  vor,  so  wird  er  den  beiden 
für  die  zwei  Häfen  Roms  Ostia  und  Puteoli  von  ihm  neu  errichteten 
Cohorten  die  Nummern  14  für  Ostia,  15  für  Puteoli  gegeben  haben; 
und  dazu  stimmt  gut  die  einzige  Inschrift  der  letzteren  Gehörte,  die 
für  deren  Standquartier  in  Betracht  kommt,  insofern  sie  in  Misenum 
zum  Vorschein  gekommen  ist.  Bald  darauf  müssen  dann  noch  drei^ 
weitere  Cohorten  dieser  Art  eingerichtet  worden  sein,  sei  es  nun  zur 
Verstärkung  der  hauptstädtischen  Garnison,  sei  es  für  andere  Oert- 
lichkeiten;  dabei  mag  die  13.  von  Lugudunum,  die  14.  von  Ostia 
nach  Rom  verlegt  und  nach  Lugudunum  erst  die  1 7.,  dann  die  1 8., 
nach  Ostia  die  17.  geschickt  worden  sein.  Diese  Vermehrungen  und 
Dislocationen  lassen  sich  in  mannichfach  verschiedener  Weise  denken 
und  es  werden  die  Einzelheiten,  wenn  nicht  neue  Zeugnisse  zum 
Vorschein  kommen,  nicht  mit  Sicherheit  auszumachen  sein.  —  Die 
Gesammtstärke  der  Truppe  war  damit  auf  einundzwanzig,  zwölf 
prätorische,  neun  städtische  Gehörten  gestiegen.  Was  die  Benennung 
der  letzteren  anlangt,  so  mag  zunächst  denselben  entweder  eine 
weitere  Bezeichnung  ausser  den  Nummern  nicht  zugekommen  sein, 
wie  denn  in  der  unter  7.  aufgeführten  Inschrift  die  blosse  Ziffer 
erscheint,  oder  sie  mögen  sich  nach  ihrem  Standquartier  benannt 
haben,  wie  das  in  der  zuletzt  aufgeführten  Inschrift  geschieht.  Aber 
dass  die  Bezeichnung  urhanae  bald  auf  die  nicht  in  Rom  liegenden 
Cohorten  erstreckt  ward,  beweist,  auch  abgesehen  von  dem  späteren 
Auftreten  der  XIII  urbana  in  Lyon,  unwiderleglich  die  misenatische 
Inschrift. 

Auch  der  Abschluss  dieser  Vorgänge  liegt  im  Klaren.     Als  mit  647 
Vitellius  das  Soldatenregiment  seinen  ersten  vollen,  aber  ephemeren 
Erfolg  errang,  wurde  die  Zahl  der  prätorischen  Cohorten  von  zwölf 
auf   sechzehn  gesteigert.     Was   gleichzeitig    in  Betreff   der  cohorfes 

Tiberius  aequator  monetae  weisen  diese  Prägstätte  in  die  frühere  Kaiserzeit  (vgl. 
R.  M.  W.  S.  747);  sie  muss,  da  unsere  Inschrift  nicht  vor  Claudius  gesetzt  werden 
kann,  unter  diesem  noch  bestanden  haben,  was  in  hohem  Grade  bemerkenswerth  ist. 

*)  [Ein  zweites  Zeugniß  für  diese  Cohorte  in  Lyon  bietet  ein  Brouzetäfel- 
chen:  C.  I.  L.  XIII  1  p.  519 :  L.  Manli  Nigrini  mtl.  coJwr.  XVIl] 

1)  Die  Existenz  der  18.  Cohorte  beruht  allerdings  nur  auf  der  einen  Stelle 
des  Tacitus.  welche  verschrieben  sein  kann. 


16  Die  Gardetruppen  der  römischen  Republik  und  der  Kaiserzeit. 

urhanae  geschah,  ist  weniger  sicher.  Wenn  Tacitus  sagt^:  sedecim 
praeioriae,  quattuor  urhanae  coliortes  scribehantur,  quis  singula  milia 
inessent,  so  kann  dies  vielleicht  auf  die  in  der  Stadt  garnisonirenden 
Cohorten  beschränkt  und  mit  dem  Fortbestehen  der  neun  cohortes 
urhanae  in  Einklang  gebracht  werden.  Aber  die  Fassung  passt 
besser  auf  eine  Reorganisirung  des  ganzen  Corps  und  wahrschein- 
licher dürfte  es  sein,  was  auch  der  Tendenz  dieses  Regiments  sehr 
wohl  entspricht,  dass  nicht  so  sehr  eine  Vermehrung  der  Gesammtzahl 
stattfand  als  eine  Vermehrung  der  durchaus  bevorzugten  eigentlichen 
Prätorianer.  Vermuthlich  hat  Vitellius  alle  von  oder  nach  Claudius 
in  Betreff  der  cohortes  urhanae  getroffenen  Massregeln  cassirt  und  in 
dieser  Hinsicht  die  augustische  Ordnung  wieder  hergestellt,  so  dass 
drei  Cohorten  für  den  Präfecten  von  Rom,  eine  für  Lyon  bestimmt 
wurde.  Als  dann  Vespasian  ans  Regiment  kam,  führte  die  Reaction 
gegen  die  Legionenherrschaft  naturgemäss  dazu,  dass  die  Prätorianer 
abermals  aufgelöst  und  nun  auch  ihrerseits  auf  die  durch  Augustus 
festgesetzte  Zahl  reducirt  wurden.  Dass  es  bei  der  Beseitigung  der 
später  hinzugefügten  städtischen  Cohorten  geblieben  oder  auch  die- 
selbe, wenn  nicht  von  Vitellius,  dann  von  Vespasian  verfügt  worden 
ist,  lehren  die  der  nachvespasianischen  Zeit  angehörigen  Inschriften 
von  Misenum  wie  von  Ostia:  jene  durch  ihr  Schweigen,  das  bei  ihrer 
grossen  Zahl  entschieden  beweisend  ist,  diese  nicht  bloss  dadurch, 
sondern  mehr  noch  durch  die  deutlichen  Spuren,  die  sie  von  den 
anderweitig  in  Betreff  der  Feuerpolizei  für  Ostia  getroffenen  Ver- 
anstaltungen tragen:  die  dortigen  Inschriften  zeigen,  dass  damals 
für  Brandgefahr  daselbst  Detachements  verschiedener  Cohorten  der 
hauptstädtischen  Löschmannschaft  stationirt  waren  ^. 


1)  bist.  2,  93.     Bei  der  Auflösung  nennt  er  nur  die  Prätorianer  (2,  67). 

2)  Vgl.  darüber  die  gute  Auseinandersetzung  Lancianis  ann.  dell'  inst.  1868 
p.  183  [jetzt  auch  C.  I.  L.  XIV  p.  9;  Ephem.  epigr.  7  p.  864  ff.]. 


II. 

Die  germanischen  Leibwächter  der  römischen  Kaiser.*) 

Unter  dem  Gesinde  der  römischen  Kaiser  finden  sich  bekanntlich  349 
Leibwächter  (corporis  custodes)  germanischer  Herkunft,  die  vom 
Standpunkt  der  römischen  Forschung  aus  in  neuerer  Zeit  mehrfach 
behandelt  worden  sind  i,  aber  wenigstens  von  Seiten  ihrer  Herkunft 
auch  die  Aufmerksamkeit  der  Germanisten  verdienen.  Ihrer  Rechts- 
stellung nach  sind  sie  kaiserliche  Sclaven,  seltener  Freigelassene, 
factisch  Soldaten  und  zwar  Reiter.  Bestanden  haben  sie  schon  unter 
Augustus,  der  dann  nach  der  Varusschlacht  die  Truppe  auflöste^; 
sie  sind  aber  noch  von  ihm  selbst  hergestellt  worden  ^  und  bestanden 
bis  auf  Galba,  der  sie  abermals  abschaffte*.  Nachher  sind,  wahr- 
scheinlich unter  Hadrian,  an  die  Stelle  der  Leibwächter  die  equites 
singulares  der  späteren  Kaiserzeit  gesetzt  worden,  welche  nicht  bloss 
factisch,  sondern  auch  dem  Rechte  nach  Soldaten  waren  ^. 

Die  Inschriften,  die  wir  von  den  corporis  custodes  besitzen, 
gehören  alle  in  die  Zeit  der  julisch-claudischen  Dynastie.  Zum 
grossen  Theil  sind  die  Leute,  denen  sie  gesetzt  sind,  im  Eigenthum 
des  Germanicus  gewesen  und  nach  dessen  Tode  an  seine  Erben 
gekommen  (daher  das  häufige  Germanicianus);  es  können  Gefangene 
aus  dessen  Kriegen  am  Rhein  sein,  die  Germanicus  aus  der  Beute 
geschenkt  erhielt  oder  kaufte.  —  Ihrer  Herkunft  nach  werden  sie 
bei    den  Schriftstellern  und   ebenso   auf  zahlreichen  Inschriften  be- 


*)  [Neues  Archiv  8,  1883  S.  349—351.] 

1)  Mein  röm.  Staatsrecht  2^,  S.  782  (vgl.  S.  XIV),  wo  die  übrigen  Unter- 
suchungen angeführt  sind.  [Vgl.  jetzt  Staatsrecht  2'  S.  808  und  Ges.  Sehr.  3 
S.  18  A.  2;  M.  Bang,  die  Germanen  im  Römischen  Dienste,  Berlin  1906  S.  63fiF.] 

2)  Sueton  Aug.  49.    Dio  56,  23. 

3)  Tacitus  Ann.  1,  24.  13,  18.  15,  58.    Sueton  Gai.  43.  55.  58.    Ner.  34. 

4)  Sueton  Galb.  12. 

5)  Vgl.  meine  Ausführung  im  Hermes  16,  458  sq.    [Ges.  Sehr.  5,  402  f.] 

MOMMSEN,   SCHK.  VI.  2 


jg  Die  germanischen  Leibwächter  der  römischen  Kaiser. 

zeichnet    als    Germani^.       Von    einzelnen  Völkerschaften    begegnen 
folgende^: 
350  natione  Ataeus(?)^:  n.  4341  [Dessau  1717]. 

natione  Baetesius^:  n.  8808. 

naUone  Batavus:  n.  8802.  8803  [Dessau  1729.  1730].  8804.  8806. 
8807  [Dessau  1725].  Sueton  Gai.  43:  admonitus  de  supplendo  numero 
Batavorum ,  quos  circa  se  hahehat,  expeditionis  Germanicae  impetum 
cepit.  Noch  die  equites  singulares  der  späteren  Zeit  heissen  bei  Dio 
(55,  24)  ^Evoi  ijijirjg  en'dexToi,  oTg  rö  töjv  Bardovwv  äno  zfjg  Baxdovag 
rfjg  ev  rcb  'Prjvw  vqoov   övojua  .  .  .  xeirai. 

natione  Frisiao^:  n.  4343  [Dessau  1721]. 

natione  Frisius:  n.  4342  [Dessau  1720]. 

natione  Peucennus^:  n.  4344  [Dessau  1722]. 

natione  Sui  .  .  .  (vielleicht  Suehus):  n.  8810  [Dessau  1724]. 

natione  JJbius:  n.  8809.     Vgl.  natione  U .  .  .  n.  8805. 

natione  Veius'^ :  n.  4337  [Dessau  1718].    nat.  Vein  .  .  .  n.  4339. 

Bemerkenswerth  ist  dabei,  dass  unter  diesen  Völkerschaften, 
soweit  sie  sonst  bekannt  sind,   keine  einzige  dem  freien  Germanien 

1)  Dio  56,  23  nennt  sie  KeXxoi,  setzt  aber  dies  in  Gegensatz  zu  FaXätai. 
Die  Stelle  des  Josephus  ant.  19,  1, 15  ist  zerrüttet.  Nach  freundlicher  Mittheilung 
Nieses  ist  die  Ueberlieferung  etwa  in  folgender  Weise  herzustellen:  8oQV(p6Qoi 
d'^aav  ovroi  (ts  ^oav  avroi  die  flor.  Handschrift^  6/j,cövvfiov  (so  nach  der  alten  lat. 
XJebersetzung;  öixwvvfioi  die  griech.  Ueberlieferung)  reo  s&vei  £<p'  (vielmehr  k^) 
ov  xatsiXexaxo  (so  Dindorf,  xarsüey^av  ro  Flor.,  xatslkrjxav  xo  Ambros.)  KeItwov 
xäyfia  TiaQSxöfisvoi  (ro  fügt  ein  Ambr.  zu  avrü>v,  womit  freilich  die  Corruptel  am 
Schluss  nicht  gehoben  seij  [s.  jetzt  Niese's  größere  Ausgabe  19  §  119,  wo  6fA.cövvfioi 
beibehalten  ist,  während  die  kleinere  Ausgabe  ofimwfiov  gibt].  Offenbar  hat  auch 
Josephus  den  Namen  der  Bataver  im  Sinn. 

2)  Alle  Inschriften  der  Leibwächter  stammen  aus  der  Stadt  Rom.  Die 
Nummern  sind  die  der  2.  Abth.  des  6.  Bandes  des  C.  I.  Lat. 

3)  Es  scheint  nur  eine  Abschrift  zu  existieren  und  vielleicht  ist  für  das 
überlieferte  NATIONE  ATAEVS  richtig  corrigirt  worden   NATION  BATAVS. 

4)  Sonst  Baetasii:  so  in  den  A.  5  angeführten  Militärdiplomen  und  bei 
Plinius,  Tacitus  und  in  der  Not.  dignitatum.    Vgl.  Hübner,  Rhein.  Mus.  11,  S.  23. 

5)  Ueberliefert  ist  in  den  guten  Abschriften  FRISIAO  oder  FRISIAEO;  jenes 
wird  richtig  sein,  da  auch  die  beiden  Militärdiplome  vom  J.  105  (C.  I.  L.  III 
n.  XXIIl)  und  124  (das.  n.  XXX)  eine  eohors  I.  Frisiavonum  aufführen.  Daneben 
erscheint,  aber  bloss  auf  einer  Grabschrift,  Frisaevo  (C.  I.  L.  VI,  3260).  Vgl. 
Hübner,  Rhein.  Mus.  11,  S.  30. 

6)  FEVCENNVS  oder  FEVCENNVS  die  besten  Abschriften.  Dies  wird 
die  lateinisch  richtige  Form  sein;  bei  Tacitus  Peuceni,  bei  den  Griechen  IIsvxTvoi. 

7)  So  ist  überliefert  und  die  Aenderung  VBIVS  bedenklich ,  da  die  beiden 
Inschriften  sich  gegenseitig  stützen. 


Die  germanischen  Leibwächter  der  römischen  Kaiser.  19 

angehört^;  was  nicht  Zufall  sein  kann,  sondern  vielmehr  darauf 
zurückzuführen  sein  wird,  dass  man  auf  diese  militärisch  organisirte 
und  thatsächlich  als  Militär  behandelte  Truppe  auch  die  Regeln  der 
militärischen  Aushebung  anwandte,  welche  bekanntlich  nach  der 
damals  bestehenden  Ordnung  durchaus  die  Reichsangehörigkeit  zur 
Voraussetzung  hatte.  Dass  wahrscheinlich  Kriegsgefangene  des  Ger- 
manicus  in  dieser  Truppe  erscheinen  und  dass  sein  Sohn  Kaiser 
Oaius  seinen  Feldzug  mit  unternahm,  um  die  germanischen  Gefangenen 
in  diese  Truppe  einzustellen,  beweist  wohl,  wie  es  ja  auch  eigentlich 
sich  bei  unfreien  Leuten  von  selbst  versteht,  dass  man  sich  über  jene 
Regel  hinwegsetzen  konnte,  aber  hebt  die  aus  den  Inschriften  her- 
vorgehende Regel  nicht  auf.  —  Auch  das  auf  diesen  Inschriften  fast 
stehende,  sonst  aber  bei  Sclaven  gar  nicht  häufige  Hervorheben  der 
Heimath  hängt  sicher  zusammen  mit  der  factischen  Annäherung  dieser 
Germani  an  die  eigentlichen  Soldaten,  die  auf  ihren  Denkmälern  die 
Heimath  regelmässig  nennen. 

Bemerkenswerth  ist  ferner,  dass  alle  oben  genannten  Völker-  351 
Schäften,  so  weit  sie  sonst  genauer  bekannt  sind,  zu  den  germanischen 
zählen:  es  gilt  dies  von  den  Batavern,  die  bei  weitem  am  häufigsten 
genannt  werden  und  sogar  a  potiori  der  ganzen  Truppe  den  Namen 
geben,  den  Frisiern,  den  Frisiavonen 2,  den  Ubiern,  den  Peucennern. 
Auch  die  Baetesier,  die  als  Baetasier  bei  den  Schriftstellern  auf- 
treten, aber  nach  Herkunft  und  Lage  nicht  sicher  bestimmt  sind, 
werden  danach  als  Germanen  zu  betrachten  sein.  Also  sind  die  nur 
•  durch  diese  Steine  bekannten  Völkerschaften  ebenfalls  im  Kreise  der 
dem  römischen  Reich  botmässigen  Germanen  zu  suchen. 

Die  Eigennamen  der  sämmtlichen  Leibwächter  sind  rein  römisch; 
es  sieht  fast  aus,  als  sei  absichtlich  vermieden  worden  durch  fremd- 
artige Benennungen  die  einzelnen  Leute  als  Ausländer  allgemein 
erkennbar  zu  machen. 


1)  Auch  die  Sueben  sind  die  des  römischen  Gebiets;  ein  solcher  diente 
auch  unter  den  kaiserlichen  equites  singulares  (Eph.  epigr.  IV,  n.  935  [C.  I.  L. 
VI,  32806  =  Dessau  2198];  Hermes  16,  S.  459  [Ges.  Sehr.  5  S.  403]). 

2)  Die  Inschriften  scheinen,  eben  wie  Plinius,  beide  Völkerschaften  zu 
unterscheiden:  die  Frisiavonen  sind  S.  18  A.  5  erwähnt,  ein  Frisius  erscheint 
C.  I.  L.  III  im  Diplom  XXXVII.  Vielleicht  fallen  die  Frisii  maiores  minoresque 
des  Tacitus  mit  den  Frisiavonen  und  Frisiern  zusammen.  Ueber  die  Form 
vgl.  Hübner  im  Rhein.  Mus.  11,  30. 


III. 

Die  Conscriptionsordnung   der  römischen  Kaiserzeit.*) 

1     I.   Die  occidentalischen  und  die  orientalischen  Legionen. 

Als  Augustus  nach  der  definitiven  Einrichtung  des  stehenden 
Heeres  an  die  dadurch  gegebene  weitere  Aufgabe  ging  in  dem 
weiten  Umfang  seiner  Staaten  die  Recrutirung  zu  ordnen,  führte  er, 
in  formaler  Anlehnung  an  die  Ordnungen  der  älteren  Republik^,  in 
der  That  aber  unter  principieller  Beseitigung  der  nach  den  Normen 
der  späteren  Republik  ausschliesslich  auf  der  Bürgerschaft  lastenden 
Dienstpflicht,  die  tiefgreifende  Neuerung  ein,  dass  der  eigentlichen 
wie  bisher  ausschliesslich  aus  römischen  Bürgern  bestehenden  Armee 
als  zweites,  an  Zahl  und  Gewicht  den  Legionen  mehr  neben-  als 
untergeordnetes  Element  die  sogenannten  Hülfscorps,  die  auxilia 
hinzutraten.  Es  sind  dies  nicht  etwa  die  von  den  zufälligen  und 
zeitweiligen  Kampfgenossen  gesandten  Truppen,  sondern  wo  das 
"Wort  im  technischen  Gebrauch  auftritt,  entsprechen  die  auxilia 
der  Legionen  genau  den  socii  der  früheren  Republik;  es  sind  die 
Contingente  der  durch  den  Reichsverband  in  ein  dauerndes  Schutz- 
verhältniss  gestellten  Unterthanengemeinden^,  wobei  auch  die  Clientel- 


*)  [Hermes  19,  1884  S.  1-79.  210  —  234.] 

1)  Diese  tritt  namentlich  in  der  Nomenclatur  deutlich  hervor:  die  auxilia 
der  Republik  vor  dem  Bundesgenossenkrieg  sind  alae  und  cohortes,  wie  die  der 
Kaiserzeit,  obwohl  die  ala  dort  etwas  ganz  anderes  ist  als  hier.  Die  Verwen- 
dung des  Wortes  in  dem  neueren  Sinn  findet  sich  wohl  zuerst  auf  der  merk- 
würdigen Inschrift  von  Minturnae  C.  I.  L.  X,  6011  [Dessau  2490],  welche  unter 
Augustus  geschrieben  sein  muss,  weil  sie  einen  evoeatus  in  dem  älteren  durch 
ihn  beseitigten  Sinn  aufführt.  —  Auch  die  überwiegend  von  den  truppenstellenden 
Gemeinden  entlehnte  Benennung  namentlich  der  cohortes  ist  nomenclatorisch 
der  Republik  entlehnt. 

2)  Die  einzigen  Instanzen,  die  meines  Wissens  hiergegen  [geltend]  gemacht 
werden  können,  sind  die  ala  Sarmatarum  (C.VII,  229.  230),  offenbar  mehr  ein  numerus 
im  späteren  Sinn  als  eine  ala  und  gewiss  erst  im  dritten  Jahrhundert  gebildet, 


Die  Conscriptioüsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  21 

Staaten  theilweise  mit  herangezogen  wurden  ^.  Neben  den  Verschieden-  2 
heiten  im  Rangverhältniss,  in  der  Dienstzeit  und  wohl  auch  der 
Besoldung  und  Verpflegung,  durch  welche  die  auxilia  als  Soldaten 
zweiter  Klasse  sich  charakterisiren,  bestand  bekanntlich  der  haupt- 
sächliche Gegensatz  darin,  dass  der  eigentliche  Corpsverband  und 
namentlich  das  Corpscommando  der  Generale  senatorischen  Ranges 
durchaus  auf  der  Legion  ruhte.  Die  Mehrzahl  der  'Hülfstruppen' 
wurde  diesen  Corpsverbänden  in  der  Weise  eingefügt,  dass  die 
einzelnen  Auxilien,  Truppenkörper  von  1000  oder  500  Mann,  den 
einzelnen  Legionen  von  fünf-  resp.  zehnfacher  Stärke  dauernd  annectirt 
und  ihre  Befehlshaber  dem  Legionscommandanten  unterstellt  wurden ; 
nur  Commandos  nicht  senatorischen  Ranges  und  grösstentheils  auch 
von  geringerer  Wichtigkeit  wurden  aus  Truppen  dieser  Gattung  für 
sich  allein  gebildet. 

Dass  die  Rekruten  für  die  Bürgertruppen  aus  den  römischen 
Bürgern,  für  die  Auxilien  aus  den  Nichtbürgern  ausgehoben  wurden, 
erscheint  als  selbstverständlich,  und  ist  bisher  wohl  allgemein  und 
unbedenklich  angenommen  worden.  Dennoch  trifft  der  Satz  in  dieser 
Ausdehnung  wenigstens  nicht  das  Richtige. 

Das  römische  Bürgerrecht  kommt  bekanntlich  dem  Bürger  jeder 
römischen  Vollbürgergemeinde  mit  Nothwendigkeit  zu;  und  wir  haben 
bisher  geglaubt,  was  sich  aus  jener  Annahme  nothwendig  ergab,  dass 
die  legionare  Recrutirung  der  früheren  Kaiserzeit  vorzugsweise  auf 
Italien  und  auf  den  hauptsächlich  im  Westen  belegenen  älteren 
provinzialen  Vollbürgergemeinden  gelegen  hat.  Allerdings  kann  das  3 
Vollbürgerrecht  auch  von  dem  Bürger  einer  latinischen  oder  sonstigen 
peregrinischen  Gemeinde  für  sich  und  seine  Nachkommen  erworben 

und  die  wahrscheinlich  von  Traian  eingerichtete  ala  I  PaHhorum  (Bullettino 
dell'Inst.  1868  p.  60  [C.  I.  L.  VI,  32933  =  Dessau  2723];  C.  I.  L.  VIII  p.  1076; 
X  n.  3847).  Diese  beiden  Truppen  auf  jeden  Fall  später  Entstehung  können  das 
Princip  nicht  umstossen  und  sind  wohl  auch  selber  damit  im  Einklang.  Einzelne 
sarmatische  Stämme  unter  römischer  Herrschaft  können  nicht  auffallen.  Was 
die  Parther  anlangt,  so  mag  Traianus  die  Einrichtung  der  Provinz  Mesopotamien 
wohl  als  Eroberung  eines  Theils  des  parthischen  Reiches  angesehen  haben,  wie 
sie  denn  dies  in  der  That  war.  Die  Benennung  der  drei  severischen  Legionen 
als  Paiihicae  wird  auch  nicht  vom  Sieg,  sondern  von  der  Eroberung  sich  herleiten, 
obwohl  dieses  blosse  Ehrennamen  sind  wie  Macedonica  und  Scythica. 

1)  Die  Clientelstaaten  hatten  ihr  eigenes  Heerwesen  (Tacitus  ann.  4,  4.  5. 
13,  7.  38 ;  bist.  5,  1 ;  Bohn  qua  eondicione  iuris  reges  socii  p.  R.  fuerint  p.  73) ; 
damit  aber  ist  es  wohl  vereinbar,  dass  auch  die  römische  Regierung  in  dem 
Clientelstaat  warb  oder  aushob.  Die  Beweise,  dass  dies  in  der  That  geschah, 
werden  weiterhin  gegeben  werden. 


22  Die  ConscriptionsordnuDg  der  römischen  Kaiserzeit. 

werden;  und  wenn  ans  einer  Stadt,  die  erweislich  das  römische 
Bürgerrecht  nicht  besass,  dennoch  einzelne  Personen  das  Kennzeichen 
derselben,  die  Tribus,  aufwiesen  und  zum  Dienst  in  der  Legion 
gelangt  w9-ren,  so  wurde  dies  der  Regel  nach  darauf  bezogen,  dass 
die  legionare  Aushebung  sich  auch  auf  Bürger  blos  personalen  Rechts 
erstreckt  hat  K  Es  wurde  nicht  übersehen,  dass  das  personale  Bürger- 
recht auch  Nichtjbürgern  wegen  des  Legionsdienstes  hat  verliehen 
werden  ,können  und  dass  dies  in  der  späteren  Kaiserzeit  in  grossem 
Un;ifang  geschehen  sein  muss,  wie  man  annahm,  etwa  seit  Marcus, 
da  von  da  an  die  Kaisergentilicien  bei  den  Legionaren  in  auffallen- 
der Häufigkeit  sich  einstellen  2.  Aber  die  älteren  Legionsinschriften 
zeigten  nicht  das  gleiche  Namenverhältniss  und  es  schienen  in  dieser 
Epoche  dergleichen  Schenkungen  nur  vereinzelt  vorgekommen  zu  sein. 
Freilich  musste  bei  dieser  Annahme  dem  aufmerksamen  Be- 
obachter sich  ein  Bedenken  ergeben.  Dass  die  aus  den  Nichtbürgern 
ausgehobenen  Truppen  sich  unter  die  einzelnen  Provinzen  sehr  un- 
gleich vertheilen,  konnte  an  sich  nicht  befremden;  das  auffallende 
Hervortreten  zum  Beispiel  der  gesammten  Belgica  ist  ohne  Zweifel 
so  im  Allgemeinen  zu  erklären,  wie  es  im  Besonderen  für  die  Bataver 
Tacitus  thut:  die.  Aushebung  wurde  da  verstärkt,  wo  die  Mannschaft 
besonders  brauchbar  war,  und  dafür  in  den  Steuern  Erleichterung 
gewährt.  Ueberhaupt  aber  hatte  ein  Staat  von  der  Ausdehnung  des 
römischen  mit  einer  Bevölkerung  von  über  vier  Millionen  männlicher 
römischer  Bürger  im  dienstpflichtigen  Alter  ^  und  ungezählter  von 
4  Peregrinen  und  mit  einem  stehenden  Heere  von  höchstens  300  000 
Mann  bei  meist  25  jähriger  Dienstzeit  jährlich  höchstens  20  000  Re- 
kruten einzustellen ;  es  konnte  daher  das  vorhandene  Menschenmaterial 
in  ungleichmässiger  Weise  herangezogen  und  ganze  Landschaften  bei 
der  Aushebung  schwach  betheiligt  oder  ganz  übergangen  werden. 
"Was    in   dieser  Hinsicht   möglich  war,  tritt   deutlich    darin  hervor, 


1)  Ein  besonders  schlagendes  Beispiel  sind  die  beiden  wahrscheinlich  vor 
Claudius,  sicher  vor  Vespasian  geschriebenen  Inschriften  von  Soldaten  der  dal- 
matischen Legionen  aus  der  nicht  bedeutenden  Stadt  in  Lykaonien  Laranda, 
von  denen  der  eine  zur  Sergia  (C.  III,  2769),  der  andere  zur  FaUa  (III,  2818) 
gehört,  so  dass  hier  die  Personalität  der  Tribus  schon  durch  den  Gegensatz 
ausser  Zweifel  ist. 

2)  Dies  lehnte  sich  besonders  au  die  später  (S.  78)  zu  erörternde  Darstellung 
dies:  Aristides  an;  vgl.  Hermes  16  S.  474  [Ges.  Sehr.  5,  417]. 

";  .  3)  Anders  werden  die  augustischen  Censuszahlen  nicht  wohl  gefasst  weifden 
können  (Staatsrecht  2,  411);  für  die  Aushebung  kommen  dabei  allerdings  die 
.zahlreichen  Freigelassenen  in  Abzug.  Im  actischen  Krieg  standen  etwa  300000 
römische  Bürger  unter  den  Waffen. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  "23 

dass  Italien  noch  in  der  ersten  Kaiserzeit  einen  grossen  Theil  der 
Legionare  lieferte,  dagegen  später  nur  die  Garde  dort  sich  recrutirte 
—  nicht  weil  die  Halbinsel  sich  entvölkerte,  sondern  lediglich  aus 
allgemein  politischen  Gründen.  Dennoch  aber  fällt  es  auf,  dass  die 
kleinasiatischen  Provinzen,  die  nur  wenige  ältere  Vollbürgergemeinden 
aufweisen  und  in  denen  also  hauptsächlich  die  auxiliare  Aushebung 
zu  erwarten  war,  von  Alen  und  Gehörten  so  wenig  und  auch  zur 
Flotte  nicht  in  beträchtlicher  Zahl  Mannschaften  gestellt  haben. 
Eben  die  Namen  der  hauptsächlichsten  Provinzen  und  der  nam- 
haftesten Völkerschaften  werden  unter  den  Auxilien  vermisst.  Sehr 
ausgedehnte  Gebiete  schienen  ohne  ersichtliche  politische  Gründe 
bei  der  Recrutirung  ganz  übergangen  zu  sein. 

Jetzt  haben  die  Inschriften  Aufschluss  gegeben.  Ueber  die 
Recrutirung  der  Legionen  waren  wir  bisher  nur  für  den  Occi'äent 
unterrichtet,  am  besten  für  Obergermanien,  Dalmatien  und  Africa. 
Ueber  die  Legionen  des  Orients  haben  seit  einigen  Jahren  die 
ägyptischen  Steine  aus  dem  Lager  bei  Alexandrea  —  noch  als  der 
dritte  Band  unserer  Inschriftensammlung  erschien,  war  davon  nur 
ein  einziger  bekannt  —  Licht  zu  geben  angefangen,  und  eine  grosse 
kürzlich  von  Hrn.  Maspero  bei  Koptos  ausgegrabene  Inschrift^,  sicher 
aus  dem  ersten  Jahrhundert,  wahrscheinlich  aus  Augustus  oder 
Tiberius  Zeit,  giebt  ein  Verzeichniss  von  36  Soldaten  zweier  ägyp- 
tischer Legionen  mit  beigeschriebener  Tribus  und  Heimath.  Der- 
artige Listen  mit  Herkunftangabe  besassen  wir  bisher  von  den 
hauptstädtischen  Truppen  in  grosser  Anzahl,  aber  von  Legionaren 
nur  einige  jüngere  lambaesitanische ;  die  neugefundene  zeigt  mit 
einem  Schlag,  dass,  was  wir  für  eine  mögliche  Ausnahme  gehalten  5 
hatten,  vielmehr  die  regelmässige  Ordnung  und  wenigstens  für  die 
ägyptischen  Legionen  das  von  Haus  aus  in  Anwendung  gekommene 
Recrutirungssystem  gewesen  ist.  Ich  gebe  das  Verzeichniss  in  kurzer 
Zusammenfassung  mit  Beifügung  der  anderweitig  bekannten  Herkunft- 
angaben von  Soldaten  der  beiden  älteren  ägyptischen  Legionen 
(III  Cyrenaka  und  XXII  Deiotariana). 

Italien Vercellae         (An.)      1 

Lugdunensis      .     .     Lugudunum     (Gal.)     2 


1)  Dieselbe  ist  veröffentlicht  von  Hm,  Deajardins  in  den  Comptes  rendns 
der  Pariser  Akademie  1883  S.  217  und  im  ersten  Heft  des  fünften  Bandes  der 
Ephenieris  epigraphica  p.  5  [C.  I.  L.  III,  6627  =  .Dessau  2483].  Die  Namen  der 
Legionen  fehlen;  es  sind  vielleicht  die  beiden  bekannten  (111  Cyren-.  und  XXII 
Deiot.),  vielleicht  auch  eine  von  diesen  und  die  dritte  unter  Augi;istns  dort  statio- 
nirte,  deren  Namen  wir  nicht  kennen.  ■    < ,  ■     • 


24 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 


Bithynien 
Galatia  . 


Pisidien 


Paphlagonien 


Pontus  Galaticus. 


Nicaea 
Ancyra 

Tavium 

Etenna 

Isinda 

Gangra 


(Pap.) 
(Pol.) 
{(Pol.) 
\(Ser.) 
(Pol.) 
(Pol.) 
(Pol.) 


l 

10; 
1 
3 
1 
1 
1 


dazu  2  C.  III,   6023 


Pompeiopolis  (Pol.) 
Amasia  (Pol.) 


und  Eph.  II,  336  [G. 
I.  L.  III,  6607  = 
Dessau  2247]. 


Pontus  Cappadocicus  Sebastopolis  (Pol.) 


Kypros 
Syrien 


Paphos 
Berytus 
Damascus 


(Ani.) 
(Fab.) 


Garasa  (?)       (Col.) 


6 


EpK  II,  336  [C.  I.  L.  III, 
6607=r:Dessau2247J 
1 
1 
1 
Eph.  II,   335    [C.  I.  L. 

III,  6603J 
Eph.   II,    331    =  V    4 

[C.  I.  L.  III,  6598] 
1 
2 
6 
Eph.   II,   332   [C. 

III,  6599] 
1 
1 

Eph.   II,  334    [C. 
III,  6602] 
Also  die  ägyptischen  Legionen  haben  sich  in  der  ersten  Kaiser- 
zeit überwiegend  aus  Aegypten  selbst  und  aus  dem  ehemaligen  Reich 
des  Amyntas,  der  Provinz  Galatien  recrutirt.     Auch  kann   letzteres 
nicht  etwa  darauf  zurückgeführt  werden,   dass   diese  Galater   nach 
-Aegypten  mit  der  XXII  Deiotariana  gekommen  sind,  die  allerdings 
wahrscheinlich    nach    Einziehung    des    galatischen    Reiches    dorthin 
verlegt  worden  ist;    denn  in  unserer  Liste   erscheinen  die   Galater 
ziemlich   gleichmässig   in   beiden    Legionen.      Vielmehr    haben    die 
Galater  im  Heer  des  Orients  eine   ähnliche  Rolle  gespielt  wie  die 
Belgiker  im  Westen.  —  Dass  diese  Recrutirungsform  in  Aegypten 
bestanden  hat,  so  lange  die  beiden  eben  genannten  Legionen  dort 
blieben,   das  heisst  bis  auf  Traianus,   zeigen  ihre   übrigen  oben  mit 
aufgeführten  Steine.    Die  später,   nach  Auflösung   der  XXII  Deio- 


Sidon 

(Pol.) 

Aegypten    .     . 

castra 

(Pol.) 

Alexandrea 

(Pol.) 

Ptolemais 

Paraetonium 

(Pup.) 

Cyrenaica    .     . 

Cyrenae 

(Pol.) 

Africa     .     .     . 

Utica 

(Quir.) 

I.  L. 


I.  L. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  25 

tariana  und  Verlegung  der  III  Cyrenaica  nach  Arabien ,  einzige  in 
Aegypten  garnisonirende  Legion,  die  11  Traiana  fortis  zeigt  uns  ein 
im  Wesentlichen  noch  ungedrucktes  Verzeichniss  ^  der  im  J.  168  in 
sie  eingetretenen,  im  J.  194  verabschiedeten  Soldaten  in  der  Weise 
zusammengesetzt,  dass  von  37  mit  Heimathangaben  versehenen 
Veteranen  28  Aegypter  sind,  6  aus  Syrien,  l  aus  Bithynien,  2  aus 
Africa.  Unter  Marcus  also  recrutirte  sich  diese  Legion  überwiegend 
in  Aegypten  selbst;  die  galatischen  Mannschaften  fehlen  und  die 
übrigen  Provinzen  sind  nur  in  geringem  Umfang  oder  gar  nicht 
vertreten. 

Man  könnte  meinen,  dass  hier  eine  der  vielen  Besonderheiten 
des  ägyptischen  Militärwesens  obwalte;  aber  dem  ist  nicht  so.  Zu- 
nächst das  syrische  Heer  ist  von  jeher  in  gleicher  Weise  hauptsäch- 
lich aus  den  griechischen  Reichsländern  ausgehoben  worden.  Die 
inschriftlichen  Heimathangaben  für  die  orientalischen  Legionen  ^  sind 
allerdings  sehr  sparsam  und  gestatten  sichere  Schlussfolgerungen 
nicht.  Aber  hier  tritt  Tacitus  ein  mit  der  Erzählung  der  Vor- 
bereitungen für  den  parthischen  Krieg  im  J.  54  (13,  7):  Nero  et 
iuventutem  pfoximas  per  provincias  quaesitam  supplendis  Orientis 
legionibus  admovere  legionesque  ipsas  propnis  Ärmeniam  coUocari  iuhet 
und  nachher  (13,  35)  in  der  Schilderung  der  Reorganisation  der 
syrischen  Legionen  durch  Corbulo:  dimissis,  quibus  senectus  aut 
valetudo  adversa  erat,  supplementum  petivit:  et  hdbiti  per  Galatiam 
Cappadociamque  düectus  adiectaque  ex  Germania  legio  cum  equitibus 
alariis  et  peditatu  cohortium.  Diese  Ergänzung  der  Legionen  des 
Orients  aus  den  proximae  provinciae  Galatien  und  Kappadokien^  ist 

1)  Die  Kunde  dieser  schon  im  J.  1803  von  Aegypten  nach  England  gebrachten 
und  in  Walsh ,  Journal  of  the  late  campaign  in  Egypt  (London  1803)  veröffent- 
lichten Inschrift  verdanke  ich  Hm.  Lumbroso  in  Rom;  sie  ist  danach  Eph. 
epigr.  V  n.  10  wiederholt.  Aber  von  der  Liste  giebt  dieser  Druck  nur  dürftige 
Kunde;  sie  ist  mir  erst  durch  die  Bemühungen  des  Hrn.  Haverfield  in  Oxford 
zugänglich  geworden  und  wird  nach  dessen  Mittheilungen  im  nächsten  Heft  der 
genannten  Zeitschrift  erscheinen.  [Eph.  ep.  V  p.  259  f.  =  C.  L  L.  III,  6580  = 
Dessau  2304.] 

2)  Ich  habe  die  Heimathangaben  der  Soldateninschriften  der  römischen 
Kaiserzeit  gesammelt  und  die  Listen  in  der  Ephemeris  epigraphica  (V,  1  [S.  159  ff.]) 
veröffentlicht.  In  den  orientalischen  Legionen  finden  sich  einige  Italiener  (Flo- 
rentia,  XII  fulm.:  C.  III,  414  —  Mediolanum,  IV  Scyth.:  V,  5595  —  Privernum, 
XII  fulm.:  III,  353)  und  ein  Spanier  (Italica,  VI  ferr.:  II,  4154  [Dessau  2369]), 
aber  mehr  Leute  aus  den  griechischen  Provinzen,  so  ein  Athener  (XVI  FL: 
C.  I.  G.  4439;,  ein  Milesier  (VI:  C.  L  G.  3932;,  ein  Ancyraner  (X  Fret:  VI, 
3614;,  ein  Pessinuntier  (X  Frei.:  VI,  3627;,  verschiedene  Syrer. 

3)  Nicht  hieher  gehört,  dass  bei  der  Theilung  der  Truppen  zwischen  Paetus 
und  Corbulo  (Tac.  15,  6)  jener  zu  seinen  zwei  Legionen  Pontica  et  GcUatarum 


2ß  .  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

bisher  als  eine  ausserordentliche  Massregel  angesehen  worden  und 
war  dies  ja  allerdings;  aber  dass  dabei  nach  der  für  die  syrische 
Armee  überhaupt  massgebenden  Aushebungsordnung  verfahren  ward, 
kann  jetzt  keinem  Zweifel  mehr  unterliegen.  —  Danach  muss  das- 
selbe auch  für  das  von  Vespasian  eingerichtete  Obercommando  von 
Kappadokien  so  wie  für  das  traianische  Arabien  angenommen  werden, 
so  weit  überhaupt  für  diese  Zeit  noch  die  von  Augustus  festgesetzte 
Recrutirungsordnung  in  Kraft  gewesen  ist. 

Andrerseits  haben  die  Districte,  welche  die  Mannschaften  für 
die  syrischen  und  ägyptischen  Corps  lieferten,  für  die  des  Westens 
keine  Rekruten  gestellt.  In  dem  spanischen  und  in  den  beiden 
germanischen  Heeren  erscheinen  keine  Griechen  nach  Ausweis  der 
namentlich  für  Obergermanien  zahlreichen  Denkmäler.  Bei  der  in 
Mainz  garnisonirenden  vierten  macedonischen  Legion,  welche  Yes- 
pasian  auflöste,  sind  die  25  mit  Heimathangaben  versehenen  Soldaten 
sämmtlich  Occidentalen.  Was  die  illyrischen  Truppen  anlangt,  so 
führen  für  die  pannonischen  Legionen  alle  Spuren  ebenfalls  nach 
dem  Westen,  wie  dies-  auch  von  vornherein  wahrscheinlich  ist.  Da- 
gegen bei  den  dalmatischen  Legionen  ist  in  ihren  dort  gefundenen 
Inschriften  aus  der  Zeit  vor  Vespasian,  der  diese  Legionslager  verlegt 
hat,  der  Orient  in  nicht  unbedeutendem  Yerhältniss  vertreten:  ich 
finde  in  der  elften  Legion  auf  sieben  Italiker,  Gallier  und  Spanier 
zwei  Macedonier  und  einen  aus  dem  galatischen  Provinzialverband, 
in  der  siebenten  sogar  auf  acht  Italiener  zwei  Macedonier,  vier 
Kleinasiaten  und  vier  aus  der  galatischen  Provinz.  Ueber  die 
moesischen  Legionen  fehlt  biä  jetzt  genügende  Kunde;  wir  wissen 
beinahe  nur,  dass  unter  den  von  Nero  nach  Tarent  geführten  Colo- 
nisten  sich  ein  aus  einer  moesischen  Legion  entlassener  Macedonier 
befunden  hat  ^  und  dass  die  wenigen  bis  jetzt  im  Lager  von  Troesmis 
zum  Vorschein  gekommenen  Militärsteine,,  welche  Soldaten  nicht 
moesischer  Herkunft  nennen,  Pontikern,  Galatern  und  Syrern  gehören 2. 
Wenn  man  hinzunimmt,  dass  diese  Provinz,  in  welche  die  eigentliche 
Sprachscheide  fällt,  in  ihrem  civilisirten  Theil  vielmehr  griechisch 
war  und  dass  schon  bei  den  dalmatischen  Truppen  die  Conscription 


Cappadocumque    aiixilia   erhält;   damit   sind   die    in    den   genannten    Provinzen 
garnisonirenden  Alen  und  Cohorten  gemeint.  1)  C.  IX,  6155. 

2)  Es  sind  deren  bis  jetzt  nur  vier:  zwei  aus  Amastris  (Hirschfeld  arch. 
epigr.  Mitth.  6,  40.  41  [C.  I.  L.  III,  7501.  7502]),  ein  Ancyraner  (C.  III,  6184)  und 
ein  Hemesener  (Hirschfeld  a.  a.  0.  S.  40  [C.  I.  L.  III,  7500]).  Das  Lager  mag  auf 
Tiberius  zurückgehen  und  hat  bis  auf  Severus  bestanden,  reicht  also  weit  in 
die  Zeit  der  örtlichen  Aushebung  hinab. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  27 

der  griechischen  Provinzen  mit  in  Betracht  kam,  so  dürfte  es  wahr- 
scheinlich erscheinen,  dass  auch  das  moesische  Heer  vorzugsweise 
aus  diesen  ausgehoben  worden  ist.  Dem  gemischten  Charakter  der 
Donauarmeen  entspricht  auch  die  Angabe  des  Tacitus  (ann.  16,  13); 
'iodem  anno  (65  n.  Chr.)  düedus  per  Galliam  Narhonensein  Afrkamqiie 
<:t  Äsiam  hahiti  sunt  supplendis  Illyricis  hgionihus,  ex  quibits  aetate 
(iiit  valetudine  fessi  sacramenfo  solvehaniur.  Weitere  Funde  werden, 
wenn  die  Gebiete  an  der  unteren  Donau  sich  der  Forschung  vöHiger 
orschliessen,  die  Späteren  vom  Vermuthen  zum  Wissen  führen. 

Eigenthümlich  liegen  die  Verhältnisse  bei  der  africanischen 
Legion.  Ueber  das  africanische  Heer  des  ersten  Jahrhunderts,  das 
wahrscheinlich  die  längste  Zeit  hindurch  sein  Hauptquartier  in 
fheveste  gehabt  hat,  wissen  wir  bis  jetzt  wenig.  Da  indess  die 
fünf  Inschriften,  welche  allein  darauf  bezogen  werden  können^, 
sämmtlich  Italikern  oder  Galliern  gehören,  so  ist  es  nichts  desto 
weniger  ausser  Zweifel,  dass  diese  Legion  sich  nach  augustischer 
Ordnung  aus  dem  Occident  recrutirt  hat.  —  Dagegen  sind  wir  durch 
die  Inschriften  des  von  Hadrian  eingerichteten  lambaesitanischen 
Legionslagers  über  die  nachhadrianischen  Militärverhältnisse  für 
Africa  vollständiger  unterrichtet  als  für  irgend  eine  andere  römische 
Provinz;  die  africanische  Legion  ist  auch  nebenden  ägyptischen  die 
einzige,  von  welcher  wir  Soldatenlisten  mit  Heimathangaben  besitzen. 
Die  offenbar  älteste  derselben  2,  welche  von  kaiserlichen  Gentilicien 
nur  C.  Itdüf  TL  Claudü  und  T.  Flavii,  aber  die  Stadt  Marcianopolis 
nennt,  muss  einem  Jahrgang  von  Soldaten  angehören,  welche  unter  9 
Traian  in  das  Heer  eingestellt  und  etwa  am  Ende  der  Regierung 
Hadrians  in  Lambaesis  verabschiedet  worden  sind.  Von  den  78  Namen 
mit  einigermassen  bestimmbarer  Heimath,  welche  dieses  Verzeichniss 
aufführt,  fallen  auf  Africa  und  Numidien  15,  auf  Cyrene  1,  auf 
Aegypten  6,  auf  Syrien  32,  auf  Bithynien  22,  auf  Medermoesien 
und  Lugdunensis  je  P.     Italien    fehlt   ganz.     Dagegen  weisen    die 


1)  C.  VIII,  502.  503.  1876.  0103.  10629  [Dessau  2329].  Die  letzte  luschrift, 
die  ich  nicht  verstanden  habe,  als  ich  sie  herausgab,  gehört  nach  Augustone- 
metum  und  die  Tribus  ist  nicht  die  ufentinische,  sondern  die  Quirina.  [Einige 
andere  Inschriften  dieser  Art  s.  bei  Cagnat  Varmee  Romaine  d'Äfrique  p.  352.] 

2)  Gedruckt  im  Recueil  de  la  soc.  arch.  de  Constantine  für  1882  p.  378  f., 
mir  in  zuverlässiger  Abschrift  mitgetheilt  von  Hrn.  Dr.  Johannes  Schmidt 
[C.  I.  L.  VIII,  18084]. 

3)  Africa  und  Nutoidien:  castr(is)  4;  Kaiifagine)  6;  Cirt(a)  2;  Pa(piria 
Hadr(umeto)  1 ;  Hippo(ne)l  [2] ;  TJiev(este)  1.  —  Cyr(enis)  1.  —  Aegypten :  Pareth(onio) 
1;    Tölomaida  5;_Alexandre.a  fehlt.;—  Syrien:.  Änt(iochia)  1  [2];  Anih(ed(ym)  1; 


2g  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

Übrigen  dem  lambaesitanischen  Lager  angehörenden  Inschriften, 
sowohl  die  Listen  wie  die  im  Ganzen  nicht  häufig,  aber  doch  hier 
und  da  die  Heimath  nennenden  Grabsteine  ganz  überwiegend  auf 
Numidien  und  das  proconsularische  Africa;  die  übrigen  Provinzen, 
einschliesslich  der  beiden  Mauretanien,  sind  in  geringfügigem  Ver- 
hältniss  vertreten.  Nur  ein  noch  unedirtes  von  Hrn.  Schmidt  eben- 
falls in  Lambaesis  abgeschriebenes  Soldatenverzeichniss,*)  nicht  datirt, 
aber  nach  den  zahlreichen  P.  Aelii,  also  hadrianischen  Neubürgern 
zu  schliessen,  auf  eine  unter  Hadrian  erfolgte  Recruteneinstellung 
sich  beziehend,  führt  unter  50  Heimathangaben  zwar  29  africanische 
auf,  aber  ausserdem  neben  einigen  zerstreuten  nicht  weniger  als  18  [19] 
aus  der  keineswegs  besonders  volkreichen  dacischen  Stadt  Napoca^, 
so  dass  also  aus  irgend  welchen  Gründen  die  in  dem  betreffenden 
Jahr  in  Dacien  vorgenommene  Aushebung  wenigstens  theilweise  in 
Africa  ihre  Verwendung  gefunden  hat.  Auch  hier  aber  überwiegen 
weitaus  die  Rekruten  africanischer  Herkunft.  Diese  Thatsache,  dass 
die  africanischen  Legionare  des  zweiten  und  dritten  Jahrhunderts  der 
10  Regel  nach  aus  der  Provinz  Africa-Numidien  gebürtig  sind,  im  All- 
gemeinen längst  jedem  Epigraphiker  wohlbekannt,  wird  nun  bestätigt 
und  näher  bestimmt  durch  einen  kürzlich  in  Lambaesis  aufgefundenen 
Denkstein  2,  welchen  dem  Kaiser  Marcus  im  J.  1 66  setzten  (centuriones) 
et  v[ete]rani  leg,  III  Aug.,  qui  militare  coeperuhf  divo  Pio  III  et 
M.  Aurelio  Vero  II  (so !)  et  Stloga  et  Severo  cos. ;  es  folgen  die  Namen 
mit  Heimathangabe.  Während  die  sonstigen  in  Lambaesis  gefundenen 
ohne  Zweifel  durchaus  aus  gleichem  Anlass  aufgestellten  Soldaten- 
verzeichnisse sämmtlich  der  Dedication  und  somit  der  Zeitbestimmung 
entbehren,  zeigt  dieses  urkundlich,  in  welcher  Weise  die  Recrutirung 
dieser  Legion  im  Doppeljahr  140  und  141,  also  drei  Jahre  nach  dem 
Tode  Hadrians,  etwa  zwanzig  nach  Einrichtung  des  Lagers  von  Lam- 

Apamea  3  [4];  Caesa(rea)  1;  Capito(liade)  1;  Damasc(o)'2;  JEpipa(nia)l;  GäbalßsJ  1 ; 
Gasza  1;  Helw(poli)  2;  Larisa  1;  Laud(icea)  2;  Cl(audia)  Tol(emaide)  2;  Scyto- 
pol(i)  1;  Sidonia  (so  einmal,  sonst  Sidon.,  Sido.,  Sid.)  8;  Tripoli  1;  Tyro  2; 
Zeugfmate)  1.  —  Bithynien:  dlaitdijopolfi)  1;  Nie(aea?)  6;  Nicom(edia)  11; 
Pru8ia(de;  einmal  Plus.)  4.  —  Moesien:  Marciano(pöli)  1;  benannt  nach  der 
Schwester  Traians.  —  Lugdunensis :  Lugud(uno)  1.  Manche  dieser  Bestimmungen 
sind  zweifelhaft,  theils  wegen  der  Homonymien,  theils  wegen  der  Abkürzungen ; 
das  Gesammtergebniss  wird  dadurch  nicht  berührt. 
*)  [C.  I.  L.  VIII,  18085.] 

1)  Genau  vertheilen  sich  die  Angaben  folgendermassen :  cas(tns)  18  [21]  — 
Kar(thagine)  3  [5]  —  Had(rumeto)  3  —  Naragg(ara)  1  [2?]  —  The(veste;  The 
oder  Ih)  3  —  Thys(dro)  1 ;  femer  Napoca  19;  Em(ona?)  1;  Sav(ana)  1;  [Lamabs(a) 
—  so  —  1;  Lep(ti)  1;  Solva  1;  TOi)el(epte)  1]. 

2)  Gedruckt  in  demselben  Recueil  p.  374.  382  [CLL. VIII,  18067];  mir 
ebenfalls  in  besserer  Abschrift  mitgetheilt  von  Hm.  Dr.  J.  Schmidt. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  29 

baesis,   sich  vollzogen   hat.     Von   28  damals   eingestellten  Soldaten, 
(leren  Heimath  sich  erhalten  hat,  gehören  27  nach  Africa^ 

Hienach  ist  also  die  africanische  Legion  im  ersten  Jahrhundert 
aus  dem  Occident  recrutirt  worden.  Unter  Traian  dagegen  hat  die 
Aushebung  in  den  östlichen  Provinzen  auch  für  Africa  die  Masse 
der  Ersatzmannschaft  geliefert.  Unter  und  seit  Hadrian  sodann  hat 
die  africanische  Legion  sich  fast  ausschliesslich  aus  der  Provinz 
Africa  -  Numidien  recrutirt  ^. 

Bemerkenswerth  ist  noch,  dass  von  Lagerkindern  in  dem  ältesten 
Igyptischen  ^  Soldatenverzeichniss  vielleicht  aus  Tiberius  Zeit  unter 
;!ß  nur  2  (S.  24),  dagegen  unter  den  im  J.  168  eingestellten  37  nicht 
weniger  als  20  auftreten;  dass  ähnlich  in  der  ältesten  wahrscheinlich 
tiaianischen  Liste  von  Lambaesis  nur  4  von  78  Soldaten  die  castra 
anstatt  der  Heimath  nennen,  dagegen  in  dem  dami  folgenden  auf  11 
•  ine  hadrianische  Recrutirung  hinweisenden  etwa  ein  Drittel  —  18  [21] 
von  50  — ,  in  dem  auf  die  Conscription  von  140  und  141  bezüglichen 
(ben  so  viele  —  10  von  28  — ,  auch  in  den  meisten  übrigen  ein 
Drittel,  ja  die  Hälfte  der  Ausgehobenen  aus  Lagerkindern  besteht  *. 

1)  Der  eine  Ausländer  ist  aus  Napoca  in  Dacien  [auch  hier  scheint  es  sich 
um  einen  Afrikaner  zu  handeln,  vgl.  Schmidt  zu  C.  I.  L.  VIII,  18067  v.  33]. 

2)  Man  übersehe  nicht,  dass  diese  Recrutirung  nicht  etwa  bewiesen  wird 
durch  die  eine  oder  die  andere  Aushebungsliste;  wogegen  mit  gutem  Grund 
►nngewandt  werden  könnte,  dass  die  Aushebung  für  dieselbe  Legion  in  dem 
'-'inen  Jahr  in  diesem,  in  dem  andern  in  jenem  Bezirke  hat  erfolgen  können; 
>')ndern  dass,  von  der  einen  wahrscheinlich  die  Aushebung  der  traianischen  Zeit 
ri'präsentirenden  Liste  abgesehen,  die  Gesammtmasse  der  lambaesitanischen 
Inschriften  die  provinziale  Aushebung  wenigstens  für  dieses  Lager  über  allen 
Zweifel  sicher  stellt. 

3)  Vielleicht  hat  diese  Sitte  oder  Unsitte  eben  in  Aegypten  begonnen  und 
;in  das  dort  einheimische  System  der  xdxoixoi  und  emyovoi  (Lumbroso  econ.  pol. 
.1..^  l'Egypte  p.  225)  angeknüpft.    Vgl.  Eph.  ep.  V  p.  16. 

4)  Die  zu  seiner  Zeit  bekannten  lambaesitanischen' Lagerkinder  hat  Wil- 
iiianns  C.  I.  L.  VIII  p.  284  zusammengestellt.  In  der  Liste  2565  fallen  2  bis  6 
von  18,  in  der  2568  43  von  86,  in  der  datirten  2618  aus  dem  Anfang  der  Re- 
gierung des  Severus  4  von  11  auf  die  castra.  —  Wilmanns  Behauptung  aber 
a .  a.  0. ,   dass  diese  Kinder  nicht  aus  dem  Soldatenconcubinat  entsprungen  sein 

innen,   weil  sie  der  Pollia  angehören  und  die  (hauptstädtischen)  spurii  in  der 

Jlina  zu  stehen  pflegen  und  weil  von  Vaterschaft  und  ähnlichen  Verhältnissen 

iif  ihren  Inschriften  die  Rede  ist,  ist  nicht  zulässig.    Wären  es  Soldatenkinder 

ins  rechter  Ehe,   so  hätten  sie  vielmehr  die  Tribus  ihrer  Väter  führen  müssen. 

^  pollische  Tribus  ist,  wie  immer  klar  war,  aber  jetzt  über  allen  Zweifel  fest- 

ht,   hier  als  personale  und  zur  Erlangung  der  Dienstfähigkeit  in  der  Legion 

«ien  an  sich  derselben  ermangelnden  Rekruten  verliehene  zu  betrachten.    Dafür, 

dass  der  Soldat  rechter  Ehe  nicht  fähig  ist,   geben  eben  diese  castrenses  mit 

iluer  speciell  geschenkten  Tribus  den  schlagenden  Beweis.    Dass  pater  und  der- 


^0  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

Gewiss  haben  zufällige  Umstände  hier  vielfach  eingewirkt ;  aber  offen- 
bar hat  sich  neben  und  aus  der  örtlichen  Recrutirung  die  des  ein- 
zelnen Lagers  aus  sich  selbst  in  steigender  Progression  entwickelt. 

Es  stellen  sich  hienach  für  die  Aushebung  drei  verschiedene 
Epochen  heraus:  die  augustische  Ordnung,  wonach  Italien  und  der 
lateinische  Westen  die  occidentalischen ,  der  griechische  Osten  die 
orientalischen  Legionen  stellt;  die  Ausschliessung  der  Italiker  vom 
regelmässigen  Legionardienst  bei  sonstigem  Festhalten  des  augustischen 
Systems;  endlich  die  Einführung  der  örtlichen  Conscription. 

Um  die  augustische  Militärordnung  richtig  zu  würdigen,  ist  vor 
allen  Dingen  ihre  Yorgeschichte  ins  Auge  zu  fassen. 

Es  ist  die  Yolksgemeinde  der  Republik,  welche  das  Bürgerrecht 
verleiht;  allein  sie  kann  dieses  Recht  an  Beamte  delegiren.  Dies 
ist  geschehen  theils  zu  Gunsten  der  zur  Gründung  von  Bürger- 
gemeinden ernannten  Commissarien,  theils  zu  Gunsten  der  Feldherren, 
allerdings  für  die  letzteren  immer  durch  besonderen  Volksbeschluss. 
Wann  die  feldherrliche  Schenkung  des  Bürgerrechts  aufgekommen 
12  und  in  welchem  Umfang  sie  anfänglich  geübt  worden  ist,  lässt  sich 
nicht  feststellen;  wir  wissen  nur,  dass  Marius  dies  Recht  für  den  im 
J.  653  d.  St.  beendigten  kimbrischen  Krieg  erhalten  und  auf  Grund 
desselben  ganzen  Abtheilungen  von  Nichtbürgersoldaten  das  Bürger- 
recht verliehen  hat.  Wahrscheinlich  ist  es  seitdem  den  Feldherren 
oft,  wenn  auch  wohl  in  der  Regel  erst  nach  glücklicher  Beendigung 
des  Krieges  als  Siegesbelohnung,  gewährt  worden^.  Li  dieser  Be- 
schränkung stand  es  in  keiner  Beziehung  zu  dem  im  übrigen  dem 
Feldherrn  ebenfalls  zustehenden  Recht  innerhalb  seines  Sprengeis 
die  waffenfähigen  Bürger  und  Unterthanen  zum  Dienst  einzuberufen. 
Da  es  aber  lediglich  ein  persönliches  Privilegium  war  und  von  Rechts- 
wegen der  betreffende  Volksbeschluss  zu  jeder  Zeit  gefasst  werden 
konnte,  so  ist  wohl  in  der  letzten  Zeit  der  Republik  die  Befugniss 
das  Bürgerrecht  zu  verleihen  dem  Feldherrn  schon  während  oder 
selbst  bei  Antritt  seines  Commandos  verliehen  worden;  und  damit 
war  ihm  zugleich  die  Möglichkeit  gegeben  den  Nichtbürger,  den  er 


gleichen  von  Concubinenkindern  —  im  römischen  Sinne  —  wohl  hat  gebraucht 
werden  können,  versteht  sich  von  selbst,  wenn  auch  nach  strengem  Recht  eine 
solche  Verwandtschaft  nicht  galt. 

1)  Staatsrecht  2,  891.  Marius  muss  diese  Befugniss  schon  vor  der  Be- 
endigung des  Cimbemkrieges  erhalten  haben,  da  die  Verleihung  an  die  Caraerter 
nur  insofern  beanstandet  wurde,  als  ihr  deren  Bündnissvertrag  im  Wege  stand 
(Val.  Max.  5,  2,  8).  Pompeius  aber  erhielt  das  gleiche  Recht  für  Spanien  erst 
im  J.  682  nach  der  Katastrophe  des  Sertorius. 


I 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  3  t 

zum  Heerdienst  einberief,  zum  Legionär  zu  machen.  Wann  die 
Generale  der  Republik  angefangen  haben  jene  Befugniss  in  dieser 
Richtung  zu  verwenden,  vermögen  wir  nicht  zu  sagen.  Aber  wenn 
schon  in  dem  Heer,  mit  welchem  Pompeius  den  mithridatischen  Krieg 
beendigte,  geborene.  Kelten  und  Deutsche  in  beträchtlicher  Anzahl 
und  allem  Anschein  nach  als  Legionare  dienten  i,  so  ist  dies  wahr- 
scheinlich auf  dergleichen  Einstellungen  zurückzuführen.  Regimenter 
freilich  hat  man,  so  lange  es  noch  eine  Republik  gab,  sicher  niemals 
nach  diesem  Princip  gebildet.  Diese  Formation  begegnet  zuerst, 
und  allem  Anschein  nach  als  eine  durch  die  Recht-  und  Zuchtlosig- 
keit  der  Feldherrnrevolten  hervorgerufene  Neuerung,  in  dem  Kriege 
zwischen  Pompeius  und  Caesar,  und  damals  wird  auch  zuerst  ihr 
Name  vernommen  ^ :  die  legiones  vernaculae,  die  'Eingebornenlegionen',  1 3 
werden  in  Gegensatz  gestellt  zu  den  aus  geborenen,  wenn  auch  in 
der  Provinz  geborenen  römischen  Bürgern  aufgestellten  ^.  Derartige 
Regimenter  sind  nach  dem  Ausbruch  des  Bürgerkrieges  wenigstens 
von    den    pompeianischen   Feldherrn    in   Spanien  gebildet  worden*. 

1)  Caesar  b.  c.  3,  4.  103.  Ein  positiver  Beweis  dafür,  dass  diese  mehrfach 
erwähnten  gabinischen  Soldaten,  Galli  Germanique,  Legionarier  waren,  ist  nicht 
zu  führen;  der  römische  Kriegstribun  und  der  Centurio,  die  Pompeius  ermordeten, 
werden  zu  ihnen  gehört  haben,  aber  ganz  bestimmt  lässt  sich  daraus  auf  den 
Charakter  der  Truppe  nicht  schliessen.  Indess  spricht  alle  Wahrscheinlichkeit 
dafür,  dass  das  alexandrinische  Legionslager  eben  auf  diese  Mannschaften  zurück- 
geht (vgl.  Eph.  epigr.  V  p.  16). 

2)  Die  Art,  wie  Caesar,  der  zuerst  den  Ausdruck  braucht,  ihn  einführt 
(b.  c.  2,  20:  altera  ex  cluabus  legionibus,  quae  vernacula  appellabatur)  zeigt  die 
Neuheit  auch  des  Ausdrucks. 

8)  Der  Verfasser  des  bellum  Hisp.  c.  7  bezeichnet  als  den  Kern  des  pom- 
peianischen Heeres  neben  einer  vierten  die  zwei  legiones  vernaculae,  das  heisst 
die  beiden  von  Varro  705  im  jenseitigen  Spanien  gebildeten  (Caesar  b.  c.  2,  18), 
die  nach  dessen  Unterwerfung  in  Caesars  Heer  übergingen,  aber  dann  durch 
ihren  Abfall  den  zweiten  spanischen  Krieg  herbeiführten,  und  una  facta  ex 
colonüs  quae  fuerunt  in  Ms  regionibus.  Daraus  hat  Lange  (bist.  mut.  rei  mil. 
p.  11)  geschlossen,  dass  den  Legionaren  der  legiones  vernaculae  das  Bürgerrecht 
gefehlt  hat  und  Marquardt  (Staatsverw.  2,  419  [s.  jedoch  2^8.  433])  dies  gebilligt; 
während  ihnen  doch  nur  das  angeborene,  nicht  das  Bürgerrecht  überhaupt  ab- 
gesprochen wird.  Darum  ist  dann  an  einer  andern  Stelle  bell.  Alex.  53:  nemo  aut 
in  pi'ovincia  natus  aut  vernaculae  legionis  milites  aut  diuturnitate  iam  (actus  provin- 
Cialis,  quo  in  numevo  erat  secunda  legio,  non  cum  omni  jyrovincia  consenserat  in 
odio  Gassii  das  richtig  überlieferte  aut  —  aut  —  aut  in  aut  —  ut  —  aut  geändert 
worden  [verteidigt  von  v.  Domaszewski,  N.  Heidelb.  Jahrb.  4,  1894  S.  168  A.  4], 
obwohl  deutlich  auch  hier  die  drei  Kategorien  der  Legionare  unterschieden 
werden:  die  in  der  Provinz  geborenen  Bürger,  die  in  der  Provinz  geborenen Nicht- 
bürger  und  die  Nichtspanier. 

4)  Abgesehen  von  der  eben  angeführten  Stelle  wird  als  legio  vernacula  im 
eigentlichen  Sinn  durchaus  nur   die  eine   der  beiden  varronischen  Legionen  be- 


32  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

Caesar  scheint  nicht  geradezu  das  Gleiche  gethan  zu  haben.  Für 
die  Aushebungen,  die  er  in  der  diesseitigen  Provinz  sogleich  nach 
dem  Bruch  in  grossem  Umfang  vornahm,  diente  ihm  als  Legalisirung 
das  roscische  Gesetz,  welches  schon  am  11.  März  dieses  Jahres  den 
Transpadanern  das  Bürgerrecht  verlieh^  —  man  erkennt  jetzt  noch 
deutlicher,  warum  dessen  Durch  bringung  in  so  auffallender  Weise 
beschleunigt  ward.  In  dem  transalpinischen  Gallien  hat  er  wohl 
eine  Truppenabtheilung  ausgehoben,  die  militärisch  als  Legion  be- 
14  handelt  ward 2,  aber  ihr  die  Legionsnummer  versagt^  und  auch  den 
Soldaten  die  Civität  nicht  sofort  und  nur  als  persönliches  Recht  ver- 
liehen, wodurch  die  Truppe  selbst  noch  keineswegs  zur  Legion  ward*. 
Insofern  mochten  die  Caesarianer  ihre»  Gegnern  die  'Eingebornen- 
legionen'  auf  ihr  specielles  Sündenregister  schreiben;  und  Caesar 
selbst^^hätte  demnach  wohl  eine  Organisation  dieser  Art  seiner  Militär- 
ordnung nicht  eingefügt.  Aber  es  ist  der  Fluch  des  Bürgerkriegs, 
dass  die  Sünden  jeder  Partei  dem  Gemeinwesen  bleiben.  Nach 
Caesars  Tode  verfuhren  die  Feldherren  der  restaurirten  Republik 
hierin  wie  die  pompeianischen  ^ ;  und  wenn  bei  den  massenweisen 
provinzialen  Aushebungen,    welche   die  Triumvirn  anordneten,    der 

zeichnet  (b.  c.  2,  20;  b.  Alex.  53.  54.  57;  b.  Hisp.  10.  12);  die  andere  muss  wohl 
einen  Stamm  von  geborenen  Bürgern  gehabt  haben,  zumal  da  Caesar  von  'Er- 
gänzung' der  Legionen  spricht. 

1)  Vgl.  diese  Zeitschrift;  16,  35  [Ges.  Sehr.  1  S.  185]. 

2)  Sueton  Caes.  24:  (Caesar)  ad  legiones,  quas  a  re  publica  acceperat,  alias 
privato  stmiptu  addidit,  unam  etiam  ex  Transalpinis  conscriptam  vocabulo  quoque 
Galileo  (Alauda  —  vielmehr  Alaudae  —  enim  appellahatur),  quam  disciplina  cultuque 
Romano  institutam  et  ornatam  postea  universam  civitate  donavit. 

3)  Bekanntlich  heissen  diese  Soldaten  bei  Cicero  immer  Alaudae,  mehrfach 
in  bestimmtem  Gegensatz  zu  Legionen  mit  Nummern.  Aehnlich  verhält  es  sich 
mit  der  legio  Martia,  deren  Entstehung  nicht  bekannt,  aber  wahrscheinlich 
analog  ist.  Auch  die  Ddotariana  Augusts  ist  wahrscheinlich  schon  im  J.  729 
mit  dem  galatischen  Reiche  römisch  geworden,  hat  aber  ihre  Regimentsziffer  22 
ohne  Zweifel  erst  nach  der  Bildung  der  21.  Legion  erhalten,  das  heisst  nach  der 
Varusschlacht  —  ob  durch  Augustus,  wie  man  gewöhnlich  annimmt,  oder  erst 
später,  ist  nicht  zu  entscheiden.  Die  eigentliche  Einstellung  in  die  Legion  ist 
das  distrihuere  in  numeros  (Plinius  ad  Trai.  29.  80),  wo  numerus  gewiss  die 
Legionsziffer  bezeichnet  (vgl.  Polyb.  6,  20),  und  wo  diese  fehlt,  giebt  es  im 
Rechtssinne  keine  Legion. 

4)  Man  erinnere  sich  an  die  mit  dem  Bürgerrecht  beschenkten  Cohorten 
der  Camerter  und  der  Pontiker,  an  die  zahlreichen  alae  und  eohortes  civium 
Bomanai'um.  Die  Distinction  zwischen  dem  Bürgerrecht  des  oder  der  Soldaten 
und  der  Bürgerqualität  der  Truppe  ist  gewiss  alt. 

5)  Appian  b.  c.  3,  79 :  (Brutus)  Maxsdövas  sjiaivwv  dvo  rskrj  xats).e^ev  i^ 
avTcüv,  xai  ig  xbv  'haXixov  zqöjiov  xal  xade  eyv^vdl^eto. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  33 

Unterschied  der  in  der  Provinz  geborenen  Bürger  und  der  latinischen 
oder  peregrinischen  Provinzialen  nicht  hervortritt,  so  haben  doch 
sicher  auch  sie  nicht  an  Caesars  Reserve  festgehalten  und  in  grosser 
Zahl  Legionen  aus  Nichtbürgem  gebildet,  die  mit  dem  Eintritt  in 
die  Truppe  und  durch  ihn  das  Bürgerrecht  erwarben. 

Man  wird  diese  Vorgeschichte  im  Sinne  behalten  müssen,  um 
Augustus  Militärordnung  nach  beiden  Seiten  hin  gerecht  zu  würdigen. 
Die  Institution  der  ganz  oder  überwiegend  aus  Nichtbürgem  ge- 
bildeten Legion  ist,  wie  die  der  kaiserlichen  Legaten,  nicht  eigentlich 
an  sich  sondern  nur  in  ihrer  organischen  Regulirung  das  "Werk  des 
Augustus.  Das  Bedenkliche  derselben  hat  dieser  gewiss  so  wenig  15 
verkannt  wie  Caesar;  bezeichnend  ist  dafür  einmal,  dass  die  legio 
vertiacula  zwar  der  Sache  nach  festgehalten,  das  bemakelnde  Wort 
aber  durchaus  vermieden  ward ;  zweitens,  dass  dies  Aushebungsprincip, 
wo  es  den  ganzen  Regimentern  den  Stempel  gab,  allem  Anschein 
nach  beschränkt  ward  auf  die  Legionen  des  Ostens,  wobei  übrigens 
der  nicht  ganz  dort  mangelnde  Bestand  von  römischen  Bürgern  doch 
auch  einen  Theil  der  Rekruten  geliefert  haben  wird.  Im  Westen 
sind  gewiss  die  Legionare  auch  zum  guten  Theil  aus  latinischen  oder 
peregrinischen  Gemeinden  ausgehoben  und  durch  die  Aushebung  zu 
Bürgern  gemacht  worden;  aber  sicher  ist  dort,  namentlich  so  lange 
Italien  noch  einen  beträchtlichen  Theil  von  Legionaren  stellte,  die 
Zahl  der  geborenen  römischen  Bürger  in  jeder  Legion  eine  recht 
beträchtliche  gewesen.  Bezeichnend  für  die  Regel  ist  die  Ausnahme: 
allein,  so  viel  wir  wissen,  in  der  Zwangslage  nach  der  Varusschlacht 
ist  eine  occidentalische  Legion  in  ihrer  Majorität  nach  diesem  Princip 
gebildet  worden  ^ 


1)  In  der  bekannten  Schilderung  dieser  Legion  bei  Tacitus  ann.  1,  31: 
vernacula  multitudo  nuper  acto  in  urbe  dilectu  lasciviae  sueta,  laborum  intolerans, 
implere  ceterorum  rüdes  animos  pflegt  vernaculus  auf  die  städtische  Hefe  bezogen 
zu  werden;  aber  diese  Bedeutung  hat  das  Wort  sonst  nachweislich  nicht,  und 
der  Schriftsteller  dürfte  vielmehr  dasselbe  auch  hier  in  dem  oben  erörterten 
castrensischen  Sinn  gebraucht  haben,  das  heisst,  die  Rekruten  bezeichnen  als 
entnommen  dem  städtischen  des  Bürgerrechts  entbehrenden  Pöbel.  Dies  erhält 
vielleicht  eine  gewisse  Bestätigung  dadurch,  dass  die  Aushebung  für  jene  Legion 
sich  nach  Ausweis  der  Inschriften  auf  Kreise  erstreckt  hat,  die  sonst  bei  der 
legionaren  Aushebung  nicht  in  Betracht  kommen.  Legionssoldaten  ohne  Ge- 
schlechtsnamen kommen  überhaupt  nur  selten  vor,  wo  sie  aber  auftreten,  vor- 
zugsweise bei  Neubürgem,  die  der  Sache  nach  noch  Barbaren  waren.  Sie 
erscheinen  einzeln  in  anderen  Legionen  (C.  III,  3558:  Pacatus  Mucaris  mil.  leg. 
II  adi.;  III,  5417:  Kalendinus  Celati  f.  m.  l  II  ad.;  III,  5448:  Nigelio  mil.  l.  U 
Ita.),  aber  in  Italien   und  in  guter   Zeit  wohl  nur  bei  der  einundzwanzigsten. 

MOMMSEN,  SCHB.  VI.  3 


34  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

Immer  brach  das  neue  System  mit  dem  Grundsatz  der  Republik 
das  Heer  aus  geborenen  Bürgern  zusammenzusetzen.  "Was  im  Bürger- 
16  kriege  aufgekommen  war,  die  Aufstellung  von  Regimentern  nach 
römischer  Art  und  mit  römischem  Commando  aus  Nichtbürgern  und 
ihre  Umwandlung  in  Bürgerregimenter  durch  Verleihung  des  Bürger- 
rechts an  die  gesammte  Mannschaft,  das  hat  Augustus  nicht  beseitigen 
wollen  oder  nicht  beseitigen  können.  Indess  wurde  diese  Einrichtung, 
die  in  ihrem  vollen  Umfang  angewandt  jedem  reichsangehörigen 
oder  reichsfremden  Barbaren  wie  jedem  Halbfreien  oder  Unfreien 
das  Bürgerheer  geöffnet  haben  würde,  wesentlich  beschränkt  durch 
die  doppelte  Qualification  für  den  Legionär,  der  städtischen  Heimath 
und  der  freien  Geburt. 

Die  erstere  wird  weiterhin  begründet  und  erörtert  werden.  Sie 
war  dazu  bestimmt  die  nicht  civilisirten  Reichsangehörigen  vom 
Reichsbürgerheer  fern  zu  halten,  während  für  diese  zugleich  beson- 
dere Cadres  eingerichtet  wurden.  Freilich  war  die  Stadtheimath, 
zumal  in  ihrer  mehr  äusserlich  sich  ausdehnenden  als  innerlich  sich 
vertiefenden  Entwickelung,  an  sich  schon  für  den  Besitz  städtischer 
Civilisation  eine  Bürgschaft  von  bedenklichem  Werth  und  mehr  eine 
Directive  als  eine  Schranke.  Es  war  mit  dieser  Einrichtung  dem 
Staat  ein  grosses  Princip  vorgezeichnet  und  ausführbar  gemacht 
worden;  aber  die  unverständige  Regierung  konnte  daneben  und 
damit  machen  was  ihr  gut  schien,  ohne  sie  äusserlich  zu  verletzen. 
Formell  ist  in  dieser  Hinsicht  zu  allen  Zeiten  alles  in  der  voll- 
kommensten Ordnung,  jeder  Gardist  und  jeder  Legionär  in  der 
Stammrolle  mit  seiner  Stadtgemeinde  geführt  worden  unter  Augustus 
80  gut  wie  unter  Severus  und  sicher  noch  lange  nachher.  Aber 
materiell  ist  dadurch  nicht  verhindert  worden,  dass  die  Thraker  und 
Pannonier  im  Heerwesen  die  erste  Rolle  spielen  und  die  Reichs- 
herrschaft gewissermassen  von  Rechtswegen  den  illyrischen  Barbaren 
zukommt.  Die  Staatsweisen  dieser  Autokratie  durften  überhaupt 
sich  rühmen  die  gesetzlichen  Ordnungen  nicht  beseitigt,  sondern  nur 
inhaltlos  gemacht  zu  haben.  Die  Barbarenherrschaft  konnte  in  der 
That  mit  diesem  Princip  genau  so  vollständig  durchgeführt  werden, 
wie  die  Autokratie  bei  richtiger  Behandlung  recht  füglich  mit  dem 
Princip  der  Volksvertretung  auskommen  kann. 

lamunus  (oder  lamuno)  Bufi,  aus  einem  der  kleinen  unter  Brixia  gelegten  Berg- 
gaue peregrinischen  Rechts,  setzt  seinen  Söhnen  Quartioni,  Sexto  militihus  leg. 
XXI  rapacis  filis  defu(ne)t(isj  einen  Grabstein  (C.  V,  4858) ;  gleichartig  ist  V,  4927, 
verwandt  V,  4892.  5033  (vgl.  Hermes  4,  116  [Ges.  Sehr.  4  S.  307]).  Dies  scheinen 
peregrini  zu  sein,  welche  bei  jenem  ersten  Dilectus  in  diese  Legion  gelangt  sind. 


Die  Conscriptionsordnuiig  der  römischen  Kaiserzeit.  35 

Wenn  die  Stammrolle  unter  dem  Principat,  wie  vorher,  für  jeden 
Legionär  die  freie  römische  Geburt  angab  und  den  römischen  Vater 
namhaft  machte,  so  war  das  für  die  Republik  eine  Wahrheit,  seit 
Augustus  insoweit  nothwendig  eine  rechtliche  Fiction,  als  Nichtbürger 
in  die  Legionen  aufgenommen  wurden.  Indess  die  Qualification  der 
Ingenuität  an  sich  kann  darum  fortbestanden  haben;  und  ohne  17 
Zweifel  hat  Augustus  in  der  That  daran  festgehalten,  also  Nicht- 
bürger  nur  dann  in  die  Legion  eingestellt,  wenn  sie  aus  rechter 
peregrinischer  Ehe  entsprossen  waren,  die  Fiction  demnach  sich 
nicht  auf  das  Yorhandensein  des  Vaters  bezog,  sondern  nur  auf 
dessen  Benennung^.  Die  rechtliche  Incompatibilität  des  Heerdienstes 
und  der  Libertinität  erscheint  deutlich  eben  in  der  Ausnahme,  die 
hinsichtlich  der  städtischen  Feuerwache  gemacht  wird;  nur  hier  tritt 
die  Libertinität  offen  zu  Tage.  Dennoch  scheinen  auf  dem  Schleich- 
weg, den  das  eben  so  unbestrittene  wie  bedenkliche  Recht  des 
Kaisers  die  fictive  Ingenuität  (natdlium  restitutio)  zu  verleihen  ^  an 
die  Hand  gab,  die  Libertinen  in  den  Heerdienst  schon  früh  in 
weiterem  Umfang  eingedrungen  und  in  immer  steigendem  Masse 
daran  betheiligt  worden  zu  sein.  Die  Flottensoldaten,  einstmals  von 
Rechtswegen  Sclaven  oder  Freigelassene  des  Kaisers,  sind  in  dieser 
Weise  wohl  auch  nach  der  Beilegung  der  Soldateneigenschaft  in 
grosser  Ausdehnung  aus  den  Freigelassenen  genommen  worden^. 
Selbst  in  Betreff  der  Legionarier  giebt  es  zu  denken,  dass  bei  einer 

1)  Dies  mag  sogar  sehr  alt  sein.  Der  Besitz  des  jy^^ter  aut  patronus  ist  ein 
so  allgemeines  Requisit  für  den  römischen  Bürger,  dass  dasselbe  auch  für  den 
Neubürger  zur  Anwendung  kommen  muss;  und  wenn  ihm  auch  da,  wo  die 
Nomenclatur  homogen  war,  wie  bei  den  aus  dem  Latium  hervorgegangenen, 
wohl  die  Fortführung  der  wirklichen  Ascendenten  zugestanden  worden  sein  wird, 
so  ist  dies  doch  Griechen  und  anderen  Nationen  gegenüber  schwerlich  geschehen, 
sondern  hier  wohl  schon  früh  Fiction  zu  Hülfe  genommen  worden. 

2)  Scaevola  Dig.  40, 11,  3:  ea  res  nee  dubitationem  habet  nee  timquam  liabuit, 
quin  exploratiim  sit  ad  omnem  ingenuitatis  statum  restitui  eum,  qui  isto  (natdlium 
restitutorum)  benefieio  prineiins  utatur. 

3)  Es  ist  eine  Eigenthümlichkeit  der  zahlreichen  Steine  der  Classiarier,  die 
längst  hätte  hervorgehoben  werden  sollen,  dass  diese  Leute  entweder  einen 
peregrinischen  Vater  nennen  oder  gar  keinen.  Die  letzteren  dürften  zum  grossen 
Theil  Freigelassene  sein,  die  den  Patronus  weglassen  wegen  der  mit  dem  Eintritt 
in  diesen  Dienst  rechtlich  verknüpften  fictiven  Ingenuität.  Hätten  sie  Frei- 
gelassene sein  dürfen,  wie  es  die  vigiles  durften,  so  würden  wir  den  Patron  ge- 
wiss oft  genannt  finden  —  der  eine  von  ihnen,  der  ihn  nennt  (X,  3531),  hat  wohl 
aus  Versehen  die  Wahrheit  gesagt.  Dass  sie  blos  den  Patron  weglassen,  aber 
sich  keinen  Vater  beisetzen,  dürfte  bestätigen,  dass,  wo  ein  Vater  genannt  wird, 
wie  bei  dem  Legionär,  nur  der  Name,  nicht  aber  die  freie  Geburt  fictiv  ist. 

3* 


3()  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

Aushebung  in  Bithynien,  die  allem  Anschein  nach  für  die  Legionen 
18  dienen  sollte,  schon  Kaiser  Traianus  nur  diejenige  von  Sclaven  als 
unstatthaft  bezeichnet  ^  Genauer  können  wir  hier  dem  Sachverhält- 
niss  nicht  nachkommen  und  den  Schleier  nicht  lüften,  den  die  Auto- 
kratie durch  die  Ausübung  ihrer  Privilegien  über  die  Thatsachen 
gebreitet  hat. 

Die  Ausländer  und  die  Unfreien  waren  für  den  römischen  Heer- 
dienst selbst  in  der  nachdiocletianischen  Zeit  noch  disqualificirt. 
Anwerbung  im  Ausland  ist  allerdings  damals  in  grossem  Umfang 
aufgekommen;  aber  ein  Theil  des  Reichsheeres  sind  diese  ange- 
worbenen Mannschaften  nicht.  Dem  Sclaven  wird  sogar  noch  in 
den  Gesetzen  der  spätesten  Zeit  für  den  Eintritt  in  den  Dienst  die 
Todesstrafe  gedroht.  Aber  umgangen  wird  auch  diese  letzte  Schranke 
in  dieser  Zeit  mittelst  des  Colonats.  Allerdings  ist  der  Colonus  im 
Rechtssinn  kein  Sclave  und  insofern  hat  die  Scheinheiligkeit  der 
römischen  Jurisprudenz  auch  damals  sich  nicht  verleugnet;  aber  dass 
diese  Leibeigenen  nur  dem  Namen  nach  freie  Leute  sind,  ist  ebenso 
bekannt  wie  dass  die  spätere  Aushebung  wesentlich  besteht  in  der 
Auflage  an  die  grösseren  Grundbesitzer  diese  Knechte  als  Rekruten 
zu  stellen 2.  Diese  Heere  sind  es,  die  Rom  und  Byzanz  gegen  die 
Gothen  und  Hunnen  zu  vertheidigen  hatten. 

Von  der  allgemeinen  Betrachtung  des  augustischen  Aushebungs- 
systems kehre  ich  zurück  zu  den  beiden  tiefgreifenden  Aenderungen, 
denen  dasselbe  in  der  früheren  Kaiserzeit  unterlegen  hat,  dem  Aus- 
schluss der  Italiker  vom  Legionsdienst  und  der  Einführung  der 
örtlichen  Conscription.  Es  erscheint  erforderlich  nach  den  oben 
gegebenen  Elementen  zu  bestimmen,  wann  beides  eingetreten  ist. 

Der  Ausschluss   der  Italiker  vom   Legionardienst   folgt    daraus 

noch  nicht,  dass  bei  der  Aushebung  für  die  Donauarmee  im  J.  65 

nur  die  Narbonensis,  Asia  und  Africa  herangezogen  wurden  (S.  27); 

der   einzelne  Dilectus  ist  immer  auf  einzelne  Landschaften  gestellt 

19  worden,  und  für  Italien  kommt  noch  besonders  in  Betracht,  dass  hier 


1)  Plinius  ad  Trai.  29.  30.  Bithynien  unterliegt  als  Senatsprovinz  nur  der 
legionaren  Aushebung,  und  um  diese  Zeit  ist  dort  für  die  africanische  Legion 
ausgehoben  worden  (S.  27).  Auch  die  numeri  führen  auf  die  Legionen  (S.  32  A.  3). 
Allerdings  stand  die  Provinz  damals  ausnahmsweise  unter  kaiserlicher  Verwaltung 
und  es  ist  also  nicht  schlechthin  ausgeschlossen  an  Auxiliarier  oder  Flotten- 
soldaten zu  denken. 

2)  Dies  ist  dem  älteren  Recht  fremd;  aber  schon  in  traianischer  Zeit  kam 
bei  zwangsweiser  Aushebung  die  Stellung  von  mearii  vor  (Plinius  ad  Trai.  30) 
und  daraus  mag  sich  dieses  Verfahren  entwickelt  haben. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  37 

vielleicht  schon  früh  nur  diente,  wer  sich  freiwillig  meldete.  Dass 
schon  in  dem  Bürgerkrieg  nach  Neros  Tod  Tacitus  die  Rheinarmee 
als  provinziale  Truppe  den  italischen  Prätorianern  entgegensetzt^, 
beweist  wohl,  was  die  Documente  bestätigen,  dass  schon  damals  in 
jener  die  provinzialen  Elemente  sich  sehr  fühlbar  machten,  aber  auch 
nicht  mehr,  zumal  da  diese  Angaben  in  Reden  vorkommen  und 
vielleicht  selbst  unter  dem  Einfluss  der  eigenen  Anschauung  des 
Schriftstellers  stehen.  Dass  vielmehr  noch  unter  Nero  die  Italiker 
in  beträchtlicher  Anzahl  in  der  Legion  dienten,  zeigt  das  erst  von 
Vespasian  eingerichtete  Lager  der  11.  Legion  von  Vindonissa;  es 
könnten  in  diesem,  das  nur  etwa  dreissig  Jahre  bestanden  hat,  unter 
zehn  Grabsteinen  von  Soldaten  mit  Heimathangaben  sich  nicht  sieben 
Italiker  gegen  drei  Gallier  finden,  wenn  bereits  unter  Nero  dieser 
Ausschluss  eingetreten  wäre  Aber  unter  Vespasian  muss  er  wohl 
erfolgt  sein;  denn  in  den  Legionen,  deren  Errichtung  in  die  vespa- 
sianische  Epoche  fällt,  sind  die  Italiker  nicht  mehr  vertreten,  wie  dies 
namentlich  die  zahlreichen  Mainzer  Inschriften  der  I  adiutrix  zeigen. 
—  Diese  Entlastung  Italiens,  das  bisher  einen  wesentlichen  Beitrag 
für  die  occidentalischen  Legionen  gestellt  hatte,  führte  natürlich  eine 
stärkere  Belastung  der  lateinischen  Provinzen  des  Westens  bei  der 
Legionaraushebung  herbei;  und  um  diese  einigermassen  auszugleichen, 
wird  die  africanische  Legion  dem  Orient  zugewiesen  worden  sein 
und  es  sich  daraus  erklären,  dass  wir  diese  in  traianischer  Zeit  aus 
Bithynern  und  Syrern  recrutirt  finden  (S.  27). 

Also  was  die  Legion  dem  sogenannten  Hygin  ist,  die  milifia 
provincialis  fidelissima,  ist  sie  vermuthlich  unter  Vespasian  geworden  2. 

1)  Tacitus  bist.  2,  21:  militem  peregrinutn  et  externum.  Aehulich  1,  84. 
2,  93.  94. 

2)  Wenn  bei  Tacitus  (Agr.  32)  der  Führer  der  Nationalpartei  in  Britannien 
das  Römerheer  der  domitianischen  Zeit  schildert  als  bestehend  aus  Galliern, 
Germanen  und  Britannem,  so  denkt  er  nicht,  wie  Hübner  will  (Hermes  16,  551), 
an  die  Auxilien,  sondern  in  erster  Reihe  an  die  Legionen  selbst,  auf  welche  in 
der  That,  da  es  sich  ja  hier  um  die  der  Westprovinzen  handelt,  diese  Aeusserung 
vollständig  passt.  Den  Commentar  dazu  giebt  die  Inschrift  (C.  VII,  5  [Dessau  4786]), 
die  ein  von  dem  Statthalter  von  Britannien  in  Venta  (Winchester)  stationirter 
Legionär  gesetzt  hat  McUrib(us)  Ital[i]s  Germanis  Gal(lis)  Brit(annisJ  —  offenbar 
den  Heimathgöttern  der  englischen  Legionare.  Bei  den  Moires  Italae  kann  an  die 
Offiziere  und  Unteroffiziere  gedacht  sein.  —  Allerdings  passt  Tacitus  Ausdruck  zu- 
gleich auf  die  Mehrzahl  der  Auxiliarier.  Denn  so  weit  nicht  besondere  Rücksichten 
militärischer  Art  eine  Ausnahme  bedingten,  wie  das  bei  den  Schützen  (sagittarii) 
und  der  schweren  Reiterei  (cataphractarii)  der  Fall  war,  sind  offenbar  die  im 
Orient  ausgehobenen  Auxilia  ebenso  wie  die  im  Orient  ausgehobenen  Legionen 
auch  im  Orient  verwendet  worden,  und  umgekehrt.    Darum  brauchen  indess  die 


38  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

20  Es  ist  auch  wohl  begreiflich,  dass  dieser  Kaiser  so  verfuhr.  Der 
Versuch  der  Rheinarmee  die  Herrschaft  über  Italien  zu  gewinnen, 
ruhte  ohne  Frage  mit  auf  dem  Uebermuth  der  Truppe,  und  dieser 
wieder  zum  Theil  wenigstens  auf  dem  gewaltigen  Hochmuth,  den 
der  Römer,  das  heisst  in  dieser  Epoche  der  Italiker  gegenüber  dem 
Provinzialen,  der  Eroberer  gegenüber  dem  Unterworfenen  empfand. 
Es  ist  die  grosse  That  Vespasians  gewesen,  dass  er  die  Militärgewalt 
zum  Gehorsam  zurückgeführt  und  die  Generale  wieder  der  Regierung 
botmässig  gemacht  hat.  Die  Auflösung  der  am  Rhein  stehenden 
Legionen  zeigt,  wo  Vespasian  den  Sitz  des  Uebels  erkannte;  dafür, 
dass  es  nicht  wiederkehre,  gab  sie  keine  Bürgschaft.  "Wohl  aber 
war  diese  damit  gegeben,  wenn  dem  Italiker  das  Schwert,  das 
wirklich  schlug  —  der  Gardistendegen  war  dies  nicht  —  ein  für 
allemal  aus  der  Hand  genommen  ward.  —  In  welcher  Form  der 
Ausschluss  ins  Werk  gesetzt  wurde,  können  die  Inschriften  uns  nicht 
sagen;  und  da  die  Schriftsteller  schweigen,  wird  hierüber  schwerlich 
je  voller  Aufschluss  erlangt  werden.  Wahrscheinlich  ist  eine  eigentlich 
organisatorische  Yorschrift  darüber  gar  nicht  ergangen,  sondern  hat 
die  Regierung  einfach  die  Aushebung  oder  auch  die  Werbung,  die 
nicht  stehend,  sondern  immer  auf  besondere  Anordnung  für  die 
einzelnen  Districte  eintrat^,  so  weit  sie  die  Legionen  zu  ergänzen 
bestimmt  waren,  seitdem  in  Italien  unterlassen.  So  erklärt  sich  am 
einfachsten,  dass  auch  nachher  noch  manche  Ausnahmen  vorkommen  ^ 

21  und  dass  in  gefährlichen  Krisen,  zum  Beispiel  unter  Marcus  und  Verus 
für  den  parthischen  Krieg,  Aushebungen  im  transpadanischen  Gebiet 
ausserordentlicherweise  stattgefunden  haben,  die  nur  auf  die  Legionen 
bezogen  werden  können^. 

Auxilia  keineswegs  ursprünglich  eben  in  der  Provinz  Verwendung  gefunden  zu 
haben,  in  welcher  sie  ausgehoben  wurden.  Nach  dem  ältesten  Document  der 
Art,  welches  wir  besitzen,  dem  neronischen  Diplom  vom  J.  60  lagen  damals  in 
lUyricum  fünf  spanische  Cohorten  und  zwei  der  Alpini. 

1)  Staatsrecht  2  2  S.  820. 

2)  Dahin  gehören  zum  Beispiel  der  Soldat  aus  dem  Lager  von  Aquincum 
(IIT,  3544)  I.  Gl  Efficax  q(uon)dfam)  mil(es)  legßonis)  II  p(iae)  f(ideUs)  b(ene)- 
f(iciarius)  co(n)s(ularis)  domo  Luceria  Apia  (für  Apula),  der  Tereventiner,  der  im 
Lager  von  Obilaba  in  der  von  Marcus  eingerichteten  zweiten  italischen  Legion 
gedient  hat  (IX,  2593)  und  die  milites  leg.  VI  victricis  pie  f(iddis)  cives  Italici  et 
Norici,  welche  am  Antoninswall  in  Britannien  den  Altar  VII,  1095  weihten. 
Gunst  imd  Missgunst  und  Zufälligkeiten  aller  Art  müssen  hier  eingegriffen  haben. 
Ueberdies  fällt  Heimathrecht  und  Domicil  ja  nicht  zusammen  und  ist  es  wohl 
denkbar,  dass  bei  dem  Ausschliessen  der  Italiker  mehr  dieses  als  jenes  in  das 
Auge  gefasst  ward  (vgl.  vita  Hadriani  12). 

3)  Ausserordentliche  Commissarien  zur  Veranstaltung  von  Aushebungen  in 
Italien,  immer  senatorischen  Ranges,  begegnen  verhältnissmässig  häufig,  unter 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  39 

Als  den  Urheber  der  örtlichen  Aushebung  erweist  sich  nach  dem 
oben  Gesagten  für  Africa  Hadrian,  und  allem  Anschein  nach  hat  er 
diese  Massregel  für  das  gesammte  Reich  durchgeführt.  Der  Gegensatz 
der  occidentalischen  und  der  orientalischen  Legionen  wurde  hiedurch 
nicht  aufgehoben,  vielmehr  verschärft.  Die  weiteren  Modalitäten 
dieser  wichtigen  Neuerung  werden,  zumal  bei  dem  wahrscheinlich 
dadurch  mit  herbeigeführten  Abkommen  der  Heimathangaben  auf 
den  Grabsteinen  der  Soldaten,  kaum  je  genügend  festgestellt  werden 
können.  Selbstverständlich  darf  der  Satz,  dass  die  Legion  in  ihrer 
Garnisonsprovinz  sich  recrutirt,  nicht  allzu  strict  gefasst  werden.  Für 
Africa  hatte  seine  vollständige  Anwendung  keine  Schwierigkeit  und 
war  man  nicht  genöthigt  auch  nur  nach  Mauretanien  überzugreifen. 
Auch  Aegypten  genügte  im  Ganzen  sich  selbst,  obwohl  in  der  besseren 
Zeit,  wie  wir  weiter  finden  werden,  die  legionare  Aushebung  nur  in 
den  Städten  griechischen  Rechts  stattfand;  in  untergeordneter  Weise 
stellten  andere  Provinzen,  besonders  Syrien,  Rekruten  für  die  dortige 
Legion.  Aber  die  beiden  Germanien  boten,  zumal  da  auch  für  die 
Auxilia  hier  stark  ausgehoben  ward,  offenbar  nicht  Mannschaften 
genug  für  die  dort  stehenden  Legionen;  es  wird  weiterhin  (S.  70) 
darauf  zurückzukommen  sein,  dass  hier  auf  die  benachbarten  Pro- 
vinzen übergegriffen  ward.  —  Dass  die  administrative  Erleichterung 
der  Recrutirung,  deren  Durchführung  nach  der  älteren  Ordnung  sehr 
weitläufige  und  kostspielige  Verschickungen  zur  Folge  gehabt  haben 
muss,  bei  dieser  Umgestaltung  derselben  eine  Rolle  gespielt  hat, 
versteht  sich  eben  so  von  selbst,  wie  dass  dies  nicht  das  eigentlich 
bestimmende  Motiv  gewesen  ist.  Was  dieses  war,  wird  sich  weiterhin 
zeigen  (S.  74) ;  hier  mag  nur  bemerkt  werden,  dass  die  Abschaffung  22 
des  effectiven  Kriegsdienstes,  wie  sie  seitVespasian  für  Italien  bestand, 
damit  auf  die  zu  vollem  römischen  Bürgerrecht  gelangten  und  nicht 
mit  Legionen  belegten  Provinzen,  insonderheit  also  auf  die  Baetica 
und  die  Narbonensis,  aber  auch  auf  Achaia  und  Asia  erstreckt  ward; 
und  es  passt  dies  zu  dem  Gesammtgang  der  Entwickelung  recht  wohl. 
Es  wird  überhaupt  in  dem  römischen  Heerwesen  die  Cultur  von  Stufe 
zu  Stufe  durch  das  barbarische  Element  verdrängt  —  die  Inschrift 
von  Aquileia  mit  dem  hoffärtigen  Gegensatz  des  Gardisten  gegen  die 
harharica  legio  ist  bekannt  — ;  und  in  den  Inschriften  jener  Provinzen 
mangeln  die  Militärsteine  ganz  ebenso,  ja  noch  mehr  als  in  Italien 
und  begegnet  man  in  nachhadrianischer  Zeit  dort  höchstens  einem 
vereinzelten  Prätorianer. 


anderen   für   den   armenisch  -  parthischen   Krieg   des  Verus    (Staatsrecht  2,  850 
Anm.  3),  zuerst  sicher  unter  Hadrian. 


40  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

Eine  formelle  Rangverschiedenheit  zwischen  den  Legionen  römi- 
scher und  denen  griechischer  Herkunft  sollte  durch  diese  Or^inung 
ohne  Zweifel  nicht  herbeigeführt  werden.  Es  zeigt  sich  dies  schon 
darin,  dass  die  Scheidung  keine  absolute  ist;  wie  einzelne  Occidentalen 
in  den  Legionen  am  Nil  dienen,  so  finden  wir  bei  einem  Theil  der 
illyrischen  Legionen  beide  Bestandtheile  einigermassen  gleichmässig 
und  vielleicht  mit  guter  Absicht  gemischt.  Wir  können  es  uns 
ersparen  auseinander  zu  setzen,  warum  Augustus  unmöglich  dazu 
thun  konnte  seine  Legionare  in  solche  erster  und  zweiter  Klasse  zu 
scheiden.  Aber  dass  dies  doch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  die 
Folge  jener  Einrichtung  sein  musste,  liegt  ebenso  auf  der  Hand. 
Das  Commando  war  selbstverständlich  überall  lateinisch,  wie  denn 
auch  die  Militärinschriften  des  Ostens  mit  wenigen  Ausnahmen 
lateinisch  sind  oder  zweisprachig  mit  Yoranstellung  des  lateinischen 
Textes.  Aber  als  Verkehrssprache  diente  diesen  Legionaren  sicher 
die  griechische,  und  ebenso  blieb  griechische  Schlaffheit  und  griechische 
Zuchtlosigkeit  diesen  Lagern  eigen.  Was  Tacitus  (S.  67  A.  1)  von 
einer  Truppe  sagt,  die  von  einem  der  Clientelkönige  des  Ostens 
aufgestellt  und  bei  Einziehung  seines  Reiches  in  das  Reichsheer 
übergegangen  war:  donati  civitate  Romana  signa  armaque  in  nostrum 
modum,  desidiam  licentiamque  Graecorum  retinebant,  ist  das  rechte 
Motto  für  die  wenig  erbauliche  Militärgeschichte  dieser  Romaeer. 
Man  wird  die  Geschichte  der  Partherkriege  anders  lesen,  seit  wir 
diese  Thatsache  kennen.  Erst  jetzt  auch  versteht  man,  warum  in 
der  Garde  der  besseren  Kaiserzeit  Provinzialen  genug  gedient  haben, 
23  aber  aus  den  griechischen  Provinzen  gebürtige  Mannschaften  nur  ganz 
vereinzelt  begegnen,  vielmehr  die  hier  erscheinenden  Provinzialen 
durchaus  derjenigen  Herkunft  sind,  welche  auch  in  den  Legionen 
des  Occidents  auftritt.  Es  ist  ebenso  gewiss  nicht  Zufall,  dass 
zwischen  den  Corps  des  Orients  und  denen  des  Occidents  der  sonst 
so  häufige  Lagerwechsel  so  gut  wie  gar  nicht  stattgefunden  hat,  nur 
zweimal  eine  occidentalische  Legion  bleibend  nach  dem  Osten  verlegt 
und  nie  eine  orientalische  Legion  auf  die  Dauer  nach  dem  Occident 
geschickt  worden  ist^.    Die  partes  Orientis  und  die  partes  Occidenfis, 

1)  Die  augustisclien  Legionen  des  Ostens  (einschliesslich  der  beiden  moesi- 
schen)  sind  acht  an  der  Zahl,  die  III  Oyrenaica,  III  Gallica,  IV  Scythica, 
V  Macedonica,  VI  ferrata,  X  Fretensis,  XII  fulminata,  XXII  Deiotariana;  die 
späteren  orientalischen  (einschliesslich  der  drei  von  Niedermoesien)  zwölf,  und 
zwar  die  sieben  ersten  der  augustischen  (die  XXII  Deiotariana  ist  aufgelöst 
worden),  die  wohl  durch  Traian  hingelegten  XI  Claudia  und  XV  ApolUnaris, 
femer  die  I  Italica,  eingerichtet  von  Nero,  die  XVI  Flavia,   eingerichtet  von 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  41 

wie  sie  in  der  Reichstheilung  des  Theodosius  zur  formalen  Consti- 
tuirung  gelangten,  sind  in  der  That  schon  vierhundert  Jahre  zuvor 
in  der  augustischen  Militärordnung  gleichsam  im  Keime  enthalten. 

IL     Die  Heimathvermerke  der  Legionare  und  der 
Auxiliarier. 

Die  Heimathangaben  der  römischen  Soldaten  sind  zwiefacher 
Art:  entweder  wird  die  Heimath  substantivisch  im  Ablativ  dem 
Namen  nachgesetzt  oder  adjectivisch  ihm  angehängt.  Als  dritte 
Form  tritt  in  gewissem  Sinn,  da  wo  die  politische  Heimathgemeinde 
fehlt,  die  ethnologische  Angabe  der  Herkunft,  die  Landschaft  hinzu. 
Diese  drei  Formen  entsprechen  und  sind  der  Ausdruck  der  ver- 
schiedenen Rechtsstellung  der  Heerestheile. 

Bei  den  aus  Vollbürgern  bestehenden  Truppen,  der  Garde  und 
den  Legionen,  wird  die  Heimath  durchgängig  durch  den  Stadtnamen 
und  zwar  ohne  Hinzufügung  des  Namens  der  Landschaft  oder  der 
Provinz '^  bezeichnet.  Dieser  Regel  fügen  sich  formelP  sämmtliche  24 
uns  erhaltene  Yerzeichnisse  solcher  Soldaten,  ohne  Unterschied  der 
Epoche,  die  zahlreichen  der  Stadttruppen  der  früheren  Jahrhunderte^ 
wie  der  nachseverischen  *  und  nicht  minder  die  der  Legionarier  von 
Aegypten  wie  von  Africa;  ferner  die  Grabschriften  jener  wie  dieser 
aus  der  besseren  Kaiserzeit    ebenfalls    fast   ohne  Ausnahme^.      Im 


Vespasian  und  die  II  Traiana,  eingerichtet  von  Traian.  Zu  den  letzteren  tritt 
dann  noch  eine  Zeitlang  die  III  Augusta  in  Africa.  Im  Ganzen  gab  es  bekanntlich 
unter  Augustus  25,  unter  Traianus  30  Legionen. 

1)  Wo  der  Name  der  Landschaft  einen  Theil  des  Stadtnamens  bildet,  was 
namentlich  bei  den  picenischen  Städten  vorkommt  (C.  IX  p.  508.  517) ,  wird 
derselbe  natürlich  auch  hier  gesetzt.  Der  cornicen  Laudicia  ex  Suria  VI,  2627 
[Dessau  2063]  wird  so  bezeichnet  zur  Unterscheidung. 

2)  Dass  die  also  aufgeführte  Ortschaft  in  der  That  immer  Stadtrecht  gehabt 
hat,  soll  damit  nicht  behauptet  werden  (vgl.  S.  82). 

3)  Nur  hinsichtlich  einzelner  macedonischer  Landschaften  leidet  dies  nach 
der  S.  81  A.  1  gemachten  Bemerkung  eine  gewisse  Einschränkung.    In  der  Liste 

vom  J.  113  VI,  2379  [=  32520],  5,  20 Successus  Senon.  ist  die  Beziehung 

der  Heimath  auf  die  gallischen  Senones,  welche  Oscar  Bohn  (über  die  Heimath 
der  Prätorianer.  Berlin  1883.  S.  21)  versucht,  nicht  wahrscheinlich ;  der  Stadtname 
wird  vielmehr  verschrieben  oder  uns  unbekannt  sein. 

4)  Nur  Eph.  ep.  IV  p.  311  [C.  I.  L.  VI,  32623]  wird  als  Heimath  Tung. 
angegeben;  der  Ortname  Aduatuca  (Ptolemaeus  2,  9,  5)  ist  vielleicht  früher  als 
andere  ähnliche  abgekommen. 

5)  Nur  iMcanus  C.  VI,  2572  verstösst  gegen  die  Regel.  Auf  Luca  darf  dies 
nicht  bezogen  werden,  da  dies  das  Ethnikon  anders  bildet  und,  auch  davon 
abgesehen,  die  adjectivische  Form  dann  erst  recht  auffällt;  der  Concipient  mag 


42  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

dritten  Jahrhundert  bleibt  für  die  untergeordneten  und  oft  barbari- 
schen Grabschriften  die  Regel  zwar  insofern  in  Kraft,  als  die  politische 
Heimathgemeinde,  wo  sie  angegeben  wird,  durch  den  Stadt-,  nicht 
durch  den  Gaunamen  ausgedrückt  zu  werden  pflegt  ^ ;  die  Verstösse 
dagegen  sind  selbst  in  diesem  Kreise  sehr  selten  bei  den  haupt- 
städtischen ^  sowohl  wie  bei  Legionssoldaten  ^.  Aber  sehr  häufig 
25  wird  in  dieser  Zeit  in  den  Grabschriften  jener*  wie  dieser^  die 
Landschaft  bald  neben  der  Stadtheimath,  bald  allein  gesetzt^. 

Die  Stadtheimath  steht  in  den  Listen  durchaus  und  auch  sonst 
sehr  häufig  ohne  weiteren  Vormerk  und  blos  durch  die  Stellung  hinter 
dem  Namen  und  die  ablativische  Fassung  bezeichnet  als  das  was  sie 


die  Heimathstadt  des  Verstorbenen    nicht    gewusst  und   daher   die  Landschaft 
dafür  gesetzt  haben. 

1)  Der  formale  Unterschied  der  substantivischen  und  der  adjectivischen 
Bezeichnung  wird  in  diesem  Kreise  häufig  vernachlässigt,  namentlich  in  Folge 
des  Eindringens  des  Exponenten  civis,  welchem  dann  das  Ethnikon  folgt. 

2)  Die  einzigen  mir  bekannten  Ausnahmen  sind  der  Picenus  einer  Stadt- 
cohorte  VI,  2887  und  der  Bemus  und  Batavus  der  Prätorianerinschriften  VI,  46 
[Dessau  4633].  2548  [Dessau  2040].  In  dieser  hätte  wohl,  wie  auf  der  unten  S.  44 
A.  1  angeführten  Decurioneninschrift,  Ulpia  Noviomago  Batavus  geschrieben  werden 
sollen;  wie  nahe  die  unrichtige  Fassung  lag,  lehrt  eben  diese  sehr  deutlich. 

3)  Ich  finde  nur  zwei  sichere  Fälle:  den  Veteran  leg.  XXII  pr.  p.  f.  natione 
Bataus  (Brambach  1517  [C.  I.  L.  XIII,  7577])  und  den  mil  l[eg.]  XXX  ebenfalls 
civis  Batavus  (Boissieu  p.  384  [C.  I.  L.  XIII,  1847  =  Dessau  2389]).  Der  veteranus 
leg.  IM.  missus  honesta  missione  civis  Bemus  einer  Lyoner  Inschrift  (Boissieu  p.  306 
[C.  I.  L.  XIII,  1844  =  Dessau  2463])  und  ähnliche  Veteranen  können  erst  nach 
der  Mission  das  Bürgerrecht,  das  sie  nennen,  gewonnen  haben.  Der  Soldat  der 
III  Cyrenaica  natione  Bessus  (III,  104)  ist  natürlich  aufzufassen  wie  die  Besser 
dieser  Epoche  überhaupt,  und  kann  Bürger  von  Apri  oder  Scupi  gewesen  sein 
(Hermes  16,  465  [Ges.  Sehr.  5  S.  409]).  Auch  in  der  Inschrift  von  Bath  (C.  VII,  49 
[Dessau  2429])  eines  fabricie(n)sis  leg.  XX  V.  v.  natione  Belga  ist  es  mindestens 
zweifelhaft,  ob  der  Gau  oder  die  Provinz  gemeint  ist. 

4)  Natione  Pannonius:  VI,  2488.  2662.  2673.  2697.  2746.  2758.  Noricus: 
VI,  2712  vgl.  2482.  Dacus:  VI,  2495.  2696  vgl.  2602.  Thrax:  VI,  2461.  Bessus: 
VI,  2486.  2699.  Afet':  VI,  2431.  Etwas  anders  natus  patr.  Meonia  VI,  2669.  — 
Natione  Trax  domu  Sergica  (VI,  2570)  oder  civitate  Serdica  (VI,  2742);  n.  Trax 
civitate  Promesiana  (VI,  2734).     Die  Beispiele  lassen  sich  leicht  vermehren. 

5)  Natione  Pannonius,  Soldat  der  1  adiutrix,  Caesarea  Maur.  (VIII,  9376); 
der  II  adiutrix,  Misenum  (X,  1775).  Provinciae  Trade,  Soldat  der  I  Italiea,  Tibur 
(Borghesi  opp.  7,  424  [C.  I.  L.  XIV,  3631])  u.  a.  m.  —  Natione  Trax,  cives  Filopo- 
pulitanus,  Soldat  der  I  Italiea,  Rom  (VI,  2601  [Dessau  2055]). 

6)  Selbstverständlich  hat  die  Stadtheimath  nie  gefehlt,  selbst  da  nicht,  wo 
nur  die  Landschaft  und  das  Dorf  angegeben  wird,  wie  VI,  2544  [Dessau  2066]: 
ex  prov.  Panno(nia)  inferiore  natus  castello  Vixillo;  vgl.  VI,  2730:  Mys.  sup.  reg. 
Batiarese  vico  Cinisco. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  43 

ist;    wenn  ein  Exponent  hinzutritt,  so  ist  dies  in  guter  Zeit  immer 
domo,  späterhin  nicht  selten  auch  civis^. 

Bei  den  Abtheilungen  dagegen,  welche  aus  Nichtbürgern  bestehen 
sollen,  wird  die  politische  Heimath  durchgängig  durch  das  Ethnikum 
bezeichnet.  Diese  Bezeichnungsweise  war  die  einzig  mögliche,  wo 
die  Heimathgemeinde  nicht  als  Stadt  constituirt  war;  der  Astur 
transmontanus  castel(l)o  Iniercatia^  zum  Beispiel  einer  der  ältesten  26 
Inschriften  dieser  Kategorie  bezeichnet  sich  damit  ausdrücklich  als 
gehörig  zu  einer  vicatim  wohnenden  und  der  städtischen  Ordnung 
entbehrenden  Commune.  Dasselbe  gilt  von  allen  den  Landschaften, 
die  nach  römischer  Ordnung  auf  der  civitas  ruhten,  also  für  Gallien, 
Germanien,  Pannonien,  abgesehen  von  den  hier  bestehenden  Muni- 
cipien  und  Colonien.  Aber  der  Gegensatz  ist  zum  Theil  doch  nur 
formaler  Art.  Die  Reichsstatistik,  wie  sie  namentlich  bei  Ptolemaeus 
vorliegt,  zeigt  die  Möglichkeit  die  Heimath  willkürlich  auf  den  Gau 
oder  auf  die  Stadt  zu  stellen,  und  davon  wird  hier  in  der  Weise 
Anwendung  gemacht,  dass  auch  da,  wo  die  Heimath  städtisch  an- 
gegeben werden  konnte,  ja  diese  Angabe  näher  lag,  in  den  Pere- 
grinentruppen  der  Stadtname  namentlich  in  älterer  Zeit  vermieden 
wird^.  Noricum  bestand  seit  Claudius  Zeit  aus  einer  kleinen  Zahl 
städtischer  Gemeinden;  dennoch  wird  auf  den  Inschriften  der  aus 
dieser  Provinz  gebürtigen  Auxiliarier  die  Heimath  der  Regel  nach 
mit  fiaiione  Norictis  bezeichnet.  Köln  und  Trier  sind  benachbart  und 
allem  Anschein  nach  gleichen  Rechts  gewesen,*)  aber  der  Legionat 

1)  Diese  Bezeiclinung,  bezogen  auf  die  einzelne  Stadtgemeinde,  ist  an  sich 
correct,  wird  aber  in  guter  Zeit  für  die  domus  vermieden,  weil  sie  sich  dem 
substantivischen  Stadtnamen  nicht  bequem  anschliesst.  In  der  verfallenden 
Sprache  wird  das  Wort  neben  der  adjectivisch  ausgedrückten  Stadtheimath  nicht 
selten  verwendet;  man  findet  civis  PhilippopoUtcmiis  sogar  im  Gegensatz  zu 
natione  Thrax  (S.  42  A.  5). 

2)  Bonn,  Brambach  478  [C.  I.  L.  XIII,  8098  =  Dessau  2580].  Ptolemaeus 
2,  6,  31  führt  diesen  Ort  unter  Asturia  auf  als  'ÖQviaxcöv  'IvxsQxaxia;  in  der 
Patronatstafel  vom  J.  152  (C.  II,  2633  [Dessau  6101])  begegnet  ein  Sempronius 
Perpetmis  Orniacus;  Pliuius  sagt  3,  3,  28:  iunguntur  iis  Ästurum  XXII  popuU  divisi 
in  Augustanos  et  Transniontanos.  Eine  dieser  zweiundzwanzig  Gemeinden  sind 
die  Orniaker,  ihre  Hauptortschaft  ist  Intercatia.  Auch  in  der  Inschrift  Cloutius 
Clutami  f.  dtiplicarius  alae  Pannoniar.  Susarrti(s?)  domo  Curunniace  (Salonae;  C. 
III,  2016  mit  der  Anm.  [Dessau  2530])  sind  die  Susarri  vermuthlich  ein  anderer 
jener  22  asturischen  Stämme,  Curunniace  wahrscheinlich  das  Curunda  der  eben 
genannten  Patronatstafel. 

3)  Oder  auch  in  die  zweite  Reihe  gestellt,  wie  in  der  Inschrift  von  Binger- 
brück  (Brambach  739  [CLL.  XIII,  7513  =  Dessau  2570]):  Eyperanor  Hypera- 
noris  f.  Cretic(us)  Lappa  mil.  cho.  I  sag.,  was  zu  beurtheilen  ist  wie  der  Surus 
Garasenus  des  vespasianischen  Diploms  (S.  49). 

*)  [Vgl.  dazu  unten  S.  87  ff.] 


44  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

aus  Köln  nennt  als  seine  Heimath  stets  Claudia  Ära,  der  Auxiliar 
aus  Trier  stets  sich  blos  Trever  —  auf  das  Rechtsverhältniss  komme 
ich  zurück  (S.  83).  Wo  ausnahmsweise  die  Heimath  des  Auxiliarius 
in  städtischer  Form  angegeben  ist,  ist  es  mehrfach  gewiss,  meistens 
wahrscheinlich,  dass  er  persönlich  römisches  Recht  besessen*)  und  die 
Heimathbezeichnung  danach  gestaltet  hat.  In  den  wenigen  Fällen, 
wo  Soldaten  einer  Auxiliartruppe  die  Tribus  beigelegt  und  das 
Bürgerrecht  also  ausser  Zweifel  ist,  ist  die  Heimath  immer  städtisch 
27  ausgedrückt^;  wo  sonst  bei  solchen  die  städtische  Heimath  auftritt, 
ist  durchgängig  auch  der  Name  nach  Bürgerart  gestaltet  ^  und  wo 

*)  [Über  die  Aufnahme  römischer  Bürger  in  die  Auxilia  seit  Hadrian  vgl. 
C.  I.  L.  III  S.  p.  2014.] 

1)  Ich  finde  deren  nur  drei  [vgl.  dazu  C.  III  S.  13483  a:  Proculus  Babili  f. 
Col(lina)  Philadel(phia)  mil.  optio  cöh.  11  Italic,  e.  B.]:  T.  F.  Bonio  Quri(na) 
Andautonia  eques  alae  Frontonianae  (Pest;  C.  III,  3679)  —  Q.  Domitius  Pol.  castris 
Sardonicus  mil.  coli.  VII  Lusitanorum  (Lambaesis;  C.  VIII,  3101  [Dessau  2565])  — 

.  C.  lulius  C.  Gäleria  Baccus  Luguduni  mil.  coli.  1  Thracum  (Köln;  Brambach  310 
(C.  I.  L.  XIII,  8318  =  Dessau  2569]);  denn  in  der  Inschrift  L.  Cuspius  L.  f.  Cla. 
luvai  Lantus  Norico  mil.  coh.  1  Asturum  (Rom :  C.  VI,  3588)  gehört  Claudia  zum 
Stadtnamen.  In  derjenigen  von  Camuntum  (Hirschfeld  arch.  epigr.  Mitth.  5,  203 
[C.  I.  L.  III,  11213  =  Dessau  2596]):  T.  Calidius  P.  (so)  Cam.  Sever(us)  eq(ues),  item 
optio,  decur(io)  coh.  1  Alpin.,  item  '^  leg.  XV Apoll,  kann  das  Bürgerrecht  und 
die  Tribus  in  Folge  des  anomalen  Avancements  eingetreten  sein  und  also  dem 
Severus  als  einfachem  Auxiliarsoldaten  gefehlt  haben.  Bei  den  Decurionen  der 
Alen,  welche  der  Mehrzahl  nach  Bürger  sind,  zeigt  sich  mehrfach  deutlich,  dass 
sie,  obwohl  aus  dvitates  hervorgegangen,  doch  sich  mit  Vermeidung  des  Ethnikon 
städtische  Herkunft  beilegen.  So  T.  Fl  Bom[a]nus  TJlpia  Noviomagi  Batavus 
dee.  alae  1  Flaviae  (in  Raetien;  CHI,  5918b  [=  11936])  und  M.  Sempronius  L. 
f.  domo  Termestinus  (Stadt  der  Arevaker  in  der  Tarraconensis;  Ptolemaeus 
2,  6,  55  mit  Müllers  Anm. ;  C.  II,  871)  dec.  eques  (d.  h.  erst  Gemeiner,  dann 
Decurio)  alae  Sebosianae  (Worms;  Brambach 894  [CLL. XIII,  6236  =  Dessau 2533]). 

2)  Ich  führe  die  mir  bekannten  Fälle  der  Art  auf:  C.  Bomanius  eq.  alae 
Norico(rum)  Claudßa)  Capito  Celeia  (Mainz;  Brambach  1229  [C  I.  L.  XIII,  7029]). 
—  M.  Valerius  C.  f.  Hispanus  dmno  Leonica  (Stadt  der  Edetaner  in  der  Tarra- 
conensis, Ptolemaeus  2,  6,  62  mit  Müllers  Anm.)  eques  de  ala  Patrui  (Larinum  IX, 
733  [Dessau  2499]).  —  T.  Flavius  Crensces  [so]  equ(es)  ale  Tam(pianae)  vexßlla- 
tionis)  Brit(annicae)  dom(o)  Burocor(toro)  Bem(orum)  oder  Bem(us)  (Camuntum ; 
III,  4466  [Dessau  2515]),  wo  wieder  das  Ethnikum  sichtlich  vermieden  ist.  —  L. 
Valerius  L.  f.  Pudens  Ancyr(a),  ex  pedite  cohort.  I  Aquitanorum  (Diplom  vom 
J.  82;  Eph.  ep.  4  p.  495  [C  L  L.  III  p.  1960  =  Dessau  1995]).  —  P.  Insteius 
Agrippae  f.  Oyrrh(o),  ex  pedite  cohoii.  1  Aug.  Ituraearum  (Diplom  XIX  vom  J.  98 
[C  I.  L.  III  p.  862]).  —  L.  Sextilius  Sextili  f.  Pudens  Stobis,  ex  pedite  coh.  I 
Claudiae  Sugambrorum  (Diplom  XXXIV  vom  J.  134  [C  I.  L.  III  p.  877].  —  Valerius 
Valefri  f.  Valens  Batiar(ia),  ex  pedite  coh.  1  Pannoniorum  (Diplom  XLV  vom 
J.  165  [C  I.  L.  III  p.  887]).  —  Tib.  lul.  Caretis  f.  Sdebdas  domo  Turo  missieius 
ex  coh.  Silauciensiu(mJ  (üntergermanien ;  Brambach  230  [C  L  L.  XIII,  8593  = 
Dessau  2567]).  —  Aurel.  Vindex  Andautonia  eq.  coh.  I  Thrac.  (Bregetio;  III,  4316). 
Vgl.  S.  48  A.  1.  3. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  45 

dies   einmal  nicht  der  Fall   ist,   scheint  ein  Versehen  angenommen 
werden  zu  dürfen  i. 

Streng  genommen  hat  als  Ethnikum  gewiss  diejenige  politische 
Gemeinde  genannt  werden  sollen,  welcher  der  Soldat  peregrinischen 
Rechts  angehört.  Indess  ist,  wie  schon  die  oben  angeführten  Bei- 
spiele zeigen,  nicht  selten  für  die  Heimathgemeinde  vielmehr  der 
sie  umfassende  District  gesetzt  worden.  Die  Asturer  haben  allem 
Anschein  nach  ein  Gemeinwesen  so  wenig  gebildet  wie  die  Noriker 
und  die  Raeter;  aber  in  den  Soldatenverzeichnissen  wird  bei  diesen 
allen,  wir  wissen  nicht  überall  warum  2,  nicht  die  eigentliche  Heimath,  28 
sondern  ein  weiter  greifendes  Ethnikum  gesetzt. 

Auch  das  Ethnikum  schliesst  sich  nach  strengem  Sprachgebrauch 
wie  der  Stadtname  ohne  weiteren  Vormerk  an  den  Personennamen 
an;  in  den  Militärdiplomen  ist  dies  ohne  Ausnahme  durchgeführt. 
Wo  ein  Exponent  hinzutritt,  wird  in  den  Donauprovinzen  das 
Wort  domo  auch  vor  dem  Ethnikum  regelmässig  verwendet  3. 
Dagegen  im  Rheingebiet  und  in  Italien  wird  diese  Bezeichnung 
lediglich    von    der    Stadtheimath    gebraucht*    und    dem    Ethnikum 


1)  Ich  finde  folgende  Fälle :  Eupator  Eumeni  f.  Sebastopol(itamis),  ex  gr egale 
vexiUationis  equitum  Illyricorum  des  Diploms  XXXIII  vom  J.  129  [C.  I.  L,  III  p.  876], 
wo  man  Ponticus  neben  dem  Stadtnamen  vermisst;  dann  merkwürdiger  Weise 
drei  Inschriften  von  Raab:  Crispus  Mac  .  .  [f.]  Sisdanus  eq.  alae  I  Aravac.  (III, 
4373);  Bato  Buli  f.  cöl.  Ap.  eq.  ala  Pannoniorum  (III,  4372);  ....  Crali  f.  col. 
Aequ.  —  vielmehr  col.  A[p.]  equ.  —  ala  Panno.  (III,  4376).  üeber  die  Form  der 
Namen  vgl.  S.  86  A.  3. 

2)  Bei  Noricum  hat  ohne  Zweifel  der  frühe  Untergang  der  Gauverfassung 
mitgewirkt  —  Plinius  3,  24,  146  nennt  dafür  keine  populi  und  oppida;  und 
Ptolemaeus  2,  13  nennt  zwar  Gaue,  aber  vertheilt  die  Städte  nicht  unter  sie. 
Bei  den  Raetern  und  den  Asturem  hat  vielleicht  kein  anderes  Motiv  obgewaltet 
als  die  Geringfügigkeit  und  die  Unbekanntschaft  der  engeren  Heimathbezirke. 
Es  wäre  zu  wünschen,  dass  die  Specialuntersuchungeu  diese  Verhältnisse  berück- 
sichtigten ;  leider  pflegt,  wer  über  eine  Provinz  des  römischen  Reiches  schreibt, 
von  diesem  ebenso  wenig  zu  wissen  wie  die,  welche  sich  mit  dem  römischen 
Reich  beschäftigen,  von  den  einzelnen  Provinzen. 

3)  Beispielsweise  steht  auf  pannonischen  Inschriften  domo  vor  Betavos  oder 
Batavus  (III,  3681  [=  10513].  4368)  —  Bessus  (III,  4378)  —  Biturix  (III,  2065 
[Dessau  2506])  —  Caturix  (III,  6366  [=  8491  =  Dessau  2582])  —  Cugernus  (III, 
2712)  —  Ityraeus  (III,  4371  [Dessau  2511])  —  Ti-ibocus  (III,  3164  [=  9816  =  Dessau 
2505]).  In  der  S.  43  A.  2  angeführten  entspricht  domus,  wie  es  scheint,  viel- 
mehr dem  castellum. 

4)  Also  muss  in  der  Inschrift  von  Neuss  (Brambach  271  [C.  I.  L.  XIII,  8558]): 
M.  Lucilms  Seeundus  decurio  mis(sicius)  ex  ala  Front,  domo  Camp.  Flki  [oder 
CAMPPlii]  nothwendig  ein  Stadtname  stecken,  wie  er  auch  der  Form  des 
Namens  und  der  Offizierstellung  angemessen  ist. 


46  Die  Conscriptionsordnung  der  römisclien  Kaiserzeit. 

vielmehr  natione  vorgesetzt^.  Daneben  findet  sich  auch  hier  häufig 
civis  ^.  —  Yon  diesen  drei  Exponenten  haben  domo  und  civis  politischen 
Werth  und  bezeichnen  die  Zugehörigkeit  zu  den  betreffenden  Communen, 
während  natione  vielmehr  ethnologisch  gedacht  ist  und  die  Stammver- 
29  schiedenheit  gegenüber  dem  herrschenden  Volke  sich  darin  ausdrückt. 
Wenn,  insofern  die  rechtliche  Grundlage  des  auxiliaren  Dilectus  die 
Zugehörigkeit  zu  einer  Unterthanengemeinde  des  römischen  Reiches 
ist,  die  Exponenten  domo  und  civis  correcter  erscheinen,  civis 
namentlich  sowohl  sachlich  wie  sprachlich  dem  Ethnikum  passend 
vorgesetzt  wird,  so  trägt  die  Bezeichnung  natione  dem  Differen- 
zirungsbedürfniss  besser  Rechnung  und  hebt  mit  scharfem  Schlaglicht 
den  principiellen  Gegensatz  der  Auxiliarier  als  der  Fremden  zu  den 
römischen  Legionen  hervor.  Es  kommt  hinzu,  dass  diese  Bezeich- 
nung auch  anwendbar  ist  auf  den  District,  welcher  nicht  die  Heimath 
ist,  sondern  sie  nur  umfasst,  was  von  domo  und  civis  in  correctem 
Gebrauch  nicht  gilt.  Dies  ist  wohl  die  Ursache  gewesen,  dass  der 
Sprachgebrauch  zwar,  wie  wir  sahen,  nicht  überall,  aber  doch  in 
Italien  und  Gallien  dem  letzten  Exponenten  den  Yorzug  gegeben  hat. 
Neben  den  Legionen  und  den  Auxilia  stehen  nach  augustischer 
Ordnung  die  rechtHch  zum  Kaisergesinde  gehörigen  Truppentheile, 
die  berittene  Leibwächtertruppe,  aus  welcher  die  späteren  Elite- 
reiter hervorgegangen  sind,  und  die  Flotten;  allerdings  auch  Ein- 
richtungen Augusts  so  gut  wie  die  Auxilia,  aber  nach  seiner 
Ordnung,  wie  die  Garde  und  die  Legionen  die  cives  Bomani,  die 
auxilia  die  peregrini^  so  ihrerseits  die  servi  vertretend.  Die  Aus- 
schliessung der  Unfreien  auch  von  diesen  Formen  des  Kriegsdienstes 
und  die  dadurch  bedingte  Umwandlung  der  Flottenmannschaft  und 
der  deutschen  Reiter  in  rechtlich  anerkannte  Truppencorps    ist  für 

1)  So  steht  natione  vor  Sequ(anus)  auf  der  Inschrift  von  Aquileia  (C.  V, 
"907)  und  auf  den  germanischen  Inschriften  bei  Biturix  (Brambach  498  [C.  I.  L. 
XIII,  8092])  —  Breiims  (Brambach  740  [C.  I.  L.  XIII,  7510])  —  Bitio  (Brambach 
741  [C.  I.  L.  XIII,  7508])  —  Elvetius  (Brambach  1227  [C.  I.  L.  XIII,  7026])  — 
Isaurus  (Brambach  1759  [C  I.  L.  XIII,  6656])  —  Ligauster  (Brambach  1101 
[C.  I.  L.  XIII,  7038];  vgl.  Hirschfeld  Arch.  Epigr.  Mitth.  7,  91  [C.  I.  L.  III,  10514 
=  Dessau  2529])  —  Montanus  (Rhein.  Jahrb.  73,  156  [C.  I.  L.  XIII,  7684])  — 
Petrucorius  (Brambach  1230  [C.  I.  L.  XIII,  7031  =  Dessau  2500]  —  Trever  (Bram- 
bach 893  [C.  I.  L.  XIII,  6235  =  Dessau  2503]). 

2)  Dies  Wort  erscheint  vor  Betasms  (Brambach  981  [C.  I.  L.  XIII,  7025])  — 
Frisiaus  (England  VII,  68)  —  Menapius  (Aquileia  V,  885  [Dessau  2564])  — 
Eaetinio  (unverständlich  [vgl.  C.  I.  L.  III  S.  p.  1639  c.  XL];  Brambach  1228 
[C.  I.  L.  XIII,  7023  =  Dessau  2504])  —  Eauricus  (England  VII,  66)  —  Sappaus 
(=  üanatos;  Brambach  1524  [C.  I.  L.  XIII,  7580])  —  Secuanus  (Brambach  1525 
[C.  I.  L.  XIII,  7579  =  Dessau  2507])  —  Trever  (Wien,  III,  4391;  Köln,  Brambach 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  47 

jene  vermuthlich  unter  Claudius^,  für  diese  wahrscheinlich  unter 
Hadrian^  eingetreten;  und  dadurch  ist  der  principielle  Gegensatz  dieser 
Kategorie  zu  den  Auxilia  aufgehoben,  mit  denen  sie  vielmehr  seit- 
dem im  Rechtssinn  zusammenfallen.  Indess  haben  sich  in  der  Form 
der  Heimathangabe  bei  den  Classiariern  Spuren  ihrer  ursprünglichen 
Rechtsverschiedenheit  von  den  Auxiliariern  noch  nachher  behauptet. 
Für  die  deutschen  Reiter  sind  wir  insofern  vorzugsweise  gut 
unterrichtet,  als  uns  zahlreiche  Documente  derselben  sowohl  aus  der  30 
Zeit  der  ersten  Dynastie  vorliegen,  wo  sie  im  Rechtssinn  noch  Sclaven 
waren,  wie  auch  der  späteren  eigentlichen  Soldaten.*)  Bekanntlich 
ist  diese  Truppe  nach  augustischer  Ordnung  trotz  ihrer  rechtlichen 
Unfreiheit  militärisch  vielmehr  ein  Theil  der  auxilia;  ja  sie  reprä- 
sentirt  diese  im  Hauptquartier  ganz  wie  die  prätorischen  Cohorten 
die  Legionen.  Wenn  in  den  Auxilia  die  germanischen  Völkerschaften 
und  vor  allem  die  Bataver  den  Vorrang  behaupten,  so  heissen  diese 
Leibwächter  geradezu  die  JBatavi  oder  die  Germania  und  werden 
ausschliesslich  aus  den  reichsunterthänigen  germanischen  Stämmen 
zusammengesetzt^.  Dem  entsprechend  geben  die  einzelnen  Mann- 
schaften ihre  Heimath  mit  derselben  Stetigkeit  und  in  derselben 
Weise  an  wie  die  Auxiliarier  durch  Bezeichnung  des  Gaus,  aus 
welchem    sie    herstammen,    mit   vorgesetztem    nafione^.      Dies    ist 

307  [C.  I.  L.  XIII,  8519])  —  Tunger  (Brambach  1231  [C.  I.  L.  XIII,  7036  =  Dessau 
2575]).    Hier  entspricht  civis  durchaus  der  civitas. 

1)  In  dieser  Zeitschrift  16,  463  [Ges.  Sehr.  5  S.  407].  Hinzuzufügen  ist,  dass 
die  Entwickelung  der  Flottenmannschaft  aus  dem  kaiserlichen  Gesinde  vor  allem 
dadurch  charakterisirt  wird,  dass  die  aus  dem  Flottenlager  selbst  stammenden 
Soldaten  sich  nicht  bezeichnen  als  castris  entsprossen,  sondern  sich  vernae 
nennen  (a.  a.  0.  S.  465  A.  4  [Ges.  Sehr.  5  S.  409  A.  4];  C.  X  p.  1129). 

2)  Ebendaselbst  S.  458  [Ges.  Sehr.  5  S.  402]. 

*)  [Vgl.  M.  Bang,  die  Germanen  im  römischen  Dienst.    Berlin  1906.] 

3)  Von  rechtlichen  Schranken  kann  bei  einer  Einrichtung  dieser  Art  keine 
Rede  sein,  und  Kaiser  Gaius  mag  immer  die  Absicht  gehabt  haben  diese  Truppe 
durch  eingefangene  ausländische  Germanen  zu  verstärken;  aber  es  liegt  im 
Wesen  der  Institution,  dass  dieselbe  der  Regel  nach  vielmehr  gebildet  ward  wie 
die  Auxilia,  und  dazu  stimmen  alle  inschriftlichen  Documente,  von  denen  keines 
ein  aus  dem  freien  Germanien  gebürtiges  Individuum  nennt.  Sehr  leicht  Hess 
die  Aushebung  und  namentlich  die  Anwerbung  von  Freiwilligen  sich  rechtlich 
so  gestalten,  dass  die  geworbenen  Leute,  etwa  durch  Kauf  von  den  Aeltern,  in 
das  Privateigenthum  des  Kaisers  übergingen ;  dass  dies  geschehen  ist,  zeigen  die 
Inschriften,  die  sich  von  denen  der  Auxiliarier  wesentlich  nur  dadurch  unter- 
scheiden, dass  an  die  Stelle  des  peregrinischen  Vaters  der  kaiserliche  Eigen- 
thümer  tritt. 

4)  C.  VI,  8802—8812  und  die  dort  weiter  angeführten  Steine.  Zusammen- 
gestellt habe  ich  diese  Bezeichnungen  in  Wattenbachs  Neuem  Archiv  8,  349 
[oben  S.  18]. 


48  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

eigentlich  incorrect:  die  Gauangehörigkeit  kommt  streng  genommen 
dem  Unfreien  ebenso  wenig  zu  wie  das  Stadtbürgerreeht  und  sie 
erscheint  doch  als  gemeint,  wenn  auch  durch  die  Anwendung  des 
ethnographischen  dem  Sclaven  nicht  minder  wie  dem  Freien  zu- 
kommenden Exponenten  natio  der  Widerspruch  weniger  grell  her- 
vortritt. Aber  das  "Wesen  dieser  servi  müites  ist  eben  dieser  innere 
"Widerspruch.  Nach  der  Umw^andlung  dieses  bewaffneten  Gesindes 
in  ein  wirkliches  Truppencorps  ist  zwischen  den  Heimathangaben 
der  equites  singulares  und  denen  der  eigentlichen  Auxiliarier  kein 
Unterschied  zu  finden ;  die  gleiche  Form  schliesst  jetzt  auch  gleichen 
Inhalt  ein.  Der  corporis  custos  heisst  natione  Batavus  wie  der  eques 
singularis;  aber  bei  jenem  ward  damit  die  auch  dem  Sclaven  zu- 
31  kommende  Herkunft  bezeichnet,  bei  diesem  war  die  Bezeichnung 
gleichbedeutend  mit  civis  Batavus.  Dass  bei  denen,  die  aus  der 
Belgica  und  den  beiden  Germanien  stammen,  gewöhnlich  der  politische 
Heimathbezirk ^,  selten  die  Landschaft  2,  umgekehrt  bei  den  aus 
anderen  Provinzen  gebürtigen  die  politische  Heimath  allein  nicht 
eben  häufig,  meistens  daneben  oder  auch  allein  die  Landschaft 
angegeben  wird^,  entspricht  nach  beiden  Seiten  der  auch  bei  den 
Auxilien  üblichen  "Weise.  Es  ist  also  in  Betreff  der  Heimathangabe 
auf  diesen  Truppentheil  lediglich  das  Auxiliarschema  angewandt 
worden;  die  Unfreiheit  kommt,  wie  nach  anderen  Seiten,  so  nament- 
lich auf  diesem  Gebiet,  auch  als  sie  rechtlich  bestand,  formell  nicht 
zur  Erscheinung. 

1)  Es  wird  meistens  der  Gau  angegeben  mit  vorgesetztem  natione  —  so 
Batavus  VI,  3220.  3223.  3240  (Badaus).  3289;  Canonefas  VI,  3203;  Frisaevo 
(Friseus,  Frisi  .  .)  VI,  3230.  3260.  3321a;  Helvetius  VI,  3302;  Marsaquius  VI, 
3263;  Suaebus  Eph.  IV,  935  [C.  I.  L.  VI,  32806  =  Dessau  2198] ;  Trever  Eph.  IV,  930 
[C.  I.  L.  VI,  32799]  (nat.  ergänzt^.  Häufiger  als  bei  den  Auxiliariern  (S.  45), 
aber  doch  im  Ganzen  selten  steht  dafür  die  Stadt:  col.  Gl.  Ära  VI,  3175;  Gl. 
Ära  VI,  3298.  3299;  nat.  Gl.  Ära  VI,  3311;  UIp.  Noviomag.  Yl,  3237  (vgl.  3284); 
Ulpia  Traiana  VI,  3296. 

2)  Natus  in  Ger.  sup.  VI,  3290  (vgl.  3315);  n(atione)  Ger(manus)  VI,  3280. 

3)  Die  Pannonier,  die  späterhin  die  meisten  Leute  zu  dieser  Truppe  gestellt 
haben,  nennen  zuweilen  den  Gau  oder  die  Stadt  allein;  so  nat.  Boius  ex  Pann.  sup. 
VI,  3308  [Dessau  2210];  n.  Varcianus  VI,  3257;  dorn.  Fl.  Siscia  VI,  3180;  Gl.  Savaria 
VI,  3276  (mit  vorgesetztem  natione  VI,  3192.  3287^.  Aber  sehr  oft  findet  sich  auch 
natione  Pannonius  neben  der  politischen  Gemeinde,  so  natione  Pannonius,  domu 
Flavia  Sirmio  VI,  3184;  nat.  Pann.,  Gl.  Savaria  VI,  3272;  natione  Pann.,  civis 
Faustianus  VI,  3241;  Äelio  (so)  Mursa,  natione  Pannonius  VI,  3214;  natione 
Pannoniae  superiore  c(ivitate)  Savaris  vico  Voleucinis  VI,  3300 ;  ex  Pan.  sup.  natus 
ad  aquas  Balizas  pago  lovista  vie.  Goc  .  .  netibus  VI,  3297.  Noch  öfter  steht 
natione  Pannonius  allein,  auch  wohl  oriund(us)  ex  provin.  Pann.  imf.  VI,  3204 
(ähnlich  3266.  3293).  —  Aehnlich  sind  die  übrigen  Heimathangaben  gestaltet. 


Die  Conscriptioasordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  49 

Scharf  hat  dagegen  die  ursprüngliche  Unfreiheit  den  Flotten- 
mannschaften ^  ihren  Stempel  aufgedrückt.  Hier  war  es  offenbar 
nicht  Augustus  Absicht  dieselbe  zu  verdecken;  seine  Flottenmann- 
schaften haben  sich  sicher  von  anderen  militärisch  geordneten  Theilen 
des  kaiserlichen  Gesindes  in  keiner  "Weise  unterschieden,  obwohl  wir  32 
für  sie  aus  der  Epoche  der  Unfreiheit  bis  jetzt  keine  mit  Heimath- 
angaben versehenen  Documente  besitzen.  In  den  späteren  sehr 
zahlreichen  sie  betreffenden  Urkunden  erscheint  die  Heimathangabe 
auf  den  Listen  nach  Ausweis  der  Diplome^  stehend  und  auch  auf 
den  Grabschriften  regelmässig.  Die  Form  der  Heimathangabe  aber 
zeigt  besonders  in  der  ersten  Zeit  nach  der  Umwandlung  ein  gewisses 
Schwanken.  Auf  dem  ältesten  unserer  Documente  aus  der  Zeit  des 
Claudius  und  einzeln  unter  den  Flaviern,  später  nicht  mehr  wird  die 
Heimath  genau  nach  dem  Schema  der  Auxiliarier  gegeben,  das  heisst 
der  politische  Heimathbezirk  gesetzt  ohne  Hinzufügung  der  Land- 
schaft ^.  Aber  gleichzeitig,  man  möchte  meinen  in  Opposition  dagegen, 
finden  wir  die  letztere  allein  genannt.  In  den  drei  Diplomen  Galbas, 
nächst  jenem  claudischen  den  ältesten  uns  bekannten  derartigen 
Documenten,  sind  die  Empfänger  lediglich  nach  den  Landschaften 
bezeichnet;  nur  in  einem  derselben,  und  zwar  bemerkenswerther 
"Weise  allein  in  dem  nicht  officiellen  Aussenexemplar,  ist  neben  der 
Landschaft  Phrygien  noch  die  Stadt  Laudicea  genannt*,  so  dass 
diesem  Concipienten  die  Angabe  der  Landschaft  offenbar  als  die 
hauptsächliche    und   officiell  allein  zulässige  gegolten  hat.      Sodann 

1)  Wegen  der  Nachweisungen  vgl.  diese  Zeitschrift  Bd.  16  S.  463  f.  [Ges. 
Sehr.  5  S.  407  fg.]  und  besonders  das  Verzeichniss  der  misenatischen  nationes 
dassiariorum  C.  I.  L.  X  p.  1128,  welches  ausser  den  schon  früher  hervorgehobenen 
noch  mancherlei  weitere  Berichtigungen  der  Angaben  bei  Ferrero  ergiebt.  So 
beruht  Cyprius  (Ferrero  154)  auf  Verlesung  der  Inschrift  X,  3516;  wogegen 
Asianus  aus  X,  6800  hinzukommt. 

2)  Uebersichtlich  zusammengestellt  finden  sie  sich  C.  I.  L.  III  p.  914.  915 
[vgl.  S.  p.  2033],  wo  zwei  später  gefundene  Diplome,  das  sardinische  Ursari 
T&nialis  f.  Sard(o)  (Eph.  ep.  2  p.  454  =  X,  7891  [C.  I.  L.  III  p.  1958  D.  VI])  vom 
J.  68  und  das  pompeianische  (Eph.  ep.  2  p.  458  =  X,  867  [C.  I.  L.  III  p.  1959 
D.  IX])  M(arco)  Damae  f.  Stiro  Garaseno  vom  J.  71  zuzufügen  sind.  Dass  die 
Diplome  Galbas  und  Vespasians  für  die  beiden  legiones  adiutrices  den  Flotten- 
diplomen zuzuzählen  sind,  ist  bekannt. 

3)  Besstis  (D.  I  J.  52  [C.  I.  L.  III  p.  844])  —  Coptitfanm)  (D.  XIII  J.  86  [C.  I. 
L.  III  p.  856])  —  Desidias  (D.  VI  J.  70  [C.  I.  L.  III  p.  849])  —  Maezdus  (D.  VII 
J.  71  [C.  I.  L.  in  p.  850])  —  Pannonius  (D.  VIII  J.  71  [C.  I.  L.  III  p.  851]),  hier 
gewiss  von  der  civitas  zu  verstehen.  —  Dom.  Ateste  auf  dem  Diplom  LVI  vom 
J.  250  [C.  I.  L.  III  p.  898]  ist  nicht  ganz  gleichartig. 

4)  D.  IV  [C.  I.  L.  III  p.  847] :  Phrygio,  Laudic.  (Laudic.  fehlt  auf  dem  iimeren 
ExemplarJ.  —  V  [C.  I.  L.  III  p.  848]:  Suros  —  das  sardinische  A.  1:  Sard. 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  4 


50  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

tritt  eine  Ausgleichung  der  beiden  Systeme  ein,  in  eben  der  Weise, 
wie  sie  schon  in  dem  Nebenexemplar  des  einen  Diploms  von  Galba 
sich  findet:  die  Diplome  nennen  von  da  an  beides,  sowohl  die 
Landschaft  wie  die  Heimathgemeinde,  stellen  aber  regelmässig  jene 
voran  ^.  In  den  Grabschriften  findet  sich  zuweilen  ebenfalls  die 
33  Doppelangabe  ^,  regelmässig  aber  begnügen  sie  sich  mit  der  Land- 
schaft allein.  Die  Heimath  hat  oft  städtische  Form.  Allein  wird 
sie  selten  genannt^;  nur  bei  Aegypten  wird,  offenbar  in  Folge  der 
Rechtsverschiedenheit  der  griechischen  und  der  einheimischen  Landes- 
bewohner, die  Bezeichnung  Aegyj)tius  den  letzteren  in  die  Nomen 
eingeschriebenen  vorbehalten*,  dagegen  bei  Griechen  allein  die 
Stadt  gesetzt^. 

Also  in  dem  Kreise  der  Classiarier  hat  die  Heimathangabe  nach 
der  Landschaft  ihren  eigentlichen  Sitz  und  hier  allein  tritt  sie  als 
allgemeine  und  feste  Form  auf.  Bevor  wir  ihren  rechtlichen  "Werth 
prüfen,  wird  es  nothwendig  sein  den  Begriff  selber  zunächst  äusser- 
lich  festzustellen.  Keineswegs  handelt  es  sich  hier  um  Angabe  der 
Provinz,  wenn  auch  in  manchen  Fällen,  wie  bei  Sardus,  Corsus, 
Thrax,  Dalmata,  Landschaft  und  Provinz  zusammenfallen.  Nicht 
blos  wird  Pannonius,  Germanus,    Syrus  gesetzt  ohne  Rücksicht   auf 


1)  Surus  Garasenus  in  dem  pompeianischen  Diplom  vom  J.  71  [C.  I.  L.  III 
p.  1959  =  Dessau  1990];  Cknsus  Vinac(enus)  in  dem  vom  J.  129  (D.  XXXII  [C.  I.  L. 
III  p.  875]);  n(atione)  Ital(us)  d(omo)  Miseno  in  dem  vom  J.  247  (D.  LIII 
[C.  1.  L.  III  p.  896]);  dagegen  Fifens.  ex  Sard.  in  dem  vom  J.  134  (D.  XXXV 
[C.  I.  L.  III  p.  878]);  Opinus  ex  Cors.  aus  Pius  Zeit  (D.  XLI  [C.  I.  L.  III  p.  883]). 

2)  So  nat.  Delm.  castri  Planae  C.  XI,  76  =  Ferrero  393;  Liburnus  Varva- 
r(inus)  CXI,  104  =  Ferrero  407  [Dessau  2889]  (vgl.  C.  III,  6418  [Dessau  2259]); 
Pannon(ius),  domo  Flavia  Sirmi  X,  3375;  Egyptius  Lycopolites  (A,  4).  Bei  den 
wenigen  Italikern  wird  gewöhnlich  beides,  sowohl  Italien  als  die  Stadtheimath 
angegeben. 

3)  Neben  Bitliynus  findet  sich  ziemlich  häufig  Nicaenus;  auch  natione 
Nicomed.  (XI,  105  =  Ferrero  385)  von  der  Frau  eines  Flottensoldaten.  Dagegen 
bei  Prusias  heisst  es  nat.  Bithyn.  civil.  Plusiada  (XI,  52  =  Ferrero  438).  Die 
einzige  in  Terracina  gefundene  Inschrift  eines  Flottensoldaten  (X,  8261)  giebt  als 
Heimath  an  für  die  Frau  nat(ione)  Gnigissa  ex  civitate  Coropisso  vico  Asseridi 
d(omini)  n(ostri),  für  den  Mann  ex  eadem  civitate  et  vico;  auf  dem  misenatischen 
Begräbnissplatz,  wo  das  Schema  besser  bekannt  war,  wäre  dafür  wohl  gesetzt 
worden  natione  Lycao. 

4)  Egyptius  Lycopolites  C.  X,  3482.  Der  Nomos  erscheint  ebenfalls  auf  der 
Inschrift  der  Frau  eines  Flottensoldaten  X,  3635 :  Taesis  Aegyptia  nomu  Coptitu- 
polis;  Coptit.  steht  auch,  wie  S.  49  A.  3  bemerkt  ward,  auf  dem  bis  jetzt  einzigen 
Diplom  eines  ägyptischen  Flottensoldaten. 

5)  Alexandrinus  häufig;  nat.  Paraetonio  auf  einer  Inschrift  von  Salonae 
(III,  3165). 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  51 

die  mehreren  mit  diesen  Namen  benannten  Provinzen,  sondern  ein- 
zelne derartige  Kategorien  berühren  sich  nicht  einmal  mit  Provinzial- 
benennungen  —  so  Phryx;  Graecus  steht  nicht  für  Achaia,  sondern 
so  gebraucht,  dass  Nikomedeia  darunter  fällt  ^ ;  ferner  erscheint  Italus. 
In  seltsamer  Weise  wird  Bessus  verwendet  nicht  für  den  Gaubezirk 
dieser  Völkerschaft,  sondern  für  die  ganze  thrakische  Provinz  und  34 
noch  weit  darüber  hinaus  2.  Offenbar  liegt  hier  ein  über  das  ganze 
Reich  sich  erstreckendes  ethnologisches  Schema  zu  Grunde,  das  eine 
gewisse  Festigkeit  und  Allgemeingültigkeit  gehabt  haben  muss,  wenn 
auch  in  nicht  wenigen  Fällen  der  Sprachgebrauch  geschwankt  haben 
oder  verletzt  sein  mag.  Es  ist  unmöglich  die  dabei  sich  heraus- 
stellenden Reichstheile  unter  einen  Rechtsbegriif  zu  subsumiren;  nur 
negativ  lässt  sich  sagen,  dass  der  hier  ins  Auge  gefasste  Kreis  immer 
weiter  ist  als  die  Gemeinde  ^  und  immer  enger  als  der  Staat.  Offen- 
bar beruht  das  Schema  auf  einem  Gefühl  der  factischen  Stamm- 
verwandtschaft, das  mit  der  Zugehörigkeit  zu  demselben  politischen 
Gemeinwesen,  der  Gemeinde,  der  Provinz,  dem  Staat  nichts  gemein 
hat  und  von  diesen  absieht,  ja  einen  Gegensatz  dazu  bildet,  also  auf 
einer  Anschauung  wie  etwa  unsere  Landsmannschaft  und  vermuthlich 
gleich  dieser  von  vager  und  von  individuellem  Belieben  abhängiger 
Handhabung. 

Als  Exponent  für  die  Landschaft  erscheint  ganz  überwiegend  natio. 
Zwar  wird  in  den  officiellen  Ciassiarierurkunden  der  älteren  Zeit  die 
Landschaft  ebenso  nackt  dem  Personennamen  angehängt  wie  die 
politische  Heimath;  aber  auf  den  Grabschriften  der  Flottensoldaten 
führt  die  Bezeichnung  natione  regelmässig  die  Heimathangabe  ein 
und  sie  erscheint  sogar  auf  einem  allerdings  sehr  späten  Classiarier- 
diplom.  In  der  That  giebt  es  in  der  lateinischen  Sprache  kein 
bezeichnenderes  "Wort  für  die  volksthümliche  Zusammengehörigkeit 
—  wenn  es  vorzugsweise  von  Fremdländern  gebraucht  wird,  so  wird 

1)  Eine  Soldatenfrau  in  Lyon  nennt  sich  natione  Graeca  Nicom[e]dea  (Boissieu 
p.  322  [C.  XIII,  1897]). 

2)  Hermes  16,  465  A.  2  [Ges.  Sehr.  5  S.  409  A.  2].  In  beiden  Flotten  kommen 
zahlreiche  Bessi  vor,  aber  kein  Thraker  und  kein  Makedonier  und  nur  ein  ein- 
ziger Moeser  (Musiaticus). 

3)  Allerdings  begegnet  natione  mit  folgendem  Stadtuamen  imd  selbst  mit 
folgendem  verna  in  Classiarinschriften  nicht  eben  selten  (C.  X  p.  1128)  und  auch 
bei  den  equites  singulares  (S.  48  A,  1.  3)  und  sonst  findet  sich  dergleichen;  es  ist 
aber  ohne  Zweifel  ebenso  Missbrauch  wie  wenn  civis  auf  die  Landschaft  bezogen 
wird,  und  in  gleicher  Weise  daraus  zu  erklären,  dass  die  landschaftliche  Heimath- 
bezeichnung natione  später  als  Heimathangabe  schlechthin  angesehen  und  daher 
auch  städtischen  vorgesetzt  wird. 

4* 


52  Die  ConscriptioDsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

ja  eben  bei  diesen  die  Eigenartigkeit  und  das  Zusammengehören  am 
schärfsten  empfunden.  In  der  älteren  Verwendung  wird  man  diesen 
Werth  des  "Wortes  durchaus  festgehalten  finden;  natione  Batavus, 
Fhryx,  Cappadox,  Aegyptius  bringen  durchaus  die  thatsächlich  be- 
stehende volksthümliche  Zusammengehörigkeit  zum  Ausdruck,  einerlei, 
35  ob  dieselbe  auch  in  einer  politischen  Gemeinde  (civitas)  ihren  Aus- 
druck findet,  wie  bei  den  Batavern,  oder  nicht,  wie  bei  den  Phrygern. 
Wenn  dies  von  natione  Italus,  natione  Äfer  und  so  ferner  nicht  in 
dem  gleichen  Masse  gilt,  so  folgt  das  Schwankende  und  Unklare  des 
Ausdrucks  lediglich  dem  Schwanken  und  der  Unklarheit  der  Yor- 
stellung  selbst;  w^as  im  einzelnen  Fall  'Landsleute'  sind,  lässt  sich 
eben  nicht  in  allgemein  gültiger  Weise  normiren. 

In  der  Zeit  des  Verfalls,  wo  alle  Farben  in  dasselbe  Grau  auf- 
gehen, werden  die  für  die  politische  Heimath  technischen  Bezeich- 
nungen domo  ^  und  häufiger  noch  civis  auch  für  die  Landschaft  gesetzt, 
wie  umgekehrt  natione  sich  auch  für  die  städtische  Heimath 
verwendet  findet  (S.  51  A.  2);  offenbar  nur  weil  die  rechtliche  Ver- 
schiedenheit der  Form  der  Heimathangabe  in  dem  Sprach-  und 
Rechtsbewusstsein  schwand  und  darum  die  auf  Heimathangaben  be- 
züglichen Ausdrücke  ohne  Unterschied  zur  Verwendung  kamen. 
Genau  genommen  sind  diese  Ausdrücke  sinnlos;  dem  domo  Verona, 
civis- Satavus  entspricht  da,s  municipium  Verona,  die  civitas  Batavorum; 
aber  für  domo  Äfer,  civis  Italus  giebt  es  kein  staatsrechtliches  Correlat. 

Wo  die  Heimathgemeinde  in  diesem  Kreis  neben  der  Land- 
schaft auftritt,  ist  der  Exponent  dafür  auch  hier  domus;  wenigstens 
findet  sich  dies  Wort  dafür  verwendet  sowohl  auf  dem  einzigen 
Diplom,  das  der  Heimathangabe  den  Exponenten  vorsetzt,  wie  auf 
den  wenigen  Inschriften  von  Flottensoldaten,  welche  Doppelangaben 
mit  Exponenten  haben  2.  Nur  bei  den  griechischen  Städten  Aegyptens 
wird  stehend  natione  vorgesetzt,  weil  aus  den  oben  entwickelten 
Gründen  deren  Nennung  den  üblichen  Landschaftsangaben  parallel  geht. 

Wenden  wir  uns  dazu  den  rechtlichen  Werth  der  Heimathangabe 
mittelst  der  Landschaft  zu  erörtern,  so  hängt  sie  ohne  Zweifel  an  der 
ursprünglichen  Unfreiheit  des  Flottensoldaten.  Unfreie  Leute  haben 
eine  Heimath  im  Rechtssinne  nicht;  aber  die  Herkunft  als  ein  facti- 
sches  Verhältniss  wird  auch  bei  dem  Sclaven  angegeben.  Wie  das 
Pferd  in  den  Rennlisten  als  Cappadox  oder  Äfer  geführt  wird,  so 
steht  bei  dem  Sclaven  natione  Fhryx  oder  natione  Lycao  ^.    Bei  dem 

1)  Bomus  Africa:  III,  3324.  4379.  2)  C.  X  p.  1128. 

3)  Zum  Beispiel  bei  zwei  Sclaven  wohl  aus  dem  Gesinde  des  Tiberius 
C.  X,  711  [Dessau  1712].  713  natione  Lycao;  ebenso  finden  sich  Sclaven  natione  Phryx 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  53 

Feilbieten  der  Sclaven  sind  diese  Herkunftsangaben  stehend  beigesetzt  36 
worden^  und  sicher  hat  jener  oben  erörterte  Sprachgebrauch  sich 
zunächst  in  Folge  des  Sclavenverkehrs  conventioneil  fixirt.  Auf  den 
Sclaveninschriften  freilich  erscheint  die  Herkunft  in  der  Regel  nicht, 
wohl  aber  da  häufig,  wo  dieselben  thatsächlich  soldatischer  Ordnung 
unterliegen,  weil  sie  eben  die  den  Soldaten  charakterisirende  Heimath 
gewissermassen  vertritt.  So  werden  auch  Augusts  unfreie  Flotten- 
soldaten, um  factisch  als  Soldaten  zu  erscheinen,  ihre  Landschaft 
genannt  haben,  wenngleich  der  Trierarch  natione  Aegyptiiis  nichts 
war  als  ein  Kaisersclave  ägyptischer  Herkunft.  Als  nun  diese  Mann- 
schaften zu  Freien  und  zu  Soldaten  gemacht  wurden,  erkennt  man 
auf  den  älteren  Ciassiarierdiplomen  das  Schwanken  bei  dem  Ueber- 
gang  von  der  hergebrachten  zu  der  neuen  Rechtsform.  Die  recht- 
liche Consequenz  hätte  die  Setzung  der  Heiraathgemeinde  gefordert, 
welche  ja  nach  römischer  Ordnung  das  eigentliche  Kennzeichen  des 
rechtsfähigen  Reichsangehörigen  und  für  Bürger  wie  für  Peregrinen 
durch  Augustus  Heerordnung  festgesetzt  war;  dem  entsprechend 
nennt  auch  das  älteste  Diplom  der  Art,  das  wir  besitzen,  den  Classi- 
arier  einfach  einen  Besser.  Aber  die  herkömmliche  Bezeichnung  nach 
der  Landsmannschaft  behauptete  sich  auch,  wobei  wohl  die  Unge- 
läufigkeit  der  meist  kleinen  Ortschaften,  wie  der  ägyptischen  Nomen 
und  der  namenlosen  Yölkerschaften  von  Sardinien  und  Corsica,  viel- 
leicht auch  das  landsmannschaftliche  Zusammenhalten  im  Lagerverkehr 
mitgewirkt  hat.  Schliesslich  wurde  beides  gesetzt,  sowohl  die 
Heimathgemeinde  wie  die  Landschaft,  wobei  indess  die  letztere  die 
Vorhand  erhielt. 

So  weit  also  neben  den  Legionaren  und  den  Auxiliaren  die 
rechtlich  dem  Kaisergesinde,  factisch  dem  Heer  zuzurechnenden 
Truppen  als  dritter  Heerestheil  angesehen  werden  dürfen,  wird  dem 
Rechtsverhältniss  desselben  entsprechend  bei  mangelnder  Heimath 
die  Herkunft  in  derjenigen  Form  angegeben,  wie  sie  bei  den  Sclaven  37 
möglich  und  üblich  war;  eigenthümlich  ist  dabei  nur  theils  die 
Stetigkeit,  womit  die  Herkunftsangabe  auftritt,  theils  in  den  Fällen, 
wo  die  Unfreiheit  gedeckt  werden  soll,  eine  absichtlich  zweideutige 

(VI,  3173);  natiwie  Noricus  (VI,  3229);  natione  Germanus  (X,  3577).  Besonders 
Gladiatoren  nennen  oft  ihre  natio.  Die  Beispiele  lassen  sich  überhaupt  leicht 
vermehren. 

1)  Ulpian  Dig.  21, 1,  31,  21 :  qui  mancipia  vendunt,  nationem  cuiusque  in 
venditione  pronuntiare  debent,  plerumque  enim  natio  servi  aut  provocat  aut  deterret 
emptorem  .  .  .  quod  si  de  natione  ita  pronuntiatum  non  erit,  iudidum  emptori  . . . 
dabitur  per  quod  etnptor  redhibet  mancipium.    Vgl.  denselben  Dig.  50,  15,  4,  5. 

( 


54  Die  ConscriptioDsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

Ausdrucksweise,  die  die  Heimath  wie  die  Herkunft  bezeichnen  und 
auf  den  Auxiliarier  wie  auf  den  Kaisersclaven  angewandt  werden 
kann.  Nachdem  die  Kaiserreiter  wie  die  Flottensoldaten  aufgehört 
hatten  einen  Theil  des  kaiserlichen  Gesindes  zu  bilden,  sind  sie 
rechtlich  hinsichtlich  der  Heimath  mit  den  Auxiliariern  auf  eine 
Linie  gestellt ;  und  in  der  That  wird  bei  vollständiger  Angabe  jedem 
von  ihnen  die  politische  Heimath  beigesetzt.  Aber  als  eine  Reminis- 
cenz  aus  der  Zeit  der  Unfreiheit  bleibt  bei  den  Classiariern  daneben 
die  landschaftliche  Herkunftsangabe  und  sogar  vorzugsweise  in  Ge- 
brauch. Es  greift  dieselbe  von  da  aus  weiter  um  sich,  wobei  aller- 
dings auch  in  Betracht  kommt,  dass  bei  den  Auxiliariern  für  gewisse 
Gebiete,  namentlich  Raetia  und  Noricum,  statt  der  eigentlich  er- 
forderten Heimathgemeinde  diejenige  Landschaft  eintritt,  worin 
dieselbe  belegen  ist  (S.  45).  Im  dritten  Jahrhundert  herrscht  diese 
Ausdrucksweise  namentlich  bei  den  in  Italien  stehenden  Truppen- 
körpern im  gemeinen  Sprachgebrauch  vor;  das  domo  PhiUppopoli 
der  Listen  wird  auf  den  Grabsteinen  meistens  durch  natione  Thrax 
bald  erläutert,  bald  vertreten.  Mit  den  Rechtsverhältnissen  hat  diese 
Verschiebung  des  Sprachgebrauchs  nichts  zu  schaffen;  sie  erklärt 
sich  einmal  aus  der  allgemeinen  Auflösung  der  festen  Redeweise 
und  der  Ersetzung  des  strengen  Schemas  durch  gelockerte  und  leichter 
verständliche  Wendungen,  dann  wohl  auch  dadurch,  dass  der  Sprach- 
gebrauch der  Flottenlager  wahrscheinlich  sowohl  für  die  nach- 
severischen  Prätorianer  wie  für  die  sonstigen  in  der  späteren  Kaiser- 
zeit in  Italien  stehenden  Truppen  massgebend  gewesen  ist. 

Noch  bleibt  die  Frage  zu  beantworten,  wie  sich  rechtlich  die 
landschaftliche  Herkunft  und  die  Heimathgemeinde  zu  einander  ver- 
halten. An  sich  ist  eine  doppelte  Auffassung  möglich.  Natio 
bezeichnet  die  Thatsache  der  Nationalität;  ob  ein  Sclave  natione 
Fliryx  genannt  werden  konnte,  wird  vermuthlich  einfach  abgehangen 
haben  von  der  Muttersprache,  in  der  er  aufwuchs.  Als  nun  die 
ursprünglich  zum  Kaisergesinde  gehörenden  Soldaten  rechtsfähig 
wurden  und  also  im  Rechtssinn  eine  Heimath  zu  haben  anfingen, 
konnte  ihre  Landsmannschaft  entweder,  wie  früher  bei  dem  Sclaven, 
38  rein  nach  dem  thatsächlichen  Verhältniss  bestimmt  oder  auch  aus 
der  Heimath  in  der  Weise  entwickelt  werden,  dass  dasjenige  Gebiet 
als  ihre  Landschaft  angesehen  wurde,  in  welchem  ihre  Heimath- 
gemeinde lag.  In  der  Regel  fiel  beides  zusammen,  aber  nicht  noth- 
wendiger  Weise.  Wenn  der  in  Misenum  nicht  ehelich  geborene  und 
als  Italiker  aufgewachsene  Sohn  einer  Aegyptierin  aus  dem  koptischen 
Nomos  in  die  Flotte  eintrat,   so  war   er  in  jedem  Fall  Coptita  und 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaieerzeit.  55 

nach  der  zweiten  Annahme  auch  natione  Äegypt'ms^  nicht  aber  nach 
der  ersten.  Ohne  Zweifel  ist  der  zweiten  Auffassung  der  Vorzug 
zu  geben.  Nirgends,  wo  beides  genannt  wird,  erscheint  eine  Discre- 
panz  zwischen  natio  und  cZomMS,  sondern  die  letztere  liegt  immer  im 
Kreise  der  ersteren  ^  Es  ist  ferner  bei  Festhaltung  der,  ursprüng- 
lichen rein  factischen  Auffassung  der  naiio  die  allgemeine  Durch- 
führung, wie  sie  bei  den  Flottensoldaten  entschieden  stattgefunden  \ 
hat,  nicht  blos  praktisch  unbequem,  sondern  eigentlich  undenkbar; 
wie  soll  zum  Beispiel  in  dem  eben  angegebenen  Fall  die  Grenze 
gefunden  werden,  wo  der  in  Italien  geborene  Sohn  einer  Ausländerin 
factisch  aufhört  Ausländer  zu  sein?  Wenigstens  hätte  man  Aus- 
hülfskategorien  in  grossem  Umfang  schaffen  müssen;  aber  was  darauf 
etwa  bezogen  werden  könnte,  wie  Italus  oder  verna^  erscheint  nur 
vereinzelt.  Yor  allem  aber  war  dies  Verfahren  wie  das  einzig 
praktische  so  das  einzig  rationelle;  denn  es  handelte  sich  ja  nicht 
um  Pferde  oder  Sclaven,  sondern  jetzt  um  Soldaten,  deren  officielle 
Verzeichnung  die  Heimath  forderte;  man  durfte,  um  dem  älteren 
Herkommen  und  der  allgemeinen  Verständlichkeit  Rechnung  zu 
tragen,  diese  in  genereller  Weise  ausdrücken,  nicht  aber  sie  rechtlich 
beseitigen  durch  Hineinziehung  der  lediglich  factischen  Nationalität. 
—  Diese  Auffassung  bestätigt  sich  durch  die  äquivalenten  Ausdrücke. 
Es  wird  schwerlich  bestritten  werden,  dass  natione  Noricus  nicht 
verschieden  ist  von  der  Formel,  die  sich  auch  findet,  oriundus  ex 
provincia  Norica  ^,  und  es  würde  unvernünftig  sein  bei  dieser  letzteren 
an  den  Geburtsort  und  nicht  an  die  origo  der  Juristen  zu  denken. 
Selbst  die  Verwendung  von  civis  an  Stelle  von  natione,  verkehrt  wie 
sie  ist,  spricht  für  die  gleiche  Auffassung;  civis  Af'er  kann  allenfalls 
stehen  für  civis  civitatis  in  Äfrica,  nicht  aber  für  natus  in  Äfrica.  39 
Danach  wird  auf  den  Militärinschriften  die  Landschaft  in  dem  Sinne 
zu  verstehen  sein,  dass  Aegyptius  Lycopolites  den  in  dem  Lande 
Aegypten,  dem  Nomosvon  Lykopolis,  Aegyptius  allein  den  ebendaselbst 
in  irgend  einem  nicht  genannten  Nomos  heimathberechtigten  Mann 
bezeichnet. 


1)  Keine  Ausnahme  macht  VI,  3198:  natus  in  Pannonia  inferiore,  dotno 
Breget[i\one  [e]t  legione  prima  atiutri[ce]  [besser  C.  VI,  32783  =  Dessau  2207: 
äomo  Briget(i)one  at  legione(m)  ]yrima(m)  atfi)utri(ceni)];  denn  hier  wird  ja  nicht 
die  natio,  sondern  der  Geburtsort  der  domm  entgegengesetzt.  Ich  habe  hier 
früher  an  einen  geograi^hischen  Irrthum  des  Concipienten  gedacht,  aber  mit 
Unrecht  [über  das  Verhältniß  von  Brigetio  zu  Pannonia  inferior  s.  jetzt  C.  I.  L. 
III  S.  p.  1670]. 

2)  C.  VI,  2482.    Aehnlieh  VI,  2494.  2602.  3204.  3293. 


56  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

in.    Die   Truppenstellung  der   einzelnen  Reichstheile. 

Um  ein  Bild  zu  gewinnen  von  dem  System,  nach  dem  das 
stehende  römische  Heer  gebildet  worden  ist,  müssen  vor  allem  die 
verschiedenen  Bestandtheile  desselben  neben  einander  berücksichtigt 
werden.  Dies  im  Einzelnen  auszuführen  ist  in  dem  engen  Rahmen 
einer  Gelegenheitsarbeit  nicht  möglich;  doch  wird  die  folgende  Aus- 
führung dazu  beitragen  die  leitenden  Gedanken  zu  veranschaulichen. 

Von  dem  Offizierdienst  sehe  ich  hier  ab.  Er  ist  im  Allgemeinen 
genommen  für  die  gesammte  Armee  und  Flotte,  einschliesslich  der 
Centurionen  des  Fussvolks  und  in  der  Regel  auch  der  Decurionen 
der  Reiterei,  geknüpft  an  den  Besitz  des  römischen  Bürgerrechts 
und  in  den  höheren  Graden  an  das  Ritterpferd  und  die  durch  die 
Ordnung  der  Aemterlauf bahn  gegebenen  Qualificationen ;  die  Heimath 
hat  gewiss  rechtlich  einen  Unterschied  nie  gemacht,  obwohl  aller- 
dings die  höheren  Offiziere  aus  der  Provinz  im  Laufe  der  Zeit  zahl- 
reicher werden.  Der  Ausschluss  der  Italiker  vom  Kriegsdienst  hat 
sich  natürlich  auf  ihn  nicht  erstreckt;  vielmehr  sind  besonders  die 
Centurionen  auch  nachher  noch  häufig  aus  Italien  hervorgegangen. 
Die  ausnahmsweise  Zulassung  der  Italiker  zum  Legionsdienst  auch 
noch  in  späterer  Zeit  (S.  38)  mag  damit  zusammenhängen  und  viel- 
leicht ein  Probedienst  auf  Avancement  zum  Centurio  gewesen  sein. 

Für  Italien^  giebt  es,  wie  staatsrechtlich  keine  andere  Form 
der  Heimathbezeichnung  als  die  städtische,  so  auch  militärisch  keine 
andere  mögliche  Form  des  Dienstes  als  die  des  römischen  Bürgers, 
also  im  Allgemeinen  in  der  Garde  oder  in  der  Legion.  Dass  dem 
Italiker  der  regelmässige  Dienst  in  der  Legion  durch  Vespasian 
entzogen  worden  ist,  ist  früher  (S.  37)  ausgeführt  worden.  Dasselbe 
40  geschah  dann  in  Betreff  des  Dienstes  in  der  eigentlichen  Kaisergarde, 
und  zwar  schlechthin  2,  durch  Severus.  Seitdem  ist  dem  in  Italien 
heimathberechtigten  römischen  Bürger  der  Kriegsdienst  überhaupt 
verschlossen,  abgesehen  von  der  hauptstädtischen  Stadtmiliz  und  der 

1)  Selbstverständlich  gilt  dies,  so  weit  das  Vollbürgerrecht  reicht.  Die 
wenigen  italischen  Gemeinden,  die  in  der  Kaiserzeit  latinisches  Recht  hatten, 
wie  die  Camunner,  haben  wahrscheinlich  dem  entsprechend  ihrer  Dienstpflicht 
genügt  (Hei-mes  16,  465.  471  [Ges.  Sehr.  5,  409.  415]). 

2)  Die  einzigen  mir  bekannten  Ausnahmen  sind  die  beiden  Prätorianer 
aus  Teanum  und  Mantua,  welche  jener  im  J.  243,  dieser  im  J.  248  verabschiedet 
wurden  (D.  LH.  LIV  [C.  I.  L.  III  p.  894.  897]).  Beide  müssen  unter  Alexander 
eingetreten  sein;  vielleicht  hat  dieser  vorübergehend  wieder  die  Garde  nach 
dem  alten  System  gebildet,  was  zu  dem  Gesammtcharakter  seiner  Regierung 
recht  wohl  stimmt. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  57 

hauptstädtischen  Feuerwehr,  so  wie  etwa  noch  von  den  Cohorten 
der  italischen  Freiwilligen,  die  alle  zusammen  wenig  bedeuten.  — 
Die  Nichtbürgertruppen  aller  Art  sind  dem  Italiker  unzugänglich, 
da  das  Fehlen  des  römischen  Bürgerrechts  für  den  Eintritt  in  die- 
selben die  rechtliche  Voraussetzung  ist^.  Das  Misstrauen  gegen  die 
Italiener  ist  eines  derjenigen  Momente,  das  mit  völliger  Stetigkeit 
und  in  beständigem  Steigen  die  Geschichte  der  Kaiserzeit  beherrscht 
und  dessen  Walten  vor  allem  auf  dem  militärischen  Gebiet  zu 
Tage  tritt. 

In  welcher  Weise  die  Aushebung  in  den  Provinzen  stattgefunden 
hat,  dafür  fliesst  uns  eine  doppelte  Quelle:  die  Einzelangaben  über 
die  Heimath  der  Soldaten  aller  Kategorien  und  die  von  Völker- 
schaften entlehnten  Namen  der  Auxilia.  Während  die  Legionen 
des  stehenden  Heeres  sich  nie  nach  ihrer  speciellen  Heimath  be- 
nennen 2,  führen  die  Auxiliartruppen  nicht  ausschliesslich,  aber  vor- 
wiegend von  ihrem  ursprünglichen  Aushebungsbezirk  den  Namen  ^. 
Dass  ihre  Benennungen  in  diesem  Sinn  zu  fassen  sind,  ist  selbst-  41 
verständlich  und  würde,  wäre  es  dies  nicht,  es  genügen  dafür  an 
das  Verhalten  der  acht  batavischen  Cohorten  in  den  Wirren  nach 
Neros  Tod  zu  erinnern. 

Freilich  mögen  bei  dieser  Namengebung  noch  andere  Rück- 
sichten obgewaltet  haben.  Wenn  von  den  Vocontiern,  den  Bewohnern 
des  Wallis,  den  (vermuthlich  kimmerischen)  Bosporanern  die  alae 
Vocontiorum,  VaUensium ,  Bosporanorum  den  Namen  führen ,  ohne 
dass  diesen  Reiterregimentern,  wie  sonst  gewöhnlich,  gleichartige 
Cohorten  zur  Seite  stehen,  so  liegt  darin  ohne  Zweifel  eine  Aus- 
zeichnung jener  beiden  schon  zu  Augustus  Zeit  halb  italianisirten 
Districte  so  wie  des  Clientelstaats.  Aber  keineswegs  muss  diese 
Auszeichnung  in  der  leeren  Beilegung  der  Namen  bestanden  haben; 

1)  Hermes  16,  461.  470  [Ges.  Sehr.  5,  405.  414]. 

2)  Es  gilt  dies  für  das  stehende  Heer  der  Kaiserzeit;  vorher  begegnen 
allerdings  Legionen  mit  wahrscheinlich  so  aufzufassenden  Bezeichnungen,  wie 
Mutinensis,  Sahina,  Sorana. 

3)  Gemeint  ist  damit  das  im  Genitiv  des  Pluralis  gesetzte  substantivische 
Ethnikon,  für  welches  nur  selten  und  wohl  durchaus  abusiv  die  adjectivische 
Bezeichnung  eintritt :  so  heisst  die  cohars  1  Apatnenorutn  (III,  600  [Dessau  2724]) 
auf  einer  Inschrift  von  Ostia  (Henzen  6709  [C.  I.  L.  XIV,  171  =  Dessau  2741]) 
cohors  I  Apamena.  Die  ständig  auftretenden  adjectivischen  Benennungen,  wie 
die  cohortes  Cyrenaicae  (S.  61  A.  2),  die  ala  I  Thracum  Mauretana,  cohors  I  Gal- 
lorum  Dacica,  II  Gallorum  Macedonica  sind  ohne  Zweifel  zu  beurtheileu  wie  die 
gleichartigen  der  Legionen  Macedonica,  Scythica,  Hispana,  Fretensis;  mit  der 
Heimath  haben  sie  nichts  zu  schaffen  und  sind  wohl  im  Ganzen  ala  ehrenvolle 
Erinnerungen  an  militärische  Vorgänge  zu  betrachten. 


58  Die  Coüscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

vielmehr  sollte  wahrscheinlich  den  Bewohnern  jener  Gegenden  in 
dieser  Weise  reichliche  Aussicht  auf  den  ehrenvolleren  und  besser 
bezahlten  Reiterdienst  eröffnet  werden.  Andrerseits  ist  damit  nicht 
ausgeschlossen,  dass  diese  Alen  vielleicht  von  Haus  aus  nicht  allein 
aus  den  Districten  ausgehoben  worden  sind,  die  ihnen  den  Namen 
gaben.  Bei  der  Aushebung  der  Alen  ist  überhaupt  aus  nahe  liegen- 
den Gründen  ein  grösserer  Bezirk  als  bei  dem  Fussvolk  zu  Grunde 
gelegt  oder  auch  ganz  von  der  Oertlichkeit  abgesehen  worden. 
Hauptsächlich  desshalb  wird  bei  jenen  die  Benennung  nach  dem 
Ethnikum  mehr  zurücktreten  als  bei  diesen  und  haben  nicht  wenige 
Alen  von  einzelnen  Offizieren  oder  von  der  Waffengattung  oder 
anderen  Distinctiven  den  Namen  entlehnt. 

Bei  den  Auxilien  der  Infanterie  habe  ich,  wenigstens  so  weit 
sie  mit  Sicherheit  oder  mit  Wahrscheinlichkeit  aufAugustus  zurück- 
geführt werden  können,  nirgends  Grund  gefunden  in  Zweifel  zu 
ziehen,  dass  sie  in  den  Districten  gebildet  worden  sind,  nach  denen 
sie  heissen.  Bei  der  Recrutirung  sind  allerdings  nachweislich  bereits 
früh  Mannschaften  anderer  Herkunft  aufgenommen  worden.  Schon 
nach  dem  ältesten  auf  uns  gekommenen  Document  über  die  Herkunft 
der  Soldaten  wird  im  J.  60  n.  Chr.  ein  aus  Illyricura  gebürtiger 
Soldat  aus  der  in  Illyricum  liegenden  cohors  II  Hispanorum  nach 
vollendeter  25 jähriger  Dienstzeit  entlassen^.  Späterhin  pflegen,  wo 
wir  nachkommen  können,  der  durch  den  Namen  der  Truppe  be- 
zeichnete Bezirk  und  die  Personalheimath  des  einzelnen  Soldaten 
42  weit  häufiger  zu  differiren  als  zu  stimmen  2.  Das  Eingreifen  der 
örtlichen  Aushebung  tritt  bei  den  Auxilien  vielfach  und  vielleicht 
noch  früher  hervor  als  bei  den  Legionen;  aber  keineswegs  ist  doch 
der  Garnisonsdistrict  einfach  zum  Aushebungsdistricte  geworden, 
sondern  es  haben  hier  militärische,  vielleicht  auch  politische  Rück- 
sichten sehr  verschiedener  Art  eingegriffen.  Bei  den  Ityräern  und 
Hemesenern  pflegt  die  Heimath  des  Soldaten  mit  dem  Abtheilungs- 
namen sich  zu  decken;  es  liegt  auf  der  Hand,  dass  diese  Truppen, 
meist  Bogenschützen,  mit  Rücksicht  auf  ihre  Nationalität  nicht  blos 
gestaltet  wurden,  sondern  auch  gestaltet  blieben.  Dasselbe  gilt  von 
den  Dalmatinern  ohne  Zweifel  aus  ähnlichen  Gründen.  —  Das 
Umgekehrte  tritt  vielleicht  in  Germanien  ein.     Dass  Vespasian,  der 


1)  D.  II  (C.  I.  L.  III  p.  845  [Dessau  1987]). 

2)  Belege  geben  Henzen  ann.  dell' Inst.  1850  S.  13  und  Harster  in  der 
fleissigen  und  verständigen  Untersuchung  über  die  Nationen  des  Römerreichs 
im  Heer  der  Kaiser  (Speier  1873)  S.  4^.  Meine  Listen  (S.  25  A.  2)  verzeichnen 
sie,  so  weit  sie  mir  bekannt  sind. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  59" 

nach  Ueberwältigung  der  Rheinarmee  deren  Legionen  grösatentheil» 
auflöste,  die  bei  diesen  Vorgängen  in  erster  Reihe  betheiligten 
germanischen  Auxilia  ebenfalls  dafür  getroffen  hat,  ist  sehr  wahr- 
scheinlich. Nachweislich  sind  bei  den  Batavern  ursprünglich  eine 
Ala  von  1000  Mann  und  neun  Gehörten,  ebenfalls  ausnahmsweise 
sämmtlich  jede  von  1000  Mann,  ausgehoben  worden,  von  denen 
später  nur  die  1.  2.  3.  9.  noch  nachweisbar  sind^.  Da  Lücken 
dieses  Umfangs  in  unseren  Listen  sonst  nicht  begegnen,  so  werden 
die  fünf  fehlenden  sich  unter  den  acht  befunden  haben,  die  den 
Kern  des  Aufstandes  des  Civilis  bildeten,  und  nachher  aufgelöst 
worden  sein.  Aber  vielleicht  ist  Vespasian  noch  weiter  gegangen. 
Bei  den  Truppen,  die  nach  Völkerschaften  der  Belgica  und  der 
beiden  Germanien  benannt  sind,  findet  sich  fast  ausnahmslos^  Dis- 
parität des  Truppennamens  und  der  Heimathangabe  der  einzelnen  4$ 
Soldaten.  Vielleicht  hat  der  Kaiser  bei  der  germanisch- belgischen 
Aushebung  die  Oertlichkeit  wenigstens  der  Regel  nach  beseitigt  und 
die  einzelne  Truppe  unter  Belassung  ihres  Namens  fortan  ohne 
Rücksicht  auf  die  Heimath  oder  im  Gegensatz  zu  derselben  zu 
recrutiren  vorgeschrieben,  um  also  die  Gefahr,  welche  der  Aufstand 
des  Civilis  enthüllt  hatte,  für  die  Zukunft  zu  mindernd 

1)  Die  ala  I  (woraus  die  Existenz  weiterer  noch  nicht  folgt)  und  die  der 
drei  ersten  eohortes  miliariae  sind  im  Index  zu  Bd.  III  [p.  2485,  2491]  nachgewiesen  j 
die  neunte,  ebenfalls  miliaria,  nennt  die  Inschrift  von  Massalia  C.  1.  G.  6771 
[Inscr.  Graecae  XIV,  2433]  und  (nach  der  richtigen  Lesung)  das  Diplom  vom  J.  166 
(Eph.  II  p.  460;  V  n.  249  [C.  III  p.  1991])  [hinzukommt  C.  I.  L.  III,  11918].  Da.ss 
die  fünf  fehlenden  Cohorten  ebenfalls  doppelte  gewesen  sind,  lässt  sich  nicht 
bezweifeln.  —  Hübners  Auseinandersetzung  über  die  batavischen  Cohorten  (in 
dieser  Zeitschrift  16,  558)  ist  verfehlt.    [Vgl.  Bang  a.  a.  0.  S.  32  ff.] 

2)  Eine  Ausnahme  macht  die  keineswegs  besonders  alte  englische  Inschrift 
(Hübner  eph.  ep.  3  p.  134  n.  103  [Dessau  2556]),  wonach  die  Texand(n)  et  Su~ 
nic(i)  vex(iUarii)  cohorßis)  II  Nerviorum  gemeinschaftlich  einen  Altar  stiften. 
Damals  also  müssen  diese  kleinen  den  Nerviem  benachbarten  Districte  in  einer 
uervischen  Cohorte  relativ  stark  vertreten  gewesen  sein.  Es  braucht  aber  nicht 
für  die  Nervier  gegolten  zu  haben,  was  für  die  Bataver  und  Treverer  galt. 
Ueberdies  gehört  die  Inschrift  einer  Zeit  an,  wo  das  geschlossene  Barbarenthum 
von  Regierungswegen  gefördert  ward,  wie  die  Behandlung  der  in  der  Haupt- 
stadt garnisonirenden  Thraker  zeigt ;  möglich,  dass  damals  auch  in  den  Provinzen 
solche  Erwägungen  eingegriffen  haben. 

3)  Darum  kann  die  cohors  Usipiorum  per  Germanias  conscripta,  von  der 
Tacitus  Agr.  28  berichtet,  dennoch  zunächst  aus  Usipiern  gebildet  worden  sein, 
obwohl  Tacitus  Worte  eher  dagegen  als  dafür  sprechen.  Auch  mit  nicht  localer 
Recrutirung  ist  es  vereinbar,  dass  bei  Neubildung  einer  Truppe  ein  Stammbezirk 
zu  Grunde  gelegt  ward.  Die  Inschriften  nennen  diese  Cohorte  nicht;  vermuth- 
lich  ist  sie  in  Folge  des  von  Tacitus  berichteten  Vorganges  cassirt  worden. 


50  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

Hinderlicher  als  die  Differenz  zwischen  der  Aufstellung  und 
der  Recrutirung  der  Abtheilung  sind  für  diese  Untersuchung  die 
zahlreichen  nach  Augustus  formirten  Auxilien;  denn  äussere  Kriterien 
für  die  Zurückführung  der  einzelnen  Truppe  auf  Augustus  giebt  es 
nicht  ^.  Indess  führten  die  später  eingerichteten  Auxilien  gleich  den 
Legionen  späterer  Entstehung  in  vollständiger  Titulirung  wenigstens 
zum  grossen  Theil  den  Stifternamen  und  scheiden  die  cohors  I 
Claudia  Sugamhrorum  ^  die  ala  I  Vespasiana  Dardanorum,  die  zahl- 
reichen flavischen  Alen  und  Gehörten,  ebenso  die  ulpischen,  aelischen, 
die  cohors  I  miliaria  nova  Severiana  Surorum  sagiftariorum  sich  von 
selber  aus.  Dasselbe  gilt  selbstverständlich  von  den  nach  nach- 
augustischen  Provinzen  benannten  Truppen.  Unter  den  übrig  bleibenden 
werden  ohne  Zweifel  noch  verschiedene  nicht  augustische  sein, 
andrerseits  manche  von  Augustus  eingerichtete  Truppe  fehlen,  sei  es 
weil  sie  bald  wieder  aufgelöst  ward,  sei  es  wegen  zufälligen  Mangels 
44  der  Belege 2.  Aber  wir  haben  genug  Nachrichten,  um  das  von 
Augustus   bei  der  Bildung   der  Auxilien  eingehaltene  Yerfahren   zu 

1)  Die  Benennung  luKa  kommt  überhaupt  nicht  vor,  die  Bezeichnung 
Augusta  nicht  selten,  aber  es  findet  sich  eine  ala  Augusta  Gordiana  (oder  Augusta 
allein)  ob  virtutem  appellata  (C.  VII,  340  —  344  [344  =  Dessau  502])  und  oft  steht 
sie  bei  brittischen  und  dacischen  Abtheilungen,  so  dass  wenigstens  in  vielen 
Fällen  dieser  Beiname  bei  den  Auxilien  nicht,  wie  es  bei  den  Legionen  aller- 
dings wohl  der  Fall  ist,  auf  den  Kaiser  Augustus  zurückführt. 

2)  Beispielsweise  sind  die  vier  pannonischen ,  die  sieben  dalmatischen,  die 
vier  Gehörten  der  Lingonen  sämmtlich  belegt;  dagegen  fehlt  uns  von  den  sechs 
der  Nervier  die  vierte  und  fünfte,  von  den  acht  der  Breuker  die  vierte  und 
sechste  [s.  über  diese  Cichorius  b.  Pauly-Wissowa  RE.  IV  S.  258f.].  Es  kann 
dies  auch  nicht  anders  sein,  da  von  den  kleinasiatischen  und  syrischen 
Truppen  bis  jetzt  noch  kein  Militärdiplom  bekannt  ist  [jetzt  vier,  D.  XIX. 
LXXVI.  CIX.  CX  (nach  der  neuen  Zählung)]  und  auch  die  Soldateninschriften 
im  Osten  sehr  sparsam  begegnen.  Die  merkwürdige  Inschrift  von  Byllis  (C.  III, 
600  [Dessau  2724]),  welche  ein  mesopotamisches  aus  orientalischen  Auxilien 
zusammengesetztes  Truppencorps  specificirt,  zeigt,  wie  viel  weniger  wir  ver- 
hältnissmässig  von  diesen  wissen,  wenn  auch  die  Inschriften  der  Offiziere  sich 
ziemlich  gleichmässig  auf  den  Westen  und  den  Osten  vertheilen.  Aber  für  das 
Gesammtergebniss  kommen  nur  die  gänzlich  fehlenden  Völkerschaften  und  die 
über  die  uns  bekannte  höchste  Nummer  fehlenden  Abtheilungen  in  Betracht, 
und  diese  Fälle  können  nicht  zahlreich  sein.  —  Andrerseits  ist  bei  diesen  Be- 
rechnungen nicht  aus  dem  Auge  zu  lassen,  dass  wie  bei  den  Legionen  so  auch 
bei  den  Alen  und  Gehörten  zahlreiche  Doppelnummern  begegnen,  also  zum 
Beispiel  die  thrakischen  Gehörten  nur  bis  sechs  zählen,  aber  es  deren  vielmehr 
neun  bis  zehn  gegeben  hat.  Dies  wird  indess  für  die  ursprüngliche  Organisation 
bei  Seite  bleiben  können,  da  Doppelnummem  schon  bei  dieser  nicht  eben  wahr- 
scheinlich sind,  auch  in  zahlreichen  Fällen  es  deutlich  hervortritt,  dass  diese 
durch  spätere  Greirungen  entstanden  sind. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  61 

erkennen^;  und  ist  dies  erkannt,  so  wird  es  selber  die  Lücken  und 
Mängel  der  Ueberlieferung  einigermassen  corrigiren. 

Augustus  hat  die  Auxilia  nur  ausgehoben  in  den  eigenen  Pro- 
vinzen, nicht  in  denen  des  Senats.  Dieses  nicht  überlieferte  und 
bisher  auch  nicht  erkannte  Princip  erhellt  aus  sicherer  Induction. 
Unter  den  zehn  senatorischen  Provinzen  —  wobei  die  zwei  unter 
Augustus  vom  Kaiser  an  den  Senat  übergegangenen  Narbonensis 
und  Cyprus  mit,  dagegen  umgekehrt  Illyricum  und  Sardinien  nicht 
mit  gerechnet  und  Lusitania  als  von  Baetica  getrennt  betrachtet  ist 
—  gilt  dies  ohne  Beschränkung  von  sieben:  Achaia,  Baetica,  Bithy- 
nien  und  Pontus,  Cyprus,  Kreta  und  Kyrene^,  Macedonien  und  45 
Sicilien:  aus  keiner  derselben  giebt  es  eine  nach  der  Provinz  oder 
einem  Theil  der  Provinz  benannte  Ala  oder  Cohorte.  Für  Asia, 
Africa  und  die  Narbonensis  lässt  sich  dies  so  allgemein  nicht  sagen; 
aber  die  Ausnahmen  sind  meistens  nur  Bestätigungen  des  Gesetzes. 
Nach  Asia  führen  die  räthselhaften  alae  Phrygum,  anscheinend  sieben 
an  der  Zahl^;  eine  genügende  Erklärung  dafür  weiss  ich  nicht,  aber 
dass  es  mit  ihnen  eine  besondere  Bewandtniss  haben  muss,  wird 
jeder  einräumen,  der  ihre  Stellung  in  der  gesammten  Truppenliste 
des  römischen  Reiches  erwogen  hat.  Africa  ist  die  einzige  Senats- 
provinz, in  der  ein  kaiserliches  Commando  stand  und  es  kann  insofern 
nicht  befremden,  wenn  dem  Kaiser  hier  auch  das  Recht  beigelegt 
ward   Auxilia   einzuberufen*;    indess    sind   die  africanischen  Auxilia 

1)  Von  den  Auxilien,  die  die  Noiitia  Dignitatum  aufführt  und  die  nicht 
anderweitig  aus  vordiocletianischer  Zeit  bezeugt  sind,  kann  für  diese  nur  mit 
grosser  Vorsicht  Gebrauch  gemacht  werden.  Bei  weitem  die  meisten  derselben 
sind  unzweifelhaft  diocletianisch  oder  noch  jünger  und  für  die  Ausscheidung 
der  einzeln  allerdings  darunter  befindlichen  älteren  mangeln  häufig  die  Kriterien. 

2)  Denn  die  cohortes  Oyrcnaicae  sind  nicht  cohortes  Cyrenaeorum ,  so  wenig 
wie  die  legio  Cyrenaica  eine  Legion  von  Cyrenaeern  ist;  viel  eher  sind  dies 
alles  ursprünglich  ägyptische  mit  der  Einverleibung  des  Königreichs  römisch 
gewordene  Abtheilungen.  Die  KvgtjvaToi  in  Arrians  exra^is  xar  'AXavä>v  (p.  80,  9. 
15.  82,  16.  83,  6  Hercher)  scheinen  eine  solche  Cohorte  zu  bezeichnen,  aber  ver- 
bürgen die  Grundbedeutung  in  keiner  Weise. 

3)  Ala  Phrygum  C.  II,  4251  [Dessau  2711];  Henzen  6709  [C.  I.  L.  XIV,  171 
=  Dessau  2741].  Ala  VII  Phrygum  C.  VI,  1838  [D.  CIX  vom  J.  139  (C.  I.  L. 
III  p.  2328^**)].  Die  Alennummern  steigen  sonst  nicht  über  drei,  welche  Ziffer 
selbst  allein  bei  den  Thrakern  begegnet.  Phrygia  erscheint  auch  unter  den 
vom  Legaten  von  Galatien  verwalteten  Landschaften  (Marquardt  Staatsverw. 
1,  359)  und  darauf  Hesse  sich  die  ala  Phrygum  heziehen;  aber  die  seltsame  siebente 
Ala  der  Phrygier  ist  damit  nicht  erklärt. 

4)  Dasselbe  kann  für  Illyricum  in  Anwendung  gekommen  sein,  bis  diese 
Provinz,  was  noch  unter  Augustus  selbst  geschah,  in  kaiserliche  Verwaltung 
überging. 


52  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

an  Zahl  so  gering  und  die  flavischen  und  ulpischen  unter  ihnen 
so  stark  vertreten ,  dass  sie  füglich  sämmtlich  nachaugustischer 
Entstehung  sein  können^.  Aus  der  Narbonensis  endlieh  erscheint 
die  einzige  Ala  der  Vocontier^;  und  von  diesen  ist  ausdrücklich 
bezeugt  3,  dass  sie  exempt  waren  und  dem  Proconsul  der  Provinz 
46  nicht  gehorchten,  also  von  dem  Kaiser  in  ähnlicher  Weise  abhingen 
wie  die  Könige  von  Thrakien  und  der  cottischen  Alpen. 

Was  aus  den  Corpsbezeichnungen  sich  ergiebt,  bestätigen  die 
vereinzelten  personalen  Heimathangaben  von  Auxiliarsoldaten  *.  Von 
denen,  die  ich  habe  sammeln  können,  treffen  zwei  recht  späte  auf 
Africa^,  je  eine  auf  Macedonien^  und  auf  Kreta'';  vergleicht  man 
damit  die  ansehnliche  Zahl  der  Heimathangaben  einerseits  der  aus 
den  Senatsprovinzen  stammenden  Legionare,  andrerseits  der  aus  den 
kaiserlichen  Provinzen  stammenden  Auxiliarsoldaten,  so  tritt  das 
Gesetz  trotz  jener  vereinzelten  Ausnahmen  in  aller  Deutlichkeit 
hervor. 


1)  Abgesehen  von  den  als  flavischen  oder  ulpischen  bezeichneten  sind  aus 
Afriea-Numidien  bekannt  drei  alae:  Afrorum,  veterana  Gaetuhrum,  Numidarum 
und  vier  Cohorten  I  Afrwum  (vielleicht  identisch  mit  der  I  ülpia  Afrorum), 
II  Cirtensium,  I  Gaetulorum,  I  Musulamiorum ,  über  deren  Ursprung  directe 
Zeugnisse  fehlen.  Die  Ala  der  Gaetuler  hat  schon  in  dem  jüdischen  Kriege 
unter  Nero  gefochten  (C.  V,  7007  [Dessau  2544]). 

2)  C.  VII,  1080.  C.  I.  Rh.  67.  161  [C.  I.  L.  XIII,  8805  (=  Dessau  2536).  8655; 
vgl.  Cichorius  a.  a.  0.  S.  1269].  Den  angeblichen  n(umerus)  Voc(onti(yrum)  Eph.  IV 
p.  207  n.  698  erkläit  Hübner  mit  Eecht  für  unmöglich;  die  numeri  sind  eine 
Institution  des  dritten  Jahrhunderts  und  gebildet  aus  den  frischesten,  das  heisst 
am  wenigsten  romanisirten  Völkerschaften  des  Reiches,  um  das  schlaffe  Heer- 
wesen der  Zeit  zu  verjüngen.  Von  dem  gefälschten  Kriegstribun  der  Vocontier 
in  den   Kaiserbiographien  (trig.  tyr.  c.  3)  ist  zu  reden  nicht  erforderlich. 

3)  Strabo  4,  6,  4  p.  203. 

4)  Selbstverständlich  sind  die  cohortes  voluntarioi'utn  und  die  diesen  gleich- 
stehenden, wie  zum  Beispiel  die  cohortes  classicae,  hiebei  nicht  in  Betracht 
gezogen ;  dass  dieselben  nicht  zu  den  Auxiliarcohorteu  gehören,  zeigen  vor  allem 
deutlich  die  Heimathangaben. 

5)  C.  III,  3324.  4379. 

6)  D.  XXXIV  vom  J.  134  [C.  I.  L.  III  p.  877].  Stobi,  das  hier  als  Heimath  eines 
Soldaten  der  coh.  I  Claudia  Sugamh'orum  auftritt,  ist  auch  insofern  anomal,  als 
es  schon  bei  Plinius  h.  n.  4,  10,  34  oppidum  civium  Romanorum  heisst  und  die 
Auxiliarrecrutirung  für  ein  solches  nicht  passt.  Ist  der  S.  76  A.  2  vorgeschlagene 
Ausweg  statthaft,  das  heisst  ist  dieser  Soldat  nicht  in  Stobi  ausgehoben,  J 
sondern  während  des  Dienstes  mit  dem  römischen  Bürgerrecht  beschenkt  und 
der  Gemeinde  Stobi  zugeschrieben  worden,  so  fallen  beide  Bedenken  zugleich  | 
hinweg. 

7)  C.  I.  Rh.  739  [C.  XIII,  7513  =  Dessau  2570]. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  63 

Diese  Regeln  gelten  für  die  Auxiliartruppen.  Einen  Flotten-- 
dienst  als  solchen  hat  es  zu  Augustus  Zeit  nicht  gegeben;  indess 
ist,  als  er,  wahrscheinlich  durch  Claudius,  organisirt  ward,  die  dafür 
erforderliche  Aushebung  wesentlich  ebenfalls  auf  die  kaiserlichen 
Provinzen  gelegt  worden.  Darum  fehlen  in  der  Flotte  Baetica, 
Narbonensis,  Makedonien,  Achaia,  Cyprus,  Kreta  ganz,  fast  ganz 
auch  Asia*^  und  Kyrene^.  Africa  ist  nicht  stark,  aber  doch  ver- 
treten^. Sardinien  ist  in  militärischer  Hinsicht  stets  als  kaiserliche 
Provinz  behandelt  worden,  auch  als  es  unter  Proconsuln  stand*. 
Die  ziemlich  zahlreichen  Bithyner  und  Pontiker  unter  der  Flotten-  47 
mannschaft  erklären  sich  daraus,  dass  diese  Provinz  seit  Traian 
überwiegend  unter  kaiserlicher  Verwaltung  gestanden  hat. 

Auch  die  Bezirke,  nach  denen  in  den  kaiserlichen  Provinzen 
die  Aushebung  für  die  Auxilia  stattfand,  lassen  sich  wenigstens  für 
das  Fussvolk^  einigermassen  erkennen  und  bieten  bemerkenswerthe 
Vergleichspunkte  mit  der  zu  Augustus  Zeit  bestehenden  Reichsein- 
theilung.  Auf  der  spanischen  Halbinsel  bildet  die  Provinz  Lusitanien 
zugleich  einen  Aushebungsbezirk,  der  an  Infanterie  sieben  Gehörten 
stellt;  Reiterei  von  dort  ist  nicht  bekannt  und  wird  hier  wie  anderswo 
in  den  zahlreichen  nicht  nach  Ethniken  benannten  Reiterregimentern 
stecken.  In  der  Tarraconensis  ist  in  der  schon  damals  gewisser- 
massen  selbständigen  Landschaft  Asturia  und  Callaecia  nach  den 
drei  conventus  ausgehoben  worden,  woraus  die  sechs  cohortes  Asturum 
und  die  je  fünf  der  Bracaraugustani  und  der  Lucenses  hervorgegangen 
sind.  In  der  übrigen  Tarraconensis  ist  in  dem  nordwestlichen  Theil 
gauweise,  also  besonders  stark  ausgehoben  worden;  dahin  gehören 
die  beiden  alae  der  Aravaker,  die  je  zwei  Gehörten  der  Cantabrer, 
•der  Vasconen,   der  Varduller  und   andre    mehr.     Ergänzend  treten 

1)  Wir  kennen  einen  Flottensoldaten  Asianus  und  zwei  Phryges,  von  diesen 
^inen  aus  Laodicea. 

2)  Ein  Flottensoldat  von  dort  vielleicht  C.  VI,  3115;  doch  ist  die  Lösung 
von  Cyr.  nicht  sicher. 

3)  Ich  finde  elf  Afri  und  drei  Uhyci. 

4)  Auf  die  militärische  Sonderstellung  Sardiniens  habe  ich  C.  I.  L.  X  p.  777 
hingewiesen.  Es  war  Anfangs  senatorisch,  seit  6  n.  Chr.  kaiserlich;  als  dann 
Nero  es  dem  Senat  gab,  blieb  dennoch  das  Commando. 

5)  Die  Zahl  der  Cohorten,  welche  anders  als  von  dem  ursprünglichen 
■Conscriptionsbezirk  benannt  sind ,  ist  nicht  gross  und  in  der  That  noch  kleiner 
äIs  sie  erscheint ,  da  in  den  meisten  Fällen  der  Art  offenbar  blos  abgekürzte 
Benennungen  vorliegen.  Für  die  Alen  gilt  das  Gegentheil;  man  wird  also  sich 
wohl  davor  zu  hüten  haben  daraus,  dass  keine  Alen  der  Lusitaner,  Aquitaner, 
Raeter  vorkommen,  zu  folgern,  dass  in  diesen  Provinzen  keine  Reiter  ausgehoben 
"worden  sind. 


g4  Die  ConsCriptionsordnuDg  der  römischen  Kaiaerzeit. 

hinzu  die  Auxilia  der  Hispani  im  Allgemeinen,  wenigstens  eine  Ala 
und  sechs  Cohorten,  welche  hauptsächlich  aus  den  südlichen  Theilen 
der  Tarraconensis  hervorgegangen  sein  werden.  —  In  Gallien  finden 
wir  zunächst  in  Aquitanien  vier  Cohorten  der  Aquitani  neben  zwei 
der  Aquitani  Bituriges;  hier  tritt  deutlich  das  für  die  ursprüngliche 
Aushebung  massgebende  nationale  Element  hervor,  insofern  jene 
aus  dem  iberischen,  diese  aus  dem  keltischen  Theil  der  Provinz 
hervorgegangen  sein  werden.  Die  zwei  gallischen  alae  und  elf^ 
48  gallischen  Cohorten  sind  offenbar  das  Contingent  der  Lugdunensis. 
In  der  Belgica  und  den  beiden  Germanien  endlich,  welche  für  diese 
Zeit  als  ein  Verwaltungsbezirk  betrachtet  werden  müssen,  wird 
durchaus  nach  Gauen  ausgehoben  und  offenbar  so  stark  wie  in 
keinem  andern  District.  Von  den  1000  Reitern  und  den  9000  Mann 
zu  Fuss  der  Bataver  ist  schon  (S.  59)  gesprochen  worden;  aber  auch 
die  Nervier  stellen  sechs  Cohorten  und  überhaupt  sind  fast  sämmt- 
liche  hier  ansässige  germanische  oder  halbgermanische  Völkerschaften 
unter  den  benannten  Auxilien  vertreten,  während  die  keltischen 
nicht  in  gleichem  Masse  herangezogen  zu  sein  scheinen.  Das  auf- 
fallende Fehlen  von  alae  und  cohortes  der  Treverer  ^  mag  sich  daraus 
erklären,  dass  ihr  Contingent  nach  dem  Krieg  des  Civilis  aufgelöst 
oder  doch  umgenannt  ward.  —  In  Illyricum,  das  bei  Einführung 
dieser  Ordnung  ohne  Zweifel  noch  eine  Provinz  gebildet  hat,  er- 
scheinen die  Auxilien  im  wesentlichen  dreitheilig:  sieben  Cohorten 
der  Dalmater^,  vier  der  Pannonier,  acht  der  Breuker.    Offenbar  ist 

1)  Die  ersten  sieben  sind  alle  belegt;  ausserdem  aber  wird  die  coh.  XI 
Gallorum  genannt  in  einer  dalmatiner  Inschrift  (Eph.  IV  n.  237  [C.  I.  L.  III,  8439 
=  Dessau  2593]);  Hr.  Glaviniö,  den  ich  desswegen  befragt  habe,  erklärt  die  Lesung 
des  klar  und  schön  geschriebenen  Steins  für  zweifellos.  Die  8.  9.  10.  fehlen  bis 
jetzt.  Möglich  ist  es,  dass  die  11.  Cohorte  von  der  Gesammtzahl  heisst,  ähnlich 
wie  die  30.  Legion  benannt  ist,  und  die  drei  mangelnden  Cohorten  in  den  Doppel- 
nummern stecken. 

2)  Tacitus  ann.  3,  42  (vgl.  bist.  2,  14.  4,  55)  spricht  von  einer  dort  aus- 
gehobenen Ala;  aber  die  Inschriften  kennen  keine  von  diesem  Gau  benannte 
Truppe.  Die  schlecht  überlieferte  Inschrift  Brambach  800  [C.  I.  L.  XIII,  409*] 
—  auch  praefectus  equitum  alae  ist  eine  ungewöhnliche  Benennung  —  ist  ver- 
muthlich  falsch  ergänzt.  Die  ala  hidiana  mag  wohl,  wie  ein  Ungenannter  in 
den  Rhein.  Jahrb.  19  (1853)  S.  55  scharfsinnig  vermuthet  hat,  von  dem  Treverer 
lulius  Indus  (Tacitus  a.  a.  0.)  benannt  und  in  der  That  die  alte  ala  Treverorum 
sein.  Aber  dadurch  wird  die  Thatsache  nicht  beseitigt,  dass  in  späterer  Zeit 
keine  Auxiliartruppe  diesen  Namen  geführt  hat  [s.  jedoch  C.  XIII,  7612  —  3. 
7615  ff.  und  den  eq(uesj  ala  Petri(ana)  Treve(rorum) :  Mitteil,  der  Ges.  f.  Erhalt. 
der  Denkm.  im  Elsaß  51,  1906  S.  864]. 

3)  Dass  dies  gerade  die  sex  milia  Delmatarum,  recens  dilectus  des  Tacitus 
(hist.  3,  50)  seien,  ist  nicht  erwiesen.    Kaiserbeinamen  führt  keine  der  Cohorten. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  65 

dies  in  der  Hauptsache  dieselbe  Eintheilung,  aus  welcher  dann  die 
Provinzen  Dalmatien,  Pannonien  und  Moesien  hervorgegangen  sind; 
die  Breuker,  im  äussersten  östlichen  Winkel  des  späteren  Unter- 
pannoniens  an  der  Grenze  Moesiens  heimisch,  scheinen  für  die 
Contingente  des  unteren  Donaugebietes  den  Namen  hergegeben  zu 
haben,  also  bei  der  Trennung  der  Provinzen  Pannonien  und  Moesien 
die  Grenzlinie  etwas  weiter  nach  Osten  geschoben  zu  sein  als  sie 
bei  Einrichtung  der  Aushebungsbezirke  gezogen  worden  war.  —  In 
Syrien  sind  die  Auxilien  theils  auf  einzelne  grössere  Stadtbezirke 
gelegt,  wie  Apamea,  Askalon,  Tyros,  theils  treten  hier  die  abhängigen 
Kleinstaaten  in  den  cohortes  Chalcidenorum  (5),  Hemesenorum  (1), 
Ituraeorum  (7)  hervor.  —  Zu  diesen  Contingenten  der  vier  grossen 
Kaiserprovinzen  kommen  weiter  die  der  kleineren  von  Procuratoren  49 
verwalteten  Districte,  die  Ligurer  und  Montaner,  womit  die  Alpes 
tnaritimae  gemeint  sind,  die  Alpini,  welche  zunächst  aus  den  cottischen 
und  graischen  Bergen  hervorgegangen  sein  werden,  die  Raeter  und 
die  Noriker,  von  welchen  letzteren  die  Raeter  acht,  die  Noriker 
nur  eine  Cohorte  Infanterie  und  letztere  allein  daneben  eine  Ala 
stellten  —  der  Grund  dieser  zu  dem  sonstigen  Verhältniss  der 
Provinzen  durchaus  nicht  passenden  Ziffern  wird  weiterhin  (S.  68) 
sich  zeigen.  —  Die  Clientelstaaten  sind  bei  den  Auxilien  nicht  ver- 
treten, so  weit  die  Yertheidigung  der  Reichsgrenze  auf  sie  selber 
fiel^;  kappadokische  Auxilien  giebt  es  nicht;  die  kommagenischen 
Cohorten  sind  wahrscheinlich  erst  von  Vespasian  oder  seinen  Söhnen 
eingerichtet  worden  2.  Wo  dagegen  diese  Staaten  nicht  unmittelbar 
für  die  Grenzvertheidigung  eingerichtet  sind,  finden  wir  sie  vielmehr 
in  hervorragender  Weise  betheiligt.  Für  Syrien  ist  dies  bereits 
hervorgehoben  worden;  stärker  aber  noch  sind  die  Thraker  heran- 
gezogen worden,  die  neben  sechs  Cohorten  Fussvolk  in  der  Zahl 
der  Reiterregimenter  nur  den  Galliern  weichen.  Wahrscheinlich 
geht  auch  dies  schon  auf  Augustus  zurück  und  ist  nicht  erst  bei  der 
Einziehung  der  betreffenden  Landschaften  so  geordnet  worden.  — 
Der  Grund  der  auffallend  schwachen  Betheiligung  von  Aegypten, 
aus  dem  nur  zwei  Cohorten  der  Thebais  erwähnt  werden  und  das 
also    in   seinem   Hauptdistrict    gar   nicht  vertreten    ist,    so  wie   des 

1)  Wegen  der  ala  Bosporanorutn  s.  S.  57.  Cohortes  Bosporanorum  kennen 
die  echten  Inschriften  nicht.  [D.  CV,  C.  I.  L.  III  p.  2328«^  vom  J.  116  nennt  eine 
coh&rs  I  Boslpo^'unorum].] 

2)  Wir  kennen  von  Kommagene  eine  Ala  und  die  Cohorten  1.  2.  3.  6,  von 
Numidien  eine  Ala  und  die  Cohorten  1.  2.  Die  beiden  ersten  kommagenischen 
und  beide  numidische  Cohorten  nennen  sich  Flaviae. 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  5 


ißß  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

völligen  Fehlens  der  Provinz  Galatia  ^,  des  alten  Reiches  des  Amyntas, 
wird  weiterhin  (S.  67)  sich  ergeben. 

Die  nach  Augustus  zum  Reich  gekommenen  Provinzen,  sämmt- 
lich  kaiserlicher  Verwaltung,  sind  hinsichtlich  der  Aushebung  nach 
denselben  Grundsätzen  behandelt  worden.  Auffallend  schwach  sind 
50  die  beiden  Mauretanien  angezogen;  wir  kennen  von  dort  gar  keine 
Reiter  und  nur  zwei  Gehörten  Infanterie.  Auch  von  Dakern  wissen 
wir  nur  von  einer  Ala  und  drei  Cohorten.  In  Britannien  aber  ist 
ebenso  stark  ausgehoben  worden  wie  bei  den  Kelten  des  Continents; 
die  Ziffern  der  Alen  und  Cohorten  gehen  zwar  jene  nicht  über  1, 
diese  nicht  über  6  hinaus,  aber  es  gab  hier  eine  Reihe  gleich- 
bezifferter Cohorten:  die  cohortes  primae  JBrittonum  Flavia,  Ulpia, 
Aelia,  miliaria,  ebenso  die  cohortes  secundae  Flavia  und  Nervia  sind 
wahrscheinlich  alle  von  einander  zu  unterscheiden  und  zeigen,  wie 
häufig  die  Regierung  von  Yespasian  bis  auf  Hadrian  neue  Truppen- 
formationen auf  der  Insel  vorgenommen  hat. 

Die  Zusammenhaltung  der  von  Augustus  angeordneten  Auxiliar- 
conscription,  wie  sie  hier  kurz  zusammengefasst  ist,  mit  der  legionaren 
Recrutirung  ergiebt  deutlich  das  complementare  Yerhältniss:  alle  die 
Provinzen,  die  dort  gar  nicht  oder  schwach  betheiligt  sind,  stehen 
bei  dieser  in  erster  Reihe.  Zunächst  haben  die  Senatsprovinzen,  wo 
Auxiliarier  nicht  ausgehoben  werden  durften,  dafür  Legionarier 
verhältnissmässig  zahlreich  geliefert.  Die  Aushebung  im  J.  65,  von 
welcher  wir  zufällig  erfahren  (S.  27),  fiel  auf  die  Provinzen  Narbo- 
nensis,  Asia,  Africa,  lauter  senatorische.  Auf  die  Narbonensis  und 
auf  Africa,  so  wie  ferner  auf  die  Provinz  Macedonien  führt  die 
Mehrzahl  der  Heimathangaben  der  Provinzialen  in  den  rheinischen, 
dalmatinischen,  africanischen  Legionen.  Baetica  ist  schwach  ver- 
treten; die  wenigen  Inschriften,  welche  wir  von  dort  gebürtigen 
Soldaten  besitzen,  fallen  fast  alle  auf  die  Rheinarmee.  Hätten  wir 
solche  Kunde  von  den  im  ersten  Jahrhundert  in  Spanien  garni- 
sonirenden  Legionen,  wie  sie  uns  die  unschätzbaren  Mainzer  Funde 
für  das  dortige  Lager  gewähren,  so  würden  die  geborenen  Baetiker 
und  die  geborenen  Narbonenser  darin  ohne  Zweifel  im  umgekehrten 


1)  Wenigstens  finde  ich  inschriftlich  von  dort  bezeugt  nur  die  zweite  und 
dritte  Cohorte  der  Paphlagonier  (die  erste  fehlt),  die  als  ulpische  hier  wegfallen 
[und  die  beiden  cohmies  Galatarum  D.  CIX].  Ebenso  ist  die  Cohorte  von  Trape- 
zunt,  die  Tacitus  bist.  3,  47  erwähnt,  erst  im  J.  63  n.  Chr.  hinzugetreten.  Mögen 
übrigens  auch  in  diesem  Ländercomplex  einige  Auxilien  ausgehoben  worden 
sein,  für  das  Gesammtergebniss  ist  es  einerlei,  ob  diese  Art  der  Aushebung  dort 
gar  nicht  oder  nur  in  geringem  Umfang  stattgefunden  hat. 


Die  Conscriptionsordnuug  der  römischen  Kaiserzeit.  67 

Verhältniss  vertreten  sein,  wie  dies  bei  den  Mainzern  der  Fall  ist. 
Wenn  die  übrigen  Senatsprovinzen  in  den  Grabsteinen  der  Legionen, 
welche  auf  uns  gekommen  sind,  keine  oder  sehwache  Vertretung 
finden,  so  liegt  bei  Sicilien  die  Erklärung  der  merkwürdigen  That- 
sache,  dass  wir  auch  nicht  einen  von  dort  gebürtigen  römischen 
Soldaten  namhaft  machen  können,  wohl  einfach  darin,  dass  Sicilien 
auch  die  einzige  Provinz  des  grossen  Reiches  ist,  die  keinen  Meilen- 
stein aufzuweisen  hat.  Bei  den  Senatsprovinzen  des  Ostens,  Achaia, 
Bithynien,  Asia,  Cypern,  Kreta,  Kyrenae  kommt  neben  der  relativ 
stärkeren  Verwirthschaftung  derselben  in  Betracht,  dass  die  von  dort  51 
her  gebürtigen  Soldaten  in  die  Legionen  des  Ostens  gehörten  und 
über  diese  die  Kunde  bis  jetzt  sehr  spärlich  ist  —  die  afrikanische 
Legion,  die  zeitweise  zu  denen  des  Ostens  gerechnet  worden  ist, 
zeigt  in  der  That  eine  Reihe  geborner  Bithyner  (S.  27).  Als  dann 
mit  Hadrian  die  örtliche  Conscription  Regel  ward,  fielen  alle  diese 
Provinzen,  da  sie  ohne  Garnison  waren,  dadurch  bei  der  Conscription 
aus.  Die  in  den  Senatsprovinzen  heimathberechtigten  Leute  dienten 
anfänglich  in  der  Garde  und  den  Legionen,  seit  Hadrian  nur  in  der 
Garde,  seit  Severus  überhaupt  nicht. 

In  den  kaiserlichen  Provinzen  concurrirten  der  Auxiliardilectus 
und  der  legionare;  aber  das  complementare  Verhältniss  beider  zeigt 
sich  auch  hier.  Wenn  die  Auxilia  für  das  Reich  der  Ptolemaeer 
sich  auf  die  Thebais  beschränken  und  für  dasjenige  des  Deiotarus 
gänzlich  fehlen,  so  haben  nach  Ausweis  der  Tafeln  von  Koptos  die 
ägyptischen  Legionen  im  ersten  Jahrhundert  sich  vorzugsweise  aus 
Alexandrea  und  dem  galatischen  Provinzialcomplex  recrutirt.  Augustus 
hat  mit  diesen  Staaten  die  Truppen  derselben  übernommen  und  sie 
nur  formell  reorganisirt  ^,  wie  dies  die  galatische  legio  Deiotariana 
auf  das  deutlichste  zeigt  und  wonach  auch  die  von  Kyrene  benannten 
Truppen  ursprünglich  ptolemaeische  gewesen  sein  mögen  (S.  61  A.  1); 
es  sind  aber  ferner  die  seit  Augustus  in  Aegypten,  seit  Vespasian 
in  Kappadokien  garnisonirenden  Legionen  auch  als  römische  noch 
der  Sache  nach  ägyptisch -galatische  geblieben  —  wir  verstehen 
jetzt  besser,  in  welchem  Sinne  Augustus  Aegypkim  seposuit.     Aber 

1)  Wie  hier  verfahren  ward,  zeigt  die  Behandlung  der  mit  dem  Reich  des 
Polemon,  das  im  J.  63  n.  Chr.  zur  Provinz  Galatien  geschlagen  ward ,  von  den 
Römern  übernommenen  Truppen.  Einige  Jahre  nachher  garnisonirte  in  Trape- 
zunt  eine  Cohorte,  regium  auxiUum  olim,  mox  donati  civitate  Romatm  signa  (vgl. 
S.  75)  armaque  in  nostrum  modum,  desidiam  licentiamque  Graecorum  retinehant 
(Tacitus  hist.  3,  47).  Ganz  ebenso  wird  Augustus  nach  Amyntas  Tode  (729  n.  St.) 
dessen  Truppen  übernommen,  mit  dem  Bürgerrecht  beschenkt  und  als  legio 
Deiotariana  nach  Alexandrea  gelegt  haben  (S.  32  A.  3). 

6* 


68  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

auch  in  denjenigen  Provinzen,  in  denen  die  eine  wie  die  andere 
Aushebungsform  in  Anwendung  kam,  zeigt  sich  eine  gewisse  Er- 
gänzung. Auf  den  Legionarinschriften  der  früheren  Jahrhunderte 
erscheinen  die  norischen  Städte  ungemein  häufig;  Noricum  ist  die 
52  einzige  kaiserKche  Provinz,  welche  für  diese  Epoche  zu  den  Legionen 
des  Westens  zahlreiche  Mannschaften  gestellt  hat,  während  Kaetien 
darin  so  gut  wie  gar  nicht  vertreten  ist.  Das  ist  also  der  Grund, 
wesshalb,  wie  oben  (S.  65)  bemerkt  ward,  Noricum  nur  eine  Ala 
und  eine  Cohorte  zu  den  Auxilien  gestellt  hat,  die  nicht  grössere 
und  sonst  gleichartige  raetische  Provinz  dagegen  acht  Cohorten. 

Wie  die  Garde  gebildet  wurde,  soll  hier  ^  nur  um  das  Gesammt- 
bild  zu  vervollständigen  in  kurzem  Umriss  angegeben  werden. 
Rechtlich  ist  wohl  die  Qualification  des  Prätorianers  von  derjenigen 
des  Legionars  nicht  verschieden  gewesen  und  gab  auch  hier  der 
Eintritt  in  den  Dienst  dem  Nichtbürger  das  Bürgerrecht;  wahrschein- 
lich aber  ist  hier  strenger  und  dauernder  als  bei  dem  Legionär  auf 
bürgerliche  Geburt  gehalten  worden  2.  Dass,  wie  Tacitus  angiebt, 
die  Garde  anfänglich  überwiegend  aus  den  schon  in  republikanischer 
Zeit  zum  Bürgerrecht  gelangten  italischen  Gemeinden  gebildet  wor- 
den ist,  hat  schwerlich  über  Tiberius  hinaus  bestanden.  Wenn 
unsere  Urkunden,  Listen  wie  Grabschriften,  uns  im  Prätorium  viel- 
mehr das  cisalpinische  Gallien  vorzugsweise  vertreten  zeigen,  so 
gehören  die  Listen  alle  und  die  Grabschriften  grösstentheils  der 
nachhadrianischen  Zeit  an,  in  welcher  jener  Unterschied  sich  aus- 
geglichen oder  vielmehr  in  sein  Gegentheil  umgesetzt  hatte.  Den 
Provinzialen  gegenüber  haben  die  Italiker  das  Prätorium  unter  der 
ersten  Dynastie  wohl  so  gut  wie  ausschliesslich  inne  gehabt,  alsdann 
auch  nach  ihrem  Ausschluss  aus  dem  Legionardienst  sich  darin  bia 
auf  Severus  behauptet,  wie  dies  Dio  berichtet  und  unsere  Urkunden 
in  vollem  Umfang  bestätigen.  Doch  ist  im  zweiten  Jahrhundert  die 
Zahl  der  Nichtitaliker  in  der  Truppe  offenbar  in  stetigem  Wachsen. 

1)  Vgl.  meine  Ausführung  im  Hermes  4  S.  116  [Ges.  Sehr.  4  S.  308]  und  die 
kürzlich  erschienene  S.  41  A.  3  angeführte  Abhandlung  Bohns. 

2)  Ermitteln  lässt  sich  darüber  wohl  nichts,  zumal  die  meisten  Prätorianer- 
verzeichnisse  den  Vatemamen  nicht  setzen.  In  den  wenigen,  welche  dies  thun 
—  die  ältesten  betreffen  die  im  J.  187/8  (Eph.  IV,  886  [CLL.  VI,  32518^]), 
141/2  (Eph.  IV,  887  [C.  I.  L.  VI,  82519»  =  Dessau  2102]),  153/4  (VI,  2381  [= 
32522])  eingetretenen  Mannschaften  —  stimmen  Vater-  und  Sohnesname  ohne 
Ausnahme;  wobei  man  aber  freilich  in  Anschlag  zu  bringen  hat,  dass  in  dieser 
Epoche  des  Verfalls  der  Vornamen  Brüder  mit  gleichem  Vornamen  häufig  sind 
und  der  Vorname  auf  die  Söhne  beinahe  so  übergegangen  zu  sein  scheint  wie 
auf  die  Freigelassenen. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  09 

Wenn  Dio  weiter  sagt,  dass  die  Nichtitaliker  vor  Severus  nicht  ohne 
Unterschied  zugelassen  worden  seien,  sondern  man  die  Mannschaften 
vorzugsweise  aus  den  civiUsirteren  Provinzen  genommen  habe  —  er  53 
nennt  ^  Macedonien,  Noricum  und  Spanien  ^  — ,  so  findet  auch  dies 
in  unsern  Urkunden,  deren  Hauptmasse  eben  dieser  Zeit  angehört, 
vollkommene  Bestätigung.  Nach  meinen  Zählungen,  die,  bei  manchen 
Unsicherheiten  im  Einzelnen,  im  Ganzen  sichere  Verhältnisszahlen 
ergeben  werden,  treffen  von  Heimathangaben  vorseverischer  Prä- 
torianer  auf  Macedonien  23,  auf  Noricum  18,  aufPannonien  11,  auf 
die  Tarraconensis  9,  die  Jfarbonensis  6,  Dalmatien  5,  Lusitanien  4; 
die  übrigen  Provinzen  sind  nur  mit  zweien  oder  einzelnen  Individuen 
oder  gar  nicht  vertreten.  Factisch  ausgeschlossen  von  dieser  Recru- 
tirung  waren  also  die  Asiaten  wie  die  Africaner  durchaus,  ferner  der 
barbarische  Theil  des  Donaugebiets,'  insonderheit  Thrakien  und 
Moesien,  vermuthlich  auch  das  ganze  niedere  und  der  Östliche  Theil 
des  oberen  Pannonien;  endlich  Raetia,  die  drei  Gallien,  Germanien 
und  Britannien.  Bemerkenswert!!  ist  daneben,  dass  in  den  nied- 
riger stehenden  hauptstädtischen  Truppenkörpern,  den  urbani  und 
den  vigiles,  diese  Ausgeschlossenen,  besonders  die  Africaner,  zwar 
auch  nur  in  geringem  Masse,  aber  doch,  mit  der  Garde  verglichen, 
zahlreich  gedient  haben.  —  In  der  nachseverischen  Zeit,  für  welche 
die  urkundlichen  Belege  noch  zahlreicher  vorliegen,  hat  dagegen  die 
Garde  der  grossen  Mehrzahl  nach  aus  Illyrikern,  Africanern,  Syrern 
bestanden^;    die   civilisirten  Reichstheile  verschwinden   so   gut   wie  54 

1)  In  dieser  Ordnung  folgen  sich  die  Provinzen  bei  Dio  74,  2  in  den  Ex- 
cerpten;  Xiphilin  stellt  Spanien  an  die  erste  Stelle.  Die  "Worte  ix  rovrov  (wegen 
ihrer  Herkunft)  xat  ToTg  sidsaiv  avrcöv  inisixsazsQcov  xai  rotg  rj&saiv  ouiXovaxsQOiv 
ovrcov  heben  nach  Dios  Art  mehr  die  allgemein  moralischen  Eigenschaften  hervor 
als  das  präcise  Moment,  auf  das  es  hier  ankommt;  die  Sache  spricht  deutlich 
genug. 

2)  Die  Bedenken,  die  ich  im  Hermes  4,  119  [Ges.  Sehr.  4  S.  310  A.  3]  gegen 
die  Erwähnung  Spaniens  erhoben  habe,  sind  von  Bohn  a.  a.  0.  mit  Recht  zurück- 
gewiesen worden. 

3)  Für  die  vorliegende  Frage  ist  es  gleichgültig,  ob  diese  aus  den  Legionen 
oder  unmittelbar  in  die  Garde  gekommen  sind;  iudess  scheint  mir  Bohn  nicht 
mit  Recht  an  dem  Satz  zu  rütteln,  dass  nach  Severus  die  Garde  überwiegend 
aus  gedienten  Legionaren  gebildet  worden  ist.  Aus  dem  Schweigen  der  meisten 
Inschriften  nachseverischer  Prätorianer  über  die  Translation  lässt  sich  nicht 
schliessen,  dass  dieselbe  nicht  stattgefunden  hat;  es  ist  ganz  gewöhnlich,  dass 
bei  erreichtem  besserem  Dienstverhältniss  das  geringere  übergangen  wird.  Auch 
kann  doch  nur  auf  die  Prätorianer  gehen  was  Zosimos  1,  52  in  der  Schilderung 
des  Heeres  Aurelians  sagt:  ^aav  8s  jzqos  xovxoig  ot  xov  ßaadixov  riXovg  ix  Jidvtcov 
&Qiaxiv8rjv  ovvsdsyfxivoi  xal  ndvxcov  öiouiQSJiiaxaxoi. 


70  Die  Conscriptionsordnuug  der  römischen  Kaiserzeit. 

ganz.  Charakteristisch  ist  zum  Beispiel,  dass  in  diesen  Listen  Mace- 
donien  fast  nur  vertreten  ist  durch  den  am  meisten  barbarischen 
seiner  Bezirke,  den  von  Pautalia. 

Die  Augustus  bei  diesen  Einrichtungen  leitenden  Gedanken  be- 
dürfen der  Erläuterung  nicht.  Die  orientalische  Heerhälfte  erscheint, 
wie  schon  bemerkt  ward  (S.  40),  zurückgesetzt,  insofern  die  Garde 
nur  aus  demjenigen  Gebiet  ausgehoben  wird,  das  die  Legionen  des 
Westens  stellt.  Wenn  ferner  die  städtische  Civilisation  die  Grund- 
lage der  legionaren  Aushebung  bildete,  so  war  es  nur  angemessen 
diesen  Gedanken  bei  der  Garde  in  verstärkter  Potenz  zur  Ausführung 
zu  bringen  und  neben  Italien  nur  die  voll  civilisirten  Provinzen  zu- 
zulassen. Ebenso  aber  entspricht  es  dem  Umschwung  der  Dinge 
unter  Severus,  dass  nun  umgekehrt  die  Barbaren  über  die  civilisirten 
Reichstheile  herrschen  und  die  Bildung  als  Disqualification  des 
Soldaten  erscheint.  Auffallend  ist  die  Zurücksetzung  des  gesammten 
keltisch -germanischen  Gebiets,  besonders  auch  insofern,  als  sie  im 
dritten  Jahrhundert  fortbestanden  hat.  Yermuthlich  ist  der  Grund 
dafür  zu  suchen  in  der  Einrichtung  der  Kaiserreiter,  der  JBatavi 
oder  Germani  der  älteren,  der  equites  singulares  der  späteren  Kaiser- 
zeit. Diese  Truppe,  der  Sache  nach  von  je  her,  späterhin  auch  von 
Rechtswegen  ein  Theil  der  stadtrömischen  Kaisergarde,  recrutirte 
sich  vorzugsweise  aus  eben  den  Provinzen,  welche  bei  der  Recrutirung 
für  das  eigentliche  Praetorium  ausgeschlossen  sind;  die  beiden  Aus- 
hebungen sind  also  complementär  und  wird  man  namentlich  in  der 
früheren  Kaiserzeit  zwischen  den  beiden  Truppen,  der  bürgerlichen 
und  der  germanischen,  landsmannschaftliche  Beziehungen  haben  ab- 
schneiden wollen.  Für  das  dritte  Jahrhundert  gilt  dies  nicht; 
Pannonier  insonderheit  begegnen  in  der  Epoche  des  illyrischen 
Soldatenregiments  in  der  einen  wie  der  andern  Truppe  in  beträcht- 
licher Anzahl.  Der  fortdauernde  Ausschluss  der  germanischen 
Elemente  aus  dem  Prätorium  ruht  in  dieser  Zeit  wohl  auf  der 
Rivalität  der  Rhein-  und  der  Donauarmeen. 

Auf  die  späteren  Aenderungen  in  der  Aushebung  gehe  ich  hier 
nicht  ein.  Dass  bei  dem  Hinzutreten  der  Flottenconscription  diese 
von  Rechtswegen  auf  die  kaiserlichen  Provinzen  fiel,  ist  früher 
(S.  62)  hervorgehoben  worden;  wenn  dieselbe  nicht  allen  Provinzen 
gleichmässig  auferlegt  ward,  sondern  die  Spanier,  Gallier,  Raeter, 
55  Noriker  dabei  so  gut  wie  ganz  übergangen  wurden^,  so  wird  der 

1)  Ich  habe  dies  bereits  früher  (Hermes  16  S.  470  [=  Ges.  Sehr.  5  S.  414]) 
ausgeführt,  damals  ohne  zu  wissen,  dass  das  Fehlen  der  Baetica  und  der  Narbo- 
nensis  auf  einem  andern  Grunde  beruht. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  7 1 

Hauptgrund  dafür  gewesen  sein,  dass  diese  eben  für  den  Landdienst 
in  hervorragender  Weise  in  Anspruch  genommen  waren  ^.  —  Die 
örtliche  Aushebung,  wie  sie  seit  Hadrian  für  das  gesammte  Landheer 
wenigstens  die  Grundlage  gebildet  hat,  weiter  unter  Severus  die 
Verlegung  des  Schwergewichts  der  Conscription  von  der  Belgica 
nach  Thrakien  und  Pannonien  müssen  nach  allen  Seiten  hin  die 
durchgreifendsten  Umwandlungen  herbeigeführt  haben,  welche,  so 
weit  überhaupt,  nicht  im  Rahmen  einer  kurzen  Abhandlung  dar- 
gelegt werden  können.  Nur  darauf  darf  vielleicht  hier  noch  hin- 
gewiesen werden,  da  es  mit  den  Rechtsverhältnissen  der  Conscrip- 
tionsgemeinden  in  Verbindung  stehen  kann,  dass  die  auffallend 
geringe  Zahl  der  Auxiliarier  aus  der  Tarraconensis  und  den  drei 
gallischen  Provinzen  —  ich  finde  deren  zum  Beispiel  aus  der  ganzen 
grossen  Lugdunensis  nur  zwei^  —  vielleicht  im  Zusammenhang  steht 
mit  der  Einführung  der  örtlichen  Conscription  für  die  spanischen  und 
die  germanischen  Legionen.  Dass  diese  für  Spanien  in  Anwendung 
gekommen  ist  und  die  dort  stehende  Legion  sich  in  späterer  Zeit, 
wie  die  africanische,  aus  der  Provinz  selbst  recrutirt  hat,  ist  erweis- 
lich. Für  die  Rheintruppen  erkennt  man  wohl,  dass  die  beiden 
Germanien  auch  für  ihre  Legionen  stark  in  Anspruch  genommen 
wurden,  Kölner  zum  Beispiel  darin  in  späterer  Zeit  in  grosser  Zahl 
gedient  haben;  allein  sicher  reichte  die  blosse  provinziale  Aushebung 
hier  nicht  aus,  da  zumal  die  Recrutirung  der  Auxilia  daselbst  keines- 
wegs aufhörte.  Die  Inschriften  scheinen  in  der  That  darauf  zu 
führen,  dass  für  die  germanischen  Legionen  auch  Raetien  und  die 
tres  Galliae  herangezogen  worden  sind.  —  Dies  konnte  geschehen, 
ohne  dass  darum  das  Personen-  und  Gemeinderecht  der  Spanier 
und  Gallier  geändert  ward;  aber  es  kann  auch  eine  umfassende 
Verleihung  des  Vollbürgerrechts  damit  in  Verbindung  gestanden  56 
haben,  welche  die  rechtliche  Nöthigung  in  sich  schloss  hier  den 
Dilectus  fortan  allein  für  die  Legionen  auszunutzen. 

Es  bleibt  noch  übrig  auf  den  Dilectus  von  der  staatsrechtlichen 
Seite  her  einen  Blick  zu  werfen.    Bisher  ist  es  nicht  möglich  gewesen 

1)  Allerdings  blieb  die  Reichsflotte,  obwohl  hauptsächlich  in  Italien  sta- 
tionirt,  doch  eine  griechische  Institution ;  man  braucht  dafür  nur  an  die  trierarchi, 
guhernatores,  naophylaces,  pituli  zu  erinnern.  Aber  die  Sarden  und  die  Dalmatiner 
waren  ebenso  wenig  Griechen  wie  die  Bewohner  der  Tarraconensis;  wohl  aber 
können  diese  bei  dem  Dilectus  für  das  Landheer  stärker  betheiligt  gewesen  sein 
als  jene. 

2)  Der  eine  ist  der  S.  44  A.  1  erwähnte  Lugudunenser,  Soldat  der  1.  thraki- 
echen  Cohorte,  der  zweite  ein  Namnete  aus  der  ala  Indiana  in  der  Wormser 
Inschrift  Brambach  891  [C.  XIII,  6230  =  Dessau  2496]. 


72  Die  Conscriptionsordnung  der  römisclien  Kaiserzeit. 

in  Betreff  des  Aushebungsrechts  unter  dem  Principat  weiter  zu 
kommen  als  zu  dem  selbstverständlichen  Satze,  dass  dasselbe  in  der 
Hand  des  Kaisers  liegt ;  vielleicht  vermögen  wir,  nachdem  die  prin- 
cipielle  Verschiedenheit  desselben  in  den  senatorischen  und  in  den 
eigenen  Provinzen  des  Kaisers  sich  herausgestellt  hat,  diejenigen 
organischen  Anordnungen  zu  erkennen,  welche  bei  der  Theilung  der 
Provinzen  im  J,  727  in  dieser  Beziehung  nothwendig  haben  getroffen 
werden  müssen,  und  einigermassen  festzustellen,  dass  und  wie  das 
kaiserliche  Aushebungsrecht  Constitutionen  beschränkt  war. 

Die  vorkommenden  Aushebungsbeamten  —  alle,  wie  es  scheint, 
ausserordenthch  bestellt  und  selbstverständlich  alle  vom  Kaiser  er- 
nannt —  zerfallen  in  zwei  Kategorien^:  die  in  den  Kaiserprovinzen 
fungirenden  sind  ritterlichen  Ranges ,  die  in  Italien  thätigen  ohne 
Ausnahme  senatorischen;  in  den  Senatsprovinzen  haben  die  Proconsuln 
selbst  die  Aushebung  geleitet,  aber  auch  sie  dem  Anschein  nach 
nur  in  Folge  eines  besonderen  Auftrages.  Das  heisst,  in  seinem 
Verwaltungsgebiet  schaltet  den  Nichtbürgern  gegenüber  der  Princeps 
unbeschränkt:  sowohl  die  Bildung  der  Truppenkörper,  so  weit  sie 
aus  Mchtbürgern  zusammengesetzt  werden,  wie  auch  deren  Ergänzung 
geht  offenbar  den  Senat  nichts  an  und  hängt  in  keiner  Weise  ab 
von  dessen  Beschlüssen.  Insofern  sind  die  Auxilien  gewissermassen 
eine  Hausmacht  des  Kaisers,  auf  militärischem  Gebiet  den  Legionen 
gegenüber  ungefähr,  was  in  dem  Beamtenkreis  die  Hausbeamten 
gegenüber  der  senatorischen  Magistratur  sind;  wie  denn  auch  an 
jene  Auxilien  sich  die  Gesindetruppen,  die  italischen  Flotten  und 
die  deutsche  Leibwache  in  ganz  ähnlicher  Wpise  anschliessen  wie 
an  die  Hausbeamten  von  Ritterrang  das  an  Staatsgeschäften  be- 
theiligte kaiserliche  Freigelassenen-  und  Sclavengesinde.  Dass  in 
den  Senatsprovinzen  ähnliche  Truppenbildungen  nicht  etwa  an  die 
Einwilligung  des  Senats  geknüpft,  sondern  ganz  unterblieben  sind, 
57  weist  deutlich  hin  einerseits  darauf,  dass  diese  Aushebung  ihren 
ßechtsgrund  in  der  proconsularischen  Gewalt  gehabt  hat,  andrerseits 
auf  das  Grundprincip  des  Principats  die  Militärgewalt  in  dem  damit 
verknüpften  Proconsulat  zu  concentriren  und  die  senatorischen  Pro- 
consuln von  der  Ausübung  des  an  sich  ihnen  zukommenden  Commandos 
auszuschliessen.  Die  Auxiliaraushebung  ist  wahrscheinlich  eine  ein- 
fache Anwendung  des  anerkannten  Rechts  des  Statthalters  in  seinem 
Sprengel  die  Wehrpflichtigen  unter  die  Waffen  zu  rufen,  modificirt 

1)  Staatsrecht  2 2,  819  [vgl.  3.  Aufl.  849].      Hinzuzufügen   ist   Tacitus   ann. 
14, 18,  wonach  der  Proconsul  der  Cyrenaica  die  Aushebung  leitet. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  73 

durch  die  Ausdehnung  des  proconsularischen  Gebiets  und  durch  die 
Perpetuität  der  proconsularischen  Gewalt.  Eine  Ala  oder  Cohorte  konnte 
in  Macedonien  der  Kaiser  nicht  ausheben,  weil  er  nicht  Proconsul 
dieser  Provinz  war  und  dem  betreffenden  Proconsul  sollte  die  eigene 
Aushebung  nicht  gestattet  werden :  desshalb  unterblieb  hier  die  Auf- 
stellung von  Auxilien  ganz.  Es  scheint  auch  später  hierin  principiell 
nichts  geändert  worden  zu  sein.  Bei  der  Umwandlung  der  sena- 
torischen Provinzen  in  kaiserliche,  wie  sie  bei  Bithynien  schon  früher, 
dann  am  Ausgang  des  dritten  Jahrhunderts  in  grossem  Umfang  statt- 
gefunden hat,  mag  die  Rücksicht  auf  die  Aushebung,  namentlich  in 
Bithynien  für  die  Flotte,  wohl  im  Spiel  gewesen  sein,  aber  das 
Princip  ist,  so  viel  wir  erkennen  können,  bis  zu  der  Umge- 
staltung des  gesammten  Staatswesens  durch  Diocletian  in  Kraft  ge- 
blieben. 

Anders  verhält  es  sich  mit  den  Legionen  und  mit  der  Garde. 
"Wenn  auch  nach  der  oben  gegebenen  Ausführung  Nichtbürger 
namentlich  in  jene  eingestellt  werden  durften,  so  ist  dieser  Dienst 
dennoch  insofern  eine  bürgerliche  Last,  als  jeder  Bürger  dafür  aus- 
gehoben werden  konnte,  und  ohne  Zweifel  ist  unter  Augustus  und 
noch  lange  nach  ihm  ein  sehr  grosser  Theil  der  Legionare  aus 
geborenen  Bürgern  durch  Dilectus  hervorgegangen.  Es  lässt  sich 
nicht  streng  beweisen,  aber  dünkt  mir  in  hohem  Grade  wahrschein- 
lich, dass  bei  der  Reorganisation  des  Gemeinwesens  Augustus  auf 
das  bis  dahin  in  weitestem  Umfang  geübte  Recht  Legionen  und 
überhaupt  Bürgertruppen  aufzustellen  förmlich  Yerzicht  geleistet  hat 
und  dass  die  derartigen  Neuformationen  der  Kaiserzeit  alle  durch 
Senatsschluss  legalisirt  worden  sind.  Die  auffallende  Seltenheit  der- 
selben, die  in  der  That  mit  dem  Erwerb  der  neuen  Provinzen 
Britannien,  Dacien  und  Mesopotamien  Schritt  hält,  im  Uebrigen 
wesentlich  in  der  Ersetzung  aufgelöster  oder  vernichteter  Legionen 
durch  anders  benannte  besteht,  findet  wahrscheinlich  darin  ihre  58 
Erklärung;  nicht  als  ob  die  Regierung,  wenigstens  von  Tiberius  ab, 
irgend  zu  besorgen  gehabt  hätte,  dass  ihr  die  Erlaubniss  versagt 
werden  würde,  sondern  weil  sie  es  vermied  einerseits  durch  ein 
solches  Ansinnen  die  formale  höchste  Souveränetät  des  Senats  neu 
zu  declariren,  andrerseits  durch  Errichtung  von  Legionen  ohne 
Senatusconsult  die  gesetzlichen  Schranken  der  kaiserlichen  Compe- 
tenz  offenkundig  zu  überschreiten. 

Anders  allerdings  wird  es  sich  verhalten  haben  mit  der  Ergänzung 
der  einmal  bestehenden  Truppenkörper.  Allem  Anschein  nach  hat 
der  Kaiser  hierin  nach  zwei  Seiten  freie  Hand  gehabt,  wenn  auch 


74  Die  Coüscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

für  beide  Fälle  ein  strenger  Beweis  nicht  zu  erbringen  ist.  Mit  der 
gesammten  Stellung  des  Principats  ist  es  nicht  vereinbar,  dass  für 
die  Annahme  eines  Bürgers,  der  zu  dienen  wünschte,  der  Kaiser 
einer  besonderen  constitutionellen  Legitimirung  bedurft  haben  soll; 
noch  unvereinbarer  wo  möglich,  dass  er  in  seinem  eigenen  Yer- 
waltungsgebiet  für  Einstellung  eines  Bürgers  von  Beryt  oder  eines 
Peregrinen  aus  Ancyra  in  eine  Legion  den  Senat  vorher  hat  befragen 
müssen. 

Da  die  Garde,  abgesehen  von  der  natürlich  lediglich  von  dem 
obersten  Kriegsherrn  abhängenden  Versetzung  aus  einer  Truppe  in 
die  andere,  wohl  zu  allen  Zeiten  wesentlich  aus  Freiwilligen  gebildet 
worden  ist  i,  so  ist  deren  Recrutirung  so  wie  die  der  übrigen  städtischen 
Truppenkörper  wahrscheinlich  erfolgt  ohne  Mitwirkung  des  Senats, 
was  auch  die  Lage  der  Sache  fordert.  Auch  ein  nicht  unbeträcht- 
licher Theil  der  Legionare  mag  auf  diese  "Weise  in  den  Dienst 
gelangt  sein;  doch  lag  namentlich  in  der  früheren  Kaiserzeit  das 
Schwergewicht  bei  dem  Heerdienst  ohne  Zweifel  auf  dem  Dilectus  2. 
So  weit  dieser  auf  Italien  und  die  Senatsprovinzen  traf,  hat  diesen 
nicht  der  Kaiser,  sondern,  allerdings  wohl  immer  auf  Antrag  des 
Kaisers,  der  Senat  verfügt.  Der  im  J.  65  angeordnete  Dilectus  in 
den  drei  Senatsprovinzen  (S.  27)  wird  zwar  von  Tacitus  nicht  aus- 
drücklich als  Senatsbeschluss  bezeichnet;  aber  wer  die  Entstehung 
der  Annalen  auch  der  Kaiserzeit  kennt,  weiss,  dass  der  Grundstock 
59  für  den  Jahresbericht  der  betreffende  Jahrband  der  Senatsbeschlüsse 
ist  und  dass  eben  die  kurzen  sogenannten  annalistischen  Notizen,  wie 
diese,  regelmässig  auf  solche  zurückgehen.  Dazu  passt  vollkommen, 
dass,  so  weit  wir  urtheilen  können,  die  Aushebung  in  Italien  durch 
kaiserliche  Commissarien  senatorischen  Ranges,  die  in  den  Senats- 
provinzen durch  die  Proconsuln  selbst  vollzogen  wird,  während 
kaiserliche  Hausbeamte  hier  nirgends  erscheinen.  Natürlich  sind 
dergleichen  Anträge  und  Beschlüsse  obligat  gewesen  und  wie  andere 
Routinegeschäfte  der  Regel  nach  aus  unsern  Berichten  weggeblieben, 
obwohl  anfangs  nicht  jährlich  für  jede  Legion  ausgehoben  wurde, 
sondern  die  Recrutirung  in  grösseren  Intervallen  und  unregelmässig 


1)  Der  Bescheid,  den  Kaiser  Hadrian  dem  für  die  Garde  sich  meldenden 
Rekruten  ertheilt  (Dositheus  Hadr.  sent.  2),  dass  er  zunächst  bei  den  Stadtcohorten 
eintreten  möge,  führt  auf  freiwilligen  Eintritt  für  die  hauptstädtische  Soldatesca 
insgemein;  und  eben  dahin  führen  die  auf  den  drei-,  resp.  sechsjährigen  Dienst 
bei  der  Feuerwehr  gesetzten  Belohnungen. 

2)  Tacitus  ann.  4,  4.  Velleius  2,  130.  Marquardt  Staatsverw.  2,  522  [2.  Aufl. 
542]. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  75 

erfolgte.  Aber  dass  nach  formellem  Recht  der  Kaiser  hier  nicht 
frei,  sondern  hinsichtlich  der  Recrutimng  vom  Senat  abhängig  war, 
bleibt  eine  Thatsache  von  geschichtlicher  wie  staatsrechtlicher  Be- 
deutung. Nicht  minder  bedeutungsvoll  ist  die  spätere  Beseitigung 
der  Betheiligung  der  Volksvertretung  an  der  Aufstellung  des  Heeres. 
Zwar  direct  aufgehoben  ist  dieselbe  wohl  schwerlich,  sondern  nur 
ausser  Anwendung  gesetzt  durch  die  Veränderung  der  Conscriptions- 
bezirke:  die  Durchführung  der  örtlichen  Aushebung  durch  Hadrian 
macht  der  Einwirkung  des  Senats  auf  die  Recrutirung  ein  Ende. 
Die  spanische  Legion  recrutirte  sich  in  der  Tarraconensis,  die  britti- 
schen  und  die  germanischen  Legionen  in  Britannien,  den  drei  Gallien, 
den  beiden  Germanien  und  Raetien,  die  illyrischen  in  den  Donau- 
provinzen, die  des  Ostens  in  Kappadokien,  Galatien,  Syrien,  Aegypten. 
Die  grosse  Masse  des  Kaiserheers  wurde  seit  Hadrian  nach  dem 
System  ausgehoben,  wie  es  unter  Augustus  für  die  Auxilien  und 
etwa  noch  die  Legionen  des  Ostens  Geltung  gehabt  hat;  die  Aus- 
hebung in  dem  Machtgebiet  des  Senats  hörte,  im  Grossen  und 
Ganzen  wenigstens,  auf  und  die  verfassungsmässige  Befugniss  des 
Senats  blieb  zwar  in  Rechtskraft,  aber  war  inhaltlos  geworden.  In 
Africa  allerdings  ist  auch  später  noch  nicht  blos  in  dem  kaiserlichen 
Numidien,  sondern  auch  in  der  senatorischen  Provinz  in  bedeutendem 
Umfang  ausgehoben  worden;  wenn  das  Bewilligungsrecht  des  Senats 
für  diese  Provinz  nicht  schon  früher,  mit  Rücksicht  auf  ihre  halb 
kaiserliche,  halb  senatorische  oberste  Verwaltung,  einer  Modification 
unterlegen  hat,  so  mag  dafür  dasselbe  auch  nachher  noch  zur 
Anwendung  gekommen  sein;  an  der  allgemeinen  Rechtslage  wird 
dadurch  nichts  geändert, 

IV.    Die  Rechtsstellung  der  Individuen  und  der  Gemeinden  60 
und   die   Conscription. 

Wie  weit  kann  aus  dem  Dienstverhältniss  des  einzelnen  Soldaten 
auf  sein  Personalrecht,  wie  weit  aus  der  Stellung  der  einzelnen 
Gemeinde  bei  dem  Dilectus  auf  ihr  Gemeinderecht  geschlossen 
werden? 

Jeder  Legionär  ist  nothwendig  römischer  Bürger ;  jeder  Auxiliarier 
tritt  als  Nichtbürger  in  die  Truppe  ein.  Aber  wie  schon  seit 
Augustus  dem  Auxiliarsoldaten  allgemein  nach  vollendeter  Dienstzeit 
die  Verleihung  des  Bürgerrechts  in  Aussicht  gestellt  ist,  so  ist  ihm 
nicht  selten  noch  während  der  Dienstzeit  das  Bürgerrecht  als  per- 
sönliche Auszeichnung  verliehen  worden;  es  ist  sogar  schon  früh 
vorgekommen,   dass  eine   solche  Verleihung  der  ganzen  Truppe  zu 


76  Die  Conscriptionsordüung  der  römischen  Kaiserzeit. 

Theil  und  selbst  dauernd  als  Ehrenname  derselben  geführt  wird, 
ohne  dass  die  Rechtsstellung  der  später  eintretenden  Leute  dadurch 
sich  ändert  ^,  Demnach  müssen  unter  den  Auxiliarsoldaten  römische 
Bürger  sich  in  ziemlicher  Anzahl  befunden  haben,  und  damit  stimmt 
auch  der  Sachbefund  wesentlich  überein  2.  Insofern  also  ist  jener 
61  Gegensatz  kein  vollständig  scharfer  und  kann  nicht  jeder  Auxiliar 
sicher  als  Nichtbürger  angesehen  werden.  Dagegen  wird  derjenige 
Auxiliar,  der  die  Heimath  in  nicht  städtischer  Form  angiebt,  je  nach 
der  Namensform,  als  Latinus  oder  als  Peregrinus  betrachtet  werden 
müssen.  Es  gewährt  dafür  eine  gute  Bürgschaft,  dass  bei  den 
Prätorianern  und  den  Legionariern,  deren  Bürgerrecht  ausser  Zweifel 
steht,  die  Heimath  in  der  Form  des  Ethnikum  auf  den  officiellen 
Listen  kaum  je  und  selbst  auf  den  Grabschriften  nur  drei  oder  vier- 
mal auftritt  (S.  41  f.),  umgekehrt,  wo  auf  Soldatengrabschriften  die 
Form  des  Ethnikum  erscheint,  die  Truppe  als  solche  regelmässig 
peregrinischen  oder  latinischen  Rechts  ist. 

Wo  nicht  die  Heimathgemeinde,  sondern  nur  die  Landschaft, 
das  heisst  die  factische  Herkunft  des  Betreffenden  aus  einem  grösseren 

1)  Marquardt  Staatsverw.  2  *,  468.  Der  älteste  uns  bekannte  Fall  dieser 
Art  ist  der  oben  S.  67  A.  1  ei*wälinte  aus  dem  J.  63.  Als  Beiname  einzelner 
Abtheilungen  ist  civium  Bomanorum  nachweisbar  seit  Titus. 

2)  Die  Thatsachen,  dass  drei  Auxiliarsoldaten  (S.  44  A.  1)  die  Heimath  in 
städtischer  Form  —  Lugudunum,  Andautonia,  die  castra  —  und  daneben  die 
Tribus  nennen ;  dass  ein  Auxiliarsoldat  (S.  62  A.  4)  als  seine  Heimath  Stobi 
angiebt,  welche  Stadt  nicht  blos  römische  Bürgergemeinde  war,  sondern  auch 
als  in  der  Senatsprovinz  Macedonien  gelegen  dem  Auxiliardilectus  nicht  unterlag 
und  dass  eine  allerdings  geringe  Anzahl  von  Flottensoldaten  sich  als  Italiker 
und  als  ihre  Heimath  Misenum,  Formiae,  Nola,  Ateste  bezeichnen  (in  dieser 
Zeitschrift  Bd.  16  S.  465  [Ges.  Sehr.  5  S.  409]),  lassen  sich  mit  dem  Gesetz,  dass 
römische  Bürger  weder  gezwungen  noch  freiwillig  in  Peregrinencorps  eintreten 
können,  nur  durch  die  Annahme  vereinigen,  dass  diese  Individuen  als  Peregrinen 
in  die  Truppe  eingetreten  sind,  aber  noch  vor  der  Mission  das  Reichsbürgerrecht 
und  damit  die  Heimathgemeinde  empfangen  haben.  Dass  jenes  in  grossem 
Umfang  also  verliehen  worden  ist,  steht  fest;  dass  damit  die  Einschreibung  in 
eine  Stadtgemeinde  verbunden  war,  steht  nicht  fest,  aber  es  dürften  doch  für 
diese  Annahme  wesentliche  Gründe  sprechen,  die  allerdings  hier  nur  angedeutet 
werden  können.  Insbesondere  ist  dafür  die  Frage  zu  erwägen,  ob  nicht  die 
Ertheilung  des  Bürgerrechts  bei  der  Mission  mit  der  Einschreibung  in  eine 
städtische  oder  quasistädtische  Gemeinde  (die  castra)  verbunden  gewesen  ist; 
wird  diese  bejaht,  so  ist  auch  jene  Annahme  damit  erwiesen,  da  offenbar  die 
Ertheilung  des  Bürgerrechts  während  der  Dienstzeit  nichts  ist  als  die  Anticipirung 
der  Missionsprivilegien.  Zu  Gunsten  der  Bejahung  sprechen  die  Inschriften, 
nicht  durch  ihr  Reden,  sondern  durch  ihr  Schweigen.  Von  Anfang  des  Princi- 
pats  an  sind  Auxiliarsoldaten  in  grosser  Zahl  auf  diesem  Wege  zum  römischen 
Bürgerrecht  gelangt  und  offenbar  nur  der  kleinste  Theil  derselben  in  Colonien 


1 


Die  CoDScriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  77 

Bezirk  bezeichnet  wird,  kann  daraus  auf  die  Rechtsstellung  des 
Betreffenden  nur  insoweit  geschlossen  werden,  als  dieser  Bezirk 
gleichartigen  Rechts  ist;  und  immer  ist  auch  mit  den  möglichen 
persönlichen  Rechtserhöhungen  zu  rechnen.  Natione  Haitis  zeigt 
sicher  den  römischen  Bürger  an,  natione  TTirax  im  Allgemeinen  den 
Peregrinen;  aber  auch  der  aus  einer  in  Thrakien  belegenen  römischen 
Colonie  gebürtige  Mann  und  der  durch  Eintritt  in  eine  Legion  zum 
Bürgerrecht  gelangte  Soldat  thrakischer  Herkunft  können  allenfalls 
so  bezeichnet  werden. 

Wichtiger  und  schwieriger  ist  der  Rückschluss  aus  dem  Con'- 
scriptionsverhältniss  auf  die  Rechtsstellung  des  Heimathbezirkes.  Es 
sind  in  dieser  Hinsicht  vier  Sätze  zu  erörtern: 

1)  dass  die  Gemeinde,  aus  welcher  ein  Prätorianer  oder  Legionär  62 
ausgehoben  wird,  ebensowohl  eine  Yollbürger-  wie  eine  Ge- 
meinde latinischen  oder  peregrinischen  Rechts  gewesen  sein 
kann; 

2)  dass  sie  aber  eine  Stadtgemeinde  gewesen  sein  muss; 

3)  dass  jeder  Aushebungsbezirk  eines  Auxiliarcorps  latinisches 
oder  peregrinisches  Recht  gehabt  hat; 

4)  dass  der  Heimathort  eines  jeden  in  einem  latinischen  oder 
Peregrinencorps  dienenden  Soldaten  latinisches  oder  peregri- 
nisches Recht  gehabt  hat. 

Dass  der  römische  Bürger  einer  nichtrömischen  Gemeinde  als 
Bürger  angehören  kann  und  demnach  daraus,  dass  ein  römischer 
Prätorianer  oder  Legionär  diese  oder  jene  Ortschaft  als  Heimath 
nennt,  auf  das  Bürgerrecht  dieser  Ortschaft  nicht  geschlossen  werden 
darf,  ist  schon  oben  ausgeführt  worden  (S.  21)  und  war  im  Allge- 
meinen längst  anerkannt.  Freilich  hat  man,  so  lange  für  die  Auf- 
nahme in  die  Bürgertruppen  der  Besitz  des  römischen  Bürgerrechts 
als  Voraussetzung  galt,  dennoch  oft  einen  solchen  Schluss  wenigstens 

geführt  worden.  Hätten  diese  Veteranen  ihr  früheres  Heimathrecht  behalten, 
wie  man  allerdings  zunächst  erwarten  sollte,  so  würden  zum  Beispiel  die  Bataver 
dieser  Kategorie  als  cives  Batavi  und  zugleich  als  römische  Vollbürger  mit  der 
Tribus  auftreten;  aber  Beispiele  dieser  Art  fehlen  gänzlich.  Dies  erklärt  sich, 
wenn  mit  der  Mission  die  Einschreibung  des  Neubürgers  in  eine  der  bestehenden 
Stadtgemeinden  —  nicht  nothwendig  in  eine  Bürgergemeinde  —  verbunden  war. 
Auch  lässt  sich  wohl  denken,  dass  die  Deduction  der  Veteranen,  über  deren 
spätere  Ausgestaltung  wir  wenig  unterrichtet  sind,  ungefähr  diesen  Weg  ge- 
nommen hat.  Das  Gemeindebürgerrecht  kann  der  Kaiser  verleihen  (C.  II,  4249 
[Dessau  6933]) ;  und  was  Kaiser  Valentinian  sagt  (C.  Th.  7,  20,  8) :  omnibus  bene- 
meritis  veteranis  quam  volunt  patriam  damus,  mag  wohl  weiter  zurückreichen  als 
man  meint. 


78  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

da  sich  gestattet,  wo  die  Beispiele  nicht  vereinzelt  waren  und  be- 
sonders die  Gleichheit  der  Tribus  hinzutrat  i.  Die  neuesten  Funde 
haben  diese  Vorstellung  berichtigt  und  gezeigt,  dass  vielmehr  die 
Verleihung  des  Bürgerrechts  an  peregrinische  Rekruten  mit  der 
Aushebung  für  die  Legion  in  grossem  Massstab  verbunden  gewesen 
ist,  seit  es  ein  stehendes  Heer  gab.  Mindestens  ein  Drittel  der 
Legionen  ist  aus  den  griechischen  Provinzen  ausgehoben  worden, 
in  denen  es  wenigstens  zu  Augustus  Zeit  nur  eine  geringe  Zahl  von 
römischen  Bürgern  gab;  aber  auch  im  Occident  wird  die  legionare 
Aushebung  in  der  Narbonensis,  der  Baetica,  Africa,  welche  vorzugs- 
weise davon  getroffen  wurden,  damals  wenigstens  grossentheils  wenn 
nicht  auf  Peregrinen,  doch  auf  Latiner  gefallen  sein.  Wir  haben 
wahrscheinlich  die  Ausdehnung  des  Bürgerrechts  auf  die  Provinzen 
63  uns  bisher  zu  umfänglich  vorgestellt.  Die  zahlreichen  Gemeinden 
der  Narbonensis,  in  denen  seit  Augustus  die  Voltinia,  der  Baetica, 
in  denen  seit  Vespasian  die  Quirina  erscheint,  sind  vermuthlich 
Gemeinden  latinischen  Rechts  gewesen  und  geblieben,  deren  zum 
Vollbürgerrecht  gelangten  Bürgern  die  betreffende  Tribus  als  perso- 
nale in  derselben  Weise  beigelegt  ward  wie  den  Alexandrinern  und 
■den  Galatern  die  Pollia  (S.  24) ;  und,  sie  werden  dieses  Recht  zu 
«inem  Theil  auf  dem  municipalen  Wege,  zu  einem  anderen  aber 
durch  den  Eintritt  in  die  Legion  erhalten  haben.  Die  Regel  spricht 
in  aller  Deutlichkeit  Aristides  aus  in  seiner  Lobrede  auf  Rom 
(1  p.  352  Dind.  [2  p.  112  Keil]);  die  Stelle  ist  bekannt  und  oft  be- 
nutzt, nur  hat  man  sie  auf  das  Verfahren  des  Marcus  beschränkt, 
während  sie  in  der  That  das  System  des  stehenden  Heeres  der 
römischen  Kaiserzeit  überhaupt  zum  Ausdruck  bringt:  rig  ovv  t) 
avXXoyr]  xal  rig  6  zQOJiog;  eX'dovreg  im  näoav  rr}v  vnrjxoov  evrev^ev 
eoxerpao&e  rovg  XeirovQyrjOOvxag  TTjvöe  rrjv  XsirovQyiav,  xal  cbg  evQere, 
öfiov  rrjg  re  Tiargcdog  änrjXXd^aTe  aal  rr/v  v/usregav  avrcov  noXiv  ävrs- 
dote  avTOig'  a>oxe.  xal  aloyvv&fivai  xb  Xoinbv  avxovg  exeivovg  y  äveiJisTv, 
ö^ev  rjoav  xb  aQ^oiiov  noirjod/bievoi  de  JioXixag  ovxcog  xal  oxQaxicbxag 
Inoirjoare,    Soxs   rovg   xe  änb  xfjg  noXecog  jurj   oxQaxevso§ai  xal    xovg 

1)  Beispielsweise  habe  ich  wenigstens,  und  ich  glaube  wir  haben  alle  bisher 
nie  daran  gezweifelt,  dass  Lucus  Augustus  der  Vocontier,  welches  so  zahlreiche 
Legionarier  der  Voltinia  geliefert  hat,  eine  römische  Vollbürgergemeinde  ge- 
wesen ist;  ein  von  mir  gemachter  Versuch  diese  mit  der  peregrinischen  ckitas 
Voeontiorum  auszugleichen  hat  kürzlich  Hirschfelds  Billigung  gefunden  (gall. 
Stud.  S.  26).  Jetzt  sehen  wir,  dass  jenes  nichts  ist  als  der  städtische  Ausdruck 
für  den  Gau  und  dass  daraus  auf  das  Gemeinderecht  ein  Schluss  überall  nicht 
gemacht  werden  darf. 


li 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  79 

CTQarevojuevovg  jut]d^  öziovv  rjxTOv  elvai  noXkag,  rrjg  juev  agj^aiag 
änoXidag  yeysvrj/uevovg  äjua  rf]  orgareia,  rijg  d'  vjuereQag  noXirag  re 
xal  (pQovQovg  ano  rfjg  avrfjg  ijfiEQag.  Diese  allgemein  über  alle 
Provinzen  sich  erstreckende,  auf  Peregrinen  gerichtete,  aber  vom 
Tage  des  Eintritts  an  zugleich  das  Bürgerrecht  gewährende  legionare 
Conscription  ist  eben  die  der  Tafeln  von  Koptos.  Abweichend  von 
der  augustischen  Ordnung  ist  nur  die  Beschränkung  der  Legionar- 
conscription  auf  die  Provinzen  und  sogar  auf  die  des  Bürgerrechts 
entbehrenden  Barbaren,  die  legio  harharica;  was  Aristides  für  seine 
Zeit  gewiss  mit  Recht  hervorhebt,  aber  nicht  Augustus  selbst  also 
geordnet,  sondern  erst  die  Späteren  aus  seinen  Institutionen  ent- 
wickelt haben.  —  Also  für  die  Beschaffenheit  des  Stadtrechts  darf 
aus  der  Aushebung  für  die  Legion  und  die  Garde  überall  kein 
Schluss  gezogen  werden,  auch  dann  nicht,  wenn  sie  häufig  begegnet 
und  mit  Ertheilung  der  gleichen  Tribus  an  die  Ausgehobenen  ver- 
bunden ist.  Die  prätorianische  wie  die  legionare  Conscription  trifft 
gleichmässig  die  Bürger-,  die  latinische  und  die  peregrinische  Stadt. 

Aber  sie  trifft  die  Stadt,    nicht  das  Land;   und   damit  kommen  64 

wir  zu  dem  zweiten  der  oben  hingestellten  Sätze.     Der  Beweis  dafür 

ist  durch  die  Auseinandersetzung  über  die  städtische  Heimathangabe 

■der  Bürgertruppen  und  die  ethnische  namentlich  der  Auxilia  in  der 

Hauptsache  bereits  geführt.     Man   möchte    fast  meinen,    dass  auch 

lier  ägyptische  Einrichtungen,  Alexandreia  und  die  x^Q^  für  Augustus 

Muster  gewesen  sind.     Es  ist  der  Stadtbegriff  gewesen,  auf  den  der 

Oründer   des  Principats  sein  Heerwesen  basirt  hat,    und   zwar   der 

Tömisch-hellenische ,   welcher  das  municipium  wie  die  noXig^  Verona 

und  Capua  ebenso  wie  Ancyra  und  Alexandrea  ohne  Unterschied  ihrer 

Rechtsstellung    und    ohne    Unterschied    ihrer   Nationalität   umfasste. 

Es  sollten  fortan  die  occidentalischen  Legionen  des  Reiches  aus  den 

Stadtgemeinden  des   lateinischen^,   die   orientalischen  aus  denen  des 

hellenischen  Sprachgebiets  ausgehoben  werden,  allerdings  dann  sämmt- 

liche  zum  Legionsdienst  berufene  Mannschaften,  welcher  Nationalität 

und    welches  Rechts  sie  ursprünglich    sein    mochten,    das  römische 

oder  vielmehr  das  Reichsbürgerrecht,   wenn  sie  es  nicht  vorher  be- 

assen,  entweder  durch  die  Aushebung  selbst  von  Rechtswegen  oder 

ioch  mit  der  Aushebung  durch  ständige  Schenkung,  für  ihre  Person 

wrie  für  ihre  Nachkommen  empfangen.    Das  ist  eine  weltgeschicht- 

iche  Thatsache,  mit  der  man  für  die  Zukunft  zu  rechnen  haben  wird. 

Tichi  blos  für  Caesars  gewaltigen  Geist  hat  die  nationale  Befangen- 

leit  des  Römertums  nicht  bestanden;  auch  sein  Nachfolger,  dem  es 

sufiel,   diese  schöpferischen  Gedanken   in   die  Schranken  der  Wirk- 


gQ  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

lichkeit  einzuführen,  hat  die  Fundamente  des  römisch  -  hellenischen 
Weltreichs  doch  breiter  und  tiefer  gelegt,  als  wir  bisher  es  ahnten. 

Formell  spricht  sich  dieser  Gegensatz  mit  römischer  Schärfe  aus 
in  der  Fassung  der  Heimathangaben,  dem  domo  Verona  gegenüber 
dem  natione  Batavus.  Materiell  hat  derselbe  allerdings  nur  annähernd 
durchgeführt  werden  können.  Wenn  Italien  und  die  senatorischen 
Provinzen,  Sicilien,  die  Baetica,  die  Narbonensis,  Griechenland  und 
Vorderasien  ausschliesslich  der  legionaren  Aushebung  unterstellt 
werden,  so  sind  dies  im  Grossen  und  Ganzen  genommen  diejenigen 
Gebiete,  welche  in  augustischer  Zeit  zu  voller  Civilisation,  das  heisst, 
für  die  italische  wie  für  die  griechische  Auffassung,  zu  städtischer 
Organisation  gelangt  waren.  Indem  zu  diesen  gemäss  den  weiteren 
65  organischen  Institutionen  Augusts  die  griechischen  Städte  Aegyptens 
und  des  östlichen  Vorderasiens  hinzutraten,  ferner  die  in  den  Kaiser- 
provinzen belegenen  Gemeinden  vollen  römischen  Bürgerrechts,  wie 
Lugudunum  und  Berytus,  gemäss  ihrem  Gemeinderecht  lediglich  zum 
Legionardienst  herangezogen  werden  konnten,  gingen  die  Legionen 
der  stehenden  Armee  allerdings  hervor  aus  dem  gesammten  städtischen 
Element  des  Reiches  und  waren  dessen  volle  militärische  Vertretung. 

Den  politischen  Verhältnissen  der  damaligen  Zeit  war  dies 
wohl  entsprechend,  wenn  nicht  durch  sie  gefordert.  Die  römischen 
Vollbürger  des  Reiches  hätten  freilich  nach  unseren  Vorstellungen 
ein  stehendes  Heer,  wie  dasjenige  des  Augustus  war,  ohne  besondere 
Schwierigkeit  aufbringen  können;  indess  was  in  dieser  Hinsicht  als 
Druck  erscheint,  ist  ziffermässig  nicht  zu  berechnen,  und  vor  allem 
darf  nicht  vergessen  werden,  dass  die  Römer  Augusts  einen  fast 
siebzigjährigen  Bürgerkrieg  hinter  sich  hatten  und  eines  der  ein- 
greifendsten, wenn  nicht  das  durchschlagende  Moment  bei  der 
Gründung  des  Principats  war,  dass  Augustus  die  Bürger  nicht  blos 
vom  Krieg,  sondern  auch  vom  Kriegsdienste  befreite.  Die  ausser- 
ordentlich niedrig  gegriffene  Zahl  der  stehenden  Armee  und  die 
bekannten  Erzählungen  von  der  Bewaffnung  der  Freigelassenen  für 
den  pannonischen  Krieg,  von  der  Schwierigkeit  das  in  Germanien 
aufgeriebene  Corps  von  etwa  20  000  Mann  zu  ersetzen,  beweisen 
unter  allen  Umständen,  dass  die  Regierung  alle  Ursache  hatte  den 
Kreis  der  zum  Legionsdienst  verpflichteten  Personen  möglichst  zu 
erweitern.  Insofern  ist  es  also  wohl  begreiflich,  dass  er  in  der 
Heranziehung  der  Stadtbürger  auch  nicht  römischen  Rechts  eine 
breitere  Grundlage  dafür  schuf. 

Allerdings  ist  der  Gegensatz  von  Stadt  und  Land  in  jenen 
Ordnungen  nur  annähernd  ausgedrückt,   auch  eines  streng  formalen 


I 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  81 

rechtlichen  Ausdrucks  überall  nicht  fähig.  Manche  Districte,  die 
ihrer  Beschaffenheit  nach  allein  zum  Auxiliardienst  sich  eigneten, 
wie  zum  Beispiel  die  weniger  civilisirten  Theile  von  Pontus  und 
Phrygien,  wurden  durch  die  Aushebeordnung  demselben  entzogen; 
indess  kam  darauf  nicht  viel  an,  da  namentlich  in  der  augustischen 
Epoche  Mannschaften  für  die  Auxilia  in  Ueberzahl  sich  darbieten 
mussten.  Dagegen  unterlagen  der  auxiliaren  Aushebung  namentlich 
in  Syrien  Städte  wie  Apamea  und  Tyros;  andrerseits  erstreckte  die 
legionare  Aushebung  sich  auf  Kleinstädte  wie  Nertobriga  in  Baetica, 
Etenna  und  Isinda  in  Pisidien,  sogar  auf  einzelne  Districte  Mace-  66 
doniens,  denen  die  städtische  Organisation  abgingt.  Das  Princip 
war  von  Haus  aus  mit  einer  Reihe  zum  Theil  recht  bedenklicher 
Ausnahmen  durchsetzt. 

Aber  auch  von  diesen  Ausnahmen  abgesehen  war  das  Princip, 
selbst  da  wo  es  rein  zur  Anwendung  kam,  einer  formalen  und 
bleibenden  Fixirung  kaum  fähig.  In  den  nach  augustischer  Ordnung 
zunächst  für  die  Auxiliaraushebung  bestimmten  grossen  Kaiser- 
provinzen, Spanien,  Gallien -Germanien,  Illyricum,  Syrien,  war  die 
legionare  nicht  an  sich  unstatthaft,  sondern  nur  ausgeschlossen  bei 
factischem  Fehlen  der  Stadt;  und  ob  die  einzelne  peregrinische 
Gemeinde  den  Stadtbegriff  nach  römischer  Auffassung  in  sich  ent- 
wickelt habe  oder  nicht,  Hess  schon  theoretisch  sich  oft  schwer  oder 
gar  nicht  feststellen.  Die  griechische  Stadtgemeinde  hat  allerdings 
dem  Römer  gegolten  als  seinem  municipium  ebenso  analog  wie  die 
griechische  Ehe  und  das  griechische  Testament  den  gleichartigen 
römischen  Instituten.  Bei  den  Kelten  dagegen,  den  Illyrikern, 
den  Spaniern,  den  Syrern,  den  Libyern,  den  Aegyptem  erschien  das 
Gemeinwesen  den  Römern  vielmehr  als  civitas  oder  Nomos  oder 
doch  wenigstens  nicht  als  Stadt;  und  eben  auf  diesem  Gegensatz, 
welcher  vielleicht  grossentheils  mehr  in  der  römischen  Auffassung 
peregrinischer  Einrichtungen  als  in  deren  Wesen  selbst  begründet 
war  2,  beruht  die  von  Augustus  durchgeführte  Doppeltheiligkeit  der 
Heerbildung.    Tief  und  weit  wie  diese  Gegensätze  sind,  ergeben  sie 

1)  Aus  den  binnenländischen  naacedoni sehen  Landschaften  Pelagonia  und 
Eordaea  begegnen  Prätorianer  wie  Legionare  mit  der  Heimathangabe  Pelagonia 
oder  Eordaea,  was  wie  eine  Stadt  aussieht,  aber  es  nicht  ist.  Indess  haben 
eben  diese  Landschaften  auch  in  anderer  Beziehung  gewissermassen  die  Geltung 
von  Städten  (vgl.  Kuhn  städt.  Verfassung  2,  406.  429). 

2)  Wahrscheinlich  hat  sich  diese  Auffassung  zunächst  den  Kelten  gegen- 
I  über  entwickelt ;  wie  deren  civitas  sich  von  dem  römischen  popiilus  unterschied, 

habe  ich  früher  in  dieser  Zeitschrift  (16,  449  f.  [Ges.  Sehr.  5,  394  f.])  zu  bestimmen 
1  versucht. 

MOMMSEN,   SCHR.  VI,  6 


g2  Die  ConscriptionsordnuDg  der  römischen  Kaiserzeit! 

noth wendig  ein  Grenzgebiet,  auf  welchem  die  Durchführung  ohne 
Willkür  nicht  möglich  war,  wo  schliesslich  kaiserliche  Instruction 
oder  Anordnung  der  Provinzialbehörden  eintreten  musste.  "Wenn  in 
der  augustischen  Statistik  der  Tarraconensis  179  städtische  und  114 
nicht  städtische  Gemeinden  gezählt  wurden  ^,  so  waren  alle  Gemeinden 
67  römischen  oder  latinischen  Rechts  natürlich  unter  jenen  begriffen; 
aber  die  Grenze  zwischen  den  Stadt-  und  den  Landgemeinden  pere- 
grinischen  Rechts  muss  der  Sache  nach  eine  fliessende  nur  durch 
Regulativ  fixirte  gewesen  sein.  Dazu  kommt  die  Verschiebung  in 
der  inneren  Ordnung  der  Gemeinden;  die  Umwandlung  der  Gau- 
verfassung in  die  städtische,  der  Allobrogen  zur  Colonie  Yienna, 
der  Ubier  zur  Colonie  Ära  Agrippina  ist  eines  der  wichtigsten  und 
durchgreifendsten  Entwickelungsmomente  der  Geschichte  der  Kaiser- 
zeit namentlich  in  den  westlichen  Provinzen.  Augustus  und  die  in 
seinem  Sinne  regierenden  Herrscher  mochten  den  politisch-militärischen 
Gegensatz  vollständig  zur  Geltung  bringen,  den  Legionen  das  Ge- 
präge der  städtischen  Civilisation,  den  Auxilien  das  der  Barbaren- 
contingente  wahren;  aber  bei  veränderter  Tendenz  der  Regierung 
konnte  die  Institution  auch  in  anderem  Sinne  gehandhabt  werden. 
Die  spätere  Yerderbung  wird  uns  nicht  abhalten  die  Institution  in 
ihrer  ursprünglichen  Anlage  zu  würdigen,  darf  aber  auch  bei  Er- 
•^ägung  ihres  Eingreifens  nicht  aus  den  Augen  verloren  werden. 

Namentlich  für  Gallien  und  Germanien,  die  in  der  Auxiliaraus- 
hebung  durchaus  an  der  Spitze  stehen  und  uns  auch  am  besten 
bekannt  sind,  kam  daneben  offenbar  eine  wohl  eigentlich  abusive 
Legionaraushebung  auf,  welche  jenen  Gegensatz  formell  ebenso 
deutlich  hervortreten  lässt  wie  materiell  aufhebt.  Sie  knüpft  daran 
an,  dass  der  Regel  nach  der  Gau  einen  Hauptort  hatte,  der  zwar 
rechtlich  nichts  war  als  ein  vicus  oder  ein  castellum,  aber  der  Sache 
nach  wohl  oft  mit  gleichem  und  besserem  Recht  eine  Stadt  genannt 
werden  konnte  wie  manches  municipium  civium  JRomanorum.  Gewiss 
haben  die  Yocontier,  wie  Hirschfeld  (gall.  Stud.  S.  38)  dies  kürzlich 
in  sehr  befriedigender  Weise  entwickelt  hat,  'als  civitns  im  gallischen 
Sinne  fortbestanden'  und  darum  ward  aus  ihnen  die  nach  ihnen 
benannte  Ala  gebildet;  aber  wenn  wir  sie  bei  der  effectiven  Aus- 
hebung nicht  in  den  Auxilien,  dagegen  zahlreich  in  der  Legion 
vertreten  finden,  so  ist  das  vielleicht  ebenso  sehr  eine  formale  Ver- 
letzung wie  eine  materielle  Anwendung  des  augustischen  Princips 
der  Heerbildung.     Hier,  wo  es  sich  vielmehr  um  den  factischen  als 


1)  Plinius  h.  n.  3,  3,  18. 


dl 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  83 

um  den  rechtlichen  Gegensatz  von  Stadt  und  Land  handelte,  konnte 
die  Regierung,  ohne  den  Geist  der  augustischen  Ordnung  zu  verleugnen, 
wohl  eine  Gemeinde,  auch  so  lange  sie  noch  rechtlich  civitas  war, 
entweder  in  der  Aushebung  lediglich  für  die  Legion  heranziehen 
oder  auch  je  nach  Umständen  die  Rekruten  entweder  in  die  Auxilien  68 
oder  in  die  Legion  einstellen ;  und  es  konnte  dann  die  Heimathangabe 
kaum  anders  gemacht  werden  als  dass  als  Heimath  des  Auxiliars 
der  Gau,  als  die  des  Legionars  dessen  Hauptort  aufgeführt  ward. 
Wahrscheinlich  ist  dies  besonders  in  späterer  Zeit  nicht  selten  ge- 
schehen. Aus  Aquitanien  haben  wir  Heimathangaben  für  vier  Alarier, 
lautend  auf  Biturix  (3)  und  Petriicm'ius  (1)  und  für  drei  Legionare, 
lautend  auf  Augustonemetum  (2)  und  Burdigala  (1).  Ebenso  wird 
es  aufzufassen  sein,  wenn  die  bei  den  Vocontiern  ausgehobenen 
Legionare  durchaus  in  den  Listen  geführt  sind  als  gebürtig  aus  dem 
einen  ihrer  Hauptorte  Lucus  Augustus;  wenn  der  einzige  (abgesehen 
von  den  Lugudunensern  selbst)  uns  aus  der  Provinz  Lugudunensis 
bekannte  Legionär  sich  bezeichnet  als  heimathberechtigt  in  Autricum, 
nicht  als  Carnutiner;  wenn  bei  Offizieren  und  Legionaren  die  Heimath- 
angabe auf  Ulpia  Noviomagus  gestellt  ist,  die  Soldaten  der  Peregrinen- 
corps  aber  sich  bezeichnen  als  natione  Batavus;  wenn  die  Prätorianer- 
listen  ihren  Raetern  und  Germanen  als  Heimath  Äugusta  Vindelicuni 
oder  Divodurum  beisetzen.  In  all  diesen  Fällen  tritt  der  formale 
Gegensatz  von  Stadt  und  Gau  ebenso  handgreiflich  zu  Tage  wie 
die  materielle  Identität.  Wie  dies  Yerhältniss  weiter  aufzufassen 
ist,  kann  hier  nicht  untersucht  werden;  es  kann  sein,  dass  es  später 
in  irgend  einer  Weise  möglich  gemacht  wurde  die  civitas  Batavorum 
und  die  Stadtgemeinde  JJlina  Noviomagus  zu  rechtlicher  Coexistenz 
zu  bringen  ^ ;  aber  in  den  meisten  Fällen  ist  hier  sicher  die  Gauord- 
nung nur  verschleiert  und  wird  aus  der  Nennung  von  Divodurum 
und  so  weiter  nicht  geschlossen  werden  dürfen,  dass  die  betreffenden 
Ortschaften  zur  Zeit  der  Abfassung  der  Inschrift  ein  von  dem  Gau 
verschiedenes  städtisches  Gemeinwesen  gebildet  haben.  Gewiss  hat 
zu  der  immer  fortschreitenden  Barbarisirung  der  Legionen  auch  das 
mit  gehört,    dass  in  der   bezeichneten   Weise  unter  Eludirung  der 


1)  Hiefür  kommt  namentlich  die  merkwürdige  von  Hirschfeld  (gall.  Stud. 
S.  33)  kürzlich  entwickelte  Organisation  der  Vocontier  in  Betracht.  Diese,  im 
Rechtssinne  civitas,  hatte  Hauptorte  nicht  blos  einen,  sondern  zwei  oder  drei, 
Lucus  Augusti,  Vasio  und  Dea,  anfänglich  offenbar  blosse  Flecken  mit  factischer 
Stadtentwickelung.  Aber  wenigstens  die  Vasienses  haben  hier,  wie  Hirschfeld 
richtig  erkannt  hat,  späterhin  wenigstens  eine  ähnliche  Stellung  eingenommen 
■wie  die  Äventicenses  bei  den  Helvetiern. 

6* 


84  Die  Conscriptionsordnurig  der  römischen  Kaiserzeit. 

augustischen  Ordnung  die  Gemeinden  mit  Gauverfassung  für  den 
69  Legionsdienst  mit  herangezogen  worden  sind.  Es  muss  also  ein- 
geräumt werden,  dass  der  auf  einer  Prätorianer-  oder  Legionar- 
inschrift  genannte  Ort  eigentlich  eine  Stadtgemeinde  sein  sollte,  aber 
zuweilen  ein  Flecken  ohne  Stadtrecht  gewesen  ist,  so  dass  aus 
solchen  Erwähnungen  nicht  mit  Sicherheit  auf  das  Vorhandensein 
eines  städtischen  Gemeinwesens  geschlossen  werden  kann. 

Der  dritte  der  oben  aufgestellten  Sätze,  dass  jede  Gemeinde, 
die  als  Conscriptionsbezirk  auftritt,  latinisches  oder  peregrinisches 
Recht  gehabt  hat,  unterliegt  weder  einem  Bedenken  noch  einer 
Ausnahme ;  ob  unter  den  Gemeinden,  nach  welchen  Auxilien  benannt 
sind,  sich  in  der  That  solche  befunden  haben,  die  damals  latinisches 
Recht  hatten,  wie  vielleicht  die  der  Vocontier,  ist  principiell  von 
keinem  Belang.  Selbstverständlich  ist  da,  wo  ein  grösserer  District 
genannt  wird,  die  Peregrinität  nur  a  poiiori  zu  verstehen;  die  Alen 
und  Cohorten  der  Gallier  schliessen  nicht  aus,  dass  Lugudunum 
römische  Bürgercolonie  war.  Ebenso  giebt  dieser  Satz  strengen 
Beweis  nur  für  die  Zeit  der  Einrichtung  der  betreffenden  Truppe; 
dass  die  Cohorte  der  Ubier  noch  im  zweiten  Jahrhundert  bestanden 
hat,  wird  für  die  Latinität  der  colonia  Claudia  Ära  Ägrippina  viel- 
leicht nicht  geltend  gemacht  werden  dürfen;  und  ähnlich  folgt  aus 
der  ala  Vocontiorum  mit  Sicherheit  nur,  dass  die  Vocontier  zu 
Augustus  Zeit  die  römische  Civität  entbehrten. 

Dagegen  der  letzte  jener  vier  Sätze,  dass  die  Heimathgemeinde 
des  einzelnen  peregrinischen  Soldaten  als  peregrinische  Gemeinde 
zu  gelten  hat,  ist  geeignet  sehr  ernstliche  Bedenken  zu  erwecken. 
"Wir  stehen  hier  vor  der  befremdenden  Thatsache,  dass  eine  Reihe 
von  Städten,  deren  Colonierecht  anderweitig  feststeht  und  die  zum 
Theil  in  den  betreffenden  Inschriften  selbst  als  Colonien  bezeichnet 
werden,  zu  peregrinischen  Truppenkörpern  zahlreiche  unzweifelhaft 
des  römischen  Bürgerrechts  entbehrende  Soldaten  gestellt  haben. 
Es  gilt  dies  zum  Beispiel  von  den  claudischen  Städten  Ära  Ägrippina, 
Celeia,  Virunum,  Savaria,  von  den  traianischen  Ulpia  Traiana  und 
Sarmizegetusa,  von  den  Colonien  Augusta  der  Treverer  und  Aventicura 
der  Helvetier.  Ich  habe  in  meiner  früheren  Darlegung  (in  dieser 
Zeitschrift  16,  458  f.  [Ges.  Sehr.  5,  402  f.])  die  Frage  in  Bezug  auf 
die  in  Italien  stationirten  Peregrinencorps  erörtert.  Bei  Erstreckung 
dieser  Untersuchung  auf  die  Peregrinentruppen  der  Provinzen  haben 
die  früher  gefundenen  Ergebnisse  sich  mir  nur  bestätigt.  Indem  ich  im 
Ganzen  auf  die  frühere  Darlegung  verweise,  fasse  ich  auf  Grund  des 
70  erweiterten  Fundaments  die  wesentlichen  Puncte  hier  kurz  zusammen. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  85 

Betrachten  wir,  um  an  einem  einzelnen  Falle  die  Sachlage 
deutlich  zu  machen,  die  relativ  zahlreichen  Steine  der  aus  Trier  und 
Köln  gebürtigen  Soldaten.  Beide  Städte  fallen  unter  die  oben 
bezeichnete  Kategorie.  Von  den  neun  Inschriften  gedienter  Treverer, 
die  ich  gefunden  habe,  fallt  eine  auf  eine  Legion,  falls  sie,  was 
zweifelhaft  ist,  in  der  That  die  Herkunft  angiebt,  sieben  auf  Auxilia, 
einer  auf  die  Kaiserreiter  ^.  —  Von  Köln  dagegen  besitzen  wir 
23  Inschriften  dort  gebürtiger  Soldaten,  von  welchen  16  auf  ver- 
schiedene Legionen,  je  eine  auf  die  coh.  XIII  urbana  von  Lyon  und 
die  coh.  XXVI  voluntariorum  civium  Romanorum,  eine  auf  die  ala 
Asturum,  vier  auf  die  equites  singulares  fallen.  Es  waren  die  Kölner 
also  vor  den  Trierern  im  Militärdienst  bevorzugt,  da  hier  die  Legionen 
und  was  diesen  ungefähr  gleich  steht  an  die  Stelle  des  Trierer 
Cohortendienstes  treten.  Auch  zu  dem  bevorzugten  Dienst  in  der 
Kaiserreiterei  sind  Kölner  öfter  gelangt  als  Trierer.  Aber  volles 
Bürgerrecht  muss  dennoch  der  einen  wie  der  andern  Stadt  abge- 
sprochen werden,  da  die  Aushebung  für  peregrinische  Truppen- 
theile  in  beiden  stattfindet.  Die  Rechtsverschiedenheit,  die  zwischen 
ihnen  offenbar  obwaltete,  scheint  vielmehr  darin  bestanden  zu  haben, 
dass  bei  dem  kaiserlichen  Dilectus  Köln  als  städtischer,  Trier  als 
Gaubezirk  behandelt  und  demnach  dort  mehr  für  die  Legionen,  hier 
mehr  für  die  Auxiha  ausgehoben  ward.  Dem  entsprechend  finden 
sich  auf  sämmtlichen  Inschriften  der  Trierer  als  Heimathbezeichnung 
die  Treveri,  ohne  dass  die  Augusta  Treverorum  je  in  dieser  Verbindung 
genannt  würde,  während  auf  sämmtlichen  Inschriften  der  Kölner  als 
Heimath  Claudia  Ära  (Agrippina)  genannt  wird  mit  der  einzigen  71 
Ausnahme  des  unter  den  Auxiliaren  dienenden  Reiters,  welcher  sich 
einen  Ubier  nennt  2. 


1)  Partus  Mutii  f.  eques  ala  Agripiana  natione  Trever  (Worms ;  Brambach 
893  [CLL.  Xin,  6235  =  Dessau  2503]).  —  L.  lul.  Apollinaris  Trever  eq.  alae 
Ai  .  .  .  (Lancaster;  C.  VH,  288).  —  Flavius  Attius  cives  Trever  eq.  ala  I  Can- 
n(inefatium) ;  bei  Wien;  III,  439 IJ.  —  Albanius  Vitalis  eq.  alae  Indianae  dvis 
Trever  (Köln;  Brambach  307  [C.  I.  L.  XIII,  8519]).  —  C.  Julius  Adari  f.  Primus 
Trever  eq.  alae  Noric.  (Calcar;  Brambach  187  [C.  I.  L.  XIII,  8670  =  Dessau  2523]). 
—  Silvanus  Loupi  f.  Trever  eq.  ala  Vocont.  (UnteVgermanien ;  Brambach  161  [C. 
I.  L.  XIII,  8655]).  —  Sex.  lulius  Primi  f.  Primus  Trevir  ex  equite  coh.  1  Thracum 
(Oberpannonien;  D.  XXXVI  [C.  I.  L.  III  p.  879]  vom  J.  138).  —  [Au]r.  .Paternus 
eq.  [sin]g.  Aug.  [nat]  Trever  (Rom;  Eph.  IV  n.  930  [C.  I.  L.  VI,  32799])  [vgl.  jetzt 
C.  I.  L.  III  S.,  14349*  und  XIII,  1  p.  583].  —  lustinius  Mercator  civis  Trever  vete- 
ranus  leg.  XXX  U.  v.  (Chälon-sur-Saone  Mur.  1088,  5  [C.  I.  L.  XIH,  2614])  kann 
das  Bürgerrecht  in  Trier  bei  oder  nach  der  Mission  erhalten  haben,  ist  also  viel- 
leicht kein  geborener  Trierer. 

2)  Albanus  Excingi  f.  eques  ala  Asturum  natione  übius.    Chälon-sur-Saone, 


§ö  Die  ConscriptionsordnuDg  der  römischen  Kaiserzeit. 

In  den  übrigen  Provinzen  lassen  sich  die  Aushebungsverhältnisse 
nicht  so  genau  verfolgen  wie  in  Germanien,  weil  hier  die  Scheidung 
der  Gaue  und  der  Städte  nicht  so  scharf  durchgeführt  und  nicht 
von  so  langer  Dauer  gewesen  ist  wie  dort;  die  peregrinische  Heimath- 
angabe wird  hier  schon  früh,  zum  Theil  von  jeher  auf  die  Provinz 
statt  auf  den  Gau  gestellt  und  welche  Gemeinde  bei  natione  Noricus 
oder  natione  Pannonius  gemeint  ist,  können  wir  nicht  erkennen. 
Indess  dieselben  Rechtsverhältnisse  w^alten  offenbar  auch  hier.  Von 
geborenen  Norikern,  die  im  Prätorium  oder  als  Legionare  gedient 
haben,  besitzen  wir  ganze  Reihen;  als  Heimath  wird  fast  ohne 
Ausnahme  die  einzelne  Stadtgemeinde  aufgeführt,  ohne  dass  Noricus 
daneben  oder  dafür  stände^.  Aber  andererseits  giebt  es  zwölf 
Inschriften  von  Norikern,  die  in  Alen  (2)  und  Gehörten  (1)  oder  in 
der  Kaiserreiterei  (9)  gedient  haben;  von  diesen  bezeichnen  sich 
sieben  als  Norici  schlechtweg,  drei  als  Noriker  mit  Beisetzung  der 
Stadt,  (Juvavum  1,  Virunum  2),  zwei  blos  nach  der  Stadtgemeinde 
(Celeia,  Virunum).  Ohne  Zweifel  haben  alle  diese  Individuen,  auch 
die,  welche  nur  Noriker  heissen,  in  einer  der  norischen  Städte 
Heimathrecht  besessen.  Ist  es  nicht  auch  hier  evident,  dass  die 
Verhältnisse  im  Salzburgischen  und  der  Steiermark  ähnlich  lagen 
wie  in  Köln,  die  Einwohner  bei  der  Aushebung  als  Nichtbürger 
behandelt  wurden,  aber  bei  entwickelter  städtischer  Organisation 
mehr  in  den  Legionen  und  in  der  Garde  gedient  haben  als  in  den 
peregrinischen  Corps,  und  dass,  wo  correct  geredet  wird,  jene  sich 
mit  der  domus,  diese  sich  mit  dem  Aequivalent  der  civitas  bezeichnen? 
Die  Form  der  Namen  der  in  den  Mchtbürgertruppen  dienenden 
72  Soldaten  ist  ungleich,  je  nachdem  dieselben  latinischen  oder  blos 
peregrinischen  Rechts  sind;  für  jene  wird  der  römische  Name  ohne 
Tribus,  für  diese  peregrinische  Namensform  gefordert^.  Dem  ent- 
sprechend nennt    die   Mehrzahl   der   Auxiliarier   sich  peregrinisch  ^ ; 

von  Hirschfeld  gesehen;   gedruckt  bei  Canat  inscr.  de  Chalon   p.  33  [C.  I.  L. 
XIII,  2613  =  Dessau  2509.  —  Vgl.  C.  I.  L.  XIII,  2  p.  505]. 

1)  Eine  Ausnahme  machen  zwei  ohne  Frage  nachseverische  Prätorianer- 
inschriften  VI,  2482:  oriund(us)  ex  provineia  Norica  und  VI,  2712:  nat.  Noricus; 
•wobei  zu  beachten  ist,  was  über  das  abusive  Eindringen  dieser  Redeweise  in 
die  Prätorianerinschriften  S.  54  bemerkt  ward.  Die  milites  leg.  VI  victrieis  cives 
Itdlici  et  Norici  der  englischen  Inschrift  (C.  VII,  1095)  stehen  natürlich  nicht 
entgegen.  Ich  hoffe  nichts  übersehen  zu  haben ;  übrigens  kommt,  wie  die  Dinge 
liegen,  hier  auf  einen  einzelnen  Fall  wenig,  alles  vielmehr  auf  den  regelmässigen 
Sprachgebrauch  an, 

2)  Hermes  16,  465  [Ges.  Sehr.  5,  409]. 

8)  Wir  kennen  einige  wenige  Soldaten,  die  als  Heimath  eine  Colouie  nennen 
und  dennoch  peregrinische   Namensform  zeigen.     Zwei   aus  Apulum  mit  bei- 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit,  87 

aber  nicht  wenige,  darunter  von  den  oben  aufgeführten  alle  Noriker, 
die  Kölner  bis  auf  den  einen  Auxiliarsoldaten  (S.  85  A.  2)  und  die 
meisten  Trierer  (S.  85  A.  1)  zeigen  das  römische  Gentilicium,  wo- 
gegen, abgesehen  von  den  wenigen  oben  (S.  44  A.  1)  aufgeführten 
Ausnahmen,  die  Tribus  allen  fehlt. 

Diese  seltsame  Discrepanz  der  Dienstform  und  des  Colonialrechts 
zeigt  bei  den  sicheren  Bürgercolonien  sich  nicht.  Bürger  einer  solchen 
sind  mit  einer  einzigen  auch  sonst  eigenthümlich  gearteten  Ausnahme  ^ 
mir  in  den  peregrinischen  Corps  nicht  vorgekommen;  Karthago, 
Tarraco,  Emerita,  lader,  Salonae,  Berytus  und  die  übrigen  Stadt- 
gemeinden dieser  Kategorie  sind,  so  weit  wir  überhaupt  Steine  dort 
geborener  Soldaten  besitzen,  obwohl  in  kaiserlichen  Provinzen  gelegen 
und  insofern  zur  Auxiliaraushebung  geeignet,  allein  in  der  Garde 
und  in  den  Legionen  vertreten.  Bei  der  Zahl  und  der  Bedeutung 
dieser  Städte  wird  auch  der  negativen  Wahrnehmung  Gewicht  bei- 
zulegen sein. 

Dies  etwa  sind  die  Thatsachen,  die  uns  hier  entgegentreten. 
Offenbar  kommt  hier  ein  eingreifender  Rechtsunterschied  zu  Tage 
derjenigen  Gemeinden,  deren  Angehörige  lediglich  in  der  Legion  73 
dienen,  und  derjenigen,  welche  Soldaten  zu  den  Peregrinencorps 
stellten,  und  zwar  ein  Rechtsunterschied,  der  die  Colonien  durchtheilt 
und  eine  beträchtliche  Zahl  derselben  in  die  zweite  formell  zurück- 
gesetzte Klasse  weist.  Es  muss  neben  den  Colonien  besseren  Rechts 
andere  geringeren  gegeben  haben,  die  zum  peregrinischen  Dienst 
herangezogen  worden  sind,  während  dies  für  jene  nicht  gilt.     Eine 


gesetztem  colonia  und  einer  aus  Siscia  sind  S.  44  A.  3  angeführt,  ebenso  der 
Ubier  S.  85  A.  2.  Unter  den  S.  84  A.  1  aufgezählten  Treverern  gehören  zwei  in 
diese  Reihe;  dazu  kommt  aus  Bath  (C.  VII,  36)  Peregrinus  Secundi  f.  civis  Tre- 
ver.  Man  kann  diese  Inschriften  unmöglich  alle  in  die  Zeit  setzen  vor  Grün^ 
düng  der  betreffenden  Colonien,  was  zum  Beispiel  bei  der  britannischen  Inschrift 
sich  von  selbst  verbietet.  Vielleicht  beruhen  sie  auf  Ignorirung  der  Consequenzen 
des  latinischen  Rechts.  Es  fehlt  nicht  ganz  an  gleichartigen  Fällen  bei  Legio- 
nären (S.  38  A.  1)  und  sogar  bei  Prätorianern  (C.  V,  361*,  deren  Echtheit  jetzt 
feststeht  [s.  Ephemer.  5  p.  246;  Pais  Supplem.  Ital.  1  n.  611];  C.  I.  G.  6416  [I.  G. 
XIV,  1661]).  Bei  den  aus  einer  Stadt  latinischen  Rechts  für  ein  Peregrinen- 
corps ausgehobenen  Mannschaften  kann  diese  Ignorirung  am  wenigsten  befremden. 
1)  Es  ist  dies  die  S.  44  A.  1  angeführte  Kölner  Inschrift  eines  C.  lulius  C. 
Galeria  Baccus  Luguduni  mil.  coh.  I  Thracum.  Unter  den  möglichen  Erklärungen 
dürfte  diejenige  am  wenigsten  Schwierigkeit  machen,  dass  der  Mann  das  Bürger- 
recht nebst  der  Tribus  und  der  Heimath  als  Soldat  erhalten  hat  (S.  75  A.  2>. 
Man  wird  in  diesen  Fragen  aber  immer  damit  rechnen  müssen,  dass  vereinzelte 
Ausnahmen  von  sonst  feststehenden  Regeln  unmöglich  ausbleiben  konnten  und 
also  auch  die  Regel  nicht  umstossen.  , 


§8  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 


i 


rechtliche  Zurücksetzung  war  dies   gewiss;    ob  eine   materielle,  ist 
fraglich.    Wenn  der  Bürger  der  Colonie  zweiter  Klasse,  zum  Beispiel 
von   Celeia,    für   das  Prätorium   und  die   Legion   ebenso   fähig  war    ^_ 
wie  der  Bürger  der  Colonie  erster  Klasse,  zum  Beispiel  von  Karthago,    IH 
für  den  peregrinischen  Dienst  aber  nur  jener,  nicht  dieser  genommen     ^ 
werden  konnte,  so  mag  die  Berechtigung  des  Celeianers  zum  Dienst 
in  der  Peregrinengarde  der   equites  singulares  seiner  Verpflichtung 
für   den  gemeinen  Auxiliardienst  wohl   die   Wage   gehalten   haben. 
Praktische    Nachtheile   in   anderer  Beziehung  kann  das   mangelnde 
Yollbürgerrecht  kaum  nach  sich  gezogen  haben,  da  jeder  vermögende 
und  angesehene  Bürger  dieser  Städte  nach  damaligen  Verhältnissen 
zum   persönlichen  Vollbürgerrecht    gelangen    konnte    oder  vielmehr 
gelangen  musste. 

Welcher  Art  nun  ist  diese  Rechtsverschiedenheit  gewesen?  Ich 
habe  in  meiner  früheren  Darlegung  keine  andere  Erklärung  dafür 
zu  finden  gewusst  als  die  auf  diesen  Inschriften  erscheinenden 
Heimathgemeinden,  so  weit  sie  durch  diese  selbst  oder  anderweitig 
als  Colonien  beglaubigt  sind^,  als  Colonien  latinischen  Rechts  auf- 
zufassen 2;  und  durch  die  jetzt  angestellte  umfassende  Untersuchung 
über  die  militärischen  Heimathangaben  hat  sich  mir  diese  Vermuthung 
74  nur  noch  weiter  als  wahrscheinlich  erwiesen^.  Allerdings  ist  es  mir 
nicht  gelungen,    für   diese   Ausführung   die   Zustimmung    desjenigen 

1)  Ich  habe  nicht,  wie  Hirschfeld  meint,  jede  Stadt,  aus  der  equites  sin- 
gulares oder  dassiarii  stammen,  für  eine  latinische  Colonie  erklärt,  sondern  nur 
für  eine  Stadt  peregrinischen  oder  latinischen  Rechts ;  für  die  letztere  Qualität 
bedarf  es  immer  noch  eines  besonderen  Beweises. 

2)  Das  ius  Italicum  kann  unmöglich  hier  herangezogen  werden.  Weder 
stimmt  das  Verzeichniss  der  mit  diesem  Vorrecht  ausgestatteten  Städte  zu  den 
nach  unseren  Ermittelungen  als  bevorrechtet  erscheinenden  Colonien,  noch 
erscheint  es  irgend  begreiflich ,  wie  aus  einer  colonia  civium  Bomanorum ,  der 
das  ius  Italicum  gefehlt  hat,  des  römischen  Bürgerrechtes  ermangelnde  Soldaten 
haben  hervorgehen  können. 

3)  Wenigstens  Erwähnung  verdient  noch,  einmal,  dass  auch  die  stadt- 
römischen vigiles  zunächst  als  Latiner  dienten,  das  heisst  also  bei  ihrem  Eintritt 
in  die  Truppe,  wenn  sie  Peregrinen  waren,  die  Latinität  empfingen  (UlpianS,  5); 
ferner  die  cohors  II  Tungrorum  miliaria  eq(uitata)  c(ivium)  L(atinorum)  der  In- 
schriften vom  Hadrianswall  (VII,  879  [Dessau  2554].  880.  882)  —  denn  diese  von  den 
englischen  Gelehrten  vorgeschlagene  Auflösung  der  sonst  nicht  begegnenden  Ini- 
tialen halte  ich  mit  Hübner  für  unabweisbar.  Sie  zeigt  wenigstens,  dass  noch  im 
dritten  Jahrhundert  —  die  Zeugnisse  sind  gewiss  alle  erst  aus  dieser  Zeit  und  die 
Benennung  selbst  auch  wohl  nicht  viel  älter  —  einzelnen  Truppen  wie  so  oft  die 
römische  Civität,  so  auch  die  Latinität  als  persönliche  Auszeichnung  gegeben 
worden  ist.  Für  die  Rechtsstellung  der  civitas  Tungrorum  folgt  daraus  natürlich 
die  Peregrinität. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  89 

Forschers  zu  finden,  auf  die  ich  am  meisten  hoffte.  Otto  Hirschfeld 
hat  in  seinen  kürzlich  erschienenen  'gallischen  Studien'  sich  meiner 
Auffassung  wohl  in  soweit  angeschlossen,  als  es  sich  um  die  persön- 
liche Rechtsstellung  der  in  den  peregrinischen  Corps  dienenden  Leute 
handelt^;  den  Rückschluss  aber  davon  auf  das  Recht  der  Heimath- 
gemeinde weist  er  ab. 

Aber  mit  dem  kleinen  Mittel,  dass  einzelne  Colonien  gewisse 
Dependenzen  geringeren  Rechts  gehabt  haben  mögen,  so  wie  die 
latinischen  Camunner  eine  Zeitlang  von  der  Bürgercolonie  Brixia 
abgehangen  haben,  kommt  man  diesem  umfassenden  Thatbestand 
gegenüber  nicht  aus.  Abgesehen  von  dem  Bedenken,  dass  von  der- 
gleichen Gemeinden  jede  Spur  mangelt  und  sie  lediglich  als  Noth- 
helfer  für  unsere  Forschung  zur  Existenz  gelangen,  ist  es  sehr 
unwahrscheinlich,  dass  der  Bürger  der  abhängigen  Gemeinde  sich 
civis  Trever  genannt  hat,  und  ganz  unmöglich  verhältnissmässig  so 
zahlreiche  Zeugnisse  von  der  Hauptgemeinde  ab  auf  eine  kleinere 
dafür  erdachte  abzuwälzen^.  Aber  gesetzt  es  wäre  möglich;  gesetzt  75 
die  Gemeinde  der  Helvetier  hätte  aus  zwei  Kategorien  bestanden, 
den  Stadtbürgern  von  Aventicum  römischen  Bürgerrechts  und  den 
Helvetiern  der  viel  latinischen  oder  peregrinischen ;  gesetzt  man  Hesse 
es  sich  gefallen,  dass  beide  Kategorien  dennoch  als  cives  Helvetii 
zusammengefasst  werden  könnten;  ist  damit  etwas  anderes  gewonnen 
als  dass  durch  eine  schlechthin  zeugniss-  und  bodenlose  Combination 
im  Ergebniss  wesentlich  dasselbe  erlangt  wird,  was  das  wohl  bezeugte 
und  rechtlich  fundirte  Institut  der  latinischen  Colonie  auch  gewährt? 

1)  'Es  werden',  sagt  Hirschfeld  S.  59,  'die  in  diese  Corps'  (die  Flotte  und 
Idie  eq.  sing.),  'eingereihten  Soldaten  ausschliesslich  aus  Gemeinden  peregrinischen 
j 'Rechts  ausgehoben  sein  und  in  der  Regel  erst  beim  Eintritt  in  den  Dienst  eine 
''der  latinischen  ähnliche,  wenn  auch  nicht  identische  Rechtsstellung  erhalten 
'haben'.  Das  ist  im  Wesentlichen  meine  Ansicht,  nur  dass  Hirschfeld  die  Zu- 
lässigkeit  derartiger  Aushebung  aus  einer  latinischen  Gemeinde  bestreitet,  wofür 
lieh  den  Grund  nicht  einsehe,  und  für  das  latinische  Recht  ein  dem  latinischeu 
ähnliches  substituirt,  welches  ich  nicht  kenne  und  mit  unserer  juristischen 
üeberlieferung,  welche  nur  cives,  Latini  und  peregrini  kennt,  nicht  in  Einklang 
'M  bringen  vermag. 

2)  Ich  habe  dieses  Auswegs  früher  gedacht  (16,  475  [Ges.  Sehr.  5,  419]), 
iber  ihn  abgewiesen,  weil  seine  Unzulänglichkeit  gegenüber  der  Masse  der 
nstanzen  schon  damals  deutlich  vorlag.  Hirschfeld  (gall.  Studien  S.  58)  hat  ihn 
Moder  aufgenommen,  ohne  ihn  besser  zu  fundiren.  Auch  für  die  Rauriker,  wo 
«h  eine  solche  Erklärung  wenigstens  als  möglich  hingestellt  hatte  (16,  482 
U es.  Sehr.  5,  425]),  kann  sie  schwerlich  gelten;  diese  Colonie  des  Plancus  muss 
volil  neben  der  civitas  der  Rauriker  gestanden  haben  wie  die  colonia  Equestris 
eben  der  civitas  der  Helvetier. 


90  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

Denn  dieses  bestand  ja  dem  Wesen  nach  darin,  dass  die  Decurionen- 
familien  auf  Grund  personalen  Privilegs  als  römische  Yollbürger,  die 
Plebejer  nach  latinischem  Recht  lebten.  Suchen  wir  nicht  mit 
solchen  Hypothesen  in  der  That  nach  dem,  was  wir  bereits  in  der 
Hand  haben? 

Noch  einen  anderen  "Weg  hat  Hirschfeld  eingeschlagen,  um  den 
früher  dargelegten  Zeugnissen  Gewicht  zu  nehmen:  er  versucht  die 
rechtlichen  Heimathangaben  der  Militärinschriften  zu  factischen  Be- 
zeichnungen des  Geburtsortes  zu  degradiren.  Es  ist  ganz  richtig, 
was  Hirschfeld  sagt,  dass  es  'in  jeder  Colonie  zahlreiche  Einwohner 
'gab,  die  nicht  als  Vollbürger  der  Gemeinde  angehörten,  die  aber 
'trotzdem  mit  gutem  Recht  als  ihren  Geburtsort  diese  Stadt 'nennen 
'durften' ;  ein  Peregrine,  der  in  Sirmium  als  incola  lebte,  konnte  dort 
Kinder  peregrinischen  Rechtes  zeugen  und  diese  mit  Recht  sich 
bezeichnen  als  geboren  in  Sirmium.  Aber  kann  ein  solches  Kind 
genannt  werden  natione  Pannonms,  domu  Flavia  Sirmio,  wie  es  bei- 
spielsweise auf  einem  der  fraglichen  Steine  (VI,  3184)  lautet?  Ich 
meine  oben  (S.  54)  genauer  gezeigt  zu  haben,  was  dies  heisst  und 
wie  die  natio  hieher  gekommen  ist.  Aber  mag  man  immer  in  diese 
auch  in  den  Militärinschriften  den  Sinn  hineinlegen,  der  ihr  auf  den 
Sclaveninschriften  sicher  zukommt,  das  heisst  den  der  rein  thatsäch- 
lichen  Bezeichnung  der  Herkunft;  wo  die  domus  steht  oder  über- 
haupt die  Stadtgemeinde  gesetzt  ist,  da  ist  ausser  allem  Zweifel 
nicht  der  ganz  gleichgültige  Geburtsort  gemeint^,   sondern  die  origo 

1)  Die  Angabe  des  Geburtsorts  ist  auf  Inschriften  fast  so  selten  wie  die 
des  Sterbeorts.  Sichere  Fälle  geben  die  Inschrift  aus  Rom  VI,  3297:  ex  Pari' 
(nonia)  sup(eriore)  natus  ad  aquas  Balisas  pago  lovista  vic(o)  Coc  .  .  netibus;  die 
von  Trier  Brambach  787  [C.  I.  L.  XIII,  3684]:  genitus  in  Asia  Trallis,  defunctus 
Aug(ustae)  Tr(everorum)  —  wohl  die  einzige  übrigens,  auf  der  der  Stadtname  von 
Trier  begegnet  [s.  jedoch  C.  I.  L.  XIII,  1  p.  583]  — ;  die  von  Capua  X,  4430:  na[tus 
....  mö]ritur  Capuae;  wahrscheinlich  auch  die  oben  S.  54  A,  1  angeführte  eines 
natus  in  Panonia  inferiore,  domo  Briget[i\one  at  legion€(m)  prima(m)  at[i]utri(cem), 
wo  übrigens  recht  handgreiflich  hervortritt,  wie  unerlaubt  es  ist  auf  den  Inschriften 
dieser  Art  die  domus  anders  als  vom  Heimathort  zu  verstehen.  Dazu  kommen 
vielleicht  noch  Fälle  wie  VI,  3290:  natus  in  Ger(mania)  sup(eriore)  und  VI,  3266: 
nat(us)  ex  Pann.  imf.;  wahrscheinlich  aber  ist  auch  hier  die  origo  gemeint  und 
nur  wegen  der  Schwierigkeit  dabei  Ober-  und  Unterpannonien  zu  scheiden  ein 
ungeschickter  Ausdruck  für  das  gewählt,  was  anderswo  sachlich  und  sprachlich 
correct  bezeichnet  wird  mit  oriund(us)  ex  pronn(cia)  Pann(onia)  imf(eriwe)  (S.  48 
A.  3)  oder  sprachlich  schlecht,  aber  sachlich  richtig  mit  natione  Pannoniae 
superiore  C(laudis)  Savaris  vico  Voleucinis  (VI,  3300,  hier  nach  Hirschfelds  richtiger 
Lösung  der  Abkürzung)  oder  n.  Pannonia  sup.  (VI,  2521).  Auch  hier  zeigt  sich 
wieder  auf  das  Deutlichste,  dass  im  Ganzen  genommen  alle  diese  Angaben 
nicht  den  Geburtsort,  sondern  die  origo  betreffen. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  9i 

der  Juristen,  die  zur  Rechtsstellung  der  Person  und  demnach  zum  76 
vollen  Namen  wesentlich  mit  gehört.  Wie  kann  man  vergessen,  dass 
oft  sogar  oriundus  in  dieser  Verbindung  steht  (S.  55  A.  1),  das  doch 
geradezu  auf  die  oriyo  hinweist,  oder  die  ausdrückliche  Angabe,  dasg 
in  den  Militärinschriften  die  nomina  cum  trihubus  et  patriis  ^  ver- 
zeichnet werden?  Die  domus  steht  auf  Sclaveninschriften  nie,  und 
wenn  domo  Brixia  den  Legionär  zweifellos  als  einen  der  cives 
Brixiani  bezeichnet,  wie  kann  man  da,  wo  eine  solche  domus  als 
Heimath  unbequem  erscheint,  sie  kurzweg  als  Geburtsort  bei  Seite 
schieben?  Und  gelten  die  zahlreichen  Stadtangaben  dieser  Art 
sämmtlich  Peregrinen,  die  zufällig  in  Vollbürgergemeinden  zur  Welt 
gekommen  sind,  welcher  sonderbarste  aller  Zufälle  hat  es  herbei-r 
geführt,  dass  bei  diesen  zufälligen  Geburten  alle  italischen  Städte, 
alle  Städte  älteren  und  zweifellos  vollen  Colonialrechts  sorgfältig 
vermieden  worden  sind  und  die  betreffenden  Personen  ohne  irgend 
eine  Ausnahme  sich  Städte  entweder  peregrinischen  Eechts  oder 
seiner  Art  nach  unbestimmten  Colonialrechts  ausgesucht  haben,  um 
dort  geboren  zu  werden? 

Dass  diese  Annahme,  insonderheit  die  Auffassung  jener  zahl- 
reichen und  wichtigen  unbestritten  zu  Colonialrecht  gelangten  Städte 
als  Colonien  latinischen  Rechtes  zwar  Schwierigkeiten  hebt,  aber 
nicht  minder  andere  erzeugt,  habe  ich  seiner  Zeit  hervorgehoben, 
ohne  damals  im  Einzelnen  auf  diese  Bedenken  weiter  eingehen  zu  77 
wollen.  Hirschfeld  hat  jetzt  (gall.  Studien  S.  51  f.)  die  wesentlichsten 
derselben  zusammengestellt;  es  ist  mir  dies  eine  erwünschte  Gelegen- 
heit, meine  frühere  Ausführung  zu  ergänzen. 

Dass  Plinius  in  seiner  Chorographie  die  coloniae  als  Gegensatz 
zu  den  Städten  latinischen  Rechts  behandelt  und  durchgängig  unter 
jenen  die  coloniae  civium  Romanorum  versteht,  ist  unbestritten,  aber 
auch  mit  jener  Darlegung  insofern  nicht  im  Widerspruch,  als  die 
Quellen  dieser  Chorographie  die  latinischen  Colonien  durchgängig 
|nach  dem  älteren  Sprachgebrauch  nur  als  Städte  latinischen  Rechts 
behandeln,  wie  dies  zum  Beispiel  bei  Nemausus  zweifellos  geschieht. 
Die  Colonien  bei  Plinius  sind  also  durchgängig  die  coloniae  civium 
llomanorum.  Demnach  hätte  er  freilich  zum  Beispiel  bei  Pannonieij 
(3,  25,  148)  nicht  so  ohne  weiteres  Emona  und  Siscia  als  Colonien 
zusammenstellen  sollen,  wenn  allein  die  erstere  das  römische  Bürger- 
echt  gehabt  hat;  aber  es  ist  begreiflich,  dass  er  es  dennoch  gethan 
lat.     Flavia  Siscia   erhielt  Colonialrecht  erst  durch  Vespasian;   die 


1)  C.  VI,  793  [Dessau  505]. 


92  Die  Conscriptionsordüung  der  römischen  Kaiserzeit. 

Notiz  darüber  ist  also  Nachtrag  des  Plinius,  ohne  Zweifel  aus  eigener 
Kunde ;  dass  Plinius  die  Rechtsungleichheit  der  beiden  coloniae  nicht 
hervorgehoben  hat,  ist  eben  eine  jener  Nachlässigkeiten,  wie  sie  bei 
dem  Zusammentragen  aus  verschiedenen  Quellen  ihm  nur  zu  oft  in 
viel  schlimmerer  Weise  begegnet  sind. 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  einer  anderen  Notiz  desselben 
Schriftstellers,  die  Mauretanien  betrifft  (5,  2,  20):  Caesarea  a  divo 
Claudio  coloniae  iure  donata  eiusdem  iussu  deductis  veteranis  Oppidum 
Novum  et  Latio  dato  Tipasa,  itemque  a  Vespasiano  imp.  eodem  munere 
donatum  Icosium,  colonia  Äugusti  Rusguniae,  Husuciirium  civitate 
honoratum  a  Claudio.  Caesarea  gehört  zu  den  in  Frage  stehenden 
Golonien;  ob  auch  Rusguniae,  ist  fraglich.  Aber  mag  dies  auch 
nicht  der  Fall  sein;  wenn  Plinius  die  eine  Stadt  eine  claudische,  die 
andere  eine  augustische  Colonie  nennt,  so  können  sie  darum  immer 
noch  Colonien  verschiedenen  Rechts  gewesen  sein;  und  wenn  er 
colonia  und  Latium  hier  in  Gegensatz  bringt,  so  hindert  dies  nicht, 
unter  jener  eine  latinische  zu  verstehen,  so  wenig  wie  der  Gegensatz 
von  colonia  und  civitas  hindert  jene  als  Bürgercolonie  zu  betrachten. 
Das  Latium  kann  auf  das  tnunicipium  iuris  Latini  bezogen  werden. 
Ueberhaupt  aber  ist  nichts  gefährlicher  als  einen  Schriftsteller  vom 
Schlage  des  Plinius  so  zu  interpretiren,  wie  wenn  Caesar  die  Worte 
geschrieben  hätte. 
78  Auf  das  Entschiedenste  soll   gegen  meine  Hypothese  sprechen, 

dass  Tacitus  (ann.  12,  27)  in  Beziehung  auf  die  Gründung  von  Köln 
die  Wendung  braucht  veteranos  coloniamque  deduci.  Warum?  Diese 
Veteranen  waren  freilich  römische  Bürger;  und  gewiss  sind  noch 
zahlreiche  andere  jener  Colonien  aus  Yeteranen  gebildet  oder  diese 
doch  bei  deren  Gründung  wenigstens  stark  betheiligt  worden.  Aber 
können  diese  Veteranen  darum  nicht  in  eine  latinische  Colonie 
deducirt  sein?  Bei  denjenigen  des  älteren  Rechts  wurden  Römer 
nur  zugelassen,  wenn  sie  ihr  Bürgerrecht  aufgaben;  vielleicht  galt 
diese  Regel  auch  später  noch,  und  was  die  Veteranen  damit  auf- 
gaben, war  durch  andere  handgreiflichere  Beneficien  leicht  zu 
ersetzen.  Es  kann  aber  auch  diese  Gemeinde  latinisches  Recht 
erhalten  haben  und  doch  den  Veteranen,  die  ihren  Stamm  bildeten, 
ihr  volles  Bürgerrecht  geblieben  sein;  dies  wäre  nicht  auffallender 
als  die  auxilia  civium  Romanorum  peregrinischen  Rechts,  welche 
zur  Zeit  der  Beilegung  dieses  Titels  für  die  gesammte  Mannschaft 
personales  Vollbürgerrecht  empfingen  und  in  welche  dennoch  nur 
Peregrinen  aufgenommen  wurden.  Dass  die  Colonie  nicht  aus- 
schliesslich,   ja   nicht    einmal   vorwiegend    aus   Veteranen    bestand. 


I 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Eaiserzeit.  93 

sondern  die  bisherigen  Einwohner  blieben,  geht  aus  den  Berichten^ 
auf  das  Deutlichste  hervor. 

Mehrere  der  fraglichen  Colonien,  zum  Beispiel  Agrippina  und 
Sarmizegetusa,  haben  im  dritten  Jahrhundert  italisches  Eecht  gehabt; 
aber  worauf  beruht  es,  dass  diese  Städte  'ohne  Zweifel  bereits  vor- 
her römische  Bürgercolonien  gewesen  sind*?  Um  das  auszusprechen, 
müsste  man  doch  erst  wissen,  was  das  italische  Recht  gewesen  ist, 
und  das  ist  nicht  der  Fall.  Bezog  sich  dasselbe,  wie  es  scheint, 
auf  privatrechtliche  Gleichstellung  des  betreffenden  Territoriums  mit 
dem  sohim  Italicum,  so  wäre  dafür  das  volle  Bürgerrecht  keines- 
wegs die  nothwendige  Voraussetzung,  da  privatrechtlich  zwischen 
dem  civis  Romanus  und  Latinus  längst  volle  Gleichheit  gilt  und 
die  Beilegung  besseren  Bodenrechts  auch  der  Halbbürgergemeinde 
gewährt  werden  konnte. 

Dass  'wohlbegründete  Bedenken'  gegen  jene  Auffassung  sich 
erheben  lassen,  habe  ich  anerkannt,  schon  als  ich  sie  vorbrachte; 
hier  ist  der  Versuch  gemacht,  ohne  zu  verschweigen  oder  zu  ver- 
tuschen, sie  nach  Hirschfelds  Ausführungen  zu  erörtern,  und  wie  ich 
hoffe,  sie  zu  beseitigen.  Meiner  Ansicht  nach  ist  ein  zwingendes  79 
Argument  gegen  meine  Auffassung  darin  nicht  enthalten,  und  die 
für  diese  sprechenden  Gründe  werden  dadurch  nicht  erschüttert. 

Dass  die  Rechtskategorie  der  Latiner  und  auch  die  der  lati- 
nischen Colonien  bis  in  die  spätere  Kaiserzeit  hinein  fortbestanden 
hat,  bedarf  des  Erweises  nicht;  es  genügt  in  dieser  Hinsicht  an  die 
unbestritten  latinische  colonia  Augiista  Nemausus  der  Münzen  und 
der  Inschriften  zu  erinnern.  "Warum  sollen  Köln  und  Trier  nicht 
gleichen  Rechts  gewesen  sein  wie  Nimes?  Dabei  kommt  noch  für 
die  Kaiserprovinzen  eine  praktisch  wichtige  Erwägung  in  Betracht. 
In  denen  des  Senats,  wo  nur  für  die  Legion  ausgehoben  werden 
konnte,  war  es  allerdings  für  die  Regierung  insoweit  gleichgültig, 
ob  die  Gemeinde  Bürger-  oder  latinisches  Recht  hatte;  sie  hatte 
nur  etwa  ein  Interesse  daran  die  nicht  städtischen  Gemeinden  als 
städtische  zu  gestalten  oder  doch  zu  behandeln  (S.  80).  Aber  in 
der  Kaiserprovinz  durfte  die  Bürgercolonie  bei  dem  Dilectus  nur  für 
die  Legion  herangezogen  werden,  der  Gau  von  Rechtswegen  nur 
für  die  Auxilia,  die  Colonie  latinischen  Rechts  je  nach  dem  Belieben 
der  Regierung  für  die  Legion  wie  für  die  Auxilia.  Der  Satiriker 
spottet,  dass  Kaiser  Claudius  beschlossen  gehabt  habe  die  Toga  allen 
Griechen,  Spaniern,  Galliern  und  Britannern  zu  verleihen,  und  denkt 


1)  Tacitus  bist.  4,  28.    Germ.  28. 


94  Die  Conseriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

dabei  ohne  Zweifel  in  erster  Reihe  an  die  Umwandlung  des  Gaus 
der  Ubier  und  wohl  auch  derjenigen  der  Treverer  sowie  des  ganzen 
Noricum  und  des  westlichen  Pannonien  in  claudische  Colonien.  Aber 
die  Toga  trägt  von  Rechtswegen  auch  der  Latiner;  und  schwerlich 
hat  der  wunderliche  Kaiser  vergessen,  was  Germanien  und  Noricum 
im  Dilectus  bedeutete.  Nicht  etwa  wegen  antiquarischer  Lieb- 
habereien hat  er  hier  überall  latinisches  Stadtrecht  eingeführt,  son- 
dern darum,  weil  dieses  der  Regierung  für  den  Dilectus  durchaus 
freie  Hand  gab  und  es  damit  möglich  ward  diese  Districte  für  die 
Legionen  und  die  Garde  heranzuziehen,  während  es  zugleich  zulässig 
blieb  die  Auxilia  von  dort  zu  recrutiren. 

210         V.    Die   Standquartiere    der   Auxilien   im  Yerhältniss 

zu   ihrer  Heimath. 

Wenn  aus  dem  der  Auxiliartruppe  bei  ihrer  Constituirung  bei- 
gelegten Ethnikum  mit  Sicherheit  geschlossen  werden  darf,  dass  sie 
in  dem  durch  den  Namen  bezeichneten  Gebiet  gebildet  worden  ist, 
also  die  dla  p~ima  Thracum,  die  cohors  prima  Hispanorum  an- 
fänglich ausschliesslich  oder  mindestens  überwiegend  aus  Thrakern 
und  Spaniern  bestanden  hat,  so  folgt  daraus  zunächst  noch  nichts 
weder  für  die  weitere  Rekrutirung  noch  für  das  ursprüngliche  Stand- 
quartier. 

Man  trennt  sich  schwer  von  der  Vorstellung,  dass  die  in  solcher 
Weise  benannte  Truppe  wenigstens  längere  Zeit  in  ihrer  Zusammen- 
setzung ihrem  Namen  entsprochen  habe.  In  der  That  kann  man 
dafür  geltend  machen,  dass  es  seltsam  gewesen  wäre  einer  stehenden 
Truppe,  die  nur  bei  ihrer  Einrichtung  aus  Thrakern  zusammengesetzt 
war,  nicht  aber  bleibend  aus  solchen  zusammengesetzt  werden  sollte, 
den  Thrakernamen  beizulegen;  und  es  soll  dieser  Erwägung  ihr 
Gewicht  nicht  abgesprochen  werden.  Aber  dass  die  römische 
Regierung  militärische  oder  politische  Gründe  dafür  gehabt  hat  in 
den  Auxilien  die  Völkerschaften  der  Regel  nach  geschlossen  zu- 
sammenzuhalten, ist  sehr  zweifelhaft.  Die  nationale  Geschlossenheit 
der  einzelnen  Truppe  kann  ihr  vielmehr  in  zahlreichen  Fällen  gleich- 
gültig gewesen,  in  manchen  unbequem  und  bedenklich  erschienen 
sein.  Die  Zeugnisse,  die  uns  für  die  Heimath  der  einzelnen  Auxiliar- 
soldaten  vorliegen^,  zeigen  wohl  bei  einzelnen  Truppen,  namentlich 
den  Dalmatinern  und  den  Syrern,  eine  der  ursprünglichen  Heimath 
entsprechende    Rekrutirung,    welche    hier    auch    aus    militärischen 

1)  Eph.  epigr.  V  p.  235  f.  sind  dieselben  zusammengestellt. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  95 

Oründen  sich  leicht  erklärt  (S.  58),  im  Allgemeinen  aber,  obwohl  211 
für  keine  einzige  Truppe  Zeugnisse  in  genügender  Anzahl  vorliegen, 
um  vollen  Beweis  zu  geben,  eher  das  Gegentheil.  Um  nicht  auf 
Orund  verkehrter  Prämissen  in  die  Irre  zu  gehen,  wird  man  die 
fraglichen  Benennungen  nur  für  die  Entstehungszeit  einer  jeden 
Truppe  als  vollgültig  beweisend  ansehen  dürfen.  Nur  so  lange  eine 
Truppe  nachweislich  in  ihrer  Heimath  oder  auch  in  einem  benach- 
barten neu  eroberten  Gebiet  verwendet  wird,  wird  gleichartige 
Kekrutirung  unbedenklich  angenommen  werden  können.  Die  acht 
batavischen  Cohorten,  die  ohne  Zweifel  in  dem  Jahr  der  Eroberung 
Britanniens  43  n.  Chr.  mit  ihrer  Legion  nach  der  Insel  gegangen 
waren,  bestanden  noch  im  J.  68  wesentlich  aus  Batavern;  also  hat 
man  dieser  hervorragenden  Truppe  auch  nach  der  Verlegung  aus 
Oermanien  entsprechende  Rekruten  zugeführt  und  am  wenigsten  in 
•dieselbe  die  unterworfenen  Britten  eingestellt. 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  dem  Standquartier.  Man  pflegt 
anzunehmen,  dass  dasselbe  ursprünglich  dem  Aushebungsbezirk  an- 
nähernd entspricht;  und  allerdings  sind  mancherlei  Erwägungen 
■dieser  Annahme  günstig.  Rechtlich  ruht  die  Auxiliaraushebung  auf 
der  Befugniss  des  Statthalters  die  Waffenfähigen  seiner  Provinz  zum 
Dienst  einzuberufen;  konnte  auch  dem  Kaiser  das  Recht  nicht 
bestritten  werden,  da  er  die  Statthaltergewalt  zugleich  am  Rhein 
und  am  Euphrat  übte,  die  Bataver  hier  und  die  Syrer  dort  hin  zu 
legen,  so  lief  eine  derartige  Verlegung  doch  dem  regelmässigen  Gang 
der  Verwaltung  entgegen.  Oekonomische  wie  sanitäre  Rücksichten 
empfahlen  die  Verwendung  des  Soldaten  in  seiner  Heimath;  und 
auch  militärisch  und  administrativ  musste  es  Schwierigkeit  haben 
einer  Tnippe  Cantonnements  zuzuweisen,  wo  Landessprache  und 
Landessitte  dem  einzelnen  Soldaten  fremd  war.  Vermuthlich  traf 
•dies  die  Auxilien  noch  mehr  als  die  Legionen;  diese,  überwiegend 
in  den  Hauptlagern  zusammengehalten,  mochten  als  grössere  Massen 
mit  zahlreichen  Offizieren  und  beträchtlichem  Tross  sich  auch  im 
fremden  Land  einigermassen  selbst  genügen,  während  die  grossen- 
theils  für  die  kleineren  Lager  verwendeten  Alen  und  Gehörten^ 
mehr  auf  Verkehr  mit  den  Umwohnern  angewiesen  waren.  —  Aber 
diese  Erwägungen  wurden  durch  entgegenstehende  gekreuzt  und  für 
den  einzelnen  Fall  oftmals  beseitigt.  Diejenigen  kaiserlichen  Pro-  212 
vinzen,  welche  keine  oder  geringe  Besatzung  hatten,  zum  Beispiel 
\(|uitanien,    die   Lugdunensis,    späterhin    Dalmatien,    gaben    selbst- 

1)  Dies  tritt  oft  hervor,  sehr  deutlich  bei  Tacitus  ann.  14,  38. 


96  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

verständlich  ihre  Auxilien  anderswohin  ab.  Dass  die  Bogenschützen 
für  die  ganze  Armee  von  dem  Osten,  besonders  von  Syrien  gestellt 
wurden,  hat  mehrere  Corps  von  dort  nach  dem  Westen  geführt 
(S.  58).  In  denjenigen  Provinzen,  welche  in  der  Kaiserzeit  mit  den 
Waffen  unterworfen  wurden  und  dann  Besatzung  erhielten,  wie  Bri- 
tannien, Judaea,  Dacien,  lag  es  am  nächsten  denjenigen  Legionen, 
welche  in  dem  unterworfenen  Gebiet  zu  garnisoniren  bestimmt  wurden, 
ihre  bisherigen  Auxilien  zu  belassen.  Vor  allem  entscheidend  aber 
sind  die  politischen  Rücksichten.  Völkerschaften,  die  erst  kürzlich 
unterworfen  waren  oder  denen  man  sonst  nicht  traute,  wird  man 
nicht  mit  den  bei  ihnen  ausgehobenen  Truppen  belegt  haben;  wie 
denn  die  bei  den  Usipern  am  rechten  Rheinufer  im  J.  82  ausgehobene 
Gehörte  sogleich  nach  Britannien  gesandt  ward  ^.  Alles  erwogen  muss 
man  darauf  verzichten  hier  nach  einer  allgemeinen  und  dauernden 
Ordnung  auch  nur  zu  suchen.  Anderntheils  aber  liegt  es  auf  der 
Hand,  dass  die  ursprüngliche  Dislocation  der  einzelnen  Auxilien  von 
geschichtlichem  Interesse  und  es  für  die  Behandlung  der  einzelnen 
Provinz  durch  die  römische  Regierung  von  Wichtigkeit  ist  festzu- 
stellen, bis  zu  welchem  Grade  ihre  Auxilien  in  ihr  selbst  Verwendung 
gefunden  haben.  Diese  Ermittelung,  welche  in  den  kürzlich  vor- 
gelegten Untersuchungen  über  die  Conscriptionsordnung  der  Kaiser- 
zeit blos  gestreift  worden  ist  (S.  37  A.  2),  ist  freilich  bei  der 
Beschaffenheit  unseres  Materials  nur  in  beschränktem  Umfang  durch- 
führbar. Wo  specielle  Kriegsberichte  aus  der  früheren  Kaiserzeit 
sich  erhalten  haben,  wie  für  die  Kämpfe  am  Rhein  im  Vierkaiserjahr 
und  für  den  jüdischen  Krieg  unter  Nero  und  Vespasian,  geben  diese 
der  Untersuchung  einigen  Anhalt;  aber  solcher  Erzählungen  haben 
wir  wenig  genug.  Auch  das  für  dieselbe  brauchbare  inschriftliche 
Material  ist  spärlicher  als  zu  wünschen  wäre.  Da  nach  dem  früher 
Bemerkten  nur  dieVergleichung  des  ältesten  bekannten  Standquartiers 
mit  dem  Heimathbezirk  der  Truppe  in  Betracht  kommt,  so  sind  die 
Zeugnisse  aus  der  Zeit  nach  dem  ersten  Jahrhundert  von  geringem 
Gewicht;  denn  bei  den  vielfachen  Verlegungen  der  Legionen  mit 
den  Auxilien  zugleich  so  wie  dieser  allein  wird  der  Schluss  auf 
213  das  ursprüngliche  Standquartier  mit  dem  Absteigen  der  Zeit  immer 
unsicherer  und  späterhin  fast  unzulässig.  Aus  älterer  Zeit  aber  sind 
der  Militärdiplome,  die  allein  eine  gewisse  Uebersicht  der  provinzialen 
Auxilien  gewähren,  nur  allzu  wenig  —  aus  der  julisch-claudischen 
Epoche   haben    wir   vollständig    nur    ein    einziges  dieser   Kategorie. 


1)  Tacitus  Agric.  28.    Vgl.  oben  S.  59. 


d 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  97 

Die  sonstigen  hieher  gehörigen  inschriftlichen  Zeugnisse  liegen  jetzt 
wenigstens  gesammelt  vor^.  Die  vollständige  Sichtung  derselben, 
die  noch  aussteht,  wird  vielleicht  weitere  Beobachtungen  ergeben; 
was  ich  bis  jetzt  gefunden,  theile  ich  hier  mit  nach  der  Marquardt- 
schen  Reihenfolge  der  Provinzen.  Die  inermes  fallen  selbstverständlich 
alle  aus  und  auch  sonst  manche,  über  die  ich  nichts  Bemerkenswerthes 
vorzubringen  habe,  wie  insbesondere  Lusitanien,  die  Tarraconensis, 
Noricum,  Syrien,  Africa,  beide  Mauretanien,  für  welche  alle  bis  jetzt 
Militärdiplome  mit  Aufzählung  der  Auxilien  fehlen.*)  "Wo  die  Belege 
in  der  eben  angeführten  Zusammenstellung  enthalten  sind,  sind  die 
Citate  in  dieser  Uebersicht  weggelassen. 

Sardinien  nebst  Corsica  hat  überwiegend  einheimische  Be- 
satzung gehabt:  in  den  J.  88  und  96  finden  wir  dort  die  beiden 
Gehörten  /  gemina  Sardorum  et  Corsorum  und  //  gemina  Ligurum 
et  Corsorum,  und  diese  dürften  schon  von  Augustus  Zeit  an  dort 
gestanden  haben.  Es  entspricht  dies  den  Verhältnissen  der  seit  Jahr- 
hunderten an  die  römische  Herrschaft  gewöhnten  Provinz. 

Die    beiden    Germanien    müssen    in    der    julisch-claudischen 
Epoche  vorwiegend  einheimische  Auxilien  gehabt  haben.    Acht  von 
den  neun  batavischen  Cohorten  werden,  da  sie  der  14.  Legion  zu- 
geordnet   waren,    mit    dieser    aus    Obergermanien    nach   Britannien 
gekommen  sein,  wo  wir  am  Ende   der  Regierung  Neros  sie  finden; 
lur    die    neunte    hatte    in    späterer  Zeit  gewiss   und  vielleicht  seit 
^ugustus  ihr  Standquartier  in  Raetien  in  dem  noch  heute  davon  den 
*^amen  führenden  Passau.**)    Die  batavische  Reiterei  stand  bei  Neros 
Cod   sogar   in  Untergermanien    selbst    und   ebendaselbst  wenigstens 
mter  Tiberius  das  Contingent  der  Canninefaten^.    Dasselbe  ergeben  214 
ufiillige  Erwähnungen    bei   Tacitus    für   die    Contingente    der    ger- 
uinischen    oder    halbgermanischen    Nemeter,    Nervier,    Sugambrer, 
»unuker,   Treverer^,   Tungrer,   Ubier  und  Yangionen.     Freilich   er- 

1)  Gemeint  ist  die  Zusammenstellung  der  Zeugnisse  für  die  einzelnen  Alen 
nd  Cohorten  Eph.  epigr.  V  p.  159  f. 

*)  [Für  Noricum  s.  jetzt  D.  CIV  (C.  I.  L.  III  p.  2328«^,  für  Syrien  D.  CIX. 
X  (CLL.  III  p.  2328'«-'').  für  Mauretania  Caesariensis  D.  XXXVI  (CLL. 
I  p.  1973).] 

**)  [S.  jedoch  jetzt  C  I.  L.III,  11918  und  Fabricius,  Kastell  Weissenburg 
bergerm.-raet.  Limes  Lief.  26)  S.  25.] 

2)  Tacitus  ann.  4,  73 :  (L.  Apronitis  inferioris  Germaniae  pro  praetore)  alam 
nininefatem  et  quod  peditum  Germanoruni  inter  nostros  merebat  circumgredi 
'■ija  hosftium  iubet.  Auch  die  zu  Fuss  dienenden  Canninefaten  finden  wir  in 
n-manien  (Tacitus  hist.  4,  19). 

3)  Dass  die  bei  den  Treverern  ausgehobene  Ala  im  J.  21  unter  dem  Befehl 

MOMMSEN,  SCHR.  VI.  7 


98  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiaerzeit. 

scheinen  in  den  germanischen  Heeren  auch  raetische,  gaUische, 
britannische,  lusitanische ,  vasconische  Cohorten^;  selbstverständlich 
konnten  die  Auxilien  des  mächtigen  Doppelheeres  am  Rhein  nicht 
ausschliesslich  einheimische  sein,  namentlich  nachdem  in  Folge  der 
britannischen  Expedition  ein  ansehnlicher  Theil  der  germanischen 
Truppen  nach  der  Insel  gegangen  und  mit  der  dafür  aus  Spanien 
herangezogenen  IV  Macedonica  ohne  Zweifel  auch  deren  Auxilien 
nach  Germanien  gekommen  waren.  Dennoch  aber  ist  das  massen- 
hafte Auftreten  der  germanischen  Auxilien  in  den  germanischen 
Heeren  der  früheren  Kaiserzeit  eine  im  hohen  Grrade  bemerkens- 
werthe  Thatsache,  gewissermassen  eine  Fortsetzung  der  auffallenden 
Bevorzugung  und  des  unbedingten  Verti'auens ,  womit  Augustus  die 
reichsunterthänigen  Germanen  behandelte  und  worin  auch  die  Varus- 
schlacht keine  Aenderung  hervorgerufen  hat,  wie  sie  denn  bei  diesen 
Germanen  ohne  erkennbare  Wirkung  geblieben  ist:  die  relative 
Stärke  der  Aushebung  und  die  Verwendung  der  ausgehobenen  Mann- 
schaften zur  Hut  des  Rheinstroms  gehören  augenscheinlich  zu- 
sammen. —  Aber  der  Bataveraufstand  des  Civilis  führte  zu  einem 
völlig  veränderten  System.  Wenn  für  die  ältere  Zeit  die  Schriftsteller 
reden  und  die  Steine  schweigen,  so  tritt  hier  das  umgekehrte  Ver- 
hältniss  ein.  Ich  habe  anderwärts  (S.  58.  64)  darauf  hingewiesen, 
dass  mehrere  der  hauptsächlich  bei  dem  Aufstand  betheiligten 
Truppen  damals  aufgelöst  zu  sein  scheinen,  namentlich  batavische 
und  treverische,  und  dass  vielleicht  überhaupt  die  örtliche  Rekrutirung 
damals  beseitigt  oder  beschränkt  worden  ist.  Hinzuzusetzen  bleibt,  dass 
in  den  späteren  germanischen  Heeren  die  germanischen  Contingente 
so  gut  wie  verschwunden  sind ;  wenigstens  nennen  die  das  obergermani- 
sche Heer  angehenden  Diplome  aus  den  J.  74.  82  [90].  116  [134] 
215  nur  die  ala  I  Canninefatium*)  und  die  cohors  I  Germanorum  neben 
einer  langen  Reihe  aquitanischer,  spanischer,  raetischer  und  anderer 
Auxilien.  Auch  im  untergermanischen  Heer,  von  welchem  wir  kein 
Diplom  besitzen,**)  ist  unter  den  einzeln  auftretenden  keine  einzige 

eines  Treverers,  des  Julius  Indus,  stand  (Tacitus  ann.  3,  42.  46)  legt  die  Frage 
nahe,  ob  die  germanischen  Auxilien  nicht  auch  häufig  von  Offizieren  derselben 
Herkunft  geführt  worden  sind. 

1)  Tacitus  ann.  2,  17  (zum  J.  16) :  Raetorum  Vindelicorumque  et  Gallicae 
cohortes.  hist.  1,  70:  praemissis  Gallorum  Lusitanorumque  et  Britannarum  cdhorti- 
bus.    4,  33 :   Vasconu7n  Uctae  a  Galba  cohwtes. 

*)  [Diese  spätestens  seit  dem  J,  116  (D.  CV,  C.  I.  L.  III  p.  2828«')  in  Ober- 
pannonien.j 

**)  ['Jetzt  außer  einem  Fragment  (C.  I.  L.  III  p.  1967  n.  XXV)  ein  vollständig 
erhaltenes  vom  J.  78,  gef.  in  der  Umgebung  von  Mainz:  Altert,  uns.  heidn. 
Vorzeit  V  S.  181  ff.  m.  Tafel  33;  Westd.  Korrbl.XXV  (1906)  Sp.20ff.'    BANG.] 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  99 

Truppe  germanischen  Namens.  Also  ist  die  Annahme  wohl  gerecht- 
fertigt, dass  Vespasian  die  bis  dahin  in  oder  nicht  weit  von  ihrer 
Heimath  stationirten  und  aus  der  Heimath  rekrutirten  germanischen 
Auxilien  nach  der  Niederwerfung  des  grossen  Auxilienaufstandes  ent- 
weder auflöste  oder  verlegte. 

In  der  kleinen  Provinz  der  Seealpen  wird  die  auch  inschrift- 
lich daselbst  mehrfach  bezeugte  cohors  I  Ligurum  in  der  Schilderung 
der  Vorgänge  des  J.  68  vetiis  loci  auxiliiim  genannt  \  ist  also  ohne 
Zweifel  aus  örtlicher  Aushebung  hervorgegangen  und  daselbst  in 
Station  verblieben.  Auch  die  cohors  nautarum^  welche  ebenfalls  hier 
lag,  dürfte  an  dieser  Küste  ausgehoben  sein^. 

In  Britannien  ist  nie  eine  der  dort  zahlreich  gebildeten  Alen 
und  Gehörten  stationirt  worden^;  eine  schwer  wiegende  Thatsache 
für  die  Geschichte  dieser  Provinz. 

In  Raetien  haben  von  den  acht  dort  ausgehobenen  Gehörten 
nach  den  Diplomen  der  J.  107.  166  die  beiden  ersten  damals  zum 
raetischen  Heer  gehört  und  wahrscheinlich  von  Haus  aus  in  ihrer  n 
Heimath  gestanden*.  Die  übrigen  Gehörten  haben  dagegen  wohl 
niemals  daselbst  gelagert :  die  vierte  stand  späterhin  wenigstens  in 
Kappadokien,  die  sechste  und  siebente  in  der  flavischen  Epoche  in  216 
Obergermanien,  die  achte  gleichzeitig  in  Pannonien;  für  die  dritte 
und  fünfte  fehlen  uns  Zeugnisse.  Auch  an  sich  ist  es  angemessen 
dass  in  die  erst  unter  Augustus  unterworfene  Provinz  nicht  mehr  als 
jene  zwei  Gehörten  der  einheimischen  Aushebung  gelegt  worden  sind. 


1)  Tacitus  bist.  2, 14.    C.  V  p.  903.  2)  C.  V  p.  903. 

3)  Die  Ziegel  mit  [co]h.  I  Br.  (VII,  1229),  c.  III  Br.  (das.  1230),  coh.  IUI 
Bre  (das.  1231)  und  die  Inschriften  eines  PRAE  C  /  III  LV  BRIT  /  (das.  177)  und 
eines  actar[ius]  coh.  IUI  Br  .  .  .  (das.  458)  sind  sämmtlich  unsicherer  Deutung 
und  mit  Ausnahme  der  letzten  auch  unsicherer  Lesung  (Hübner  in  dieser  Zeit- 
schrift 16,  565).  Keines  der  Diplome  des  britannischen  Heeres  und  ebenso  wenig 
das  Verzeichniss  der  britannischen  Truppen  in  der  Not.  Dign.  erwähnt  britannische 
Auxilien.  Dass  diese  nicht  in  Britannien  dienen  sagt  auch  der  Redner  bei 
Tacitus  Agr.  31. 

4)  Allerdings  finden  wir  eine  cohors  II  Raetorum  auch  in  dem  ober- 
germanischen Heer  sowohl  in  zahlreichen  Inschriften,  besonders  von  der  Saalburg 
und  aus  der  Umgegend,  wie  auch  in  den  Diplomen  der  J.  82.  [90].  116  [und  1341. 
Ob  dies  dieselbe  mehrfach  aus  der  einen  in  die  andere  benachbarte  Provinz 
verlegte  Coh  orte  ist  oder  zwei  gleichnamige  Cohorten  neben  einander  bestanden 
haben,  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden;  der  letzteren  Annahme  ist  es 
günstig,  dass  der  Beisatz  civium  Romanoi'um  sich  nur  in  Obergermanien  (Diplom 
vom  J.  116;  Brambach  1520.  1522  [C.  I.  L.  XIII,  7588.  7586,  jedoch  ist  diese  zu 
streichen])  findet.     [Vgl.  Hammeran,  Westd.  Zeitschr.  IV  S.  402.] 

7* 


l'OQ  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

Wie  Pannonien  überhaupt  die  meisten  Militärdiplome  ergeben 
hat,  so  fällt  auch  das  einzige  Document  aus  vorvespasianischer  Zeit, 
welches  die  Auxilien  verzeichnet,*)  auf  diese  Provinz.  Dieser  Soldaten- 
abschied vom  J.  60  nennt  allerdings  nur  sieben  Gehörten,  also  keines- 
wegs die  sämmtlichen  Auxilien  der  damals  noch  ungetheilten  Provinz, 
aber  unter  diesen   keine   einzige  aus   den  Donaugegenden,   sondern 
fünf  spanische  und  zwei  Gehörten  der  Alpiner.    Dass  wenigstens  die 
eine  der  spanischen  schon  im  J.  35  in  Pannonien  ihr  Quartier  gehabt 
hat,  wird  dadurch  wahrscheinlich,  dass  in  diesem  Jahr  ein  Varcianer 
in    dieselbe   eintrat,    ohne   Zweifel   in  Folge    örtlicher  Rekrutirung. 
Dem   entsprechen  im  Wesentlichen    die  späteren    gleichartigen  Ur- 
kunden,   auf   die    ich    mich    hier    beschränke:    unter   den    in  ihnen 
genannten    sehr  zahlreichen  Alen  und  Gehörten    sind  alle   anderen 
Landschaften  stärker  vertreten   als   die  Donauprovinzen;   aus  diesen 
erscheint  nur  die  5.  Gehörte  der  Breuker  im  J.  80,  die  7.  derselben  in 
den  J.  85  und  167  und  die  1.  der  Pannonier  in  den  J.  [133].  138.  [148. 
149]  und  154.    Wenn  man  diesen  Besatzungsstand  zusammenhält  mit 
dem  so  gänzlich  verschiedenen  in  Germanien  vor  Vespasian,  so  wird 
man  jenen  ohne  weiteres  zurückführen  auf  die   grosse  pannonische 
Insurrection  in  den  letzten  Jahren  des  Augustus.    Offenbar  ist  in  Folge 
derselben    an    der  Donau  schon   damals  geschehen,   was    nach    der 
Niederwerfung  des  Givilis  Vespasian  am  Rhein  that:  die  pannonischen 
Auxilien  sind  verlegt  und  durch  Auxilien  anderer  Provinzen  ersetzt 
worden. 

Yen  Dalmatien  wird  die  gleiche  Ursache  die  gleiche  Folge 
gehabt  haben;  indess  wissen  wir  nichts  Positives  über  die  daselbst 
stehenden  Auxilien  aus  der  Zeit  vor  Yespasian,  der  die  Legionen 
von  dort  wegnahm.  In  der  kleinen  Besatzung,  die  nachher  daselbst 
erscheint,,  findet  sich  keine  einheimische  Truppe  ^. 
217  Auch  Moesien    scheint   in    gleicher  Weise   behandelt  worden] 

zu  sein.  Die  vier  [jetzt  acht]  Diplome  aus  den  J.  82.  [93].  99  [(2)].j 
105  [vor  114].  134.  [138]  nennen  keine  anderen  den  Donauprovinzen | 
angehörenden  Truppen  als  die  dla  I  Gallorum  et  Fannoniorum\ 
(J.  134)  und  die  ala  I  Vespasiana  Dardanorum  (J.  99.  105  [vor  114].] 
134),  von  denen  die  erstere  gemischt,  die  zweite  wahrscheinlich  erstl 


*)  [Ein  Stück  eines   zweiten   CLL.  III  p.  2328«*  n.  CI  ('ante  annum  600.] 

1)  Die  cohors  I  Dälmatarum,   welche  unter  Hadrian  und  Pius  in  England 

lag,  hat  im  J.  170  die  Mauern  von  Salonae  wieder  hergestellt  (C.  III,  1979.  6374 

[Dessau  2616.  2617]),  nachdem  sie  für  den  Marcomanenkrieg  nach  dem  Continent 

gesandt  war. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  101 

von  Vespasian  eingerichtet  ist.*)  Bemerkenswerth  ist  in  diesem  Heer 
die  Mischung  occidentalischer  und  orientalischer  Auxilien,  wozu  das 
Gegenbild  in  den  dortigen  Legionen  sich  findet  (S.  26). 

Yon  Dacien  gilt  dasselbe  wie  von  Britannien.  Niemals  haben 
dacische  Truppen  in  Dacien  cantonnirt;  die  zahlreichen  Auxilien  der 
dortigen  Lager  gehören  sämmtlich  anderen  Provinzen  an,  die  daci- 
schen  finden  sich,  so  weit  wir  ihre  Lagerstätten  kennen,  in  Britannien 
und  im  Orient  verwendet. 

Für  Palaestina  geben  theils  die  Nachrichten  des  Josephus^ 
einigen  Aufschluss,  theils  das  Diplom  vom  J.  86.  Die  militärischen 
Verhältnisse  sind  hier  dadurch  bedingt,  dass  das  Land  bekanntlich  21! 
bis  zum  J.  6  n.  Chr.  unter  Herodes  und  Archelaos  und  wieder  in 
den  J.  41 — 44  unter  Agrippa  I  selbständig  war,  dagegen  in  den 
J.  7—40  und  sodann  von  45  ab  unter  unmittelbarer  römischer  Ver- 
waltung stand.    Agrippa  I  hatte  bei  seinem  Tode  eine  Ala,  und  zwar 


*)  [Außerdem  noch  die  ala  I  Pannoniorum  (D.  XXXI  C.  I.  L.  III  p.  1971  vom 
J.99)  und  die  ala  II  Pannoniorum  (D.  CHI  C.  I.  L.  III  p.2328««  vom  J.  93).] 

1)  Josephus  ant.  19,  9,  2:  (6  KatoaQ)  .  .  .  miarsde  reo  ^ä8cp  ....  xijv  llrjv 
.  .  .  rü>v  KaioaQsoov  xal  rcöv  Seßaoxrjvcöv  xal  zag  nevte  ansigag  slg  IIövxov  fierayaysTv, 
IV  ixeT  oTQarevoivro  ....  ov  firjv  oi  xekevod^ivteg  fisxioxrjaav  jxQsoßsvadfisvoi  yäg 
KXavdiov  äjtsfisdi^avxo  xal  fisvsiv  ijii  xfjg  'lovdaiag  knexvxov ,  o?  xal  xdtg  ijtiovoi 
XQovoig  Tcöv  /iiByioxcov  'lovdaioig  iysvovxo  ov^itpoQÖiv  dgxi]  tov  xaxä  ^X&qov  jxoXsfiov 
07i£Q/iia  xaxaßaXövxsg.  20,  6,  1 :  Kov/navog  —  dva?Mßu>v  xtjv  rcöv  ZEßaaxrjvwv  ü.rjv  xai 
nsCiöv  xeaoaga  xdy/iiaxa  (ebenso  bell.  2,  12,  5).  20,  8,  7:  (die  Syrer  in  Caesarea) 
liisya  (pQovovvxeg  Im  xq>  rovg  ji?.eioxovg  xwv  vjio  'Pcof.iaioig  ixsT  oxQaxsvofisvcov  Kaioa- 
getg  elvai  xal  Seßaaxrjvovg.  Bell.  3,  4,  2  wird  in  der  Aufzählung  der  Bestandtheile 
der  Armee  des  Titus  die  bisherige  Besatzung  des  Landes  also  aufgeführt: 
nQoaeyhovxo  ös  xal  dno  Katoageiag  jievxs  (ojisTgai)  xal  iTijxecov  V.t]  fiia.  Die  ala  1 
gemina  Sebastenorum  oder  I  Flavia  Sebastenorum  erwähnen  auch  die  späteren 
Inschriften  mehrfach  (Eph.  ep.  V  p.  194);  aus  Josephus  erhellt,  dass  sie  schon 
vor  dem  jüdischen  Krieg  bestand,  also  den  Namen  Flavia  wohl  in  diesem  als 
Ehrenbenennung  empfing.  Auch  eine  cohors  1  Sebastenorum  nennen  die  In- 
schriften, ohne  Zweifel  eine  jener  fünf  und  gleich  der  Ala  aus  Samaritanem 
gebildet.  Eine  zweite  dieser  fünfCohorten  wird  die  I  Äscalonitarum  felix  sein; 
(Eph.  V  p.  193;  vgl.  Josephus  bell.  3,  2,  1);  eine  dritte  vielleicht  die  I  Flavia 
Canathenorrim  (Eph. a.a.O.;  vgl.  Le  Bas-Waddington  2329  [Inscr.  Gr.  ad  res  Rom. 
pert.  III,  1223].  2412(7),  obwohl  Canatha  zum  Reich  des  Agrippa  gehörte.  Andere 
von  Städten  Palaestinas  benannte  Auxilien  kennen  wir  nicht,  namentlich  keine 
Ala  der  Caesareer.  Auch  aus  der  zuerst  angeführten  Stelle  des  Josephus  wird 
man  eme  solche  auf  keinen  Fall  herleiten  dürfen,  da  er  ja  auch  hier  nur  von 
einer  Ala  spricht  und  diese  nur  die  von  Sebaste  sein  kann;  sind  die  Worte  x&v 
KataaQecov  xal  wirklich  von  Josephus  geschrieben,  und  nicht,  was  leicht  möglich, 
aus  den  vorhergehenden  Kacaagsvac  xal  Seßaoxrjvoig  hineininterpolirt ,  so  hat 
Josephus  nur  sagen  wollen,  dass  in  der  ala  Sebastenorum  auch  zahlreiche  ge- 
bome  Caesareer  dienten. 


102  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

die  der  Sebastener,  und  fünf  Cohorten  unter  den  Waffen,  welche 
Truppen  ohne  Zweifel  wenn  nicht  schon  von  Herodes  oder  Archelaos, 
80  doch  von  der  römischen  Verwaltung  nach  Archelaos  Absetzung 
im  Lande  selbst  gebildet  worden  waren  und  je  nach  der  Stellung 
des  Landes  bald  als  röjnische  Auxilien,  bald  als  landesherrliche 
functionirten  ^  "Wegen  ihrer  üblen  Aufführung  nach  Agrippas  Tode 
ordnete  Kaiser  Claudius  ihre  Versetzung  nach  dem  Pontus  an,  aber 
es  kam  dazu  nicht;  und  dass  die  römische  Besatzung  Judaeas  aus 
im  Lande  selbst  ausgehobenen  Soldaten  bestand,  ist  nicht  die  letzte 
Ursache  des  unheilvollen  jüdischen  Krieges  gewesen.  —  Nach  dessen 
Beendigung  wurde  begreiflicher  Weise  hier  verfahren  wie  in  Ger- 
manien und  Pannonien :  die  sechs  Auxilien,  welche  das  Diplom  vom 
J.  86  aufführt,  sind  zur  Hälfte  Thraker,  die  übrigen  Lusitaner,  Can- 
tabrer  und  Gaetuler. 

In  Aegypten  endlich  sind  die  beiden  einzigen  nachweislich  dort 
ausgehobenen  Auxiliarcohorten,  die  zwei  der  Thebäer,  so  viel  wir 
wissen,  von  Anfang  an  in  der  Heimath,  und  zwar  eben  in  der 
Thebais,  stationirt  worden  und  immer  dort  geblieben,  wie  ja  auch 
die  in  Aegypten  für  den  Legionsdienst  ausgehobenen  Mannschaften 
überwiegend  in  die  ägyptischen  Legionen  eingereiht  wurden  (S.  24). 
Obwohl  daneben  noch  eine  grössere  Zahl  nicht  ägyptischer  Auxilien 
in  Aegypten  verwendet  wurden,  wird  man  dennoch  in  dieser  Ein- 
richtung eine  weitere  Bestätigung  dafür  finden  dürfen,  dass  die  Herr- 
schaft der  Römer  im  Lande  selbst  als  Fortsetzung  derjenigen  der 
Ptolemaeer  betrachtet  wurde  und  sowohl  die  griechische  wie  vor 
allem  die  fügsame  ägyptische  Bevölkerung  zu  derselben  nicht  wie 
zu  einer  Fremdherrschaft,  sondern  gleich  wie  zu  dem  altgewohnten 
Landesregiment  sich  stellte.*) 

Fassen  wir  die  einzelnen  Wahrnehmungen,  unvollständig  wie  sie 
219  sind,  so  weit  möglich  zusammen,  so  erscheint  wohl  als  Fundament 
der  Institution  die  Verwendung  der  einzelnen  Truppe  in  ihrem  Aus- 
hebungsbezirk und  als  deren  Consequenz  auch  die  örtliche  Rekrutirung. 
Aber  gleich  von  Anfang  an  muss  insbesondere  das  ungleiche  Be- 
dürfniss  sehr  zahlreiche  Abweichungen  herbeigeführt  haben,  und  die 
Insurre ctionen  der  Unterthanen  eben  in  den  wichtigsten  Militär- 
provinzen und  andere  mannigfaltige  Rücksichten  haben  die  ursprüng- 
liche Ordnung  so  gründlich   und   so  rasch  umgestaltet,   dass  schon 

1)  Es  entspricht  dies  dem  nach  Einziehung  der  Herrschaft  des  Polemon 
mit  dessen  Truppe  eingehaltenen  Verfahren  (S.  67  A.  1), 

*)  [Vgl-  !*•  M.  Meyer,  Das  Heerwesen  der  Ptolemaeer  und  Römer  in  Aegypten, 
Leipzig  1900.    J.  Lesquier,  L'armee  roni.  d'^gypte,  Rev.  de  phil.  28  (1904)  S.  1  flf.] 


Die  Conscnptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  103 

unter  den  Flaviern  von  derselben  nur  vereinzelte  Eeste  noch  sich 
behaupteten.  Wie  weit  späterhin  sich  dies  wieder  ausgeglichen  hat 
und  im  Wege  der  örtlichen  Rekrutirung  gewisserraassen  die  ursprüng- 
liche Ordnung  zurückgeführt  worden  ist,  vermögen  wir  nicht  genauer 
zu  bestimmen;  im  Allgemeinen  ist  es  erklärlich,  dass  sämmtliche 
Provinzen  sich  mehr  und  mehr  an  die  Zugehörigkeit  zum  Reiche 
gewöhnten  und  Gegensätze,  wie  sie  noch  im  ersten  Jahrhundert 
unserer  Zeitrechnung  lebhaft  empfunden  wurden,  späterhin  sich  so 
weit  ausglichen,  dass  die  örtliche  Conscription  im  Grossen  und 
Ganzen  durchführbar  wurde. 

YI.    Die   numeri*) 

Wenn  die  von  den  Nichtbürgern  gestellten  Truppen  den  Charakter 
geschlossener  Nationalcontingente,  den  sie  bei  der  ersten  Regulirung 
des  stehenden  Heeres  durch  Augustus  allerdings  gehabt  haben,  im 
Ganzen  genommen  bald  einbüssten  und  auch  durch  die  spätere  ört- 
liche Aushebung  nur  in  sehr  unvollkommener  Weise  wieder  erhielten, 
die  Politik  der  besseren  Kaiserzeit  überhaupt,  wenn  nicht  gerade  auf 
Verschmelzung  der  verschiedenen  Elemente  der  Auxilien  gerichtet, 
so  doch  gegen  dauerndes  Zusammenhalten  der  Völkerschaften  in  den 
einzelnen  Truppenkörpern  wenigstens  indifferent  war,  so  herrscht  in 
dem  späteren  Kaiserregiment  bekanntlich  die  geradezu  entgegen- 
gesetzte Richtung  und  sucht  dasselbe  seine  militärische  Stütze  in  den 
noch  eigenartig  zusammen  stehenden  Nationalitäten,  anfangs  im  Kreise 
der  Unterthanen,  späterhin  auch  im  Ausland.  Es  ist  wohl  des  Ver- 
suchs werth,  den  Anfängen  derjenigen  Richtung  nachzugehen,  welche 
schliesslich  in  die  Föderatentruppen  und  in  das  Königthum  der 
Gothen  und  der  Franken  ausläuft. 

AVie  die  Uniformirung  der  von  Augustus  geschaffenen  Auxilien 
wesentlich  darauf  beruht,  dass  das  gleiche  Schema,  für  die  Reiterei 
die  Ala,  für  die  Infanterie  die  Cohorte  auf  sie  alle  Anwendung 
fand,  so  tritt  die  umgekehrte  Tendenz  hauptsächlich  darin  hervor,  220 
dass  gewisse  Truppen  dem  bezeichneten  Schema  sich  nicht  fügen 
oder,  um  den  technischen  Ausdruck  zu  brauchen,  lediglich  numeri 
sind.     Dieses  Wort  ^  wird  nicht  in  älterer  Zeit  2,   aber  nachweislich 

*)  [Vgl.  unten  S.  144  ff.] 

1)  Das  darüber  Bekannte  hat  kürzlich  Albert  Müller  (Philol.  41,  486)  zu- 
sammengestellt. 

2)  Die  adscriptivi  ad  legionem  heissen  schon  bei  Plautus  Men.  182  extra 
numerum;  aber  daraus  folgt  die  Verwendung  des  Wortes  in  der  Bedeutung 
'Truppe'  noch  nicht.     Ich  habe  früher  (S.  32  A.  3)  die  Redensart  ddstribtiere  in 


j  04  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

seit  dem  Ende  des  1.  Jahrhunderts  gebraucht  als  allgemeine  Be- 
zeichnung für  jede  Truppenabtheilung  ^,  welche  unter  einheitlichem 
Oberbefehl  eines  Offiziers  steht  2;  und  aus  dieser  generellen  Bedeu- 
tung entwickelt  sich  von  selbst  die  specielle,  dass,  wo  eine  Abtheilung, 
die  weder  Legion  noch  Ala  noch  Cohorte  ist,  als  Ganzes  bezeichnet 
werden  soll,  dieses  Wort  eintritt,  während  in  vorconstantinischer  Zeit 
die  eine  feste  Specialbenennung  führende  Abtheilung  für  sich  allein 
niemals  numerus  genannt  wird^.  Es  macht  dabei  keinen  Unterschied, 
ob  die  Truppe  Infanterie  oder  Cavallerie  oder  gemischt  ist;  obwohl 
für  eine  Reitertruppe  dieser  Art  auch  im  zweiten  Jahrhundert  die 
221  Bezeichnung  vexillatio^,  im  dritten  die  Bezeichnung  cuneus^  vor- 
kommt, findet  sich  ebenfalls  numerus  equitum.  Insofern  wird  numerus 
in  der  mittleren  Kaiserzeit  zu  einer  selbständigen  jenen  drei  andern 
parallelen  und  ebenfalls  technischen  Kategorie,  welcher  Sprach- 
gebrauch namentlich  in  den  Honorarinschriften  ^  deutlich  hervortritt. 


numeros  und  die  analogen  auf  die  Legionsziifern  bezogen  und  für  republikanisch 
gehalten,  kann  aber  auch  diese  nicht  für  die  vortraianische  Zeit  belegen. 

1)  Zuerst  begegnet  das  Wort  in  dieser  Verwendung  bei  Tacitus  Agric.18: 
sparsi  per  provinciam  mmieri;  hist.  1,  6:  multi  ad  hoc  numeri  e  Germania  ac 
Britannia  et  lUyrico  (vgl.  hist.  1,  87.  ann.  2,  80) ;  ferner  bei  Plinius  ep.  3,  8,  4 
und  ad  Trai.  29.  30  und  bei  Sueton  Vesp.  6.  Besonders  scharf  ausgeprägt  er- 
scheint es  bei  den  Juristen,  so  bei  Ulpian  Dig.  8,  2,  2,  1:  exercitum  non  unam 
cohortem  neque  unam  alam  dicimus,  sed  numeros  multos  militum;  vgl.  3,  3,  8,  2. 
29,  1,  4.  1.  38,  1.  1.  42.  37,  13,  1,  2;  auch  in  Inschriften  C.  II,  2079.  X,  1202 
[Dessau  2713.  2660.]  Für  Belege  des  gleichen  Sprachgebrauchs  in  späterer  Zeit, 
der  sich  auch  auf  das  griechische  dgi^fiog  erstreckt,  genügt  es  auf  Seecks  Index 
zur  Not.  Dign.  p.  331  und  C.  I.  L.  V  p.  1175,  sowie  auf  die  Wörterbücher  zu 
verweisen. 

2)  Türmen  also  und  Centurien  sind  keine  numeri,  auch  streng  genommen 
nicht  Legionscohorten ,  obwohl  in  dieser  Hinsicht  wenigstens  bei  Tacitus  der 
Gebrauch  schwankt:  er  sagt  hist.  1,87  in  numeros  legionis,  dagegen  ann.  2,  80 
in  numerwn  legionis. 

3)  In  der  nachconstantinischen  Epoche  kann  jede  Truppe  auch  für  sich 
allein  numerus  genannt  werden,  sogar  die  Legion  (C.  I.  L.  V  p.  1059.  VIII,  9248). 

4)  Die  vexillatio  equitum  Illyricorum  des  Diploms  vom  J.  129  steht  im 
Gegensatz  zu  Alen  und  Cohorten  und  heisst  auf  anderen  Inschriften  vielmehr 
numerus  (unten  S.  110).  Gleichartig  ist  die  vexßllatio)  eq(uitum)  Maurorum 
C.  VIII,  9045.  9047  [=  Dessau  2766.  2767],  vielleicht  auch  die  vex.  Brit.  der 
niedergermanischen  Ziegel  (Brambach  3  C  26  und  sonst).  Es  ist  dies  nur  eine  der 
vielen  Anwendungen  dieses  Wortes,  aber  offenbar  diejenige,  woraus  sich  die 
Verwendung  der  vexillatio  für  die  Reitertruppe  der  späteren  Heerordnung  ent- 
wickelt hat. 

5)  Darüber  ist  der  Anhang  S.  115  zu  vergleichen. 

6)  Hispalis  aus  der  Zeit  vor  Marcus  und  Verus  (II,  1180  [=  Dessau  1408]): 
praef.  coh.  III  Gallor.,  praepositus  numeri  Syror.  sagittarior. ,  item  alae  primae 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  105 

Noch  in  der  Notitia  Dignitatum  erscheint  numenis  in  diesem  tech- 
nischen engeren  Sinn,  aber  hier  nur  in  einer  einzigen  Provinz  und 
zwar  in  derjenigen,  welche  abweichend  von  den  übrigen  die  Ein- 
richtungen der  früheren  Kaiserzeit  darstellt,  in  Britannien^,  neben 
Legionen,  Alen  und  Cohorten^,  so  dass  uns  hier  ein  treues  und 
ziemlich  vollständiges  Bild  einer  Provinzialarmee  des  ausgehenden 
3.  Jahrhunderts  aufbewahrt  ist. 

Diese  numeri  sind  nun  zwar  eine  bestimmte  Kategorie  des 
römischen  Heeres  der  Kaiserzeit,  von  der  unsere  Handbücher  freilich 
nichts  wissen;  aber  das  unterscheidende  Merkmal  des  numerus  ist 
negativer  Art,  die  Abwesenheit  einer  der  drei  regulären  Truppen- 
formationen, und  es  kann  daher  bei  ihm  weder  von  einer  allgemein 
gültigen  Organisation  noch  viel  weniger  von  einem  allgemeinen  Con- 
scriptionsgesetz  die  Rede  sein.  Wenn  eine  befriedigende  Darlegung 
der  römischen  Heerordnung  nicht  umhin  können  wird  die  einzelnen 
durch  dieses  negative  Merkmal  bezeichneten  Truppenformationen 
zusammenzustellen,  wie  zum  Beispiel  die  kaiserlichen  centuriae  sta- 
torum,  ferner  die  nichtrömische  Kaisergarde  der  equites  singulares,  222 
welche  als  Corps  nur  diese  Bezeichnung  führt  ^,  die  in  analoger 
"Weise  zum  Dienst  bei  den  einzelnen  Höchstcommandirenden  in  den 
Provinzen  ausgesonderten  Truppenkörper,  welche  auch  öfters  unter 
demselben  Namen  auftreten*,  die  aus  den  Legionen  ausgesonderten 

Hispanar.  Ariminum  (Heuzeu  6729  [C.  I.  L.  XI,  393  =  Dessau  2739]):  2»'aef. 
coh.  111  Britt[o]num  veteranor[um]  equitatae,  trib.  leg.  I  ad[iu]tricis  piae  fidelis, 
\pra[ef.]  alae  1  Asturmn,  ^jraepos[iii<s]  numeri  equitum  eIector[nm]  ex  lUyrico. 
Caesarea  in  Mauretanien  (VIII,  9358  [=  Dessau  2738]):  praef.  coh.  I  Augustae 
Bracarum,  praepositus  n.  Illyricorum,  trib.  coh.  Ael.  expeditae,  praef.  al.  Aug.  II 
Thracum,  praepositus  al.  gemin.  Seba[sten.],  ivraepositus  classis  Syriacae  et  Augustae, 
praef.  classis  Moesiaticae.  [Vgl.  auch  die  1906  in  Thessalonike  gefundene,  von 
l'apageorgiu  in  mehreren  griechischen  Zeitschriften  herausgegebene  Inschrift 
eines  Mestrius  Servilianus ,  der  yEÜ.iaQyog  ojteiQijg  tiqcot?]?  Movoovka/Licöv  iJiJtinfjg, 
f.-raoyos  si?.T]g  Iujiecov  äQi{^/nov  IIa)./iivQT]v(bv  IIoQolvaoi]vöiv  war.] 

1)  Occ.  c.  28.  40.     Der   einzige  sonst   vorkommende  mimerus   ist   der   der 
harcarii  für  die  Flottille  auf  dem  Bodensee  in  Raetien  (Not.  Occ.  35,  32). 

2)  Vgl.  den  Anhang  S.  117. 

3)  C.  VI,   224.  715  [Dessau  2185.  2184].     Eph.  ep.  IV   n.  933  [C.  I.  L.  VI, 
;i'^03].    V  p.  128.     Henzen  ann.  delF  inst.  18-50  p.  31. 

4)  Dieser  Art  sind  die  numeri  singularium  (Tipasa  C.  VIII,  9292;  Apulum 
•4)h.  ep.  IV  n.  166  [C.  I.  L.  III,  7800]);  auch  die  e[q(tiites)]  sing(ulares)  exerc(itus) 

•  'Arab(ici,)  item  drom(edarii)  der  Inschrift  C.  III,  93,  so  wie  andere  Abtheilungen 

llieser  Art  dürften  in  gleicher  Weise  zu  fassen  sein.    [Vgl.  Mommsen  Eph.  ep.  IV 

I  404;   V.  Domaszewski  Arch. -ep.  Mitth.  X  S.  22.]     Dagegen  die  pedites  singu- 

"V's  Britannici  (unten  S.  110)  scheinen  nicht  gleichartig.     Auch  bei  den  mehr- 

li  vorkommenden  alae  singularium  (Eph.  ep.  V  p.  247),  so  wie  einer  vereinzelt 


106  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

frumentarii  S  die  Abtheilungen  der  exploratores ,  so  kann  doch  an 
principielle  Zusammengehörigkeit  und  an  organische  Gleichartigkeit 
dieser  Formationen  überall  nicht  gedacht  werden.  Auch  der  Zeit 
nach  lässt  sich  nur  etwa  feststellen,  dass  stehende  Truppenkörper ^ 
von  abweichender  Formation  im  ersten  Jahrhundert  kaum  nach- 
weisbar sind,  dagegen  im  zweiten  und  dritten  zahlreich  begegnen. 
Dies  Anwachsen  dieser  Kategorie  ist  wesentlich  veranlasst  durch 
eine  auf  die  Renationalisirung  der  Auxiliartruppen  basirte  Formation, 
welche  unter  den  numeri  sehr  bald  die  erste  Stelle  einnimmt.  Unter 
den  schriftstellerischen  Zeugnissen  giebt  davon  allein  die  unter 
Hyginus  Namen  laufende  Lagerbeschreibung  einige  Kunde ;  die  nähere 
Bestimmung  lässt  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grad  aus  den  Inschriften 
223  entnehmen.  Leider  sind  die  hyginischen  Angaben  in  einem  selbst 
bei  dieser  durchaus  zerrütteten  Ueberlieferung  ausnahmsweise  üblen 
Zustand  und  eine  Wiederherstellung  des  Textes  nur  annähernd  mög- 
lich.    Ich  setze  die  Stellen  her,  wie  sie  vorliegen.*) 

c.  2 :  legiones  ...  ad  vallum  tendere  debent  ut  .  .  .  exercitum  gentihus 
imperatum  (so  Lange;  meatum  Hdschr.;  vielleicht  mixtum) 
suo  numero  [tamquam]  corporali  in  muro  teneant  (scne 
Hdschr.^. 
c.  19:  coJiortes  (cohorti  Hdschr.^  peditatae  vel  equitatae  ad  viam 
quintanam  spectare  dehebimt,  ut  super  [et  supra  Dom.]  sum- 
mactares  (sumactares  Hdschr.^  et  reliquas  (reliqui  Hdschr. 
[reliqiiae  Idora..^)  nationes  tendere  debehunt :  et  ita  fiet,  ut  omni 


stehenden   cohors   singularium    (das.    p.  249)   dürfte    das    mancher   Beziehungen 
fähige  Ehrenprädicat  der  Elitetruppe  iu  anderer  Anwendung  auftreten. 

1)  C.  VI,  3341:  vet(eranus)  ex  num(ero)  frum(entariorum)  leg.  IUI  Fl(aviae). 
Henzen  6523  =  C.  I.  L.  XIV,  125  [=  Dessau  2223].  Vgl.  Marquardt  2,  476 
[2.  Aufl.  491  f.]  und  jetzt  Henzen  Bull,  dell'  Inst.  1884  p.  21.  [Vgl.  auch  R. 
Paribeni  Rom.  Mitt.  XX  (1905)  S.  310  ff".]  Wie  sie  sich  zu  der  Legion  verhielten, 
der  sie  angehörten,  steht  dahin ;  aber  dass  ein  Sondercommando  für  sie  bestand, 
beweist  u.  A.  der  centurio  frumentariorum. 

2)  Der  Landsturm  ist  besonders  in  der  früheren  Kaiserzeit  nicht  selten  in 
den  einzelnen  Provinzen  unter  die  Waffen  gerufen  worden  (Marquardt  St.  V. 
2*,  538);  aber  dergleichen  zeitweilige  Formationen  haben  mit  den  numeri  des 
stehenden  Heeres  nichts  gemein.  Der  [prae]fectus  levis  armaturae  p[rovinciae?] 
Hispaniensis  {Henzen  6735  [C.  I.  L.  X,  6098])  und  der  pra[ef(ectus)]  Baetis  Vindolim 
vaUi[s  P]oeninae  et  levis  armatur(ae)  (Henzen  6939  [C.  I.  L.  IX ,  3044  =  Dessau 
2689])  können  füglich  Führer  solcher  Aufgebote  gewesen  sein;  dass  die  auxiliä 
im  Gegensatz  zu  den  Legionen  oft  leves  cohortes  heissen,  ist  bekannt  und  der 
Landsturm  wird  also  um  so  mehr  zu  den  Leichtbewaffneten  zählen. 

*)  [^gb  <iie  Ausgabe  von  A.  v.  Domaszewski.     Leipzig  1887.] 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  107 

parte  nationes,  ut  (et  Hdschr.  [a  Dom.])  supra  scriptum  est 
(scrihtas  Hdschr.  [scripiis  Dom.p,  contineantur. 

c.  29:  Nationes  Cantahri  Getati  (wohl  GaetuU  [dies  aufgenommen 
von  Dom.]  oder  Gaesati)'^  Palmarem  (parmyrent  Hdschr.^ 
Daci  Brittones  centuriae  [centurias  Dom.]  statorum  et  si  quid 
aliud  datum  fuerit  in  exercitu  (exercito  Hdschr.^  summactari 
(summamclarificum  Hdschr.^,  in  retentura  (retentatura  Hdschr.^ 
ponimus  [ponemus  Dom.]. 

c.  30:  Mauri  equites  DC,   Fannonü  veredarü  DCCC  ....  explora- 

tores   CC Palmyreni  (parmyrent  Hdschr.^  D,    Getati 

[Gaetuli  Dom.]  JDCCCC,  Daci  DCC,  Brittones  D,  Cantahri 
DCC,  centuriae  statorum  duae. 

c.  43:  Summactares  (summacterias  Hdschr,^  et  reliquas  nationes 
quotiens  ^9er  strigas  distrihuimus,  non  plus  quam  tripertiti  esse 
dehehunt  nee  (ne  Hdschr.^  longe  ab  alterutrum,  ut  uinam 
tessera  suo  vocahtdo  citationis  liaheant  (vielleicht  ut  qui  tesserae 
loco  vocahidum  citationis  haheant  [ut  viva  tessera  suo  vocahtdo 
citationis  audiant  Dom.]). 

"Welcher  sonst  unbekannte  Lagerausdruck  in  dem  dreimal  mit  ge- 
ringen Abweichungen  wiederholten  Wort  summacterias  —  sumactares  224 
—  summamclari  steckt,  ist  ebenso  ungewiss ^  wie  die  Unbrauchbar- 
keit  der  bisher  dafür  gemachten  meist  ganz  perversen  Yorschläge 
gewiss  ist:  es  muss  die  technische  Bezeichnung  sein  der  nicht  in 
Legionen  und  Gehörten  formirten  Infanterie,  wobei  dann  aber  bald 
die  nationes  (c.  29)  darunter  einbezogen,  bald  die  reliquae  nationes 
als  gleichartig  angeschlossen  werden  und  durch  diese  Incongruenz 
wieder  auch  der  Begriff  ins  Schwanken  kommt.  Wenn  weder  das 
Wort  noch  der  Begriff  sich  mit  Sicherheit  constatiren  lassen,  so  treten 
dagegen  mit  aller  wünschenswerthen  Deutlichkeit  die  nationes  hervor 


1)  Die  lächerliche  Schlimmbesserung  Getae  behauptet  sich  nun  seit  eiü 
paar  hundert  Jahren  im  Text,  obwohl  es  doch  ziemlich  bekannt  ist,  dass  die 
Getae  erstlich  dem  technischen  Latein  fremd  und  zweitens  mit  den  Daci  identisch 
dnd.  —  Nach  Anleitung  der  Inschriften  VIII,  2728  [=  Dessau  5795] :  certamen  inter 
'lassicos  tnüites  et  gaesates;  V,  536:  [pr]aef.  gaesa  .  .  .  um  Helvet  .  .  .  .;  VII,  1002: 
\coh,  I  Van]gionum,  item  Baeti  gae[s]ati  et  expl[oratores]  erscheint  es  nicht  unstatt- 
jiaft  die  gaesati  unter  die  nationes  einzureihen  [s.  unten  S.  146].  Die  Verbesserung 
yaetuli  liegt  allerdings  ebenso  nahe  und  passt  unter  die  nationes  besser,  findet 
lur  in  den  Inschriften  der  numeri  bis  jetzt  keinen  Rückhalt. 

2)  Ich  habe  gedacht  au  ^mmachares  oder  symmacharii;  die  hybride  Bildung 
ürde  bei  einem  castrensischen  Ausdrucke  sich  ertragen  lassen.  —  telonarius 
nd  (piadrieris  sind  um  nichts  besser  und  ebenso  ist  hemistrigium  aus  dem  Lager- 
uch  sehr  mit  Unrecht  herauscorrigirt  worden. 


10^  Die  Conscriptionsordnung  der  römisclien  Kaiserzeit. 

im  Gegensatz  zu  Legionen,  Alen,  Gehörten  und  Flottensoldaten. 
Wie  die  Hauptbenennung,  zeigen  die  beigesetzten  Specialnamen  der 
Yölkersehaften  das  Wesen  dieser  Kategorie  an,  und  auch  die  erste 
Angabe,  wonach  diese  Infanterie  einerseits  von  den  Legionen,  andrer- 
seits von  den  Auxiliarcohorten  eingeschlossen  lagern  soll,  lässt  scharf 
den  Gegensatz  erkennen  dieser  wesentlich  barbarischen  Truppen  selbst 
gegen  die  doch  auch  nicht  zu  den  Bürgertruppen  gehörigen  Auxilien. 
Auch  was  über  das  Commando  c.  43  gesagt  wird,  ist  zwar  so  schwer 
verdorben,  dass  eine  sichere  Herstellung  ausgeschlossen  ist,  scheint 
aber  doch  darauf  zu  führen,  dass  bei  diesen  Mannschaften  anstatt 
der  schriftlichen  von  Hand  zu  Hand  gehenden  Tessera  das  Commando- 
wort  eintritt,  vermuthlich  weil  diese  Leute  des  Lesens  lateinischer 
Schrift  durchgängig  unkundig  waren.  —  Dass  diese  Kategorie  keines- 
wegs von  geringer  Bedeutung  war,  zeigen  die  beigesetzten  Ziffern: 
danach  werden  auf  das  Heer  von  etwa  40  000  M.  nahe  an  5000 
solcher  Nationaltruppen  gerechnet,  während  auf  die  Auxilien  etwa 
14  000,  auf  Garde  und  Legionen  etwa  20000  M.  entfallen. 

Halten  wir  mit  diesen  merkwürdigen  und  zuverlässigen  Angaben 
die  inschriftlichen  Zeugnisse  zusammen,  so  begegnen  die  nationes  als 
225  solche  darin  allerdings  nicht  ^,  und  ist  dieser  Ausdruck  von  dem 
Verfasser  jener  Lagerbeschreibung  demnach  nicht  als  technisches 
Schlagwort,  sondern  als  sachlich  entsprechende  Bezeichnung  gewählt 
worden.  Aber  wohl  treten  darin  in  ziemlicher  Ausdehnung  Auxiliar- 
truppen  auf,  welche  von  einzelnen  Yölkersehaften  sich  benennen, 
aber  weder  Alen  noch  Gehörten  sind  und  der  Corpsbezeichnung  ent- 
weder entbehren  oder  dafür  numerus  brauchen,  offenbar  also  eben 
jene  nationes.  Ueber  diese  Inschriften  zu  handeln  ist  schwierig;  sie 
sind  an  Zahl  sparsam  und  ihr  Verständniss  wird  durch  die  grossen- 
theils  barbarische  Fassung  und  zahlreiche  für  uns  unlösbare  Siglen 
und  anderweitig  unbekannte  Localnamen  ausserordentlich  erschwert. 
Eine  weitere  Verwickelung  entsteht  dadurch,  dass  die  in  dem  Kreis 
der  nunieri  auftretenden  Ethnika  nicht,  wie  anderswo,  durchaus  von 

1)  Den  [pr]aef(ectus)  cohortis  VII  iMsitan(orum)  [et]  nation(um)  Gaet7ilicar(um) 
sex  quae  sunt  in  Numidia  aus  neronischer  Zeit  (C.  V,  5267  [=  Dessau  2721])  wird 
man  nicht  vergleichen  dürfen,  sondern  die  letzteren  eher  als  Aufgebot  der  Ein- 
gebornen  nach  Analogie  des  S.  105   A.  4  Bemerkten  aufzufassen  haben.  —  Ob 
das  eßrog  No/iiddcov  einiger  Inschriften  aus  der  Batanaea:  Le  Bas-Waddiugton 
III,  2203:   [nQsojßfsvTrjv)  Seß(aoxov)  dvziazQdftijyov)  oi  djid  e&vovs  Nof^ddoiv;   2196: 
'AÖQiavov  rov  xal  2oaiöov  Malsy^ov  i&vdgxov  oxQatrjyov  No/uddcov  zö  (.ivr^fMov;  2112: 
Im  ßaoü.soi\ß  fisyakov  Mdgxov  'Iov\\Uov  'AyQiiiTia  .......  |  XdQrjxog  ejio{qxo?]  ■  •  ■  • 

ojtsiQtjg   Av I  OS  Nofiddcov ]  rjg  xal  Xal  ....   auf  unsere  nationes  be- 
zogen werden  darf,  weiss  ich  nicht  zu  entscheiden. 


Die  Coiiscriptionsordnung  der  römischeu  Kaiserzeit.  109 

dem  Heimathort,  sondern  zum  Theil  von  dem  Lagerort  der  Truppe 
entlehnt  sind.  Letzteres  muss  bei  den  exploratores  sogar  Kegel 
gewesen  sein,  wie  ja  denn  diese  Truppe  mehr  als  jede  anderiB  ein 
für  allemal  an  ihr  Standquartier  gebunden  war^.  Aber  auch  von 
den  Exploratoren  abgesehen  scheinen  bei  den  mwieri  Benennungen 
nach  dem  Lagerort  nicht  selten  vorzukommen;  ja  die  in  diesem  Kreis 
verhältnissmässig  häufigen  Doppel-Ortsnamen  dürften  regelmässig  der 
eine  auf  den  Heimath-,  der  andere  auf  den  Lagerort  sich  beziehen 2. 
Indess  wenn  wir  alles  in  Abzug  bringen,  was  in  den  Inschriften  der  226 
numeri  entweder  die  Heimath  nicht  angeht  oder  auch  unklar  und 
unsicher  ist,  so  geben  sie  doch  hinreichende  Bestätigung  für  die 
Ansetzungen  des  Militärschriftstellers.    Die  pannonischen  Reiter  des- 

1)  In  Beziehung  auf  die  ala  expkyratorum  Pomariensium  in  Mauretanien, 
den  numerus  exploratarum  Divitiensium  bei  Mainz,  den  numerus  exploratorum 
Bremenensium  in  Rochester,  den  numerus  exploratm'um  Batavorum  habe  ich  dies 
C.  VIII  p.  847  nachgewiesen.  Ich  kenne  keine  Exploratorentruppe ,  welche  ein 
Ethnikum  im  Namen  führte,  das  nicht  auf  den  Lagerort  entweder  bezogen  werden 
muss  oder  doch  bezogen  werden  kann.  [Vgl.  auch  Mommsen  im  Limesblatt 
S.  7  und  664.  —  'Eine  Ausnahme  bilden  die  €xpl(yrator(es)  Triboci  et  Bot  der 
Inschrift  aus  Marbach  C.  I.  L.  XIII,  6448'.  BANG.]  Übrigens  stecken  unter 
!den  nicht  ausdrücklich  so  bezeichneten  Truppen  wohl  noch  manche  Exploratoren- 
jabtheilungen ,  wie  denn  der  n(umerus)  Divitiensis  G(ermaniae)  s(uperioris)  der 
jmauretanischen  Inschrift  C.  VIII,  9059  [=  Dessau  2628]  und  der  numerus  Divi- 
^^.ensiiim  der  Inschrift  von  Rhaedestos  C.  III,  728  wohl  nicht  verschieden  sind 
?on  dem  eben  erwähnten  numerus  exploratorum  Divitiensium. 

2)  Der  in  Turiner  Inschriften  mehrfach  (V,  7000  [=  Dessau  2629].  7001. 
7012)  auftretende  num(erus)  Dal(matarum)  Divit(iensiutn)  lässt  sich  nicht  füglich 
Inders  erklären;  und  dasselbe  gilt  von  dem  numerus  Mauret(anus?)  Tibiscensium 
C.  VIII,  9368  add.  [S.  n.  20944]  vgl.  III,  1343.  15.56  [=  8004]),  wahrscheinlich  einer 
nauretanischen  in  Tibiscum  stationirten  Truppe,  und  von  drei  britannischen :  dem 
mmerus  equitum  Sarmatarum  Bremetenniacensium  (S.  111  A.  1);  dem  cuneus  Frisi- 
mim  Ahcülavensium  (unten  S.  115)  und  dem  numerus  Nerviorum  Dictensium  Dicti 
Not.  Dign.  Oec.  40,  23).  Danach  dürften  auch  in  den  in  Obergermanien  lagernden 
■irit(tones)  Cdl  ....  (Brambach  1563  d),  Brittones  Gurvedens(es)  (Brambach  1455 
II.  L.  XIII,  7343]),  Brittones  Triputienses  (Brambach  1392.  1394.  1732.  1745  [C. 

L.  XIII,  6517.  6518.  6502.  6606  [=  Dessau  2624;  vgl.  die  expl(oratm-es)  Trip(u- 
enses)  XIII,  6599  und  p.  238]),  in  dem  mauretanischen  numerus  Syrorum  Meven- 
um  (VIII,  9381  [=  Dessau  2763])  die  an  zweiter  Stelle  stehenden  Namen  viel- 
ehr auf  die  Lagerplätze  dieser  Truppentheile  zu  beziehen  sein.  Die  gangbare 
uffassung  dieser  Namen  nach  Analogie  der  ala  Hispanorum  Asturum  ist  auch 
|irum  unstatthaft,  weil  als  Aushebungsgebiet  in  den  Soldateninschriften  immer 
[ar  grössere  Districte  bis  hinab  zu  den  civitates,  niemals  einzelne  Ortschaften 
iftreten ,  Dorfnamen  also ,  wie  sie  hier  auf  jeden  Fall  vorliegen ,  in  dieser 
''eise  überall  nicht  auf  Truppen  bezogen  werden  können.  Dass  die  britannische 
)ststation  Tripontium  (itin.  p.  477)  mit  den  Brittones  Triputienses  nicht  zu- 
mmengehört,  ist  ohnehin  ausser  Zweifel. 


UQ  Die  Conscriptionsordnung  der  römischeu  Kaiserzeit. 

selben  sind  allem  Anschein  nach  die  schon  in  einem  Diplom  vom 
J.  129  im  dacischen  Heere  neben  Alen  und  Cohorten  auftretende 
vexillatio  equitum  Illyricorum  (oben  8.  1 04  A.  4),  auch  bezeichnet  als 
numerus  equitum  electorum  ex  Illyrico  (oben  S.  104  A.  6)  und  numerus 
Illyricorum  ^.  —  Der  numerus  Falmyrenorum  ist  in  ansehnlicher  Zahl 
vertreten  auf  Inschriften  von  Dacien  und  Numidien^;  aus  dieser 
Provinz  besitzen  wir  sogar  zwei  lateinisch -palmyrenische  Inschriften 
solcher  Soldaten,  während  sonst  zwiesprachige  Soldateninschriften  im 
lateinischen  Sprachgebiet  unerhört  sind  —  die  natio  zeigt  sich  also 
auch  hier.  —  Der  numerus  ferner  der  Brittonen  erscheint  mehrfach 
in  Obergermanien  (S.  109  A.  2)  und  findet  sich  auch  in  Dacien^.  — 
Die  vexillatio  equitum  Maurwum  mauretanischer  Inschriften  (S.  104 
A.  4)  schliesst  sich  den  Mauri  equites  der  Lagerbeschreibung  an*. 
227  Wenn  in  diesen  Völkerschaften  sich  die  inschriftlichen  Zeugnisse  mit 
der  Lagerbeschreibung  begegnen,  so  bieten  für  die  Daker  und  die 
Cantabrer,  die  Hyginus  ebenfalls  aufführt,  so  wie  für  die  Gaetuler, 
falls  diese  von  ihm  gemeint  sind,  die  Inschriften  bis  jetzt  keine 
Belege,  wobei  man  aber  freilich  sich  zu  erinnern  hat,  dass  wir  aus 
der  östlichen  Reichshälfte  solche  Truppen  bis  jetzt  kaum  kennen. 
Andere  numeri  der  Nationen  kennen  wir  nur  aus  Inschriften;  so 
namentlich  den  oder  die  der  Syrer  aus  verhältnissmässig  zahlreichen 
Steinen  von  Dacien  und  Mauretanien  ^  und  den  numerus  llosdroenorum 
aus  niederpannonischen  und  mauretanischen  ^.    Merkwürdig  vor  allem 


1)  Apulum  III,  1197  und  oben  S.  104  A.  3. 

2)  C.  111,803.  837.  907.  1471.  VIII,  2486  add.  [=18007;  Dessau  2625 J.  2502. 
2505  [cf.  18005].  2515  (zweisprachig).  3917  add.  [18202]  (zweisprachig).  8795  add. 
[cf.  18020  =  Dessau  4340]  (dem  Malagbelus  gewidmet)  [18008;  vgl.  oben 
S.  104  A.  6]. 

3)  C.  III,  1396  [=  Dessau  2630] :  signifer  et  quaestor  n.  Brit.  Wahrscheinlich 
identisch  sind  die  pedites  singulares  Britannici,  welche  im  dacischen  Heere  der 
J,  110  und  157  neben  den  Alen  und  Cohorten  aufgeführt  werden  [C.  I.  L.  III 
p.  868.  882]  (vgl.  III,  1633,  [14]). 

4)  Schon  unter  Traianus  begegnet  Lusius  Quietus  Mavqog  xal  avrog  x&v 
MavQcov  aQxcov  (Dio  68,  32  [Boissevain  III  p.  206]),  und,  wie  Themistius  hinzu- 
setzt, sogar  aus  dem  barbarischen  Mauretanien  p.  250  Dind. :  ov8e  'PcojuaTov  ovia 
z6v  ävöga,  d)J'  ov8s  Aißvv  ex  rfjg  vjtt]x6ov  Aißvrjg,  a.}.X  i^  ddö^ov  xal  ä.7iq»{iafj,svr]S 
ioxariäs),  wobei  man  sich  erinnern  wolle,  dass  eine  Ala  der  Mauren  bis  jetzt 
wenigstens  nicht  nachgewiesen  ist.  [Vgl.  den  praepositus  equitum  itemque  peditum 
iuniorum  Maurorum  iure  gladii  C.  I.  L.  VIII  S.  20996  =  Dessau  1356.] 

5)  Für  das  Einzelne  genügt  es  auf  die  Indices  der  betreffenden  Bände  C 
I.  L.  III.  VIII  zu  verweisen. 

6)  Eph.  II,  598  (vgl.  V  p.  243)  [C.  I.  L.  III,  10307]:  ex  nnmero  Hosroruorum. 
C.  VIII,  9829:  se(s)q{ui)plicarius  Osdro[en\oru. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  11t 

ist  der  numerus  equitum  Sarmatarum  des  britannischen  Heeres^,  weil 
er  sicher  hervorgegangen  ist  aus  den  von  den  Jazygen  in  Gemässheit 
des  mit  Kaiser  Marcus  geschlossenen  Friedens  gestellten  und  grössten- 
theils  nach  Britannien  geschickten  Reitern  2,  die  hier  in  derselben 
"Weise  den  stattlicheren  Namen  der  Sarmaten  führen,  wie  Kaiser 
Marcus  wegen  des  Jazygensieges  sich  Sarmaticus  nannte  und  das 
Jazygenland  in  die  Provinz  Sarmatia  umzuwandeln  beabsichtigte.  — 
Im  Ganzen  genommen  sind  in  dieser  Truppenkategorie  die  Provinzen 
spätester  Erwerbung,  wie  Britannien  und  Dacien,  und  die  der  Romani- 
«irung  und  der  Civilisirung  am  fernsten  stehenden  Landestheile  über- 
wiegend vertreten^. 

lieber  die  innere  Organisation  dieser  Truppen  vermögen  wir 
wenig  zu  sagen.  Nach  den  Zahlen,  welche  die  Lagerbeschreibung 
beisetzt  und  welche  ohne  Zweifel,  wie  bei  den  Alen  und  Cohorten,  228 
den  vollen  Sollbestand  jeder  einzelnen  Truppe  darstellen,  stellt  sich 
die  Stärke  zwischen  500  und  900  Mann,  was  im  Allgemeinen  mit 
der  Stärke  der  Auxilien  übereinstimmt,  und  dem  steht  auch  in  den 
Inschriften  nichts  entgegen*.  Dennoch  ist  der  Gegensatz  der  beiden 
Kategorien  ein  recht  scharfer:  wenigstens  schwanken  die  Benennungen 
nur  in  sehr  wenigen  Fällen^  und  noch  in  dem  britannischen  Heer 
der  Notitia  Dignitatum  stehen  beide  Gruppen  in  strenger  Unter- 
scheidung  neben   einander  (S.  105).     Damit  stimmt   ferner  überein, 

1)  Ribchester  C.  VII,  218:  [pr]o  salute  d(omini)  n(ostri)  [et]  n(umeri)  eqqfui- 
tum)  Sar[mataruTn]  Bremetenn(iacensium)  [G]ordiani.  In  zwei  eben  daselbst  ge- 
fundenen Grabschriften  heisst  dieselbe  Truppe  ala  Sarmatarum  (vgl.  oben  S.  20 
A.  2);  in  der  Notitia  Occ.  40,  54  cuneus  Sarmatarum  Bremeteniaco  (armatarum 
bremetenraco  Hdschr./ 

2)  Dio  71,  16:  Ol  'Id^vysg  ig  of.iokoyiav  ■fjXd'ov  ....  xal  ijijiiag  svdvg  oxraxiaxi- 
Xiovg  ig  ovf,i/Liaxiav  01  (dem  Marcus)  naQeoyov ,  acp  a>v  Jievraxiaydiovg  xal  nsvxa- 
xoalovg  ig  Bgerravcav  ejie^itfs. 

3)  Der  numerus  Treverorum  der  Idsteiner  Inschrift  Brambach  1548  [C.  I.  L. 
XIII,  7613]  (vgl.  in  dieser  Zeitschrift  16,  490  [Ges.  Sehr.  5  S.  432]),  welcher  dazu 
nicht  gut  stimmen  würde,  beruht  auf  falscher  Lesung ;  auf  dem  Stein  steht  nach 
Zangemeisters  Angabe  PEDAT  •  TREVERORVM. 

4)  Die  einzelnen  britannischen  Militärposten,  welche  die  obergermanischen 
Steine  nennen,  haben  gewiss  diese  Stärke  nicht  gehabt;  aber  wenn  die  Beinamen 
vom  Standlager  genommen  sind,  wird  der  oberrheinische  numerus  Brittonum  viel- 
mehr als  ein  einziger  Truppenkörper  aufzufassen  sein,  dessen  Abtheilungen  eine 
Anzahl  von  Castellen  besetzt  hielten. 

5)  Die  Identität  des  numerus  equitum  Sarmatarum  mit  der  ala  Sarmatarum 
der  Inschriften  von  Ribchester  (oben  A.  1)  ist  nicht  zu  bezweifeln,  aber  letztere 
Bezeichnung  scheint  abusiv.  Dasselbe  möchte  gelten  von  der  ala  explm-atorum 
Pomariensium  (S.  109  A.  1),  da  sonst  die  exploratores  durchaus  den  numeri  an- 
gehören und  keine  andere  Ala  sich  nach  dem  Standquartier  benennt. 


112  Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

dass  die  üblichen  Bezeichnungen  des  Commandanten  der  Auxiliar- 
truppe  tribunus^  und  praefectus"^  auf  den  numerus  nicht  häufig  an- 
gewendet werden,  dagegen  hier  dafür  regelmässig  praepositus  gesetzt 
wird^.  Es  entspricht  die  Verwendung  dieser  allgemeinen  Bezeichnung 
des  Befehlshabers*  in  specieller  Beziehung  auf  die  Vorgesetzten  dieser 
Truppenkategorie  genau  der  Specialisirung  der  generellen  Bezeich- 
nung numerus  auf  diese  Truppen  selbst.  —  Das  Schwanken  der  Zahl 
229  von  300,  500,  600,  700,  800,  900  gegenüber  den  festen  Normalzahlen 
der  Alen  und  Gehörten  bezeichnet  weiter  den  Charakter  dieser 
Truppen.  —  Die  wenigen  und  disparaten  Angaben,  welche  unsere 
Inschriften  über  die  Subalternen  der  numeri  enthalten,  gewähren,  so 
viel  ich  sehe,  keinen  Einblick  in  ihre  individuelle  Organisation;  wir 
finden  ordinarii  und  Centurionen,  Decurionen  und  sesquiplicarii,  signi- 
feri  und  so  weiter,  wie  in  den  Alen  und  Gehörten  auch,  und  wo 
einmal  weniger  normale  Ghargen  begegnen,  wie  die  circitores  und 
die  hexarchi,  können  diese  doch  weder  auf  die  numeri  überhaupt 
bezogen  noch  den  Auxilien  abgesprochen  werden.  Für  unseren  Zweck 
erscheint  es  angemessen  bei  ergebnisslosen  Einzelheiten  nicht  zu 
verweilen. 

Wohl  aber  ist  es  von  Wichtigkeit  festzustellen,  wann  die  nationes 
der  Lagerbeschreibung  zuerst  auf  den  Denkmälern  hervortreten.  Was 
oben  bemerkt  ward,  dass  aus  dem  ersten  Jahrhundert  wohl  über- 
haupt keine  von  dem  Alen-  und  Gohortenschema  sich  entfernende 
Truppe  nachgewiesen  werden  kann,  gilt  insbesondere  von  ihnen.  Die 
erste  mit  Sicherheit  dahin  zu  rechnende  Abtheilung  sind  die  pedites 


1)  Der  einzige  mir  bekannte  Beleg  dafür  ist  (abgesehen  von  den  Tribunen 
der  kaiserlichen  equites  singulares)  der  tribunus  n.  Syrorum  Mevensium  der  Inschrift 
von  Caesarea  in  Mauretanien  C.  VIII,  9381  [=  Dessau  2763;  vgl.  den  tribunus 
der  ve[xi]llatio  Retoi'um  gaesa(torum)  Eph.  ep.  VII,  1092  =  Dessau  2623]. 

2)  In  der  Aemterreihe  VIII,  9868  add.  [S.  n.  20944];  ausserdem  C.  III,  1149 
[=  Dessau  3558];  Brambach  991  [C.  I.  L.  XIII,  6814  =  Dessau  2754];  C.  I.  Gr. 
6771  [Inscr.  Graecae  XIV,  2433] :  jiQai<pexz(og)  i^jikwQfarÖQcov)  FsQuaviag.  In  der 
Not.  Dign.  ist  c.  28  die  alte  Bezeichnung  praepositus  numeri  beibehalten,  dagegen 
in  c.  40  praefectus  numeri  gesetzt. 

3)  In  der  Aemterreihe  in  den  drei  S.  104  A.  6  angeführten  Inschriften;  ferner 
VII,  285.  VIII,  9745  und,  wie  bemerkt  ward,  Not.  Occ.  c.  28;  auch  Orelli  3100 
[C.  I.  L.  XI,  1836  =  Dessau  1332];  bezogen  auf  Legionscenturionen  VIII,  2486 
[=  18007  =  Dessau  2625]  und  Brambach  1739  [C.  I.  L.  XIII,  6605].  Auch  sonst 
finden  wir  Legionscenturionen  als  Befehlshaber  der  numeri  (VIII,  2494  [=  Dessau 
2636].  Brambach  1732.  1745.  1751  [C.  I.  L.  XIII,  6502.  6606  =  Dessau  2624.  6629]), 
wie  sie  ja  auch  häufig  bei  Cohorten  in  der  gleichen  Stellung  erscheinen  (zu- 
sammengestellt von  A.  Müller  Philologus  41,  482  f.).  ; 

4)  Henzen  zu  Orelli  p.  347  n.  3423.    A.  Müller  Philol.  41,  485. 


Die  Conscriptionsordnnng  der  römischen  Kaiserzeit.  113 

singulares  Britannici  der  dacischen  Diplome  aus  den  J.  110  und  157 
und  die  vexillatio  equitum  Illyricorum  des  ebenfalls  dacischen  Diploms 
vom  J.  129.  Daran  schliesst  der  Zeit  nach  die  eine  der  oben 
(S.  HO  A.  2)  angeführten  zwiesprachigen  lateinisch- palmyrenischen 
Inschriften  sich  an,  die  vom  Seleukidenjahr  461  =  n.  Chr.  149/150 
datirt  ist.  Diese  Documente  brauchen  den  Ausdruck  numerus  nicht. 
Dieser  begegnet  meines  Wissens  mit  sicherer  Datirung  zuerst  voll 
ausgeschrieben  auf  einer  spanischen  Inschrift  aus  der  Zeit  von  Marcus 
und  Verus  (f  169)  i.  Dass  eine  dieser  Abtheilungen  aus  den  unter 
Marcus  von  den  Jazygen  laut  der  Capitulation  zum  römischen  Heer- 
dienst gestellten  Mannschaften  hervorgegangen  ist,  wurde  oben  be- 
merkt. In  den  Steinen  aus  Aschaffenburg  vom  J.  178^  und  aus 
Dacien  vom  J.  1S6?  erscheint  der  numerus  bereits  in  der  seitdem 
stehenden  Abkürzung.*)  Wir  finden  ihn  ferner  auf  einem  Steine  aus 
Roomburg  bei  Leyden  aus  der  Zeit  des  Severus*.  Denkmäler  der 
nationes  aus  der  ersten  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  sind  verhältniss-  230 
massig  zahlreich.  Danach  werden  die  Anfänge  dieser  Einrichtung 
in  die  Zeit  Traians  zu  setzen  sein,  ihre  umfassende  Entwickelung  in 
die  des  Marcus  und  das  folgende  Jahrhundert.  Dem  entspricht,  dass 
die  mimeri,  obwohl  sie  in  der  Lagerbeschreibung  an  Zahl  zwischen 
dem  Drittel  und  der  Hälfte  der  Auxilien  stehen  und  in  den  Missions- 
verhältnissen offenbar  diesen  gleich  gestanden  haben,  dennoch  auf 
den  Militärdiplomen  mit  den  oben  bezeichneten  Ausnahmen  nicht 
auftreten:  denn  während  diese  Documente  für  die  Provinzialtruppen 
bis  auf  Marcus  einschliesslich  verhältnissmässig  zahlreich  vorliegen, 
besitzen  wir  aus  der  Zeit  nach  Marcus  Tod  bis  jetzt  nur  ein  einziges 
noch  dazu  unvollständiges  und  selbst  chronologisch  ungenügend 
fixirtes  Document  dieser  Kategorie.  Sollten  einmal  dergleichen  Ur- 
kunden aus  dem  3.  Jahrhundert  zum  Vorschein  kommen,  so  werden 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  numerl  darin  eine  ähnliche  Stellung 
einnehmen  wie  in  der  Lagerbeschreibung,  während  umgekehrt  das 
fast  völlige  Schweigen  der  uns  vorliegenden  Diplome  aus  dem  2.  Jahr- 

1)  C.  11,  1180  [=  Dessau  1403;  'vorher  schon  (zuerst  im  J.  118)  bei  den 
kaiserlichen  equites  singulares:  C.  I.  L.  VI,  31138—31152'  BANG]. 

2)  Brambach  1751  [C.  I.  L.  XIII,  6629]:  nfumerus)  Brit(tonuinJ  et  explora- 
t(ores)  Nemaning(enses).  Aus  severischer  Zeit  ist  die  Inschrift  Brambach  n.  7  [C. 
I.  L.  XIII ,  8825] ;  Denkmäler  aus  der  ersten  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  haben 
wir  zahlreich. 

3)  C.  III,  1396  [=  Dessau  2630]. 

*)  [So  auch  schon  in  dacischen  Inschriften  vom  J,  138  und  140 :  C.  I.  L.  III, 
13795—6  und  in  der  stadtrömischen  Inschrift  C.  I.  L.  VI,  31151  vom  J.  143.] 

4)  Brambach  7  [C.  I.  L.  XIII,  8825]. 

MOMMSEN,    SCHR.  VI.  8 


114  Die  ConscriptioDsordnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

hundert  dafür  zeugt,  dass  diese  neue  Formation  damals  erst  in  der 
Bildung  begriffen  war. 

Auf  die  Frage,  was  in  der  späteren  Militärordnung  aus  den 
numeri  und  insonderheit  aus  den  nationes  geworden  ist,  lässt  sich 
eine  genügende  x4.ntwort  nicht  geben.  In  der  Notitia  ist,  wenn  wir 
von  der  wahrscheinlich  aus  früherer  Zeit  übernommenen  Specification 
des  britannischen  Heeres  absehen,  die  Benennung  numerus  ver- 
schwunden, Dass  die  betreffenden  Truppen  selbst  sämmtlich  auf- 
gelöst worden  sind,  ist  mehr  als  unwahrscheinlich ;  vielmehr  wird  die 
von  Diocletian  und  Constantin  durchgeführte  neue  Formation  des 
Heerwesens  wohl  eben  an  diese  zunächst  angeknüpft  haben.  Aber 
wahrscheinlich  ist  dies  in  der  Weise  geschehen,  dass  der  alte  vage 
und  ohne  Unterschied  für  Reiterei  und  Fussvolk  verwendete  Name 
beseitigt  und  je  nach  den  Umständen,  vielleicht  auch  mit  Verände- 
rung der  Organisation,  durch  diese  oder  jene  speciellere  Bezeichnung 
ersetzt  ward.  In  der  That  können  wir  wenigstens  in  einem  Fall 
(S.  111  A.  1)  nachweisen,  dass  eine  Abtheilung,  die  unter  Gordian 
als  numerus  equitum  auftritt,  späterhin  cuneus  heisst,  und  dürfen 
daraus  schliessen,  dass  ein  Theil  der  älteren  aus  Reitern  bestehenden 
numeri  in  der  Notitia  unter  der  letzteren  Bezeichnung  wiederkehrt, 
während  andere  unter  andern  Benennungen  verborgen  sein  mögen. 
231  Dadurch  aber  wird  es  für  uns  so  gut  wie  unmöglich  in  den  Yer- 
zeichnissen  der  Truppen  unter  Arcadius  und  Honorius  die  alten  numeri 
ausfindig  zu  machen.  Yon  Palmyrenern,  wo  dazu  noch  am  ersten 
Aussicht  wäre,  führt  die  Notitia  Orienfis  zwei  Reiterabtheilungen  auf, 
unter  den  vexillafiones  comifatenses  des  magister  militum  per  Orientem 
den  cuneus  equitum  secundorum  Palmyrenorum  und  unter  den  Truppen 
der  Thebais  die  ala  octava  Palmyrenorum  ^.  Eine  oder  beide  mögen 
aus  dem  aus  Fussvolk  und  Reiterei  gemischten  Numerus  der  Pal- 
myrener  hervorgegangen  sein;  aber  eine  Gewähr  dafür  ist  nicht 
zu  geben,  um  so  mehr  als  palmyrenische  Infanterie  in  der  Notitia 
mangelt. 

Für  die  Epoche,  in  welcher  die  Lagerbeschreibung  abgefasst 
ist,  ergibt  sich  hieraus  mit  genügender  Sicherheit  das  dritte  Jahr- 
hundert, womit  freilich  insofern  wenig  gewonnen  ist,  als  aus  andern 


1)  Not.  Or.  7,  34.  31,  49.  Daraus  wird  nicht  geschlossen  werden  dürfen, 
dass  es  acht  palmyrenische  Alen  gegeben  hat;  es  scheinen  hier  vielmehr,  wie 
bei  der  ala  quarta  Brittonum,  der  septima  Sarmatarum,  der  octava  Franconm, 
der  quintadecima  Garduenorum  u.  s.  w.,  Reihen  zu  Grunde  zu  liegen,  bei  welchen 
das  Ethnikum  sich  nur  auf  das  einzelne  Glied  bezog. 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  115 

Gründen  diese  Abfassungszeit  jetzt  allgemein  angenommen  wird^. 
Eine  nähere  Begrenzung  dürfte  mittelst  der  nationes  sich  kaum 
erreichen  lassen  2. 


Die  ctmei. 
Cuneus  als  technische  Bezeichnung  einzelner  Reiterabtheilungen, 
■wie  dies  Wort  im  theodosischen  Codex'  und  besonders  in  der  Notitia 
gebraucht  wird,  war  für  die  vorconstantinische  Zeit  bisher  nicht  mit  232 
Sicherheit  nachgewiesen ;  denn  in  der  unter  Philippus  geschriebenen 
Inschrift  aus  Cumberland*  des  cuneus  Frisionum  AhaUavensium 
schwankt  die  Lesung  zwischen  cuneus  und  numerus.  Zwei  im 
November  1883  am  Hadrianswall  in  Britannien  bei  Housesteads 
gefundene,  von  "W.  Thompson  Watkin  ^  herausgegebene  Inschriftsteine 
ohne  Zweifel  eben  dieser  Truppe  aus  der  Zeit  Alexanders  haben 
diese  Frage  entschieden  und  gezeigt,  dass  Hübner  in  der  späteren 
Bearbeitung  jenes  Steins  mit  Recht  sich  für  die  Lesung  cuneus  ent- 
schieden hat.  Vielleicht  ist  es  nicht  Zufall,  dass  das  Wort  in  dieser 
technischen  Verwendung  zuerst  für  die  Friesen  begegnet  —  acies, 
sagt  Tacitus  von  den  Germanen,  per  cuneos  componitur.  Dass  diese 
cunei  des  dritten  Jahrhunderts,  eben  wie  die  vexillationes  des  zweiten 
(S.  104),  den  numeri  beizuzählen  sind,  folgt  aus  der  obigen  Dar- 
stellung und  ist  für  den  numerus  equitum  oder  cuneus  Sarmatarum 
geradezu  bezeugt  (S.  111  A.  1).  Ich  wiederhole  die  beiden  inDeutsch- 

1)  Die  Frage  ist  zuletzt  von  W.  Förster  Rhein.  Mus.  34,  237  erörtert,  wo 
die  früheren  Untersuchungen  angeführt  sind.  [Vgl.  dagegen  v.  Domaszewski  in 
seiner  Ausgabe  des  Hyginus  (Leipzig  1887)  S.  69 f.;  gegen  ihn  Jung,  Wiener  Studien 
11,  1889  S.  153  f.] 

2)  Wenn  Marquardt  (Handb.  2  ^,  600)  aus  dem  Auftreten  der  Palmyreni  die 
Abfassung  vor  Caracalla  gefolgert  hat,  weil  Palmyra  zur  Zeit  Ulpians  (Dig.  50, 
15,  1,  5)  colonia  iuris  Italici  gewesen  sei  und  demnach  Palmyrener  nicht  unter 
den  nationes  hätten  dienen  können,  so  widerstreitet  dem  die  notorische  That- 
sache,  dass  Palmyra  bis  auf  seine  Zerstörung  seine  nationalen  Besonderheiten, 
j sogar  seine  Sprache  und  seine  Schrift  bewahrt  hat.  Wie  mit  dieser  unbestreit- 
baren Thatsache  das  Zeugniss  Ulpians  in  Einklang  zu  bringen  sei,  gehört  zu  dem 
Problem,  über  das  früher  S.  84  f.  gesprochen  worden  ist. 

3)  Zuerst  in  der  Verordnung  von  347  (C.  Th.  5,  6,  1),  wo  den  legiones  die 
vexillationes  comitatenses  seu  cunei  entgegengesetzt  werden.  Vgl.  die  diocletianischen 
Constitutionen  Cod.  lust.  7,  64,  9.    10,  55,  3  und  Ammianus  31,  16,  5. 

4)  C.  VII,  415  =  Eph.  III  p.  130  [Dessau  2635].  Auch  in  der  Inschrift  Eph. 
[tl  p.  125  n.  85  [=  Dessau  4544]  von  Brougham  kommt  ein  cuneus  vor,  doch 
st  Name  wie  Zeit  unsicher. 

5)  Im  Newcastle  Daily  Journal  31.  Jan.  1884 ,  dessen  Mittheilung  ich  Hm. 
\Vatkin  verdanke.    Eine  andere  Abschrift  sandte  mir  Hr.  Haverfield  in  Oxford. 


Wß  Die  Conscriptiousorclnung  der  römischen  Kaiserzeit. 

land    zur  Zeit   wenig  bekannten   Inschriften    nach    der  Lesung  von 

Watkin:*)  Deo  \  3Io,rti  et  dudbus  \  Alaisiagis  et  n(uminibus)  Aug(ust,o- 

233  rum)^  \  Ger(mani)   cives  Tuilianti"^  \   cunei  Frisiorum  \  VER  •  SER^ 

*)  [Eph.  ep.  VII,  1040.  1041  =  Dessau  4760.  4761.  Vgl.  dazu  Scherer 
S.-Ber.  Akad.  Berlin  1884  S.  571  ff.;  weitere  Literatur  bei  Ihm,  Pauly -Wissowa 
RE.  I,  1275  und  Golther,  Handb.  d.  german.  Mythologie  (Leipzig  1895)  S.  204  A.  2.] 

1)  Dies  ist  die  correcte  Auflösung  der  auf  britannischen  Inschriften  sehr 
häufigen,  sonst  nicht  gerade  geläufigen  Formel.  Der  Plural  numinibus  ist  viel- 
fach sicher  bezeugt,  der  Singular  auf  keiner  britannischen  Inschrift  vollständig 
gesichert  (denn  VII  170.  936  sind  nicht  ausreichend  beglaubigt)  und  auch  ausser- 
halb Britannien  findet  sich  zwar  beides,  aber  überwiegt  entschieden  der  Plural. 
Atcgustor(um)   ausgeschrieben  findet  sich  C.  III,   751    [=  7434  =  Dessau  1855]. 

VII,  503  [Dessau  4714].  VIII,  8808.  Orelli  1961  [C.  I.  L.  XIII,  5639],  Augusti  oder 
Augiistis  vielleicht  nirgends,  Augg.  und  Aug.  sehr  oft.  Die  Formel  wird  (abge- 
sehen natürlich  von  den  auf  den  ersten  Kaiser  sich  beziehenden  Ausdrücken 
numen  Augusti  Orelli  2489  [C.  I.  L.  XII,  4833  =  Dessau  112]  und  numen  Augustum 
Orelli  686  [C.  I.  L.  XI,  3303  =  Dessau  154])  nicht  leicht  auf  den  regierenden 
Kaiser  allein  bezogen  (ausnahmsweise  C.  VI,  544  [=  Dessau  1540]:  numini  . . . . 
Traian.  Aug.;  VII,  319:  deabus  Matribus  tramarinis  et  n.  imp.  Alexandri  Aug. 
et.  lul.  Mammeae  ....  toti[que]  domui  divin[ae] ;  VII,  996  [=  Dessau  4728] :  deo 
Mogonti  Cod.  et  n.  d.  n.  Aug.;  vgl.  VII,  882),  sondern  pflegt  die  Gesammtheit 
der  Kaiser  und  <3es  Kaiserhauses  zu  umfassen,  wie  sie  im  Kaisercultus  zusammen- 
gefasst  werden ;  am  deutlichsten  C.  VIII,  5177:  numini  divor(um)  Augustorum  (so 

auch  II,  2009)  et  imp.  Caes Traiani  Hadrian.  Aug.;    sehr  oft,  besonders 

auf  stadtrömischen  Inschriften,  steht  dafür  numini  domus  Atcgustae  (oder  domus 
Augustorum  Eph.  II,  349  [C.  I.  L.  III,  6992  =  Dessau  314]),  zuweilen  mit  ange- 
hängtem Namen  des  regierenden  Kaisers  (im  Genitiv  VI,  542  [ist  zu  streichen]. 

VIII,  5177;  im  Dativ  Eph.  II,  349  [C.  I.  L.  III,  6992  =  Dessau  314]),  öfter  allein. 
Sie  ist  nicht  eigentlich  dedicatorisch,  sondern  entspricht  im  Gebrauch  ungefähr 
den  noch  gewöhnlicheren  piv  salute  dominorum  und  in  Iwnorem  domus  divinae; 
die  eigentliche  Dedication  folgt  häufig  nach  (C.  V,  6885  [=  Dessau  4850/]. 
VI,  236  [=  Dessau  3668].  240.  338  [=  Dessau  3445].  Orelli  5216.  6587  [C.  I.  L. 
XIII,  1640.  1730]).  Es  ist  in  jeder  Hinsicht  unmöglich  das  folgende  Germ,  an 
diese  Formel  anzuschliessen. 

2)  Dies  wird  erklärt  werden  müssen  nach  dem  Schema  natione  Afer,  civis 
Carthaginiensis.  Indess  so  häufig  bei  Heimathbezeichnungen  die  Landschaft  und 
die  Stadt  neben  einander  erscheinen,  so  ungewöhnlich  ist  die  Verbindung  von 
Landschaft  und  Gau;  was  bei  den  Interpretationsversuchen,  die  nicht  ausbleiben 
werden,  berücksichtigt  werden  sollte.  Die  nähere  Bestimmung  dieser  sicher  ger- 
manischen, wahrscheinlich  friesischen  Tuihanten  ist  nicht  meine  Aufgabe;  der 
nahe  liegenden  Identification  mit  den  Tubanten  widerstreiten  die  über  deren 
spätere  Wohnplätze  erhalteneu  Nachrichten  (vgl.  Ptolemaios  2,  11,  11)  [vgl. 
Scherer  a.  a.  0.  S.  573]. 

3)  In  VER  •  SER  kann  allenfalls  ve(te)r{anorum)  Se(veJr(ianorum)  stecken; 
aber  freilich  steht  die  Annahme  solcher  Handhabung  der  syllabarischen  Abkürzung, 
wie  etwa  noch  VII,  180:  deo  Marti  et  nu(mini)b(us)  Aug(ustorum),  der  Annahme 
eines  Schreibfehlers  ungefähr  gleich  [vgl.  Limesblatt  1897  S.  665  f.].  Watkin 
sucht  in  Ver.  einen   Localnamen;   und   da   die   unter   Philippus    hei   Aballava 


Die  Conscriptionsordnung  der  römischen  Kaiserzeit.  117 

Alexand\riani  votum  |  solveru[nt]  \  Uhent[es].  Ferner  Deo  \  Marti  \ 
Thingso^  |  et  cluahus  \  Alaisiagis  \  Bede  et  Fi\mmilene'^  \  et  n(ii'mini- 
hus)  Aug(ustorum)  Ger\(mani)  cives  Tu\ihanti  \  v(otum)  s(olverunt) 
l(ihentes)  m(erito).  —  Für  unsere  Untersuchungen  ist  der  Fund 
auch  insofern  wichtig,  als  dadurch  auf  die  Behandlung  Britanniens 
in  der  Notitia  Dignitatum  ein  weiteres  Licht  fällt.  Dass  diese 
im  Allgemeinen  nicht  der  späteren,  sondern  der  vorconstan- 
tinischen  Militärordnung  folgt  und  sowohl  die  Benennungen  der 
Truppenkörper  wie  die  Namen  der  einzelnen  Abtheilungen  wesent- 
lich dem  älteren  Schema  entsprechen,  habe  ich  theils  anderweitig 
bemerkt^,  theils  in  Betreff  der  numeri  oben  dargelegt.  Aber  wenn 
ich  früher  zulassen  zu  müssen  glaubte,  dass  einzelne  Abtheilungen 
darunter  den  Stempel  des  4.  Jahrhunderts  tragen,  so  dachte  ich  234 
dabei  vorzugsweise  an  den  cuneus  Sarmatarum.  Nachdem  jetzt  fest- 
steht, dass  es  ciinei  schon  im  dritten  Jahrhundert  gegeben  hat,  wird 
vielmehr  gesagt  werden  müssen,  dass  in  den  beiden  Britannien 
betreffenden  Kapiteln  nicht  eine  einzige  sichere  Spur  nachdiocletia- 
nischer  Abfassung  zu  finden  ist*,  und  die  Vermuthung  gewinnt  immer 
mehr  an  Wahrscheinlichkeit,  dass  diese  beiden  Abschnitte  uns  die 
militärischen  Verhältnisse  Britanniens  nicht  so  darlegen,  wie  sie  im 
J.  400,  sondern  vielmehr  wie  sie  um  das  J.  300  waren.  Wer  sich 
erinnert,  dass  eben  um  jene  Zeit  die  britannischen  Römer  vom 
Reiche  aufgegeben  wurden,  wird  es  in  der  That  kaum  glaublich 
finden,  dass  in  Betreff  der  dortigen  Truppen  die  Kanzlei  des  occi- 
dentalischen  Reiches  auf  dem  Laufenden  gewesen  sein  soll. 


lagernde  Truppe  uuter  Alexander  bei  Housesteads  stand,  so  sollte  man  allerdings 
den  alten  Namen  dieses  Castells  hier  erwarten.  [Huebner  glaubt  an  ein  Ver- 
sehen für  SEVER.,  Tgl.  Ephem.  a.  a.  0.]  Dasselbe  gilt  aus  guten  Gründen  für 
das  Borcovicium  der  Notitia,  womit  Velurtion  des  Ravennas  identisch  zu  sein 
scheint;  vielleicht  ist  die  richtige  Form  Vercovicium. 

1)  The  first  letter,  bemerkt  Watkin,  seems  like  TB.  Ugulate,  but  the  horizontal 
strdke  is  prohably  an  accidental  Scratch  [auf  dem  Steine  steht  Thingso,  vgl.  Eph. 
ep.  VII  n.  1040;   T{?)hincso  las  Watkin]. 

2)  Das  erste  gebundene  Zeichen  dieser  Zeile  ist  nach  Watkin .  entweder  MM 
oder  NM  oder  MIN  [es  ist  MM,  vgl.  Ephem.  epigr.  a.  a.  0.]. 

3)  Eph.  epigr.  V  p.  163. 

4)  Der  numerus  Maurwum  Aiirelianorum  mag  nach  Aurelian  heissen,  die 
ala  prima  Hercicla  (so  die  Handschriften)  nach  Maximian;  die  Bildung  der  »a'Zifes 
Tungreeani,  der  equites  Stablesiani  dem  vierten  Jahrhundert  zuzuweisen  berechtigt 
nichts.  Aelter  freilich  als  Diocletian  können  diese  Kapitel  nicht  sein,  besonders 
wegen  des  comes  litoris  Saxonici. 


IV. 

Ägyptische  Legionare.*) 

443  Vegetius,  indem  er  bemerkt,   dass  bei  dem  Legionsdienst  des 

Schreibens  und  des  Eechnens  kundige  Leute  nicht  fehlen  dürfen, 
begründet  dies  eingehend  (2,  19):  totius  enim  legionis  ratio,  sive 
öbsequiorum  sive  militarium  munerum  sive  pecuniae,  cotidie  adscrihitur 
actis  maiore  prope  diligentia,  quam  res  annonaria  vel  civilis  in 
polyptychis  adnotafur:  cotidianas  etiam  inpace  vigilias,  item  excuhitum 
sive  agrarias  de  omnibus  centuriis  et  contuherniis  vicissim  milites 
faciunt.  ut  ne  quis  contra  iustitiam  praegravetur  aut  alicui  praestetur 
immunitas,  nomina  eorum,  qui  vices  suas  fecerunt,  hrevibus  inseruntur. 
quando  quis  commeatum  acceperit  vel  quot  dierum,  adnotatur  in 
hrevibus.  Ein  Stück  solcher  brevia  ist  kürzlich  in  Aegypten  zum 
Vorschein  gekommen  und  von  zwei  namhaften  Genfer  Gelehrten, 
lules  Nicole  und  Ch.  Morel  in  Sonderpublication  (archives  militaires 
du  I  siecle.     Genf  1900)  mit  Facsimile  herausgegeben  worden.**) 

Ich  beabsichtige  nicht  den  gesammten  Inhalt  des  opistho- 
graphen  Blattes  hier  zu  wiederholen  und  zu  erläutern;  es  soll  nur 
eine  kurze  Uebersicht  des  Inhaltes  gegeben  und  der  wichtigste  Be- 
standtheil,  die  Soldberechnung  zweier  Legionare,  näher  erörtert 
werden. 

Die  Vorderseite  des  Papyrus  zeigt  in  der  Ueberschrift  den  Rest 
des  Consulats  81  n.  Chr.  .  .  .  L.  Äsinio  cos^.  In  dem  Soldverzeich- 
niss,  wovon  die  beiden  letzten  Columnen  erhalten  sind,  ist  diesen 
vorgeschrieben  an(no)  III  Do(mitiani),  d.  h.  nach  der  ohne  Zweifel 
hier  zu  Grunde  liegenden   ägyptischen  Jahrbezeichnung  29.  August 


*)  [Hermes  35,  1900  S.  443—452;  vgl.  S.  532.] 

**)  [Zuletzt  behandelt  von  Premerstein,  Klio  3,  1903  S.  1—46,  wo  auch 
die  weitere  Literatur  verzeichnet  ist.  Vgl.  auch  Viereck  in  Bursians  Jahres- 
berichten 1906,  3  S.  94  f.] 

1)  Der  sonst  nicht  bekannte  Vorname  dieses  Consuls  erscheint  mir  auf  der 
Photographie  deutlich  mit  vorhergehendem  leerem  Raum,  und  ebenso  liest 
Nicole.    Morel  meint  vielmehr  et  zu  erkennen. 


Ägyptische  Legionare.  119 

83/4.   Die  in  der  letzten  Columne  der  Vorderseite  zusammengestellten 

Urlaubsvermerke    beginnen:    exit  ....  anno  III[I  im}).  Tito ] 

Octobres,  r(edit)  anno  codem  XII  k.  Februarias  und  fahren  fort:  exit 
....  anno  I  imp.  Domitiano  ....  r(edit)  anno  eodem  III  idus  lulias.  444 
Diese  Notiz  ist  also  begonnen  zwischen  dem  14.  September  und 
dem  14.  October  81,  bevor  die  Kunde  von  dem  am  13.  September 
erfolgten  Tode  des  Titus  nach  Aegypten  kam,  und  dann  weiter 
geführt  bis  13.  Juli  82;  der  annus  IUI  Titi  (29.  August  bis  13.  Sep- 
tember 81)  und  der  annns  I  Domitiani  (14.  September  81  bis  28.  August 
82)  sind  identisch.  Unter  den  späteren  analogen  Vermerken  ist  der 
jüngste  datirt  anno  VII  Domitiani  III  Je.  Octoh[r€s],  29.  September 
87.  Demnach  ist  die  Liste  angelegt  worden  im  Todesjahr  des 
Titus  81  n.  Chr.  und,  von  verschiedenen  Händen  fortgeführt,  in 
Gebrauch  geblieben  bis  zum  Jahr  87.  —  Die  Rückseite,  welche  nach 
Cassirung  der  Vorderseite  geschrieben  ist,  lässt  sich  nur  insoweit 
datiren,  dass  die  darin  aufgeführten  Tage  bezeichnet  sind  als 
l'.  I)omitia(nis)  und  so  weiter  bis  VI  idus  I)[omitianas\,  Sie  ist 
also  bald  nach  Cassirung  der  Vorderseite  aufgesetzt,  da  die  Um- 
nennung  des  Monats  October  in  Domitiamis  (Sueton  Dom.  13)  nach 
dem  vorher  Bemerkten  nach  87  zu  fallen  scheint,  aber  in  den 
Jahren  88/9  (nach  einem  von  den  Herausgebern  angeführten  Genfer 
Papyrus)  und  89/90  (nach  drei  anderen,  einem  Londoner  Pap.  of 
the  Br.  Mus.  2  n.  259  p.  39,  einem  Berliner,  Wilcken  Ostraka  1,  810 
und  einem  Oxforder,  Grenfell  und  Hunt  Oxyrhynchus  2  p.  164) 
bereits  eingeführt  war;  mit  der  Katastrophe  Domitians  im  Jahre  96 
verschwindet  sie  wieder.  —  Ein  auf  der  Vorderseite,  aber  nach 
Umkehrung  und  Cassirung  derselben  geschriebener  Vermerk,  be- 
ginnend imp.  Domitiano  XV  cos.,  also  aus  dem  Jahre  90,  kann  der 
Rückseite  gleichzeitig  sein. 

Ich  verzeichne  die  einzelnen  Schriftstücke. 

1.  Die  —  unter  dem  schon  angegebenen  Rest  des  Sammttitels: 
.  .  .  L.  Asinio  cos.  und  mit  der,  auch  vielleicht  zu  Anfang  unvoll- 
ständigen, wahrscheinlich  den  Schreiber  nennenden  Unterschrift 
L.  Etmius  Innocens  —  von  mehreren  vermuthlich  gleichartigen  Co- 
lumnen  übrig  gebliebenen  beiden  letzten  tragen  als  Ueberschriften 
zwei  Soldatennamen. 

Q.  Iidiiis  Proctdus  Gan(gris?)^ 


1)  Die  Lesung  ist  unsicher,  vielleicht  mit  Morel  so  wie  oben  angegeben 
zu  fassen  [[D]am(asco)  Premerstein  a.  a.  0.  S.  5  A.  1  nach  Seymour  de 
Riccis  Lesung]. 


120  Ägyptische  Legionare. 

C.  Valerius  Germanus  Tyr(o)  ^  und  führen  mit  der  überall  gleich- 

445  lautenden   Eingangsformel:    accepit  stip.  I  (oder   II  oder   III)    an. 

III  BoJ^)  (nachher  «wm  emscZem)  dr.  CGXL  F7/7  die  Löhnung  dieser 

beiden  Leute  in  Einnahme,  Ausgabe  und  Kassenrest  auf,  wie   dies 

weiterhin  näher  ausgeführt  werden  soll. 

2.  Eine  neben  den  beiden  vorigen  stehende  am  Zeilenschluss 
beschädigte  Columne  nennt  vier  einzelne  Soldaten  mit  römischen 
Namen  —  die  wahrscheinlich  hinzugefügte  Charge  fehlt  bis  auf 
c  . . . .  bei  dem  ersten  —  unter  Hinzufügung  bei  einem  jeden  längerer 
Entsendungen  zum  Empfang  von  Getreide  oder  zu  anderen  Zwecken: 
ad  hormos  confodiendos  —  ad  chartam  conficiendam  —  ad  moneta(m). 
Beispielsweise  heisst  es  bei  dem  ersten:  C.  Papirius  Clemens  c  .  .  .  . 
exit  ad  frumentum  Neapoli(m)  ex  ep[istula^  T.  Suedi]  Clementis 
praef.  castrorwn,  welcher  Offizier  als  praef.  castrorum  in  Aegypten 
auch  auf  einer  Inschrift  der  Memnonsäule  (C.  I.  L.  III,  33)  vom 
Jahre  79  genannt  wird.  Hier  ist  von  einer  Sendung  in  das  Haupt- 
quartier die  Rede;  Neapolis  wird  als  Stadttheil  von  Alexandreia 
genannt  in  dem  mehrfach  begegnenden  Beamtentitel  des  prociirator 
Neaspoleos  et  mausolei  Älexandriae  ^.  Auch  die  Wendung  ad  frumen- 
tum Mercuri  wird  man  in  Verbindung  bringen  dürfen  mit  dem  prO' 
curator  A[ug]ustor(um)  ad  Me[rc]urium  Alexandr(eae)^. 

3.  Auf  der  gewendeten  Vorderseite  stehen,  wie  angegeben  ward, 

unter  dem  Präscript  imp.  Domitiano  XV  cos.  au'^-*) vier  Namen 

römischer  Form  mit  Angabe  der  Tribus,  bei  dreien  der  PoHia,  bei 
dem  vierten  der  Collina;  die  Heimathangaben  fehlen,  scheinen  aber 
am  Schluss  gestanden  zu  haben.  In  welcher  Beziehung  dieselben 
also  verzeichnet  werden,  ist  nicht  ersichtlich. 

4.  Auf  der  Rückseite  erscheint  zunächst  eine  Aufzählung  ver- 
schiedener   Soldaten    mit   Angabe    ihrer    Specialchargen    und    unter 


1)  Mir  scheint  Tyr.  zu  stehen,  nicht  Oyr. 

*)  [do(mini)  erklärt  Premerstein  a.  a.  0.  S.  7.] 

2)  Der  letzte  erhaltene  Buchstabe  nach  EP  scheint  L  zu  sein;  die  Er- 
gänzung ist  ganz  unsicher. 

3)  Lyon:  C.  Julius  Celsus  C.  L  L.  XII,  1868  =  Dessau  inscr.  sei.  n.  1454; 
Saldae  in  Mauretanien:  Sex.  Cornelius  Dexter  C.  I.  L.  VIII,  8934  =  Dessau  1400; 
Magnius  Rufiuianus  Berliner  Papyrus  BGU.  8,  2,  28.  Einen  Theil  dieser  Nach- 
weisungen verdanke  ich  Wilcken.  Unmöglich  kann  mit  Morel  an  die  Kaivrj 
TToAt?  der  Thebais  gedacht  werden,  wenn  diese  gleich  bei  Herodot  Nerj  nöXig 
heisst. 

4)  Diesen  nennt  die  capuanische  Inschrift  C.  X,  8847  =  Dessau  1398. 
Morel  denkt  an  Hermupolis  magna. 

**)  [M  Premerstein.] 


Ägyptische  Legionare.  121 

Beisetzung  bei  den  einzelnen  Namen  der  Zahl  I  oder,  wo  mehrere 
zusamraengefasst  werden,  der  entsprechenden  Zahl.  Von  diesem 
Schriftstück  ist  der  Schluss  der  vorletzten  und  die  letzte  Columne 
einigermaassen  erhalten.  Am  Ende  der  vorletzten  erscheint  die  Be- 
zeichnung equites  mit  der  Ziffer  II;  darunter  zwei  Namen.  Die  letzte  446 
Columne  beginnt  mit  den  "Worten: 

reliqui  XXXX,  ex  eis  opera  vacantes 
Darauf  folgt  weiter  —  die  unsicheren  Lesungen  sind  in  (  ),  die  Er- 
gänzungen in  [  ]  gegeben; 

armoruni  ctcstos  I 

conductor:  Porcius  I 

carrarius:  (Si)vinius*}  I 

secutor  tri\buni]:  .  .  .  tius**)  Severus  I 
custos  domi  .  .  .  iti  .  .  .;***)  Stanis  I 
librarius  et  (discens)'^)  II 

Curiati(us)  .  .  .  s 
Aureli(us)  .  .  s 
supra  niimer[ttm]  ....  I 

Domitius  ... 
stafionem  a[gens]  I 

Domitius  .... 
f[itmt  Villi?] 
Nach  Aufzählung  dieser   neun  vom  Dienst  Befreiten  wird  abermals 
die  Summe  gezogen: 

reliqui  XXXL 

Es  scheint  hier  eine  Uebersicht  sämmtlicher  der  betreffenden  Ab- 
theilung angehöriger  Soldaten  vorzuliegen  mit  Angabe  der  einem 
jeden  zugewiesenen  militärischen  Beschäftigung,  so  dass  am  Schluss 
neun  befreite  Leute  und  31  nicht  fest  verwendete  munifici  ver- 
bleiben. Indess  ist  dies  Schriftstück  so  unvollständig  und  zerstört, 
dass  damit  wenig  anzufangen  ist. 

5.  Den  grösseren  Theil  der  Rückseite  füllt  eine  recht  eigentlich 
den  brevia  des  Vegetius  entsprechende  Tafel,  welche  in  ihren  Längs- 
ßtreifen  die  Namen  von  36  Soldaten  aufführt,  in  ihren  Querstreifen 
die  ersten  zehn  Octobertage,  wie  schon  gesagt,  von  /;.  Dom.  bis 
VI  id.  Dom.  Weitere  Namen  folgten  nicht,  wohl  aber  folgten  weitere 

*)  [Plotinus  Premerstein  a.  a.  0.  S.  23  nach  dem  Facsimile.] 
**)  [nutius  Premerstein.] 
***)  [Sallustius  Premerstein.] 
t)  [ce[r]aiM[s]  Premerstein.] 


\22  Ägyptische  Legionare. 

Tagescolumnen.  Das  Jahr  ist  nicht  angegeben.  Die  36  Soldaten 
werden  bezeichnet  mit  den  drei  römischen  Namen  ohne  Angabe  der 
Tribus  und  der  Heimath;  einer  derselben  T.  Flavius  Yalens  kehrt 
wieder  unter  den  vier  im  zweiten  Schriftstück  genannten.  Zwei 
Homonyme  C.  lulii  Longi  werden  unterschieden  durch  die  Zusätze 
Sipo  und  Miso,  vielleicht  castrensische  Beinamen.  Es  bildete  sich 
447  also  für  jeden  Soldaten  und  für  jeden  Diensttag  ein  Rechteck,  in 
welches  der  Tagesdienst  des  einzelnen  Mannes  eingetragen  werden 
konnte.  Ein  grosser  Theil  dieser  Quadrate  ist  nicht  ausgefüllt; 
vermuthlich  sind  nur  Specialmandate  verzeichnet.  Einzelne  derselben, 
wie  das  hier  mehrfach  wiederkehrende  exit  mit  folgendem  Deter- 
minativ, weiter  ein  unverständliches  pro  quintane  .  .,  erstrecken  sich 
über  mehrere  Tage;  die  meisten,  auch  gleichmässig  sich  wieder- 
holende, beschränken  sich  auf  den  einzelnen  Tag.  Yon  manchen  ist 
die  Bedeutung  klar:  armamenta  —  signis  —  harena  —  calcem  — 
via  Nico(polim?)  —  sta(fio)  principis  —  sta(tio)  por(tae)  —  stati[d\ 
ad  Serenu(m);  mehrfach  findet  sich  Zuweisung  zu  einzelnen  Centurien: 
in  7  Hell  —  Sereni  7  —  D.  Decri  7.  Die  Beischrift  pagano  cidtu, 
welche,  wie  Morel  erinnert,  in  metaphorischer  Anwendung  in  Plinius 
Briefen  (7,  20)  wiederkehrt,  wird  die  Aufsichtführung  über  die  für 
die  Truppe  thätigen  Feldarbeiter  bezeichnen.  Anderes  bleibt 
wenigstens  zur  Zeit  dunkel,  so  die  häufigen  Angaben  strigis  und 
lallio. 

Die  Truppenabtheilung,  von  welcher  diese  Aufzeichnungen  her- 
rühren, gehörte  ohne  Zweifel  einer  Legion  an.  Alle  darin  begeg- 
nenden Vollnamen  haben  die  römische  Form;  die  Tribus,  und  zwar 
überwiegend  die  castrensische  Pollia,  erscheint  in  dem  dritten  Stück ; 
die  Heimathangabe  steht  in  dem  ersten  und  stand  wohl  auch  in 
dem  dritten.  Gehörten  diese  Aufzeichnungen  einer  Auxiliartruppe 
an,  so  würden  unrömisch  gebildete  Namen  nicht  mangeln.  Dass 
diese  Abtheilung  nicht  in  dem  alexandrinischen  Hauptquartier  stand, 
ist  wahrscheinlich,  weil  sie,  um  Getreide  zu  empfangen,  wie  bemerkt 
ward,  nach  Alexandreia  schickte.  Die  Gesammtzahl  der  Abtheilung 
kann  nicht  viel  höher  als  40  gewesen  sein,  da  vor  den  reliqui  XXXX 
verzeichneten  Namen  wohl  nur  die  der  Chargirten  gestanden  haben 
können.  Dazu  passt  auch  die  36  Namen  aufführende  Liste,  da 
diese  vermuthlich  nur  die  eigentlichen  munifici  nannte  und,  obgleich 
sie  freilich  auf  anderen  gleichartigen  Blättern  ihre  Fortsetzung  ge- 
habt haben  kann,  vermuthlich  vollständig  ist.  Immer  wird  mit 
einiger  "Wahrscheinlichkeit  angenommen  werden  dürfen,  dass  diese 


Ägyptische  Legionare.  123 

Mannschaften  keine  feste  Legionsabtheilung  bildeten,  sondern  eine 
abcommandirte  legionare  vexiUatio,  eine  statio  agraria^.  Es  ist 
löglich,  dass  eine  solche  in  Arsinoe  stand,  obwohl  dies  aus  dem 
mdort  des  Blattes  nicht  mit  Sicherheit  gefolgert  werden  darf. 

Bei  weitem  das  wichtigste  Stück  unter  den  hier  erhaltenen  ist  448 
ie  Aufzeichnung  hinsichtlich   der  Soldzahlung.     Ich  stelle  zunächst 
lie  beiden  wesentlich  gleichförmigen  Rechnungen  in  ihren  Ergeb- 
lissen  zusammen;  kleine  Abweichungen  und  Ergänzungen  bezeichne 
^ch  nicht  besonders,  da  alles  Wesentliche  feststeht. 

In  Einnahme  wird  jedem   der  beiden  Soldaten  gestellt  für  das 
Iritte  (ägyptische)  Jahr  Domitians: 

accepit  stip.  I  dr.  CCXLVIII 

II  dr.  CCXLVIII 

III  dr.  CCXLVIII 

In  Ausgabe  wird  gestellt  für  den  ersten  Viermonattermin: 

eis  faenaria  dr.  X 

in  victum  dr.  LXXX 

caligas  fascias  dr.  XII 

saturnalicimn  Jc(astrense)  ^    dr.  XX 
in  vestime[ntum]  (oder  [in 

vesti]torium)  dr.  LX  Proculus;   ^r.  C  Germanus 

expensas  dr.  CLXXXII        dr.  CCXXII 

Für  den  zweiten  Viermonattermin : 

ex  eis  faenaria  dr.  X 

in  victum  dr.  LXXX 

caligas  fascias  dr.  XII 

ad  signa  dr.  IV 

expensas  dr.  CVI 

Für  den  dritten  Viermonattermin; 

ex  eis  faenaria  dr.  X 

in  victum  dr.  LXXX 

caligas  fascias  dr.  XII 

in  vestimentis  dr.  CXLVI 

expensas  dr.  CCXLVIII 


1)  Ammianus  14,  3,  2.     Vegetius  a.  a.  0. 

2)  So  dürfte  aufzulösen  sein,  wie  im  diocletianischen  Edict,  nicht  Jc(alendis). 


I 


124  Ägyptische  Legionare. 

Die  Bilanzen  stellen  sich  verschieden  für  die  beiden  Soldaten: 
Proculus:  Germanus: 

1.  Termin: 
reliquas  deposuit         dr.  LXVI  dr.  XXVI 

et  häbuit  ex  prio[reY  dr.  CXXXVI*)  dr.  XX 

fit  summa  omnis  dr.  CCII  dr.  XLVI 

449  2.  Termin: 

reliquas  deposuit  dr.  CXLII  dr.  CXLII 

et  hahuit  ex  priore         dr.  CCII  dr.  XL  VI 

fit  summa  omnis  dr.  CCCXLIV  dr.  CLXXXVl 

3.  Termin  (in  dem  Einnahme  und  Ausgabe  sich  decken): 
habet  in  deposito  dr.  CCCXLIV  dr.  CLXXXVl 

Zunächst  bestätigt  diese  Aufstellung,  was  wir  schon  wussten, 
dass  die  römische  Soldzahlung  in  Viermonatterminen,  also  dreimal 
im  Jahre  stattfand.  Dass  dabei  wenigstens  in  unserer  Liste  das 
ägyptische  Jahr  zu  Grunde  gelegt  ist,  bestätigt  sich  durch  die  Ein- 
setzung der  Verabreichung  für  die  Saturnalien  (Dec.  17  fg.)  in  den 
ersten  Termin. 

Dass  das  Stipendium  des  Legionars  von  Caesar  auf  75  Denare, 
der  Jahressold  auf  225  Denare  festgesetzt  war  und  dieser  Satz  blieb, 
bis  Domitian  ihn  auf  100  Denare  erhöhte,  steht  fest-.  Es  fragt 
sich,  wie  der  in  dem  Papyrus  angegebene  Betrag  von  248  Drachmen 
für  das  Stipendium  oder  von  744  Drachmen  für  die  Jahreslöhnung 
sich  dazu  verhält,  oder,  was  dasselbe  ist,  wie  die  ägyptische  Silber- 
drachme dieser  Epoche  —  dass  diese  gemeint  ist,  kann  keinen 
Augenblick  zweifelhaft  sein  ^  —  sich  verhält  zu  dem  römischen  Denar. 
Nominell  wird  bekanntlich  der  römische  Silberdenar  in  Aegypten 
als  Tetradrachmon  behandelt  und  es  würde  danach  das  Stipendium 
sich  auf  300  Drachmen  Silbers  stellen,  während  die  Urkunde  nur 
248  Drachmen  ansetzt.  Allein  neben  der  Silberdrachme  von  7  oder 
7^4  Obolen  (der  Denar  wird  auf  28  oder  29  Obolen  angesetzt)  gab 
es  eine  Kupferdrachme  von  6  Obolen,  auf  welche  die  Provinzial- 
450  münze  ausgebracht  ward*.    Nimmt  man  an,  was  alle  Wahrscheinlich- 

1)  Dies  weist  auf  entsprechende  Verzeichnungen  aus  dem  Vorjahr  zurück, 
die  füglich  in  den  fehlenden  Columnen  gestanden  haben  können. 

*)  [CXXXV  Premerstein  a.  a.  0.  S.  5.] 

2)  Es  genügt  die  Verweisung  auf  Marquardts  Staatsverwaltung  2,  96.  480. 

3)  Das  zeigt  auch  die  Fassung  reliquas.  Morel  hat,  indem  er  dr.  durch 
denarios  auflöste,  die  richtige  Auffassung  des  Schriftstückes  verfehlt. 

4)  Metrologisches  Fragment  bei  Grenfell  und  Hunt  Oxyrhynchos  papyri 
vol.  1   p.  77:    e'xi   ;!faA«£tj'j;   oßoXovg   g    .  .  .   s'xei  öga^f^i]   oßoXovg  imd.      Uebrigens 


Ägyptische  Legionare.  125 

keit  für  sich  hat,  dass  die  in  Silber  zahlende  römische  Behörde  den 
Denar  nach  diesem  Satze  anrechnete,  so  konnten  hei  dem  Curs 
1  :  29  mit  62  Denaren  oder  248  Silberdrachmen  effectiv  300  ägyp- 
tische Drachmen  (genau  62x29  =  1798  Obolen)  beglichen  werden, 
und  so  wird  hier  verfahren  worden  sein.  Ohne  Zweifel  lag  in  dieser 
Substituirung  der  Drachme  von  6  für  die  Drachme  von  7  Obolen 
factisch  eine  Soldreduction ,  die  insbesondere  bei  den  Ersparnissen 
der  Mannschaften  sichtbar  wurde;  aber  bei  der  ohnehin  zurück- 
gesetzten Stellung  der  ägyptischen  Legionen  kann  eine  derartige 
Plusmacherei  der  kaiserlichen  Kasse  nicht  befremden.  Danach  liegt 
der  von  Caesar  eingeführte  Löhnungsbetrag  auch  hier  zu  Grunde; 
die  Erhöhung  durch  Domitian  ist  erst  nach  Abschluss  dieser  Urkunde 
eingetreten. 

Dass  diese  Löhnung  factisch  nicht  ausgezahlt,  sondern  dem 
einzelnen  Soldaten  theils  für  seine  Bedürfnisse  verrechnet,  theils 
gutgeschrieben  wurde,  zeigt  unsere  Urkunde  zum  ersten  Mal  in 
voller  Deutlichkeit.  Die  fälligen  Soldbeträge  verblieben  in  der 
Kasse  der  betreffenden  Abtheilung,  wahrscheinlich  nach  der  Angabe 
des  Vegetius  (2,  20)  und  nach  der  Natur  der  Sache  an  der  Central- 
stelle,  in  der  Gehörte  bei  den  signa.  Dass  noch  in  der  besseren 
Kaiserzeit  dem  Soldaten,  was  er  verbrauchte,  am  Solde  gekürzt 
ward,  wussten  wir^;  aber  jetzt  erst  ersehen  wir,  dass  ihm  überhaupt  451 

kann  ich  für  diese  Ausführung  auf  Wilekens  Ostraka  1,  732  fg.  verweisen. 
Zweifelhaft  ist  mir  nur  eine  allerdings  sehr  wichtige  Frage:  ob  die  Gegensätze 
von  Silber  und  Kupfer  mit  Recht  auf  das  Billon  der  Tetradrachmen  und  das 
Kupfer  der  Obolen  bezogen,  oder  nicht  vielmehr  die  römische  Reichsmünze 
und  die  ägyptische  Prägung  damit  bezeichnet  worden.  Scheidemünze  kann 
neben  dem  dazu  gehörigen  Gi-ossgeld  zu  einem  besonderen  Curs  nur  gelangen, 
wenn  sie  in  Massen  geprägt  wird,  um  auch  in  Grosszahlungen  verwendet  zu 
werden;  das  scheint  auf  das  ägyptische  Kleingeld  der  Kaiserzeit  keineswegs  zu 
passen.  Andererseits  kann  das  von  Tiberius  eingeführte  Billon,  in  dem  Silber 
und  Kupfer  normal  sich  wie  1  :  3  verhielten,  insbesondere  wenn  man  erwägt, 
dass  die  Römer  der  guten  Kaiserzeit  auch  der  Kupferprägung  einen  gewissen 
Metallwerth  gaben,  füglich  als  Kupfergeld  betrachtet  werden.  Das  fast  voll- 
ständige Schweigen  der  ägyptischen  Urkunden  von  dem  Denar,  der  doch  sicher 
auch  dort  umlief  und  dem  Aureus  zu  Grunde  lag,  ist  eine  weitere  Bestätigung 
für  diese  Annahme.  Dass  der  Denar  hier  nicht  mit  seinem  römischen  Namen, 
sondern  nach  Drachmen  Silbers  bezeichnet  wurde,  entspricht  genau  der  formell 
festgehaltenen  Selbständigkeit  des  Königreiches.  Wenn  ,ptolemäische  Drachmen' 
in  den  ägyptischen  Urkunden  bis  hinab  in  die  claudische  Zeit  genannt  werden, 
so  ist  wahrscheinlich  einfach  der  Denar  gemeint,  der  dem  Aegypter  füglich 
erscheinen  konnte  als  die  alte  Silberdrachme  der  Königszeit. 

1)  Bei  Tacitus  ann.  1, 17  klagen  die  Legionare :  denis  in  diem  assibus  ani- 
mam  et  corpm  aestimari,  hinc  vestem  arma  tentoria  .  .  .  redimi.     Dass  die  Kost 


126  Ägyptische  Legionare. 

für  seine  Bedürfnisse  kein  Geld  in  die  Hand  gegeben,  sondern  nach 
einem  wenigstens  im  Ganzen  fest  regulirten  System  das  Erforder- 
liche ihm  geliefert  wurde.  Diese  Lieferung  muss  durch  Angestellte 
oder  Unternehmer  bewirkt  worden  sein,  denen  für  den  Kopf  ent- 
sprechende Beträge  gezahlt  und  diese  in  der  Löhnungsberechnung 
dem  Soldaten  zur  Last  geschrieben  wurden.  Die  einzelnen  Posten, 
welche  in  den  Rechnungen  erscheinen,  sind  die  folgenden,  wobei 
nicht  zu  übersehen  ist,  dass  auch  sie  auf  die  Silberrechnung  gestellt 
sind,  also  die  Drachme  nicht  6,  sondern  7  oder  7^/4  Obolen  des 
ägyptischen  Courants  gleichsteht. 

In  victum,  für  die  Kost,  durchgängig  in  jedem  Termin  für  den 
Mann  80  Drachmen  oder  täglich  nahezu  5  Obolen,  In  den  berühmten 
ägyptischen  Gutsverwalterrechnungen  vom  Jahre  78/9  n.  Chr.  ist  der 
gewöhnliche  und  niedrigste  Tagelohn  3  Obolen. 

In  vestimentum^  im  ersten  Termin  60  oder  100  Drachmen  (dies 
ist  der  einzige  Ansatz,  in  welchem  die  Personen  differiren),  im 
zweiten  nichts,  im  dritten  146  Drachmen. 

Caligas  faseias,  Stiefel  und  Strümpfe^,  durchgängig  in  jedem 
Termin  12  Drachmen. 

Faenaria,  wofür  in  jedem  Termin  10  Drachmen  ausgeworfen 
werden,  scheinen,  da  Tacitus  unter  den  dem  Soldaten  in  Rechnung 
gestellten  Gegenständen  die  tentoria  aufführt  (S.  125  A.  1),  die 
Bettung  und  was  damit  zusammenhängt  zu  bezeichnen.  An  die 
Kosten  für  Pferdeverpflegung  mit  den  Herausgebern  zu  denken, 
verbietet,  abgesehen  davon,  dass  nichts  dafür  spricht,  dass  die  beiden 
Soldaten  beritten  waren,  die  geringe  Höhe  der  Summe. 

Äd  Signa,  wofür  im  zweiten  Termin  4  Drachmen  ausgesetzt 
worden,  beziehen  die  Herausgeber  auf  die  von  Vegetius  (2,  20)  er- 
wähnte Sterbecasse,  den  Saccus  undecimus  neben  den  zehn  Cohorten- 
kassen,  in  quem  tota  legio  particulam  aliquam  conferehaf,  sepuUurae 
scilicet  causa,  ut  si  quis  ex  contuhernalibus  defecisset,  de  illo  undecimo 
sacco  ad  sepuUuram  ipsius  promeretur  expensa.  Dafür  würde  man 
eine  präcisere  Bezeichnung  erwarten.  Eher  könnte  man  an  einen 
Beitrag  denken  für  Instandhaltung  der  Feldzeichen. 

nicht  abgezogen  ward,  ist  hieraus  mit  Unrecht  geschlossen  worden  (Marquardt 
a.  a.  0.  S.  97  A.  1).  Nur  den  Prätorianern  wurde  seit  Nero  diese  unentgeltlich 
gewährt  (Tacitus  ann.  15,  72:  addidit  sine  pretio  frumentum,  quo  ante  ex  modo 
annonae  utebantur ;  Sueton  Ner.  10:  constituit  .  . .  praetmianis  cohoiiibus  frumen- 
tum menstruum  gratuitum). 

1)  Ulpian  Dig.  34,  2,  25,  4:  fasciae  crurales  pedulesque  ....  vestis  loco  sunt, 
quia  partem  corporis  vestiunt.  Plinius  n.  h.  8,  57,  221:  Carboni  imp.  apud  Clusium 
(mures  adrosis)  faseeis,  quihis  in  calciatu  utebatur,  exitium  fportendebant). 


Ägyptische  Legionare.  127 

Yon   Aufwendungen   für    die  Waffen,    deren    Tacitus    gedenkt,  452 
sprechen  unsere  Listen  nicht. 

Das  saturnalic'mm  h(astrense)  von  20  Drachmen  im  ersten  Termin 
ist  ohne  Zweifel  bestimmt  für  das  Saturnalienfest  im  December  und 
dürfte  die  einzige  Summe  sein,  die  dem  Soldaten  zu  beliebiger  Ver- 
wendung in  die  Hand  gegeben  ward,  obwohl  auch  dies  bezweifelt 
werden  kann. 

Den  nicht  für  die  Ausgaben  abgeschriebenen  Restbeti'ag  erhalten 
die  Mannschaften  ebenso  wenig  ausgezahlt,  sondern  ,deponiren'  ihn, 
wie  unsere  Urkunde  bestcätigt,  offenbar  nicht  freiwillig,  sondern 
nach  fester  Ordnung  bei  der  Abtheilungskasse  ^.  Es  ist  dies  das 
eigentliche  peculium  castrense,  das  bei  der  Entlassung  dem  Soldaten 
ausgehändigt  wird,  und  auf  dieses  beziehen  sich  die  —  neben  den 
Militärschreibern  für  die  Magazine  und  denen  für  die  Strafgelder 
und  den  militärischen  Schreiblehrern  genannten  —  librarii  deposi- 
torum^,  deren  einer  T.  Ennius  Innocens  unsere  Urkunde  abgefasst 
haben  wird. 


1)  Marquardt  Handb.  2,  563.  Sueton  Dom.  7:  L.  Antonius  apud  duarum 
hgionum  hibema  res  novas  moliens  fiduciam  cepisse  etiam  ex  depositorum  summa 
videhatur  (vgl.  vita  Pescennii  10).  Die  fällige  Soldzahlung  bleibt  zwar  ebenfalls 
in  der  Kasse  und  kann  rechtlich  auch  nur  als  Depositum  betrachtet  werden; 
■aber  technisch  gilt  als  solches  nur  die  nicht  erhobene  Restsumme. 

2)  Dig.  50,  6,  7. 


V. 

Praetorium.*) 

437  Kein  technisches   Wort  der  römischen  Militärsprache  begegnet 

bei  unseren  Limesforschern  häufiger  als  die  Benennung  praetorium. 
Es  fragt  sich  aber,  ob  dieser  Gebrauch  nicht  grossentheils  ein  Miss- 
brauch ist.  Dass  er  mindestens  incorrect  ist,  hat  kürzlich  Do- 
maszewski  (Neue  Heidelberger  Jahrb.  9  S.  142)  ausgesprochen;  viel- 
leichtaber  ist  er  geradezu  falsch. 

Praetorium  in  der  ursprünglichen  Verwendung  bezeichnet  örtlich 
den  im  Heerlager  dem  praetor^  d.  h.  dem  befehlführenden  Magistrat 
vorbehaltenen  Raum;  das  Wort  muss  in  republikanischer  Zeit  auf- 
gekommen sein,  nachdem  der  rex  beseitigt  war  und  bevor  die  Be- 
nennung consul  die  spätere  Allgemeinheit  gewann.  In  dem  ent- 
wickelten Sprachgebrauch  wird  das  Wort  neben  dieser  immer 
festgehaltenen  Verwendung  in  zwiefacher  Weise  verallgemeinert. 
Einmal  geschieht  dies  durch  Hervorheben  der  Beziehung  auf  den 
Feldherrn  unter  Zurücktreten  der  örtlichen;  in  praetorio  militare 
heisst  nicht  im  Feldherrnzelt,  sondern  unmittelbar  unter  dem  Feld- 
herrn Dienst  thun.  Daraus  entwickelt  sich  der  Begriff  des  Haupt- 
quartiers, des  Gardedienstes  im  Gegensatz  zu  dem  gewöhnlichen 
Heerdienst.  Andererseits  heisst  wenigstens  schon  in  der  frühen 
Kaiserzeit  praetorium  unter  Zurücktreten  der  militärischen  Beziehung^ 
jede  ausserhalb  der  Stadt  insbesondere  für  den  Beamten  reservirte 
Wohnung,  die  kaiserliche  Villa ^  so  wie   die  Statthalterresidenz  und 

*)  [Hermes  35,  1900  S.  437—442.] 

1)  Dies  zeigt  sich  besonders  deutlicli  in  der  Stelle  des  Tacitus  ann.  3,  33, 
auf  die  Domaszewski  mich  aufmerksam  macht,  wonach,  wenn  dem  Feldherrn 
seine  Gemahlin  ins  Lager  folgt,  in  demselben  zwei  Reservatquartiere,  duo  prae- 
toria  erforderlich  sind.  Die  Dame  mit  ihrem  Gefolge  kann  nicht  an  der  Offizier- 
tafel speisen. 

2)  Edict  des  Claudius  Bais  in  pi'aetorio  C.  I.  L.  V,  5050  [Dessau  206]  und 
sonst. 


Praetorium.  129 

namentlich  das  für  die  amtlichen  Reisen  des  Statthalters  eingerichtete 
Gebäude  %  aber  auch  im  Privatverhältniss  das  von  dem  Gutsbesitzer  438 
nicht  für  wirthschaftliche  Zwecke  angelegte,  sondern  für  persönliche 
Benutzung  reservirte  Landhaus  2. 

Von  diesem  Sprachgebrauch  dürfte  auch  der  in  den  Inschriften 
begegnende  sich  nicht  entfernen. 

Unter  den  nicht  häufigen  Erwähnungen  des  praetorium  auf  den 
Inschriften  fordern  die  meisten  die  Auffassung  desselben  als  Statt- 
halterhaus oder  lassen  doch  dieselbe  ungezwungen  zu. 
Köln:    clis  conservatorib(us)  Q.  Tarquitius  Catulus  leg.  Aug.,  cuiu(s) 

ctira  2Jraeto[r]ium  in  ruina[m  cojnlapsum  ad  [no]vam  faciem  [est\ 

restitut[um\     Brambach   C.  L  Rh.  331    [C.  I.  L.  XIII,  8170  = 

Dessau  2298]. 
Asturica:   I.  0.  m.,    Soli  invicto,   Libero  patri,    Genio  praetor(ii)  Q. 

Mamil.    Capitolinus  .  .  .   leg.  Aug.  per  Asturiam  et   Callaeciam, 

(lux  leg.  VII  [G.]  p.  [f.]  .  .  .  pro  salute   sua  et  suorum.     C.  I. 

L.  II,  2634  [=  Dessau  2299]. 
Tarraco:  7.  0.  m.,  lunoni,  Minervae,  Genio  praeforii  consularis,  diis 

....  ihus  T.  Fl.  Titianus  leg.  Augg.  pr.  pr.  (praeses  prov.  Hisp. 

citerioris  auf  der  Inschrift  II,  4118^  [et]  .  .  .  ia  eins  dicaverunt. 

C.  I.  L.  II,  4076  [=  Dessau  2297].    Das  2^'>'ctßiorium  consularis  (so 

wohl   eher   als  praetorium  coitsulare,    wie   Domaszewski  West- 


1)  Julian  C.  Th.  15,  1,  8:  opoiiuit  praetoria  iudicum  et  domos  iudiciarias 
publieo  iuri  atque  iisui  vindicari.  Honorius  C.  Th.  15,  1,  35:  de  palatiis  aut  prae- 
toriis  iudicum.  Vgl.  C.  Th.  1,  22,  4.  C.  lust.  1,  40,  15.  Darauf  beziehen  sich  die 
praetoria  der  Provinz  Thrakien,  deren  Anlegung  unter  Nero  eine  Inschrift  (C. 

I.  L.  III,  6123  vgl.  14207^*  [=  Dessau  231])  bezeugt:  [Nero  Clattdius] tabernas 

et  praetoria  per  vias  militares  fieri  iussit  per  T.  lulium  [I]ustum  proc.  provinciae 
Thrac(iae)  und  die  dann  Severus  wieder  aufnahm.  Nach  einer  kürzlich  ge- 
fundenen Urkunde  (Bull,  de  corr.  hell.  22  p.  472  fg.  [Dittenberger  Sylloge* 
n.  932  =  Inscr.  Gr.  ad  res  Rom.  pert.  I,  766J)  wurde  im  Jahre  202  der  Markt- 
flecken (ifijiÖQiovJ  Pizos  in  dieser  Provinz  unweit  von  Philippopolis  gegründet  und 
aus  den  benachbarten  Ortschaften  eine  Anzahl  Colonisten  dort  angesiedelt; 
in  dem  darauf  bezüglichen  Erlass  des  kaiserlichen  Statthalters  Q.  Sicinnius 
Clarus  heisst  es  (Z.  246  fg.):  ^sgi  8k  rcöv  oixo8ofit]fA.är(ov  ojico?  imf.ie?.siag  rvvxdvovza 
stg  äel  8ia/.ievoi,  xelevco  lovg  TOJiägxovg  xai  roiig  i:7ii[atd]&/xovg  ozQaxioixag  \ji\a[Q\a 
x&v  e:ii(j.eXr}xä)V  JiaQaXa[vß\a\yei\v  xä  JigaixcoQia  xal  xä  ßakavela  Jiavxaxö&ev  oköxXrjoa. 
Gemeint  sind  die  an  den  Mansionen  angelegten  Nachtquartiere  nebst  ihren 
Bädern.  —  An  solche  praetoria  knüpfen  die  der  peutingerschen  Tafel  an. 

2)  Ulpianus  Dig.  50,  16,  198  rechnet  die  praetoria  wluptati  tantum  deser- 
vimtia  zu  den  nicht  in  oppidis  befindlichen  urbana  aedificia.  Derselbe  unter- 
scheidet 7,  8,  12  villa  und  pi'aetorium  als  Nutz-  und  Luxusbauten.  Papinian 
Dig.  32,  91, 1  spricht  von  praedia  cum  praetoria  in  ähnlichem  Sinn. 

MOMMSEN,    SCHB.  VI.  9 


130  Praetorium. 

deutsche  Ztschr.  14,  101  meint,  da  consularis  als  Adjectiv  nur 
von  consid,  nicht  von  consularis  verwendet  werden  kann)  ist 
die  Amtswohnung  des  Statthalters  der  Provinz,  der  in  Be- 
ziehung auf  diese  nicht  titular,  sondern  mit  der  üblichen  Kurz- 
formel bezeichnet  wird. 
439  Apulum:  Genio  praetorii  huius  M.  Vol.  Longinus  [v.  c.  leg.]  leg.  XIII 
g[em.]  Severiana[e]  cum  suis  votum  solvit.  C.  I.  L.  III,  1019. 
Die  Parallelinschrift,  dem  I.  o.  m.  conservator  gewidmet  (C.  I. 
L.  III,  1 020),  deutet  darauf  hin,  dass  der  Genius  des  Gebäudes 
gemeint  ist.  Auch  Jiuius,  was  gegen  den  sonstigen  Inschriften- 
gebrauch hinzugesetzt  ist,  will  wohl  nicht,  wie  Domaszewski 
meint,  das  Haus  des  Legionslegaten  von  dem  des  Statthalters 
von  Dacien  unterscheiden,  sondern  andeuten,  dass  unter  prae- 
torium nicht  das  Hauptquartier  verstanden  werden  soll,  sondern 
das  Gebäude  \ 

Burnum  (vielmehr  Scardona):  praetoriu[m  vetustafe]  conlapsum  .  .  .  ., 
Burnistae,  .  .  .  .  ses  ex  pec.  [puhl.  fecer.].  Scapul[a]  ....  (wahr- 
scheinlich Scapula  Tertullus  unter  Marcus  und  Commodus)  leg. 
Augg.  p[rov.  Dalmatiae]  restif[uif].  C.  I.  L.  III,  2809.  Zur 
Errichtung  dieses  Stationsgebäudes  haben  sich  also  mehrere 
benachbarte  Gemeinden  zusammengethan. 

Umgegend  von  Yolubilis  in  der  Tingitana:  [Ge]nio  loc[i]  .  .  .  l.  Neon 
praef.  [coh.]  I  Äsfur.  et  Call[aec.  praetorium  per  m[a]nus  com- 
m(ilifonum)  has  .  .  .  io  composuit  et  fecit.  Bull,  du  comite  1891 
p.  137  =  C.  I.  L.  YIII,  21820.  Auch  hier  steht  der  Annahme 
nichts  im  Wege,  dass  der  Cohortencommandant  für  den  Statt- 
halter ein  Gebäude  hat  herstellen  lassen,  zumal  da  die  Ruinen 
desselben  den  Berichterstattern  ansehnlicher  erschienen  sind  als 
die  gewöhnlicher  Burgen. 

Eburacum:    '&eo7g    rolg    xov    ^ysjuovixov    ngaircogiov    (Eph.    epigr.   3 
p.  312  [Dessau  8861]). 
Inschriftliche  Zeugnisse   für   den  Gebrauch  von  praetorium ,   die 

sich  auf  die  Statthalterwohnung   nicht  beziehen  lassen,   finden  sich, 

so  viel  ich  weiss,  lediglich  in  Britannien  am  Wall: 


1)  In  den  Dedicationsinschriften  fehlt  das  hie  ständig,  weil  es  selbstver- 
ständlich ist,  dass  das  Gebäude  gemeint  ist,  an  dem  die  Inschrift  sich  befindet 
und  also  fehlerhaft  dies  auszudrücken.  Soll  ein  Gebäude  von  einem  anderen 
unterschieden  werden,  so  kann  dies  nur  geschehen  durch  Hinsetzung  seiner 
speciellen  Benennung.  Aber  da  Genio  praetorii  zweideutig  ist  und  sowohl  örtlich 
verstanden  werden  kann  von  dem  Gebäude  wie  von  dem  Hauptquartier  oder 
dem  Feldherrn,  so  ist  die  Hinzufügung  des  Wortes  hier  gerechtfertigt. 


i 


Praetorium.  131 

Lanchester:    Genio  praetori    Cl.   Epaphroditus   Claudianus    trihunus 

cho.  I  Ling.  v.  l  p.  m.  C.  I.  L.  VII,  432. 
Littlechesters :  /.  o.   m.   ceterisque  diis  immort.  et   Gen.  praetor.   Q.  440 

Petronins   Q.  F.  Fab.    Urhicus  praef.  coli.  IUI  Gallorum   .... 

Votum  sohlt  ptro  se  et  suis.     CLL.  VII,  704. 
Ebendaselbst:    Genio  praetori  sacrum  Pituanius  Secundus  praefectus 

coli.  IUI  Gallor.  C.  I.  L.  VII,  703. 
Aber  was  wir  jetzt  in  den  Castellen  Praetorium  nennen,  kann  auch 
in  diesen  Inschriften  unmöglich  gemeint  sein.  Praetorium  ist  weder 
in  dem  grossen  Lager  der  Legion  noch  in  dem  einer  kleineren 
Truppe  der  hausähnhche  Mittelbau,  sondern  eine  für  den  Feldherrn 
oder  den  Statthalter  oder  den  Gutsbesitzer  reservirte  Räumlichkeit, 
immer,  auch  in  abgeleiteter  Ausdrucksweise,  gegensätzlich  zu  den 
den  untergeordneten  Personen  zugänglichen  Räumen.  Dass  auch 
der  einem  Commandoführer  niederen  Ranges  angewiesene  Raum 
also  genannt  werden  könne,  passt  wenig  zu  dem  vornehmen 
Charakter  des  "Wortes,  aber  selbst  wenn  man  dies  annimmt,  kann 
ein  solcher  unter  dem  praetorium  jener  englischen  Inschriften  un- 
möglich gemeint  sein,  da  es  nicht  angeht  diese  Dedicationen  auf 
die  einem  solchen  Führer  im  Gegensatz  zu  den  Mannschaften  vor- 
behaltene Wohnung  zu  beschränken.  Dagegen  steht  nichts  im  Wege, 
darunter  das  statthalterliche  Hauptquartier  zu  verstehen.  Der  Genius 
der  einzelnen  Person,  vom  Kaiser  abgesehen,  ist  vom  Lagercult 
ausgeschlossen^;  aber  füglich  konnte  das  Obercommando  in  seiner 
abstracten  Bezeichnung  in  gleicher  Weise  divinisirt  werden.  All- 
gemein gebräuchlich  scheint  dies  nicht  gewesen  zu  sein,  da  die 
Belege  dafür  sich  auf  Britannien  beschränken;  in  der  Regel  hat 
man  es  wohl  vorgezogen,  den  Genius  auf  die  Provinz  oder  die 
Legion  zu  beziehen,  wobei  die  Person  des  Statthalters  und  des 
Feldherrn  noch  weiter  zurücktrat.  Also  aus  den  sparsamen  Belegen 
für  diesen  Gebrauch  des  Wortes  kann  ein  Schluss  auf  die  Benennung 
der  castrensischen  Localitäten  nicht  gezogen  werden. 

So    weit  ich  sehe,    fehlt    es    in    der    technischen    Sprache    der 
Römer  an  einem  zusammenfassenden  Ausdruck  für  die  Lagerbauten 
im  Gegensatz  zu  den  Soldatenzelten  und  dem  Wall  und  ist  die  Be- 
nennung praetorium  in  örtlicher  Geltung  beschränkt  auf  die  für  den  441 
Peldherrn  vorbehaltenen  Räume,  unanwendbar  aber  oder  wenigstens 

1)  Ausnahme  macht,  bis  jetzt  einzig,  eine  kürzlich  bei  Stockstadt  gefundene 
Inschrift  (Zangemeister  im  westdeutschen  Corr.  Blatt  1898  S.  195  [C.  XIII,  6638]): 
1.  0.  m.  (Götterbildnisse  mit  Beischriften  Isis  Sarapis)  conservatori  ceteris  diis 
decdmsque  e[t]  Genio  luni  Victorini  co(n)s(ularis). 


132  Praetorium. 

bis  jetzt  unerwiesen  für  die  Wohnung  des  Commandoträgers  über- 
haupt, welche  bei  kleineren  Abtheilungen  schwerlich  in  der  baulichen 
Anlage  dem  praetorium  des  Legionslagers  glich  und  schwerlich 
einen  distinctiven  Namen  geführt  hat^. 

Es  kann  überhaupt  die  Frage  aufgeworfen  werden,  in  wie  weit 
wir  befugt  sind  die  Lagerbezeichnungen  der  römischen  Militärsprache 
auf  die  kleinen  und  kleinsten  römischen  Standlager  zu  übertragen. 
An  sich  ist  es  ja  wahrscheinlich,  dass,  so  weit  das  Castell  mit  dem 
Heerlager  im  Schema  zusammenstimmt,  die  technischen  Bezeichnungen 
auch  auf  jenes  Anwendung  gefunden  haben  werden,  und  die  Be- 
nennung der  Hauptthore  des  Lagers  porta  praetoria  giebt  den  Anstoss 
nicht,  welchen  das  vornehme  Wort  praetorium  in  der  Anwendung  auf 
die  Behausung  eines  kleinen  örtlichen  Befehlführers  hervorruft.  Weiter 
hat  Domaszewski  (bei  Hettner,  Limes- Castell  Murrhardt  S.  4  A.  1) 
aus  einer  von  ihm  in  dem  moesischen  Castell  Kutlovica  gefundenen 
Inschrift  vom  Jahre  258  (C.  I.  L.  III,  7450  [=  Dessau  2622]:  portam 
praetorium  cum  turre  a  fundamento  .  .  .  fahricavit)  den  Gebrauch 
von  porta  praetoria  auch  für  das  Castellthor  nachgewiesen;  für  die 
porta  decumana  fehlt  bis  jetzt  ein  gleichartiger  Beleg.  Indess  ist 
bei  dem  Gebrauch  dieser  Thorbenennungen  nicht  zu  übersehen,  dass 
derselbe  durch  den  Nachweis  der  Stirnseite  bedingt  ist. 

Nach  der  römischen  Ueberlieferung  ist  bei  der  Anlage  des 
Marsch-  wie  des  Standlagers  naturgemäss  die  Stirnseite  diejenige, 
welche  in  der  Marschrichtung  liegt  oder  dem  Feinde  zugewendet  ist  2; 
indess  ist  dies  Princip,  da  es  eben  durch  die  nicht  immer  gleich- 
massigen  militärischen  Ziele  bedingt  wird,  mancherlei  Modificationen 
unterworfen  und  wir  wissen  auch,  dass  noch  andere  Rücksichten 
dabei  eingriffen,  zum  Beispiel  auf  ungleichem  Boden  für  das  Hinter- 
442  thor  der  Umschau  wegen  die  höchste  Stelle  bevorzugt  ward  ^.  Wenn 
also  bei  der  Wahl  der  Stirnseite  Zweckmässigkeitsrücksichten  ent- 

1)  Als  dauernde  Residenzen  haben  die  Castelle  auch  den  Offizieren  von 
Ritterrang  schwerlich  gedient;  für  die  Subalternen,  die  hier  regelmässig  den 
Befehl  geführt  haben  müssen,  dürfte  ein  grösseres  Zelt  ausgereicht  haben. 

2)  Diese  Regel  giebt  bekanntlich  Pseudo  -  Hyginus  56:  porta  praetoria  semper 
Iwstem  spectare  debet.  Vegetius  1,  23:  porta  quae  appellatur  pi'adoria  aut  orientem 
spectare  debet  aut  illum  locum  qui  ad  hostes  respicit  aut  si  iter  agitur  illam  partem 
debet  attendere,  ad  quam  est  profecturus  exercitus. 

3)  Pseudo- Hyginus  a.  a.  0.:  pmia  decimana  eminentissimo  loco  constituitur, 
ut  regiones  castris  subiaceant.  Die  von  Vegetius  a.  a.  0.  hervorgehobene  Bevor- 
zugung der  Ostseite  kann  wohl  nur  auf  den  Gesetzen  der  Limitation  beruhen; 
sie  wird  in  der  antiquarischen  Theorie  eine  Rolle  gespielt,  aber  schwerlich 
praktisch  eingegriffen  haben. 


Praetorium.  133 

schieden  und  eine  feste  Orientirung  nicht  bestand,  so  lässt  sich  die 
Stirnseite  in  den  erhaltenen  Lagern  noch  in  anderer  Weise  bestimmen. 
Bekanntlich  ist  das  römische  Lager  der  späteren  Zeit  der  Regel 
nach  kein  Quadrat,  sondern  meistens  ein  Rechteck  und  es  liegen 
die  beiden  Hauptthore  an  den  Schmalseiten,  die  beiden  secundären 
aber  in  den  Längsseiten  nicht  in  deren  Mitte,  sondern  im  ersten 
Drittel,  so  dass  dieselben  von  der  porta  decumana  doppelt  so  weit 
entfernt  sind  als  von  der  jjorta  praetoria.  Nach  dieser  Regel  lässt 
sich  da,  wo  die  Lage  der  Thore  ermittelt  ist,  danach  die  Stirnseite 
feststellen. 

Mcht  immer  treffen  beide  Merkmale  zusammen.  Das  Castell 
der  Saalburg  folgt  im  allgemeinen  dem  gewöhnlichen  Schema:  die 
Schmalseiten  messen  100,  die  Längsseiten  150  römische  Schritte 
und  die  Seitenthore  liegen  im  Drittel  der  Längsseiten.  Wird  die 
Stirnseite  bestimmt  durch  die  Entfernung  der  Seitenthore  von  den 
Schmalseiten,  so  ist  das  Thor  an  der  Südseite  auf  dem  Wege  nach 
Heddernheim,  das  im  Wesentlichen  sich  erhalten  und  dem  Jacobis 
Meisterhand  kürzlich  seine  Yollständigkeit  wiedergegeben  hat,  die 
porta  praetoria.  Wird  aber  die  Stirnseite  bestimmt  durch  die  Rück- 
sicht auf  das  Ausland,  so  ist  umgekehrt  dieses  Thor  die  porta  decu- 
mana und  dasjenige  an  der  Nordseite,  das  zum  Limes  und  in  das 
Ausland  führt,  die  porta  praetoria. 

Die  letztere  Ansicht  hat  sich  eingebürgert,  wenn  sie  gleich  nicht 
ohne  Widerspruch  geblieben  ist.  Aber  zugegeben  muss  werden,  dass 
die  jetzt  beliebte  Annahme,  wonach  das  Saalburg- Castell  durch 
Vertauschung  der  p>raetentura  und  der  retentura  sich  von  der  gewöhn- 
lichen Anlageform  entfernt  haben  soll,  auf  recht  schwachem  Grunde 
beruht  und  dass,  da  einmal  eine  Ausnahme  angenommen  werden 
muss,  es  einfacher  ist,  die  Richtung  auf  das  Ausland  aufzugeben 
und  die  porta  praetoria  auf  der  Strasse  nach  Heddernheim  zu  suchen, 
wo  der  offenbar  nicht  unbedeutende  Marktflecken  an  das  Castell 
sich  anschliesst. 


VI.  f 

Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die  römischen 

Fahnen.*) 

j  Alfred  von  Domaszewski's  Untersuchung  über  'die  Fahnen  im 

römischen  Heere'  (Wien  1885.  8)  füllt  eine  längst  empfundene  Lücke 
in  unserer  Forschung  in  dankenswerthester  Weise  aus;  die  gleich- 
massige  Beherrschung  des  philologischen  sowie  des  epigraphischen 
und  des  archäologischen  Materials  verbindet  sich  hier  mit  einer 
Kenntniss  der  militärischen  Technik,  wie  sie  auf  dieses  Gebiet 
schwerlich  bisher  Anwendung  gefunden  hat.  Wenn  ich  dieser  An- 
erkennung einer  vorzüglichen  Leistung  Ausdruck  gebe  durch  Ein- 
spruch gegen  mehrere  der  darin  gezogenen  Consequenzen,  so  wird 
dies  hoffentlich  auf  keiner  Seite  missverstanden  werden.  Erat,  quod 
tollere  velles  —  insbesondere  manche  überkühne  und  allzu  weit  aus- 
greifende Aufstellung;  aber  nur  um  so  mehr  habe  ich  mich  von  dem 
bleibenden  Werth  zahlreicher  Ausführungen  überzeugt. 

L  Feldzeichen  und  Offiziere.  j 

Die  allerdings  nie  verkannte  taktische  Bedeutung  der  Feld-  I 
zeichen  hat  Domaszewski  in  überzeugender  Deutlichkeit  entwickelt,  | 
insbesondere  gezeigt,  dass  auf  ihnen  in  Yerbindung  mit  den  durch  j 
Blasinstrumente  gegebenen  Signalen  die  gesammte  Gefechtleitung  { 
beruht.  Aber  kaum  wird  man  ihm  darin  zustimmen  können,  dass 
er  dem  Adler  in  seiner  späteren  Verwendung  und  überhaupt  dem  i 
Corps -Feldzeichen  eine  'lediglich  symbolische"*  Bedeutung  vindicirt  ! 
(S.  24).  Was  dem  einen  recht,  ist  dem  anderen  billig;  und  es  ist  j 
wenig  glaublich,  dass  auch  in  der  späteren  Entwickelung  des  römi-  l 
sehen    Militärwesens    man    zu    praktisch    werthloser    Symbolisirung 

*)  [Archäologisch  -  epigraphische    Mitteilungen  aus   Österreich  -  Ungarn  10, 
1886  S.  1-11.]  ; 


i 


Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die  römischen  Fahnen.  135 

gegriffen  hat.  'Dass  dem  einen  Adler',  sagt  der  "Verfasser,  'für  die 
sechstausend  Mann  starke  Legion  keine  taktische  Bedeutung  zu- 
kommen kann,  bedarf  wohl  keines  Beweises'.  Gewiss  in  dem  Sinne 
nicht  als  hätten  ihn  die  Legionare  so  im  Auge  zu  behalten  gehabt, 
wie  die  Manipulare  ihre  Standarte.  Aber  war  es  nicht  taktisch  2 
von  Wichtigkeit,  den  Standort  des  Befehlshabers  der  Legion  und 
überhaupt  des  Corps  in  einer  Weise  zu  markiren,  die  doch  immer 
weit  mehr  in  Sicht  war  als  die  persönlichen  Abzeichen  der  Offiziere? 
Die  Meldungen  an  die  commandirenden  Legionstribune  oder  den 
Legionslegaten  wurden  wesentlich  erleichtert,  wenn  die  Ordonnanzen 
sicher  waren  sie  da  zu  finden,  wo  der  Adlerträger  stand.  Mir 
scheint  vielmehr  gerade  im  Gegentheil  zwischen  Corpsführern  und 
Feldzeichen  ein  correlates  Verhältniss  zu  bestehen:  keinem  Ab- 
theilungsführer fehlt  ein  entsprechendes  Feldzeichen,  und  umgekehrt 
findet  da,  wo  eine  taktische  Einheit  ohne  eigenen  Führer  ist,  dies 
in  dem  Mangel  des  Feldzeichens  seinen  Ausdruck.  Es  wird  an- 
gemessen sein,  diesen  Satz  in  einigen  Einzelheiten  näher  zu  belegen. 

1 .  Vor  allem  erklärt  sich  hieraus  die  Bezeichnung  des  Detache- 
ments  als  vexillaüo^:  jede  zeitweilig  aus  einem  Corps  herausge- 
nommene und  bis  weiter  unter  einen  Sonderführer  gestellte  Truppe 
erhält  nothwendig  für  die  Zeit  ihres  Bestehens  ihr  Feldzeichen,  das 
vexülum. 

2.  Eine  der  wichtigsten  Nachweisungen,  die  wir  Domaszewski 
verdanken,  ist  die  Beseitigung  der  Feldzeichen  der  Legionarcohorten^. 
Ihre  Erklärung  findet  sie  darin,  dass  die  Legionscohorte  keinen 
eigenen  Commandanten  hatte. 

3.  Umgekehrt  verhält  es  sich  mit  den  übrigen  Cohorten  und 
den  Alen.     Unbestritten   hatten  ihre   eigenen  Feldzeichen  die  repu- 


1)  Die  späterhin  übliche  Verwendung  des  Wortes  für  die  Reitertruppe  ist 
wahrscheinlich  daraus  hervorgegangen,  dass  die  Auflösung  der  aus  beiden 
Waffen  gemischten  Corps,  der  Legionen  und  der  cohoHes  equitatae,  sich  durch 
ständige  Detachirung  der  Reiterei  vollzog.  Ueberhaupt  dürfte  wohl  nur  darum 
das  vexülum  so  besonders  häufig  bei  der  Reiterei  vorkommen,  weil  diese  be- 
sonders oft  als  detachirte  Truppe  verwendet  wird. 

2)  S.  23 ;  die  gegentheilige  Meinung  vertritt  Marquardt  Staatsverw.  2,  439. 
Die  einzige  Stelle,  welche  wirklich  Schwierigkeit  macht,  Caesars  Worte  bell. 
Gall.  2,  25:  quartae  coJiortis  Omnibus  centurionibus  occisis  signiferoque  interfecto 
signo  amisso  wird  wohl  dahin  aufzufassen  sein,  dass  der  Ton  auf  den  Schluss- 
worten liegt  und  allerdings  der  Verlust  eines  der  drei  Feldzeichen  nach  dem 
Fall  des  Trägers  noch  schwerer  ins  Gewicht  fallen  mochte,  als  der  Fall  aller 
Rottenführer. 


136  Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die  römischen  Fahnen. 

blikanischen  Auxiliarcohorten  ^,  sowie  .  die  Alen  der  Kaiserzeit  2. 
Auch  dass  die  Prätörianer  Cohortenstandarten  gehabt  haben,  scheint 
mir  ausser  Zweifel^.  Für  die  Auxiliarcohorten  der  Kaiserzeit  fehlt 
3  es  an  Zeugnissen*;  aber  die  Analogie  theils  der  republikanischen 
Socialcohorten,  theils  der  Alen  ist  kaum  abzuweisen.  Sollten  dennoch 
die  Cohortenstandarten  gemangelt  haben,  so  würden  dafür  bei  den 
Auxiharcohorten ,  ebenso  wie  bei  den  städtischen  und  denen  der 
vigiles,  die  imaginiferi  eintreten,  von  denen  es  sicher  nur  je  einen 
in  jeder  dieser  Gehörten  gab^  und  der  factisch  dieselben  Dienste 
leistete.  Alle  die  bisher  genannten  Abtheilungen  aber  haben  eigene 
Führer  und  unterscheiden  sich  dadurch  von  den  Gehörten  der  Legion. 
Nach  oben  hinauf,  über  die  Legion  hinaus,  hat  der  Gebrauch 
des  einheitlichen  Feldzeichens  sich  nicht  erstreckt:  wohl  die  Ab- 
theilung, aber  nicht  die  Armee  führt  eine  Fahne. 

Yon  diesem  Gesichtspunkte  aus  wird  auch  die  Nachricht  be- 
urtheilt  werden  müssen,  dass  die  römische  Legion  bis  gegen  die 
Mitte  des  siebenten  Jahrhunderts  fünf  Feldzeichen  führte :  den 
Adler,  den  Löwen,  den  menschköpfigen  Stier ^,  das  Pferd  und  den 
Eber'^.     Ist  das  Feldzeichen  das  Kriterium  der  unter  Einzelführung 


1)  Marquardt  S.  398  A.  1;  Domaszewski  S.  17  A.  2. 

2)  Tacitus  hist.  2,  89;  Domaszewski  S.  71. 

3)  Domaszewski  S.  23.  56  fg.  leugnet  dies  freilich;  aber  wenn  auch  die 
Existenz  von  Manipel-  und  später  Centurienzeichen  nicht  zu  bestreiten  ist,  so 
kann  doch  die  mit  der  Aufschrift  COH  •  III  •  PR  ohne  weiteren  Beisatz  ver- 
sehene Standarte  (das.  S.  31)  ein  solches  nicht  sein.  Auch  findet  sich  unter  den 
inschriftlich  bekannten  signiferi  der  Prätörianer  (Cauer  eph.  IV  p.  358)  bei  einem 
(C.  I.  L.  II,  2610  [Dessau  2079])  der  Zusatz  in  (centuria),  welcher  nicht  wohl 
anders  verstanden  werden  kann,  als  dass  es  auch  signiferi  cohortis  gab.  Dass 
wir  keinen  mit  diesem  Beisatz  bezeichneten  haben,  ist  auffallend,  aber  nicht 
entscheidend;  der  Rangunterschied  zwischen  beiden  Kategorien  war  vermuthlich 
nicht  beträchtlich  und  begnügte  man  sich  daher  meist  mit  dem  einfachen  signifer. 

4)  Wenn  Tacitus  hist.  2,  89  bei  dem  Einzug  der  Vitellianer  in  Rom  die 
aquilae  und  die  vexilla  der  Legionarier  und  duodecim  alarum  signa  et  .  ,  .  equites, 
dagegen  bloss  die  quattuor  et  triginta  cohortes  aufführt,  so  kann  doch  daraus 
unmöglich  mit  Domaszewski  (S.  71)  geschlossen  werden ,  dass  den  letzteren  die 
Cohortenstandarten  fehlten.  Noch  weniger  beweisen  Stellen,  wie  hist.  4,  16: 
Tungrorum  coJiors  signa  ad  Civilem  transtuUt;  es  war  nur  correct  das  Cohorten- 
feldzeichen  und  die  der  Manipel  zusammenzufassen. 

5)  Domaszewski  S.  69  fg. 

6)  Denn  dieses  auf  campanischen  Münzen  so  geläufige  Bild  ist  sicher  der 
Minotaurus  des  Festus  und  des  Plinius, 

7)  Plinius  10,  4,  16:  Bomanis  eam  (aquilam)  legionibus  Gaius  Marius  in 
sectmdo  consulatu  suo  (J.  650)  proprie  dicavit:  erat  et  antea  prima  cum  quattuor 
aliis:  lupi,  minotauri,  equi  aprique  singulos  ordines  anteibant.    paucis  ante  annis 


Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die  römischen  Fahnen.  137 

stehenden  Truppe,  so  muss  die  Legion,  als  diese  Zeichen  auf-  4 
kamen,  in  fünf  oder,  da  das  eine  derselben  der  ganzen  Legion  hat 
angehören  können,  in  vier  Haufen  mit  besonderer  Führung  zerfallen 
sein.  Da  nun  aber  etwa  um  dieselbe  Zeit  die  Beseitigung  der  vier 
Ordnungen  der  Legionarier  stattfand,  so  ist  die  Frage  nicht  ohne 
Berechtigung,  ob  nicht  der  Adler  von  jeher  die  ganze  Legion 
repräsentirt  und  den  Standpunkt  ihres  Stabes  bezeichnet,  die  übrigen 
Standarten  aber  den  drei  Treffen  nebst  den  velites  zukommen. 
Die  Ausgleichung  der  sämmtlichen  Legionare  würde  also  in  der 
Beseitigung  dieser  Zeichen  unter  alleiniger  Festhaltung  des  Adlers 
einen  sehr  angemessenen  Ausdruck  finden.  Auch  werden  diese  Ab- 
theilungen oftmals  bei  den  Operationen  als  besondere  Abtheilungen 
verwendet^. 

Freilich,  über  Sonderführung  eines  jeden  dieser  Treffen  ist 
nicht  nur  nichts  bekannt,  sondern  dieselbe  auch  mit  der  wohl- 
bekannten Offiziersordnung  schwer  vereinbar 2.  Aber  wir  werden 
uns  billig  erinnern,  dass  wir  von  der  ursprünglichen  militärischen 
Verwendung  der  drei  Treffen  in  der  That  nichts  wissen,  die  drei 
Benennungen  hastati,  princixjes,  pilani,  so  klar  sie  nach  ihrem  Wort- 
sinne sind,  in  Einklang  mit  diesem  zu  erklären  nicht  vermögen; 
wir  werden  es  darum  auch  als  möglich  gelten  lassen  müssen,  dass 
sie  bei  ihrer  Einführung  für  gesonderte  Verwendung  bestimmt  worden 
sind  und  daher  gesonderte  Feldzeichen  erhalten  haben. 

Dass  die  fünf  Feldzeichen  zu  der  Legion,  die  Polybios  beschreibt, 
nicht  passen,  ist  unbestreitbar;  aber  wenn  sie  im  J.  650  definitiv 
abgeschafft  und  eine  Weile  vorher,  wie  Plinius  sagt,  wohl  noch  ge- 

sola  in  aeiem  portari  coepta  erat,  reliqua  in  castris  relinqiiebantur.  Andere  Stellen 
Marquardt  S.  355  A.  4.  Bei  einem  Schriftsteller,  wie  Plinius  ist,  kann  wdo  jeden 
Truppentheil  bezeichnen;  der  Manipel  kann  unmöglich  gemeint  sein.  Doma- 
szewski's Combination  der  Träger  dieser  Zeichen  mit  den  zweiten  signiferi  bei 
Polybios  ist  mir  unverständlich  geblieben.  —  Dies  sind  wohl  die  signa,  die  im 
Aerarium  aufbewahrt  wurden  (Staatsrecht  2,  531  [3.  Aufl.  545])  und  die  also 
dauernd  waren,  obwohl  die  Legionen  selbst  jährlich  neu  gebildet  wurden.  Die 
Bundesgenossen  führen  nach  strengem  Sprachgebrauch  nicht  signa,  sondern  nur 
vexilla  (Liv.  39,  20,  7;  vgl.  25,  14,4.  7);  diese  wurden  schwerlich  als  ständige 
betrachtet  und  sicher  nicht  im  römischen  Aerarium  aufbewahrt. 

1)  Die  Belege  bei  Domaszewski  S.  20  A.  4. 

2)  Denkbar  ist  es,  dass  die  Kriegstribune  hiefür  verwendet  worden  sind. 
Man  vergesse  nicht,  dass  die  fünf  Feldzeichen,  wenn  sie  mit  den  drei  Treffen 
zusammengehören,  keineswegs  der  ursprünglichen  römischen  Legion  eigen  sein 
können,  die  die  hastati,  principes  und  triarii  nicht  gehabt  hat,  also  die  Institution 
der  sechs  Tribüne  wohl  für  die  Führung  der  Treffen  gedient  haben  kann,  aber 
nicht  daraus  erklärt  werden  darf. 


138  2^  Domaszewski's  Abhandlung  über  die  römischen  Fahnen. 

führt,  aber  bei  dem  Gefecht  im  Lager  gelassen  wurden,  so  können 
5  sie  füglich  schon  zur  Zeit  des  hannibalischen  Krieges  praktisch 
ausser  Gebrauch  gewesen  sein,  wenn  sie  auch  damals  vielleicht 
noch  zur  Schlacht  mit  ausrückten;  und  in  diesem  Falle  hatte  Poly- 
bios  keine  Veranlassung  dieser  Antiquität  zu  gedenken. 

II.  Aufstellung  der  Feldzeichen  im  Gefecht. 
Dass  das  Feldzeichen  bei  der  Abtheilung  Aufstellung  findet, 
zu  der  es  gehört,  versteht  sich  von  selbst;  aber  keineswegs  wird 
man  Domaszewski  einräumen  dürfen,  dass  dasselbe,  um  allen  dazu 
gehörigen  Kämpfern  sichtbar  zu  bleiben,  gerade  im  ersten  Glied 
sich  aufzustellen  hat  (S.  2),  Leider  fehlt  uns ,  um  über  diese  Ver- 
hältnisse mit  Sicherheit  urtheilen  zu  können,  ein  wesentliches  Mo- 
ment: für  die  ältere  Manipularstellung  die  normale  Zahl  der  Glieder 
des  Manipels  und  für  die  Cohortenstellung  sogar  Aufschluss  über 
die  normale  Stellung  der  Manipel  und  der  Halbmanipel  neben  oder 
hinter  einander.  Die  gangbaren  Annahmen,  dass  in  der  älteren 
Zeit  die  Manipel  der  Hastaten  und  der  Principes,  abgesehen  von 
den  Velites,  sechs  Mann  tief ^,  in  der  späteren  der  Halbmanipel 
zehn  Mann  oder  vielmehr,  da  die  beiden  Halbmanipel  hinter  ein- 
ander gestanden  haben  sollen,  der  Manipel  zwanzig  Mann  tief  ge- 
standen habe  2,  sind  moderne  und  durchaus  unzuverlässige  Com- 
binationen.  Indess,  welche  Tiefe  immer  das  Rechteck  gehabt  haben 
mag,  das  der  Manipel  in  der  Schlachtordnung  nach  der  gewöhnlichen 
—  natürlich  nach  Umständen  wechselnden  —  Aufstellung  einnimmt, 
die  Zusammengehörigkeit  der  Manipulare  und  ihres  Feldzeichens 
wird  nicht  darin  gefunden  werden  dürfen,  dass  jene  dieses  jederzeit 
im  Auge  hatten;  es  genügt,  wenn  sie  im  Handgemenge  sich  nach  | 
demselben  jederzeit  orientieren  konnten,  und  dafür  reicht  es  aus, 
dass   dasselbe   unmittelbar   hinter   dem   letzten   Gliede    seinen  Platz 


1)  Marquardt  S.  352.     H.  Delbrück  (im  Hermes    Bd.  21  S.  77)   hat  kürzlich  i 
die  Annahme  vertreten,   dass  die  reguläre   Tiefe  des   Manipels   12  Mann  war. i 
Ohne  das  Gewicht    der  Gründe  zu  verkennen,    welche  dieser  Forscher  für  diej 
Fortdauer  der  phalangitischen  Ordnung  (denn  darauf  läuft  diese  Ansicht  ja  im 
Wesentlichen  hinaus)  bis  in  die  Zeit  des  hannibalischen  Krieges  hinein  geltend 
macht,   kann  ich  mich   doch  von   der  Richtigkeit  der  Grundanschauung   nichtj 
überzeugen.    Seit  man  hastati,  principes  uud  triarü  unterschied,  niuss  das  Wehr-! 
System  eingerichtet  gewesen  sein   auf  Ablösung  des  ersten  Treffens   durch   eiD| 
zweites  und  Bereitstellung  einer  Reserve  und  damit  ist  die  phalangitische  Ord- 
nung  aufgegeben.      Es  gilt   nicht   jene    Ablösung    zu   leugnen,    sondern    ihr« 
praktische  Durchführbarkeit  zu  erweisen. 

2)  Marquardt  S.  437. 


Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die  römischen  Fahnen.  139 

fand.  Auch  wird  erinnert  werden  dürfen  an  die  von  Domaszewski  6 
selbst  so  schön  nachgewiesene  enge  Beziehung  zwischen  den  Feld- 
zeichen und  den  Signalbläsern;  sicher  standen  beide  wie  auf  dem 
Marsch  (Domaszewski  S.  7  A.  1)  so  auch  im  Gefecht  zusammen  und 
es  mag  wohl  für  die  Gefechtsleitung  mehr  noch  auf  das  Ohr  ge- 
rechnet worden  sein  als  auf  das  Auge. 

Dass  das  Signum  in  der  That  hinter  dem  letzten  Gliede  des 
zugehörigen  Manipels  stand,  bestätigt  in  unwiderleglicher  Weise  die 
Bezeichnung  des  ersten  Treffens  als  der  antesignani.  Allerdings 
konnte,  nach  dem  eben  Gesagten,  in  Beziehung  auf  das  eigene  Signum 
jede  Abtheilung  mit  diesem  Namen  genannt  werden;  aber  begreif- 
licher Weise  wird  die  Bezeichnung  allein  verwendet  für  diejenigen 
Soldaten,  die  überhaupt  keine  Feldzeichen,  weder  der  eigenen  noch 
einer  anderen  Abtheilung,  vor  sich  haben  und  unmittelbar  dem  Feind 
gegenüber  stehen.  Der  Versuch  Domaszewski's  (S.  11),  die  signa, 
von  denen  die  antesignani  den  Namen  führen,  von  den  gewöhnlichen 
manipularen  zu  unterscheiden,  ist  so  gänzlich  misslungen,  dass  er 
keiner  besonderen  Widerlegung  bedarf. 

Ueberdies  ist  es  praktisch  undenkbar,  dass  während  des  Ge- 
fechts dem  Standartenträger  der  Platz  unmittelbar  am  Feind  an- 
gewiesen worden  sein  soll.  Damit  ist  auch  die  Ueberlieferung  im 
besten  Einklang^.  Wenn  Caesar  im  afrikanischen  Kriegt  den  Seinigen 
befahl  nicht  über  vier  Fuss  (5  Fuss  =  1  Schritt)  sich  von  den  Feld- 
zeichen zu  entfernen,  so  ist  diese  Distanz  natürlich  nicht  von  dem 
Punkte  aus  zu  messen,  an  dem  das  Feldzeichen  steht,  sondern  von 
dem  Quadrat,  das  der  Manipel  in  der  Schlachtordnung  einnimmt;  es 
ist  einfach  das  Verbot,  aus  dem  Gliede  zu  treten.  Es  wird  also  bei 
dem  zu  bleiben  haben,  was  bisher  angenommen  worden  ist^:  das 
Feldzeichen  geht  auf  dem  Marsch,  wie  auch  bei  dem  Vormarsch 
zum  Kampfe  der  Abtheilung  vorauf,  nimmt  aber  in  der  Schlacht- 
stellung hinter  derselben  seinen  Stand. 


1)  Die  Worte  des  Livius  30,  33,  1 :  non  confertas  autem  eohortes  ante  sua 
qtiamque  signa  instruebat,  sed  manipulos  aliquantum  inter  se  distantes  ziehen  aller- 
dings incorrect  die  Cohorte  herein  (S.  139  A.  1)  zeigen  aber  dennoch,  dass  das 
Feldzeichen  hinter,  nicht  vor  der  Truppe  stand. 

2)  b.  Afr.  15:  Caesar  .  .  .  cum  animum  adverteret  ordines  suorum  in  procur- 
rendo  turhari  (pedites  enim,  dum  equites  longius  ab  signis  persequuntur ,  latere 
nudato  .  .  .  iaculis  vulnerabantur  .  .  .)  edicit  per  ordines,  ne  quis  miles  ab  signis 
IUI  pedes  longius  procederet. 

3)  Marquardt  a.  a.  0.  S.  353  fg. 


140  Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die  römischen  Fahnen. 

7  III.  Die  Bildung  der  Legionscohorte. 

Dass  die  Cohorte  erst  im  Laufe  des  siebenten  Jahrhunderts 
zur  ständigen  Unterabtheilung  der  Legion  geworden  ist,  ist  bekannt 
und  unbestritten.  Aber  wenn  Domaszewski  das  Yorkommen  von 
legionaren  Cohorten  in  älterer  Zeit  überhaupt  leugnet  und  die  ent- 
gegenstehenden Angaben  bei  Polybios  und  den  Späteren  als  Fehler 
der  Abschreiber  oder  Anachronismen  der  Schriftsteller  behandelt, 
so  wird  man  ihm  darin  nicht  beistimmen  können.  Da  an  dieser 
Frage  manche  andere  hängt,  so  wird  es  zweckmässig  sein,  ein- 
gehender dabei  zu  verweilen.  Die  bei  späteren  römischen  Schrift- 
stellern begegnenden  Nachrichten  über  Legionscohorten  aus  älterer 
Zeit  kommen  wenig  in  Betracht^;  alles  kommt  hier  auf  die  Angaben 
des  Polybios  an.  Was  nun  diesen  anlangt,  so  ist  es  zunächst  nicht 
richtig,  dass  er  die  Cohorte  'in  seiner  Schilderung  der  Bildung  und 
Zusammensetzung  der  Legion  nach  dem  Zusammenhang  seiner  Dar- 
stellung hätte  erwähnen  müssen'  (S,  20).  Dies  hätte  er  thun  müssen, 
wenn  sie  schon  damals  statarisch  gewesen  wäre;  aber  eine  wenn  auch 
gewöhnliche,  doch  nur  für  den  einzelnen  Fall  eintretende  Combination 
gehörte  in  jene  Darstellung  überall  nicht.  Er  spricht  von  ihr  denn 
auch  nur  in  Beziehung  auf  einzelne  Schlachtmanöver,  bei  denen  jene 
Combination  zur  Anwendung  kam.  In  der  Schilderung  der  Schlacht 
von  Baecula^  führen  die  Commandanten  der  beiden  Flügel  die 
einzelnen  römischen  Abtheilungen  gegen  den  Feind  vor:  rgeig  ilag 
ijiJiecDv  ....  xal  ngb  tovtcüv  ygooq^ofxa/^ovg  rovg  etd^io/Lievovg  xal  rgsig 
OJisigag'  rovro  de  xaksiiai  ro  ovvrayjua  tmv  tie^ojv  Tiagä  'Pojjuaioig 
xooQTig.  Diesen  erklärenden  Beisatz  betrachtet  Domaszewski  als 
interpolirt.  Ob  Livius^,  der  diese  Stelle  also  wiedergiebt:  cum  ternis 
peditum  cohortibus  ternisque  equitum  turmis,  ad  hoc  velifibus^  ihn  ge- 
lesen hat,  ist  aus  den  Worten  nicht  zu  entnehmen.     Aber  wenn  es 

8  bei  Polybios*  bald   darauf,   in  der  Beschreibung   der   Schlacht   am 

1)  Livius  30,  33,  1  sind  allerdings  die  cohaiies  ein  falscher  Zusatz  zu  dem 
polybianischen  Text  15,  9,  6;  und  Frontinus  strat.  1,  6,  1  ist  ohne  Beweiskraft, 
Domaszewski  S.  10  A.  3.  S.  20  A.  6.  Aber  andere  von  ihm  nicht  angeführte! 
Stellen  des  Livius  32,  17,  11:  cohortes  in  vicem  .  . .  emittebat  und  besonderji 
34,  28,  7:  primae  legionariae  cohortes  ibant  haben  grössere  Bedeutung,  wenr 
gleich  auch  sie  nicht  entscheiden. 

2)  11,  23,  1.  3)  28, 14,  17. 
4)  11,  33,  1.     Die  Worte   rovro  6'  iarl  otieTqü   hat   Casaubonus  gestrichen 

weil    sie  mit   der  hergebrachten   Auffassung  des  Wortes  sich  nicht  vertragen  j 
dass  sie  bei  Suidas  fehlen,  will  nichts  bedeuten  und  mir  erscheinen  sie  der  voij 
sichtigen  Weise  des  Schreibers  ganz  angemessen.     Uebrigens  bleibt  der  Beweij  ^ 
für  die  xoÖQrtg  bestehen,  auch  wenn  man  sie  tilgt. 


Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die  römischen  Fahnen.  141 

Ebro  heisst:  äycov  ex  rfjg  7iaQe/u,ßoki]g  em  rerragag  xodgrig  (xovro  6* 
Ion  oTielga)  jiQooeßah  roig  ne^oig  tcöv  vTievavricov,  was  Livius  ^  wieder- 
giebt  mit  den  "Worten :  quattuor  coJiortes  in  fronte  statuit,  quia  lathts 
pandtre  aciem  non  poteraf,  so  ist  durch  diese  in  jeder  Hinsicht  un- 
verdächtige und  unmöglich  auf  Auxiliarcoh orten  zu  beziehende  Notiz, 
die  Domaszewski  übersehen  hat,  das  Yorkommen  von  legionaren 
Cohorten  schon  zur  Zeit  des  hannibalischen  Krieges  vollständig  ge- 
sichert und  die  verw^egene  Athetese  durch  ein  zweites  unabhängiges 
Zeugniss  beseitigt. 

Ueber  die  Bedeutung  jener  erklärenden  Worte  wird  gestritten: 
ist  rovTo  rö  ovvjay/ua  die  oneloa  oder  die  rgeig  OTielgail  und,  was 
dasselbe  ist,  versteht  Polybios  hier  unter  der  onelga  die  aus  drei 
Manipeln  gebildete  Cohorte  oder  vielmehr  den  Manipel?  Wenn  die 
an  der  zweiten  Stelle  überlieferten  Worte  echt  sind,  so  heisst  oneiQa 
hier  die  Cohorte;  und  genügende  Gründe  für  die  Tilgung  derselben 
sind  nicht  beigebracht.  Aber  auch  wenn  diese  interpolirt  sein  sollten, 
wird  man  zu  demselben  Ergebniss  kommen  müssen.  Das  Wort 
oTieiQa  wird  bei  Polybios  zwar  mehrfach  für  den  Manipel  gesetzt^, 
aber  es  kommt  auch  in  anderer  Verwendung  selbst  in  Beziehung 
auf  römische  Verhältnisse  vor^  und  hat  überhaupt  einen  allgemeinen 
Werth,  etwa  wie  bei  uns  Schaar*,  so  dass  Polybios  wohl  befugt  9 
war  dasselbe  unter  Beifügung  des  entsprechenden  lateinischen  Aus- 
drucks in  verschiedener  Bedeutung  zu  verwenden.  Dass  grammatisch 
die  Beziehung  der  Erklärung  auf  ojisToa  die  nächstliegende  ist,  er- 
giebt  sich  schon  daraus,  dass  Reiske  ihr   den  Vorzug  giebt,   so  wie 

1)  28,  33,  12. 

2)  6,  24,  5;  z6  fikv  fisgos  k'xaoxov  ixaleoav  xal  rayfia  (=  ordö)  xal  onsTgav 
xai  arifiaiav  (=  Signum),  xovg  6'  t/ysfz6vag  xevxvQimvag  xal  xa^iaQxovg  (=  ordines), 
15,  9,  7:  jiQWTOv  fiev  rovg  dardtovg  xal  rag  zovzcov  at]/iiaiag  ev  öiaoxrjfiaotv ,  im  de 
Tomoig  xovg  Jiolyxijiag,  xi&elg  xäg  ojisigag  ov  xaxä  x6  xwv  jiqcoxcov  arjfiaicöv  8idoxr]fxa. 
Wo  sonst  ojisTga  von  römischen  Abtheilungen  gebraucht  wird  2,  80,  6;  3,  110,  6; 
c.  113,  3;  c.  115,  12,  scheint  ebenfalls  der  Manipel  gemeint,  üebrigens  heisst 
derselbe  noch  häufiger  otjfiaia  (1,  40,  10;  3,  113,  3;  11,  22,  10;  15,  9,  7;  c.  13,  7 
und  sonst),  womit  aber  auch  (15,4,4)  im  allgemeineren  Sinne  Türmen  und 
Manipel  zusammengefasst  werden,  zuweilen  auch  xd^ig  (15,  13,  7).  Dass  Polybios 
ordo  und  manipulus  ausdrücklich  gleichsetzt,  stellt  sich  zu  den  Beweisen  für  die 
von  Domaszewski  S.  12  fg.  meines  Erachtens  mit  Unrecht  bestrittene  ursprüng- 
liche Identität  von  manipulus  und  centuria. 

3)  15,  9,  9:  xd  8e  Siaoxrjfiaxa  x&v  jiqcoxcov  orjfiaicöv  dvEJi}.^Q<x>aE  xaXg  rüv 
ygooqpofidxcov  ojisigaig.    Manipel  der  Velites  gibt  es  nicht. 

4)  Vgl.  besonders  18,  28,  10  von  Pyrrhos:  zi^etg  iva^kd^  arjfiaiav  (d.  h.  einen 
römisch  geordneten  Manipel)  xal  oneTQav  (pa?.ayyixixrjv  iv  xoTg  jiQog  'Pco/iiaiovg 
dycöaiv. 


142  Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die  römischen  Fahnen. 

aus  der  zweiten  angeführten  Stelle,  selbst  wenn  man  diese  als  inter- 
polirt  betrachtet.  Entscheidend  aber  ist  meines  Erachtens  die  Be- 
schreibung des  Manövers  selbst.  Domaszewski  hat  aus  derselben 
freilich  entnommen,  dass  die  rgeig  ojieiQai  drei  Manipel  sind;  mir 
scheint  sie  im  Gegentheil  nur  verständlich,  wenn  darunter  drei  Co- 
horten  verstanden  werden. 

Scipio  stellt  seine  Truppen  —  zusammen  450U0  Mann  zu  Fuss 
und  3000  Reiter,  grösstentheils  aber  unzuverlässige  spanische  Mann- 
schaften —  in  der  Weise  auf,  dass  die  Spanier  im  Centrum,  die 
Eömer  auf  beiden  Flügeln  stehen  und  während  jenes  zurückgehalten 
wird,  die  beiden  Flügel  an  den  Feind  heran  und  über  seine  Flügel 
hinaus  vorrücken  und  die  Schlacht  entscheiden  sollen.  Die  römischen 
Reiter  nebst  der  leichten  Infanterie  beginnen  das  Gefecht,  werden 
aber  dann  zurückgenommen  und,  die  Yelites  vor  den  Reitern,  hinter 
der  schweren  Infanterie  aufgestellt.  Dann  setzen  die  beiden  Flügel 
sich  in  Bewegung.  Nachdem  sie  in  die  Nähe  des  Feindes  gelangt 
sind,  rücken  sie  diesem  entgegen  in  der  Weise,  dass  gleichzeitig  die 
ersten  {al  '^yovjusvai),  das  heisst  die  auf  dem  äussersten  Flügel 
stehenden  drei  Reiterturmen  nebst  den  dazu  gehörigen  Velites  in 
der  einen  und  die  drei  vor  ihnen  aufgestellten  oneigai  in  einer 
anderen  Richtung  an  die  ihnen  in  der  Angriffslinie  angewiesenen 
Plätze  abrücken,  alsdann  die  übrigen  Türmen  und  ojisigai  in  gleicher 
Weise  je  drei  und  drei  nachfolgen  und  so  die  neue  Schlachtreihe 
sich  bildet,  in  welcher  die  römische  Infanterie  der  feindlichen  gegen- 
über, die  Reiter  über  diese  hinaus  stehen,  um  dieselbe  im  Rücken 
zu  fassen.  Einleuchtend  beruht  dies  Manöver  auf  der  Gleichzahl 
der  Türmen  und  der  oneigai,  die  zu  Anfang  hinter  einander  stehen 
und  dann  in  verschiedener  Richtung  vorgehen.  Dies  aber  fordert 
nothwendig  die  Cohorte;  denn  in  der  Legion  entspricht  die  Zahl 
der  Türmen  der  der  Gehörten,  und  in  den  Alen  der  Bundesgenossen 
muss  annähernd  ein  gleiches  Verhältniss  stattgefunden  haben  ^, 
1 0  nimmermehr  aber  können  die  zehn  Türmen  und  die  dreissig  Manipel 
der  Legion  in  dieser  Weise  operiren.  Darum  leuchtet  auch  ein, 
dass  Polybios  für  die  Schilderung  dieses  Manövers,  bei  welchem 
allem  Anschein  nach  die  legionaren  und  die  Auxiliarcohorten  neben 


1)  Genaueres  über  die  römischen  und  italischen  Truppen  Scipios  ist  nicht 
überliefert.  Aber  nach  den  sonstigen  Zahlenverhältnissen  wird  angenommen 
werden  dürfen,  dass  die  Infanterie  und  die  Reiterei  der  Italiker  nicht  oder 
nicht  beträchtlich  die  der  Bürgertruppen  überstieg  (C.  Marcks  de  alis  Leipzig 
1886  p.  23),  also  im  Grossen  und  Ganzen  auch  hier  eine  Cohorte  auf  eine 
Turme  kam. 


i 


Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die  römischen  Fahnen.  143 

einander  zur  Verwendung  kamen,  die  cohors  nicht  entbehren  konnte 
und  daher  sich  veranlasst  fand  den  für  seine  allgemeine  Darstellung 
überflüssigen  Terminus  hier  zu  verwenden  und  zu  erläutern  ^. 

Trifft  diese  Auseinandersetzung  das  Richtige,  so  kann  die  Stelle 
des  Polybios  nicht  ferner  als  directes  Zeugniss  dafür  gelten,  dass 
die  cohors  schon  zu  seiner  Zeit  aus  drei  Manipeln  bestanden 
habe;  Polybios  bezeichnet  sie  vielmehr  lediglich  als  eine  combinirte 
Infanterietruppe  (ovvray/ua  rcov  JisCcöv).  Indirect  freilich  ergiebt  sich 
aus  seiner  Darstellung  eben  dasselbe,  da  sie  nur  verständlich  ist, 
wenn  die  drei  hintereinander  stehenden  Manipel  die  für  dies  Manöver 
zu  Grunde  gelegte  Einheit  bilden.  Ueberdies  versteht  es  sich  von 
selbst,  dass  der  älteren  und  der  neueren  cohors  derselbe  Begriff 
beiwohnt  und  ihr  Unterschied  nur  darin  besteht,  dass  jene  eine 
ausserordentliche,  diese  eine  ordentliche  Formation  ist. 

Weiter  folgt  daraus,  dass  Domaszewski  mit  Unrecht  die  Ein- 
führung der  Cohorte  als  der  ordentlichen  Formation  dem  Marius 
abgesprochen  hat,  weil  bereits  im  jugurthinischen  Krieg  von  cohortes 
legionariae  die  Rede  sei^;  es  hindert  nichts  diese  ebenso  aufzufassen, 
wie  die  Cohorten  in  der  Schlacht  von  Baecula. 

Endlich  giebt  uns  dieser  Nachweis  einen  Einblick  in  die  Bundes- 
genossencohorte  der  Republik.  Denn  es  liegt  auf  der  Hand,  dass 
die  ausserordentliche  legionare  Cohorte  ihre  Benennung  nur  dess- 
wegen  erhalten  haben  kann,  weil  sie  der  ordentlichen  Auxiliarcohorte 
wesentlich  gleichartig  war.  Demnach  war  auch  diese  aus  mehr  oder 
minder  Schwerbewaffneten  und  Leichtgerüsteten  zusammengesetzt. 
Wenn  Domaszewski  (S.  16)  Nissen  in  scharfer  Weise  tadelt,  dass 
er  die  Gliederung  und  die  Ziffern  der  römischen  Cohorte  auf  die  11 
der  Bundesgenossen  einfach  überträgt,  so  ist  das  wohl  insofern  be- 
rechtigt, als  die  Ungleichheit  der  Contingente  und  selbst  die  ziffer- 
mässige  Unbestimmtheit  des  Wortes  cohors  dabei  nicht  genügend 
jberücksichtigt  sind;  aber  im  Wesentlichen  wird  man  Nissen  lediglich 
jRecht  geben  müssen.     Es  erhellt  dies  auch  auf  einem  andern  Weg. 

1)  Nach  Domaszewski's  Auffassung  (S.  18)  stehen  die  drei  ojisTgai,  nach  ihm 
jManipel,  in  der  gewöhnlichen  Ordnung  hinter  einander  und  hinter  diesen  eben- 

alls  in  drei  Treffen  die  Reiterei;  alsdann  rückt  jede  dieser  sechsgliedrigeu 
^lonnen  einzeln  gegen  den  Feind  vor.  Aber  wie  die  Reiter  dazu  kommen,  sich 
n  drei  Treffen  aufzustellen  und  vor  jedem  dazu  noch  die  Velites,  ist  nicht  ab- 
;usehen ,  und  der  successive  Anmarsch  einzelner  Abtheilungen  von  je  300  Mann 
iine  militärisch  bedenkliche  Conception.  Vor  allem  aber  kommen  dabei  auf 
Irei  Manipel  drei  Türmen. 

2)  Sallust.  Jug.  51. 


144  Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die  römischen  Fahnen, 

Die  römische  Wehrverfassung  beruht  auf  dem  Zusammentreten  des 
ordentlichen  Aufgebotes  der  sämmtlichen  Bundesstaaten;  und  wie 
Rom  zu  Präneste  verhält  sich  die  römische  legio  (im  ursprünglichen 
Sinn)  zu  der  cohors  der  Pränestiner  ^.  Nun  aber  ist  es  doch  ganz 
undenkbar,  dass  die  durch  das  Vermögen  bedingten  Verschiedenheiten 
der  Dienstpflicht  nicht  in  jeder  Bundesstadt  bei  der  Truppenbildung 
ähnliche  Consequenzen  herbeigeführt  haben  wie  in  Rom  2;  ebenso 
undenkbar,  dass  militärische  Fortschritte,  wie  die  Gliederung  der 
Phalanx  in  mehrere  Treffen  und  die  Bildung  einer  Reserve,  nicht 
ebenso  wie  im  Bürger-  so  auch  im  Italikerheer  durchgeführt  worden 
sind.  Die  Gleichartigkeit  der  militärischen  Einrichtung  ist  für  die 
gleichartige  Gestaltung  der  italischen  Nation  vielmehr  die  Ursache 
gewesen  als  die  Wirkung.  Von  welcher  Seite  also  man  die  Sache 
betrachtet,  alles  führt  darauf,  dass  die  Auxiliarcohorte  die  Legion 
im  Kleinen  gewesen  ist,  und  die  Bestätigung  dieses  Satzes  durch 
die  Thatsache,  dass  die  legionare  Gehörte  ebenfalls  nichts  ist  als 
die  Legion  im  Kleinen,  steht  nach  wie  vor  unerschüttert. 


1)  Gewisse  Unterschiede  treten  allerdings  hervor;  insbesondere  ist  die 
Reiterei  Bestaudtheil  der  Legion,  nicht  aber  Bestandtheil  der  bundesgenössischen 
Cohorte.  Aber  diese  wahrscheinlich  erst  im  Laufe  der  Entwickelung  entstandenen 
Abweichungen  können  über  den  Grundcharakter  nicht  täuschen.  Eine  unglück- 
lichere Parallele  ist  schwer  zu  finden,  als  die  Domaszewskische  der  Auxiliar- 
cohorte und  des  römischen  Manipulus.  Soll  man  wirklich  Varros  (5,  88)  Defi- 
nition: manipulun  exercitus  minima  manus,  quae  imwn  sequitur  signum  auf  die 
Auxiliarcohorte  von  durchschnittlich  500  Mann  übertragen? 

2)  Eben  dahin  führt,  was  Polybios  6,  21,  5  über  die  der  römischen  analoge 
Aushebung  (:jiaoajikrjoiav  jfj  jiQoeiorj/nsvf]  trjv  exXoyrjv)  der  Bundesgenossen  sagt 
und  Livius  29,  15,  7  fg.  über  die  Beziehung  dieser  Aushebung  zu  dem  städtischen 
Ganzen  sehr  verständlich  andeutet. 


(; 


VII. 
Die  römischen  Provinzialmilizen.*) 

(Nachtrag  zu  [Hermes]  Bd.  XIX  S.  219  f.  [oben  S.  103  f.]) 

Bei  der  Ausführung  über  die  numeri  (in  d.  Zeitschr,  XIX  219  f.  547 
[oben  S.  103  f.])  ist  darauf  hingewiesen  worden,  dass  in  dem  kaiserlichen 
Militärsystem  die  Provinzialmilizen  eine  nicht  unwichtige  Rolle  gespielt 
haben.    Mehrere  dabei  von  mir  übersehene  Daten  und  weiter  eine  vor 
kurzem   in   Saintes    zum  Vorschein   gekommene  wichtige    Inschrift^ 

*)  [Hermes  22,  1887  S.  547— 558.  —  Vgl.  Jung,  Wiener  Studien  11,  1889 
S.  153 ff.;  Stappers,  Musee  Beige  1903  S.  198 ff.  301  ff.] 

1)  Herr  Em.  Esperandieu,  dem  wir  schon  manche  interessante  Mittheilung 
aus  Africa  verdanken,  hat  diese  mit  anderen  Denkmälern  aus  der  früheren 
Kaiserzeit  vor  kurzem  in  Saintes  entdeckte  Inschrift  in  einer  note  sur  les 
inscriptions  romaines  recemment  decouvertes  ä  Saintes  (Melle  1887  pp.  24)  ver- 
öffentlicht. Es  liegt  mir  ferner  eine  von  demselben  genommene  genaue  Abschrift 
des  Steines  vor,  welche  Herr  Esperandieu  an  Hrn.  Joh.  Schmidt  in  Giesseu 
mitgetheilt  hat.  Die  Inschrift  lautet  [C.  I.  L.  XIII,  1041  (=  Dessau  2531);  dar- 
nach der  Text]:  C.  luUo  Agedil[U  f.  VoUini?]a  Macro  |  Sant(ono),  duplicario 
alae  Atectorigianae,  |  stipendis  emeritis  XXXII  aere  incisso  (so),  evocat[o]  |  gesa- 
torum  DC  Haetorum  castello  Ircavio,  chipeo  \  coronis  aenulis  (so)  aureis  donato 
a  commilitonib(us),  \  lulia  Matrona  f(ilia),  C.  lulßus)  Primulus  Ißhetius)  h(eredes) 
e  i(estamento) .  Die  ala  Atectorigiana  führt  ohne  Zweifel  ihren  Namen  von  ihrem 
ersten  Chef,  offenbar  einem  angesehenen  Gallier  der  caesarischen  oder  augusti- 
schen Zeit,  dessen  Name,  wie  der  Herausgeber  erinnert,  auch  auf  gallischen 
Münzen  erscheint.  In  ähnlicher  Weise  führt  wahrscheinlich  die  Indiana  den 
Namen  von  dem  Treverer  Indus  (Marquardt  Handb.  2*,  472  A.  5).  Sie  wird 
identisch  sein  mit  der  unfindbaren  ala  I  Atectormn  der  Inschrift  von  Tomi  aus 
Alexanders  Zeit  (C.  III,  6154  [Dessau  1174]),  wo  vermuthlich  der  Steinmetz  das 
Atector.  der  Vorschrift  falsch  aufgelöst  hat.  —  Die  als  militärische  Ehren  hier 
begegnenden  goldenen  Ringe,  die  in  dieser  Verbindung  sich  sonst  nicht  finden 
und  mit  dem  späteren  Ringerecht  sich  nicht  vertragen,  wie  auch  der  bei  der 
Entlassung  mit  Verleihung  des  Bürgerrechts  (ae)'e  incisus)  dem  Veteranen 
verliehene  Name  C.  lulius,  endlich  die  dem  älteren  System  angehörende 
Stellung  des  evocatus  weisen  die  Inschrift  mit  Sicherheit  in  die  augustische  Epoche. 
Der  Vaternamen  ist  unklar;  ...  a  ist  wohl  Rest  der  Tribus. 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  10 


^46  r)ie  römischen  Provinzialmilizen. 

veranlassen  mich  auf  den  Gegenstand  zurückzukommen.  Es  erscheint 
548  angemessen  zunächst  aufzuzählen,  welche  Fälle  von  nicht  die  Form 
der  Legion  oder  der  Legionsauxilien  (alae,  cohortes)  annehmender 
Truppenbildung  aus  den  ersten  drei  Jahrhunderten  unserer  Zeit- 
rechnung überliefert  sind^  und  auf  Grundlage  dieser  Uebersicht  die 
Gewinnung  allgemeinerer  Resultate  zu  versuchen. 
Spanien. 

[prae]f.  levis  armaturae  P[oeninaet  et]  Hispaniensis.  —  Inschrift 

von  Gaeta  C.  X,  6098,  aus  der  ersten  Kaiserzeit 2, 
Cantabri  unter  den  nationes  der  sogenannten  hyginischen  Lager- 
beschreibung (a.  a.  O.  8.  223  [oben  S.  107]). 
Britannien. 

Brittones  in  der  Lagerbeschreibung  (a.  a.  0.  S.  223  [oben  S.  107J). 
75  auf  Inschriften  aus  Obergermanien  und  Dacien  (a.  a.  0. 

S.  226  [oben  S.  HO]). 

Gallien. 

Tacitus  hist,  1,  67:  rapuerant  (die  Soldaten  Caecinas)  pecuniam 

missam  in  Stipendium  castelli,  quod  olim  (d.  h.  'seit  langem', 

nicht  'ehemals' )  ^  Helvetii  suis  militihus  ac  stipendiis  tuehantur. 
[pr]aef.  gaesa[torum  Iiaetor\um  (?)  Helvet[ioruvn\.      Inschrift  von 

Triest  C.  V,  536.*) 
Alpes  maritimae. 

Tacitus  hist.  2,  12:    is   (der  Procurator    der    Seealpen)    concita 

gente  (nee  deest  iuventus)  arcere  provinciae  finibus  Othonianos 

intendit. 


1)  Indess  sollen  nicht  alle  in  der  angeführten  Abhandlung,  welche  die 
sichreren  numeri  dieser  Kategorie  zusammenstellt,  beigebrachten  Belege  wieder- 
holt werden,  um  so  mehr,  als  diese  Formation  im  dritten  Jahrhundert  offenbar 
weit  um  sich  griff.  Es  sind  hier  vornehmlich  die  der  besseren  Kaiserzeit  ange- 
hörigen  Fälle  berücksichtigt.  —  Die  an  sich  sehr  ähnliche  kleine  sicilische 
Besatzung  auf  dem  Eryx,  über  die  die  Nachrichten  C.  I.  L.  X  p.  750  zusammen- 
gestellt sind,  ist  hier  nicht  berücksichtigt  worden ,  da  sie  der  republikanischen 
Epoche  angehört. 

2)  Dafür  spricht  wie  die  ganze  Fassung  der  Inschrift  so  auch  die  Titulatur 
praefectus  levis  armaturae,  welche  ausser  in  dieser  Inschrift  sich  wohl  nur  noch 
findet  in  der  S.  147  angeführten  C.  IX,  3044  [Dessau  2689]  und  in  einer  anderen 
C.X,  4868  [Dessau  2688],  beide  aus  Tiberius  Zeit. 

3)  Hirschfeld  gall.  Stud.  1,  43. 

*)  [S.  außerdem  auch  Tacitus  ann.  1,  56:  quattuor  legiones,  quinque  auxilia- 
rium  milia  et  tumuUuariae  catervae  Germanorum  eis  Bhenum  colentium;  hist.  4,  20 : 
tria  milia  legionariorutn  et  tumuttitariae  Belgarum  cohoiies.     Vita   Did.  lul.  1,  7: 

Belgicam  sancte  ac  diu  rexit,  ibi  Cauchis enimpentibus  restitit  tumultuariis 

ausdliis  poovincialium.    BANG.] 


Die  römischen  Provinzialmilizen.  147 

Eaetien  und  die  vallis  Poenina.    Dass  die  gaesati  im  eigentlichen 

Gebrauch    hieher  gehören,   ist  schon   für   die  hannibalische  549 
Epoche    bezeugt^,    obwohl    das    gaesum    vielfach    in    allge- 
meinerer Anwendung  vorkommt  2. 

evocatus  gesatorum  DC  Raetorum  castello  Ircavio.  —  Inschrift 
von  Saintes  aus  augustischer  Zeit  (S.  145  A.  1). 

pra[ef(ecfus)]  Baetis,  VindoUcis,  valli[s  Pjoeninae  et  levis  arma- 
tur(ae).  —  Inschrift  von  Interpromium  aus  Tiberius  Zeit^. 

Tacitus  hist.  1,  68;  JRaeticae  (d.  h.  dort  stationirte)  alae  cohortes- 
que  et  ipsorum  Baetorum  iuventus  sucta  armis  et  more 
militiae  exercita. 

Bei  dem  Bau  des  Tunnels  von  Saldae  in  Mauretanien  um  das 
J.  150  n.  Chr.  veranlasst  der  leitende  Ingenieur  certamen 
operis  inter  classicos  milites  et  gaesates.  —  Inschrift  von 
Lambaesis  *. 

Dem  Caracalla  setzen  eine  Bildsäule  [cohors  I  Van]gionum,  item 
Baeti  gae[s]ati  et  exploratores ,  die  als  Besatzung  liegen  in 
Ilabitancium  in  Schottland  nördlich  vom  Wall.  —  Inschrift 
C.  VII,  1002. 

Gesati  (überliefert  ist  getati)  in  der  Lagerbeschreibung  (a.  a.  O. 
S.  223  [oben  S.  107]).*) 

1)  Polyb.  2,  22  zum  J.  523:  diejis/njiovTO  jigög  rovg  xaxä  rag  "AXjieig  xai  nsgi 
Tov  'Poöavov  Tiozafiöv  xarotxovvrag  Faldzag ,  jiQooayoQevp/nsvovg  8s  öia  ro  (xio^ov 
axQaxeveiv  raiadxovg  •  rj  ya.Q  Is^ig  avxrj  xovxo  orjfxaivet  xvgicog.  Plutarch  Marc.  3.  6. 
7.  Oros.  4,  13,  5 :  cum  .  .  ex  ulteriore  Gallia  ingens  adventare  exereitus  nuntiaretur 
maxime  Gaesatarum ,  quod  nomen  non  gentis,  sed  mercennariorum  Gallorum  est. 
Da  Livius,  den  Plutarch  und  Orosius  hier  ausschrieben,  für  diesen  Abschnitt 
den  Polybius  sicher  nicht  benutzt  hat,  so  stammt  die  Angabe  des  Polybius  aus 
römischen  Annalen.  Die  Etymologie  ist  bekanntlich  falsch  (Zeuss  Gramm. 
Celt.*  p.  52  [vgl.  Holder,  Alt-Celtischer  Sprachschatz  S.  1514]). 

2)  Wenn  Vergilius  Aen.  8,  662  das  Wort  im  eigentlichen  Sinn  verwendend 
von  den  gaesa  Alpina  spricht,  so  giebt  dagegen  Livius  9,  36,  6  als  agrestia  tela 

■  etruskischen  Hirten  falces  gaesaqtte  bina,  und  bei  den  Griechen  findet  sich,  wie 
die  Lexica  nachweisen,  das  Wort  für  den  nichthellenischen  Wurfspeer  vielfach, 
zum  Beispiel  für  Iberer,  Phoeniker,  Libyer.  Indess  ist  darauf  nichts  zu  geben. 
Gaesatus  erscheint  nie  in  dieser  Weise  denaturirt. 

3)  C.  IX,  3044  [Dessau  2689].  Das  Commando  wird  bezogen  theils  auf  das 
Aufgebot  aus  den  drei  genannten  zu  einer  Statthalterschaft  vereinigten  Bezirken, 
theils  auf  leichte  Truppen  anderer  Herkunft. 

4)  C.  VIII,  2728  [=  Dessau  5795].  Wilmanns  hat  in  der  Anmerkung  meiner 
Ausführung  in  Gerhards  archaeol.  Zeitung  1871  S.  5  widersprechend  die  gaesates 
nicht  als  Soldaten,  sondern  als  gedungene  Lohnarbeiter  gefasst,  mit  Unrecht. 

*)  [Hinzuzufügen  sind  Eph.  ep.  7,  1092  =  Dessau  2623  (aus  Jedburgh  in 
Schottland):    ve[xi]Uatio   Betorwn  gaesa(torum)  q(uorum)  c(uram)   a(git)   Iul(ius) 

10* 


14S  D^^  römischen  Provinzialmilizen. 

550  Nericum. 

Tacitus  hist.  3,  5:  ala  Äuriana  et  octo  coJiortes  ac  Noricorum 
iuventus. 

P^nnonien. 

Illyrische  und  pannonische  Reiterabtheilungen  in  den  Inschriften 

(a.  a.  O.  S.  226  [oben  S.  109]). 
Pannonische  veraedarii  in  der  Lagerbeschreibung  (a.  a.  0.  S.  223 

[oben  S.  107]). 

Dacien. 

Daci  in  der  Lagerbeschreibung  (a.  a.  0.  S.  223  [oben  S.  107]). 
Kappadokien. 

Tacitus  ann.  12,49  zum  J.  51:  Cappadociae  procurator  lulius 
Paelignus  ....  auxiliis  provincialium  contractis  tamquam 
recuperaturus  Ärmeniam. 

Die  von  dem  Statthalter  von  Kappadokien  Arrianus  im  J.  137 
für  den  bevorstehenden  Kampf  gegen  die  Alanen  erlassene 
ordre  de  hataille  führt  neben  den  Legionen  und  den  Alen 
und  Gehörten  noch  auf  to  ov[xp,axiii6v  ^,  welches  unter  das 
Gesammtcommando  eines  der  bei  den  Auxilien  verwendeten 
Offiziere  gestellt  wird  2.  Gebildet  wird  es  aus  drei  Ab- 
theilungen, den  kleinarmenischen  ^,  den  trapezuntischen*  und 
den  kolchischen  Mannschaften  vom  Fluss  Rhizios^. 


Sever(us)  trib(unus);  C.  I.  L.  XIII,  3593  =  Dessau  7055  (aus  Tongern):  [ci\ves 
Itom[ani]  cent(uria)  [Va]lentin[i  n(umeri)]  gesatoru[m].  Vgl.  auch  die  [coJwrs]  .  .. 
gaesatorum  miliaria  Dipl.  LXX  (nach  der  neuen  Zählung,  C.  I.  L.  III  p.  1990. 
Unsicher  ist  der  n(umerus)  gfaesatorum)  Baetorum  C.  I.  L.  III,  8074,  29  vgl.  p.  2500.] 

1)  "Exxa^ig  xaz  'ÄXavwv  c.  7 :  sjii  öi  xü)  öjihnxcö  (den  Legionen,  Alen,  Cohorten) 
TStdx&fo  tö  ovfif.iaxi>i6v,  01  xe  äno  xfjg  o/uixQä?  'Agfisviag  xal  TqojisCovvxIcov  01 
onXixai,  (?)  xal  Köl^oi  xai  'Pi^iavol  01  Xoy/f^ocpÖQOi '  ijicxsxä/^ßcov  de  avxoTg  oi  'Ajikavol  jts^oi. 

2)  Daselbst:  Jiavxog  ös  xov  av/j^/naxixov  i^ysjLioov  k'orco  2!£xov[vd]Tvog,  oojisq  xwv 
'AnXavöyv  rjyeixai.  Diese  —  ol  'Ankavoi  oi  diaxöaioi  c.  14  —  werden  dem  avfif^axixov 
beigegeben  (smxexäx'^oiv  6s  avxoTg  oi  AjiXavol  jieCoi),  aber  sie  sind  kein  Theil 
desselben.  Also  ist  dabei  nicht,  wie  ich  gemeint  habe,  an  die  Alanen  zu  denken, 
sondern  es  wird  Seeck  mit  Recht  darin  die  eohors  Apuleta  civium  Romanorum 
des  diix  Armeniae  (Not.  dign.  Or.  c.  38,  34)  erkannt  haben,  wie  immer  der  Name 
herzustellen  sein  mag. 

3)  Diese  kehren  wieder  c.  14  als  oi  djiö  xi^g  o/umgäg  Ag/Asviag  avf^/^axoi,  auch 
wohl  c.  29  als  oi  Aq/j^evioi  xo^öxai,  wo  aber  vielleicht  die  Gross-  und  Klein- Armenier 
zusammengefasst  werden. 

4)  TQajisCovvxiiov  oi  oTiXixai  kehren  wieder  c.  14  als  oi  TQajis^ovvxlav  yv/Mv^xsg, 
auch  wohl,  vielleicht  zusammengefasst  mit  den  Kolchern,  c.  29  als  oi  XoyxotpÖQoi 
oi  yv/uv^xeg.    'OnXixai  ist  wohl  verdorben. 

5)  Diese  Abtheilung  heisst  c.  7  Kök-^oi  xai  'Pi^iavoi  oi  Xoyxo(pÖQoi,  c.  14  oi 
'Pi^cavoi  XoyxofpÖQoi,  c.  29,  wahrscheinlich  zusammengefasst  mit  den  Trapezuntiern, 


Die  römischen  Provinzialmilizen.  149 

P.  Aelius  Ammonius  kurz  vor   oder  unter  Gordian  als  Tribunus  551 
der  cohors  I  Germanorum  ^ytjodfievog  OTQancorixov  iv  nuQa- 
xd^Ei  'ÄQjuevcaxfj  orgaricorcüv  enagyeiag  KajiJtadöxcov.    Inschrift 
von  Tomi^ 

Syrien.*) 

Syri  in  Inschriften  aus  Dacien  und  Mauretanien  (a.  a.  0.  S.  221 

A.  2  [oben  ö.  104  A.  6],  S.  227  [oben  S.  110]). 
Falmyreni  in  Inschriften   aus  Dacien  und  Mauretanien  (a.  a.  0. 

8.  226  [oben  S.  110]). 
Palmyreni  in  der  Lagerbeschreibung  (a.  a.  0.  S.  223  [oben  8.  107]). 
Numidien. 

Nationes  Gaetnlicae  sex   quae  sunt   in  Numidia  in  neronischer 
Zeit  der  in  Numidien  garnisonirenden  7.  lusitanischen  Cohorte 
beigegeben  (a.  a.  0.  8.  224  A.  2  [oben  8.  108  A.  1]). 
Mauretanien.**) 

Mauri   equites   in    mauretanischen    Inschriften    (a.  a.  0.   Ö.  226 

[oben  8.  110]). 
Mauri  equites  in   der  Lagerbeschreibung   (a.  a.  0.  8.  223  [oben 

8  107]). 
Dass  diese  Provinzialmilizen  als  dritter  Heertheil  neben  den 
Legionen  und  den  Auxilien  stehen,  geht  aus  der  Vergleichung  der 
arrianischen  Heerordnung  und  der  pseudo  -  hyginischen  Lager- 
beschreibung auf  das  Bestimmteste  hervor.  Beide  geben  auch  die 
technische  Bezeichnung  an,  jene  xb  ovjujuayixöv,  diese  symmaeharn^; 

oi  XoyyocpÖQoi  oi  yvjuvfjTsg.  Gemeint  sind  nicht  die  Kolcher  am  Phasis,  sondern  die 
auch  im  Periplus  c.  7  erwähnten  vom  Hafen  und  Fluss  Rhizios  (Ptolem.  5,  6,  6), 
die  östlichen  Nachbarn  der  Trapezuntier. 

1)  Arch.-epigraph.  Mitth.  aus  Oesterreich  8,  22  [Dessau  8851].  Es  wird  in 
dieser  Stellung  weder  mit  Domaszewski  (a.  a.  0.)  der  irraepositus  vexillationibus 
zu  erkennen  sein,  noch,  woran  ich  gedacht  habe  (Eph.  epigr.  5  p.  578),  der 
Stabschef  des  in  diesem  Kriege  commandirenden  Statthalters;  es  ist  genau  die 
Stellung  des  Secundinus  bei  Arrian  (S.  148  A.  2).  —  Wenn  derselbe  Mann  nach- 
her als  praefectus  alae  I  Gaetulorum  genannt  wird  fjyrjacLfievoi;  ozQanconxov  rfjg 
L-ragyeiag  ravxi]g,  so  muss  jene  (eine  Zeitlang  nach  C.  VI,  3520  [=  Dessau  2731; 
vgl.  D.  XXXIX  vom  J.  113/4]  in  Niederpannonien  stationirte)  Ala  damals  in 
Untermoesien  gelegen  haben,  zu  welcher  Provinz  Tomi  gehört,  und  in  dieser 
Stellung  Ammonius  die  Milizen  dieser  Provinz  geführt  haben. 

*)  \^S^'    auch    Tacitus   ann.  15,3:    (Corhulo)   reliquas    legiones  pro   ripa 
Etiphratis  locat,  tumxütuariam  pi-ovincialium  manum  armatJ\ 

**)  \ys^'  auch  Tac.  bist.  2,  58:  ingens  Maurorum  numerus,  pei'  latrocinia  et 
raptus  apta  hello  manus.] 

2)  Dass  eine  derartige  hj'bride  Form  in  dem  dreifach  überlieferten  smmj- 
macterias  —  sumactares  —  summamclari  stecken  muss,  habe  ich  schon  a.  a.  0. 


1 50  Die  römischen  Provinzialmilizen. 

die  letztere  Form  wird  gebildet  worden  sein,  um  diese  Mannschaften 
von   den   auxilia    zu  unterscheiden.     Dieselben  Mannschaften  nennt 
552  Tacitus  auxilia  provincialium,  im  Gegensatz  zu  den  auxilia  legionum, 
die  Inschrift  von  Tomi   (x6)  ozQaricoTixdv  (rfjq)  ejiagxdag. 

Obwohl  die  obige  Zusammenstellung  der  hieher  gehörigen  Nach- 
richten, auch  wenn  sie  vollständig  wäre,  was  sie  sicher  nicht  ist, 
keinen  Anspruch  darauf  machen  könnte  den  Umfang  dieser  Institution 
abzugrenzen,  so  geht  doch  schon  aus  ihr  mit  Sicherheit  hervor,  dass 
diese  Formation  nicht  im  ganzen  Reiche  bestanden,  sondern  sich  auf 
einen  verhältnissmässig  kleinen  Theil  der  unterthänigen  Landschaften 
beschränkt,  hier  aber  auch  eine  feste  Organisation  erhalten  hat. 
Am  deutlichsten  erhellt  dies  aus  den  Angaben  Arrians  über  Kappa- 
dokien:  hier  finden  wir  die  Provinzialmilizen  streng  geschieden  einer- 
seits von  den  —  bürgerlichen  oder  peregrinischen  —  Reichstruppen, 
andererseits  von  dem  Zuzug  aus  dem  Clientelstaat  Grossarmenien  \ 
und  beschränkt  auf  die  Districte  Kleinarmenien  und  den  kappa- 
dokischen  Pontus,  während  das  eigentliche  Kappadokien  so  wie  der 
polemonische  und  der  galatische  Pontus  dabei  nicht  genannt  werden. 
Ueberblicken  wir  die  ganze  Reihe,  so  fehlen  nicht  blos  alle  sena- 
torischen Provinzen,  sondern  auch  von  den  kaiserlichen  diejenigen 
älterer  und  intensiverer  Civilisation.  Augenscheinlich  hat  die  Grenz- 
vertheidigung  darauf  eingewirkt:  die  Helvetier  vor  den  überrheinischen 
Eroberungen  der  flavischen  Zeit,  die  Bewohner  von  Kleinarmenien, 
die  Palmyrener  konnten  nicht  lediglich  auf  den  Schutz  der  bei  ihnen 
garnisonirenden  Reichstruppen  angewiesen  werden;  an  dem  Nord- 
abhang der  Alpen,  in  Spanien,  Britannien,  Dacien  werden  ebenfalls 
die  Provinzialen  gegen  die  unbotmässigen  Bergvölker  sich  oftmals 
auf  eigene  Hand  haben  vertheidigen  müssen.  Aber  auch  die  Ver- 
schiedenheit der  Administration  scheint  hierfür  in  Betracht  gekommen 
zu  sein.  Die  Gebiete,  welche  aus  früheren  Königreichen  in  das 
kaiserliche  Regiment  übergingen  und  in  denen  der  Kaiser  noch 
unbeschränkter  schaltete   als  in   den  seiner  Verwaltung  unterstellten 


S.  224  A.  1   [oben  S.  107   A.  2]    vermuthet;  die   Vergleichung    der    arrianischen 
Benennung,  welche  ich  damals  übersehen  habe,  hebt  jeden  Zweifel. 

1)  Dass  die  c.  13  aufgeführten  Armenier  unter  Vasakes  und  Arbelos,  sämmt- 
lich  Schützen  zu  Pferd  oder  zu  Fuss,  offenbar  die  von  dem  abhängigen  König 
von  Gross  -  Armenien  gesandten  Mannschaften,  nicht  dem  ov/n/naxixöv  zugezählt 
werden,  geht  daraus  hervor,  dass,  während  dieses  insgesammt  unter  das  Com- 
mando  des  S.  148  A.  2  genannten  römischen  Offiziers  kommt,  jene  einem  anderen, 
dem  Präfecten  der  italischen  Cohorte  (die  Nummer  fehlt)  Pulcher  unterstellt 
werden. 


Die  römischen  Provinzialmilizen.  151 

Provinzen,  erhielten  mit  Ausnahme  Aegyptens,  das  mit  Legionen 
belegt  ward,  nur  schwache  Besatzungen,  behielten  aber  dafür,  wie  553 
es  scheint,  in  bedeutendem  Umfang  die  provinzialen  Milizen.  Es 
gilt  dies  vor  allem  von  Raetien,  nächst  Aegypten  der  wichtigsten 
procuratorischen  Provinz,  aber  auch  von  Noricum,  den  Alpen- 
gebieten, von  Kappadokien.  Bei  der  Verwandelung  dieser  Provinz 
aus  einer  procuratorischen  in  eine  von  einem  senatorischen  Legaten 
verwaltete  so  wie  bei  der  Einrichtung  der  jüngeren  Kaiser- 
provinzen unter  senatorischen  Legaten,  wie  Britannien  und  Dacien, 
scheint  die  gleiche  Wehrordnung  beibehalten  oder  eingeführt  worden 
zu  sein, 

Dass  diese  Milizen  nicht  zu  den  Reichstruppen  gerechnet  worden 
isind,  zeigt  die  Vergleichung  des  kappadokischen  Heeres,  wie  es  uns 
die  Aufstellung  vom  J.  137  und  wie  es  die  Notitia  dignitaium  vor- 
führt. Die  Legionen,  Alen  und  Gehörten  sind  in  beiden  wesentlich 
dieselben,  aber  die  Milizen  werden  allein  in  jener  aufgeführt,  eben 
weil  sie  nicht  zu  den  Reichstruppen  zählen.  Die  Bereitstellung  der 
Waffen  und  diejenige  Ständigkeit  des  Dienstes,  welche  für  die  sofortige 
Einberufung  der  Mannschaften  im  Fall  des  Gebrauches  erfordert 
wird,  kann  nicht  gefehlt  haben ;  nicht  ohne  Ursache  heissen  die 
raetischen  Mannschaften  die  Spiessträger  und  nennt  sie  Tacitus 
geschulte  Soldaten.  Zum  Theil  mögen  sie,  ähnlich  wie  unsere  Land- 
wehrregimenter, nur  von  Fall  zu  Fall  zur  Uebung  oder  zum  eifectiven 
Dienst  einberufen  worden  sein.  Aber  die  Helvetier  unterhielten 
wenigstens  in  einem  ihrer  Castelle  eine  ständige  Besatzung  dieser 
Art;  und  die  600  gesati  Raeti,  die  in  augustischer  Zeit  in  dem 
Castell  L-cavium  lagerten,  dürften  in  gleicher  Weise  aufzufassen  sein. 
Aber  jene  erhielten  ihre  Löhnung  von  der  Gemeinde,  der  sie  ange- 
hörten; und  das  Gleiche  wird  von  sämmtlichen  Provinzialmilizen 
gelten,  so  weit  sie  nicht  etwa,  was  vielfach  der  Fall  gewesen  sein 
mag,  verpflichtet  waren  sich  selber  die  Waffen  zu  schaffen  und  auf 
eigene  Kosten  zu  dienen. 

Dem  entsprechend  stehen  sie  im  Range  sämmtlichen  Reichstruppen 
nach.  Deutliche  Spuren  dieser  Rangordnung  zeigen  sich  sowohl 
bei  Arrian  wie  in  der  Lagerbeschreibung,  obwohl  bei  beiden  die 
Stellung  der  Abtheilungen  im  Treffen  oder  im  Lager  zunächst  die 
Reil'.enfolge  bestimmt.  Bezeichnender  noch  ist,  dass  die  gaesati  bei 
dem  Militärbau  in  Numidien  unter  Pius  den  Flottensoldaten  nach- 
gesetzt werden.  Dazu  passt,  dass  bei  der  kappadokischen  Mobilisirung 
die  gesammte  Provinzialmiliz  unter  das  Commando  eines  Cohorten- 
präfecten  gestellt  wird  (S.  148  A.  2). 


152  Die  römischen  Provinzialmilizen. 

554  So  viel  wir  sehen,  sind  diese  Mannschaften  in  der  Regel ^  in 
Abtheilungen  von  Infanterie  und  Cavallerie,  ungefähr  den  Cohorten 
und  Alen  analog,  aber  mit  minder  fester  Grundzahl,  zusammengefasst 
worden;  zu  den  früher  bekannten  Beispielen,  die  zwischen  300  und  900 
schwanken  (a.  a.  0.  S.  228  [oben  S.  111]),  treten  die  600  des  Steines  von 
Saintes  hinzu.  Die  Commandanten  hat  schwerlich  die  Truppe  oder 
die  Gemeinde,  sondern  vielmehr  der  Statthalter  bestellt;  einzeln 
begegnen  uns  derartige  praepositi,  auch  wohl  mit  dem  eigentlichen 
Offizierstitel  jwaefecti  genannt,  sehr  selten  tribuni^.  Auf  dem  Stein 
von  Saintes,  dem  weitaus  ältesten  Beleg  für  dergleichen  Stellungen, 
ist  der  Führer  ein  altgedienter  und  unter  Verleihung  des  Bürger- 
rechts verabschiedeter  Cavallerist,  welcher  nach  Aufforderung  des 
Statthalters  (evocatus)  für  diesen  Zweck  wieder  in  das  Heer  eintritt; 
es  kommt  dieser  evocatus  der  Sache  nach  auf  dasselbe  hinaus,  was 
späterhin  praepositus  genannt  wird,  Offizierstellung  ohne  Ritterrang. 
Vielleicht  hängt  es  damit  zusammen,  dass  die  Ehrenbezeugungen 
ihm  nicht  von  dem  Statthalter,  sondern  von  seinen  Kameraden 
erwiesen  werden  3. 

Die  wesentliche  Verschiedenheit  dieser  Truppen  und  derjenigen 
des  Reiches  ist  der  örtliche  Dienst:  in  allen  älteren  Belegen  bis  auf 
das  Ende  der  Regierung  Hadrians  hinab  finden  wir  sie  lediglich  in 
derjenigen  Provinz  verwendet,  welcher  sie  angehören.  "Wir  werden 
darum  auch  das  sonst  nicht  bekannte  Castell  Ircavium  in  Raetien 
zu  suchen  haben.  Aber  es  charakterisirt  das  Zusammenbrechen  der 
römischen  Heeresinstitutionen,  dass  die  Provinzialmilizen  mehr  und 
mehr  für  den  Reichsdienst  verwendet  werden.  Den  ältesten  Beleg 
dafür  giebt  die  Verwendung  der  gaesati  für  Bauten  in  Numidien 
unter  Pius;  und  wie  die  raetische  Miliz  überhaupt  am  meisten 
bedeutet  hat,   so  ist  auch  hierin  wohl   mit  ihr  der  Anfang  gemacht 

555  worden.  Aber  es  ist  dann  dabei  nicht  geblieben;  in  dem  Normal- 
heer etwa  aus  der  zweiten  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts,  wie  es 
die  Lagerbeschreibung   uns  vorführt  und   das    gedacht  ist  als    vom 

1)  Dass  einzelne  Stämme  einer  einzelnen  Abtheilung  der  Reichstruppen 
beigegeben  werden,  gewissermassen  als  auxilia  der  auxilia,  kommt  in  Numidien 
bei  der  7.  lusitanischen  Cohorte  vor  (S.  149)  und  mag  nicht  selten  geschehen 
sein,  wenn  uns  auch  weitere  Angaben  der  Art  fehlen.  Regel  war  es  nicht,  wie 
die  arrianische  sxxa^ig  und  andere  Belege  mehr  zeigen. 

2)  a.  a.  0.  S.  228  [oben  S.  112].  Auch  der  'praef.  dvitatium  Moesiae  et 
Trehalliae  (C.  V,  1838  [=  Dessau  1349].  1839)  in  claudischer  Zeit  dürfte  solche 
Provinzialmilizen  unter  sich  gehabt  haben. 

3)  Indess  finden  sich  in  den  spanischen  Inschriften  C.  II,  1086.  2079  [Dessau 
2712.  2713]  analoge  von  den  Abtheilungen  einzelnen  Kameraden  erwiesene  Ehren. 


Die  römischen  Provinzialmilizen.  153 

Kaiser  selber  geführt,  nehmen  die  symmacharii,  die  Gaesaten,  Daker, 
Britten,  Cantabrer,  Palmyrener  einen  breiten  Platz  ein.  Allerdings 
konnte  dies  nicht  geschehen,  ohne  dass  die  Provinzialmilizen  factisch 
zu  Reichssoldaten  wurden  und  in  Sold  und  Commando  der  Unter- 
Bchied  zwischen  ihnen  und  den  Auxilien  sich  ausglich.  Dennoch 
war,  wie  ich  schon  früher  nachgewiesen  habe,  das  Eintreten  der 
Provinzialtruppen  in  das  Reichsheer  ein  Systemwechsel.  Das  letztere 
hatte  in  seinen  Alen  und  Gehörten  die  Nationalitäten  gemengt  und 
vielleicht  absichtlich  auf  deren  Ausgleichung  hingewirkt;  aber  die 
Palmyrener  des  numerus  blieben  Palmyrener,  auch  wenn  sie  in  Africa 
dienten,  bewahrten  ihren  heimischen  Cult  und  ihre  eigene  Sprache 
und  müssen  sich  aus  ihrer  Heimath  recrutirt  haben.  Gegen  das  farb- 
und  marklose  Reichsbürgerthum  beginnt  damit  auch  in  diesem  Kreis 
die  Gegenströmung  der  Nationalitäten. 


Die  hier  behandelte  Truppenkategorie  gehört  zu  dem  römischen 
Heerwesen;  die  symmacharii  und  ihre  numcri  sind,  so  weit  sie  reichen, 
eine  Territorialarmee,  anfangs  nur  innerhalb  ihrer  Provinz,  späterhin 
auch  ausserhalb  derselben  verwendet,  so  weit  sie  aber  zur  Ver- 
wendung gelangen,  als  Truppe  behandelt.  Diese  Institution,  deren 
Eigenart  erst  jetzt  hervortritt,  darf  nicht  confundirt  werden  mit  den- 
jenigen Einrichtungen,  welche  häufig,  und  auch  in  der  neuesten 
Monographie  von  Cagnaf^,  mit  dem  Namen  der  Municipal-  oder 
Provinzialsoldaten  belegt  werden,  die  man  aber  besser  in  andere 
Verbindung  bringen  würde.  Es  wird  nicht  überflüssig  sein  dies  kurz 
nachzuweisen. 

1 .  Die  cohorfes  I  et  II  orae  maritimae  in  der  Tarraconensis,  von 
denen  wir  nur  durch  die  dort  gefundenen  Inschriften  einige  Kunde 
haben,  gehören  ohne  Zweifel  zu  den  Reichstruppen.  Die  Benennung 
cöhors^  die  sich  meines  Wissens  nur  bei  diesen  findet,  ist  dafür  ent- 
scheidend; auch  ihre  Offiziere  führen,  wenn  sie  municipale  Stellungen 
daneben  bekleiden,  diese  von  den  militärischen  getrennt.  Ihre  Be-  556 
Sonderheit  beruht,  so  weit  wir  sehen,  wesentlich  in  der  Benennung; 
während  die  der  Legionen  wie  der  Legionsauxilien,  überhaupt  also 
der  Reichstruppen  von  der  Stationirung  unabhängig  ist  und  sicher 
dabei  der  Gedanke  obwaltet,  dass  jedes  Corps  in  jeder  Oertlichkeit 
verwendet  werden  kann,  sind  diese  Cohorten  ein  für  allemal  bestimmt 
für  den  Schutz  der  spanischen  Küste.    Wenn  sich  insofern  ihre  Be- 


1)  De  municipalibus  et  provincialibus  militiis  in  imperio  Eomano  (Paris  1880). 
Von  der  hier  behandelten  Kategorie  ist  in  dieser  Schrift  nicht  die  Rede. 


J54  I^iß  römischen  Provinzialmilizeii. 

Zeichnung  als  Provinzialmiliz  vertheidigen  lässt,  so  möchte  es  doch 
zweckmässig  sein  diese  Truppen  von  den  auxilia  legionum  nicht  zu 
trennen. 

2.  Das  Nothstandscommando,  wie  das  Stadtrecht  von  Genetiva 
es  uns  kennen  gelehrt  hat,  läuft  bekanntlich  darauf  hinaus,  dass  bei 
einbrechender  Kriegsgefahr  in  jeder  Stadtgemeinde  jeder  waffenfähige 
Bürger  und  Schutzverwandte  ausrücken  und  die  städtischen  Obrig- 
keiten die  Führung  übernehmen  oder  nach  Ermessen  einen  Führer 
ernennen.  Dies  ist  eine  Ergänzung  des  Heerwesens,  aber  zugleich 
der  Gegensatz  derselben.  Auch  ist  davon  in  der  Epoche,  wo  det 
römische  Staat  eine  ständige  Armee  hatte,  wohl  nur  in  geringem 
Umfang  und  in  Italien  sicher  so  gut  wie  gar  nicht  Anwendung 
gemacht  worden^.  Es  mag  wohl  in  mancher  Grenzstadt  aus  dem 
Nothstand  eine  wirkliche  Bürgerwehr  hervorgegangen  sein^  und  da 
in  diesem  Falle  eine  gewisse  Auslese  und  eine  gewisse  Organisation 
sich  noth wendig  einstellen  musste^,  so  ist  es  glaublich  genug,  dass 
die  Territorialtruppen  häufig  aus  der  municipalen  Selbsthülfe  hervor- 
gegangen sind.  Aber  die  municipalen  Aufgebote  an  sich  wird  man 
der  Armee  nicht  zurechnen  dürfen. 

3.  Yor  allen  Dingen  aber  ist  dringend  zu  warnen  vor  dem 
Durcheinanderwerfen  der  Institutionen  des  municipalen  Sicherheits- 
dienstes und  den  militärischen.  Die  Polizei  auf  den  städtischen  und 
den  Landstrassen  und  das  Löschwesen  wurden  nach  den  römischen 
Ordnungen  nur  zum  kleinsten  Theil  durch  die  Truppen  beschafft;  in 
der  Hauptsache   überliess   man  die  Fürsorge  dafür  den  Communen. 

557  Wir  sind  über  diese  untergeordneten  Verhältnisse  wenig  unter- 
richtet*; aber  was  wir  von  Einrichtungen  dieser  Art  kennen,  wie  diei 
Gensdarmerien   der   Städte   Kleinasiens,   die  Diogmiten   unter  ihren 


1)  Die  tribuni  militum  a  populo  des  friedlichen  Pompeii  und  so  weiter  fahren 
allerdings  immer  noch  fort  Bürgercapitäne  zu  spielen;  mit  der  Zeit  wird  sich 
auch  dies  wohl  ändern. 

2)  Wie  Ovidius  den  Zustand  in  Tomi  schildert,  waren  die  dortigen  Bürgei 
gar  sehr  darauf  angewiesen. 

3)  Die  bekannten  hastiferi  civitatis  Mattiacorum  können  wohl  eine  solche 
gewesen  sein  [s.  unten  S.  156  ff.]. 

4)  Im  Allgemeinen  lag  der  municipale  Sicherheitsdienst  auf  den  zu  diesen 
Zweck  von  der  Gemeinde  angeschafften  Sklaven  nebst  den  zu  dergleichen  Dienster 
verurtheilten  Verbrechern.  Belehrend  darüber  sind  die  Briefe  19.  20.  31.  82  de: 
Correspondenz  des  Plinius  und  des  Traianus;  auf  den  Vorschlag  seines  Vertreter; 
bei  der  Gefängnissaufsicht  neben  den  Sklaven  einige  Soldaten  zu  verwende! 
geht  der  Kaiser  nicht  ein.  Analog  sind  die  stadtrömischen  Einrichtungen,  bevoJ 
Augustus  seine  Löschmannschaft  einrichtete,  die  übrigens  von  dem  Ursprung' 
aus  dem  unfreien  Hülfsdienst  den  Stempel  und  den  Makel  behielt. 


Die  römischen  Provinzialmilizen.  155 

Eirenarchen,  wie  die  in  der  Narbonensis  hie  und  da  begegnenden 
städtischen  Magistrate  zur  Niederhaitang  des  Räuberwesens,  wie  der 
vvxTEQivbg  arQarrjyog  in  Alexandrien  und  der,  wie  mir  Hirschfeld*) 
erwiesen  zu  haben  scheint,  nach  diesem  Muster  geschaffene  praefectus 
vigilum  et  armorum  in  Nemausus  gehören  nicht  in  das  Militärwesen. 
Der  Soldat  und  der  Nachtwächter  dienen  beide  der  öffentlichen 
Sicherheit,  aber  müssen  darum  nicht  weniger  streng  gesondert 
werden,  und  nirgends  mehr  als  in  der  römischen  Verwaltung,  welche 
das  kaiserliche  und  das  städtische  Selbstregiment  eben  hierin  in 
schärfster  Weise  auseinander  hält. 


Was  längst  wahrscheinlich  war,  dass  die  hastiferi  civitatis 
Mattiacor(um)  der  bekannten  im  J.  236  gesetzten  Inschrift  von 
Kastei  gegenüber  Mainz  (Brambach  1336  [C.  I.  L.  XIII,  7281  = 
Dessau  3805])  die  Landwehr  dieser  Gemeinde  gewesen  sind,  hat 
eine  zweite  in  diesem  Sommer  bei  Wiesbaden  gefundene  vom  J.  224 
zur  Gewissheit  gemacht.  Ich  entnehme  sie  dem  Westdeutschen  Kor- 
respondenzblatt vom  August  d.  J.  [1887]  S.  180  [CLL.  XIII,  7317  = 
Dessau  7095].  [I^n  h(onorem)  d(omus)  d(ivinae)  N[u\min(i)  Äugfusti) 
hastifcrii  (so)  sive  pastor(es)  consistentes  hastello  Mattiacorum  \d\e 
suo posue[r]tmt  Villi  hol.  Apriles^  [I]uliano  et  Cri[s]pino  co[s.].  Also 
hatte  diese  Gemeinde,  die  ihrer  Lage  nach  ebenso  darauf  angewiesen  558 
war  sich  selber  zu  vertheidigen,  wie  in  der  ersten  Kaiserzeit  die 
Helvetier,  an  der  Grenze  ihres  Gebietes  Mainz  gegenüber  ein  cas- 
tellum,  das  ihre  bewaffneten  Hirten,  dort  consistentes,  also  ständig, 
besetzt  hielten.  Es  ist  die  genaue  Parallele  zu  der  oben  angeführten 
Stelle  des  Tacitus. 


*)  [S.-Ber.  d.  Wiener  Akad.  1884,  S.  240.] 

1)  Der  24.  März  ist  der  'Bluttag'  (sanguis)  des  Göttermutter  -  Cultus  der 
späteren  Zeit  (Marquardt  Handbuch  6,  372),  und  die  Besatzung  von  Kastei  muss 
zugleich  für  diesen  damals  mit  den  Gülten  des  Mithras  und  der  Bellona  sich 
verschmelzenden  Gottesdienst  als  Körperschaft  fungirt  habeu;  denn  die  längst 
bekannte  Inschrift  dieser  hastiferi  der  Mattiaker  betrifft  die  Wiederherstellung 
des  mons  Vaticanus,  der  bekanntlich  in  den  Taurobolien  eine  Rolle  spielt  (Orelli 
2322  [CLL.  XIII,  1751  =  Dessau  4181]),  und  sie  geschieht  zu  Ehren  der  dea 
Virtus  Bellona.  Im  Kalender  des  Polemius  heisst  derselbe  Tag  der  natalis 
calices,  vielleicht  (C.  I.  L.  I  p.  390)  natalis  caligae,  der  Geburtstag  des  Soldat en- 
thuma  —  warum,  wer  weiss  es?  Immer  ist  dies  auch  ein  Bild  der  Theokrasie 
des  dritten  Jahrhunderts,  aus  der  der  neue  Glaube  erwuchs,  und  doch  auch  ein 
Stück  unserer  römisch-germanischen  Vorzeit. 


VIII. 

Die  Hastiferi  von  Castel.*) 

19  Die  vor  Kurzem  in  Castel  gefundene  im  Korrbl.  YI  (1887)  S.  180 
[CLL.  XIII,  7317  =  Dessau  7095]  abgedruckte  Inschrift: 

[I]n  h(onorem)  d(omus)  d(ivinae)  n[u]min(i)  Aug(usto)  hastiferii 
(so)    sive  pastor(es)    consistentes   hastello  Mattiacorum    \d]e   suo 
posue[r]unt  Villi    kal.  Apriles    [I]uliano    et    Cri[s]pmo    co[s.] 
(224  n.  Chr.) 
ist  nach  einer  kurzen  von  mir  ihr  gewidmeten  Erörterung  (Hermes 
22,  557  [oben  S.  155],  vgl.  Wd.  Korr.  YI,  290)  kürzhch  sehr  ausführlich 
von  Maue  (Philologus  1888  S.  487—513)  behandelt  worden.     Es  istj 
nicht   meine  Absicht,    auf  die  von   diesem    Gelehrten  vorgetragenen 
Ansichten   und  Einfälle  im   Einzelnen  einzugehen;   aber  einige    ent- 
schieden   irrige    Aufstellungen    möchte    ich    zurückweisen,    da  fdie 
Auffassung  des  wichtigen  Denkmals  dadurch  beeinträchtigt  wird. 

Yornehmlich  gilt  dies  von  dem  Begriff  des  consistere**)  Derselbe 
steht  völlig  fest.  Das  Wort,  gebildet  von  sistere,  dem  verstärkten 
Stare,  wie  dedere  das  verstärkte  dare  ist,  und  der  Präposition, 
bezeichnet,  bezogen  auf  eine  Örtlichkeit,  das  längere  Yerweilen 
einer  Mehrheit  von  Personen  oder  auch  eines  Einzelnen  neben 
mehreren  gleichgestellten  Anderen  an  diesem  Ort,  die  factische 
Dauer  des  Aufenthaltes,  wogegen  die  rechtliche  Zugehörigkeit  zu 
dem  Orte  regelmässig  durch  den  Genitiv  des  Ortsnamens  oder  durch 
das  gleichwertige  Adjectiv  ausgedrückt  wird.  Die  Gegensätzlichkeit 
dieser  Bezeichnung  zu  derjenigen  der  Gemeindeangehörigkeit  zeigtl 
sich,  wie  ich  dies  schon  früher  auseinandergesetzt  habe,***)  in  dem; 

20  technischen  Sprachgebrauch  vorzugsweise  nach  zwei  Seiten  hin:  wenri 
consistere  mit  einer  Örtlichkeit  verbunden  wird,  so  ist  diese  entwedei} 


*)  [Korrespondenzblatt  der  Westdeutschen .  Zeitschrift  für  Geschichte  ancj 
Kunst  8,  1889  Sp.  19— 28.  50-52.] 

**)  [Vgl.  Kornemann,  Pauly-Wissowa  RE.  IV,  922  ff.] 
***)  [Hermes  7  (1873),  309  ff.] 


i 


Die  Hastiferi  von  Castel.  167 

eine  solche,  auf  welche  die  Gemeindeangehörigkeit  überall  nicht 
bezogen  werden  kann,  oder  die  Personen,  um  welche  es  sich  handelt, 
werden  damit  als  nicht  gemeindeangehörig  bezeichnet. 

In  der  ersteren  Anwendung  erscheint  consistere^  wo  es  bezogen 
wird  auf  den  Versammlungsplatz,  welcher  in  der  spätem  Latinität 
danach  selbst  consistorium  genannt  wird.  Dies  findet  sich  häufig  in 
stadtrömischen  Inschriften:  fahri  qui  consistmit  in  scola^  sub  theatro 
Aug.  Pompeian(o)  (C.  VI,  9404  [Dessau  7249])  —  collegium  cocorum 
Äug.  n.  quod  consistit  in  Palatio  (C.  VI,  7458  [Dessau  1798])  — 
collegium  quod  consistit  in  praedis  Larci  Macedonis  in  curia  (C,  VI,  404 
[Dessau  3062]),  seltener  in  Inschriften  anderer  Städte,  wie  zum 
Beispiel  die  mehrfach  vorkommenden  Weinhändler  Luguduni  in 
Jcanahis  consistentes.  Rechtlich  gleichartig  tritt  es  auf  in  Beziehung 
auf  einen  vicus;  der  Gegensatz  der  rechtlichen  Gemeindezugehörigkeit 
und  der  factischen  Ortsgemeinschaft  tritt  in  besonderer  Deutlichkeit 
hervor  in  dem  colleg(ium)  centonar(iorum)  Placent(inorum)  consisten- 
t(iiim)  Clastidi  (C.  V,  7357)  und  dem  coU(egium)  n(autarum)  V(ero- 
nensium)  A(relicae)  consist(entium)  (C.  V,  4017).  Gleichartig  ferner 
ist  die  Anwendung  dieser  Bezeichnung  auf  die  von  mir  so  genannten 
Lagerstädte,  die  canahae  legioniim;  da  diesen  das  Stadtrecht  mangelt 
und  also  die  Gemeindezugehörigkeit  hier  ausgeschlossen  ist,  so  tritt 
dafür  das  Domicil  ein.  Den  seiner  Zeit  von  mir  zusammengestellten 
Belegen,  die  ich  nicht  wiederhole,  füge  ich  einen  später  gefundenen 
hinzu:  in  Durostorum  in  Niedermösien  wird  unter  Pius  dem  Jupiter 
lind  zugleich  c(ivibus)  R(onianis)  et  consistentihus  in  canabis  Aelis 
^leg(ionis)  XI  Cl(audiae)  ein  Tempel  nebst  Statuen  gewidmet^. 
1  Wo  dagegen  consistere  mit  einem  Stadtnamen  verbunden  auf- 
jtritt,  wird  es  regelmässig  auf  die  in  dieser  Stadt  nicht  verbürgerten,  2 1 
sondern  nur  in  ihr  sich  aufhaltenden  Personen  bezogen.  Beispiels- 
j»veise  finden  sich  also  Iiusg(im/enses)  et  Piusg(uniis)  consistentes 
C.  VIII,  9250  [Dessau  6879])  —  ciätores  lovis  Heliopolitani  Bery- 
\enses  qui  Puteolis  consistunt  (C.  X,  1634  [Dessau  300]),  anderswo 
C.  X,  1579  [Dessau  4291])  bezeichnet  als  corpus  Heliopolitanorum  — 
ral[at\ae  consistentes  municipio  (C.  III,  860  [Dessau  4082])  und  sonst  oft. 
)a8  Wort  wechselt  in  dieser  Verbindung  mit  negotiantes,  Igya^djusvoi, 
iQay fxaxEvofievoL  und  ähnlichen  Ausdrücken,  wie  dies  oft  genug  aus- 


1)  Nicht  in  urbe,   wie  aus  Versehen  in  meiner  Abhandlung  Hermes  7,  309 
nd  danach  bei  Maue  S.  495  gedruckt  ist. 

2)  Jirecek  in  den  Arch.  Epigr.  Mitt.  aus  Oesterreich  10  (1886)  S,  203  [C.  I.  L. 
I,  7474  =  Dessau  2475]. 


158  Die  Hastiferi  vod  Castel. 

geführt  worden  ist.  Durchgängig  pflegen  die  auswärts  thätigen 
Kaufleute  in  dieser  Weise  bezeichnet  zu  werden.  Schärfer  tritt  der 
Begriff  nirgends  hervor  als  bei  Ulpian  (Dig.  5,  1,  29,  2):  si  quo  con- 
stitit,  non  dico  iure  domicilii,  sed  tahernulam  pergulam  horreuni 
armarium  officinam  conduxit  ibique  distraxit  egit,  defendere  se  eo  loco 
debebit.  Hier  ist  ausgesprochen,  dass  vor  allem  die  am  Ort  domi- 
cilierten  Fremden  zu  den  consistentes  gehören,  ausserdem  aber  jeder 
Oeschäftsinhaber,  auch  wenn  er  an  dem  betreffenden  Ort  nicht 
wohnt,  wogegen  der  Jurist  a.  a.  0.  den  Reisenden  ausdrücklich  aus- 
schliesst.  Auch  die  Rechtsfolge  des  Consistierens  tritt  hier  deutlich 
hervor:  während  für  den  Incolat  mit  seinen  Rechten  und  Pflichten, 
namentlich  für  die  Übernahme  der  Jionores  und  der  munera  das 
Domicil  gefordert  wird,  begründet  die  als  consistere  bezeichnete 
ebenfalls  nur  faktische,  aber  schwächere  Ortsangehörigkeit  den  ört- 
lichen Gerichtsstand^.  Hinsichtlich  der  Zeitdauer  stehen  die  incolaeji 
und  die  consistentes  sich  gleich;  bleibend  sind  beide  Yerhältnissel 
gedacht,  zugleich  aber  ohne  feste  Zeitgrenze,  so  dass  die  Beendigung 
jederzeit  nach  dem  Belieben  der  Betreffenden  eintreten  kann. 

Allerdings  werden  diese  Wendungen  in  voller  Schärfe  nur  da 
22  gehandhabt,  wo  der  Gegensatz  der  rechtlichen  und  der  faktischen 
Ortsangehörigkeit  in  Betracht  kommt.  Oft  genug  wird  die  Orts- 
angehörigkeit schlechthin  bezeichnet  und  an  jenen  Gegensatz  nicht 
gedacht.  Unbedenklich  sagt  man  vicani  Minnodunenses ,  navicularii 
Arilicenses,  wo  die  Zugehörigkeit  zwar  bloss  eine  factische  ist,  aber 
als  solche  nicht  betont  wird;  ja  da  bei  dem  vicus  die  rechtliche 
überhaupt  nicht  vorkommen  kann,  ist  es  überflüssig,  falls  nicht  zu- 
gleich die  Stadtgemeinde  erwähnt  wird,  die  Zugehörigkeit  zu  quali- 
ficieren.  Mit  consistere  verhält  es  sich  anders  als  mit  dem  Adjectiv: 
wo  die  rechtliche  Zugehörigkeit  besteht,  darf  die  faktische,  die  aller- 
dings regelmässig  daneben  auch  vorhanden  ist,  in  genauer  Rede 
nicht  gesetzt  werden.  Die  Ausnahmen,  welche  Maue  geltend  macht 
und  wegen  deren  er  die  Regel  anficht,  sind  die  folgenden: 
Lyon:    corporatus   inter   utriclar(ios)   Lug(uduni)   consistentium    (so) 

Boissieu   p.  409   =   Henzen  6991    [C.  I.  L.  XIII,    1998  = 

Dessau  7035]. 

1)  Die  Stelle  ist  bei  Gelegenheit  des  sogenannten  forum  eontractus  von  derj 
Juristen  mehrfach  erörtert  worden.  Saviguy  (System  8,  221),  der  das  forum  con 
tractus  leugnet,  fasst  sie  als  freiwillige  Unterwerfung  unter  den  Gerichtsstanc 
des  Vertragsorts.  Es  würde  vielleicht  am  einfachsten  sein,  da  das  Domicil  eirj 
mehrfaches  sein  kann,  den  Geschäftsbetrieb .  als  qualificierte  und  auf  einen  be: 
stimmten  Kreis  von  Rechtshandlungen  eingeschränkte  Domicilierung  aufzufassen 


Die  Hastiferi  von  Castel.  159 

patron(tis)  eq(ues)  R(omanus)*)  IIIIII  vir(um),  utr[i]clar(iorum), 
fabror(um)  Lugud(uni)  consist(entium).     Boissieu  p.  209  = 
Henzen  7007  [C.  I.  L.  XIII,  1954  =  Dessau  7030]. 
negotiatores  vinari  Lugud(uni)  consistentes.     Boissieu  p.  390  = 
Henzen  7254  [C.  I.  L.  XIII,    1911   ==  Dessau  7033];  in  den 
anderen  Inschriften   derselben  Kaufmannschaft   steht  weiter 
in  kanabis. 
€Oii-porat(us)    inter   fahros  tign(uarios)  Lug(uduni)  consist(entes). 
Boissieu  p.  203   =  Henzen   7260   [C.  I.  L.  XIH,    1966  = 
Dessau  7028]. 
patron(us)  Cond[eat]ium  i[iem  Ä\r[ec]a[r]ior(um)  Lugu[d(uni)]  con- 
s[i]stentm{m].    Boissieu  p.  260  =  Henzen  6950  [C.  I.  L.  XHI, 
1688  =  Dessau  7021]. 
patronus   centonarior(um)   Lug(udnni)  consist(entium).     Boissieu 

p.  201   [C.  I.  L.  XIII,   1961]. 
centonario  Lug(uduni)   consisteni(i).      Boissieu    p.  197   [C.  I.  L. 

XIII,  1972]. 
dendrophori  Luguduni  consistentes.    Boissieu  p.  31  [C.  I.  L.XIII, 
1752  =  Dessau  4132]. 
Feurs  unweit  Lyon: 

fahri  tignuar(i),  qui    foro  Segus(iavorum)    consistunt.      Henzen 
5216  [CLL.  XIII,  1640]. 
Trier:  genio  aren[a]riorum  consistentium  col.  Äug.  Tre.      Brambach 

770  [C.  I.  L.  XIII,  3641  =  Dessau  7059]. 
Sigus:  cultores  qui  Sigus  consistunt  C.  VIH,  5695. 

Gesetzt,  es  verstiessen  diese  Fälle  sämmtlich  gegen   die  Regel,  23 

dass  consisfere   bei   rechtlicher   Gemeindezugehörigkeit   nicht  gesetzt 

werden  darf,  so  würde  dies  die  Regel  selbst  keineswegs  erschüttern; 

es  wäre  eben  eine  inkorrekte  Handhabung  des  Wortes  in  vereinzelten 

Fällen,  die  beinahe  ausschliesslich  nach  Lyon  gehören  und  höchstens 

leine  örtliche  Abweichung  von  der  Norm  begründen  könnten.     Aber 

jiuch    dies    kann    keineswegs     eingeräumt    werden.      Mehrere    der 

|[nschriften     können     füglich     auf     den    Yersammlungsort     bezogen 

A^erden.     Bei  der  Lyoner  Schiffergilde  lag  es  nahe  zuzusetzen,  dass 

hr  Lokal  sich  in  der  Stadt  befand;   dasselbe  lässt  sich  bei  anderen 

lieser  Collegien  annehmen.     Bei   den  Weinhändlern   daselbst  tritt, 

vie    ich    früher    schon    erinnert    habe ,    die    officielle    Bezeichnung 

'jugudmii    in   hanahis    wahrscheinlich    einmal    verkürzt    auf.      Yor 

llem  aber  legt  die  auffallende  Thatsache,    dass   diese   Ausdrucks- 

*)  [Besser  eq(uitum)  B(omanorum) ;  vgl.  C.  I.  L.  XIII,  1  p.  254.] 


■|,ßQ  Die  Hastiferi  von  Castel. 

weise  vorzugsweise  sich  in  Lyon  zeigt,  die  Vermutung  nahe,  dass  in 
diesem  grossen  Mittelpunkt,  wohin  von  allen  Seiten  her  die  Ansiedler 
zusammenströmten,  die  Collegien  grossenteils  aus  Personen  bestanden 
haben,  die  das  städtische  Bürgerrecht  nicht  besassen  und  dass  die 
fdbri,  die  Dendrophoren,  die  Centonarier,  die  eigentlich  zu  bezeichnen 
waren  als  Lugudunenses  et  Luguduni  consistentes ,  häufig  sich  allein 
der  letzteren  auf  alle  Mitglieder  passenden  Bezeichnung  bedienten. 
Wie  weit  dies  reicht,  lässt  sich  nicht  bestimmen.  Es  kann  wohl 
sein,  dass  in  einigen  jener  Fälle  die  faktische  Ortsangehörigkeit 
inkorrekt  gesetzt  ist;  aber  an  einem  sicheren  Beweis  auch  nur  eines 
einzigen  Falles  der  Art  fehlt  es. 

Also  werden  wir  fortfahren  consistere  von  demjenigen  ständigen 
Aufenthalt  zu  verstehen,  welcher,  wie  Ulpian  dies  ausspricht,  bei 
mangelnder  Gemeindeangehörigkeit  den  örtlichen  Gerichtsstand  be- 
gründet. Wenn  nach  Maue  'dem  Worte  einfach  die  allgemeine 
'Bedeutung  des  Bestehens,  Geltunghabens,  Existirens  beizulegen  ist, 
'mit  der  Nuance,  dass  dies  Bestehen  eine  rechtliche  Begründung 
24  'hat'^,  so  habe  ich  vergeblich  versucht  mit  diesen  Worten  einen 
Begriff  zu  verbinden.  Der  Gegensatz  würde  danach  sein  dasjenige, 
was  nicht  existiert  oder  was  auf  unrechtliche  Weise  existiert.  Wer 
überhaupt  einen  ßechtsbegriff  zu  fassen  fähig  ist,  wird  einräumen, 
dass  dieser  nichts  ausschliessende  Rahmen  die  Nichtigkeit  der  selt- 
samen Definition  in  naiver  Weise  zum  Ausdruck  bringt.  Man  ver- 
suche nur  die  Worte  Busgunienses  et  Musguniis  consistentes  nach 
dieser  sogenannten  Definition  zu  interpretieren  oder  den  örtlichen 
Gerichtsstand  an  solche  Philologie  anzuknüpfen. 

Eben  darum,  v,' eil  consistere  auf  die  Stadtgemeinde  als  solche 
in  korrekter  Rede  nicht  bezogen  werden  kann,  ist  es  von  hervor- 
ragender Wichtigkeit,  dass  in  der  neuen  Inschrift  von  Castel  die 
hastiferi  bezeichnet  werden  als  consistentes  kastello  Mattiacorum. 
Dass  die  Mattiaker  eine  civitas  gewesen  sind  und  Gemeindebeamte 
gehabt  haben,  ist  ausser  Zweifel;*)  heisst  doch  das  Collegium  selbst 
in  seiner  zweiten  seit  langem  bekannten  Inschrift  hastiferi  civitatis 
Mattiacorum.  Aber  die  neu  gefundene  Inschrift  macht  es  zweifel- 
haft, ob  diese  civitas  einfach  dem  castelliim  gleich  gesetzt  werden 
kann,   das   den  Gaunamen    trug.     Es  steht  damit  ganz   ebenso  wie' 

1)  Die  'rechtliche  Begründung'  schreibt   sich  davon  her,  dass  in  den  Pan- 
dekten gesagt  wird  donatio  facta  iure  consistit  u.  dgl.  m.     Natürlich  hat  dieses 
'zu  Recht  bestehen'   mit   dem   auf   eine  Örtlichkeit  bezogenen  consistere  keine  j 
engere  Gemeinschaft. 

*)  [Vgl.  C.  I.  L.  XIII,  2  p.  469.] 


I 


Die  Hastiferi  von  Castel.  161 

mit  der  oben  angeführten  Inschrift  der  fdbri  qui  foro  Segusiavorum 
consistunt.  In  beiden  Fällen  kommt  hinzu,  dass  sowohl  castellum 
wie  forum  im  Gegensatz  zu  der  Stadtgemeinde  den  des  Stadtrechts 
entbehrenden  Flecken  bezeichnen.  Allerdings  ist  dies  insofern  nicht 
schlechthin  entscheidend,  als,  wie  bei  uns  die  Benennung  Dorf  und 
Markt,  so  im  Altertum  jene  Bezeichnungen  dem  Flecken  nach  Er- 
teilung des  Stadtrechts  bleiben  können;  aber  wo,  wie  hier,  die 
mangelnde  Stadtbezeichnung  und  das  den  Mangel  der  Gemeinde- 
angehörigkeit ausdrückende  consistere  zusammentreffen,  spricht  die 
grosse  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  das  castellum  Mattiacorum 
nichts  ist  als  eine  der  Ortschaften  der  gleichnamigen  civitas.  Dass 
mehrere  ansehnliche  Ortschaften  eine  civitas  bilden,  kommt  in  Italien  25 
in  dieser  Weise  nicht  vor;  in  Gallien  ist  es  gewöhnlich  —  es  genügt 
an  die  duo  capita  der  Vocontier,  an  Autricum  (Chartres)  und  Cenabum 
(Orleans)  der  Carnuten  zu  erinnern.  Maue  freilich  meint  (S.  497), 
dass  ich  in  der  R.-G.  5,  135  irrtümlich  die  civitas  Mattiacorum  mit 
der  civitas  Taunensium  identificiert  habe,*)  'verleitet  durch  die  Inschrift 
'Brambach  1330:**)  [pro  sal]ute  C-C-M-Tj,  welche  Zeichen  jedoch 
'mit  J.  Becker  zu  lesen  sind  c(ivium)  c(ivitatum)  M(attiacorum) 
^T(au'nensimn).  Denn  nach  den  auch  sonst  in  genügender  Zahl  vor- 
'handenen  Monumenten  kann  darüber  gar  kein  Zweifel  bestehen, 
'dass  Castel  (civitas  Mattiacorum)  und  Praunheim-Heddernheim 
''(civitas  Taunensium)  zwei  von  einander  verschiedene  selbständige 
'Civitäten  waren'.  Ich  bedaure  meinem  neuen  Führer  nicht  folgen 
zu  können.  Die  örtliche  Bezeichnung  der  römischen  Niederlassung 
bei  Heddernheim  war  meines  Erachtens  Novus  vicus;**'^)  in  den  be- 
kannten daselbst  gefundenen  dem  genius  plateae  novi  vici  (C.  I.  Rh.  1444 
[CLL.  XIII,  7335  =  Dessau  7096],  1445  [C.  L  L.  XIII,  7336]) 
gesetzten  Inschriften  kann  vicus  unmöglich  eine  Strasse  sein,  da  von 
der  Hauptstrasse  —  das  ist  platea  —  einer  neuen  Strasse  nicht 
gesprochen  werden  kann.  Auch  die  Auffassung  als  Stadtviertel,  wie 
vicus  auf  den  Steinen  von  Ariminum  und  Antiochien  in  Pisidien 
auftritt  (Staatsrecht  3,  114),   hat  für   eine   nicht   allzu  bedeutende 


*)  [Gegen  diese  Identifikation  auch  A.  Hammeran,  Urgeschichte  von  Frank- 
furt a.  M.  und  der  Taunus -Gegend,  Frankf.  a.  M.  1882,  S.  14  und  A.  Riese, 
Mitth.  über  röm.  Funde  in  Heddernheim  II  (1898)  S.  5.  Vgl.  auch  C.  I.  L.  XIII,  2 
p.  425  f.] 

♦*)  [C.  I.  L.  XIII,  7301,  wo  Zangemeister  liest  [vican{\  vä(eres)  c(onsistentes) 
C(astelli)  M(attiacorum).] 

***)  [Dagegen  Hammeran  a.  a.  0.  S.  16    and  Riese,  Westd.  Korrbl.  22  (1903) 
S.  150  ff. ;  nach  letzterem  war  sie  Nida.] 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  11 


-|^ß2  I^iö  Hastiferi  von  Castel. 

Siedelung  keine  Wahrscheinlichkeit.  Aber  mag  diese  Auslegung 
der  Inschriften  richtig  sein  oder  nicht,  für  die  hier  in  Rede  stehende 
Frage  kommt  darauf  nichts  an.  Die  Bezeichnung  civitas  kommt  dem 
Gau  zu  und  kann  auf  eine  einzelne  Ortschaft  desselben  nur  in  der 
Weise  übertragen  worden  sein,  wie  zum  Beispiel  Durocortorum  in 
späterer  Zeit  meist  civitas  Remorum  genannt  wird.*)  Wäre  es  erwiesen, 
was  keineswegs  erwiesen  ist,  dass  diese  Übertragung  bei  Heddem- 
heim  eingetreten  ist,  so  würde  daraus  noch  keineswegs  folgen,  dass 
das  castellum  Mattiacorum  nicht  eine  zweite  Ortschaft  desselben 
Gaues  gewesen  ist.  Auch  die  von  J.  Becker  vorgeschlagene  Inter- 
pretation jener  Inschrift  wird  dadurch  nicht  probabler,  dass  sie 
26  wiederholt  wird.  Dedicationen  dieser  Art  für  das  Wohlergehen 
zweier  Ortschaften  sind  mir  nicht  erinnerlich.  Das  einfache  C  • 
kann  in  dieser  Epoche  nicht  füglich  den  Plural  anzeigen,  und  das 
Fehlen  der  Copula  ist  noch  weniger  gerechtfertigt.  Die  Doppel- 
bezeichnung civitas  Mattiacorum  Taunensium  befreit  aus  vieler 
Nöten.  Ich  möchte  nicht  über  diese  schwierigen  Fragen  mit  dei 
jenigen  Zuversichtlichkeit  absprechen,  wie  sie  jüngeren  Forschern 
vielleicht  wohl  ansteht;  aber  so  gewiss  die  Ortschaften  Castel  und 
Heddernheim  verschieden  waren,  so  wenig  ausgemacht  ist  es,  dass 
sie  zu  verschiedenen  civitates  gehört  hatten. 

Über  das  Wesen  der  hastiferi  selbst  habe  ich  im  Hermes  (vgl. 
Wd.  Korr.  YI  S.  290)  daraufhingewiesen,  dass,  da  der  Altar  am 
24.  März,  dem  Bluttag,  dem  Hauptfesttag  der  grossen  Mutter  gesetzt 
ist,  ihre  Beziehung  auf  diesen  Cult  und  damit  ihre  Gleichung  mit 
den  Dendrophoren  ausser  Zweifel  ist.  Maues  Hypothese,  dass  die 
dendrophori  eigentlich  Holzhändler  gewesen  und  als  solche  zu  einem 
sacralen  Collegium  umgebildet  wurden,  bedarf  schon  an  sich  einer 
Widerlegung  nicht.  Diese  Ausdehnung  des  Holzhandels  im  römischen 
Reich  ist  sachlich  ebenso  wunderlich,  wie  sprachlich  die  Bezeichnung 
des  Holzhändlers  als  eines  Baumträgers.  Indem  die  neugefundene 
Inschrift  die  hastiferi  deutlich  den  dendrophori  gleicht  und  zugleich 
jene  als  2^(^sfores  bezeichnet,  sollte  man  meinen,  dass  sie  der  Holz- 
händler-Phantasie ein  Ende  machen  würde;  in  welchem  Grade 
Maue  sich  dieser  Evidenz  verschliesst  und  die  Identität  der  Hastiferi 
mit  den  Dendrophoren  auch  jetzt  noch  in  Abrede  stellt  (S.  491.  511). 
ja  sogar  durch  diese  Inschrift  jenen  unglücklichen  Einfall  bestätigt 
findet,  mag  man  bei  ihm  selber  nachlesen,  si  tantisf.  Dass  derselbe 
den  Hastiferi  den  Charakter  als  Lokalmiliz  abspricht,  lässt  sich  ver- 


")  [Vgl.  Hirschfeld,  S.-Ber.  d.  Berl.  Akad.  1907,  S.  194  ff.] 


Die  Hastiferi  von  Castel.  163 

teidigen.  Es  spricht  dafür  die  Benennung,  die  doch  wohl  nicht 
ohne  Ursache  in  dieser  Weise  latinisiert  ist,  der  Fundort  mit  seiner 
militärischen  Wichtigkeit  und  vor  allem  die  Bezeichnung  dieses 
Dendrophorencollegiums  zugleich  als  einer  Genossenschaft  von  Hirten, 
das  heisst,  wie  Maue  selbst  weitläufig  entwickelt,  von  Bewaffneten. 
Dies  passt  so  wenig  zu  dem,  was  wir  von  den  Dendrophoren  wissen,  27 
dass  man  eine  Erklärung  dafür  sucht,  und  diese  ist  gefunden,  wenn 
das  Dendrophorencollegium  in  den  Grenzstädten  bei  dem  Sicherheits- 
dienst verwandt  ward.  Aber  diese  Indicien  können  allerdings  alle 
trügen.  Nach  Maues  Ansicht  wird  meine  Bemerkung  schon  dadurch 
hinfällig,  dass  ich  selbst  den  sacralen  Charakter  des  Collegiums 
anerkannt  habe.  'Eine  militärische  Aufgabe,  wie  sie  diese  sacrale 
'Körperschaft  gehabt  haben  soll,  ist  eben  in  dem  ganzen  Vereins- 
'wesen  unerhört'.  Aber  es  ist  andererseits  wohl  bekannt,  dass  das 
Vereinswesen  der  Kaiserzeit  wesentlich  zu  praktischen  Zwecken 
benutzt  ward.  Die  Collegien  der  fdbri  und  der  centonarii  haben  als 
Feuerwehr  gedient;  das  der  fahri  von  Ostia  ist  geradezu  als  numerus 
caligatorum  militärisch  organisiert  worden.  Über  das  provinziale 
Vereinswesen  wissen  wir  ungefähr  ebenso  viel  wie  über  den  städtischen 
Sicherheitsdienst;  zu  versichern,  dass  jenes  mit  diesem  sich  nicht 
habe  berühren  können,  zeugt  mehr  von  Zuversicht  als  von  Einsicht, 

Die  abermalige  Beschäftigung  mit  den  beiden  Steinen  der  hasti- 
feri hat  mir  die  Vermutung  nahe  gelegt,  ob  nicht  noch  ein  dritter 
derselben  Körperschaft  gehören  möchte;  ich  meine  den  zu  Oberolm 
bei  Mainz  gefundenen,  in  Beckers  Katalog  des  Mainzer  Museums  als 
Nr.  267  aufgeführten.*)  Ich  bat  also  meinen  Freund  Zangemeister 
um  seine  Abschrift  der  zum  Teil  zerstörten  Inschrift,  welche  ich  hier 
mitteilen  darf: 

VIUMn/oi/////L 

RISCASTLIIMAT 
TIACORVM  •  AVR 
CANDiDVS- CORNI 
5CVLARIVS  MAI/IC 
RVMGORIIIANO"/ 
>LLEC-VS  iNT-//// 

Die  Schwierigkeiten,  welche  der  Stein  bietet,  vermag  ich  nicht  28 
zu  lösen.     Hinter  cornicularius  muss   eine  Militärabteilung  genannt 
gewesen  sein;  aber  die  Benennung  ist  nicht  zu  enträtseln  —  Mattia- 
corum  Gordianorum  passt  weder  recht   zu  den  Spuren  noch    ist   es 


'')  [C,  I,  L.  XIII,  7250  =  Dessau  7094,] 


\  g4  Die  Hastiferi  von  Castel. 

sachlich  ohne  Anstoss.  Auch  die  Beziehung  des  allectus  inter  .  .  . 
zu  einem  activen  Soldaten  ist  befremdlich.  Dagegen  scheint  zu 
Anfang  gestanden  zu  haben  vicanis  'h[astif]e\ris  castelU  Mattiacorum; 
unabhängig  von  einander  sind  Zangemeister  sowohl  wie  ich  auf 
diese  Lesung  geführt  worden.  Die  Spuren  und  die  Raumverhält- 
nisse stimmen  genau,  nur  dass  freilich,  wenn  man  die  möglichen 
Ligaturen  in  Rechnung  zieht,  auch  vicanis  et  hastiferis  gelesen  werden 
kann,  was  Zangemeister,  vielleicht  mit  Recht,  vorzieht.*)  Wichtig 
aber  ist  es  und  meines  Erachtens  zweifellos,  dass  hier  dem  casfellum 
Mattiacorum  ausdrücklich  vicani  beigelegt  werden,  also,  wie  es  oben 
ausgeführt  ist,  diese  Ortschaft  nicht  mehr  war  als  ein  Flecken. 

50  Die  Lesung  cornicularius  Mattiacorum  Gordianorum  darf  sowohl 
nach  Kellers  Autopsie  wie  auch  nach  Einsicht  des  mir  von  Hm. 
Lindenschmit  freundlichst  übersandten  Abklatsches  als  wahrscheinlich 
gelten,  wenngleich  der  Zweifel  bestehen  bleibt,  ob  der  Steinmetz 
nicht  am  Schluss  der  fünften  Zeile  einen  oder  zwei  Buchstaben  aus- 
gelassen hat.  Ist  die  Lesung  wenigstens  annähernd  richtig,  so  i%\ 
dieser  einer  der  singulärsten  unter  den  römischen  Soldatensteinei 
der  freilich,  vereinzelt  wie  er  bis  jetzt  steht,  recht  sichere  Ergebnisse 
nicht  liefern  kann.  Wir  kennen  eine  zweite  Gehörte  der  Mattiakei 
durch  zwei  Militärdiplome  der  Provinz  Niedermoesien  aus  dem  J.  99 
(Arch.  epigr.  Mitt.  aus  Oesterreich  11,  25  [C.  I.  L.  III  p.  1971  = 
Dessau  2000])  und   134   (C.  I.  L.  III  p.  877  vgl.  Eph.   ep.  II  p.  453 

51  [C.  I.  L.  III  p.  1979]);**)  von  der  ersten  Gehörte  haben  sich  bis  jetzt 
meines  Wissens  keine  Denkmäler  gefunden.  Aber  schwerlich  ist 
eine  von  ihnen  in  der  Mainzer  Inschrift  gemeint;  die  Weglassung 
der  Gohortenbezeichnung  ist,  man  darf  wohl  sagen,  unerhört,  und  auch 
davon  abgesehen,  kann  man  eine  Mattiakercohorte  eher  an  jedem 
anderen  Orte  erwarten,  als  im  Mattiakergau  selbst.  Eher  wird  an 
einen  numerus  zu  denken  sein  von  der  im  Hermes  19,  219  [oben 
S.  103]  von  mir  erörterten  Kategorie.  Allerdings  ist  auch  bei  einer 
solchen  Truppe  die  nackte  Nennung  des  Ethnikon  auffallend,  aber 
doch  nicht  ohne  annähernd  ähnliche  Beispiele***)  und  die  Bezeichnung 
nach  dem  Standort  hier  in  der  Ordnung  (a.  a.  O.  S.  225  [oben  S.  109]), 
mag  dieser  nun  zugleich  der  Heimatort  der  Truppe  gewesen  sein  oder 


*)  [Jetzt  Zangemeister  im  C.  I.  L.  a.  a.  0,  'mcan[or(um)  vid  vete]ris.] 
**)  [Als  drittes  kommt  hinzu  D.  CVIII,  C.  I.  L.  III  p.  2328"  vom  J.  138.] 
***)  ['Ganz  analog  sind   der  cornuelarius  Britonum  CLL.  XIII,  6622,  der 
se{s)q(ui)pliearius  Osdro[en]oru[m]  C.  I.  L.  VIII,  9829  und  der  splarator  Bataorum 
ebd.  21668'  BANG.] 


I 


Die  Hastiferi  von  Castel.  165 

nicht.  Dass  eine  solche  Truppe  einen  cornicularius  hat,  ist  wiederum 
ohne  Beispiel,*)  aber  insofern  nicht  befremdend,  als  schon  die  corni- 
cularii  der  Gehörten,  vermutlich  nicht  so  sehr  wegen  ihrer  geringen 
Zahl,  als  wegen  der  Geringfügigkeit  dieser  Stellung,  sehr  rar  sind 
(Cauer  eph.  epigr.  4,  417  n.  76.  77)  und  die  der  numeri  im  Rang 
noch  tiefer  gestanden  haben  müssen.  Vor  allem  auffallend  aber  ist 
die  enge  Beziehung  dieses  militärischen  Subalternen  zu  der  Ein- 
wohnerschaft des  Standorts  seiner  Truppe,  welche  sowohl  in  der 
Dedication  an  die  vicani  hervortritt  wi«  auch  in  der  Allection  in 
irgend  welche  Körperschaft;  denn  die  Allection  ist  eine  bürgerliche 
Institution  und  fordert  eine  derartige  Beziehung.  Bei  abermaliger 
Betrachtung  des  Abklatsches  haben  sowohl  Zangemeister  wie  ich 
uns  überzeugt,  dass  hinter  inter  ein  schmaler  Buchstabe,  dem  Raum 
nach  wahrscheinlich  ein  I,  und  dann  ein  P  gestanden  hat;  ich  ver- 
mute, dass  zu  lesen  ist  allectus  inter  [i]p[sos\.  Dann  haben  die 
vicani  hastiferi  diesen  Soldaten  in  ihre  Gemeinschaft  aufgenommen. 
Dies  ist  allerdings  gegen  alle  Regel;  die  einzige  ähnliche  Anomalie 
ist  der  in  Carnuntum  als  [m]agister  col(legii)  vet[er]anoru(m)  cento- 
narioru(m)  neben  einem  Civilbeamten  fungierende  Legionär  C.  I.  L. 
ni,  4496*  [Dessau  7245].**)  In  unserem  Fall  könnte  die  Aufnahme 
des  zur  Garnison  gehörigen  Subalternoffiziers  unter  die  vielleicht  die 
Localmiliz  repräsentierenden  vicani  hastiferi  mit  der  besonderen  Be- 
schaffenheit sowohl  der  Truppe  wie  des  CoUegiums  in  Verbindung  52 
stehen.  Unsichere  Vermutung  bleibt  dies  allerdings;  wie  denn  die 
Beziehungen  zwischen  den  römischen  Besatzungen  und  den  dazu 
gehörigen  bürgerlichen  Ansiedelungen  noch  vielfacher  Aufklärung 
harren.  Eigentlichen  Aufschluss  können  nur  weitere  Entdeckungen 
geben. 

Es  wurde  oben  S.  162  gesagt,  dass  die  Umnennung  der  dendro- 
phori  in  hastiferi  wohl  nicht  ohne  Grund  erfolgt  ist.  Dies  würde 
sich  bestätigen,  wenn  es  sicher  stände,  dass  in  Vienne  dendrophori 
und  hastiferi  neben  einander  bestanden  haben.  Indes  aus  den  beiden 
Inschriften  eines  dendrophorus  niunificus  (C.  I.  L.  XII,  1917)  und 
eines  magist(er)  (h)astiferor(um)  (das.  1814)  kann  dies  nicht  gefolgert 
werden,  da  dieselbe  Genossenschaft  füglich  sich  mit  beiden  Namen 
genannt  haben  kann. 


♦)  [Andere  Beispiele  C.  I.  L.  XIII,  6622.  7751.] 

*)  [Der  Legionär  ist  zu  streichen ;  s.  add.  n.  11097.] 


IX. 

Die  Walldürner  Inschrift,*) 

[C.  I.  L.  XIII,  6592] 


660 


DEJE-FORTVNAe 
SANCT^.BAkVm 
VSrVSTA-E-CONLAr 
SVM.EXPL.STVV/// 
T.BRIT■GE^TILES-. 
OFFICIAES-BRI'E 
DE  DTIC-ALEXAN 
DR  I  ANOrVm'-DE 


SVO-RESTT'\eR-G 

ra-ageke-t-fl-ro 
mno-3-J!":g-xxiippi* 

b-AVG.LVPO.STMXfe 


cos 


vielleicht  unter  allen  rheinischen  Soldateninschriften  die  eigen- 
artigste, kann  nicht  erläutert  werden  ohne  Feststellung  der  mili- 
tärischen Bedeutung  der  gentües  und  der  dediiicii,  die  beide  darin 
erscheinen. 

In  der  Rechtssprache  insbesondere  der  späteren  römischen 
Kaiserzeit  bezeichnet  gens  die  ausländische,  dem  Reich  nicht  unter- 
worfene Völkerschaft,  genfilis  den  Angehörigen  einer  solchen.  Dafür 
bedarf  es  keiner  Belege;  erinnert  mag  werden  an  die  Verordnung 
von  364  betreffend  die  legati  gentiliiim  (C.  Th.  12,  12,  5)  und  an  die 
interprefes  diversarum  (oder  omnium)  gentium,  welche  der  römische 
Staatskalender  aus  den  ersten  Jahren  des  5.  Jahrh,  (not.  dign.  Or. 
1 1,  52,  Occ.  9,  46)  unter  den  Officialen  der  kaiserlichen  Hofhaltungen 
anführt. 


*)  [Limesblatt  1897  nr.  24  S.  660-667.]. 


Die  Walldürner  Inschrift.  167 

Dem  entsprechend  sind  in  den  militärischen  Ordnungen  gentiles 
die  im  römischen  Heere  dienenden  Ausländer.  Auch  dafür  bedarf  661 
es  der  Belege  nicht;  es  reicht  aus  wiederum  auf  die  in  demselben 
Staatskalender  genannten  derartigen  Kapitulanten  hinzuweisen,  welche 
bald  bezeichnet  werden  als  gentiles  schlechtweg,  bald  als  Sarmatae 
gentiles  oder  mit  analoger  Heimatbezeichnung. 

Es  kommen  aber  auch  gentes  vor,  welche  als  solche  dem  Reich 
inkorporiert  sind.  In  meiner  Abhandlung  über  das  Militärwesen  seit 
Diocletian  (Hermes  Bd.  24  J.  1889  S.  250)  sind  diese  Stämme  in 
ihrer  militärischen  Verwendung  erörtert  worden.  Vorzugsweise  er- 
scheinen sie  in  Africa.*)  Einen  praefecttis  gentis  3Iusulamiorum 
nennt  eine  africanische  Inschrift  aus  traianischer  Zeit  (C.  VIII,  5351 
[=  Dessau  1435]);  Florus  Lahaeonis  fil.  princeps  et  undecimprimus 
gentis  Saboiduni  erscheint  in  einer  anderen  aus  severischer  (C.  VIII, 
7041  cf.  19423  [=  Dessau  6857]).  Jünger  ist  eine  dritte  africanische 
Inschrift,  die  die  res  publica  einer  solchen  gens  nennt  (C.  VIII, 
10335  [=  Dessau  5862]);  einer  anderen  gens  werden  die  fines 
adsigniert  (C.  VIII,  8813.  8814  [=  Dessau  5960]). 

Aber    auch   ausserhalb    Africas  begegnen   gleichartige    Gemein- 
schaften. 
gens   Marconianorum   in    der  Not.  Occ.  34,   24    als    Militärtruppe 

unter  einem  Tribunus. 
gens  per  Baetias  deputata  das.  35,  31  auch  als  Truppenkörper  unter 

einem  Tribunus. 
gentes  an  der  armenischen  Grenze  fordert  der  justinianische  magister 

militum  per  Armeniam  et  Pontum  Polemoniacum  et  gentes  (Cod. 

lust.  1,  29,  5),  wo   der  Gegensatz  zu   den    Provinzialen    scharf 

hervortritt. 
Für   die  Anlage    und  die  Instandhaltung   der  Grenzbefestigungen 

{propter  ciiram  nnmitionemque  limitis  atque  fossati)  sind  nach  der 

Verordnung  von  409  (C.  Th.  7,  15,  1)  von  den  früheren  Regierungen 

den   gentiles  Ländereien   [terrarum   spatia)  angewiesen  worden; 

was  im  Allgemeinen  auch  hierher  gehört. 

Diese  innerhalb  der  römischen  Grenzen  angesiedelten  aus- 
ländischen Stämme  sind  hybride  Bildungen,  zugleich  Ausländer  und 
ünterthanen,  zunächst,  wie  man  sieht,  unter  römische  Offiziere 
gestellt  und  nicht  zu  der  römisch -städtischen  Gemeindeordnung  zu-  662 
gelassen,  im  Verlauf  der  Zeit  wohl  grossenteils_in  römische  Gemeinden 
umgewandelt. 

*)  [Vgl.  Cagiiat,  L'arm^e  Rom.  d'Afrique  S.  327f. ;  Stappers,  Les  milices 
locales  de  l'empire  Rom.  in  Musee  Beige  1903,  S.  201  fF.] 


jßg  Die  Walldürner  Inschrift. 

Die  rechtliche  Stellung  dieser  Gentilen,  sowohl  der  für  ihre 
Person  in  das  römische  Heer  eintretenden  wie  der  Gentilenstämme 
ist  eine  anomale.  Selbstverständlich  sind  jene  wie  diese  den  römi- 
schen Gerichten  unterworfen,  aber  ihnen  fehlt  das  —  vom  römischen 
Bürgerrecht  wohl  zu  unterscheidende  —  römische  Personalrecht.  — 
Der  Yater,  welcher  sein  Kind  verkauft,  kann  es  durch  Lösung  jederzeit 
wiedergewinnen ;  aber  für  den  Ausländer  gilt  dies  nicht,  denn  dessen 
Vaterrecht  ist  für  Rom  nicht  vorhanden:  nulluni,  sagt  Constantin 
(fr.  Tat.  34),  ex  gentilibus  liberum  (=  filium)  approhari  licet.  —  Ein 
solcher  Ausländer  kann  keine  Ehe  mit  einer  Römerin  eingehen ;  die 
Verordnung  von  365  [370?  373?]  (C.  Th.  3,  14,  1)  spricht  nur  aus,  was 
immer  Rechtens  war.  Eine  merkwürdige  Ausnahme  zu  Gunsten  des 
Generals  Fravitta  unter  Theodosius  I  berichtet  Eunapius  (p.  41 
Müller).  —  Charakteristisch  ist  vor  allem  die  im  J.  405  dem 
Proconsul  von  Africa  erteilte  Anweisung  (C.  Th.  11,  30,  62),  wenn  a 
gentilibus  vel  a  praefectis  eorum  gegen  ein  gerichtliches  Erkenntnis 
Appellation  eingelegt  wird,  dieser  nicht,  wie  dies  sonst  Rechtens  ist, 
ohne  weiteres,  sondern  nur  insoweit  es  angemessen  scheint,  statt- 
zugeben. 

Die  dediticii  sind  die  des  örtlichen  Bürgerrechts  entbehrenden 
Reichsangehörigen,  wie  sie  hervorgehen  teils  unter  gewissen  er- 
schwerenden Umständen  aus  der  Freilassung  des  Sklaven,  teils  und 
vorzugsweise,  woher  auch  die  Benennung  rührt,  aus  der  Auflösung 
eines  bis  dahin  den  Römern  verbündeten  oder  unterthänigen  Gemein- 
wesens, wie  denn  beispielsweise  die  Juden  des  römischen  Reiches  nach 
der  Auflösung  der  jüdischen  Nation  durch  Vespasian  in  diese  Kategorie 
gehören  (röm.  Staatsrecht  3,  138;  Sybels  histor.  Zeitschrift  64,  423 
[Ges.  Sehr.  3,  418]).  Die  5500  Reiter  aus  den  von  den  Jazygen  laut  des 
Friedensvertrags  gelieferten  Mannschaften,  welche  von  Kaiser  Marcus 
nach  Britannien  gesandt  wurden  (Dio  71,  16),  sind  solche  dediticii 
und,  wie  ich  im  Hermes  (19,  227  [oben  S.  111])  bemerkt  habe, 
663  wahrscheinlich  die  equites  Sarmatae  der  in  der  Notitia  verzeichneten 
britannischen  Besatzung.  —  In  den  Militärinschriften  erscheinen  die 
dediticii  hier  zum  ersten  Mal,  aber  in  militärischer  Verwendung  finden 
wir  sie  auch  sonst  genannt.  Julian  (bei  Ammian  20,  8,  13)  erbietet 
sich  dem  Kaiser  Constantius  für  die  gegen  die  Perser  im  Kampf 
stehenden  Truppen  zu  senden  entweder  Mannschaften  aus  den  dies- 
seit  des  Rheines  angesiedelten  Germanen  —  laetos  quosdam  eis 
Rhenum  editam  barbarorum  progeniem  —  oder  doch  ausländische 
Überläufer  —  vel  certe  ex  dediticiis  qui  ad  nostra  desciscunt.  Weiter 
ruft  Kaiser  Honorius  in  der  am  17.  Apr.  406  erlassenen  Verordnung 


f 


Die  Walldürner  Inschrift.  169 

(C.  Th.  7,  13,  16)  gegen  die  drohenden  Angriffe  der  Barbaren  die 
kriegstüchtigen  Sklaven  überhaupt  unter  die  Waffen  und  verspricht 
ihnen  Handgeld,  vorzugsweise  aber  die  Sklaven  der  Soldaten,  auch 
der  fremden  Geworbenen  und  der  übergetretenen  Leute,  weil  diese 
schon  kriegsgewohnt  sind:  praecijme  sane  eorum  servos,  quos  militia 
armata  detentat,  foederatorum  nihilo  minus  et  dediticiorum,  quoniam 
ipsos  quoque  una  cum  dominis  constat  hella  tractare.  Diese  Verord- 
nung bezieht  sich,  wie  dies  jetzt  feststeht,  zunächst  auf  Gallien,  auf 
den  damals  drohenden  Einbruch  der  Yandalen  und  Alanen,  die  am 
letzten  Tage  dieses  Jahres  in  der  That  den  Rhein  überschritten. 
Die  dediticii  dieser  Verordnung  können,  wie  die  ammianischen,  Über- 
läufer sein;  aber  der  Begriff  passt  ebenso,  wie  bemerkt,  auf  über- 
gesiedelte Mannschaften  gleich  jenen  Jazygen,  und  da  die  Hervor- 
hebung einzelner  übergetretener  Leute  weder  für  die  Inschrift  noch 
für  die  Verordnung  recht  sich  eignet,  so  ist  es  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  ähnliche  Übersiedelungen  auch  in  der  Rheingegend  stattgefunden 
haben  und  dass  diese  in  dem  Erlass  des  Honorius  gemeint  sind,, 
während  die  dediticii  unserer  Inschrift  britannische  Mannschaften 
sein  werden. 

Der  Truppenkörper,  welcher  den  Stein  gesetzt  hat,  ist  bezeichnet 
expl(oratores)  Stu  .  ...  et  Brit(ones)  gentiles  officiales  Bri(tonum)  et 
deditic(iorum)  Älexandrianorum.  Die  Auflösung  exploratores  statt 
des  auch  vorkommenden  exploratio  (Korrbl.  1889  S.  46)  ist  hier 
geboten  durch  die  folgenden  analogen  Formen.  Die  Form  Brittones  664 
oder  allenfalls  auch  Britones  herrscht  auf  den  Steinen  so  überwiegend 
vor,  dass  an  Britanni  nicht  gedacht  werden  darf.  Ob  hinter  gentiles, 
wo  der  Stein  ausgebrochen  ist,  et  gestanden  hat  oder  nicht,  haben 
meine  Freunde,  die  den  Stein  gesehen  haben,  nicht  mit  Sicherheit 
entscheiden  könnend 

1  Die  Haupttruppe  also,  welcher  die  officiales  beigegeben  sind 
und  welche  den  Kaiserbeinamen  führt,  sind  die  Brittones  et  dediticii 
Älexandriani,  also  eine  Abteilung,  vermutlich  nur  ein  Numerus,  der 
britannischen  Auxilien  nebst  den  zugehörigen  dediticii.  Dass  diese, 
als  ausserhalb  der  römischen  Gemeindeverbände  stehende  Mann- 
pchaften,  von  den  Provinzialen  gesondert  werden,  erklärt  sich  aus 
jdem  Gesagten,  mag  man  nun  darunter  Überläufer  verstehen  oder, 
Was  ich  für  wahrscheinlich  halte,  angesiedelte  Auswärtige. 


1)  Zangemeister  schreibt  mir:  'Die  Vertiefung  am  unteren  Ende  der  aus- 
jjebrochenen  Stelle  sieht  in  der  That -wie  der  Rest  eines  Horizontalstriches  aus, 
könnte  aber  zufällig  sein.    Der  Raum  gestattet  kein  "E,  aber  ein  ST'. 


IJO  Die  Walldüruer  Inschrift. 

Als  dieser  Truppe  zugehörig  erscheinen  zwei  Abteilungen,  zunächst 
die  exploratores  Stu  .  .  .,  seien  diese  nun  aus  jenen  Brittonen  hervor- 
gegangen oder  ihnen  beigegeben  und  mit  ihnen  militärisch  kombi- 
niert. Wir  kennen  zahlreiche  ähnliche  Kundschaftertrupps  und  die 
früher  (Hermes  19,  225  [oben  S.  109])  von  mir  aufgestellte,  auch 
von  Domaszewski  (Korrbl.  1889  S.  49)  gebilligte  Vermutung,  dass 
dieselben  ihren  Beinamen  vom  Standort  entnehmen,  kann  auch  bei 
dem  Walldürner  Stein  zutreffen.  Zu  bedauern  bleibt  es  freilich, 
dass,  wenn  die  Gemeinde  Walldürn  in  Zukunft  sich  klassisch 
benennen  will,  sie  über  die  drei  ersten  Buchstaben  nicht  hinaus- 
kommt. 

Die  zweite  Abteilung  sind  die  Brittones  gentiles  officiales,  voraus- 
gesetzt, dass  der  Stein  so  gelautet  hat;  sollte  nach  gentiles  die  Copula 
gestanden  haben,  so  sind  den  Exploratoren  teils  Brittones  gentiles, 
teils  officiales  beigegeben  worden,  was,  wer  die  Lücken  unseres 
Wissens  einigermassen  ahnt,  sich  hüten  wird  als  unmöglich  zu  be- 
665  zeichnen,  aber  doch  seltsam  nennen  darf;  Aufführung  der  Soldaten 
und  der  Soldatendiener  neben  einander  lässt  sich  verstehen,  aber 
eine  zwischen  beide  eingeschobene  Kategorie  befremdet.  Im  übrigen 
ist  die  Erklärung  der  Brittones  gentiles  vorher  gegeben.  Der  Beisatz, 
der  sonst  bei  den  Brittonen  nie  und  auch  nachher  auf  unserer  Inschrift 
nicht  erscheint,  ist  ohne  Zweifel  distinctiv.  Die  in  Britannien  aus- 
gehobenen  Marinschaften  werden  nicht  nach  den  Districten  geschieden, 
sondern  gehen  in  der  Truppenbenennung  sämtlich  auf  den  Namen 
der  Provinz:  die  Brittones  der  Haupttruppe  sind  selbstverständlich 
brittische  Provinzialen.*)  Diesen  stehen  die  Brittones  gentiles  gegen- 
über, britannische  Ausländer,  übergetretene  Leute  aus  dem  freien 
Britannien.  Dass  diese  im  dritten  Jahrhundert,  bevor  der  römische 
Militärstaat  vor  der  barbarischen  Soldateska  kapituliert  hatte,  dem 
Provinzialmilitär  gegenüber  eine  dienende  Stellung  einnehmen,  ist 
in  der  Ordnung.  Standen  neben  diesen  noch  Officialen,  so  müssen  j 
damit,  wie  dies  Wort  eigentlich  es  fordert,  römische  Offiziersdiener  1 
gemeint  sein,  die  freilich  im  Walldürner  Castell  eine  seltsame  Figur  i 
spielen.**) 

Die  Walldürner  Inschrift  zeigt  uns  also  neben  den  eigentlichen 
römischen  Soldaten  des  3.  Jahrhunderts  Ausländer  in  untergeordneter 

*)  [Anders  Fabricius,   Die  Entstehung  der  röm.  Limesanlagen  in  Deutsch- 
land, Trier  1902,  S.  12.] 

**)  [Nach  Domaszewski,  Die  Rangordnung  des  röm.  Heeres  (Bonn.  Jahrb.  117)  i 
1908)  S.  5,  61  sind  es  vielmehr  die  dem  Praepositus  des  Numerus  zugeteilten! 
Chargen  (cornicularius,  actarins,  Ubrariiis).] 


Die  Walldürn  er  Inschrift.  171 

militärischer  Stellung,  nicht  die  angesehenen  Geworbenen  der  späteren 
Epoche,  sondern  übergetretene  oder  übersiedelte  Barbaren.  Viel- 
leicht führt  dies  noch  weiter.  Die  veredarii  n(umeri)  N  .  .  .  .  der 
kürzlich  auf  der  Capersburg  von  Jacobi  gefundenen  Inschrift  (archäol. 
Anzeiger  1896  S.  195;  auch  von  Zangemeister  gesehen  [C.  I.  L. 
XIII,  7439])  dürften  zu  ihrem  numerus  in  einem  ähnlichen  unter- 
geordneten Verhältnis  gestanden  haben  wie  unsere  Brittones  gentiles 
zu  den  Brittones  et  dediticii  Älexandriani.  "Weiter  haben  vor  einigen, 
Jahren  sich  in  England  am  Wall  zwei  Altäre  gefunden  (Eph.  epigr. 
VII,  1040.  1041  [=  Dessau  4760.  4761J),  den  heimischen  Göttern  er- 
richtet von  den  Ger(mani)  cives  Tuihanti  cimei  Frisiorum  ver.  ser. 
Älexandriani  [oben  S.  115  f.],  also  der  Walldürner  Inschrift  gleichzeitig. 
Au  diese  erinnerte  in  Veranlassung  unseres  Fundes  Zangemeister; 
'sollten  nicht',  meinte  er,  wenn  die  Officialen  unfreie  Leute  sind,  die 
beiden  bisher  nicht  erklärten  Worte  aufzulösen  sein  ver(edarii)  ser(vi)V  666 
Das  ist  verwegen,  aber  vielleicht  dennoch  richtig;  es  ist  gar  nicht 
unmöglich,  dass  dieselben  Mannschaften  sich  germanische  cives  und 
römische  servi  nennen.  Eben  eine  solche  Doppelstellung  wird  für  dies 
Verhältnis  gefordert.  Der  cimeus  Frisiorum  entspricht  den  Brittones 
et  dediticii  des  Walldürner  Steines;  und  dessen  Officialen  sind  sicher 
nicht  Schreiber  und  Gerichtsdiener  gewesen,  können  aber  wohl  als 
Stallknechte  bei  den  Exploratoren  gedient  haben  wie  die  Tuihanter 
bei  dem  Cuneus  der  Friesen.  —  Die  Klasse  der  laeti,  welche  in  der 
Folgezeit  eine  wichtige  Rolle  spielt,  hat  sich  wahrscheinlich  überhaupt 
in  einem  derartigen  Verhältnis  nationaler  Geschlossenheit,  militärischer 
Verwendung  und  halbfreier  Unterwürfigkeit  befunden,  indem  diese 
Sueben,  Franken,  Sarmaten  teils  im  römischen  Heere  dienen,  teils 
für  die  gallischen  Provinzialen  das  Feld  bestellen  und  ihnen  zinsen. 
Was  ich  über  diese  hybriden  Zustände  anderswo  (Hermes  24,  251) 
iauseinandergesetzt  habe,  wiederhole  ich  nicht;  es  genügt  schliesslich 
{daran  zu  erinnern,  dass  auch  die  mit  ihren  Herren  fechtenden  Sklaven, 
Iwelche  Honorius  gegen  den  drohenden  Einfall  der  überrheinischen 
jGermanen  zum  Eintritt  in  die  Truppe  auffordert,  mit  diesen  Verhält- 
nissen in  Verbindung  gebracht  werden  können,  obwohl  die  Ver- 
wendung der  Unfreien  im  römischen  Heerdienst  eine  allgemeinere 
st  und  in  diesem  Zusammenhang  nicht  in  genügender  Weise  ent- 
ivickelt  werden  kann. 

Zu  dem  germanischen  Krieg  unter  Alexander  und  Maximinus 
iteht  die  Inschrift  schwerlich  in  Beziehung,  Alexander  ist  in  ihr 
genannt,  wie  in  der  vorher  erwähnten  vom  englischen  Wall,  lediglich 
ils  der  damals  regierende   Kaiser,    ohne  Hindeutung  auf  von  ihm 


172  I^i6  Walldümer  Inschrift. 

getroffene  Anordnungen.  Der  Umbau  des  Soldatenbades  spricht 
eher  für  eine  Zeit  vollkommener  Ruhe.  In  der  That  kann  der 
Einfall  der  Germanen,  welcher  den  Kaiser  aus  dem  Orient  an  den 
Rhein  führt,  nicht  füglich  vor  das  J.  234  gesetzt  werden,  also  zwei 
667  Jahre  nach  der  Errichtung  unseres  Altars.  Auf  die  von  Alexander 
aus  dem  Osten  mitgebrachten  leichten  Truppen,  deren  die  Schrift- 
steller gedenken,  hat  Domaszewski  (Korrbl.  1889  S.  49)  den  prae- 
posit[us  sagiUar\is  Orrhoenis  einer  dieser  Zeit  angehörigen  Inschrift*) 
bezogen,  wahrscheinlich  mit  Recht;  aber  mit  unserem  Denkmal  hat 
dies  nichts  gemein. 

*)  [C.  I.  L.  XI,  3104  =  Dessau  2765;  vgl.  C.  I.  L.  XIII,  2  p.  281.] 


^ 


i 


X. 

Inschrift  von  Feldberg.*) 

[C.  I.  L.  XIII,   7495.] 

I  VLI AE  •  M  AME 
A  E  •  AVG •  MATRI 
SEVERI'ALEXH 
DRI -AVG  •  N   •  CAS 
TRORVM'SE 
NATVS • PATRI 
aEQVE'EXPL 
HALIG  •  ALEXM 
DRIANA-DEVO 
T  A    •    N  V  M    I    N    I 
E  I  I    V  S 

Die  Inschrift  vom  Kastell  Feldberg  ist  nach  Ihren  Mitteilungen 
iiid  dem  Abklatsch  folgendermaassen  zu  lesen:  luliae  Mameae 
Aug(ustae)  matri  Severi  Alexandri  Aug(usti)  n(ostri),  castrorum, 
}enatus  patriaeque,  expl(oratio)  Halic(ensis?)  Alexandriana  devota 
mmini  eiius. 

Der  Stein  ist  also  zwischen  d.  J.  222  und  235  der  Mutter  des 
jwaisers  Severus  Alexander  gesetzt.  Die  Titulatur  derselben  ist  die 
ewöhnliche,  genau  identisch  wiederkehrend  zum  Beispiel  auf  den 
jfrikanischen  Inschriften  C.  I.  L.  Vm,  1406  [Dessau  6795]  (vom 
i.  229),  1429,  1484  [Dessau  6796].  Formelhaft  inkorrekt  ist  das 
lehlen  von  itnp.  oder  d.  n.  vor  dem  Kaisernamen,  sprachlieh  die 
ichreibung  Mamea  statt  Mamaea,  wie  die  Münzen  erweisen.  Die 
chreibung  eiius  mit  dem  Doppelvokal  ist  weder  fehlerhaft  noch 
jilten  (vgl.  Neue,  Formenlehre  der  lat.  Sprache,  2^  S.  192  [S.A. 
'  376]). 


*)  [Limesblatt  Nr.  1  (1892),  Sp.  5—8.] 


■j^74  Inschrift  von  Feldberg. 

Von  Interesse  ist  die  Bezeichnung  der  Truppe,  welche  den  Stein 
gesetzt  hat.  Das  alte  römische  Militärwesen  hat  Kundschafter 
(exploratores)  als  selbständige  Truppenabteilung  schwerlich  gekannt; 
nachweislich  als  solche  treten  sie  erst  in  der  nachseverischen  Zeit 
auf.*)  Yon  den  Schriftstellern  erwähnt  sie  meines  Wissens  nur  der 
dieser  Epoche  angehörige  Verfasser  der  Schrift  über  die  Lager- 
schlagung,  der  auf  ein  Heer  von  drei  Legionen  200  exploratores 
rechnet  (c.  30)  und  ihnen  im  Lager  den  Platz  anweist  neben  den 
vexillarii  legionum  (c.  24).  Inschriften  derselben  haben  wir  eine 
gewisse  Anzahl  sowohl  aus  den  Rhein-  und  den  Donauprovinzen, 
wie  aus  Afrika  und  Britannien.  Dass  es  Reiterabteilungen  sind, 
beweist  teils  jene  Lagerschrift ,  die  ihnen  neben  der  Legionsreiterei 
(denn  dies  sind  hier  die  vexillarii)  entsprechend  den  späteren  vexil- 
lationes  den  Platz  anweist,  teils  die  Bezeichnung  einer  derartigen 
Abteilung  als  ala  (C.  I.  L.  VIII,  9906  [Dessau  2634].  9907  [Dessau 
4492]);  dass  Centurionen  der  Exploratoren  vorkommen  (C.  I.  L.  - 
III,  3254  [Dessau  2633].  3648=  10422)  kann  allerdings  Zweifel  | 
erwecken,  ob  es  nicht  auch  Infanterieabteilungen  dieser  Art  gegeben 
hat.  Die  gewöhnliche  Bezeichnung  der  Truppe  als  numerus^  über 
die  ich  im  Hermes  19,  S.  225  [oben  S.  108f.]  gesprochen  habe,  gilt 
für  beide  Truppengattungen. 

Unsere  Inschrift  bestätigt,  was  zuerst  die  exploratio  Seiopensis  der 
von  Domaszewski  im  "Wstd.  Korrbl.  1889  S.  49  vortrefflich  erläuterten  j 
Inschrift  von  Falerii  (C.  I.  L.  XI,  3104  [=  Dessau  2765;  vgl.  C.  I.  L.  | 
XIII,  2  p.  281])  gezeigt  hat,   dass   eine  solche  Abteilung,   nach   der 
Analogie  von  cohors  und  ala,    auch  exploratio  genannt  worden  ist.  i 
Wahrscheinlich   wird    aber    auch  von    den    beiden    Aschaffenburger 
Inschriften  des  n.  Brit.  et  explorat.  Nemaning.  (Brambach  1751  [C.  I.  L.  j 
XIII,  6629])  und  des  n.  Brit.  N[e]man[in]g.  (Brambach  1757  [C.  I.  L.  ' 
XIII,  6642])  die   erste    nach   diesem   Muster  aufzulösen   sein   durch 
numerus  Brittonum  et  explorationis  Nemaningensis,  da  dies  mit  dem  i 
numerus  Brittonum  Nemaningensium  der  zweiten  sich  besser  verträgt, !    i 
als  wenn  neben   die  Brittonen  als  davon  verschieden  die  explwatores  \   ' 
Nemaningenses  gestellt  werden. 

Es  bleibt  übrig,  die  der  exploratio  beigesetzte  örtliche  Bezeichnung 
zu  prüfen.  Während  bekanntlich  die  römischen  Truppenabteilungen  i 
ihre  Benennungen  der  Regel  nach  der  Heimat  entnehmen,  findet  beij 
den  Kundschaftertruppen  eine  sicher  der  Heimat  der  Truppe  entlehnte! 
Benennung  sich  nur  da,  wo,   wie   auf  den  beiden  Aschaffenburger 


*)  ['Doch   erscheint   eine  expl(yrat(io)    Nemaning(ensis)    bereits   im   J.  1' 
(C.  I.  L.  XIII,  6629)'  BANG.] 


t 


Inschrift  von  Feldberg.  175 

Steinen,  eine  doppelte  örtliche  Bezeichnung  eintritt^.  Hauptsächlich 
benennen  sich,  wie  ich  bereits  zum  C.  I.  L.  YIII  p.  847  erinnert  habe, 
die  mit  örtlicher  Benennung  versehenen  Kundschafterabteilungen  nach 
dem  Standquartier,  was  übrigens  bei  dem  besonderen  Charakter  der 
Truppe  nicht  auffällt.     Ich  verzeichne  die  mir  bekannten  Belege: 

1.  ala  exploratorum  Pomariensium,  stationiert  in  Pomarium  in 
Mauretanien  (C.  I.  L.  VIII,  9906  [Dessau  2634].  9907  [Dessau  4492]) 
unter  Alexander  und  Gordian. 

2.  numerus  exploratorum  Divitiesium  (Brambach  1237  [C.  I.  L. 
XIII,  7054  =  Dessau  2632]  unter  Caracalla);  exploratores  Divitienses 
(Brambach  991  [C.  I.  L.  XIII,  6814  =  Dessau  2754])  beide  aus  Mainz, 
sicher  von  Divitia,  Deutz,  also  benannt  (Zangemeister  Wd.  Korrbl. 
1888  S.  39).*)  Dern(umerus)  Divitiensis  G(ermamae)  s(uperioris)  der 
mauretanischen  Inschrift  C.  I.  L.  VIII,  9059  [Dessau  2628]  und  der 
n(wnerus)  Divitensium  in  der  thrakischen  C.  I.  L.  III,  728  =  7387  [und 
7415]  werden  damit  identisch  sein. 

3.  n('Hmerus)  explm'ator(um)  Bremen(iensium)  CLL. VII,  1030 
und  1037  [=  Dessau  2631]  unter  Gordian  aus  Bremeniiim  am 
britischen  Hadrianswall. 

4.  numerus  exi)l(oratorum)  Baf(avorum)  Brambach  7  [C.  I.  L. 
XIII,  8825]  unter  Caracalla  aus  Roomburg. 

Die  oben  erwähnte  exploratio  Seiopensis  ist,  wie  Domaszewski 
a.  a.  0.  gezeigt  hat,  ohne  Zweifel  identisch  mit  dem  nach  der  Milten- 
jberger  Inschrift  (Brambach  1739  [C.  I.  L.  XIII,  6605])  vom  J.  212 
daselbst  stationierten  n(umerus)  [expl(oratorum)  Sei]open[sium]  und 
dürfte  dies  die  alte  Benennung  der  Gegend  gewesen  sein.**) 

Danach  wird  die  exploratio  Halicensis,  oder  wie  sonst  die  Endung 
gelautet  haben  mag,  ebenfalls  auf  die  Homburger  Gegend  bezogen 
^Verden  dürfen. 


1)  Dass  bei  zahlreichen  andern  numeri  mit  doppeltem  Ortsnamen  der  erste 
lie  Heimat,  der  zweite  den  Standort  bezeichnet,  habe  ich  im  Hermes  a.  a.  0. 
oben  S.  109]  erinnert.  Manche  derselben  mögen  ebenfalls  Kundschafter- 
bteilungen sein. 

*)  [Dieselbe  Truppe  auch  in  den  Inschriften  von  Niederbieber  C.  I.  L.  XIII, 
750  (n.  D[i]v[i]tensis ;  vom  J.  221^.  7751  (n.  expl[or]at(orum)  G&rmanic(orum) 
\i'o%\tien(sium) ;  unter  Alexander/  7761  (n.  Divitiensium).] 

**)  ["Gleichartig  sind  auch  die  ebendort  begegnenden  expl(oratores)  Trip(%i- 
mm)  C.  I.  L.  XIII,  6599^  BANG.] 


XI. 

Die  römischen  Lagerstädte.*) 

299  Die  Entwickelung    eines   städtischen   Gemeinwesens  aus  einem 

Kriegslager  tritt  im   römischen   Staat  in   sehr  verschiedener  Weise 
auf.     Zunächst  wird,   wer  sich   mit  den  so  lieben  wie  leidigen  Ur- 
zuständen beschäftigt,    der  Frage  nicht  vorbeigehen  können,  in  wie    '< 
weit  Stadtgründung  und  Lagerschlagung  ursprünglich  zusammenfallen   U 
—  eine  Frage,  die  neuerdings  in  scharfsinniger  "Weise  bejaht  worden 
ist^,    die   aber  bei    unbefangener    Prüfung    wohl    richtiger   insofern 
verneint  wird,  als  beide  Acte  nicht  mehr  mit  einander  gemein  haben 
als  das  Princip  des  Templum  und  der  daraus  hervorgehenden  Limi- 
tation 2.  —  Sodann  ist  es  zuweilen  vorgekommen,  dass  zur  Erinnerung 
an  namhafte  Feldschlachten  eine  Stadt  auf  derselben  Stätte  gegründet 
ward,   wo    das   siegreiche  Heer  zur  Zeit    der  Schlacht   sein  Lager   j 
geschlagen  hatte.    So  ist  zur  Erinnerung  an  die  Schlacht  von  Actium 
im  Jahre  723   die   Stadt  Nikopolis  in   der  Weise    angelegt  worden,  i 

dass  da,  wo  Augustus  Hauptquartier  gestanden  hatte,  sich  das  Haupt-  ! 



*)  [Hermes  7,  1873,  S.  299—326.  —  Vgl.  E.  Komemann,  de  civibus  Romanis 
in  provinciis  imperii  consistentibus,  Berl.  Diss.  1891.  A.  Schulten,  de  conventibus 
civium  Romanorum,  Berlin  1892;  dens.  im  Hermes  29,  1894  S.  481  ff.  und  bei 
Pauly-Wissowa  RE.  III,  1451  ff.] 

1)  Nissen  Templum  S.  54  f. 

2)  Ohne  die  schwierige  Frage  beiläufig  bebandeln  zu  wollen,  möchte  ich 
hier  nur  ein  Allgemeines  und  ein  Besondei'es  hervorheben.  Im  Allgemeinen: 
Stadt  und  Lager  verhalten  sich  wie  das  imperium  domi  und  das  imperium  militiae; 
sie  sind  so  wenig  identisch,  dass  sie  sich  ausschliessen  und  wo  die  Stadt  ist, 
kein  Lager,  wo  das  Lager,  keine  Stadt  sein  kann,  aber  wohl  correlat.  Eine 
ursprüngliche  Analogie  selbst  in  den  Maassen  und  Verhältnissen  ist  also  inner- 
halb gewisser  Grenzen  allerdings  wahrscheinlich;  womit  freilich  die  patricisch- 
plebejische  Lagertheilung  (S.  52)  und  Anderes  der  Art  nicht  gutgeheissen  werden  i  3 
soll.  —  Im  Besonderen :  das  oft  geltend  gemachte  Beispiel  von  Aosta  ist  fehler- 
haft angewandt,  denn  diese  Stadt  ist  ausnahmsweise  als  eine  zweite  Nikopolis 
auf  den  Linien  eines  Standlagers  gegründet  worden. 


f 


Die  römischen  Lagerstädte.  177 

heiligthum  der  neuen  Stadt  erhob  ^;  in  gleicher  Weise  und  ohne  300 
Zweifel  in  Nachahmung  davon  ist  zum  Gedächtniss  des  von  Varro 
Murena  im  Jahre  729  über  die  Salasser  erfochtenen  Sieges  die  Stadt 
Augusta  Praetoria  da  erbaut  worden,  wo  das  Lager  des  siegreichen 
Heeres  geschlagen  gewesen  war 2.  Weitere  sichere  Beispiele  der- 
artiger Stadtgründungen  sind  meines  Wissens  nicht  bekannt  und 
allem  Anschein  nach  dürften  dieselben  sich  zu  den  gewöhnlichen 
Stadtanlagen  etwa  so  verhalten  wie  unsere  Siegesthaler  zu  den 
Münzen  gewöhnlichen  Gepräges;  es  ist  kein  Grund  vorhanden  an- 
zunehmen, dass,  wo  ein  latinisches  oder  später  ein  römisches  Gemein- 
wesen ins  Leben  trat,  die  die  Vermessung  leitenden  Beamten,  von 
jenen  besonderen  Ausnahmefällen  abgesehen,  auf  das  oder  die  etwa 
früher  in  der  gleichen  Gegend  geschlagenen  Kriegslager  irgendwie 
Rücksicht  zu  nehmen  verpflichtet  gewesen  seien. 

Aber  noch  in  anderer  Weise  als  in  dieser  gromatisch- archi- 
tektonischen spricht  man  von  der  Entwickelung  eines  städtischen 
Gemeinwesens  aus  einem  Kriegslager:  man  meint  dabei  die  Ent- 
wickelung einer  militärischen  Ansiedelung  zu  einer  bürgerlich  ge- 
ordneten und  geleiteten  Stadt.  Dieser  politische  Process  ist  der 
älteren  römischen  Entwickelung  fremd.  Etwas  der  Art  muss  sich 
allerdings  wohl  in  Betreff  der  ältesten  Bürgercolonien  vollzogen 
haben,  die  wahrscheinlich  ursprünglich  eine  rein  militärische  Be- 
deutung und  also  auch  wohl  militärische  Organisation  gehabt  haben 
und  die  dann  späterhin  zu  bürgerlichen  innerhalb  des  Staates 
selbständigen  Gemeinwesen  geworden  sind;  aber  die  Epoche,  wo 
sie  stehende  Besatzungen  gewesen  zu  sein  scheinen,  ist  so  völlig 
verschollen,  dass  es  thöricht  sein  würde  über  den  Uebergangs- 
process  weitere  Hypothesen  aufzustellen.  In  der  späteren  Re- 
publik giebt  es  stehende  Lager  rechtlich  überhaupt  nicht,  und  ob 
auch  nur  thatsächlich  dergleichen  sich  gebildet  haben,  zum  Beispiel 
in  Spanien,  ist  mindestens  zweifelhaft.  Erst  als  mit  dem  Beginn 
des  augustischen  Regiments  das  stehende  Heer  als  rechtliche  Institution 
anerkannt  und  den  einzelnen  Abtheilungen  Standquartiere  angewiesen 
wurden,  die  im  Allgemeinen  dauernde  und  als  eine  hauptsächlich 
die  Reichsgrenzen  schützende  Kette  von  Festungen  und  Posten 
gedacht  waren,  gewinnt  die  Frage  eine  wirkliche  Bedeutung,  wie  301 
laich  diese  militärischen  Ansiedelungen  zu  den  bürgerlichen  Gemein- 
wesen verhalten.  '  . 


1)  Dio  51,  1.     Sueton  Aug.  18.  96.     Drumcann  R.  G.  1,  484  [2.  Aufl.  1,  356]. 

2)  Strabon    4,  6,  7   p.  206:   TQioxi^tovg  dk  'Pco/xaicov  nifiyjag   (pxias   rtjv    nöXiv 
Avyovazav  6  KaToafj  iv  (o  iozQazoJteösvoe  X^Q'V  ^   OvdßQCOv. 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  12 


178  ^^®  römischen  Lagerstädte. 

Selbstverständlich  lässt  diese  Frage  eine  schlechthin  allgemeine 
Antwort  nicht  zu.  Wo  es  aus  militärischen  Gründen  erforderlich 
war,  wurden  die  Truppen  in  die  Städte  gelegt;  so  die  Prätorianer, 
die  Stadtsoldaten  und  andere  Mannschaften  nach  Rom,  ein  Theil 
der  Stadtsoldaten  nach  Lyon  ^,  eine  der  Flotten  nach  Ravenna,  zwei 
Legionen  nach  Alexandrea  in  Aegypten^.  Aber  es  waren  dies 
besondere,  namentlich  durch  die  ünbotmässigkeit  der  italischen  wie 
der  ägyptischen  Hauptstadt  hervorgerufene  Massregeln;  hinreichend 
bekannt  ist  es,  dass  noch  Augustus  es  unterliess  die  Garde  in  ihrer 
Gesammtheit  nach  Rom  zu  legen  und  erst  der  eigentliche  Vollender 
der  neuen  Monarchie,  Tiberius  die  Caserne  dort  erbauen  liess.  Wo 
solche  Rücksichten  nicht  eingreifen,  insbesondere  an  den  Reichs- 
grenzen, lässt  es  sich  deutlich  erkennen,  dass  man  es  vermied  die 
militärischen  Hauptquartiere  in  eine  römisch  geordnete  Stadt  zu 
legen.  Die  auffallend  rasche  Entfaltung  der  Gemeinwesen  nach 
italischer  Art  in  Noricum,  wodurch  Pannonien  und  Germanien  weit 
überflügelt  wurden,  hängt  ohne  Zweifel  damit  zusammen,  dass  wohl 
in  diesen,  nicht  aber  dort  Legionslager  sich  befanden.  Die  ältesten 
römisch  geordneten  Gemeinden  der  Donauprovinzen,  vor  allem 
Emona,  das  von  Augustus,  dann  Virunum^,  Celeia,  Juvavum,  Teurnia, 
Aguontum,  Savaria,  die  von  Claudius,  Solva,  Siscia,  Sirmium,  die 
von  den  Flaviern  den  Namen  führen,  haben  entweder  niemals,  oder 
doch  nur  in  der  Zeit  vor  ihrer  Organisation  zu  römischen  Gemein- 
wesen römische  Besatzung  gehabt.  Poetovio  war  Hauptquartier  der 
302  13.  Legion  bis  auf  die  Flavier*;  aber  diese  Legion  war  nach  Vindo- 
bona  vorgeschoben,  als  die  Stadt  durch  Trajan  Colonierecht  erhielt. 
Die  nach  der  Eroberung  Britanniens  und  Daciens  dort  als  römische 
Colonien  gegründeten  neuen  Hauptstädte  Camulodunum  ^  und  Sarmi- 

1)  Tacitus  ann.  3,  41.  bist.  1,  64.  Vgl.  die  Ausführungen  Ann.  dell' 
inst.  1853,74  und  Kieler  Monatsschrift  1853,  651,  die,  wie  ich  zu  Nipperdej'S 
Note  a.  a.  0.  nachzutragen  habe,  von  mir  sind.     [Vgl.  auch  oben  S.  12  ff.] 

2)  Joseph,  bell.  lud.  2,  18  [§  494] :  rä  xarä  rf/v  nöXiv  'Pcof^aicov  ävo  rdyf^ara. 
C.  I.  L.  III,  399:  tr.  mil.  Alexandr.  ad  Aegypt.  leg.  XXII  Philo  adv.  Flacc.  18 
lässt  einen  in  Alexandrea  Angekommenen  nach  der  olxia  orgardQxov  (d.  i.  des 
praefectus  legionis)  fragen. 

3)  Virunum  ist  sogar  vielleicht  schon  unter  Tiberius  römische  Gemeinde 
geworden  (C.  I.  L.  III  S.  597).  Die  frühesten  Spuren  römischer  Ansiedelung  in 
diesen  Gegenden  finden  sich  in  Laibach,  Klagenfurt  und  Cilli. 

4)  Tacitus  h.  3,  1,  C.  I.  L.  III  S.  510.  In  demselben  Band  finden  sich  auch 
die  Belege  für  die  übrigen  die  Colonien  der  Donau  pro  vinzen  betreffenden  An- 
gaben. 

5)  Hübner  C.  I.  L.  VII  S.  34. 


'& 


I 


Die  römiacben  Lagerstädte.  179 

zegetusa  sind  nie  Standquartiere  einer  Legion  gewesen.  Aber  viel- 
leicht den  merkwürdigsten  Beleg  für  dieses  Herkommen  der  früheren 
Kaiserzeit  die  Legionsquartiere  und  die  römischen  Gemeinwesen 
geschieden  zu  halten  bietet  unser  Köln.  Bekanntlich  war  hier  unter 
Augustus  und  Tiberius  das  Winterlager  der  Hälfte  der  niederrheini- 
schen  Armee,  der  l.  und  20.  Legion^;  hier  verlief  im  Jahre  t4  n.  Chr. 
die  Krisis  des  gefährlichen  Soldatenaufstandes,  den  Germanicus 
dadurch  brach,  dass  er  seine  Gemahlin  Agrippina  und  deren  Sohn 
anderswo  Schutz  suchen  hiess;  hier  wurde  zwei  Jahre  darauf  seine 
Tochter  Agrippina  geboren^.  Aber  nachdem  dann  im  Jahre  50  n.  Chr. 
die  letztere  von  ihrem  Gemahl,  dem  Kaiser  Claudius  für  ihre 
Geburtsstadt  Colonierecht  ausgewirkt  hat  ^,  finden  wir  um  die  Zeit 
von  Neros  Tod  die  Stadt  zwar  als  Sitz  des  Statthalters  der  Provinz*, 
aber  ohne  Besatzung;  das  derselben  nächste  Legionshauptquartier 
ist  jetzt  Bonn^.  Es  kann  nicht  zweifelhaft  sein,  dass,  als  die  Ubier- 
stadt Colonierecht  empfing,  sie  eben  darum  aufhörte  Hauptquartier 
der  Legionen  zu  sein  und  eines  von  dem  andern  die  nothwendige 
Folge  war. 

Also  für  das  erste  Jahrhundert  unsrer  Zeitrechnung,  die  Epoche 
der  Julier,  Claudier  und  Flavier  darf  die  Incompatibilität  des  römi- 
schen Legionslagers  und  des  städtischen  Gemeinwesens  römischer 
Ordnung  als  Regel  angenommen  werden ;  und  es  ist  dies  ja  auch 
begreiflich  genug.  Das  Wesen  der  Stadt  ist  ebenso  die  municipale 
Jurisdiction  wie  das  des  Lagers  die  militärische ;  und  es  war  theo- 
sch  wie  praktisch  gleich  angemessen  die  Collision  beider  zu 
vermeiden.  Aber  die  thatsächlichen  Yerhältnisse  richteten  sich  nach 
der  Rechtsordnung  nicht  unbedingt;  vielmehr  wurden  die  grösseren  ;}03 
stehenden  Lager  unvermeidlich  zu  Mittelpunkten  eines  Verkehrs,  der 
den  mancher  kleinen  Landstadt  weit  hinter  sich  zurückliess.  Diesen 
neben  den  Lagern  sich  bildenden  stadtartigen  Niederlassungen  wird 
passend  die  Bezeichnung  von  Lagerstädten  beigelegt  werden  dürfen; 
und  es  ist  der  Zweck  dieser  Darlegung  die  Modalitäten  ihrer  Ent- 
wickelung,  wie  die  neueren  epigraphischen  Entdeckungen  und 
Ermittelungen  sie  dargelegt  haben,  übersichtlich  zusammenzufassen  ^• 


1)  Tacitus  ann.  1,  37.  39.  2)  Tacitus  anu.  12,  27. 

3)  Tacitus  a.  a.  0.  4)  Tacitus  h.  1,  56. 

5)  Tacitus  h.  1,  57.  4,  19.  20.  25. 

6)  Ich  habe  vor  Jahren  in  den  Monatsberichten  der  Berliner  Akademie 
1857  S.  522  f.  auf  die  damals  zuerst  zum  Vorschein  kommenden  Canabae  der 
Legionen  hingewiesen  und  sodann  im  dritten  Bande  des  C.  I.  L.  bei  den  Erörte- 
rungen über  Apulum  S.  182,  Aquincum  S.  489  und  Troesmis   S.  999  den  Gegen- 

12* 


lg()  Di6  römischen  Lagerstädte. 

Marketender  (lixae)^  und  Händler ^  haben  selbstverständlicfti 
von  jeher  im  Gefolge  des  römischen  wie  jedes  anderen  Heeres  sich 
befunden;  und  die  Bude,  welche  ein  solcher  Marketender  sich  auf- 
schlug, um  darin  seine  Waare  aufzubewahren  und  feilzubieten,  scheint 
technisch  mit  dem  Worte  canaba'^  bezeichnet  zu  werden.  Dieses 
304  Wort,    das    im    classischen    Latein    nirgends    begegnet*    und    nicht 

stand  eingehender  behandelt,  wie  dies  auch  von  Renier  bei  Veröffentlichung 
der  hierher  gehörigen  troesmensischen  Inschriften  geschehen  ist  (Inscriptions  de 
Troesmis.  Paris  1865,  S.  21  f.).  Aber  es  schien  angemessen  diese  Institution 
nicht  bloss  in  Bezug  auf  die  einzelnen  Ortschaften,  sondern  in  ihrer  allgemeinen 
Geltung  zu  erörtern. 

1)  Sallust.  lug.  45:  ne  quisquam  in  castris  panem  aut  quem  älium  coctum 
cibum  venderet,  ne  lixae  exercitum  sequerentur,  oder,  wie  Valerius  Maximus  2,  7,  2 
dasselbe  ausdrückt :  lixas  e  castris  submovit  cibumque  coctum  venalem  proponi 
vetuit.  Justinus  38,  10,  2:  trecenta  [ducenta  Rühl  in  s.  Ausgabe  nach  cod.  C] 
milia  lixarum,  ex  quibus  coquorum  pistorumque  [pistorum  scaenicorumque  Rühl 
nach  cod.  C]  maior  numerus  fuit.  Auch  etymologisch  gehört  das  Wort  ohne 
Zweifel  zu  (e)lixus,  (ab)gekocht. 

2)  Bell.  Afr.  75 :  lixarum  mercatorumque,  qui  plostris  merces  portabant,  inter- 
ceptis  sarcinis.    Tacitus  ann.  2,  62:  nostris  e  provinciis  lixae  ac  negotiatares. 

3)  Kanaba  oder  canaba  schreiben  von  den  zwölf  Inschriften ,  auf  denen 
das  Wort  bisher  gefunden  ist,  zehn  (Rom:  Orelli  4077  [C.  I.  L.  VI,  29722]; 
Lyon:  Henzen  7007  [C.  I.  L.  XIII,  1954  =  Dessau  7030];  Strassburg:  Henzen 
6803  [C.  L  L.  XIII,  5967  =  Dessau  7074];  Dacien:  C.  I.  L.  III,  1008  [=  Dessau 
2476].  1093  [=  Dessau  7140].  1100  [=  Dessau  7141].  1214  [=  Dessau  7154].  Cer. 
S.  940.  959;  Troesmis:  das.  6166  [=  Dessau  2474]);  dieser  Form  schliesst  auch 
das  neuitalienische  cänova  (sardinisch  canäva,  s.  Dietz  Wörterbuch  der  rom. 
Sprachen  2,  17)  sich  am  engsten  an.  Daneben  findet  sich  je  einmal  cannaba 
(Rom:  Fea  fasti  p.  LXXVII  [C.  I.  L.  VI,  1585  =  Dessau  5920]  zweimal  wieder- 
holt) und  canapa  (Virunum:  C.  III,  4850).  Die  in  den  Handschriften,  wie  es 
scheint,  vorherrschende  Schreibung  mit  v  (A.  4)  ist  also  fehlerhaft. 

4)  Es  findet  sich  in  mehreren  unter  des  Augustinus  Namen  laufenden 
Predigten  (app.  141,  2  =  de  temp.  56,  opp.  vol.  V  p.  250  ed.  Maurin. :  et  horreum 
et  canavam  et  cellarium  annis  singulis  replemus,  xmde  uno  anno  cibum  habeat  carö 
nostra  und  app.  263,  1  =  de  temp.  61  p.  452  ders.  Ausgabe:  multa  sunt  quae 
de  horreo  vel  canava  vel  ceUario  aliquotiens  proferre  non  possumus);  in  der  Über- 
schrift von  Ennodius  carm.  2,43:  ante  canavam,  worauf  es  heisst:  sobria  cella 
eadis  vinum  qvA)d  servat  onustis,  corpora  confirmat  u.  s.  w. ;  in  den  tironischen 
Noten  p,  149  Gruter:  canava  (vorauf  geht  cenaeulum);  in  den  Isidorischen 
Glossen  (7,  453  Arev.):  canava  camea  (vielmehr  camera)  post  cenaeulum  und  in 
anderen  noch  späteren  von  Ducange  (unter  den  Worten  canava,  caneva,  canipa) 
gesammelten  Stellen.  —  Die  canabulae,  welche  die  Gromatiker  (p.  227, 14.  228,  25 
und  sonst)  unter  den  Grenzmarken  aufführen  mit  dem  Beisatz  quod  tegulis  con- 
struitur  und  sogar  abbilden  (p.  341,  20),  sind  in  ihrer  Besonderheit  nicht  deutlich. 
—  Weder  mit  cannabis,  Hanf,  noch  mit  capanna,  cabane  hat  das  Wort  etwas 
zu  schaffen;  plausibler  erscheint  der  Einfall  von  E.  Q.Visconti  (op.  var.  2,  84), 
dass  canaba  das  im  Volksmunde  entstellte  griechische  xaXvßr}  sei. 


I 


Die  römischen  Lagerstädte.  181 

gerade  jung,  aber  volksmässig  und  technisch  ist,  bedeutet  zunächst 
ein  leichtes  nicht  so  sehr  zur  Wohnung,  als  zum  Waarenlager  und 
Verkaufslocal  und  zu  ähnlichen  Zwecken  bestimmtes,  rasch  herzu- 
stellendes wie  wegzunehmendes,  oft  auf  fremdem  Grunde  errichtetes 
Oebäude  nach  Art  unserer  Buden  und  Pavillons  ^  Vorzugsweise 
finden  wir  es  für  diejenigen  Schuppen  verwendet,  welche  zur  Auf- 
bewahrung von  nicht  innerhalb  des  Wohnhauses  gelagerter  Wein- 
oder Oel-  oder  ähnlicher  Vorräthe  dienten  2,  Erst  auf  diesem 
Umweg  dürfte  das  Wort  späterhin  allgemein  für  den  zur  Aufbewahrung 
der  Fässer  und  Krüge  dienenden  Keller  in  Gebrauch  gekommen 
sein,  in  welcher  Verwendung  es  bereits  in  spätrömischer  Zeit,  zum 
Beispiel  bei  Ennodius  (S.  1 80  A.  4),  und  noch  heute  im  Italienischen  305 
auftritt.  —  Den  dem  Heere  folgenden  Marketendern  ist  zur  Auf- 
schlagung ihrer  Buden  und  zur  Feilbietung  ihrer  Waaren  ohne 
Zweifel  von  jeher  ein  bestimmter  Platz  ausserhalb  des  Lagers, 
aber  unweit  desselben  angewiesen  worden.  Dies  sind  die  candbae 
legionis^,    welche    wir    zwar    nur    für    zwei    Legionen    ausdrücklich 


1)  So  heisst  in  dem  amtlichen  Erlass,  durch  welchen  dem  Custoden  der 
Antoninssäule  im  Jahre  193  gestattet  wird  sich  neben  der  Säule  eine  Behausung 
(hospitium)  zu  errichten  (Fea  fasti  p.  LXXVII;  Savigny  -  Zeitschr.  15,  335  f.  [= 
€es.  Sehr.  3  S.  103;  C.  I.  L.  VI,  1585  =  Dessau  5920]),  dies  Gebäude  loco  canndbae, 
und  werden  aus  den  öffentlichen  Magazinen  Ziegel  und  Baumaterial  [tegulae  et 
impensa)  de  casulis,  item  cannabis  et  aedificiis  idoneis,  also  was  der  Art  von  abge- 
rissenen Hütten ,  Schuppen  und  sonst  geeigneten  Gebäuden  herrührend  zur 
Disposition  war,  dem  Custoden  zu  diesem  Bau  unentgeltlich  verabfolgt. 

2)  Die  Lyoner  Weinhändler  (negotiatores  vinarii)  bezeichnen  sich  auf  zwei 
Inschriften,  einer  Lyoner  (Henzen  7007  [C.  I.  L.  XIII,  1954  =  Dessau  7030])  und 
einer  römischen  (Orelli  4077  [C.  I.  L.  VI,  29722])  als  Luguduni  in  canabis  con- 
sistentes.  Am  natürlichsten  wird  man  dies  (mit  Boissieu  iuscr.  de  Lyon  p.  339) 
so  auffassen,  dass  die  Weingrosshändler  ihre  Niederlagen  und  die  davon  un- 
zertrennlichen Geschäftsgebäude  an  dem  Ausschiffungsplatz  hatten  und  also  hier 
auch  das  Gebäude  sich  befand,  wo  das  Collegium  als  solches  zusammentrat. 
Die  Weinkeller  am  Hause  können  hier  unmöglich  gemeint  sein. 

3)  Die  Bezeichnung  canäbae  oder  canabenses  legionis  findet  sich  fünfmal: 
act(um)  Tcanab(is)  leg(ionis)  XIII  g(eminae)  in  den  beiden  Wachstafeln  C.  I.  L. 
III,  S.  940.  959;  dec(urio)  kanab(ensiu7n)  leg(ionis)  XIII  g(eminae)  in  der  Inschrift 
von  Apulum  C.  I.  L.  III,  1100  [Dessau  7141] ;  can(abae)  leg(ionis)  V  M(acedonicae)  in 
einer  von  Troesmis  das.  6166  [Dessau  2474];  in  canapa  leg(ionis)  interfectiis  a 
barbaris  in  einer  von  Virunum  das.  4850.  In  der  letzten  scheint  canapa  collectiv 
zu  stehen,  obwohl  man  auch  in  canapa  leg(ionaria)  auflösen  und  an  eine  einzelne 
der  Buden  denken  kann.  ['Hinzukommen  die  canabae  Aeliae  l(e)g.  XI  Cl(audiae) 
C.  I.  L.  III,  7474  =  Dessau  2475  und  die  cana[bae]  hg.  VII  [Gl(audiae)  A]nt(oni- 
manae)  p.  f.  C.  I.  L.  III,  14509'.    BANG.]  


1  g2  Die  römischen  Lagerstädte. 

zu    belegen    vermögen,*)    die    es    aber    bei   jeder    Legion    gegeben 
haben  wird^. 

Offenbar  war  hiemit,  seit  die  Legionen  stehend  geworden  waren, 
der  Anlass  zur  Entwickelung  eines  städtischen  Gemeinwesens  nicht 
gerade  aus,  aber  doch  neben  dem  Lager  gegeben.  Seit  mit  der 
Legion  selbst  auch  der  Verkaufsplatz  stehend  geworden  war,  konnte 
es  nicht  fehlen,  dass  die  Kaufbuden  daselbst  mehr  und  mehr  den 
Charakter  von  Wohnhäusern,  die  ganze  Ansiedlung  mehr  und  mehr 
einen  städtischen  Charakter  annahm.  Es  wird  dies  schon  für  das 
erste  Jahrhundert  in  Beziehung  auf  das  Winterlager  bei  Vetera 
(Xanten)^  ausdrücklich  hervorgehoben.  Räumlich  betrachtet,  hat 
eine  Trennung  gewiss  immer  bestanden;  wofür  insbesondere  das 
Beispiel  des  eben  genannten  Lagers  von  Vetera  belehrend  ist:  die 
'städtische  Ansiedelung  unweit  des  Lagers',  von  der  Tacitus  spricht, 
ist  ohne  Zweifel  die  spätere  Colonie  Traiana,  die  nach  den  Itinerarien 
30G  von  dem  Legionslager  eine  römische  Meile  entfernt  lag.  Man  wird 
sich  diese  militärisch  -  städtischen  Ansiedelungen  ungefähr  in  der 
Weise  neben  einander  zu  denken  haben  wie  die  Stadt  Rom  und 
das  vor  der  Stadtmauer  angelegte  Prätorianerlager,  nur  dass  an  den 
Reichsgrenzen  die  städtische  Niederlassung  zu  der  militärischen  nach 
Umfang  und  Bewohnerzahl  wohl  in  der  Regel  in  dem  umgekehrten 
Verhältniss  stand  als  dies  in  der  Reichshauptstadt  der  Fall  war. 

Was  die  rechtliche  Stellung  dieser  Ansiedlungen  anlangt,  so  ist 
zunächst,  offenbar  in  Nachwirkung  der  ehemals  zwischen  Stadt  und 
Hauptquartier  bestehenden  Incompatibilität,  den  nicht  militärischen 
Lagergemeinden  zwar  Corporations-,  aber  keineswegs  das  volle  Stadt- 
recht eingeräumt  worden.  Wahrscheinlich  ist  selbst  jenes  nicht 
generell  und   nicht    überall    in  gleicher  Weise  geschehen,    sondern 

*)  [Jetzt  für  vier;  s.  S.  181  Anm.  3.] 

1)  Man  vergesse  dabei  nicht,  dass  die  im  ersten  Jahrhundert  nicht  seltene 
Vereinigung  mehrerer  Legionen  in  demselben  Winterlager  seit  Domitian  auf- 
gegeben war.     Sueton  Dom.  6. 

2)  Tacitus  h.  4,  22:  subversa  longae  pacis  opera  haiid  lyrocul  castris  (von 
Vetera)  in  modum  municipii  extructa,  ne  hostibus  usui  forent.  Man  könnte  geneigt 
sein  in  gleicher  Weise  Aquae  bei  Zürich,  wovon  Tacitus  h.  1,  66  ähnlich  sagt: 
direptus  longa  pace  in  modum  municipii  extructus  locus  amoeno  salubfium  aquarum 
usu  frequens,  als  Lagerstadfc  von  Vindonissa  zu  fassen.  ludess  sowohl  die  Ent- 
fernung dieser  Ortschaft  von  Vindonissa,  die  etwa  eine  deutsche  Meile  beträgt, 
als  ihr  Aufblühen  zunächst  als  Badeort  spricht  doch  mehr  dafür,  dass  dieser 
Ort  nicht  eine  Lagerstadt  römischer  Bürger,  sondern  ein  Dorf  des  helvetischen 
Gaus  gewesen  ist.  Dagegen  gehört  hieher  des  Plinius  (h.  n.  3,  3,  38)  Asturica 
urbs  magnifica,  wofern  dieser  Ort  mit  Recht  zu  den  Lagerstädten  gestellt 
worden  ist. 


II 


Die  römischen  Lagerstäjlte.  183 

während  es  canabae  legionis  bei  jeder  Legion  gab,  wurden  wohl  je 
nach  Umständen  den  bedeutenderen  derselben  Corporationsrechte 
verliehen,  wobei  gewiss  auch,  wie  bei  den  Stadtbriefen,  wohl  eine 
allgemeine  Gleichförmigkeit,  aber  keineswegs  völlige  Gleichartigkeit 
der  Einrichtungen  bestanden  liat. 

Ich  stelle  zunächst  die  mir  bekannten  Belege  eines  solchen 
Mittelzustandes  zusammen  und  werde  daran  den  Versuch  anknüpfen 
denselben  so  weit  möglich  zu  definiren. 

I.    Apulum   (Karlsburg)   in  Dacien,  Hauptquartier 

der    13.  Legion^. 

1)  Document  vom    16.  Mai    142,    mit   der   Unterschrift:    act(um) 

kanah(is)  leg(ionis)  XIII  g(eminae).  —  C.  I.  L.  III  S.  940. 

2)  Document  vom  4.  Oct.  160,   mit   der  gleichen  Ortsangabe.  — 

C.  I.  L.  III  S.  959. 

3)  Foriunae  Äug(ustae)  sacr(um)  et  genio  Canahensium  L.  Silius 

Maximus  v[ei(eranus)]  leg(ionis)  I  ad(iutricis)  p(iae)  f(ideUs) 
magistra(n)s  pr'mms  in  Can(ahis).  —  C.  I.  L.  III,  1008 
[Dessau  2476].  Die  Inschrift  dürfte  aus  trajanischer  Zeit 
sein;  welche  Legion  damals  in  Apulum  stand,  ist  nicht  aus- 
gemacht. 

4)  T.  Fl(avius)  Longinus  vet(eranus)  ex  dec(urione)  al(ae)  II  Pan~ 

n(oniorum),  dec(urio)  col(oniae)  Dac(icae),  dec(urio)  mun(i- 
cipii)  Nap(ocae),  dec(urio)  Kanah(arum)  leg(ionis)  XIII 
g(eminne).  —  C.  I.  L.  III,   1100  [Dessau  7141]. 

5)  Cl(audius)   Atteiiis    Celer    veteraniis  Jeg(ionis)  XIII  gem[in]ae,  397 

d[e]c(urio)  Canahensium.  —  C.  I.  L.  III,   1093  [Dessau  7140]. 

6)  T.  Fahio  Ih[l]iomaro  domo  Augus(ta)  Treve[r(onim)],  quond(am) 

dec\ur(ioni)  K\anahar(um).  —  C.  I.  L.  III,  1214  [Dessau  7154]. 

7)  Victoriae  Aug(ustae)  L.  lul(ius)  T.  [f.]  Galer.  Leugnnus  Clunia 

vet(eranus)  leg(ionis)  XIIII  g(ennnae)  M(artiae)  v(ictricis), 
aedis  custos  c(ivium)  li(omanorum)  leg(ionis)  XIII.  —  C.  I. 
L.  III,  1158  [Dessau  2477]. 

IL    Troesmis  (Iglitza)  in   Nie  dermösien,   Hauptquartier 
der   5.  macedonischen  Legion. 

8)  ....  [p\ro  sal(nte)  imp.    Caes(aris)  Tra(iani)  Iladr(iani)  Au- 

g(ustl)  (,\  Val(erio)  Pud(cnte)  vet(erano)  le(gionis)  V  Mac(e- 
donicae)    et   M.  Ulp(io)  Leont(io)  mag(istris)   Canahe(nsium) 


1)  Wenigstens  seit  142;   welche  Legion   dort  früher  stand,   ist  ungewiss. 
C.  I.  L.  in  S.  182. 


^84  I^iö  römischen  Lagerstädte. 

ei  Tue(cio)  Ael(iano)  aed(ile)  d(onum)  d(ederunt)  vet(erani) 
et  c(ives)  R{omani)  cons(istentes)  ad  canab(as)  leg(ionis)  V 
M(acedonicae).  —  C.  L  L.  III,  6166  [Dessau  2474]. 
9)  I(ovi)  o(ptimo)  m(aximo)  pro  sal(ute)  im[p.]  Caes(aris)  T. 
Ael(ii)  Had(riani)  Ant(onini)  Aug(usti)  Pii  et  M.  Aur(eln) 
Ver(i)  Caes(aris)  P.  Val(erius)  Clemes  et  L.  Cominius  Val(ens) 
vei(erani)  leg(ionis)  V  M(acedonicae)  ma[g(istri)\  et  L.  Va- 
l(erius)  Crispus  aedilis  de  s(uo)  pos(uerunt).  —  CLL.  III, 
6162. 

10)  I(ovi)  o(ptimo)  m(aximo)  I[unoni  reginae  Minervae]   sac(rum) 

pro  sa[lute  imp.  Caesaris  T.  Aelü]  Had(riani)  Anton[ini 
Augusti    Pii    et    M.  Aurelii]     Caes(aris)    c(ives)    R(omani) 

Tr[oesmi  consistentes  magisterio  Gejmini  Aquil[ini  et] 

man(i)  qui  et  Sic [per\miss[u legati  Augusti 

pro  praetore].  —  C.  I.  L.  III,  6167.*) 

III.    Aquincum  (Alt-Ofen)  in  Niederpannonien,  Haupt- 
quartier der  Legio  II  adiutrix. 

11)  Volcano  sacrum  vet(erani)  et  \c(ives)\  P(omani)  co(n)s(istentes) 

ad  leg(ionem)  II  ad(iutricem) ,  curam  agent[i]b(us)  Val(erio) 
Bespecto  et  Utedio  Max[i]m[i]no  ma[g(istris)]  —  C.  I.  L.  III, 
3505  [Dessau  2473].**) 

IV.    Brigetio  (0-Szöny)  in  Oberpannonien,  Hauptquartier 
der  Legio  I  adiutrix. 

12)  M.   Val(erius)    Marinus   vet(eranus)    leg(ionis)    I    ad(iutricis) 

p(iae)  f(idelis)  ex  sign(ifero),  dec(urio)  Bri(getione) ,  qui 
magistrat.  —  C.  I.  L.  III,  4298. 

308  Y.    Argentoratum   (Strassburg)  in  Obergermanien, 

Hauptquartier  der  8.  augustisclien  Legion. 

13)  In  'h(onorem)  d(omus)  d(ivinae)  [G]enio  viel  Ca[n]abar(um)  et  j 

vi[ca]nor(um)  Canahensium  Q.  Martius  Optatus,  qui  columnam  \ 


*)  [Durostorum  in  Niedermösien:  J.  o.  m.  pro  salute  im}).  Caes.  T.  Aeli  Hadri- 
ani  Antonini  Aiig.  Pi(i)  et  Veri  Caes.  templum  et  statuam  c(ivibus)  R(omanis)  et 
consisstentibus  (so)  in  canabis  Aelis  l(e)g.  XI  Cl(audiae)  .  .  .  de  suo  fecerunt  (CLL. 
III,  7474  =  Dessau  2475).  —  Vimiuacium  in  Obermösieu:  \divus?'\  Sept.  Severus 

et   [imp.   Caes.  M.]    Aur.    Antoninus  ....    cana[bas   refec\erunt   leg.  VII 

[Cl(audiae)  A]nt(oninianae)  p(iae)  f(idelis)  (C.  I.  L.  III,  14509).] 
**)  ['Die  Canabens(es)  erwähnt  CLL.  III,  10336'.    BANG.] 


Die  römischen  Lageretädte.  185 

et  statuam  d(ono)  d(edit).  —  Brambach  C.  I.  Rh.  1891^  [C. 
I.  L.  XIII,  5967  =  Dessau  7074]. 

VI.    Mogontiacum  (Mainz)  in  Obergermanien,  Haupt- 
quartier insbesondere  der  Legio  XXII  Primigenia. 

14)  C.  Sertorius  L.  f.  Ouf.  Te  .  . .  us  veteranus   leg.  XVI,   curator 

civium  Boman[or(wn)\  Mogontiaci.  —  Orelli  4976  =  C.  I. 
L.  V,  5747  [Dessau  2465J.  Die  Inschrift  gehört  in  die 
Epoche  der  julischen  Kaiser,  wo  diese  Legion  in  Mainz  lag; 
unter  Nero  finden  wir  sie  in  Niedergermanien ;  Vespasian 
löste  sie  auf. 

15)  L.  Senilius  Dec[i]manus  q(uaesfor),   c(urator)  c(ivnim)  R(oma- 

norum)  M(ogontiaci),  neg(otiator)  3Iog(ontiacensis)  ,*)  c(ivis) 
T(aunensis).  Yom  Jahre  198.  —  Brambach  C.  I.  Rh.  956 
[C.  I.  L.  XIII,  7222  =  Dessau  7077]. 

1 6)  T.  Florius  Saturninus  vet(eranus)  ex  sig(nifero)  leg(ionis)  XXII 

pr(imigeniae)  p(iae)  f(idelis)  Alexandriänae,  m(issus)  h(onesta) 
m(issione) ,  allectus  in  ordi[n]em  c(ivium)  R(omanorum)  .  . 
Mog[ontiaci].  —  Brambach  C.  I.  Rh.  1067  [C.  I.  L.  XIII, 
6769  =  Dessau  7078]. 

17)  Marcelliniiis  Placidinus  d(ecurio)  c(ivium)  R(omanorum)  Mo- 

g(ont'iaci).  Yom  Jahre  276.  —  Brambach  C.  I.  Rh.  1130 
[C.  L  L.  XIII,  6733  =  Dessau  7079]. 

1 8)  T.  Fl(avius)  Sanctinus  mil(es)  leg.  XXII et  Perpetmis 

et  Felix  fratres  c(ives)  P(omani)  et  Taunenses  ex  origine 
patris.  Der  Yater  ist  Yeteran  einer  prätorischen  Cohorte; 
die  Mutter  heisst  Aurelia  Ammias  mater  eorum  c(ivis)  R(o- 
mana).  —  Brambach  C.  I  Rh.  1444  =  Orelli  181  [CLL. 
XIII,  7335  =  Dessau  7096].**) 


1)  Ich  habe  diesen  wahrscheinlich  seitdem  zu  Grunde  gegangenen  luschriften- 
stein  im  Jahre  1862  selbst  gesehen.  Brarabachs  Abschrift  ist  völlig  genau,  nur 
dass  in  Z.  8  die  drei  Buchstaben  NAM  zu  einer  Contignation  verschlungen  sind. 

*)  [c(iirator)  e(ivium)  It(omanorum)  m(anticulanorum)  neg(otiatornm)  Mo- 
g(ontiacensmm)  Mommseu  im  Westd.  Korrbl.  1884  S.  31  mit  Beziehung  auf  die 
dvea  Botnani  manticulari  negotiatares  der  Mainzer  Inschrift  C.  I.  L.  XIII,  6797 
=  Dessau  7076  vom  Jahre  43.] 

**)  ['Hinzuzufügen  sind  C.  I.  L.  XIII,  6730  =  Dessau  4615:  I.  o.  m.  Sucaelo 
et  Gen.  loci  pro  salute  C.  Calpurni  Seppiani  p(rimi)  p(iU)  leg.  XXII  Pr(imi- 
geniae)  p(iae)  Trophimus  actor  [et]  canabari  ex  voto;  C.  I.  L.  XIII,  6780  (vom 
J.  255):  ....  leg(ionis)  XXpi'o  sal(ute)  eanahe(nsium)  ex  v{ö\to  pos(tierunt)  [rev(ersi)? 

ad]  can{alas] ;  Westd.  Korrbl.  XXIV  (1905)   S.  101;  ebendas.  S.  194:  I.  o.  m. 

pro  [sa]l[ute  Neronis]  Clau[d]i  Caesaris  Au[g.]  imp.  canaba[ri]  pub[l]ice  .....'  BANG.] 


^§(j  Die  römischen  Lagerstädte. 

VII.    Isca   (Caerleon)   in   Britannien,    Hauptquartier   der 
Legio  II  Augusta. 

19)  Im[p.   Caes.]  M.  Äu[relw]  Anio{nino]    Äug.    [Pio]  vete[rani]  et 

Jwlmines?^  ad]  leg(ionem)  II  Ä[ug(ustam)   cons(istcntcs)].  — 
309  Hübner  in  den  Monatsberichten  der  Berliner  Akademie  1 866 

S.  798;  C.  I.  L.  YII,   105. 

VIII.    Asturica  (Astorga)   in  Hispania   Tarraconensis, 

etwa  40   röm.  Meilen  von   dem  Hauptquartier 

der   Legio   VII  gemina  (Leon)^. 

20)  Res  p(uhlica)   Ast(urica)  Aug(usta)  per  mag(istros)  G(.  .  .  .  .) 

Pacatum    et   Fl(avium)    Proculnm    ex    donis    curante    lulio 
Apoll(inari).  —  C.  I.  L.  II,  263»3  [Dessau  4509]. 

IX.    Unbestimmt. 

21)  .  .  .  .in  canapa  leg(ionis)  [oder  leg(ionaria)]  interfedo  aharharis. 

—  In  Virunum  (Klagenfurt)  gefunden.     C.  I.  L.  III,  4850, 

-  Der  wesentliche  Unterschied  der  Lagerstadt  (wenn  es  gestattet 
ist  der  Kürze  wegen  die  oben  zusammengestellten  Gemeinschaften 
unter  diesem  Namen  zusammenzufassen)  von  der  wirklichen  Stadt 
beruht  auf  dem  verschiedenartige)!  Verhältniss,  in  dem  die  Angehörigen 
beider  zu  der  von  ihnen  bewohnten  Ortschaft  stehen :  diese  sind 
daselbst  Bürger,  jene  verweilen  dort,  oder,  mit  dem  technischen 
Worte,  consistunt  ad  canahas  legionis  (8)  oder  ad  legionein  (11),  viel- 
leicht auch  mit  Angabe  des  Ortsnamens  statt  desjenigen  der  Legion 
(10).  —  Consistere*)  bezeichnet  technisch  den  bleibenden  Aufenthalt 
an  einem  Orte  oder  in  einer  Gegend,  mit  welchem  die  Heimaths- 
berechtigung  sich   nicht  verknüpft.      Es   wird   daher  gebraucht    bei 


1)  Die  früher  von  mir  versuchte  Ergänzung  honorati  ermangelt  eines  sichern 
Anhalts;  die  plebs  urhana  et  honore  usi  Orelli  3445  [CLL.  XI,  0057]  und  was 
sich  Aehnliches  findet,  liegt  sehr  weit  ab.  Offenbar  wird  eine  Formel  verlangt, 
die  den  veterani  et  cices  Momani  der  N.  8.  11  entspricht;  ich  habe  an  homines 
und  hospites  gedacht,  obwohl  keiner  dieser  Vorschläge  recht  befriedigt. 

2)  Die    Entfernung  Astorgas   und    Leons  von    zwei   vollen   Tagemärschen  j 
würde  es  verbieten  Asturica   in  die  Reihe   der  Lagerstädte  aufzunehmen ,  wenn  j 
feststände,  dass  die  beiden  Ansiedelungen,  die  militärische  und  die  bürgerliche, 
sich  von  Haus  aus  an  diesen  Punkten  befunden   haben.     Aber  dies  ist  keines- 1 
wegs  gewiss.    Die  im  Text  mitgetheilte  Inschrift  ist  in  einem  halbwegs  zwischen  j 
Astorga  und  Leon  gelegenen  Dorf  gefunden,  und  die  Möglichkeit  ist  nicht  aus- 
geschlossen,  dass   eine  oder  die  andere  oder  auch  beide  im  Lauf  der  Zeit  den 
Platz  gewechselt  haben.  I 

?')  [Vgl.  E,  Kornemann  bei  Pauly-Wissowa  RE.  IV,  922 ff.;  oben  S.  156ff.]| 


Die  römischen  Lagerstädte.  187 

Collegien  von  den  Oertlichkeiten,  wo  sie  zusammenzutreten  pflegen^, 
in  welchem  Sinne  auch  von  den  Lyoner  Weinhändlern  gesagt  wird,  310 
dass  sie  in  ihren  canahae  consistiren^;  ferner  von  den  nicht  an  ihrem 
Heiniathort  verweilenden  Personen  in  Bezug  auf  die  Provinz^  oder 
die  Stadt*,  in  der  sie  sich  aufhalten,  in  welcher  letzteren  Verwendung 
das  Wort  an  das  Yerhältniss  der  incolac,  das  domicilium  im  Gegen-  ; 
satz  zur  origo  eng  sich  anschhesst^.  Indem  also  die  Angehörigen 
der  Lagerstädte  sich  als  consistirende  angeben,  bezeichnen  sie  ihre 
Rechtsstellung  als  formell  entgegengesetzt  derjenigen,  die  das  Wesen 
der  Stadt  ausmacht,  der  unbedingten  und  unauflöslichen  Orts- 
angehörigkeit, oder,  nach  dem  technischen  Ausdruck  der  Kaiserzeit, 
der  origo.  Auch  konnte  dies  ja  gar  nicht  anders  sein.  Die  Stadt 
ist  auf  die  Oertlichkeit,  an  welcher  sie  steht,  in  der  Weise  ange- 
wiesen, dass  rechtlich  wohl  eine  Zerstörung,  aber  keine  Verlegung 
denkbar  ist.     Das  Legionslager  der  Kaiserzeit  dagegen  ist  rechtlich 

1)  Orelli  4085  [C.  I.  L.  VI,  9404  =  Dessau  7249] :  quinquennali  collegi  perpetuo 
fabrum  soliarium  baxiarium  (centuriarum)  III,  qui  consistunt  in  scola  [vgl.  oben 
8.  157  A.  1]  stib  theatro  Aug(usto)  Pompeian(o)  —  wonach  übrigens,  beiläufig 
bemerkt,  das  was  Augustus  selbst  nicht  gethan  (Ancyr.  4,  9),  späterhin  nach- 
geholt zu  sein  scheint.  Henzen  6302  [C.  I.  L.  VI,  7458  =  Dessau  1798]: 
collegium  cocorum  Aug(usti)  n(ostri),  quod  consistit  in  Palatio.  C.  I.  L.  V,  4017: 
coll(egiuw)  n(autarum)  V(eronensium)  A(relicae)  consist(entium).  Orelli  5117  [C. 
I.  L.  V,  7357]  (kürzlich  von  mir  nach  dem  Stein  verbessert,  in  der  Turiner 
Rivista  di  filologia  1872  S.  250  [=  Ges.  Sehr.  5  S.  321]):  colleg(ium)  centonar(ioruni) 
Placent(inorurn)  consistent(ium)  Clasiidi.  Arelica  und  Clastidium  sind  md  der 
Stadtgemeinden  Verona  und  Placentia. 

2)  S.  181  A.  2.  Wenn  in  einer  dritten  Inschrift  (Henzen  7254  =  Boissieu 
p.  890  [CLL.  XIII,  1911  ^  Dessau  7033])  dasselbe  Collegium  bezeichnet  wird 
als  negotiatores  vinari  Lugud(uni)  consistentes,  so  dürfte  hier  eine  jener  incor- 
recten  Abkürzungen  stattgefunden  haben,  die  auf  Inschriften  so  häufig  begegnen. 
Denn  in  Beziehung  auf  dasjenige  städtische  Gemeinwesen,  dem  die  städtische 
Corporation  organisch  angehört  und  das  die  Bedingung  ihrer  Existenz  ist,  ist 
der  Ausdruck  consistere  unstatthaft,  weil  er  eben,  im  Gegensatz  zu  der  organischen 
Verknüpfung,  das  bloss  äusserliche  Verweilen  bezeichnet. 

3)  Orelli  485  =  C.  I.  L.  III,  5212  [Dessau  1362  a]:  cives  Bomani  [e\x  Italia 
et  aliis  iTrovinciis  in  Baetia  consistentes.  Verordnung  von  Severus  Vat.  fr.  247: 
in  Italia  cives  Romani  consistentes. 

4)  C.  I.  L.  III ,  860  [Dessau  4082] :  Gal[at]ae  consistentes  munidpio.  Henzen 
5823  =  Renier  inscr.  de  l'Alg.  4064  [C.  I.  L.  VIII,  9260  =  Dessau  6879]:  Mus- 
g(unienses)  et  Etisg(uniis)  consistentes. 

5)  Dig.  5,  1,  19,  2:  si  quo  constitit,  non  dico  iure  domicilii,  sed  tabernulam 
pergulam  horreum  armarium  officinam  conduxit  ibique  distraxit  egit,  defendere  se 

0  loci  dcbebit.  Also  ist  der  Kreis  der  consistentes  etwas  weiter  als  der  der  incolae: 
wer  an  einem  Ort  ein  Geschäft  in  der  Weise  betreibt,  dass  er  seine  Beauftragten 
>b  und  zu  gehend  beaufsichtigt,  consistirt  daselbst,  ist  aber  nicht  den  Lasten 
1er  Incolae  unterworfen. 


jgg  Die  römischen  Lagerstädte. 

keineswegs  an  den  Ort  gebunden,  sondern  es  kann  jederzeit  det- 
betreffenden  Truppe,  ohne  dass  diese  darum  eine  andere  würde,  ein 
anderer  Standort  angewiesen  werden,  und  in  der  That  haben  solche 
Verlegungen  oft  genug  stattgefunden.  Man  kann,  wenn  man  privat- 
rechtliche Verhältnisse  vergleicht,  das  Verhältniss  der  Legionare  zu 
311  ihrem  Standquartier  nicht  mit  der  Origo,  wohl  aber  mit  dem  Domi- 
cilium  zusammenstellen.  Was  aber  von  der  Legion,  gilt  ebenso  von 
ihrem  nicht  militärischen  Anhang :  die  Körperschaft,  welche  ad  canabas 
legionis  consistirt,  ist  keineswegs  eine  rechtlich  sesshafte,  sondern 
folgt,  wenn  die  Legion  den  Platz  wechselt,  derselben  nach,  ohne 
darum  ihren  Namen  zu  ändern  und  ihren  rechtlichen  Bestand  ein- 
zubüssen.  Sehr  scharf  drückt  sich  dieser  Mangel  einer  localen  Grund- 
lage darin  aus,  dass  bei  correcter  Bezeichnung  der  Lagerstädte  die 
Nennung  der  Localität  vermieden  wird,  sie  dagegen,  wenn  sie  Stadt- 
recht erhalten,  einen  Localnamen  annehmen.  So  werden  die  cana- 
henses  legionis  XIII  zum  municipium  Apulum,  die  veterani  et  cives 
Homani  consistentes  ad  legionem  II  adiutricem  zum  municipium 
Aquincum,  die  veterani  et  cives  Romani  consistentes  ad  canabas  legionis 
V  Macedonicae  zum  municipium  Troesmis. 

Es  leuchtet  ein,  welche  tiefgreifenden  Consequenzen  daraus  ent- 
springen mussten,  dass  der  Lagerstadt  die  Ortsangehörigkeit  mangelte. 
Es  war  wohl  möglich,  sie  mit  Festungswerken  zu  versehen;  aber 
eine  Stadtmauer  im  Rechtssinn,  ein  Pomerium  konnte  sie  nicht  haben. 
Noch  weniger  konnte  ihr  eine  städtische  Mark,  ein  Territorium  zu- 
stehen. Wenn  die  Ortsangehörigkeiten  nach  römischem  Recht  be- 
kanntlich unter  einander  incompatibel  sind,  also  wer,  zum  Beispiel 
durch  Deduction,  die  Origo  irgendwo  gewinnt,  seine  bisherige  Orts- 
angehörigkeit, wenn  er  eine  hatte,  verliert,  so  wurde  dagegen  durch 
die  Zugehörigkeit  zu  einer  Lagerstadt  die  früher  vorhandene  Origo 
so  wenig  aufgehoben  wie  durch  die  Zugehörigkeit  zu  irgend  einer 
Gilde ;  weshalb  es  auch  vorkommt,  dass  derselbe  Mann  civis  Taunensis 
ist  und  ^civis  Bomanus\  das  heisst  Angehöriger  der  Lagerstadt  von 
Mainz  (18),  jenes  in  Folge  des  vom  Vater  überkommenen  Heimath- 
rechts (ex  origine  patris)^  dieses  kraft  seines  Domicils.  Daher  ist 
es  auch  in  der  Ordnung,  dass  unter  den  insbesondere  auf  den 
Soldateninschriften  so  zahlreichen  Angaben  der  Origo  (domus)  die 
Lagerstädte  nirgends  begegnen  und  der  Name  der  Canabae  in  dieser 
Verbindung  gar  nicht  erscheint.*)    Aus  demselben  Grunde  kann  die 

*)  ['Siehe  jedoch  C.  I.  L.  III,  10548:  M.  Furio  Po[l(lia)]  Bufo  cana[h(is)]  undj 
12402:  Ulpifo)  Margo  canafbensi?);  vgl.  auch  oben  S.  29  über  die  Lagerkinder' ^ 
BANG.] 


i^ 


Die  römischen  Lagerstädte.  189 

Zugehörigkeit  zu  der  Lagerstadt,  wo  nicht  etwa  besondere  Ausnahms- 
bestimmungen entgegenstanden ,  weder  für  die  Person  nothwendig 
dauernd  noch  gar  erblich  gewesen  sein,  sondern  musste  nach  den 
Regeln  der  Domicilirung  mit  dem  Aufenthalt  erworben  und  verloren 
werden. 

Es  wäre  von  Interesse  zu  erfahren,  unter  welche  Kategorie  der  312 
Corporationen  die  römischen  Rechtsverständigen  die  Lagerstädte 
gebracht  haben.  Wir  finden  sie  vielleicht  einmal  (20)  res  publica 
genannt  und  sogar  mit  Beilegung  des  übrigens  auch  bei  nicht  städti- 
schen Gemeinwesen  vorkommenden  Kaiserbeinamens  ^,  sicherer  ein- 
mal (13)  vicus^;  regelmässig  scheint  man  die  Bezeichnung  vermieden 
zu  haben,  wie  dies  besonders  aus  dem  Gegensatz  von  municipium 
und  colonia  zu  den  Kanahenses  schlechtweg  in  N.  4  deutlich  hervor- 
geht. Oifenbar  hat  man  wohl  gefühlt,  dass  der  Lagerstadt  zur 
wirklichen  Stadt  das  eigentlich  Wesentliche  mangele,  und  daher  der 
Bezeichnung  munici/niim  oder  was  dieser  gleich  steht  durchaus  sich 
enthalten.  Aber  die  für  Gilden  und  Körperschaften  üblichen  Be- 
zeichnungen, wie  collegium  und  dgl.,  waren  doch  noch  viel  weniger 
brauchbar^,  vornehmlich  deshalb,  weil  alle  Gilden,  soweit  sie  über- 
haupt Corporationsrecht  haben,  sich  mit  rechtlicher  Nothwendigkeit 
an  ein  städtisches  Gemeinwesen  anlehnen,  während  bei  der  Lager- 
stadt jede  solche  Anlehnung  nothwendig  fehlt.  Die  Bezeichnung 
viais  drückte  wohl  negativ  den  Mangel  des  Stadtrechts  richtig  aus; 
aber  der  viciis  ist,  so  weit  die  Bezeichnung  mit  strenger  Genauigkeit 


1)  Eine  gute  Analogie  bieten  die  vicani  Augtisti  Verecundenses  in  Numidien 
(Renier  1413  [C.  I.  L.  VIII,  4205  =  Dessau  5752]),  die,  nach  Henzens  überzeugender 
Darlegung  (annali  1860,  91),  einen  Ordo  und  die  Aedilität,  aber  keine  Duovirn 
hatten.  Auch  sie  nennen  sich  res  publica  (Renier  1414.  1418  [C.  I.  L.  VIII,  4206. 
4210]).  [Den  Kaisernamen  führt  auch  die  Lagerstadt  der  11.  Legion  in  Duro- 
storum:  canabae  Aeliae  l(e)g.  XI  Cl.  (oben  S.  184  Nachtr.).] 

2)  Die  vikani  Aquenses  der  Inschrift  von  Baden  bei  Zürich  (inscr.  Helvet. 
241  [C.  I.  L.  XIII,  5233])  möchte  ich  aus  den  oben  S.  182  A.  2  angegebenen 
Gründen  den  Canabenses  nicht  zuzählen.  Ueberdies  gehört  die  Inschrift  schwer- 
lich in  die  Zeit,  wo  Vindonissa  noch  Legionslager  war. 

3)  Die  hie  und  da  begegnenden  städtischen  collegia  veteranoi'um,  so  in 
Ostia  (Orelli  4109  [C.  I.  L.  XIV,  409  =  Dessau  6146]),  Ateste  (C.  I.  L.  V,  2475), 
Aquileia  (das.  784.  884  [Dessau  2471]),  Ravenna  [vielmehr  Salonae]  (Mur.  531,  3 
[CLL.  XI,  136  =  III,  142501  =  Dessau  7311])  und  das  kürzlich  in  Carnuntum 
sum  Vorschein  gekommene  unter  magistri  stehende  collegium  veteranormn  cento- 
nari(yrum  (C.  I.  L.  III,  4496  a  [mit  add.  11097  =  Dessau  7245])  haben,  eben  weil 
ie  städtische  sind,  mit  unseren  Lagerstädten ,  obwohl  auch  in  diesen  die  Vete- 
ranen eine  Rolle  spielen,  durchaus  nichts  gemein.  [Vgl.  L.  Halkin,  Les  Colleges 
le  veterans,    Revue   de   l'instr.  publ.  en  Belg.  38  (1895),  367  flf.;  39  (1896),  IE] 


190  I^'^  römischen  Lagerstädte. 

angewandt  wird,  ein  innerhalb  des  Stadtgebiets  abgegrenzter  Bezirk, 
also  ein  theils  an  den  Begriff  des  städtischen  Gemeinwesens  ange- 
lehnter, theils  auf  feste  Ortsangehörigkeit  aufgebauter  Kechtsbegriff 
und  in  beider  Hinsicht  der  gerade  Gegensatz  der  Lagerstadt.  Die 
Bezeichnung  res  publica  unterliegt  solchen  Einwendungen  nicht,  wohl 
aber  mangelt  ihr  jede  Proprietät,  indem  sie  lediglich  das  Vorhanden- 
sein corporativer  Rechte  bezeichnet  und  insofern  von  Staat,  Stadt, 
313  Gilde  und  überhaupt  von  jedem  Gemeinwesen  gleichmässig  gebraucht 
werden  kann;  weshalb  in  der  besseren  Zeit  bestimmt  definirte  Ge- 
meinwesen sich  nicht  leicht  derselben  appellativ  bedienen.  In  der 
That  gab  es  für  diese  nicht  an  ein  bestehendes  bürgerliches  Ge- 
meinwesen angelehnte  und  doch  auch  selber  nicht  sesshafte  Corporation 
eine  adäquate  Bezeichnung  in  der  römischen  Rechtssprache  überall 
nicht,  und  es  ist  in  der  Ordnung,  dass  mit  der  Sache  auch  der  mehr 
und  mehr  appellativisch  gebrauchte  ^  Namen  der  Canabae  und  Cana- 
henses  sich  als  eine  gewissermassen  für  sich  stehende  Rechtskategorie 
entwickelt  hat. 

Fragen  wir  weiter,  nachdem  das  Wesen  der  Lagerstadt  im 
Allgemeinen  festgestellt  worden  ist,  nach  den  Bedingungen  der 
Zugehörigkeit  oder  dem,  was  hier  das  Bürgerrecht  vertritt,  so  ge- 
hören dazu  zweierlei:  der  Besitz  des  römischen  Bürgerrechts  und 
das  Domicil  im  Lager,  so  dass  also  die  im  Lager  verweilenden 
.  Peregrinen  ebenso  von  der  Lagerstadt  ausgeschlossen  sind,  wie  alle 
nicht  im  Lager  verweilenden  römischen  Bürger.  Wir  finden  in 
unseren  Inschriften  die  Zugewandten  dieser  Gemeinwesen  folgender- 
massen  bezeichnet^: 

a)  veterani  et  cives  Ilomani  consistentes  ad  canahas  le(/ionis  Ulms 
(N.  8)  oder  ad  legioncm  illani  (N".  11).*) 


1)  Diese  Wandelung  des  Sprachgebrauchs  zeigt  sich  deutlich  darin ,  dass 
in  Apulum  der  erste  Magister  sich  nennt  magistrans  in  canabis  (N.  3),  während 
in  der  späteren  Formel  deeurio  Kanabarum  (N.  6)  das  Wort  nach  Art  der  Stadt- 
namen behandelt  wird;  ferner  in  dem  Ethnikon  Canabensis,  nicht  canabarius 
['dieses  jedoch  C.  I.  L.  XIII,  6730  =  Dessau  4615:  Westd.  Korrbl.  1905  S.  101.  194" 
BANG];  vgl.  aquarius  neben  Aquensis. 

2)  Die  veterani  et  ho[mines  ad]  legionem  II  A[ugustam  consistentes]  derj 
Inschrift  N.  19  berücksichtige  ich  nicht,  theils  weil  die  Ergänzungen  nicht 
sicher  sind,  theils  weil  nicht  feststeht,  dass  die  Bewohner  dieser  Lagerstadti 
Corporationsrechte  gehabt  haben.  Wäre  die  Ergänzung  sicher,  so  würde  daraus  | 
dass  hier  die  peregrini  nicht  ausgeschlossen  werden,  vielmehr  gefolgert  werdei 
müssen,   dass  dieser  Lagerortschaft  Corporationsrechte  nicht  zugekommen  sind 

*)  [Oder  cives  Bomani  et  consistentes  in  canabis  legionis  illius  (oben  S.  18 
Nachtr.).]  ■^-  ^^ 


Die  römischen  Lagerstädte.  191 

b)  cives  liomani  legionis  illius  (N.  7). 

c)  cives  Bomani  Tr[oesmi  consistentes]  (N.  10). 

d)  cives  liomani  Mogontiaci  (N.  14.   15.  IG.  17),  auch  mit  "Weg- 

lassung des  letzten  Worts  N.  18). 

e)  Canahenses  (N.  5.   13). 

Also  was  bei  wirklichen  Stadtgemeinden  vollen  römischen  Bürger- 
rechts unerhört  ist,  dass  der  Bürger  derselben  sich  zugleich  als 
römischen  Bürger  bezeichnet,  kehrt  hier  in  der  Weise  sich  um,  dass 
die  Erwähnung  des  römischen  Bürgerrechts  durchaus  in  erster  Linie 
erscheint,  und  eher  der  Lagerort  selbst  als  diese  wegbleibt;  auf  den 
letzteren  selbst  aber  wird  die  Kategorie  civis  niemals  bezogen.  Es  ist  314 
dies  auch  wohl  erklärlich,  ja  in  der  That  nur  die  folgerichtige  Ent- 
wickelung  des  oben  aufgestellten  Princips.  Der  Bürger  von  Köln 
heisst  civis  Agripjnnensis,  nicht  civis  Romanus  Agrippinensis^^  da  die 
örigo  von  Köln,  wie  von  jeder  anderen  Colonie  und  jedem  andern 
Municipium,  nur  erworben  werden  kann  mit  der  communis  origo  zu- 
gleich und  insofern  in  dem  civis  Ägrippinensis  der  civis  Romamis 
schon  von  selbst  und  mit  rechtlicher  Noth wendigkeit  enthalten  ist. 
Aber  der  Angehörige  einer  Lagerstadt  konnte  so  wenig  civis  derselben 
heissen,  wie  sie  selbst  municipium;  es  war  demnach  erforderlich  ent- 
weder die  beiden  Requisite,  das  römische  Bürgerrecht  und  das 
Consistiren  im  Lager  ausdrücklich  auszusprechen  (a)  oder  doch  durch 
Nennung  der  Legion  oder  des  Ortes  letzteres  anzudeuten  {b,  c,  d)  oder 
in  den  neuen  technischen  Ausdruck  Canahenses  (e)  eben  dieselbe 
Bedeutung  hineinzulegen. 

Eine  besondere  Erwägung  verdient  noch  die  Hervorhebung  der 
Veteranen,  welche  nicht  bloss  in  den  beiden  Inschriften,  die  die 
Canahenses  am  genauesten  determiniren  (N.  8.  11),  für  sich  und  vor 
den  cives  Romani  genannt  werden,  sondern  auch  nach  Ausweis  der 
übrigen  Inschriften   offenbar   den  eigentlichen   Stamm    dieser  Lager- 


1)  Sichere  Belege  für  die  letztere  Ausdrucksweise  giebt  es  meines  Wissens 
[nicht.     In  einer  Inschrift  von  Emerita  begegnet   ein  freigelassener  Emeritensis 
\^(ms)  B(omanus)  C.  I.  L.  II,  494  und  in  Italica  ein  Freigeborner,  wie  es  scheint, 
;.  J2.  c.  V.  Italieensium  (das.  1135),   was  Hübner  mit   dvis  Romanus  coloniae  V 
....  Italieensium  aufgelöst  hat.    Beide   sind  nicht  unbedingt  sicherer  Lesung, 
ndess  ist  jene  Auflösung  möglich,  wenn  man  sich  erinnert,  dass  die  Freilassung 
mter  Umständen  latinisches   Recht  gab.      Die   letztere  dagegen    schafft  einen 
irgen   Solöcismus   und   es  verbirgt    sich   in   den   räthselhaften  Buchstaben  wohl 
icher  etwas  anderes.     Sollte   aber  auch  eine  oder  die  andere  Ausnahme  nach- 
gewiesen werden,  so  würde  sie  nur  die  lange  Reihe  der  inschriftlich  belegbaren 
chuitzer  vermehren  und  weder  die  allgemeine  Regel  erschüttern  noch  den  für 
lainz  nachgewiesenen  besonderen  Sprachgebrauch. 


J92  l^ie  röniischen  Lagerstädte. 

Städte  gebildet  haben,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  in  den  Canabae 
der  einzelnen  Legion  die  Yeteranen  nicht  bloss  derselben  Legion 
(N.  5.  8.  9.  12.  14.  16.  18),  sondern  auch  anderer  (N.  7),  sowie  der 
Auxiliartruppen  (N.  4)  erscheinen.  Selbstverständlich  ist  die  Be- 
315  Zeichnung  veterani  et  cives  Bomani  nicht  gegensätzlich  zu  nehmen, 
sondern  in  dem  Sinn  'die  Yeteranen  und  die  übrigen  römischen 
Bürger';  schon  deshalb,  weil  wenigstens  factisch  mit  der  Yeteranen- 
qualität  der  Besitz  des  römischen  Bürgerrechts  verbunden  war^ 
Darum  nennt  auch  die  Mehrzahl  der  Inschriften  die  Canabenses 
einfach  cives  Romani.  Aber  aus  factischen  wie  aus  rechtlichen 
Gründen  erklärt  sich  das  Yorwiegen  der  Yeteranen  in  diesen  Lager- 
städten recht  wohl.  Die  Zahl  derselben  musste  bedeutend  sein. 
Bekanntlich  wurden  die  Soldaten,  auch  nachdem  sie  die  Entlassung 
empfangen  hatten,  besonders  in  der  früheren  Kaiserzeit  häufig  in 
militärischer  Organisation  (sub  vexillo)  bei  ihrem  Corps  zurückgehalten; 
und  obwohl  man  zweifeln  kann,  ob  diese  ausgedienten,  aber  noch 
militärisch  geordneten  und  verwendeten  Mannschaften  den  Canabenses 
angehört  haben,  dürften  doch  überwiegende  Gründe  dafür  sprechen 
diese  Frage  zu  bejahen 2.  Aber  auch  wer  sie  verneint,  wird  nicht 
in  Abrede  stellen  können,  dass  auch  diejenigen  Yeteranen,  die  nicht 
mehr  bei  der  Fahne  zu  bleiben  verpflichtet  waren,  häufig  es  vor- 
ziehen mochten  an  demselben  Orte  ihren  Wohnsitz  aufzuschlagen 
und  in  den  Lagerstädten  ihr  Leben  zu  beschliessen.  —  Wichtiger 
aber  noch  als  dieses  factische  ist  ein  rechtliches  Moment.  Wenn 
für  die  Kaiserzeit  wenigstens  es  feststeht,  dass  der  römische  Bürger 
der  Regel  nach  einem  der  anerkannten  Gemeindeverbände  angehören 
soll,  so  bleibt  es  zweifelhaft,  inwiefern  bei  der  Yerleihung  des  Bürger- 
rechts sowohl  an  andere  Peregrinen^  wie  insbesondere  an  die  desselben 

1)  Vgl.  C.  I.  L.  III  p.  905. 

2)  Die  vollständige  Behandlung  dieser  Frage  würde  auf  ein  ganz  anderes 
Gebiet  führen  und  ist  für  den  nächsten  Zweck  unserer  Erörterung  nicht  schlecht- 
hin erforderlich ;  ich  begnüge  mich  auf  Marquardts  Auseinandersetzung  3,  2,  366 
[Staatsverw.  IP,  463  ff.]  zu  verweisen  und  die  beiden  Hauptargumente  anzuführen, 
welche  mir  die  Frage  zu  entscheiden  scheinen :  dass  die  Veteranen  sub  vexillo 
nicht  mehr  unter  dem  Legionslegaten  stehen  (Pseudo  -  Hygin  de  mun.  castr.  5) 
und  dass  die  curatores  veteranorum  ihre  Stipendia  zählen  (unten  S.  194  N.  5). 
Im  Uebrigen  ist  über  die  militärische  Organisation  der  vexilla  veteranorum  wenig 
bekannt.  Erwähnung  verdient  der  (centurio)  veteranorum  lcg(ionis)  IUI  Mac(e-  '< 
donicae)  einer  dalmatiner  Inschrift  (CLL.  III,  2817  [Dessau  2467])  aus  vor- 
vespasianischer  Zeit,  der  meines  Wissens  bis  jetzt  einzig  dasteht. 

3)  Die  Stellung  der  durch    die   Magistratur   zum   römischen    Bürgerrecht  ; 
gelangten  Bürger  der  latinischen  Städte  und  die  der  viritim  civitate  donati  führen 
zu  dem  gleichen  Dilemma. 


Die  römischen  Lagerstädte.  |93 

entbehrenden  Veteranen  dafür  gesorgt  ward,  dass  dieselben  nun  316 
auch  irgendwo  zum  Gemeindebürgerrecht  gelangten.  Nach  Augusts 
Absicht  war  ohne  Zweifel  die  Verleihung  des  Veteranenrechts  nur 
ein  vorbereitender  Act  für  die  Deduction,  und  insofern  diese  das 
Gemeindebürgerrecht  in  sich  schloss,  erledigt  sich  jenes  Bedenken. 
Aber  schon  unter  ihm  selbst  stockten  die  Deductionen,  und  die 
Frage  kehrt  also  wieder,  in  wie  fern  den  durch  die  Mission  zum 
Staatsbürgerrecht  gelangten  Veteranen  das  Gemeindebürgerrecht 
verschafft  ward.  Wir  haben  keine  Antwort  darauf,  und  es  ist  wohl 
möglich,  dass  die  römische  Regierung  selber  darauf  keine  gehabt 
hat;  wohl  aber  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Existenz  zahl- 
reicher rechtlich  heimathloser  Staatsbürger  mit  dazu  geführt  hat  in 
der  corporativen  Organisation  der  Lagerstädte  denselben  wenigstens 
ein  Surrogat  des  Heimathrechts  zu  schaffen. 

Versuchen  wir  die  corporative  Organisation  dieser  Gemeinwesen 
zu  erkennen,  so  tritt  uns  eine  doppelte  Form  entgegen,  eine  ältere 
von  mehr  militärischem  und  eine  jüngere  von  mehr  bürgerlichem 
Charakter,  die  sich  übrigens  beide  darin  begegnen,  dass  sie  der 
städtischen  Ordnung  sich  nähern,  ohne  sich  mit  dieser  völlig  zu 
decken. 

Gemeinsam  ist  allen  diesen  Gemeinden  das  Vorhandensein  des 
ordo  (N.  16)  oder  der  decuriones  (N.  4.  5.  6.  17).  Bekanntlich  werden 
beide  Bezeichnungen  so  weit  erstreckt,  wie  die  res  publica  reicht^, 
1  und  kann  also  ihr  Auftreten  hier  nicht  befremden.  Bemerkenswerth 
i  für  die  Annäherung  dieser  Körperschaften  an  die  eigentlichen  Städte 
bleibt  aber  immer  die  Häufigkeit  dieser  gewöhnlich  doch  nur  bei 
Städten  vorkommenden  Bezeichnungen  bei  den  Canabenses  und  ihre 
Parallelstellung  mit  dem  Decurionat  wirklicher  Municipien  und 
Colonien  (N.  4). 

Von  entscheidenderer  Bedeutung  ist  die  Organisation  der  Magi- 
stratur. Bei  dieser  ist  vor  allen  Dingen  die  negative  Thatsache 
jwichtig,  dass  das  eigentliche  Kennzeichen  des  Municipiums,  die 
JDuovirn  oder  Quattuorvirn ,  wie  bei  keinem  Vicus  und  keinem 
ICoUegium,  so  auch  in  keiner  der  Lagerstädte  auftreten,  sondern  der 
Vorstand  durchaus  anders  geordnet  erscheint. 

I  Die  ältere  Vorstandschaft  scheint  auf  dem  curator  veteranorum 
't  civium  Romanorum ,  qui  consistunt  ad  canabas  legioms  illius  zu 
beruhen.     Denn  so  dürfte  die  vollständige  Bezeichnung  oder,   wenn  317 


1)   Das  castellum  Arsacalitanum   hat   (rrdo   oder  Decurionen  (Renier  2364 
p.  I.  L.  VIII,  6041  cf.  19223  =  Dessau  6867]).  Der  Ordo  der  Collegien  ist  bekannt. 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  13 


-[94  I^iö  römischen  Lagerstädte. 

man  will,  Umschreibung  dieses  Amtes  gelautet  haben,  auf  die  wir 
freilich  nur  aus  verschieden  abgekürzten  Formen  zurückzuschliessen 
vermögen.  —  Ich  stelle  zunächst  diejenigen  Inschriften  zusammen, 
die  für  diese  bis  jetzt  wenig  beachtete  Institution^  in  Betracht  zu 
komhien  scheinen,  auf  die  Gefahr  hin  einzelnes  vielleicht  derselben 
Fremdartige  hereinzuziehen  2. 

1.  veteranus  leg.  XVI,  curator  civium  Boman[or(um)]  Mogontiaci. 

—  Oben  S.  185  N.  14. 

2.  q(uaestor),    c(urator)   c(ivium)  R(omanorum)  M(ogontiaci).  — 

Mainz,  vom  Jahre  198.  Oben  S.  185  N.  15. 
^[3.  4.  Fortunae  Aug(ustae)  sac(rum)  C.  Nemonius  Senecio  c(urator) 
v(eteranoruni)*)  et  T.  Tertius  Felix  q(uaestor)  et  C.  Atius 
Verecundus  act(or)  d(e)  s(uo)  p(osuerunt).  —  Mainz.  Bram- 
bach  C.  I.  Rh.  1049  [C.  I.  L.  XIII,  6676  =  Dessau  2469J. 
Die  vorgeschlagene  Auflösung  der  Buchstaben  C*  V*  muss 
sich  selber  vertreten;  andere  Belege  dafür  habe  ich  nicht 
anzuführen.  —  Die  verwandte  ebenfalls  Mainzer  Inschrift 
Brambach  984  [C.  I.  L.  XIII,  6775]  ist  zu  Anfang  defect; 
von  den  drei  Dedicanten  scheint  der  erste  ohne  Titel  auf- 
tretende der  Curator  zu  sein,  während  der  zweite  sich 
[qua]esfor,  der  dritte  ador  nennt. 

5 princeps  II   (wohl    =  posterior)    leg.   XIIII  gem(mae) 

(vixit)  an(nos)  LXIII,  (meruit)  stip(endia)  XLVI,  milit(aria) 
XVI,  curatoria  veteran(orum)  IUI,  evocativa  III.  — Boppard. 
Brambach  C.  I.  Rh.  717  [C.  I.  L.  XIII,  7556  =  Dessau  2649]. 
Zum  Verständniss  der  Inschrift  wird  man  voraussetzen  müssen, 
dass  der  Betreffende  als  Prätorianer  nach  vollendeter  16  jähriger 
Dienstzeit  die  Mission  empfing,  dann  4  Jahre  als  curator  vetera- 
norum,  3  Jahre  als  evocatus  und  23  Jahre  als  Centurio  diente.**) 


1)  Zumpt  comm.  epigr.  1,  S.  463  stellt  einiges  darüber  zusammen. 

2)  Die  Inschrift  von  Ofen  C.  I.  L.  III,  3513:  SACRVM  |  SEX  •  POMjlVS  • 
CVRAT|LEG  •  XIII  •  C  ist  als  defect  und  verlesen  unbrauchbar.  In  dem  activen 
Militärdienst  kommen  von  Curatoren  nur  vor  der  fisci  curatoi',  der  curator  equitum 
singularium  (Henzen  ann.  delF  inst,  1850  S.  47)  und  der  nicht  eigentlich  titulare 
als  curator  cohoHis  fungirende  Legionscenturion  (archäol.  Zeitung  1869  S.  126). 
[Weitere  derartige  Curatoren  s.  bei  v.  Domaszewski,  Rangordnung  des  röm. 
Heeres  (Bonn.  Jahrb.  117,  1908)  S.  269.] 

*)  [c(urator)  v(ici)  Bergk  Westd.  Zeitschr.  I  (1882)  S.  511 ;  vgl.  C.  I.  L.  XIII,  2 
p.  303.] 

**)  [Vgl.  V.  Domaszewski  N.  Heidelb.  Jahrb.  X  (1900)  S.  224.] 


Die  römischen  Lageratädte.  195 

6.  P.  Tutilius  P.  f.  0[uf.]  veteranus  sign[ifer]  aquilifer  leg.  F  . . . . 

curator  vete[ran(ormn)].      Geboren  war   derselbe   71 1    d.  St. 
und  starb  782  d.  St.  =  n.  Chr.  29,  diente  also  unter  Augustus.  31! 
—  Mailand.  Henzen  6854  =  C.  I.  L.  V,  5832  [Dessau  2338]. 

7.  L.  Sertorius  L.  f.  Pdb.  Finnus  signif(er)  aquil(ifer)  leg(ionis) 

XI  Claud(iae)  piae  fidelis,  missus,  curat(or)  veter(anorum) 
lcg(ionis)  eiusdem.  —  Yerona,  Henzen  6810  =  C.  I.  L.  V, 
3375  [Dessau  2339]. 

8 Plancus  curator  veteranorum  leg.  IUI  Macedonic[a]e.  — 

Turin.  Grut.  557,  3  =  CLL.  V,  7005  [Dessau  2464].  Die 
Inschrift  gehört  in  die  Epoche  der  ersten  Dynastie,  da  die 
vierte   macedonische   Legion  von  Yespasian  aufgelöst  ward. 

9.  Sex.  Iu[lius  .../*.]  Ani.  Silva[nus]  ....  summus  c[uratm' 
c(iviuni)  P(omanorum)\  suffragio  [veferanor(um)]  leg(ionis) 
VII  C(laudiae)  p(iae)  f(idelis).  —  Aequum.  C.  L  L.  III,  2733. 
Die  Ergänzung  ist  angelehnt  an  die  Lyoner  Inschrift  Orelli 
4020  [C.  I.  L.  XIII,  1921  =  Dessau  7024]:  Sex.  Ligurim 
Sex.  fd.  Galeria  Marinus  summiis  curator  c(ivium)  P(oma~ 
norum)  provinc(iae)  Lug(udunensis)*)  und  nicht  sicher,  aber 
wahrscheinlich. 
10.  C.  Vettius  Q.  f.  Pol.  eq(ues)  leg(ionis)  VIII  Aug(ustae)  an- 
n(orum)  XLIIX,  stip(endiorum)  XXVIII,  idem  quaestor 
veteranorum.  —  Klagenfurt.    C.  I.  L.  III,  4858  [Dessau  2466]. 

Es  waren  also  die  Veteranen  einer  jeden  Legion  als  Körper- 
schaft organisirt.  Dass  dabei  nicht  die  Yeteranen  der  Legion  über- 
haupt gemeint  sind,  sondern  an  die  noch  im  Lager,  sei  es  sub  vexülo 
.sei  es  freiwillig  verweilenden  zu  denken  ist,  folgt  theils  aus  der 
iNatur  der  Sache  -^  denn  wie  und  wozu  wäre  den  in  alle  Welt 
jerstreuten  Yeteranen  der  Legion  ein  Yorstand  gegeben  worden? 
—  theils  aus  der  kaum  abzuweisenden  Gleichartigkeit  des  curator' 
\ivium  Romanorum  Mogontiaci,  der  zugleich  Veteran  der  16.  in 
jlainz  garnisonirenden  Legion  war  (N.  1 ),  mit  dem  curator  veteranorum 

!er  übrigen  italischen  Inschriften.  Man  wird  demnach  auch  diese 
iura  nicht  auf  die  Veteranen  beschränken,  sondern  auf  sämmtliche 
ei  der  Legion  verweilende  Personen  römischen  Bürgerrechts  er- 
wecken dürfen;  was  durch  die  Analogie  der  vcterani  et  cives  Bomani 


*)  [Zu  vergleichen  ist  der  summus  curat(&r)  c(ivium)  B(omanorum)  pi'o- 
nc(iae)  Aqui[t(aniae)]  C.  I.  L.  XIII,  1900  =  Dessau  7025  und  dazu  Kornemann, 
i  civ.  Rom.  in  prov.  imp.  consist.  S.  34.] 

13* 


19g  Die  römischen  Lagerstädte. 

von  Troesmis  und  Aquincum  weiter  gestützt  wird.  —  Dass  es  zur 
Zeit  nur  einen  Curator  gab,  zeigen  die  Inschriften  N.  3.  4;  und  auch 
aus  dem  Titel  summus  curator,  wenn  er  mit  Recht  hergestellt  worden 
ist  (N.  9),  dürfte  nicht  das  Gegentheil  folgen,  so  wenig  wie  der 
analoge  summus  magister  einzelner  Pagi  der  erste  von  mehreren  ist. 
319  —  Dass  die  Stellung  mehr  als  militärische  denn  als  bürgerliche 
betrachtet  wird,  zeigt  die  Anwendung  der  Stipendienzählung  darauf 
(N.  5).  Dennoch  hat  sie,  wenn  N.  9  richtig  ergänzt  ist,  nicht  auf 
Ernennung  durch  den  Oberofficier,  sondern  auf  Wahl  der  Genossen 
beruht,  was  auch  kaum  anders  sein  kann,  da  ja  selbst  die  noch 
unter  der  Fahne  stehenden  Veteranen  doch  dem  Legionslegaten 
nicht  mehr  untergeben  sind  (S.  192  A.  2),  —  Dem  militärischen  Rang 
nach  steht  diese  Cura  nicht  hoch,  was  wohl  auch  damit  zusammen- 
hängt, dass  sie  von  der  Genossenschaft  selber  besetzt  wird.  Die 
Inschriften  N.  5.  6.  7  zeigen,  dass  der  curator  veteranorum  niedriger 
steht  als  der  evocatus,  also  um  so  mehr  niedriger  als  der  Centurio, 
und  ungefähr  gleich  mit  den  angesehensten  Chargirten  unter  den 
Gemeinen,  insbesondere  dem  Adlerträger.  —  Neben  und  unter  dem 
Curator  stehen  der  quaestor  veteranorum  (N.  10)  oder  civium  Boma- 
norum  (N.  2),  auch  quaestor  schlechtweg  (N.  3.  4),  und  der  ador 
(N.  3.  4),  welcher  Ausdruck  hier,  wie  bei  dem  actor  puUicus  der 
Städte^,  einen  Beamten  bezeichnet. 

Die  eben  dargestellte  Ordnung  hat  erweislich  (N.  6)  bereits  in 
augustischer  Zeit  bestanden,  und  wenn  sie  auch  in  dieser  Form 
nicht  republikanisch  sein  kann,  da  in  der  Epoche  der  Republik  es 
weder  stehende  Truppen  noch  Veteranen  im  späteren  Sinne  gab, 
so  lehnt  sie  sich  doch  wahrscheinlich  an  republikanische  Einrichtungen 
an.  Die  conventus  civium  Romanorum,  das  heisst  die  innerhalb  eines 
römischen  Jurisdictionsbezirkes  verweilenden  römischen  Bürger,  er- 
scheinen schon  in  republikanischer  Zeit^  im  Besitz  von  Corporations- 
rechten;  sie  ernennen  sich  Patrone  und  besitzen  einen  Tempel  mit 
einem  flamen  conventus^;  wenigstens  in  einem  derselben,  dem  con- 

1)  Henzen  6432.  6532.  6931  [C.  I.  L.  IX,  2827  =  Dessau  5982.  IX,  2228  (ist 
zu  streichen).    XIII,  1684  =  Dessau  1441]. 

2)  Cicero  pro  Sestio  4,  9:  conventus  ille  Capuae,  qui  propter  salutem  üUns 
urMs  consulatu  conservatam  meo  me  unum  patronum  adoptavit.  Dieser  conventus, 
entgegengesetzt  der  bald  nachher  dort  begründeten  Colonie,  ist  der  Jurisdictions- 
bezirk  der  praefecti  Capuam  Cumas. 

3)  Sacerd(os)  perp(etiut)  Ilom(ae)  et  Aug(usti)  conventuus  Bracaraug(uMani) 
C.  I.  L.  11,  2416  [Dessau  6924].  Aehnlich  das.  2426.  3418  [Dessau  6952].  4215. 
4223  [Dessau  6931.  6932].  Vgl.  auch  die  von  dem  conventus  Asturum  gesetzte 
Inschrift  Henzen  5212  [C.  I.  L.  XII,  1855  =  Dessau  1380]. 


I 


Die  römischen  Lagerstädte.  197 

ventus  der  Helvetier,  tritt  sogar  auch  ein  ciirator  civium  Romanorum 
auf^.  Wie  weit  diese  Entwiekelung  gediehen  ist,  vermögen  wir  320 
nicht  zu  sagen,  und  am  wenigsten  können  diese  eine  besondere 
Untersuchung  erfordernden  Verhältnisse  hier  beiläufig  erledigt  werden; 
aber  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  unter  gewissen  Umständen 
die  innerhalb  eines  römischen  Jurisdictionssprengels  lebenden  römi- 
schen Bürger  nicht  blos  eine  Corporation,  sondern  sogar  ein  factisch 
der  Stadt  analoges  Gemeinwesen  gebildet  haben.  Zwar  wo  der 
Hauptort  des  Sprengeis  eine  Stadt  latinischen  oder  griechischen 
Rechts  war,  konnte  dies  nicht  wohl  der  Fall  sein;  die  römischen 
Bürger  des  Sprengeis  von  Aquileia  oder  von  Ephesos  sind  gewiss 
nie  mehr  gewesen  als  ausserhalb  dieser  Gemeinden  stehende  Gilden 
fremder  Geschäftsleute.  Aber  anders  mussten  sich  die  Verhältnisse 
entwickeln,  wo  eine  solche  Gilde  sich  nicht  an  ein  den  römischen 
gleichartiges  Gemeinwesen  anlehnte,  sondern  auf  sich  selbst  stand. 
Dies  war  der  Fall  zum  Beispiel  in  Capua,  so  lange  dies  des  Stadt- 
rechts entbehrte,  und  in  den  alten  bereits  in  republikanischer  Zeit 
blühenden  römischen  Handelsplätzen  in  Illyricum  Nauportus,  Salonae, 
Narona.  Von  jenem  Capuaner  Convent  sagt  Cicero,  dass  er  nur 
dem  Namen  nach  sich  von  einer  Stadtgemeinde  unterschieden  habe^; 
und  die  letztgenannten  illyrischen  Ortschaften  stehen,  wenn  auch 
ohne  Stadtgerechtigkeit,  doch  als  oppida  civium  Romanorum  unter 
zwei  magistri  und  zwei  Quästoren;  ihre  magistri  bauen  die  Mauern 
und  im  Kriegsfall  schliessen  sie,  wie  die  wirklichen  Städte,  ihre 
Thore  und  lassen  sich  belagern^.  Ohne  Zweifel  sind  sie  es,  welche 
für  die  um  ein  römisches  Hauptquartier  sich  sammelnde  Bürger- 
bevölkerung und  deren  corporative  Organisation  das  Muster  gegeben 
Eaben.  Die  Verhältnisse  waren  in  der  That  so  völlig  identisch,  dass 
die  einfache  Uebertragung  der  bestehenden  Formen  ausreichte;  denn 
ob  der  Kreis  der  Corporationsgenossen  auf  eine  Ortschaft  oder  einen 
Kreis  oder  eine  Provinz  bezogen  ward,  machte  keinen  wesentlichen 
Unterschied. 

Aber  es  scheint,  als  gehöre   die   bezeichnete  corporative  Orga- 
nisation überwiegend  der   früheren  Kaiserzeit  an.      Von  den    oben 


1)  Inscr.  Helvet.  122,  133  [C.  I.  L.  XIII,  5013.  5026  =  Dessau  7011].  Analog 
ist  der  oben  S.  195  N.  9  angeführte  summus  curator  cßvixim)  B(omanorum)  pro- 
vinc(iae)  Lug(udunensis). 

2)  a.  a.  0.:  iidem  homines  nomine  commutato  coloni  decurionesque. 

3)  Eine  eingehende  Erörterung  dieser  Verhältnisse  fehlt,  so  viel  ich  weiss ; 
Ober  die  drei  illyrischen  Städte  ist  im  C.  I.  L.  III  S.  291.  304.  433  gesprochen. 
Auch  der  Convent  von  Corduba  bei  Cäsar  b.  c.  2,  19  tritt  ähnlich  auf. 


198  ^^^  römischen  Lagerstädte. 

321  beigebrachten  zehn  Inschriften  fallen  drei  (N.  1.  6.  8)  nachweislicljt 
vor  Yespasian  und  auch  die  übrigen  wahrscheinlich  in  die  frühere 
Kaiserzeit  mit  Ausnahme  der  drei  in  Mainz  gefundenen  (N.  2.  3.  4), 
von  denen  die  eine  datirte  aus  dem  Jahre  198  herrührt.  Danach 
dürfte  diese  Einrichtung  als  allgemeine  das  erste  Jahrhundert  kaum 
überdauert  und  nur  in  Mainz  örtlich  fortbestanden  haben;  wobei 
man  sich  daran  erinnern  mag,  dass  das  Mainzer  Lager  von  Augustus 
bis  in  die  späte  Kaiserzeit  unverrückt  bestanden  hat,  während  die 
meisten  übrigen  Legionslager,  und  namentlich  sämmtliche  im  Donau- 
gebiet gelegene,  in  Folge  des  Vordringens  der  römischen  Waffen 
den  Ort  gewechselt  haben.  —  Welche  Ursachen  zu  dem  Fallenlassen 
dieser  Form  geführt  haben,  ist  nicht  mit  Sicherheit  auszumachen. 
Die  seltsame  zwischen  militärischer  und  bürgerlicher  schwankende 
Stellung  des  curator  veteranorum  hat  wahrscheinlich  dabei  mitgewirkt; 
aber  es  mag  darauf  auch  das  Zurücktreten  der  convenius  civium 
Romanorum  überhaupt^  Einfluss  gehabt  haben,  das  wieder  mit  dem 
Aufblühen  von  eigentlichen  Städten  römischer  Verfassung  in  den 
Provinzen  zusammenhängen  wird. 

Dagegen  stellt  in  den  Lagerstädten  jetzt  eine  andere  Organisation 
sich  ein,  die  uns  am  klarsten  in  den  Denkmälern  von  Troesmis  ent- 
gegentritt, aber  auch  in  Aquincum,  Apulum,  Asturica  gleichartig 
gewesen  zu  sein  scheint.  Als  Obrigkeiten  erscheinen  zwei  magistri 
(N.  3.  8.  9  12,  20)  und  ein  einziger  Aedilis  (N.  8.  9),  woneben  noch  ei« 
aedis  custos  (N.  7)  auftritt.  Augenscheinlich  ist  dies  eine  Nachbildung 
d6r  gewöhnlichen  Municipalmagistratur,  der  Duovirn  und  der  zwei 
Aedilen,  aber  eine  Nachbildung  von  der  Art,  dass  das  Gemeinwesen 
dadurch  als  das  Gegentheil  des  städtischen  charakterisirt  werden 
soll.  Denn  als  magistri  werden  hier,  wie  überall  im  Sprachgebrauch 
der    spätem  Zeit,    die   Priester    im  Gegensatz    zu    den  Magistraten 

322  bezeichnet^,  und  damit  die  betreffende  Corporation  als  eine  nicht 
politische,  sondern  sacrale.  um  ihren  Tempel  sich  gruppirende  Ge- 
meinde.   Den  einen  Aedilen  wird  man  ebenso  mit  dem  einen  Lictor 


'  1)  Ausser  dem  helvetischen  cowren^Ms  (S.  196/7)  und  dem  Curator  der  in  der 
Lugudunensis  verweilenden  römischen  Bürger  (S.  197  A.  1)  wüsste  ich  aus  In- 
schriften keine  sichere  Spur  der  Existenz  solcher  Verbände  beizubringen  [s,  jedoch 
oben  S.  195  A.  *].  Einigermassen  gehören  hierher  freilich  die  cives  Bomani  ex 
Italia  et  alüs  provinciis  in  Raetia  consistentes  (oben  S.  187  A.  3),  die  cives  Bomani 
qui  negotiantur  Bracaraugustae  (C.  I.  L.  II,  2423)  und  was  der  Art  weiter  sich 
vorfindet;  aber  die  letzteren  Documente  zeugen  nicht  bestimmt  für  den  eigentlich 
corppratiyen  Verband  der  darin  Genannten. 

2)  Mein  röm.  StaÄfea^ftht  1,  44  [3.  Aufl.  S.  8]. 


Die  römischen  Lagerstädte.  IQG 

zuBammenstellen  dürfen,  ipit  welchem  Germanicus  die  für  Lictoren 
verschlossene  Stadt  Athen  betrat.  Aehnliche  Ordnungen  finden  wir 
auch  sonst  bei  den  vici  und  pagi,  bei  denen  zwei  oder  auch  mehr 
magistri  und  da,nebeti  Aedilen,  vielleicht  sogar  in  der  Einzahl  auf- 
treten^. Bei  allen  sehr  mannich faltigen  localen  Besonderheiten,  die 
uns  hier  entgegentreten,  tritt  die  Analogie  der  Organisation  der  ]}ag't 
und  vici  und  derjenigen  der  Lagerstädte  ebenso  bestimmt  hervor, 
wie  ihre  correlate  Gegensätzlichkeit  zu  der  eigentlich  municipalen 
Ordnung.  —  Der  hauptsächliche  Unterschied  dieser  Organisation  von 
der  älteren,  so  weit  wir  die  Verhältnisse  zu  erkennen  vermögen,  ist 
der  rein  bürgerliche  Charakter  der  jüngeren  im  Gegensatz  zu  dem 
mehr  militärischen  der  älteren  Ordnung;  und  dies  ist  auch  wohl,  wie 
schon  gesagt  ward,  der  Grund  der  Umgestaltung  gewesen. 

Der  Zeit  nach  können  wir,  wie  das  Bestehen  der  älteren  Ord- 
nung, wenigstens  als  der  allgemeinen,  nur  für  die  julisch-claudische 
Zeit,  so  das  Bestehen  der  jüngeren  nur  für  das  zweite  Jahrhundert 
nachweisen,  insbesondere  für  die  Zeit  von  Hadrian  (N.  8)  und  Pius 
(N.  1,  2.  9.  10).  Es  liegt  in  der  Natur  solcher  Mittelzustände,  wie 
insbesondere  die  zuletzt  geschilderten  der  Canahenses  sind,  nicht  zu 
dauern  und  allmählich  in  die  volle  Entwickelung  überzuleiten;  und 
.80  finden  wir  es  auch  hier.  Die  alte  Regel  der  Incompatibilität  von 
Lager  und  Stadt  fiel,  zuerst  in  einzelnen  Ausnahmen,  dann  allgemein; 
schon  am  Ausgang  des  zweiten  und  bestimmter  noch  im  dritten 
Jahrhundert  sind  umgekehrt  die  hauptsächlichen  und  besonders  die 
älteren  Mittelpunkte  der  militärischen  Organisation  der  Mehrzahl 
nach  auch  Städte  römischer  Ordnung.  Ein  kurzer  Ueberblick  dieses  323 
letzten  Entwickelungsstadiums  mag  diese  Darlegung  beschliessen. 

Der  erste  Kaiser,  welcher  jenes  Incompatibilitätsgesetz  gebrochen 
hat,  ist  Traian,  indem  er  der  städtischen  Ansiedelung  bei  Vetera 
(Xanten)  unter  dem  Namen  Traiana  Colonierecht  verlieh,    ohne  die 

1)  Am  meisten  nähert  sich  dieser  Ordnung  die  Vorstandschaft  des  vicus 
Furfo  (C.  I.  L.  I,  603  [=  IX,  3513  =  Dessau  4906]),  wenn  man  die  beiden  nicht 
näher  bezeichneten  Personen,  welche  die  Dedication  vollziehen,  als  magistri  fasst 
und  aus  den  Worten :  aedilis,  quem  qtumique  veieus  Furfens(is)  fecerit  .  .  .  aedilis 
mültatio  esto  den  (freilich  nicht  ganz  sicheren)  Schluss  zieht,  dass  es  dort  nur 
einen  Aedilen  gab.  Anderswo  freilich  finden  wir  drei  Aedilen  eines  Pagus 
(I.  N.  5474  =  Benzen  7038  [C.  I.  L.  IX,  3312  =  Dessau  5773]),  während  aus  den 
meisten  der  sparsamen  Inschriften  von  Aedilen  eines  Pagus  oder  Vicus  die 
Zahl  nicht  erhellt.  Inscr.  Helvet.  87  =  Orell.  259  [C.  I.  L.  XII,  2611]:  officio 
inter  convicanos  suos  functo  aedil(itatis).  Orelli  3984  [C.  I.  L.  XII,  1711]:  aedüis 
pagi  Aletani.  Ann.  dell'  Inst.  1854  S.  43  [C.  I.  L.  XII,  1377  =  Dessau  5614]:  aed. 
pag.  Bag. 


200  I^iß  römischen  Lagerstädte. 

Legion  zu  verlegen.  Dabei  ist  nicht  zu  vergessen,  dass  damals 
dieses  Standlager  nebst  dem  von  Mainz  von  allen,  wenigstens  denen 
in  den  Provinzen  lateinischer  Zunge,  am  längsten  bestand,  die  dazu 
gehörige  Lagerstadt  also  wahrscheinlich  im  Yerhältniss  gewachsen 
war;  wie  denn  schon  vierzig  Jahre  früher  Tacitus  diese  Ansiedelung 
als  eine  ansehnliche  bezeichnet  (S.  182  A.  2).  Als  Regel  scheint  die 
Incompatibilität  auch  Traian  noch  festgehalten  zu  haben,  wie  sein 
Verfahren  in  Betreff  Poetovios  und  bei  der  Einrichtung  Daciens  zeigt 
(S.  178).  Wahrscheinlich  ist  es  Hadrian  gewesen,  der  den  Lager- 
städten der  drei  grossen  Lager  an  der  mittleren  Donau,  Carnuntum 
(Petronell  bei  Schwechat)  in  Ober-,  Aquincum  (Alt-Ofen)  in  Nieder- 
pannonien  und  Viminacium  (Kostolatz)  in  Obermoesien  Stadtrecht 
verliehen  hat,  denn  sie  alle  erscheinen  als  municipia  Äelia  und  führen 
diesen  Namen  ohne  Zweifel  von  ihm^.  Unter  Marcus  hat  Apulum 
(Karlsburg)  in  Dacien  gleiches  oder  doch  ähnliches  Recht  empfangen  ^. 
Besonders  bemerkenswerth  ist  es,  dass,  als  Severus  die  fünfte  mace- 
donische  Legion  von  Troesmis  (Iglitza)  in  Niedermoesien  nach  Potaissa 
(Thorda)  in  Dacien  verlegte,  nicht  bloss  der  Ort,  von  dem  die  Legion 
weggenommen  wurde,  Municipium  ward,  wenn  er  es  nicht  bereits 
324  war,  sondern  dass  auch  Potaissa  von  Severus  selbst  Colonierecht 
empfingt.  Ebenso  sind  noch  vor  Diocletian  die  drei  anderen  Legions- 
hauptquartiere im  Grebiet  der  mittleren  Donau,  Vindobona  (Wien) 
und  Brigetio  (Szöny)  in  Oberpannonien  und  Singidunum  (Belgrad) 
in  Obermoesien  mit  Stadtrecht  beschenkt  worden*.  Dasselbe  gilt 
ohne  Zweifel  auch  von  den  Standlagern  an  der  unteren  Donau 
Novae  (Svischtova)  und  Durostorum  (Silistria),  während  die  beiden 
an  dem  oberen  Flusslauf,   Castra  Regina  (Regensburg)   und  Lauria- 


1)  C.  I.  L.  III  S.  264.  439.  550,  wo  das  Nähere  ausgeführt  ist.  Dass  der 
Beiname  Aelium  auf  Pius  geht,  ist,  ausser  andern  Gründen,  schon  deswegen  nicht 
wahrscheinlich,  weil  dieser  den  Namen  seines  Adoptivvaters  nur  secundär  und 
als  Kaiser  gar  nicht  geführt  hat  [?]. 

2)  Zwischen  160  und  180  als  municipium  Aurelium.  Die  C.  I.  L.  111  S.  183 
gegebenen  Fristgrenzen  sind,  nachdem  das  S.  959  mitgetheilte  Document  die 
Existenz  der  canabae  für  das  J.  160  festgestellt  hat,  in  der  angegebenen  "Weise 
enger  zu  ziehen.  Indess  scheint  das  neue  Municipium  doch  nicht  sofort  volles 
Stadtrecht  und  namentlich  nicht  sofort  die  freie  jährliche  Wahl  seiner  Quattuor- 
vim  erhalten  zu  haben.  Denn  anders  lässt  sich  das  Vorkommen  eines  IUI  vir 
primiis  annualis  municipii  Septimii  Apuli  (C.  I.  L.  111,  1083  [Dessau  7143]) 
neben  dem  eines  primus  IUI  vir  municipii  Aureli  Apuli  (das.  1132  [Dessau 
7142])  nicht  wohl  verstehen  (das.  S.  183). 

B)  C.  I.  L.  III  S.  172.  999. 

4)  C.  I.  L.  III  S.  265.  539.  565. 


Die  römischen  Lagerstädte.  201 

cum  (Enns),  beide  erst  von  Marcus  eingerichtet,  Stadtrecht  nicht 
empfangen  haben  oder  wenigstens  dafür,  dass  sie  es  gehabt  haben, 
bis  jetzt  die  Beweise  mangeln^.  —  In  den  anderen  Provinzen  der 
lateinischen  Reichshälfte,  für  die  bis  jetzt  diese  Yerhältnisse  allein 
constatirt  sind,  zeigt  sich  eine  analoge  Entwickelung,  Dass  in  Spanien 
das  Lager  der  Legion,  das  heutige  Leon,  zu  städtischer  Entwickelung 
gelangt  sei,  ist  nicht  wahrscheinlich,  nicht  so  sehr,  weil  keine  Spur 
in  den  Inschriften  darauf  führt  2,  sondern  weil  dann  doch  die  An- 
siedlung  eine  städtische  Benennung  erhalten  haben  würde,  was 
schwerlich  der  Fall  gewesen  ist.  —  In  Numidien  finden  wir  den 
Lagerort  Lambaesis  späterhin  mit  Stadtrecht  ausgestattet;  ob  er  vor 
dieser  Verleihung  canabensisches  Recht  gehabt  hat,  wissen  wir  nicht 
und  können  auch  die  Epoche  seiner  Erhebung  zur  Stadt  nicht  sicher 
bestimmen,  obwohl  eine  Spur  auf  Hadrian  führt'.  —  In  Britannien 
hat  das  ansehnlichste  der  drei  Legionslager,  Eburacum  (York),  wir 
wissen  nicht  wann,  Colonierecht  empfangen*,  nicht  aber  die  beiden  325 
anderen  Isca  (Caerleon  in  Wales)  und  Castra  (Chester),  wofern  aus 
dem  Mangel  jeder  Spur  städtischer  Organisation  und  sogar  des 
Stadtnamens  ein  Schluss  gezogen  werden  darf ^.  —  Was  endlich  die 
rheinischen   Legionslager   anlangt,    so   ist   der  Colonie   Traiana    bei 

1)  Regensburg  hat  wohl  nie  römisches  Stadtrecht  gehabt,  da  es  nur  unter 
den  Namen  Castra  Regina,  Castra,  Legio  auftritt  (C.  I.  L.  III  S.  730).  Dagegen 
verdient  es  allerdings  Beachtung,  dass  unter  den  sparsamen  Denkmälern  von 
Lauriacum  aediles  collegii  iuvenutn  (C.  I.  L.  III,  5678)  begegnen  [Lauriacum  hat 
anscheinend  von  Caracalla  Stadtrecht  erhalten,  vgl.  Bormann  Oesterr.  Jahres- 
hefte 9  S.  316]. 

2)  C.  I.  L.  II  S.  369.  Asturica  kann,  nach  dem  oben  S.  186  Bemerkten, 
•wenn  überhaupt,  doch  nicht  mehr  für  diese  Epoche  als  Lagerstadt  betrachtet 
werden.  Dass  der  Ort  statt  derjenigen  Ordnung,  die  er  als  solche  gehabt  hat, 
späterhin  volles  Stadtrecht  empfangen  hat,  scheint  mir  deshalb  unzweifelhaft, 
weil  er  auf  einer  Inschrift  als  Origo  begegnet  (I.  N.  6342  [C.  I.  L.  VI,  2536]; 
Grotefend  imp.  Rom.  trib.  descr.  S.  95). 

3)  Der  pritnus  duumvir  munidpii  Lambesis  (Renier  1282  [C.  I.  L.  VIII,  2776]) 
würde  sehr  wohl  dazu  passen,  dass  dieser  Ort  vorher  als  Canäbae  constituirt 
war,  und  beweist  wenigstens,  dass  die  Verleihung  des  Stadtrechts  nicht  sehr 
früh  erfolgt  ist.  Auf  Hadrians  Zeit  führt  die  Erwähnung  der  curia  Säbina 
(Renier  91  [C.  I.  L.  VIII,  2714]),  die  doch  wohl  mit  der  städtischen  Constituirung 
der  Ortschaft  zusammenhängt.     Vgl.  Henzen  ann.  dell'  inst;  1860,  90. 

4)  Orelli  190  [C.  I.  L.  VII,  248  =  Dessau  7062].    C.  I.  L.  VII  S.  36.  47.  61. 
I           5)  Die   heutigen   Namen    sind    aus    castra   legionis   (Caerleon)   und    Castra 

(Chester)  hervorgegangen.  Natürlich  soll  nicht  geleugnet  werden,  dass  auch 
diese  Lager  ihre  Canabae  hatten,  die  vielmehr  für  Caerleon  sogar  bezeugt  sind 
(S.  186  N.  19) ,  sondern  nur,  dass  dieselben  zu  Corporationsrecht  gelangt  sind. 


202  I^^6  römischen  Lagerstädte. 

Vetera  bereits  gedacht  worden.  Ebenso  ist  bereits  hervorgehoben, 
dass  die  Corporation  der  cives  Romani  Mogontiaci  noch  in  einer 
Inschrift  vom  Jahre  276  erscheint  (S.  185  N.  17)  und  allem  Anschein 
nach  dieser  Ort  erst  volles  Stadtrecht  erlangt  hat,  als  die  radicale 
diocletianische  Staatsreform  auch  hier  nivellirte^.  Aber  allerdings 
entstand  daneben  dort  eine  wirkliche  Stadtgemeinde:  denn  Castellum 
Matiiacorum,  das  ist  Kastei,  Mainz  gegenüber,  hat  Stadtverfassung 
gehabt,  wenn  wir  auch  nicht  zu  sagen  wissen,  wann  ihm  dieselbe 
verliehen  worden  ist^.  Wie  es  sich  mit  den  Legionslagern  von 
Bonna  (Bonn)  und  Argentoratum  (Strassburg)  verhalten  hat,  lässt 
sich  nicht  ausmachen;  Beweise  für  das  Stadtrecht  auch  des  letzteren 
Orts^  giebt  es  aus  vordiocletianischer  Zeit  nicht. 

Ueberblicken  wir  die  Gesammtheit  dieser  Fälle,  so  ist  der  innere 
Zusammenhang  unverkennbar :  die  Corporationen  der  Canabenses  sind 
326  wo  nicht  schon  durch  Marcus,  doch  durch  Severus  höchst  wahr- 
scheinlich als  solche  durchaus  beseitigt  und  dafür  den  grösseren 
Lagerortschaften  durchgängig  eine  wirklich  municipale  Organisation 
beigelegt  worden,  während  die  kleineren  wohl  jetzt  wie  früher  ohne 
corporative  Verfassung  blieben.  "Was  dabei  bestimmend  gewesen  ist, 
ergiebt  sich  von  selbst,  wofern  wir  oben  (S.  192)  richtig  erkannt 
haben,  dass  die  Corporationen  der  Canabenses  zum  grossen  Theil 
die  mit  dem  römischen  Bürgerrecht  beschenkten,  aber  des  Heimath- 
rechts entbehrenden  Veteranen  umfassten.  Durch  die  Verleihung  des 
vollen  Stadtrechts  an  die  Lagerstädte  erhielten  diese  Veteranen  eben 
das,  was  ihnen  nach  der  alten  Ordnung  die  Deduction  gegeben  hatte, 
das  Gemeindebürgerrecht  in  dem  neuen  Municipium.   Vielleicht  ward 


1)  Die  civüas  Mog[ontiacensis]  erscheiat  auf  einem  Altar  aus  diocletianischer 
Zeit  (Brambach  C.  I.  Rhen.  1281  [C.  I.  L.  XIII,  6727]);  ebenso  heisst  sie  bei 
Ammian  16,  2,  12,  bei  demselben  15,  11,  8  municipium. 

2)  Der  volle  Name  ist  kürzlich  auf  einer  in  Oberolm  unweit  Mainz  ge- 
fundenen Inschrift  zum  Vorschein  gekommen  (J.  Becker  rhein.  Jahrb.  44/45  S.  67 
[C.  I.  L.  XIII,  7250  =  Dessau  7094]).  Nach  den  vier  in  Kastei  oder  Mainz 
gefundenen  Inschriften  eines  JIIIII  vir  Aug.  civitatis)  M(attiacorum)  (Brambach 
1816  [C.  I.  L.  Xlir,  7271  =  Dessau  7092]),  der  hastiferi  (Dendrophoren)  civitatis 
Mattiaeor(um)  mit  ihrem  cu/rator  (vom  J.  236;  Brambach  1336  [C.  I.  L.  XIII,  7281 
=  Dessau  3805])  und  zweier  Decurionen  {d.  c.  Matti.  das.  1313  [C.  I.  L.  XIII,  726^ 
=  Dessau  7091];  rf.  c.  M.  das.  987  [C.  I.  L.  XIII,  7062]),  insbesondere  der  ersten 
ipt  nicht  zu  bezweifeln,  dass  diese  Gemeinde  die  gewöhnliche  Stadtverfassung 
gehabt  hat.  Auch  die  harmpices  col(oniae)  des  Mainzer  Steins  Brambach  1002 
[C.  I.  L.  XIII,  6765],  die  auf  Mogontiacum  bezogen  Schwierigkeit  machen,  möchten 
hierher  gehören,  da  Kastei  sehr  wohl,  Colonie  gewesen  sein  kann. 

f,    3)  Municipiuuj  bei  Ammian,  a.a,  Q^ 


Die  römischen  Lagerstädte.  20$ 

sogar  die  Heimathlosigkeit  der  bei  der  Mission  mit  dem  Bürgerrecht 
beschenkten  Veteranen  damit  überhaupt  im  Wesentlichen  beseitigt, 
wofern  nehmlich  zum  Beispiel  dem  im  Lager  von  Carnuntum  ent- 
lassenen Soldaten  einer  Auxiliarcohorte  der  dort  garnisonirenden 
Legion  in  irgend  einer  Weise  zum  Bürgerrecht  in  dem  Municipium 
Carnuntum  verholfen  ward.  So  mag  die  Institution  der  Canabenses 
schon  ein  Jahrhundert  vor  Diocletian  antiquirt  worden  sein,  während 
von  der  analogen  von  den  alten  conventus  civium  Romanorum  über- 
tragenen wenigstens  Reste  bis  auf  ihn  bestanden  haben. 


XII. 
Dux.*) 

72  Bux  bezeichnet  bei  den  Römern  den  Anführer  im  Kriege,  ohne 
dass  damit  eine  bestimmte  rechtliche  Stellung  oder  gar  ein  festes 
Rangverhältniss  ausgedrückt  würde;  man  fasst  dabei  vielmehr  ledig- 
lich das  thatsächliche  Verhältniss  der  militärischen  Oberleitung  in 
das  Auge,  wie  denn  Cicero  (de  off.  3,  26,  99)  sogar  den  Regulus 
gefangen  nehmen  lässt  duce  Xanfhippo,  Imperator e  Hamilcare.  Die 
Inschriften,  die  nur  die  rechtliche,  nicht  die  factische  Stellung  der 
Personen  bezeichnen,  nur  die  Aemter,  nicht  die  Amtsverrichtungen  ■, 
aufführen,  vermeiden  darum  fast  durchgängig  das  Wort.  "Wir  finden  ^| 
es  indess  auf  zwei  Steinen,  die  namhaften  Feldherren  des  Septimius 
Severus  gesetzt  sind.  L.  Marius  Maximus  heisst  als  Legat  der  1 .  ita- 
lischen Legion  dux  exerciti  Mysiaci  aput  Byzantium  et  ajmt  Lugu- 
dunum  (Henzen  5502  [C.  I.  L.  VI,  1450  =  Dessau  2935]),  d.  h.  er 
führte  den  Oberbefehl  über  die  sämmtlichen  moesischen  Legionen 
bei  der  Belagerung  von  Byzanz  und  in  dem  Kriege  gegen  Albinus. 

73  Ti.  Claudius  Candidus  war  zuerst,  ebenfalls  als  Prätorier,  dux  exerci- 
tus  Illyrici  expeditione  Asiana,  item  Parthica,  item  Gallica,  d.  h.  ob- 
wohl dem  Range  nach  den  Commandanten  der  einzelnen  Legionen 
gleichstehend,  befehligte  er  doch  in  den  bezeichneten  Kriegen  das 
gesammte  illyrische  Heer,  also  mindestens  die  Legionen  beider 
Pannonien;  sodann  war  er  als  Legat  der  Provinz  Hispania  citerior 
in  ea  dux  terra  marique  adversus  rebelies  h(omines)  Ji(ostes)  p(opuU) 
B(omani)  (Henzen  798  [C.  LL.  II,  4114  =  Dessau  1140,  vgl.  Proso- 
pogr.  I  p.  362  fg.,  wo  nach  der  richtig  gestellten  Lesung  h.  h.  p.  p.  , 
(für  h.  h.  p.  R.)  hostes  puhlicos  erklärt  wird]).  Auf  einer  dritten,  j 
wohl  dem  Ende  des  dritten  Jahrhunderts  angehörenden  Inschrift  von  j 
Herzendorf  bei  Klagenfurt  (Steiner  4033;  auch  von  mir  gesehen 
[C.  I.  L.  III,  4855  =  Dessau  2772])  erscheint  endlich  ein  dux  legionis; 
sie  lautet:  MemoriaeVal(erii)  Cl(audii)  Quinti  p(rimi)p(ilaris)  leg(io- 
nis)  II  Ital(icae),  duci  leg(ionis)  III  Ital(icae),  duci  et  praep(osito) 
leg(ionis)  III  Aug(ustae),  viro  innocentissim,o  lul(ius)  Eutychianus  et 


*)  [Anhang  zu  A.  v.  Sallet:  'die  Fürsten  von  Palmyra.  Berlin  1866'  S.  72—75. 
—  Vgl.  Hermes  25  S.  237  ff.] 


1 


Dux.  205 

lul(ius)  Auxanon  alumn(i).  Man  kann  dies  wohl  nur  so  verstehen, 
dass  Quintus,  obwohl  dem  Range  nach  nur  Subalternoffizier  (primi- 
pilaris),  doch  die  dritte  italische  Legion  im  Felde  commandirte,  in 
der  dritten  augustischen  aber  nicht  bloss  das  Commando  führte, 
sondern  ihr  auch  in  Verwaltungssachen  anstatt  des  Legaten  vorstand 
(vgl.  über  den  ebenfalls  sehr  seltenen  praepositus  legionis  Henzen  6748 
[CLL.  YIII,  2582  =  Dessau  Uli]  und  was  dort  angeführt  ist). 
Dabei  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  die  dritte  italische  Legion  sowohl 
wie  die  dritte  augustische  in  ihren  Standquartieren  —  Raetien  und 
Numidien  —  andere  Legionen  nicht  neben  sich  hatten,  also  ihr 
Befehlshaber  von  selbst  der  Höchstcommandirende  der  Provinz 
war.  —  Die  Yergleichung  dieser  Inschriften  zeigt,  dass  dux  auch 
jetzt  noch  nichts  bezeichnet  als  den  im  Felde  Commandirenden  und 
ebenso  dux  legionis  gesagt  werden  kann  wie  dux  exerciius  Mysiaci  74 
oder  Ulyrici.  Sie  zeigt  aber  ferner,  dass  die  Bezeichnung  nur  von 
dem  höchsten  Commando  und  vorzugsweise  von  einem  ausserordent- 
lichen, das  durch  die  ordentliche  amtliche  Stellung  gegebene  über- 
steigenden gebraucht  wird ;  der  Legat  ist  freilich  auch  dux  in  seiner 
Provinz,  aber  insbesondere  heisst  dux  der  Subalternoffizier,  der  eine 
Legion,  der  Legionsbefehlshaber,  der  ein  Corps  commandirt.  Ent- 
sprechend unserem  Teldherrn'  verbindet  sich  also  mit  der  Benennung 
dux  die  Vorstellung  eines  bedeutenderen  activen  Militärcommandos.  — 
Dies  ist  für  die  militärische  Titulatur  der  späteren  Zeit  bestimmend 
geworden.  In  der  zweiten  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts  schwinden 
die  höheren  Provinzialbefehlshaberstellen  und  es  hat  den  Anschein, 
als  habe  man  eine  Zeitlang  sich  in  dieser  Hinsicht  darauf  beschränkt, 
den  Legionen  praefecti  von  niederem  Rang  vorzusetzen  (vgl.  Henzen 
ann.  dell'Inst.  1860,  37).  In  der  constantinischen  Zeit  dagegen  (z.B.  in 
der  Inschrift  Henzen  5579  [C.  I.  L.  III,  5565  =  Dessau  664]  erscheinen 
bekanntlich  die  duces  viri  perfectissimi  als  Militärbefehlshaber  grösserer 
Grenzdistricte.  Man  wird  gewiss  dies  ansehen  dürfen  als  dadurch 
vermittelt,  dass  in  der  Zwischenzeit,  wo  es  Noth  that,  einzelne 
Legionspräfecten  und  sonstige  niedere  Offiziere  ausserordentlicher 
Weise  in  grösseren  Bezirken  mit  dem  Ducat  beauftragt  worden 
sind.  —  In  diese  Uebergangszeit  nun  fallen  die  Münzen  des  Vaballa- 
thus.  Wenn  man  annimmt,  dass  ihm  von  dem  römischen  Kaiser 
eine  Stellung  eingeräumt  ward,  die  zugleich  die  Anerkennung  der 
römischen  Oberherrlichkeit  und  —  vermuthlich  doch  erbliches  — 
Fürstenrecht  in  sich  schloss  —  und  zu  dieser  Annahme  nöthigen  die  75 
Münzen  unbedingt  — ,  so  konnte  für  dieses  Rechtsverhältniss  keine 
passendere  Bezeichnung  gefunden  werden  als  dux  Romanorum. 


XIII. 
Das  römische  Militärwesen  seit  Diocietian.*) 

195  Es  giebt  wohl  kaum  einen  Gegenstand  des  römischen  Alterthums, 

welcher  so  vernachlässigt  liegt  wie  die  römischen  Militärordnungen 
des  vierten,  fünften  und  sechsten  Jahrhunderts  unserer  Zeitrechnung. 
Was  davon  an  das  Gesetzbuch  Theodosius  II.  anknüpft,  hat  Jacob 
Gothofredus  sorgfältig  zusammengestellt  und  erörtert;  aber  es  reicht 
dies  bei  weitem  nicht  aus  und  weder  die  Notitia  dignitatum  noch 
die  historischen  Schriften  Prokops  haben  ähnliche  Bearbeitung  ge- 
funden. Am  wenigsten  ist  es  versucht  worden  diese  Institutionen  in 
ihrem  grossen  historischen  Zusammenhang  einerseits  mit  den  analogen 
des  Augustus,  andrerseits  mit  dem  Untergang  des  Römerstaats  zu 
erfassen.  Der  hier  gemachte  Yersuch  diese  Lücke  zu  ergänzen 
beruht  nicht  auf  so  umfassenden  Vorarbeiten,  wie  der  Gegenstand 
sie  eigentlich  verlangt  und  will  nicht  ein  Buch,  sondern  nur  eine 
Abhandlung  sein;  wer  mit  diesen  Fragen  sich  eingehend  beschäftigen 
will,  wird  manches  in  ihr  zu  berichtigen  und  vieles  zu  ergänzen 
finden.  Die  gegen  jüngere  Männer  oft  von  mir  ausgesprochene 
Aufforderung  diese  Arbeit  zu  unternehmen,  ist  vergeblich  gewesen; 
vielleicht  wird  sie  jetzt,  in  Verbindung  mit  einer  vorläufigen  Ueber- 
sicht  des  Arbeitsfeldes  und  der  zur  Zeit  erreichten  Ergebnisse, 
bessere  Wirkung  haben.**)  Inzwischen  werden  insbesondere  die  Ger- 
manisten und  die  Orientalisten,  die  Veranlassung  haben  mit  den 
Militärverhältnissen  des  sinkenden  Römerstaats  sich  zu  beschäftigen, 
auch  diese  vorläufigen  Zusammenstellungen  hoffentlich  brauchbar  finden. 
Die  augustische  Militärordnung  ruht  bekanntlich  wesentlich  auf 
dem  System  der  Grenzbesatzungen,  neben  welchen  die  der  Person 
des  Herrschers,  als  des  obersten  Feldherrn,  beigegebenen  Truppen 
nicht  blos  numerisch  verschwinden,    sondern   auch  schon   früh  sich 


*)  [Hermes  24  (1889)  S.  195-279.  Vgl.  Sitz.-Ber.  d.  Berl.  Akad.  1888  S.  1175.] 
**)  [Vgl-  -A^-  Müller:  Militaria  aus  Ammianus  Marcellinus  im  Philologus  64, 
1905  S.  573  ff.] 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  207 

thatsächlich  umwandeln  in  die  Besatzung  der  Hauptstadt.  Dadurch 
ist  diesen  Untersuchungen  insofern  der  Weg  gewiesen,  als  erstens 
die  Umgestaltung  zu  erwägen  sein  wird,  welcher  jene  in  dieser  196 
Epoche  keineswegs  beseitigten,  sondern  gesteigerten  Grenzbesatzungen 
unterlagen,  zweitens  von  den  neu  hinzutretenden  Truppenkategorien 
zu  handeln  ist,  welche  diesem  Zwecke  nicht  und  wesentlich  als 
Feldheer  dienten.  —  Der  Organisation  zu  Grunde  liegt  jetzt  der 
numerus,  welcher  in  seiner  bestimmten  Ausprägung  erst  dieser  Epoche 
angehört.  Schon  die  frühere  Organisation  stellt  den  von  einem 
Offizier  geführten  Truppenkörper,  die  Legion,  die  Ala,  die  prätorische 
und  die  Auxiliarcohorte,  die  Flotte,  die  mit  keinem  dieser  vier 
Namen  belegte  meistens  als  numerus  bezeichnete  Truppe  ^  in  sach- 
lichen Gegensatz  einerseits  gegen  diejenigen  Truppentheile,  welche 
entweder  kein  einheitliches  Commando  haben,  wie  die  Legionscohorte, 
oder  unter  Subalterne  gestellt  sind,  wie  die  sämmtlichen  Centurien 
des  Fussvolks  und  Decurien  der  Reiter  und  die  einzelnen  Kriegs- 
schiffe, andrerseits  gegen  das  magistratische  oder  quasimagistratische 
Obercommando ,  wie  es  den  Legaten  proprätorischen  Rechts  und 
den  Präfecten  des  Prätorium  zusteht.  In  dieser  Epoche  wird  der 
Gegensatz  des  die  Truppe  commandirenden  und  des  über  eine  Anzahl 
solcher  Truppenkörper  gesetzten  Offiziers  nicht  blos  festgehalten, 
sondern  auch  terminologisch  schärfer  ausgeprägt,  indem  das  dem 
dux  oder  dem  magister  militum,  nach  unserer  Redeweise  dem  General 
unterstellte  Offizierscommando  bezeichnet  wird  mit  dem  jetzt  aus- 
schliesslich in  diesem  weiteren  Sinn^  verwendeten  Worte  numerus^, 


1)  Den  älteren  Sprachgebrauch  habe  ich  entwickelt  in  dieser  Zeitschrift 
19,  220  [oben  S.  103]. 

2)  Jeder  Truppenkörper  dieser  Epoche  ist  numerus,  führt  aber  daneben 
eine  specielle  Benennung  als  legio,  ala,  cohors,  auxilium  u.  s.  w. ;  in  der  officiellen 
Notitia  Dignitatum,  welche  durchaus  die  letztere  setzt,  findet  sich  daher  (ab- 
gesehen von  den  nach  dem  vordiocletianischen  Sprachgebrauch  redigirten  bri- 
tannischen Abschnitten)  mit  einer  einzigen  Ausnahme  {numerus  barcarioi'um 
Occ.  35,  32)  numerus  nie  für  einen  einzelnen  Truppenkörper. 

3)  Am  schärfsten  tritt  der  technische  Werth  des  in  den  Verordnungen 
wie  bei  den  Historikern  vielfach  begegnenden  Wortes  zu  Tage  in  der  Notitia: 
der  im  Reichsheer  dienende  Soldat  in  numeris  militat  (Or.  5,  67.  8,  54.  9,  49); 
wer  die  Offizierspatente  ausfertigt ,  scolas  et  numeros  tractat  (Or.  18,  5) ;  die  ört- 
liche Vertheilung  der  den  magistri  militum  unterstellten  Truppen  wird  Occ.  7, 1 
eingeführt  mit  den  Worten :  qui  numeri  ex  praedictis  per  infra  scriptas  provincias 
hobeantur.  Wenn  das  Wort  vorzugsweise  von  den  Truppenkörpern  des  Kaiser- 
leeres  gebraucht  wird  und  die  numeri  zuweilen,  obwohl  nicht  häufig  als  Gegen- 
latz  zu  den  limitanei  erscheinen  (S.  210  A.  1),  so  beruht  dies  darauf,  dass  die 
Srenztruppen  allmählich    den  Soldatencharakter  und   den   Soldatennamen    ein- 


2()g  Das  römische  Militärwesen  seit  Dioeletiau, 

197  griechisch  ägi'&juög^  oder  bei  Puristen  xardXoyog^.  Ausgeschlossen 
aus  den  numeri,  übrigens  ihnen  gleichartig  sind  die  scholae^,  die 
vornehmsten  aller  römischen  Truppenkörper,  die  aber  nicht  unter 
den    duces     oder    magistri     militum    stehen,    sondern     unter    dem 

198  Magister  officiorum;  ausgeschlossen  ohne  Zweifel  auch  die  Contin- 
gente  der  römischen  Clientel-  oder  föderirten  Staaten,  da  diese  nicht 
von  römischen  Offizieren  geführt  werden*.  —  Auch  die  Civilbeamten 


büssen.  —  In  Wendungen  wie  C.  Th.  8,  7,  12:  in  Ugionüms  vel  in  nurneris  deputari; 
C.  Th.  7,  1,  17:  de  aliis  nurneris  vel  legionihus;  C.  Th.  7,  4,  23:  omnium  numerorum 
sive  vexülationum  aut  etiam  scholarum  tribuni  ist,  wie  so  oft  in  der  unsicheren 
Terminologie  dieser  Epoche,  der  generellen  Bezeichnung  die  specielle  incorrect 
coordinirt.  —  Die  in  dem  rohen  Redeschwulst  dieser  Zeit  begegnenden  gleich- 
werthigen  nicht  technischen  Ausdrücke  zusammenzustellen  würde  zwecklos  sein. 
Turma  ist  Ammian  für  jede  Truppe  geläufig  und  kommt  ebenso  aach  C.  Th. 
7,  18,  8  vor;  technisch  soll  es  nach  Lydus  de  mag.  1,  46  den  berittenen  Schützen 
zukommen  im  Gegensatz  zu  der  ala  der  übrigen  Reiter.  Ammian  gestattet  sich 
sogar  für  die  Reitertruppe  cohors  equestris  {14:,  2,  12.  24,  5,  10);  auch  seine  equites 
quartae  sagittariorum  cohortis  29,  5,  20  sind  ohne  Zweifel  die  in  Africa  stehenden 
equites  quarto  sagittarii,  welche  die  Notitia  Occ.  6,  72  unter  den  veccillationes 
comitatenses  aufführt. 

1)  Julian  ad  Athen,  p.  280  D:  ejisfiipa  zw  Kcovoravtico  rhragas  aQi^fiovg  x(äv 
xQariarcov  7te!^ä>v,  xqeis  äXXovg  xwv  kkarrövcov ,  ijzjtscov  xäyfiaxa  dvo  xä  ivxifioxaxa. 
Zosimus  5,  26:  ^v  (Stilichos  Heer  bei  Ticinum)  sig  aQi&ixovg  awedsy/isvor 
xQidxovta.  Anastasius  in  dem  S.  209  A.  5  angeführten  Erlass.  Sozomenus  1,  8:  xa 
'Pcofiaicov  xäyfiaxa,  a  vvv  agi&jxovg  xakovoiv.  Die  Bezeichnung  zdy/na  hat  keine 
technische  Geltung  und  steht  nur  zur  Abwechselung. 

2)  Diese  (allerdings  in  solcher  Anwendung  keineswegs  sprachlich  correcte) 
Bezeichnung  ist  stehend  bei  Prokopius.  Er  stellt  den  berittenen  foederati  seiner 
Zeit,  die  keine  Reichstruppen  sind,  die  xaxäXoyoi  Inmxoi  entgegen  (b.  Vand.  1,  11; 
ähnlich  b.  Goth.  1,5;  vgl.  b.  Pers.  1,  13).  Von  den  auch  nach  dem  Untergang 
des  Westreichs  die  römische  Militärformation  bewahrenden  Aremoricanern  sagt 
er  b.  Goth.  1,  12:  eh  xe  yäg  xcöv  xaraXoycov  ig  xöös  xov  XQÖ^ov  örjkovvxai,  ig  ovg 
x6  jiaXaiov  xaxxöfiEvoi  ioxgaxEvoavxo  xal  orj/nsTa  xä  ocpsxEQa  ijiayö/LiEvoi  ovxco  örj  ig 
fiäxrjv  xa&loxavxai.  Der  Dux  heisst  ihm  äg^cov  xwv  iv  'AQ/nsvia  (oder  wie  die 
Provinz  sonst  heisst)  xaxaXöycov  (b.  Pers.  2,  14.  18.  19.  24.  b.  Vand.  2,  23.  27);  der 
Abtheilungsführer,  der  tribunus  ägxcov  xaxaXöyov  Innixov  (b.  Pers.  1,  15;  b.  Vand. 
2,  23;  b.  Goth.  1,  10.  17.  28)  oder  xaxaXöyov  jie^ixov  (b.  Goth.  1,  14.  23.  3,  6);  der 
Soldat  iv  xaxaXoycp  xsxayfisvog  jis^cöv  (b.  Pers.  1,  26).  Selten  setzt  er  dafür  xeXog 
(b.  Goth.  1,  23:  ot 'Pfjyeg  jie^ixov  xsXog).  Auch  Julian  or.  1  p.  48  C  spricht  von 
nsC&v  xaxäXoyoi  und  bei  Justinian  nov.  103,  3  werden  dem  Proconsul  von  Palästina 
die  erforderlichen  Soldaten  aus  einem  oxQaxicoxtxdg  xaxäXoyog  deputirt. 

3)  Not.  Or.  18,  5:  scolas  et  numeros  tractat.  Den  comites  ac  tribuni  militares 
der  Scholae  werden  entgegengesetzt  die  tribuni  qui  numeros  agunt  (nov.  Theod. 
7,  3,  1).    Vgl.  C.  Tb.  7,  4,  23  (S.  206  A.  3). 

4)  Belege  freilich  fehlen.  Der  Gegensatz  der  numeri  zu  den  foederati  der 
justinianischen   Zeit  beruht  vielmehr  darauf,    dass   dieses    Privattruppen   sind. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  209 

dieser  Epoche  werden  nicht  blos  als  Soldaten  betrachtet,  sondern 
wenigstens  die  Subalternen  sogar  als  Legionare  in  den  officiellen 
Listen  geführt  ^ ;  indess  kommt  diese  Legalfiction  für  die  militia 
armata  weiter  nicht  in  Betracht  und  beschäftigen  wir  uns  hier 
lediglich  mit  dieser. 

1.  Die  Grenzbesatzungen'^. 
Der  Gegensatz  der  in  den  Grenzfestungen  stationirten  und  der 
der  Person  des  Herrschers  zugeordneten  Truppen  und  der  Vorrang 
der  letzteren  wurde  vom  Kaiser  Diocletian  vorgefunden  und  bei- 
behalten; aber  die  weiterhin  zu  erörternde  Entwickelung  der  kaiser- 
hchen  Garde  zum  kaiserlichen  Feldheer  und  die  damit  verbundene 
Ümwandelung  der  Grenztruppen  in  Soldaten  zweiter  Klasse  ist  wahr- 
scheinlich erst  unter  Constantin  I.  eingetreten.  Von  da  an  beherrscht 
diese  Zurücksetzung  das  gesammte  Militärwesen.  Sie  drückt  sich 
terminologisch  aus  in  den  zu  den  milites  Palatini  oder  comitatenses 
gegensätzlichen  Bezeichnungen  milites  ripenses  oder  riparienses^  oder  199 
milites  limitanei*  und   schärfer  noch  darin,   dass   diese  Truppen   zu- 


Da  die  dediticii  (laeti,  gentiles)  unter  römischen  Präfecten  stehen,  so  mögen  auch 
sie  als  niimeri  betrachtet  worden  sein. 

1)  Nach  der  V.O.  von  Theodosius  II.  cod.  lust.  12,  52,  3,  2  und  Lydus  de 
mag.  3,  3  scheinen  die  Subalternen  der  Oberbeamten  in  die  legio  I  adiutrix 
eingeschrieben  worden  zu  sein,  die  auch  in  dieser  Zeit  als  effective  bestand. 

2)  Wie  die  ältere  Bezeichnung  dieser  Truppen  als  ripenses  nur  a  potiori 
zutrifft,  so  gilt  dies  ebenfalls,  nur  in  minderem  Grade,  auch  von  der  Bezeichnung 
der  milites  limitanei;  die  Truppen  in  Isaurien,  ein  grosser  Theil  der  ägyptischen 
und  andere  mehr  stehen  nicht  an  der  Reichsgrenze.  Genau  genommen  müsste 
man,  wie  heute  die  Festungsbesatzungen  und  das  Feldheer,  ebenso  unterscheiden 
die  Truppen  mit  fester  und  die  mit  veränderlicher  Garnison.  Es  schien  indessen 
zweckmässig  den  römischen  Sprachgebrauch  beizubehalten. 

3)  Zuerst  325  C.  Th.  7,  20,  4:  ripensis  veteranus;  ferner  365  C.  Th.  7,  4,  14: 
riparienses  milites  —  372  C.  Th.  7,  22,  8:  ripensis  militia  —  375  C.  Th.  7,  13,  7,  3: 
in  ripa  per  cuneos  auxiliaque  constituti  —  400  C.  Th.  7,  1,  18  =  C.  lust.  12,  35, 14: 
ne  de  ipsis  quidem  pseudocomitatensibus  (so  Cujacius;  die  Handschriften  ne  ipsis 
quidem  seil  de  comitatensibus)  legionibus  seu  de  ripariensibus  castricianis  ceterisque. 
Auch  in  der  officiellen  Not.  Dign.  Or.  39,  28.  40,  29  und  wahrscheinlich  in  der 
Inschrift  von  Solothurn  Inscr.  Helv.  229  [C.  I.  L.  XIII,  5177:  ist  zu  streichen]. 
Der  gefälschte  Brief  in  der  Biographie  Aurelians  38:  Septem  milibus  lembariartcm 
|(vgl.  S.  218  A.  3)  et  ripariensium  et  castrianorum  et  Daciscorum  interemptis  folgt 
der  Terminologie  des  4.  Jahrh. 

4)  So  in  der  Biographie  des  Probus  14:  numei'is  vel  limitaneis  militibus; 
jebenso  vita  Alex.  58  und   in  den  V.O.  363   C.  Th.  12, 1,  56;  389    C.  Th.  8,  4,  17; 

t09  C.  Th.  7,  4,  30;  443  nov.  Theod.  II.  24.  In  justinianischer  Zeit  herrscht  diese 
iBezeichnung  vor:  Cod.  lust.  1,  27,  2,  8;  Justinian  nov.  103;  Prokop  bist.  arc.  24. 
|—  Ueber  die  Bezeichnung  pseudocomitatenses  vgl.  unten. 

MOMMSEN,    SCHR.  VI.  14 


210  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

weilen  den  eigentlichen  Soldaten,  den  milites  oder  den  numeri, 
geradezu  entgegengesetzt  werden^;  militärisch  darin,  dass  für  diese 
Soldaten  geringere  Körperkraft  und  geringeres  Körpermass  gefor- 
dert ^  und  für  die  Verabschiedung  ihnen  minder  günstige  Bedin- 
gungen gestellt  wurden^  und  schliesslich  Justinian  ihnen  geradezu 
den  Charakter  und  die  Emolumente  des  Soldaten  entzog*. 

Die  Yertheilung  der  Truppen  in  die  einzelnen  Garnisonplätze 
darzustellen  ist  hier  nicht  der  Ort;  allgemein  wird  sich  darüber 
wenig  feststellen  lassen.  Es  werden  dabei  die  numeri  oder  die 
fossata  und  die  castra  in  dem  Sinn  unterschieden,  dass  in  den 
ersteren  Lagern  der  Stab  des  betreffenden  Truppenkörpers  lag  und 
die  übrigen  zu  demselben  gehörigen  Truppen  in  eine  Anzahl  klei- 
nerer Castelle  vertheilt  wurden^.  Die  in  diese  gelegten  Soldaten, 
200  die  castriciani  oder  castellani^,  sind  zugleich,  wenigstens  zum  Theil, 
Bauern.    Dafür  wird  schon  in  vordiocletianischer  Zeit  '^  der  einzelnen 


1)  So  stellt  der  Biograph  des  Probus  (S.  209  A.  4)  den  numeri  die  litnitanei 
milites  entgegen, 'Zeno  (cod.  Tust.  12,  35,  17)  den  numeri  equitum  vel  pediUim  den 
limes,  Justinian  cod.  lust.  1,  27,  2, 13  und  nov.  103  den  milites  die  limitanei.  Aber  in 
dem  Erlass  des  Anastasius  (A.  5)  können  die  dgi&fioi  nicht  in  diesem  Sinne  gefassi 
werden,  sondern  nur  in  dem  gewöhnlichen,  der  die  Grenztruppen  einschliesst. 

2)  C.  Th.  7,  28,  8.  3)  C.  Th.  7,  20,  4. 

4)  Nach  Prokopius  hist.  arc.  24  blieb  Justinian  zunächst  diesen  Soldaten 
den  Sold  Jahre  hindurch  schuldig  und  zwang  sie  auch  wohl  auf  die  Nach- 
forderung zu  verzichten,  vojbqov  de  xal  avro  xfjg  argarsiag  ovoj-ia  avrovg  acpEiXeio 
ovdsvl  Xöyct).     Vielleicht  ist  dabei  ihr  Landbesitz  in  Betracht  gekommen. 

5)  Für  die  militärische  Organisation  stellt  Justinian  das  Schema  (exemplum) 
unius  numeri  limitaneorum  auf,  worin  die  Soldaten  per  castra  et  loca  eingetheilt 
sind  (cod.  lust.  1,  27,  2,  8).  Die  Erläuterung  dazu  giebt  die  Verfügung  des  Kaisers 
Anastasius  für  die  libysche  Pentapolis  (am  besten  bei  Z.  von  Lingenthal  in  den 
Sitz-Ber.  der  Berliner  Akademie  1879  S.  134).  Die  ägißfioi,  deren  fünf  gezählt 
werden  und  auf  die  die  fossata  sich  zu  beziehen  scheinen,  und  die  xamga,  deren 
Zahl  nicht  angegeben  ist,  werden  in  der  Weise  nebeneinandergestellt,  dass  auf 
jede  dieser  Abtheilungen  100  bis  200  Mann  kommen;  die  aQi&f^oi  sind  vom 
Chartaticum  frei,  dagegen  werden  X6yq>  /agrarixcöv  djro  exäorov  xdazQov  twi» 
xaoTQrjoiavcöv  6  Solidi  entrichtet. 

6)  Riparienses  castriciani:  C.  Th.  7,  1,  18  (S.  209  A.  3);  castriani:  vita 
Aurel.  38  (S.  209  A.  3);  castellani:  C.  Th.  7,  15,  2  (S.  211  A.  4),  vielleicht  auch  in 
dem  Diplom  Eph.  epigr.  4,  508  [C.  I.  L.  III  p.  2001  n.  XC].  Sie  scheinen  mit  den 
ripenses  nicht  zusammenzufallen,  sondern  eine  Gattung  derselben  zu  bilden. 

7)  Die  den  nicht  städtisch  geordneten  Stämmen  an  der  Reichsgrenze  zuge- 
wiesenen Territorien,  auf  die  wir  weiterhin  zurückkommen,  sind  völlig  gleich- 
artig und  haben  sicher  bei  dieser  Einrichtung  als  Muster  gedient.  Die  älteste 
Erwähnung  dieser  Einrichtung  selbst  findet  sich  bei  dem  Biographen  Alexanders 
c.  58:  sola  quae  de  hostibus  capta  sunt  limitaneis  ducibus  et  militibus  donavit  ita, 
tut  eorum  essent,  si  heredes  eorum,  militarent  nee  umquam  ad  privates  peHinerent. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  211 

Garnison  ein  gewisses  Territorium  zugewiesen  \  das  ausserhalb  der 
städtischen  Gemeinde  steht  und  bei  dem  wahrscheinlich  der  Com- 
mandoführer  zugleich  den  Gemeindevorstand  vertritt;  diese  Bezirke 
sind  Rechtssubjecte  wie  die  Städte  und  es  können  zum  Beispiel 
Strafgelder  ihnen  zugesprochen  werden 2;  die  Ländereien  sind  steuer- 
frei ^  und  werden  von  den  Castellsoldaten  bebaut  und  genutzt,  gehen 
auch,  allerdings  mit  der  Dienstpflicht  zugleich,  auf  deren  Söhne  über, 
sind  aber  unveräusserlich  und  fallen  eventuell  zurück  an  die  Militär- 
gemeinde*. 

Um  von  der  Umgestaltung  der  Grenztruppen,  wie  sie  Diocletian  201 
und  nachher  Constantin  vorgenommen  hat,  eine  Anschauung  zu 
gewinnen,  ist  es  erforderlich  den  Bestand  der  Epoche  vor-  und  nach- 
her mit  einander  zu  vergleichen.  Es  ist  bei  denselben,  wie  über- 
haupt seit  Constantin  in  dem  ganzen  Truppenwesen,  die  Trennung 
von  Reiterei  und  Fussvolk  streng  durchgeführt,  was  in  der  früheren 
nur  annähernd  geschehen  war;   wenn  von   kleinen  Anomalien  abge- 


Verschieden  von  diesen  den  einzelnen  Soldaten  zur  Nutzung  zugewiesenen  Boden- 
stücken  sind  die  als  Weideland  oder  für  Bauten  dienenden  territoria  der  Truppen- 
körper (Tacitus  ann.  13,  54;  Eph.  epigr.  II,  696  [C.I.  L.  III,  10488  =  Dessau  2456]). 
[Vgl.  A.  Schulten,  Hermes  29  (1894)  S.  481fF.] 

1)  V.  0.  409  C.  Th.  7, 15, 1  an  den  Vicarius  von  Africa:  terrarum  spatia  guae 
gentilibus  propter  curam  nmnitionenique  limitis  atque  fossati  antiquorum  huinana 
fuerant  provisione  concessa  ....  sdant  .  .  .  vd  ad  gentiles,  si  potuerint  inveniri, 
vel  certe  ad  veteranos  esse  transfeixnda.  Theodosius  IL  nov,  24,  4  =  cod.  lust. 
11,  60,  3:  agros  .  .  limitaneos  cum  paludibus  omnique  iure  ,  .  ex  prisca  dispositione 
limitanei  milites  ab  omni  munere  vacuos  ipsi  curare  pro  suo  compendio  atqite  arare 
consueverant.  Justinian  cod.  1,  27,  2,  8:  necessariiim  nobis  esse  videtur,  ut  (in  Africa) 
extra  comitatenses  milites  per  castra  milites  limitanei  constituantur,  qui  possint  et 
castra  et  civitates  limitis  defendere  et  teiras  colere,  ut  alii  provinciales  videntes  eos 
per  partes  ad  illa  loca  se  conferant.  Im  Hinblick  auf  die  früheren  analogen  Ein- 
richtungen wird  c.  8  verordnet,  dass,  wenn  de  provinciis  idonea  corpora  aut  de 
Ulis  (limitibus?) ,  quos  antea  milites  hahehant,  sich  noch  vorfinden  sollten,  diese 
limitaneoi'um  numero  eingestellt  werden  sollen.  Cod.  lust.  11,60  de  fundis  limi- 
totrophis  et  terris  et  paludibus  et  pascuis  limitaneis  vel  castellorum. 

2)  Theodosius  II.  a.  a.  0.  24,  2 :  facultatibus  suis  tui  culminis  dispositione 
limitibus  adsignandis ;  ebenso  nachher  c.  4.  3)  Theodosius  II.  a.  a.  0. 

4)  Vita  Alex.  58  (S.  210  A.  7).  Cod.  Th.  7, 15,  2  =  cod.  lust.  11,  60,  2:  ab  Ms 
tantum  fas  est  possideri  castellorum  territoria  quibus  adscripta  sunt  et  de  quibus 
iudicavit  antiquitas;  es  wird  Strafe  gedroht,  si  ulterius  vel  privatae  condicionis  quis- 
piam  in  Ms  locis  vel  non  castellanus  miles  fuerit  detentoi'  inventus.  Theodosius  II. 
nov.  24.  —  Was  Probus  (vita  16)  für  Isaurien  verfügte,  ist  vielmehr  das  Gegen- 
theil  hiervon;  die  Söhne  der  dort  mit  Land  beschenkten  Veteranen  sollen,  um 
nicht  dem  endemischen  Räuberhandwerk  zu  verfallen,  in  die  Truppen  eingereiht 
werden.  —  Von  dem  völlig  verschiedenen  durch  Constantin  für  das  Militär  ein- 
geführten Erbzwang  weiterhin. 

14* 


212 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 


202 


seilen  wird,  erscheint  die  Reiterei  getheilt  in  cunei  equitum,  equites 
und  alae,  das  Fussvolk  in  legiones,  auxilia  und  cohortes;  indess  sind 
diese  sechs  Abtheilungen  sehr  ungleich  und  keineswegs  überall  ver- 
treten. Daneben  stehen  die  Flotten.  —  Die  Yergleichung  des  früheren 
und  des  späteren  Bestandes  ist  für  die  Legionen  einigermassen  aus- 
führbar; mit  Zugrundelegung  einerseits  des  Verzeichnisses  der  Legio- 
nen aus  Marcus  Zeit  ^,  andrerseits  der  Notitia  dignitatum  aus  der 
des  Honorius^)  ist  die  folgende  Uebersicht  zusammengestellt.  Die 
erste  Columne  verzeichnet  die  Commandobezirke  der  älteren,  die 
zweite  diejenige  der  späteren  Epoche;  in  der  dritten  sind  die  Legio- 
nen in  der  Weise  aufgeführt,  dass  die  in  der  älteren  Urkunde  stehen- 
den und  in  der  zweiten  fehlenden  in  eckige  Klammern  eingeschlossen, 
die  allein  in  der  zweiten  auftretenden  mit  einem  Stern  bezeichnet 
sind.  Verlegungen  ganzer  Legionen  in  andere  Provinzen  haben  nicht 
stattgefunden;  wenigstens  so  weit  die  Legionen  in  beiden  Yerzeich- 
nissen  erscheinen,  finden  wir  sie  wesentlich  an  dem  alten  Platz  undj 
man  erkennt  daraus,  bis  zu  welchem  Grade  bereits  vor  Diocletiai 
die  Sesshaftigkeit  der  Grenztruppen  sich  festgestellt  haben  mussj 
Verlegungen  einzelner  Detachements,  welche  zahlreich  begegnen,  sine 
an  ihrer  Stelle  anmerkungsweise  angegeben 2.  Ebenso  ist  bei  der 
Legionen,  welche  die  Notitia  in  Detachements  auflöst,  dies  angegeben. 

ORIENS. 


1.  [Cyrenaica] 


2,  Äegyptus 


1.  Libyae 

2.  Thebais 

3.  Äegyptus 


ohne  Legion^ 

II  Traiana   (1  Abth.    in  Thebais^ 
1  in  Aegypten) 
*III  Diocletiana  (3  Abth.  in  Thebais, 
1  in  Aegypten) 
*I  Maximiana 

1  Abth.  in  Thrakien 
*II  Flavia  Constantia 

1  Abth,  im  Heer  des  Oriens 
*I  Valentiniana 
*II  Valentiniana 


1)  C.  I.  L.  VI,  3492  [Dessau  2288]. 
*)  [S.  jetzt  Ges.  Sehr.  IV  S.  558 ff.] 

2)  Bei  einigen  dieser  Detachements,  den  primani  der  Palasttruppen  des 
Ostens,  den  primani  iuniores  im  Kaiserheere  des  Westens,  den  secundani  im 
Heer  von  Illyricum,  den  secundani  iuniores  im  Kaiserheer  des  Westens,  lässt 
sich  die  Legion,  der  sie  angehören,  nicht  mit  Sicherheit  bestimmen.  Auch  sonst 
bleiben  bei  einzelnen  Detachements  die  Beziehungen  zweifelhaft,  zum  Beispiel 
bei  den  Martenses  zu  der  IV  Martia;  die  meisten  aber  sind  völlig  evident. 

3)  Der  Proconsul  der  senatorischen  Doppelprovinz  Greta  und  Cyrenaica  hatte 
kein  Commando;  der  dux  Libyarum,  dessen  Truppenverzeichniss  in  der  Notitia 
ausgefallen  ist,  hatte  unter  seinen  fünf  numeri  (S.  210  A.  5)  schwerlich  eine  Legion. 


Das  römische  Müitärwesen  seit  Diocletian. 


213 


3.  Arabia 


4,  Äräbia 


III  Cyi'enaica 
*IV  Martia 

vielleicht'!  Abth.  {Martenses 
seni&i-es)  im  Heer  des  Oriens 
und  1  { Martenses)  im  Kaiser- 
heer des  Westens 


4. 

Palaestina 

5. 

Palaestina 

X  Fretensis   ^  //    Pcu 

>»^7 

5. 

Phoenice 

6. 

Plwenice 

111  Gallica 
*I  lllyricornm  ^ 

-i     '  ■ 

,6. 

Syria  Code 

7. 

Syria  et  Euphi 
lensis 

•a-        IV  Scythica 

XVI  Flavia  fidelis 

•  8. 

Mesopotamia 

I  Parthica 

7. 

Mesopofamia 

Tif     'It^Paiihica 

9. 

Osrhoene 

*IV  Parthica 

8. 

Cappadocia 

10. 

Armenia 

XII  fulminata 
XV  Apollinaris 
*1  Pontica  ^ 

9. 

[Isatiria '] 

11. 

Isanria 

*II  Isaura 
*I1I  Isaura 

12, 

Scythia 

*I  lovia  in  4  Abth.* 

10. 

Moesia  infe- 

*// Herculia  in  4  Abth.* 

rior 

13. 

Moesia  11 

I  Italica  in  3  Abth. 

1  Abth.  im  Heer  des  Oriens 

XI  Claudia  in  3  Abth. 

1  Abth.  bei  den  Palasttruppen 

des  Ostens,   1   im 

Kaiserheer 

des  Westens 

14. 

Dada  ripensis 

^             V  Macedonica  in  4  Abth 
1  Abth.  in  Aegypten, 
des  Oriens 

1  im  Heer 

11. 

Moesia  supe- 
rior 

XIII  gemina  in^ö  Abth. 

1  Abth.  in  Aegypten, 

1  bei  dem 

Heer  in  Thrakien 

15. 

Moesia  I 

IV  Flavia 
VII  Claudia  in  2  Abth. 

203 


1)  Auch  in  der  Inschrift  von  Tralles  C.  I.  Gr.  2941  [=  Dessau  8875;  dieselbe 
Legion  Dessau  8882]. 

2)  Dass  diese  Legion  schon  unter  Diocletian  bestand,  zeigt  die  Inschrift 
C.  I.  L.  III,  236  [=  6746  =  Dessau  639]. 

3)  In  vordiocletianischer  Zeit  ohne  legionare  Besatzung. 

4)  Das  antoninische  Itinerar,  welches  sonst  nur  vordiocletianische  Legionen 
aufführt,  nennt  die  beiden  scythischen ;  es  mag  dies  daher  rühren,  dass  das  Post- 
buch in  den  ersten  Jahren  Diocletians  redigirt  ist  und  diese  Legionen  zu  seinen 
frühesten  gehören.  Es  mag  sich  auf  diese  beziehen,  was  der  unzuverlässige  Vege- 
tius  1,  17  berichtet,  dass  zwei  illyrische  Legionen,  früher  Mattiobarbuli  genannt, 
unter  Diocletian  in  loviani  und  Herculiani  umgenannt  worden  seien.  Vgl.  S.  234. 

5)  Diese  Provinz  am  diesseitigen  Donauufer  ist  bekanntlich  von  Aurelian 


214 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 


12.  Pannonia  in- 
ferior 


13.  Pannonia  su- 

perior 

14,  Noricum 


18. 


Savia 
Valeria  ripensis^ 


Fannonia  I  et  No- 
ricum ripense 


15.  Eaetia 


204  16-  Britannia 


21. 


OCCIDENS. 

Pannonia  II  et  *V  lovia  in  3  Abth. 

*VI  Herculia  in  3  Abth. 
I  adiutrix 
II  adiutrix  in  6  Abth. 
X  gemina  in  2  Abth. 

1  Abth.  im  Heer  des  Oriens 
XIV  gemina  in  2  Abth. 

1  Abth.  bei  dem  Heer  in  Thrakien 
II  Italica  in  3  Abth. 

1  Abth.    im    Kaiserheer   des 
Westens 
*/  Norica  in  2  Abth. 
III  Italica  in  5  Abth. 

1  Abth.    im    Kaiserheer    des 
Westens 
II  Augusta 

1  Abth.    im    Kaiserheer    des 
Westens 
VI  victrix 
[XX  victrix] 


19.  Baetia  I  et  II 


20.  Britannia^ 


17.  [Lu^dunensis^]  22. 

18.  [BeJgica^]  23. 
r24. 

25. 

19.  Germania  in-] 

ferior 

20.  Germania  su-  {]  26. 

perioi' 

27. 


litus  Saxonicum  per 

Britanniam  ^ 
tractusArmoricanus        ' 

et  Nervicanus 

Belgica  II  * 

Germania  I*  [I  Minervia] ' 

(tracttis)  Mogontia-  [XXX  Ulpia\  * 

censis^  1  Abth.    im    Kaiserheer    des 

Westens 
tracttis  Argento-        [  VIII  Augusta] '" 

ratensis  1  Abth.  bei  den  Palasttruppen 

des  Westens 
Sequanica  [XXII  primigenia]  * 


eingerichtet;  die  beiden  seitdem  daselbst  stationirten  Legionen  lagen  vor  Aure- 
lian  im  transdanuvianischen  Dacien. 

1)  Diese  erst  von  Diocletian  eingerichtete  Provinz  gehörte  früher  theils  zu 
Niederpannonien  (mit  der  leg.  I  adi.),  theils  zu  Oberpannonien  (mit  der  leg.  II  adi.). 

2)  Die  britannischen  Abschnitte  der  Notitia  gehören  der  vordiocletianischen 
Epoche  an  und  sind  daher  für  den  gegenwärtigen  Zweck  wenig  zu  brauchen. 
Der  comes  Britanniarum  c.  29  gehört  nicht  in  die  Reihe  der  Provinzialcomman- 
danteu,  sondern  zu  den  weiterhin  zu  erörternden  Unterbefehlshabern  des  occiden- 
talischen  magister  peditum. 

3)  Die  gallischen  Provinzen  waren  in  vordiocletianischer  Zeit  ohne  Besatzung. 

4)  Hier  ist  die  Notitia  verwirrt;  man  erwartet  die  Germania  II,  zumal  da 
Germania  I  und  (tractus)  Mogontiacensis  zusammenfallen. 

5)  Die  gallisch  -  germanischen  Garnisonen  sind  in  der  Notitia  offenbar  nur 
zum  kleinsten  Theil  verzeichnet  und  es  ist  daher  nicht  auszumachen,  in  wie 
weit   die  früher  in  den  beiden  Germanien  stationirten    Legionen  noch  damals 


Das  römische  Militärweseu  seit  Diocietian. 


215 


21.  [Italiu] 

22.  Hispania 


28.  Italia^ 

29.  Immediatbezirk ' 


23.  Numidia 


30.  Tingitania 

31.  limes  Mauretaniae 

Caesariensis 

32.  Äfriea 

33.  Ziwjcs  Tripolitanus 


[11  Parthica] 

VII  gemina 

1  Abth.  bei  dem  Heer  des 
Oriens,  2  oder  3  bei  dem 
Kaiserheer  des  Westens 


[III  Äugusta] » 

1  Abth.  bei  dem  Kaiserheer 
des  Westens. 

Ausser  den  Legionen  erscheinen  als  Grenzbesatzung  in  derNotitia  205 
aus  Honorius  Zeit  von  Infanterieabtheilungen  die  auxilia  oder  auxi- 
liares^,  deren  44,   und   die   cohortes,   deren    105   aufgezählt  werden. 
Die  auxilia  begegnen  ausschliesslich  in  den  Donauducaten,  hier  aber 
sowohl  in  denen   des  Ost-  wie   in  denen  des  Westreichs  ^  und   den 


ihre  alten  Standquartiere  einnahmen.  Die  Fassung  der  V.O.  von  367  (C.  Th. 
7,  1,9):  tarn  duces  quam  etiam  comites  et  quibus  Rheni  mandata  est  custodia  legt 
die  Frage  nahe,  ob  nicht  hier  die  Grenzvertheidigung  durch  Valentinian  I. 
wesentlich  umgestaltet  worden  ist. 

1)  In  Italien  lag  seit  Severus  die  II  Parthica.  Was  aus  dieser  geworden, 
wis.sen  wir  nicht  [s.  jedoch  Ammian.  Marc.  20,  7,  1  und  Notit.  dign.  Or.  36,  30, 
vergl.  oben  S.  213];  die  Notitia  verzeichnet  den  comes  Italiae,  aber  nennt  keine 
ihm  unterstehenden  Truppen. 

2)  Spanien  hatte  zur  Zeit  der  Notitia  keinen  eigenen  Militärstatthalter; 
die  dortige  Legion  und  die  sonstigen  Garnisontruppen  standen  unter  dem  nutg. 
peditum  des  Occidents. 

3)  Die  Notitia  nennt  hier  so  wenig  Legionen  wie  an  der  Rheingrenze. 

4)  Diese  Benennung  kommt,  abgesehen  von  den  bei  den  Palasttruppen  zu 
erörternden  auxilia  Palatina,  nur  noch  vor  bei  zwei  legiones  pseudocomitatenses, 
den  Fatienses  auxiliarii  (Or.  7,  51),  welche  wahrscheinlich  identisch  sind  mit 
den  auxilia  Fatiensia  der  Valeria  Occ.  33,  49,  und  den  auxiliarii  sagittarü 
Or.  6,  69.  ['Hinzuzufügen  sind  die  Timacenses  auxiliarii  Or.  9,  40,  ebenfalls  eine 
legio  pseudocomitatensis\    BANG.] 

5)  Or.  39—42;  Occ.  32  —  34.  Auch  Raetien  Occ.  35  ist  ähnlich  redigirt.  — 
Allerdings  scheinen  einige  Verordnungen  auf  eine  weitere  Ausdehnung  der 
auxilia  so  wie  der  verwandten  cunei  zu  führen.  V.O.  353  (C.  Th.  7,  13,  1):  de 
auxiliaribus  sane  cuneis  minime  ducihus  licentia  (der  Annahme  eines  Rekruten) 
concedatur,  nisi  prius  certtis  redditus  iudex  rescribat,  utrum  minime  decurio  sit. 
V.  0.  375  (C.  Th.  7, 13,  3,  7) :  qui  in  ripa  per  cuneos  auxiliaque  fuerint  constituti. 
V.O.  396  (C.  Th.  7,  4,  22):  neque  scholae  neque  vexillationes  comitatenses  aut  pala- 
tinae  aut  legiones  ullae  neque  auxilia.  Ohne  Zweifel  sollen  die  cunei  auxüiaque, 
die  auocilia,  die  cunei  auxiliares  hier  die  Grenztruppen  repräsentiren ;  aber  bei 
der  unsicheren  und  incorrecten  Legalterminologie  kann  dies  auch  durch  Nennung 
der  namhaftesten  unter  den  Abtheilungen  geschehen  sein  und  es  darf  darum 
aus  diesen  Stellen  nicht  der  Schluss  gezogen  werden,  dass  es  technisch  als 
auxilia  bezeichnete  Truppen  auch  da  gegeben  hat,  wo  die  hierin  allein  zuver- 
lässige Notitia  sie  nicht  kennt. 


216  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

Legionen  vorangestellt;  die  Cohorten  finden  sich,  mit  Ausnahme  der 
Donauducate  des  Orients,  in  denen  sie  fast  ganz  mangeln,  überall 
und  zwar  immer,  der  alten  Rangfolge  entsprechend,  hinter  den 
Legionen.  Ohne  Zweifel  sind  die  der  älteren  Epoche  fremden 
auxilia  Truppenkörper  barbarischer  Formation.  Es  passen  dazu  die 
unter  ihnen  auftretenden  ascarii  ^,  welche  Benennung  wahrscheinlich 
hergenommen  ist  von  der  nicht  eigentlich  römischen  Form  des  Fluss- 
überganges mit  Hülfe  von  Schläuchen,  Es  passen  dazu  die  Benen- 
nungen der  einzelnen  Truppenkörper;  sie  sind  grösstentheils  örtlich 
und  so  weit  sie  es  sind,  entweder  dem  Standort  entlehnt  —  zum 
Beispiel  stehen  die  milites  primi  Gratianenses  in  Gratiana,  die  milites 
Cimbriani  in  Cimbrianum  —  oder  der  Provinz,  der  die  Truppe 
angehört,  wie  die  milites  Scythici,  Moesiaci,  Dacisci^.  Es  passt  dazu, 
206  dass  in  dem  Ducat  Fannonia  prima  und  Noricum  ripense  der  Platz 
dieser  Auxilien  eingenommen  wird  von  der  gens  Marcomanorum^, 
welche  in  dieser  Epoche  füglich  zum  Theil  oder  ganz  auf  das  rechte 
Donauufer  übergegangen  sein  und  innerhalb  der  Orenzen  jenes 
Militärbezirkes  gesessen   haben   kann*.     Es  passt   dazu    endlich    die 

1)  Occ.  32,  43  und  häufig  bei  den  auxilia  Palatina.  Es  ist  das  Wort  wohl 
mit  Recht  als  halbgriechisches  Aequivalent  von  utricularii  aufgefasst  worden. 
Vgl.  Ammian  25,  6,  15. 

2)  Dies  sind  also  die  vita  Aurel.  38  (S.  209  A.  3)  mit  den  lemharii,  den 
riparienses  und  den  eastriciani  zusammengestellten  Dacisci.  Auch  die  milites 
auxiliares  Lauriacenses,  die  im  J.  370  bei  Lauriacum  ein  Castell  bauen  (C.  I.  L. 
III,  5670  a  [=  Dessau  774])  gehören  in  diese  Reihe;  ebenso  die  bei  Ammian 
29,6,13  genannten  beiden  in  derValeria  stationirenden  und  im  Quadenkrieg  373 
aufgeriebenen  Legionen,  die  Pannonica  und  die  Moesiaca,  valida  proeliis  manus, 
da  Ammian  die  Bezeichnung  legio  häufig  in  weiterem  Sinne  braucht.  Ob  Josephus 
bell.  2,  16,4  mit  den  Worten:  ot  ös  'IIIvqioi  trjv  fisxQi  Aakfiaxlag  djiors/^ivofisvTjv 
"laxQfp  xarotxovvTsg  .  .  dvol  fiovoig  zdyfiaotv  vjisixovai ,  ius&'  d>v  avtol  rng  Aaxcäv 
ävaxömovoiv  oQ/ndg  auf  illyrische  Provinzialmilizen  hindeutet,  wie  Jung  (Wiener 
Studien  11, 154)  meint,  ist  zweifelhaft;  die  Abwehr  im  Nothfall  durch  Aufbietung 
der  Wehrfähigen  und  die  Bildung  einer  Localmiliz  sind  keineswegs  identisch. 

3)  In  Raetien  Occ.  35,  31  steht  eine  gens  (der  Name  fehlt)  per  Baetias 
deputata  unter  den  Cohorten. 

4)  Ammians  Worte  31,  4,  2:  quidquid  ad  Pontum  a  Marcomanis  pi'aetenditur 
Quadis  bezeichnen  die  Grenzwacht  nicht  gegen  die  Marcomanen,  sondern  von 
diesen  angefangen  gegen  die  Quaden;  eine  Legion  in  der  Not.  Occ.  35,  19  prae- 
tendit  a  Vimania  Cassiliacum  usque.  Die  Quaden  stehen  auch  hier,  wie  immer, 
als  feindliches  Volk  und  es  ist  nichts  zu  ändern,  sondern  nur  aus  der  vorher- 
gehenden Erzählung  hinzuzunehmen,  dass  auf  dem  linken  Donauufer  von  den 
Quaden  östlich  bis  zum  Pontus  die  Gothen  in  Bewegung  waren.  Dass  nach 
Jordanes  22,  114  die  Marcomanen  östlich  mit  den  Vaudalen  in  Dacien  gränzten, 
steht  wenigstens  nicht  entgegen.  VgL  Ammian  81,4,2;  Zeuss  S.  365,  wo  die 
Stelle  der  Notitia  fehlt;  Böcking  zur  Not.  Dign.  Occ.  p.  726,  welcher  mit  Recht 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  217 

^ständige  Voranstellung  der  anxilia  vor  der  übrigen  Infanterie;  denn 
in  dieser  Epoche  gilt  jede  Truppe  um  so  mehr,  je  weiter  sie  von 
römischer  Nationalität  und  römischer  Formation  sich  entfernt.  Allem 
Anschein  nach  sind  diese  Auxilien  hervorgegangen  aus  denjenigen 
■örtlichen  Aushebungen,  welche  bald  unter  gleichem  Namen,  bald  als 
mwieri  bezeichnet  schon  in  vordiocletianischer  Zeit  auftreten  und 
über  die  kürzlich  in  dieser  Zeitschrift  gehandelt  worden  ist'.  Dem 
entsprechend  erscheinen  von  den  vordiocletianischen  numeri  an  der 
Stelle,  die  ihnen  zukommen  würde,  in  der  späteren  Ordnung  nur  207 
geringe  Spuren^.  Das  Hervorgehen  wenigstens  eines  Theils  dieser 
Auxilien  aus  den  früheren  Cohorten,  welches  durch  das  fast  völlige 
Fehlen  der  letzteren  in  den  Donauducaten  des  Ostreichs  nahe  gelegt 
wird,  ist  mit  dem  örtlichen  und  barbarischen  Wesen  derselben  in 
vollem  Einklang,  da  lange  vor  Diocletian  die  Ergänzung  in  der 
gesamniten  Armee  der  Regel  nach  örtlich  sich  vollzog;  die  militärisch 
neue  und  höher  geachtete  Formation  hat  die  alte  cohortale  zum 
Theil  oder  ganz  verdrängt.  Dass  dies  nur  bei  den  illyrischen  Truppen 
eingetreten  ist  und  nicht  im  Orient  und  in  Aegypten  —  über  die 
übrigen  occidentalischen  sind  wir  nicht  unterrichtet  — ,  ist  wohl  merk- 
würdig, aber  keineswegs  auffallend;  der  Vorrang  der  Localmilizen 
der  Donautruppen  vor  den  dortigen  Uferlegionen  entspricht  dem  das 
gesammte  dritte  Jahrhundert  beherrschenden  militärischen  Ueber- 
gewicht  der  illyrischen  Landschaften  und  ist  in  der  diocletianischen 
Organisation  vermuthlich  nur  beibehalten  worden. 

Von  Reiterabtheilungen  finden  wir  drei  Kategorien,  cnnei  equi- 
tiim,  zusammen  46  und  equites  schlechtweg,  zusammen  121,  beide 
<len  Legionen  vorgesetzt,  denselben  nachgestellt  alae  in  der  Gesammt- 
zahl  von  65.  In  vordiocletianischer  Zeit  gehörte  zu  der  Legion  eine, 
PO  viel  wir  wissen,  geringe  Anzahl  Reiter^  und  es  gab  auch  aus  Fuss- 


eine  Uebersiedelung  annimmt,  nur  dass  diese  schwerlich  in  der  Art  zu  denken 
ist  wie  bei  den  Sarmatencolonien  in  Italien,  sondern  vielmehr  dem  Uebertritt 
[der  Gotheu  ähnlich  gewesen  sein  wird. 

1)  Bd.  22  S.  547  f.  [oben  S.  145  f.]. 

2)  Indess  scheinen  von  den  als  milites  bezeichneten  Truppenkörpern  die 
br.  41,  33  — 37.  42, '29  und  Occ.  32,  49  genannten,  zum  Theil  vielleicht  auch 
MCC.  37,  15 — 23.  41,15—25  den  alten  numeri  zu  entsprechen.  Die  explwatores 
lOr.  41,  34.  35.  37.  42,  29)  und  die  dem  Standquartier  entnommenen  Benennungen 
;Occ.  37,  16.  17.  23,  41,  22,  vielleicht  auch  Or.  41,  36;  Occ.  42,  39)  weisen  auf  die 
lumeri  des  dritten  Jahrhunderts.  Diese  stehen  Or.  41,  Occ.  32  hinter  den  bevor- 
lugten  Truppenkörpern  {cnnei  equitum,  equites,  auxiliares,  legiones)  gemischt  mit 
len  aZae,  cohartes  und  classes. 

3)  Ob  die  für  das  erste  Jahrh.  überlieferte  Zahl  von  120  (Marquardt  Handb. 


218  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

Volk  und  Reiterei  gemischte  Cohorten;  in  der  gegenwärtigen  Epoche 
erscheinen  dergleichen  aus  beiden  Waffen  combinirte  Truppenkörper 
nicht.  Aehnlich  wie  wir  bei  den  Kaisertruppen  neben  der  Legio» 
die  Vexillation  finden  werden,  stehen  neben  den  Grrenzlegionen  die 
208  cunei  equitum  und  die  equites'^,  wahrscheinlich  als  Ersatz  für  die 
ehemalige  Legionsreiterei.  Was  das  Yerhältniss  des  cuneus  equitum 
zu  den  einfachen  equites  anlangt,  so  treten  jene^  als  Gegensatz  zu 
diesen  auf  in  der  Thebais  und  in  den  Donauducaten  des  Ostreichs^ 
wo  sie  dann  immer  den  Vorrang  vor  den  equites  haben;  in  den 
Donauducaten  des  Westreichs  werden  vor  den  Legionen  nur  cunei 
equitum,  sonst  überall  nur  equites  aufgeführt.  Da  die  Benennung: 
cuneus  bekanntlich  den  nichtrömischen,  insbesondere  den  germanisch 
formirten  Heerhaufen  bezeichnet,  so  wird  man  in  dem  cuneus  die 
barbarisch,  in  den  equites  die  römisch  formirte  Reiterschwadron  zu 
erkennen  haben  und  der  höhere  Rang  der  ersteren  sich  daraus 
erklären.  In  den  Einzelbenennungen  freilich  ist  eine  Verschiedenheit, 
nicht  zu  erkennen;  das  locale  und  barbarische  Element  tritt  über- 
haupt in  den  Namen  dieser  Abtheilungen  nicht  hervor.  —  Die  alae 
sind  offenbar  in  ähnlicher  Weise  in  ihrer  früheren  Stellung  verbliebe» 
wie  in  der  Infanterie  die  cohortes. 

Endlich  die  unter  den  Truppenkörpern  der  Grenze  verzeichneten 
Flottenm annschaften ^  sind  deutlich  die  alten  italischen  und  provin- 
zialen  Flotten. 

Die  Vergleichung  der  vordiocletianischen  und  der  diocletianischen 
Truppenkörper  lässt  sich  bei  den  nicht  legionaren  nur  in  geringem 
Masse  durchführen.  Dass  die  Auxilien  wenigstens  so,  wie  wir  sie 
später  vorfinden,  ebenso  die  cunei  equitum  und  die  equites  erst 
damals   entstanden   sind,    ist    bereits    als    wahrscheinlich    bezeichnet 

5,  156  [Staatsverw.  IP,  456  f.])  bis  auf  Diocletian  geblieben  oder  später  gesteigert 
ist,  lässt  sich  nicht  ausmachen.  j 

1)  Die  Reiterabtheilungen  sind,  abgesehen  von  Aegypten  und  der  Thebais, 
weit  zahlreicher  als  die  correspondirenden  Legionen;  aber  dies  beruht  offenbar  [ 
nur  darauf,    dass,   abgesehen  von  dem  ägyptischen  Gebiet,  die  Notitia  an  deri 
Grenze  nicht  Legionsdetachements,  sondern  Gesammtlegioneu  verzeichnet.   Wenn 
also  zum  Beispiel  in  der  Phoenike  auf  12  Reiterhaufen  2  Legionen  kommen,  soj 
können  die  letzteren  füglich  ebenfalls  12  Commandos  gebildet  haben.  I 

2)  Auf  den  vereinzelt  stehenden  palmyrenischen  cuneus  equitum  (Or.  7,  34),  j 
sowie  auf  den  cuneus  equitum  promotorum  im  Occident  6,  85  ist  hierbei  keinej 
Rücksicht  genommen,  ebenso  wenig  auf  das  Vorkommen  der  Bezeichnung  inj 
Britannien. 

3)  In  der  Notitia  heissen  sie  meistens  classes,  auch  barcarii.  Lembani 
(denn  so  ist  vita  Aurel.  38  zu  schreiben  statt  iembarii)  ist  eine  halbgriechischf! 
Formation,  wie  symmaeharius  und  ascarius.  j 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  219 

worden.     Umgekehrt  sind  die  Cohorten  und  die  Alen,  obwohl  nicht 
wenige  unter   Diocletian  eingerichtete  ^,    einzeln    auch    noch    später  209 
gebildete  darin   enthalten  sind'*,  doch  wohl  der  Mehrzahl  nach  aus 
der  vordiocletianischen  Epoche  übernommen  worden. 

Für  die  Vergleichung  der  älteren  und  der  neueren  Formationen 
sind  wir  demnach  wesentlich  angewiesen  auf  die  Legionen.  Nach 
jener  Uebersicht  kommen,  wenn  wir  von  Britannien,  Germanien  und 
Africa  absehen,  für  welche  unsere  Quelle  versagt,  für  die  übrigen 
Provinzen  auf  23  alte  17  neue  Legionen;  es  ergiebt  sich  also  nahezu 
eine  Verdoppelung  dieses  Fundaments  der  Grenzvertheidigung.  Aber 
wahrscheinlich  hat  dieselbe  in  noch  viel  grösserem  Umfange  statt- 
gefunden als  sie  uns  unmittelbar  in  der  Notitia  entgegentritt.  Unter 
den  Truppenkörpern,  welche  den  magistri  militum  unterstellt  sind, 
erscheinen  im  Orient  zwanzig,  im  Occident  achtzehn  als  pseudo-  x;  \ 
comitatenses  bezeichnete  Legionen^;  es  kann  diese  Benennung  ihnen 
nur  insofern  beigelegt  sein,  als  sie  ursprünglich  zu  den  Grenztruppen 
gehört  haben  und  von  der  Grenze  in  die  erste  Truppenklasse  versetzt 
worden  sind,  ohne  doch  den  dieser  eigentlich  angehörigen  Truppen- 
körpern völlig  gleichgestellt  zu  werden*.  Auch  entspricht  eine 
Reihe   der  Benennungen   dieser  Herkunft^.     Selbst  von  den  eigent- 


1)  Die  Notitia,  mehr  als  ein  Jahrhundert  später  abgefasst,  verzeichnet  nebett 
sieben  nach  den  Herrschern  dieser  Zeit  benannten  Legionen  (JJJ  Diocletiana, 
I.  V  lovia,  1  Maximiana,  II.  III.  VI  Herculia)  mit  ähnlichen  Benennungen 
fünfzehn  Alen  {nova  Diocletiana  —  /  nova  Diodetiana  —  J  Valeria  dromedariorum 

—  II  Valeria  Sequanorum  —  II  Valeria  singularis  —  VII  Valeria  praelectorum 

—  J  lovia  cataphractariorum  —  I  lovia  felix  —  I  Herculia  —  I  nova  Herculia. 

—  II  Herculia  dromedariorum  —  VII  Herculia  voluntaria  —  Constantiana  — 
II  Constantiana  —  XV  Flavia  Carduenorum)  und  fünfzehn  Cohorten  {III  Valeria 
Bracaraugustanorimi  —  III  Valeria  Marmantarum  —  V  Valeria  Phrygum  — 
VI  Valeria  Raetorum  —   XII  Valeria   —   XIV  Valeria  Zabdenorum  —  I  lovia. 

—  Herculia  Pannoniorum  —  I  Herculia  —  I  Herculia  Maetm-um  —  III  Herculia 

—  III  Herculia  Pannoniorum  —  I  Flama  —  I  Flama  Sapaudica  —  II  Flaria 
Pacatiana). 

2)  Unter  den  Alen  erscheinen  die  II  felix  Valentiniana  —  I  Vdlentiam^c 

—  II  felix  Valentiana  —  Theodosiana  —  felix  Theodosiana  —  I  felix  Theodosiana 

—  Theodosiana  nuper  constituta  —  Arcadiana  nuper  constituta;  unter  den  Cohorten 
die  II  Gratiana  —  J  Theodosiana  —  I  felix  Theodosiana. 

3)  Die  Notitia  verzeichnet  sie  Or.  6,  68.  7,  48  f.  9,  39  f.  Occ.  5,  256  f. 

4)  Wenn  in  den  Verordnungen  von  365  (C.  Th.  8,  1,  10)  und  400  (C.  Th. 
7, 1,  18;  oben  S.  209  A.  8)  die  legiones  pseudocomitatenses  als  lediglich  synonym 
mit  den  ripenses  erscheinen,  so  ist  dies  ohne  Zweifel  blos  durch  die  nachlässige 
Terminologie  dieser  Zeit  verschuldet;  die  Notitia  zeigt  deutlich  die  zwischen 
beiden  Kategorien  bestehende  wesentliche  Differenz. 

5)  Die  /  und  II  Armeniaca,  I  Isaura  sagittaria,  IUI  Italica,   VI  Parthica 


tr-K^t    A^ 


'.^C^^<^  ctjl,^^  ^  /i<iJLt,^7i>5,  I9^^j,  j/ 


220  Das  rördische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

liehen  comitatenses  führen,   wie  wir   gesehen  haben,    nicht  wenige, 

210  und  sogar  unter  den  noch  angeseheneren  palatinae  einige  den  Namen 
älterer  ursprünglich  an  der  Grenze  stationirter  Legionen  und  auch 
unter  den  anders  benannten  dürften  wenigstens  einzelne  aus  dem 
Grenzheer  übernommen  sein  ^.  Also  sind  bei  Diocletians  Militärreform 
die  Grenztruppen  zunächst  in  noch  weit  höherem  Masse  vermehrt 
worden,  als  das  ein  Jahrhundert  später  aufgenommene  Yerzeichniss 
der  römischen  Truppenkörper  uns  dies  zeigt.  Dann  aber  hat  wieder 
eine  bedeutende  Reduction  der  Grenztruppen  zur  Verstärkung  des 
unmittelbaren  Kaiserheeres  stattgefunden. 

Damit  stimmen  die  historischen  Berichte  überein.  Diocletian, 
unter  welchem  nach  der  Angabe  eines  Zeitgenossen  die  Truppenzahl 
mehr  als  vervierfacht  ward  2,  ist  nach  den  Berichten  der  Annalisten 
vor  allen  Dingen  bemüht  gewesen  die  Grenzfestungen  und  die 
Grenzbesatzungen  in  umfassendem  Mass  zu  vermehren  3.  Deutlich 
hat  diese  Verstärkung  die  Reiterei  in  noch  stärkerem  Masse  betroffen 
als  die  Infanterie;  denn  die  zahlreichen  einfach  als  Reiterabtheilungen 
bezeichneten  Truppenkörper  sind  wohl  an  die  Stelle  der  vor- 
diocletianischen  Legionsreiterei  getreten,  aber  müssen  diese  an  Zahl 
ungemein  überstiegen  haben.  Dass  von  dieser  Yermehrung  ein 
überwiegend  starker  Theil  auf  Aegypten  fällt,  darf  mit  Diocletians 
ägyptischer  Expedition  in  Verbindung  gebracht  werden  und  bestätigt 
weiter  einestheils,  von  welcher  Wichtigkeit  diese  Provinz  für  das 
Gesammtregiment  gewesen  ist,  andrerseits,  wie  durchaus  Diocletian 
bei  den  Reformen  dieser  Zeit  die  leitende  Hand  gehabt  hat.  — 
Weiter  ist  eine  starke  Yermehrung  der  Feldarmee  durch  Constantin 

211  unter    entsprechender   Verminderung    der    Grenztruppen    durch    die 

können  bei  ihrer  Einrichtung  kaum   etwas   anderes  gewesen    sein    als   legiones 
ripenses. 

1)  Die  Benennungen  der  Legionen  des  Kaiserheeres ,  soweit  sie  nicht  die 
vordiocletianischen  sind,  führen  nicht  häufig  auf  einen  derartigen  Ursprung; 
einzelne  aber  passen  wohl  dazu,  wie  III  Diocletiana  Thebaeorum,  I  Maxmiana 
Thehaeorum,  III  HercuUa,  I  Flavia  Constantla. 

2)  Lactantius  de  mort.  pers.  7:  in  quattuor  partes  orbe  diviso  et  multiplicatis 
exercitibus,  cum  singuli  eorum  longe  maiorem  numerum  militum  habere  contenderent 
quam  priores  principes  habuerant,  cum  soli  rem  puhlicam  gererent. 

3)  Zosimus  (wie  es  scheint;  die  Stelle,  erhalten  bei  Suidas  v.  ioxaziä  fehlt 
in  unserem  Text  [s.  ed.  Mendelssohn  p.  54  Anm.]):  6  Aioxlrjriavog  köyov  noiovusvog 
liäv  TiQayixdTOJv  cpi^^rj  SsTv  xal  Svvdf^saiv  ägpcovaaig  exaarrjv  koyariav  öyvQibaai  xal 
(pgovQia  Jiotfjoai.  2,  34:  ri];  'Pcof^aicov  ejiixQaxeiag  anavtayov  röiv  eay^axioiv  tf] 
AioxXrjxiavov  ngovoia  xarä  xov  elQrjfievov  ijd?]  fioi  xqojiov  nöXsai  xal  (pQOVQiotg  xai 
nvQyoig  disü.t]fifisvr)g  xal  navxog  rov  oxgaxccoxixov  xarä  ravta  xrjv  ol'xrjoiv  eyovxog  anoQog 
rwv  ßagßaQcov  rjv  ff  diäßaoig,  Anwendung  davon  auf  die  Euphratgrenze  bei  Ammian 
23,  5,  2. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  22  t 

Ueberlieferung  bezeugt  ^  und  findet  in  dem  oben  zusammengestellten 
Thatbestand  ihre  Bestätigung.  Dass  wesentlich  in  Folge  der  Ein- 
richtungen Diocletians  noch  ein  Jahrhundert  nach  seinem  Rücktritt 
die  Zilfer  der  römischen  Grenzbesatzungen,  falls  sie  vollzählig  ge- 
dacht werden,  die  der  vordiocletianischen  ungefähr  um  das  Doppelte 
überstieg,  ist  oben  erwiesen;  rechnet  man  dazu,  was  ebenfalls  er- 
wiesenermassen  von  der  Grenze  späterhin  weggezogen  worden  ist 
und  was  Diocletian  und  seine  Collegen  ausser  denen  der  Grenze  an 
Truppen  aufgestellt  haben  mögen,  so  wird  die  'Vervierfachung  der 
Armee  durch  Diocletian'  insoweit  gerechtfertigt  sein,  als  es  bei 
allgemeinen  und  tadelnden  Bemerkungen  dieser  Art  billigerweiso 
gefordert  werden  kann. 

Eine  weitere  Frage  von  grosser  Wichtigkeit  ist  die  Organisation 
des  Commandos.  Hinsichtlich  der  Generalate  sind  principielle  Ver- 
änderungen nur  insofern  eingetreten,  als  das  militärische  Commando 
von  der  Civilverwaltung  getrennt  ward.  Im  Uebrigen  trat  der  neue 
dux  llniitis,  auf  den  wir  bei  den  Offizieren  zurückkommen,  an  die 
Stelle  des  früheren  legattis  pro  praetore  der  mit  Truppen  belegten 
Provinzen.  Die  Zerstückelung  der  Statthalterschaften  hat  sich  bei 
den  Commandos  ebenso  wie  in  der  Civilverwaltung  im  Laufe  der 
Zeit  gesteigert;  wenigstens  bildeten  noch  unter  Constantin  die  drei 
;t (ägyptischen    Ducate    ein    einziges   Commando  2.      Im    Allgemeinen 

1)  Zosimus  a.  a.  0.  wendet  dies  tadelnd :  xai  xavxrjv  öi]  rrjv  aoq)aXsiav 
6ia(p&eiQ(ov  6  Kcoaravxivog  xöjv  oxgaxicoxwv  x6  jioXv  ftsQog  xcöv  ioxcixicöv  ojiooxrjoag 
xaig  Ol)  ÖEOfievaig  ßotjßsiag  nokeoiv  iyxaxeoxrjos  xai  xovg  svoxkov^ierovg  vjio  ßagßdiQCov 
iyvfivoias  ßorjd^eiag.  Victor  Caes.  41,  12  sagt  dagegen:  (Constantinus)  ingentem 
animum  avocavit  novanäae  militiae  ordine  (so  die  Hdschr.;  die  Besserung  ist 
unsicher).  Die  Verminderung  des  Grenzschutzes  und  die  Einquartierung  der  von 
dort  weggezogenen  Truppen  waren  zweifellose  Nachtheile,  die  Vermehrung  des 
Feldheers  ein  zweifelloser  Gewinn;  ob  jene  oder  dieser  überwog,  vermögen  wir 
mit  unserer  Kunde  nicht  zu  entscheiden;  doch  ist  auf  Victors  Urtheil  mehr  zu 
geben  als  auf  das  des  Eunapius. 

2)  Dies  lehrt  die  folgende  von  Hrn.  Insinger  in  Kairo  freundlichst  mit- 
getheilte  Inschrift  von  Luksor  [C.  I.  L.  III,  12073  =  Dessau  701] :  fortissimo  [a]c 
piissimo  imp.  d.  n.  Fl.  Va[l.  C]onstantino  p(io)  f(elici)  invicto  Augusto  Val(erius) 
Bomet(dcav(ir)  p(erfectissiimisj  dux  Aeg(ypti)  et  Theb(aidos)  utrarumq(u)e  Lihh(yarum) 
n(umini)  m(aiestati)q(ue)  eius  semper  dicatissimus.  Dagegen  werden  der  drix 
Illyridani  limitis  et  Thracici,  welcher  neben  dem  dux  Umitis  Raetici  und  dem 
d\ix  limitis  Scythici  in  dem  gefälschten  Actenstück  der  vita  Aureliani  c.  13  auf- 
tritt und  wohl  die  sechs  Ducate  der  mittleren  Donau  vertreten  soll,  ebenso 
der  dux  limitis  Orientalis  (ebendaselbst  und  vita  Firmi  7),  der  dux  transrhenani 
limitis  (zugleich  Galliae  pn-aeses:  trig.  tyr.  3),  der  dux  limitis  Africani  oder  Libyci 
(trig.  tyr.  29;  vita  Firmi  3),  wohl  sammt  und  sonders  nichts  sein  als  Fälschungen, 


222  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

212  aber  hat  die  Zerschlagung  bei  dem  Cominando  in  minderem  Mass 
sich  eingestellt  als  bei  der  Civilverwaltung,  ohne  Zweifel  weil  die 
militärischen  Rücksichten  eine  stärkere  Decentralisation  unräthlich 
erscheinen  Hessen. 

Anders  verhält  es  sich  mit  dem  Offizierscommando.  Nach  der 
älteren  Ordnung  ist  der  Träger  desselben  der  Legat  der  Legion; 
selbst  die  Alen  und  Cohorten  sind  unter  die  einzelnen  Legionslegaten 
vertheilt  und  ein  jeder  derselben  führt  bei  Vollzähligkeit  der  Mann- 
schaften den  Befehl  über  ein  Corps  von  ungefähr  10000  Mann. 
Es  mag  dies  umfassende  Commando  schon  in  früherer  Zeit  abge- 
mindert worden  sein:  die  Befehlshaber  der  Alen  und  der  Cohorten 
haben  allem  Anschein  nach,  namentlich  wenn  ihre  Truppe,  wie  ge- 
wöhnlich, ein  von  dem  Hauptquartier  der  Legion  gesondertes  Stand- 
lager einnahm,  schon  früh  mehr  von  dem  Legaten  der  Provinz  als 
von  dem  der  Legion  abgehangen;  die  Umwandelung  des  Legions- 
führers aus  einem  senatorischen  Legaten  in  den  praefectus  legionis 
vom  Ritterrang,  welche  im  Lauf  des  dritten  Jahrhunderts  eintrat, 
wird  weiter  hier  eingegriffen  haben.  Aber  die  Beseitigung  des 
Legionscommandos  und  die  Ersetzung  desselben  durch  dasjenige  des 
Legionsdetachements  gehört  erst  dieser  Epoche  an  und  hat  auch 
in  ihr  allem  Anschein  nach  sich  erst  allmählich  vollzogen.  Eine 
formale  Reduction  der  Legion  hat  offenbar  nur  etwa  insoweit  statt- 
gefunden, dass  die  Verbindung  derselben  mit  einer  Anzahl  von 
Alen  und  Cohorten,  wenn  sie  überhaupt  bis  auf  Diocletian  bestanden 
hat,  jetzt  gefallen  ist;  von  ihr  begegnet  jetzt  nirgends  eine  Spur. 
Aber  dass  die  Legion  selbst,  wie  sie  uns  in  der  Notitia  entgegen- 
tritt, wenigstens  für  die  Grenztruppen  immer  noch  einen  Truppen- 
körper von  ungefähr  der  früheren  Stärke  bildet,  zeigt  die  oben  auf- 
gestellte Uebersicht  unwiderleglich.  Das  kappadokische  oder,  wie 
es  jetzt  heisst,  das  armenische  Commando  ist  wesentlich  dasselbe, 
welches  Arrian  in  der  Exxaiig  uns  vorführt ;  die  beiden  dazu  gehörigen 
Legionen  können  der  Normalzahl  nach  unter  Honorius  nicht  viel 
schwächer  gewesen  sein,  als  sie  es  unter  Hadrian  waren.    Aber  in  der- 

213  selben  Notitia  zeigen  sich  deutliche  Spuren  der  Zersplitterung  der 
Legion.  In  den  Ducaten  von  Scythien  und  Moesia  secunda  stehen 
neben  dem  Legionscommandanten,  dem  praefectus  legionis  zwei 
praefecti  ripae,  der  eine  für  die  fünf  Cohorten  stromaufwärts  vomj 
Hauptquartier,  der  andere  für  die  fünf  Cohorten  stromabwärts, 
ausserdem    ein  weiterer    praefectus    ripae    für    die    zu    den    beiden! 

zumal  da  schon  in  der  pannonischen  Inschrift  vom  J.  303  (Eph.  epigr.  II  n.  884 
[C.  I.  L.  III,  10981])  ein  dux  P(annoniae)  s(ecundae)  S(aviae)  erscheint. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletiau.  223 

Legionen  dieses  Ducats  gehörigen  Schiffe^.  In  ähnlicher  Weise 
finden  wir  daselbst  die  Legionen  auch  in  den  übrigen  Donauprovinzen 
aufgelöst 2.  Andere  Abschnitte  der  Notitia  führen  in  anderer  Weise 
7;u  ähnlichen  Ergebnissen.  Wenn  der  legio  III  Diodefiana  vier 
verschiedene  Standquartiere  in  Aegypten  zugetheilt  werden,  so 
müssen  bei  mindestens  drei  derselben  ständige  Detachements  ver- 
standen sein;  und  anders  lässt  es  sich  auch  nicht  auffassen,  wenn 
von  einer  jener  Donaulegionen,  der  V Macedonica,  neben  vier  ''prnefecU 
lexjionis'  in  ihrer  Provinz  zwei  weitere  Abtheilungen  in  Aegypten 
«nd  bei  dem  Kaiserheere  aufgeführt  werden.  Hiernach  wird  für  die 
Epoche,  der  die  Notitia  angehört,  die  Auflösung  der  Legionen  ver- 
inuthlich  allgemein  angenommen  und  das  scheinbare  Schwanken  der  214 
Bezeichnungen  legio  und  praefectus  legionis  vielmehr  darauf  zurück- 
geführt werden  müssen,  dass  die  keineswegs  nach  einheitlichen 
Normen  redigirte  Liste  zum  Theil  nur  das  Hauptquartier  der  Legion, 
2um  Theil  die  Standquartiere  der  grossen  Legionsdetachements  ver- 
zeichnet. Dass  bei  Einrichtung  neuer  Legionen  von  vorn  herein  der 
letztere  Begriff  zu  Grunde  gelegt  ist,  muss  in  Betreff  der  Grenzarmeen 
•wenigstens  für   die  diocletianischen  Neubildungen  verneint  werden  ^. 

1)  Diese  Abschnitte  der  Notitia  Or.  39.  40  sowie  die  weiteren  die  Donau- 
truppen betreffenden  Or.  41.  42  Occ.  32—35  sind  entstellt  durch  mehr  oder  minder 
ständige  falsche  Auflösung  der  Abkürzungen  iy)-aef.  und  coli.  V,  indem  dort  prae- 
fectura  statt  praefectus,  hier  cohortis  quintae  statt  cohortium  quinque  gesetzt  ist. 
Beseitigt  man  dies,  so  bleiben  keine  weiteren  wesentlichen  Anstösse.  Von  der 
leyio  II  HerciiUa  zum  Beispiel  stehen  danach  in  dem  Hauptquartier  Troesmis 
•der  praefectus  legionis  II  Hereuliae  uud  der  praefectus  ripae  legionis  II  H. 
<io1wrtium  V  pedaturae  inferioris,  in  Axiupolis  der  praefectus  ripae  legionis  II  H. 
<xihoi'tium  V  pedaturae  superioris,  femer  in  Plateypegiis  der  praefectus  ripae  legio- 
nwm  (so  ist  zu  schreiben  statt  legionis)  I  loviae  (cohortis  ist  zu  streichen)  et  II 
Hereuliae  musculorum  Scythicorum  (d.  h.  der  Schiffe  der  Provinzialen)  et  classis 
{d.  h.  der  römischen  Schiffe ;  mein  von  Seeck  mitgetheilter  Vorschlag  ist  verfehlt). 

2)  In  diesen  Abschnitten  wird  jeder  Legionscommandant  praefectus  legionis 
betitelt  und  ist  von  dem  praefectus  ripae  legionis  keine  Rede.  Die  Zahl  der 
Abtheilungen  ist  ungleich:  fünf  bei  der  legio  XIII  gemina,  vier  bei  der  legio  V 
Macedonica,  drei,  davon  eine  aus  zwei  Legionen  combinirte,  bei  den  beiden 
Legionen  V  lovia  und  VI  Herculia,  zwei  bei  der  VII  Claudia,  zwei,  davon  eine 
aus  zwei  Legionen  combinirte ,  bei  der  X  gemina  und  der  XIV  gemina.  In 
Raetien  sind  die  fünf  Theilcommandos  örtlich  abgegrenzt:  legionis partis  superioris 
—  legionis  partis  superioris  deputatae  ripae  piimae  —  pro  parte  media  praeten- 
dentis  a  Vimania  Cassiliacum  usque  und  zwei  von  der  Grenze  abcommandirte  für 
die  in  dieser  Provinz  so  wichtige  (vgl.  C.  Th.  11,  16,  15.  18;  11,  19,  4)  transvectio 
specierum.    In  der  Valeria  ist  der  Text  arg  zerrüttet. 

3)  Dass  die  beiden  Valentinianae  in  Aegypten  ebenso  aufzufassen  sind  wie 
4ie  später  zu  erörternden  legiones  palatinae  und  comitatenses,  ist  allerdings  wahr- 
scheinlich. 


224  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

Dieser  örtlichen  Zersplitterung  der  Legion  entspricht  das  Ver- 
schwinden des  Gesammtcommandos  derselben.  Den praefectus  legionis 
nennt  die  Notitia  ausschliesslich  bei  den  Grenztruppen,  hier  aber  im 
Westen  durchgängig^  und  mit  Ausnahme  Aegyptens  ebenfalls  im 
Osten  2.  Indess  sie  steht  damit  völlig  allein.  Anderweitig  nennt 
diesen  Offizier  keine  Verordnung^,  keine  Inschrift,  überhaupt  kein 
Document  aus  constantinischer  oder  späterer  Zeit*  und  es  bleibt 
nichts  übrig  als  die  Annahme,  dass  die  Notitia  in  dieser  Hinsicht 
nach  der  älteren  thatsächlich  beseitigten  Ordnung  redigirt  ist.  Es  ist 
dies  auch  wohl  begreiflich.  Der  Legionscommandant  ist  vielleicht 
nicht  abgeschafft,  sondern  nur  die  Stelle  nicht  weiter  besetzt  worden; 
ein  Hauptquartier,  in  welchem  die  Feldzeichen  und  die  Acten  der 
215  Legion  vorzugsweise  aufbewahrt  wurden,  musste  bleiben,  auch  wenn 
die  Commandantur  als  solche  nicht  mehr  bestand.  Was  dafür 
praktisch  an  die  Stelle  trat,  haben  wir  zum  Theil  schon  gesehen: 
wie  Diocletian  die  grossen  Statthalterschaften  auseinanderschlug,  so- 
hat  er  auch  das  Legionscommando  in  eine  Anzahl  Theilcommando* 
aufgelöst  und  die  geborenen  Träger  dieses  letzteren  waren  die  sechs- 
Tribune  der  Legion.  Ihnen  fiel  in  Ermangelung  eines  Präfecten  von 
Rechts  wegen  das  Coramando  der  Legion  zu  und  bei  eintretender 
Detachirung  ward  regelmässig  die  legionare  Vexillation  unter  den 
Befehl  eines  der  Tribüne  gestellt.  Dem  kommt  entgegen,  dass,  wie 
bei  den  Offizieren  gezeigt  werden  wird,  seit  der  constantinischen 
Zeit  der  regelmässige  Legionsführer  der  Tribun  ist  Ob  über  die- 
Zahl  der  dem  wegfallenden  Legionscommando  substituirten  Theil- 
commandos  es  eine  feste  Regel  gegeben  hat,  steht  dahin.  Nach 
den  Allgaben  der  Notitia  über  die  Donautruppen  sind  hier  in  einigen 
Ducaten    Halblegionen    nebst    einem    besonderen   Flottencommandoy 

1)  Freilich  fehlen  uns  die  Legionen  für  die  afrieanische  und  die  Rhein- 
grenze und  die  britannischen  gehören  einer  älteren  Redaction  an,  so  dass  die 
Nennung  des  praefectus  sich  hier  auf  Spanien  und  die  Donaulegionen  beschränkt, 

2)  In  den  Truppenverzeichnissen  der  Notitia  Orientis  (die  occidentalische 
ist  anders  redigirt)  wird  bei  den  Legionen  der  Grenztruppen  regelmässig  der 
praefectus  gesetzt,  während  bei  den  übrigen  Truppenkörpern  der  Commandoführer 
nicht  genannt  wird.  Es  ist  das  ein  Ueberrest  des  in  vordiocletianischer  Zeit 
bestehenden  Uebergewichts  des  praefectus  legionis  über  die  tribuni  und  praefecti 
der  kleineren  Truppeukörper. 

3)  Er  findet  sich  in  der  Verordnung  Diocletians  vom  J.  290  cod.  Inst.  8, 
50,  5.  Dass  C.  Th.  7,  20,  2  keine  Ausnahme  macht,  wird  im  Abschnitt  von  den 
Offizieren  gezeigt  werden. 

4)  Vegetius  1,  13.  2,  9  spricht  wohl  von  dem  praefectus  legionis,  aber  nur 
in  der  Schilderung  früherer  Ordnungen  und  als  von  einer  abgekommenen  Insti- 
tution.   Dasselbe  gilt  von  der  justinianischen  Verordnung  cod.  lust.  8,  28,  37,  1  a. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  225 

anderswo  andere  Theilungen  beliebt  worden;  sehr  wohl  kann  ein 
jeder  dieser  Theile  unter  einen  der  Legionstribune  gestellt  worden 
sein.  Eine  andere  Combination  mag  daneben  oder  auch  in  späterer 
Zeit  dafür  in  Anwendung  gekommen  sein.  Die  Legion  zählt  normal 
6000  Mann  und  stand  unter  sechs  Tribunen;  es  lag  nahe,  sie  zu 
sechstein  und  jedem  Tribun  ein  Theilcommando  von  1000  Mann 
zuzuweisen.  Dafür  sprechen  theils  die  über  die  zersplitterten  Legionen 
uns  vorliegenden  Einzelangaben  ^,  theils  dass,  wie  unten  auszuführen 
sein  wird,  eine  Grundzahl  des  Legionsdetachements  für  die  Militär- 
ordnung dieser  Zeit  nothwendig  gefordert  wird  und  das  Tausend 
dafür  in  jeder  Weise  angemessen  erscheint. 

2.  Die  Föderirten  der  Grenze. 
Seit  es  einen  römischen  Staat  giebt  und  so  lange  ein  solcher 
bestanden  hat,  wird  der  Schutz  der  Landesgrenzen  wesentlich  da- 
durch bewirkt,  dass  die  an  das  römische  Gebiet  unmittelbar  an- 
grenzenden Staaten  zu  dem  römischen  in  ein  Abhängigkeitsverhältniss 
treten,  welches  sie  einestheils  verpflichtet  gegen  ihre  Nachbarn  mit 
ihrem  eigenen  zugleich  das  römische  Gebiet  zu  vertheidigen,  andrer-  216 
seits  ihnen  dabei  erforderlichen  Falls  Schutz  und  Waffenhülfe  in 
Aussicht  stellt.  Damit  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  diese  abhängigen 
Staaten  auch  bei  den  von  Rom  zu  führenden  Kriegen  durch  Zuzug 
sich  betheiligen  2;  wesentlich  aber  und  für  diese  Untersuchung  in 
Betracht  kommend  ist  die  indirecte  Waffenhülfe  durch  den  Schutz 
der  Grenzen.  In  dieser  Weise  hat  die  Republik  ihre  Provinz  Africa 
durch  den  König  der  Numidier,  Augustus  die  Euphratgrenze  durch 
die  Könige  von  Kappadokien  und  Armenien,  Constantin  die  östlichen 
Provinzen  durch  den  König  der  Lazen  und  die  Fürsten  der  Saracenen 
geschirmt;  wie  mannichfaltig  die  Anwendung  ist,  im  Princip  und  im 
Wesentlichen  auch  im  Ergebniss  sind  alle  diese  Ordnungen  von  ein- 
ander nicht  verschieden.  Die  staatsrechtliche  Grundlage  dieser 
Verhältnisse  eingehend  zu  erörtern  ist  hier  nicht  erforderlich.     Die 

1)  Die  höchsten  Zahlen  sind  sieben  {XIII  gemina)  und  sechs  {II  adiutrix, 
V  Macedoniea,  III  Italica);  niedrigere  finden  sich  zahlreich.  Bei  der  Willkür- 
lichkeit der  ganzen  Operation  und  dem  zweifellosen  Verschwinden  einer  grossen 
Anzahl  dieser  Detachements  in  dem  zwischen  Diocletian  und  Honorius  liegenden 
Jahrhundert  kann  mehr  nicht  erwartet  werden. 

2)  Dass  die  Lazen  den  Römern  keinen  Zuzug  stellen,  sondern  nur  ihre 
Grenzen  zu  vertheidigen  haben,  hebt  Prokop  b.  Pers.  2, 15  hervor  als  Anomalie. 
Als  Julian  zum  Perserkrieg  sich  anschickt,  bieten  die  Clientelstaaten  {gentes 
^urimae)  ihm  Zuzug  an,  er  aber  erklärt  nequaquam  decere  adventiciis  adiumentis  rem 
vindicari  Romanam  (Ammian  23,  2,  1). 

MOMMSEN,    SCHR.  VI.  15 


226  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

gesammten  Provinzen  sind  jetzt  als  römische  Stadtgemeinden  ge- 
ordnet; die  Angehörigen  derselben  besitzen  das  römische  Bürger- 
recht und  leben  nach  römischen  Gesetzen.  Aber  über  diese  homogen 
geordneten  römischen  Districte  reicht  das  Reichsgebiet  überall  hinaus^ 
und  begegnen  ebenfalls  reichsangehörige,  aber  nicht  municipal 
geordnete,  sondern  der  Regel  nach  von  Stammhäuptern  oder  Fürsten 
217  regierte  Districte^,  bezeichnet  als  gentes  oder  bei  grösseren  Verhält- 
nissen als  Königreiche,  ihre  Bewohner  als  gentiles  oder  römische 
harhari.  Als  solche  den  Römern  unterworfene,  aber  nicht  nach 
römischem  Recht  lebende  Districte  zählt  der  Bischof  Theodoret  im 
Anfang  des  5.  Jahrh.  auf  die  Aethiopen  an  der  Südgrenze  Aegyptens, 
die  Saracenen  am  Euphrat,  die  Tzanner,  Lazen,  Abasger  am  Kaukasus  ^. 
Ueberall  liegt  dabei  zu  Grunde  das  foedus,  das  heisst  ein  nicht  durch 
einen  Termin  oder  einen  einzelnen  Zweck  begrenzter,  sondern  auf 
ewige  Waffengemeinschaft  und  Reichsangehörigkeit  gestellter  Vertrag*; 
die  foederati  dieser  Epoche  sind  rechtlich  nicht  verschieden  von  denen 
der  Republik  und  der  früheren  Kaiserzeit ''.   Es  liegt  in  den  allgemeinen 

1)  Der  rechtliche  Gegensatz  der  Provinzialen  und  der  gentiles  kommt  präg- 
nant zum  Ausdruck  in  Justinians  magister  militum  per  Armeniam  et  Fontum 
Polemoniacum  et  gentes  (cod.  1,  29,  5);  die  Verordnung  selbst  unterscheidet  von 
Armenia  I  und  11  und  dem  Pontus  Polemoniacus  die  Armenia  magna  und  zählt 
in  dieser  (et  vor  gentes  ist  zu  streichen)  die  einzelnen  gentes  auf.  Meistens  werden, 
wie  Athen  zu  Achaia,  so  auch  die  gentes  zu  dem  angrenzenden  Ducat  gerechnet. 
Im  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  übrigens  sind  die  gentiles  wie  die  barbari  die 
nicht  reichsangehörigen  Ausländer,  wie  zum  Beispiel  Ammian  25,  8,  13  provinciae 
et  gentes  setzt  für  das  Inland  und  das  Ausland. 

2)  Ueber  den  Ausnahmefall,  dass  dafür  römische  tribuni  (wie  bei  den 
Marcomanen)  oder  praefecti  (wie  bei  den  laeti)  eintreten  und  über  die  in  diesem 
Fall  sich  anders  gestaltende  Militärpflicht  ist  in  dem  von  dieser  handelnden 
Abschnitt  gesprochen.  Ob  die  hie  und  da  in  Africa  begegnenden  praefecti  gentis 
(Ammian  29,  5,  21.35  und  die  Inschriften  C.  I.  L.  VIII  p.  1080  [vgl.  Cagnat 
V Armee  rmi.  d'Afrique  p.  327.  746;  Schulten  Rhein.  Mus.  50,  1895  S.  543])  mehr 
als  Stammhäupter  oder  mehr  als  römische  Offiziere  anzusehen  sind,  lasse  ich 
dahingestellt. 

3)  Diese  Verhältnisse  sind  in  meinen  ostgothischen  Studien  (Neues  Archiv 
für  deutsche  Geschichtskunde  Bd.  14  [s.  weiter  unten  in  diesem  Band]  ein- 
gehender erörtert. 

*  4)  Staatsrecht  3,  653. 
5)  Prokopius  b.  Vand.  1,  11:  ev  de  qpoiSsQdroig  üiqöxeqov  fisv  fxovoi  ßägßagoc 
tcaxEXeyovxo ,  oaoi  ovx  im  ro  öovXoi  eivai  (also  sind  sie  nicht  dediticii),  alX  im  rfj 
lajj  xal  ofÄoiq  ig  rr]v  noXixsiav  acpixoivxo  (also  sind  sie  ebenso  reichsangehörig  wie 
die  dediticii).  Dieser  ältere  und  correcte  Sprachgebrauch  ist  nicht,  wie  Prokop 
sagt,  in  dieser  Zeit  abgekommen ;  wo  die  Gothen  oder  die  Saracenen  foederati 
genannt  werden,  geschieht  es  meistens  in  diesem  Sinn.  In  gleichem  Sinne  heisst 
dem  Pacatus  paneg.  22  mit  Beziehung  auf  den  Vertrag  vom  J.  384  der  Perser- 


Das  römische  Militärweseu  seit  Diocletian.  227 

Verhältnissen,  dass  Verträge  dieser  Art  späterhin  nicht  leicht  mit 
städtischen  Gemeinwesen  abgeschlossen  werden^;  durchgängig  sind 
die  Föderirten  der  Kaiserzeit  Könige  und  Fürsten.  Am  häufigsten  ^  218 
gedacht  wird  der  Föderation  in  dieser  Epoche  bei  den  schon  ge- 
nannten Fürsten  der  römischen  Saracenen^  und  vor  allem  bei  den 
auf  das  rechte  Donauufer  übergetretenen  Gothen,  welche  in  Folge 
ihrer  stetigen  freundlichen  und  feindhchen  Beziehungen  zu  der  nicht 
entfernten  Hauptstadt  des  Ostreichs  den  Byzantinern  geradezu  mit 
Föderaten   zusammenfallen*.     Dem  Rechte  nach  stehen   alle    diese 

könig  nomine  foederatus,  iam  tuis  cultibus  tributarius,  das  heisst  nicht  mehr  ein 
abhängiger  Fürst,  sondern  fast  schon  ein  Unterthan.  Auch  bei  Sidonius  (ep. 
2,  13,  5:  aulam  tiirbulentissime  rexit  —  Petronius  Maximus  —  inter  tumultus 
militum,  popularium,  foederatorum;  vgl.  1,  8  in  der  Schilderung  von  Ravenna: 
Student  .  .  .  arrnis  eumichi,  Utteris  foederati)  wie  noch  in  den  Verordnungen  von 
440  (Valentinian  nov.  9:  cum  .  .  .  magister  militum  Sigisvuldus  tarn  militum  atque 
foederatorum  tuitionem  urbibus  ac  litoribus  non  desinat  oi'dinare)  und  von  443 
(Theodosius  nov.  24:  magistros  militum  .  .  ,  ab  omni  limitaneorum  militum  ac 
foederatorum  gentium  concussione  temperaturos  .  .  confidimus),  ja  in  der  Justinians 
nov.  103  c.  1,  wo  milites,  limitanei  und  foederati  unterschieden  werden,  kann  das 
Wort  nur  in  diesem  Sinn  gefasst  w.erden.  Erst  Prokop  nennt  ständig  und  hie 
und  da  auch  Justinian  die  aus  den  foederati  genommenen  Privatsoldaten,  die 
bueellarii  <poi8sQaxoi,  wo  dann  für  die  wirklichen  foederati  nur  die  Bezeichnung 
mUfiaxot  übrig  bleibt  unter  Aufgebung  des  terminologischen  Gegensatzes  der 
nicht  reichsangehörigen  Verbündeten  auf  Zeit  und  der  reichsangehörigen  ewig 
Alliirten.  So  meint  er  zum  Beispiel  Goth.  1,1:  (ol 'PcofiaToi)  zw  evjiQejisT  rfj? 
h'/niiaxiag  ovö/u^ari  ngog  tc5v  EJir}Xv8cov  Tvgavvovfisvoi  ißid^ovTO  nicht  die  socii, 
bOndern  die  foederati  im  älteren  Sinne. 

1)  Die  Stadt  Palmyra  muss  wohl  für  eine  gewisse  Periode  als  den  Römern 
föderirt  angesehen  werden. 

2)  Sidonius  ep.  3,  8:  natione  foederatorum  .  .  .  indviliter  Bomanas  vires  admi- 
nistrante.  Ennodius  paneg.  12,  63  nennt  den  Hünen  Mundo  foede/ratus  des  Ostreichs. 

3)  Ammian  25,  6, 10:  Saracenos  ideo  patiebamur  in  festos,  quod  sdlaria  munera- 
que  plurima  a  luliano  ad  similitudinem  praeteriti  temporis  accipere  vetiti.  Theo- 
dosius IL  bestätigt  in  der  Nov.  24  den  üblichen  Abzug  eines  Zwölftels  von  den 
annonae  der  milites  limitanei  zu  Gunsten  der  Offiziere  und  fügt  hinzu:  de  Sara- 
cenorum  vero  foederatorum  aliarumque  gentium  annonariis  alimentis  nullam  penitus 
eos  decerpendi  aliqnid  vel  auferendi  licentiam  habere  concedimus.  Prokop  b.  Pers. 
1,  17:  ovSei?  8s  ovre  'Pcofiaicov  atQaticorwv  äg/cov,  ov?  8ovxag  naXovoiv,  ovxe  2aQa- 
XTjVüJv  rcöv  'Pcofiaioig  evotiovSwv  ■^yov/nsvog,  oi  q}v)MQy_oi  ijiixakovvrai ,  §vv  xoTg  eno- 
fiiivoig  'Akaftovv8äQcp  dvrnd^aoßai  ixavöig  eixsv.  Die  rechtliche  Stellung  der 
römischen  wie  der  j)ersischen  Saracenen  tritt  darin  deutlich  zu  Tage,  dass  in 
dem  römisch  -  persischen  Friedensvertrag  von  532  sie  beide  nicht  genannt, 
sondern  stillschweigend  eingeschlossen  wurden,  dann  aber  der  persische  Saracenen- 
fürst  den  Friedensvertrag  bezeichnete  als  ihn  nicht  bindend  und  darüber  der 
Krieg  aufs  neue  ausbrach  (Prokop  b.  Pers.  2,  1). 

4)  Schon  Claudian  in  Ruf.  2,  75  spricht  von  dem  foedus  mit  Beziehung  auf 
diese  Gothen.     Malchus   fr.  11  Müll.:   im  Zrjvcovog  Ttgsaßeig   ex  OQuxrjg  tcov  vjio- 

15* 


228  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

Barbaren  insofern  politisch  gleich,  als  sie  dem  Schutzstaat  die  WafFen- 
pflicht  in  der  Form  des  selbständigen  Zuzugs  leisten;  im  Uebrigen 
ist  ihre  Stellung  zum  Reiche  begreiflicher  Weise  sehr  ungleicher 
219  Art.  In  engeren  Verhältnissen,  wie  zum  Beispiel  an  der  africanischen 
Grenze,  hat  die  Selbständigkeit  wenig  zu  bedeuten;  als  Kriterien 
der  effectiven  Abhängigkeit  können  auch  unter  dem  sinkenden 
Regiment  die  Form  der  Belehnung>  sowie  die  damit  verknüpften 
Ehrengaben  2  angesehen  werden.  Aber  es  finden  sich  auch  derartige 
Verhältnisse,  bei  denen  umgekehrt  der  nach  der  formalen  römischen 
Auffassung  in  Clientel  stehende  Barbarenfürst  der  Sache  nach  völlig 
unabhängig  ist,  ja  den  Schutz  mehr  gewährt  als  empfängt. 

Eine  wichtige  Veränderung  ist  in  Bezug  auf  die  mächtigeren 
föderirten  Fürsten  in  dieser  Epoche  eingetreten.    Dass  der  römische 

on:öv8o>v  röt&cov,  oi's  örj  xal  (poiösQarovg  ol  'PcofiaToi  xaXovoiv.  Suidas :  (poidegaroi  ■ 
ovroi  HaXovoi  'Pa>fj,aTot  rovg  vjioonövöovg  rcöv  Sxv&ä>v.  Prokop  b.  Goth.  4,  5:  fiBTO. 
Se  SovTOS  ßaoilecog  roxrjaavzo  ig  rä  im  QQcxxrjg  x,(OQia  xal  xa  ^iv  ^vvsfidxovv  'PiOfiaioig 
rd?  XE  ovvxd^sig  wojieg  ol  äXXoi  axQaxiwxai  jrpög  ßaoiXecog  HO/j,iC6/iievoi  dvä  näv  exog 
xal  (poiSsgaxoi  enixXrj&evxs?  (ovxco  yäg  avxovg  xfj  Aarivcov  qxovfj  ixdXeaav  'Pcofiatoc 
.  .  .),  xd  8s  xal  7i6Xs/iiov  jcgog  avxovg  öistpegov  •  .  ■  scog  (pxovxo  äjtiovTsg  ig  'IxaXiav 
0Ev8£Qixov  ■^yov/Lisvov  acpioi.  In  dieser  Hinsicht  stellt  Jordanes  (s.  die  Zusammen- 
stellung in  meiner  Ausgabe  p.  VIII.  188)  das  Verhältniss  der  Gothen  zu  den  Römern 
zutreffend  dar,  so  incorrect  das  Einzelne  ist.  —  Von  dem  hieraus  abgeleiteten 
byzantinischen  Sprachgebrauch  die  geworbenen  Privatsoldaten  foederati  zu  nennen 
wird  weiterhin  die  Rede  sein. 

1)  Staatsrecht  2^,856.  Die  Lazen  waren  nach  Prokop  b.  Pers.  2,15  den 
Römern  unterthänig,  das  heisst  reichsangehörig,  und  ijieiddv  avxoTg  6  ßaoiXsvg 
xeXevTTiasiE ,  ^vfißoXM  xfjg  dQxfjg  xü>  8ia8£yofj.£vcp  xtjv  ßaoiXelav  6  'Pwfiaicov  ßaaiXsvg 
ETiE^iiE.  Der  Phylarch  der  gesammten  römischen  Saracenen  erbittet  bei  Justinian 
für  seinen  Sohn  die  Nachfolge  (Theophanes  zum  J.  6056).  Nach  der  Unter- 
werfung Africas  durch  Belisar  oooi  ev  xe  MavQixavlq  xal  Novfxiölq.  xal  BvCaxicp 
MavQovoiwv  tjQxov,  Jigsoßeig  (og  BsXuadQiov  jzEjuxpavxEg  dovXoi  xe  ßaaiXJwg  scpaoxov 
Eivai  xal  ^vfi,(xaxrioeiv  vjieoxovxo'  eial  8s  oi  xal  xovg  7ial8ag  iv  ofirjQMV  JtaQslxovxo 
Xöyco  xd  XE  ^vfißoXa  oqjioi  nag  avxov  oxsXXsod^ai  xf]g  dgxfjg  xaxd  8i]  xov  jiaXaiov  v6/j.ov 
i8Eovxo  (Prokop  b.  Vand.  1,  25).  Dass  die  Byzantiner  von  den  Gothenfürsten 
nichts  Aehnliches  melden,  darf  wohl  als  Zeugniss  dafür  gelten,  dass  diese  die 
Bestätigung  in  Byzanz  nicht  nachsuchten. 

2)  Ammian  23,  3,  8:  (Julianum)  Saracenarum  reguli  gentium  genibus  sup- 
plices  nixi  oblata  ex  auro  Corona  tamquam  mundi  nationumque  suarum  dominum 
adorarunt.  Dies  sind  die  annua  sollemnia  das.  22,  7,  10.  V,  0.  von  387  an  den 
Satrapen  der  Sophanene  (C.  Th.  12,  13,  6):  seeundiim  constietudinem  moris  antiqui 
omnes  satrapae  pro  devotione,  quae  Romano  debetiir  imperio,  coi'onam  ex  pi'O'priis 
facultatibus  faciant  serenitati  nostrae  sollemniter  offerendam.  Theoderichs  Nach- 
folger Theodahathus  verpflichtet  sich  in  dem  ünterwerfungsvertrag  jährlich  dem 
Kaiser  einen  Goldkranz  von  300  Pf.  Gewicht  zuzusenden  (Prokop  b.  Goth.  1,  6). 
In  analoger  Uebertreibung  erbitten  bei  Sidonius  ep.  8,  9  v.  45  die  Parther  vom 
König  Eurich  die  Bestätigung  ihrer  Herrschaft  foedere  sub  stipendiali. 


Das  römische  Militärweseii  seit  Diocletian.  229 

Staat  dem  von  ihm  abhängigen  Stammhaupt  oder  König  für  den 
von  diesem  zu  bewirkenden  Grenzschutz  eine  Yergütung  gewährt, 
ist  den  früheren  Ordnungen  fremd;  nach  diesen  wird  der  abhängige 
Fürst  lediglich  durch  Nichtleistung  des  an  sich  der  Schutzmacht 
zukommenden  Tributs  oder  durch  Abminderung  desselben  für  seine 
Kriegsdienste  entschädigt.  Jetzt  dagegen  haben  regelmässig  ^  die 
die  Grenze  deckenden  Schutzfürsten  gleich  den  Grenztruppen  des  220 
Reiches  ein  Anrecht  auf  die  dem  Soldaten  zukommenden,  eigentlich 
als  Naturalleistung  angesetzten ,  aber  in  dieser  Anwendung  durch- 
gängig in  Geld  umgewandelten  Bezüge.  Die  Festsetzung  dieser 
annonae  foederaticae^  und  der  Zahlungsnormen  wird  damit  der 
wesentliche  Inhalt  dieser  Bündnissverträge.  Man  erkennt,  dass  dabei 
wohl  die  Zahl  der  von  dem  einzelnen  Fürsten  zu  stellenden  Mann- 
schaften zu  Grunde  gelegt,  aber  bei  der  Zahlung  selbst  von  der 
elfectiven  Dienstleistung  abgesehen  und  die  also  vereinbarte  Summe 
Jahr  für  Jahr  dem  Fürsten  gezahlt  ward  ^.  Nothwendig  flössen  diese 
den  Grenzfürsten  für  die  Yertheidigung  des  Gebiets  zu  entrichtenden 
Summen  in  einander  mit  den  Abfindungsgeldern,  mit  welchen  die 
römischen  Herrscher  mehr  und  mehr  sich  gewöhnten  die  Brand- 
schatzung durch  unbotmässige  Nachbarn  abzukaufen.  Offenbar  sind 
die  Verträge  dieses  Inhalts  alle  in  der  Föderationsform  abgeschlossen 
worden*;  sogar  als  Kaiser  Justinianus  sich  dazu  verstand  den  Persern 
jährlich  500  Pfund  Goldes  zu  entrichten,  wurde  dabei  ausgesprochen, 


1)  Dass  die  Lazen  für  die  Grenzvertheidigung  vou  den  Römern  keine  Ent- 
schädigung erhalten,  hebt  Prokop  (b.  Pers.  2,  15)  hervor  als  anomal. 

2)  Theodosius  II  nov.  24  (S.  227  A.  3).  Hypatius  mag.  mil.  per  TJvracias 
entzieht  im  J.  524  den  in  Skythien  und  Thrakien  stehenden  Mannschaften  diese 
Bezüge  (Johannes  Antiochenus  in  dem  in  dieser  Zeitschr.  [Hermes]  6,  344  von  mir 
herausgegebenen  Fragment:  dtpaiQS&slg  aizj^oecog  di]/xooiag  zcöv  naXovfiivoiv  (poiSsga- 
Tixiöv  dvvMVMv).  Nach  der  Eroberung  Africas  werden  dem  Maurenfürsten  Antalas 
diese  annonae  verliehen,  aber  bald  wieder  entzogen  (Prokop  b.  Vand.  2,21:  tag 
oiT^ascg,  aig  avxov  ßaodevg  sxsrifirixsi,  Zoköfxoiv  äq^siXero).  Auch  Malalas  (in  dem 
in  dieser  Zeitsclir.  [Hermes]  6,  369  von  mir  herausgegebenen  Fragment)  erwähnt  die 
foederati,   d(p'  mv  xal  ai  cpoidsgatixal  avvcovai  xazdyovrai. 

3)  Malchus  fr.  17  zum  J.  479:  rißerzai  zrjv  siQ^vrjv  (Kaiser  Zeno  und  der 
Gothenfürst  Theoderich  des  Triarius  Sohn)  icp'  4>  ^*  fivglots  fxiv  xal  tQtoxdiois 
ardgaaiv,  oig  ßeXoi  ©svösQixog  (also  die  Römer  zahlen  an  ihn,  nicht  an  die  einzelnen 
Mannschaften),  ovvzd^eig  zs  xal  zgocpijv  /0Q7]yeTv  ßaaiXsa. 

4)  Dass  die  Eruier  zu  Unrecht  'auch  für  diejenigen  Leute,  die  dem  Vertrag 
zuwider  geplündert  hatten,  die  Soldgelder  alle  {zag  avvzd^eig  dndaag)  erhalten' 
(Prokop  b.  Goth.  3,33),  lässt  auf  eine  Clausel  schliessen,  die  in  solchem  Fall 
den  Römern  gestattete  einen  entsprechenden  Theil  der  Jahressumme  in  Abzug 
zu  bringen. 


230  Dä-s  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

dass    in  Zukunft   die   Perser    als    römische  Soldaten   zu    betrachten 

221  seien  ^.  Dass  auf  diese  Weise  die  nominelle  Abhängigkeit  zur 
effectiven  Herrschaft  wurde,  bedarf  der  weiteren  Ausführung  nicht; 
Theoderichs  föderirte  Gothen  sind  nichts  als  das  Exempel  auf  diese 
Regel. 

Diese  kurzen  Andeutungen  über  die  durch  die  Clientelfürsten 
bewirkte  Grenzvertheidigung  werden  unserem  Zwecke  genügen.  Zu 
den  Reichstruppen  gehören  ihre  Streitkräfte  materiell  allerdings, 
nicht  aber  im  formellen  Sinn.  Dass  sie  in  ihrer  militärischen  Form 
nicht  römisch  waren,  kommt  dafür  freilich  nicht  in  Betracht,  da  auch 
unter  den  Truppenkörpern  des  Reiches  nicht  wenige  nach  ausländi- 
schem Muster  gebildet  waren.  Aber  die  Besoldung  zahlte  diesen 
Soldaten  der  Fürst,  wenn  auch  die  Gelder  aus  der  römischen  Staats- 
kasse flössen,  und  er  selber  oder  die  von  ihm  ernannten  Offiziere 
führten  die  Truppen.  Dem  entsprechend  schweigt  die  Notitia  sowohl 
von  den  Phylarchen  der  Saracenen  wie  von  den  reguli  der  Gothen^. 
In  Africa,  wo  der  Limes  in  örtliche  Abschnitte  zerfiel,  sind  dem 
praefectus  eines  jeden  ausser  den  grösseren  oder  kleineren  Lagern 
der  Reichstruppen  ohne  Zweifel  auch  die  in  den  Bezirk  fallenden 
Stammhäupter  untergeben  gewesen^;  die  Notitia  nennt  die  dem 
einzelnen  praefectus  unterstellten  Abtheilungen  nicht,  wird  aber  auch 
hier  die  gentes  nicht  berücksichtigt  haben. 

3.    Die  scholae. 
Die  Truppenkörper,  welche    ohne  rechtlich  fixirte  Garnison  im 
Allgemeinen  bestimmt  waren    dem  Kaiser   zu  folgen   und   zu  seiner 

222  freien  Verfügung  standen,  zerfallen  in  die  drei  Stufen*  der  Saaltruppen 

1)  Ovxovv,  wenden  bei  Prokop  b.  Pers.  2, 10  die  römischen  Gesandten  gegen 
Chosroes  Begehren  ein,  vjiozEXeTg  ßovkovxai  'Pco^aiovs  ig  (poQov  djiaycoyrjv  s'x^iv.  Der 
König  verneint  dies:  ov,  dXXä  argazicoTas  otxsiovs  k'^ovoi  ro  koijiov  IIsQoas 'PcofiaToi, 
[iiad'ov  tilg  VTiovQyiag  avroTg  y^oQrjyovvxeg  Qtjxöv'  etisI  xal  Ovvvcov  tial  (vgl.  hist. 
arc.  11)  xal  SagaxTjvoTg  ijtstsiov  '/^OQrjyEiTB  )^qvo6v,  ov  (pögov  avzoTg  vjioTElelg  ovxEg, 
dAA'  ojrco?  dd^coxov  yfjv  xrjv  v/nsxEQav  (pvXä^oioiv  ig  xov  Jiävra  alöjva.  Diese  Auf- 
fassung der  Tribute  kehrt  überall  wieder;  die  Empfänger  beziehen  Sold  {avvxä^Eig) 
und  sind  sf^fiia&oi  der  Römer  (Prokop  b.  Goth.  3,  33.  34). 

2)  Von  den  durchaus  verschiedenen  Alen  und  Cohorten  der  Saracenen  und 
der  Gothen  wird  weiterhin  die  Rede  sein. 

3)  Dies  zeigt  ausser  der  S.  211  A.  1  angeführten  Verordnung  von  409  eine 
andere  (G.  Th.  11,30,62)  im  J.  405  an  den  Proconsul  von  Africa  erlassene:  si 
quando  a  gentilibus  vel  a  praefectis  eorum  fuisset  interposita  pii'ovocatio  .  .  .  pro- 
consularis  cognitionis  praestoletur  examen.  Hier  ist  wohl  der  praefectus  limüis 
gemeint,  obwohl  auch  an  einen  speciellen  praefecttts  gentis  gedacht  werden  kann. 

4)  Die  domestici  et  protectores,  die  im  Range  noch  über  den  scholares  stehen 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  231 

oder  der  scholae,  der  Palasttruppen  oder  der  palatinl  und  der  Ge- 
folgstruppen  oder  der  comitatenses.  In  dieser  Reihenfolge  soll  hier 
von  denselben  gehandelt  werden. 

Wenn  von  unzuverlässigen  byzantinischen  Erzählungen '  ab- 
gesehen wird,  treten  die  scholae  zuerst  unter  Constantinus  I  auf^ 
und  sind  wahrscheinlich  von  ihm  eingerichtet  worden.  Die  Be- 
nennung ist  ohne  Zweifel,  ähnlich  wie  consistorium,  davon  entnommen 
worden,  dass  diesen  Mannschaften  ein  Saal  im  Kaiserpalast  selber 
angewiesen  ward,  um  dort  sich  für  die  ihnen  zugehenden  Befehle 
in  Bereitschaft  zu  halten  ^.    Es  wurden  dazu  die  besten  zur  Verfügung  223 


(Prokop  hist.  arc.  24),  sind  ein  Offiziercorps  und  werden  nicht  als  Truppeu- 
körper  verwendet.  Ich  habe  über  dieselben  eingehend  Eph.  epigr.  5, 121  f.  647 
gehandelt. 

1)  Nach  der  Paschalchronik  (p.  501.  502  Bonn)  sind  die  sechste  schola  der 
candidati  oder  der  senioi'es  von  Gordian  'dem  Aelteren'  und  die  siebente  de^r 
candidati  oder  der  iuniores  von  Philippos  'dem  Jüngeren'  in  der  Weise  ein- 
gerichtet worden,  dass  man  sie  auslas  djio  zov  rdy/nazog  xwv  leyofXEvoiv  a^olagicov, 
wonach  also  sie  die  scholae  selbst  schon  vorgefunden  hätten.  Aber  dies  ist 
sicher  ebenso  apokryph  wie  die  angeblichen  Beinamen  der  beiden  Kaiser.  Wenn 
diese  überhaupt  eine  derartige  Einrichtung  getroiFen  haben,  so  betrifft  diese 
sicher  nicht  eigentlich  die  scholae,  sondern  die  ihrem  Ursprung  nach  nicht  auf- 
geklärten candidati.  Dass  diese,  wenn  auch  vielleicht  erst  später,  in  die  scholae 
eingefügt  worden  sind,  ist  allerdings  wahrscheinlich,  da  sie  sonst  in  der  Notitia 
nicht  fehlen  würden  und  die  Paschalchronik  dies  bestimmt  sagt.  Dass  Kaiser 
Jnstinus,  als  er  die  Combination  zweier  militiae  allgemein  verbot,  ausnahmsweise 
gestattete  den  Dienst  in  der  schola  und  den  als  candidatus  zu  combiniren  (cod. 
lust.  12,  33,  5,  4),  beweist  wohl  die  Aehnlichkeit  beider  Stellungen,  aber  schliesst 
die  candidati  vielmehr  von  den  scholae  aus.  Eben  darauf  führt  auch  Corippus 
laud.  lust.  3, 161 :  cumque  palatinis  stans  catidida  turba  tribunis.  Aber  es  können 
Scholar  es  im  engeren  Sinne  und  candidati  unterschieden  worden  sein.  Vgl.  über 
die  candidati  Ammian  15,  5,  16.  25,  3,  5.  31,  13,  14.  16.  81, 15,  8;  Hieronymus  vit. 
Hilar.  22,  der  einen  candidatus  des  Kaisers  Constantius  (nach  den  Hdschr.  Con- 
stantinus), einen  geborenen  Franken,  erwähnt;  Inschrift  vom  J.  450  (Rossi  inscr. 
ehr.  1,  748  [C.  I.  L.  VI,  32953])  eines  Antiochos  candidatus  pfemeceri  .  . ;  Prokop 
b.  Goth.  3,  38:  öogvqpoQog  (Justiuians),  etieI  ig  rovg  xavöiddzovg  xaXov/iievovg  relcöv 
hv^s;  Constantinus  Porphyr,  de  caer.  1,  93:  6  fidyiorgog  (im  J.  519  nach  dem 
Tode  des  Anastasius)  id^kcoaev  eig  rag  oxo?Ag,  Iva  xal  oi  xavdiddrot  xai  ol  äXXoi 
oyoXdgiot  ujiavrrjocoaiv. 

2)  C.  Th.  14,  17,  9:  annonas  civicas  in  urhe  Constantinopolitana  scholae 
scutariorum  et  sciitarioi-um  clibanariorum  dim  Constantini  adseruntur  liberalitate 
meruisse.  Die  älteste  die  scholae  erwähnende  Verordnung  ist  vom  J.  346  (C.  Th, 
12,  1,  38). 

3)  Prokop  h.  arc.  14:  orgariwrai  ol  iv  jiakaziq)  (pgovQav  sxovzeg  iv  xfj  ßaaiXsia» 
azofi.  Darum  wird  die  Benennung  schola  auch  auf  andere  dem  Kaiser  sich  zur 
Hand  haltende  Körperschaften  übertragen,  wie  die  domestici  et  protectores,  die 
agentes  in  rebus,   die  notarii  und   sie  werden  auch  wohl  mit  diesen  zusammen- 


232  D^s  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

stehenden  Leute,  anfänglich  überwiegend  Germanen',  unter  Leo 
vorwiegend  Armenier,  unter  Zeno  Isaurer,  späterhin  ohne  Rücksicht 
auf  reines  Barbarenblut  die  stattlichsten  Rekruten  genommen  2.  Sie 
waren  sämmtlich  Reiter^  und  durch  bessere  Rüstung  ebenso  wie 
durch  höheren  Sold*  ausgezeichnet.  Ihre  Abtheilungen,  nicht  zu 
den  wwmm  gerechnet  (S.  208  A.  3),  werden  im  Einzelnen  entweder 
von  der  Rüstung  oder  von  der  militärischen  Qualification  benannt  ^, 
224  zählten  je    500  Mann*^;    es    waren    derselben    anfänglich    vielleicht 


gefasst.  Ammian  14,  7,  9:  (Constantius  Gallum)  solis  scholis  iussit  esse  contentum 
paJatinis  et  protectorum  cum  scutariis  et  gentilibus.  —  Die  technische  Verwendung 
des  den  Saal  bezeichnenden  Wortes  für  die  in  dem  Saal  zusammentretende 
Körperschaft  gehört  dieser  Epoche  an,  obwohl  die  schölae  der  Philosophen  schon 
nahe  dai'an  streifen. 

1)  Bei  Ammian  20,  8,  13  schreibt  Julian  dem  Constantius:  praebebo  .  .  . 
miscendos  gentilibus  atque  scutariis  adulescentes  Laetos  quosdam  eis  Rhenum  editam 
barbarorum  progeniem  vel  certe  ex  dediticiis  qui  ad  nostra  desdscunt.  Ein  Ale- 
manne unter  den  scutarii  Gratians  Ammian  31,  10,  8.  20. 

2)  Prokop  hist.  arc.  24:  rovrovg  01  jiqöxeqov  f^hv  dgiOTivdtjv  anoXe^avts?  i^ 
'jQ[A,svi(OV  ig  ravrrjv  8i]  trjv  rijLtrjv  i]yov  e^  ov  8s  Zi]VCOV  trjv  ßaadeiav  JiaQslaßs, 
näaiv  e^ovoia  syivsto  .  .  .  xovxov  örj  rov  ovofiarog  ijiißarsvsiv.  Dass  Zeno  die  Isaurer 
bevorzugte,  bemerkt  Agathias  5, 15.  So  wanderten  noch  unter  Leo  der  spätere 
Kaiser  Justinus  und  seine  beiden  Brüder,  arme  illyrische  Tagelöhner,  mit  dem 
Brotsack  auf  dem  Rücken  nach  Constantinopel ,  um  sich  anwerben  zu  lassen, 
und  wurden  wegen  ihrer  stattlichen  Figur  unter  die  excubitores  eingestellt  (Prokop 
hist.  arc.  6). 

3)  Bei  den  scutarii  clibanarii  ergiebt  dies  der  Name.  Die  armaturae,  an 
deren  Spitze  Silvanus  vor  der  Schlacht  bei  Mursa  zu  Constantius  überging 
(Ammian  15,5,33),  bezeichnet  Julian  or.  1  p.  48  B,  or.  2  p.  97  C  als  iXrj  (oder 
xd^ig)  rcöv  ijidexrcov  mnscov  (vgl.  über  die  armaturae  meine  Bemerkungen  in  den 
Bonner  Jahrbüchern  68,  53  und  Cauer  Eph.  epigr.  4  p.  440).  Ueberhaupt  aber 
kann  die  persönliche  Bedeckung  des  Kaisers  nur  beritten  gedacht  werden. 

4)  Prokop  a.  a.  0. 

5)  Nach  der  Bewaffnung  benannt  sind  die  armaturae  (nach  der  Notitia 
seniores  im  Westen,  iuniores  im  Osten)  und  die  scutarii,  deren  die  Notitia  im 
Occident  drei,  im  Orient  zwei  scholae,  ausserdem  in  diesem  die  scutarii  clibanarii 
und  scutarii  sagittarii  verzeichnet,  nach  der  Herkunft  gentiles  {gentiles  scutarii 
Ammian  20,  2,  5,  wo  die  Einsetzung  der  Copula  den  Sinn  zerstört),  von  denen 
die  Notitia  im  Orient  die  seniores  und  die  iuniores,  im  Occident  die  seniores 
aufführt.  Von  den  bei  Lydus  de  mag.  1, 46  zusammengehäuften  Benennungen 
gehören  hierher  die  aQixäxovQa  jigi/na  und  arjfiiaadha,  was  durch  6jilofj,sXhrj  ngdixtf 
und  /^eiCcov  erklärt  wird,  und  die  nQifioaaovxaQioi  und  JiQifiooayixxaQioi. 

6)  Hierauf  führt  die  Angabe  Prokops  a,  a.  0.,  dass  Justinian  3500  derartige 
Stellen  vorfand  und  2000  neue  einrichtete,  in  Verbindung  mit  den  7  scholae  der 
Notitia  Orientis  und  den  11  Justinians  (cod.  4,  65,  35).  Die  Cassirung  der  vier 
neuen  scholae,  die  Prokop  meldet,  wird  später  fallen. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  233 

fünf  ^,  späterhin  im  Occident  ebenso  viele,  im  Orient  bis  auf  Justinian 
sieben,  unter  Justinian  elf.  Der  eine  solche  Abtheilung  commandirende 
trihunus  steht  schon  unter  Theodosius  I.  den  Vicarien  im  Range 
gleich^  und  ist  im  Ansehen  und  Einfluss  den  höchsten  Beamten 
oft  überlegen^.  Ihrem  Saaldienst  entsprechend  sind  diese  Truppen 
dem  Vorsteher  der  am  Hofe  befindlichen  Subalternbeamten,  dem 
Magister  officiorum  untergeordnet,  welches.7Amt  ebenfalls  Constantin 
eingeführt  hat*.  Eine  andere  Verwendung  als  für  den  unmittel- 
baren Dienst  bei  dem  Kaiser,  am  Hofe  sowohl  wie  im  Feldlager, 
haben  diese  Soldaten  nicht  gehabt  und  daher,  nachdem  die 
Kaiser  sich  der  persönlichen  Heerführung  entsehlagen  hatten,  gleich 
diesen  selbst  den  militärischen  Charakter  völlig  eingebüsst  >'.  Selbst 
der  Wachdienst  im  Palast  ist  ihnen  schliesslich,  wahrscheinlich  225 
unter  Leo  ••,  abgenommen  und  auf  die  cxcuhitores  übertragen 
worden',  deren  Vorgesetzter,  der  comes  exciibitorum ,  eine  der 
angesehensten  Hofstellen  bekleidet**.     Häufig   indess   sind  aus  ihren 

1)  Ammian,  der  die  schölae  oft  erwähnt,  nennt  zwei  der  scutarii,  die  arma- 
turae  und  die  gentiles. 

2)  Die  tribuni  residui  nominis  der  V.-O.  von  381  C.  Th.  6,10,3  können 
nur  die  der  schölae  sein.  Dass  sie  zur  Kaisertafel  zugelassen  werden  und  häufig 
mit  der  Austeilung  die  comitiva  primi  ordinis  erhalten,  ergiebt  die  V.-O.  von  413 
C.  Th.  6,  13,  1.  Im  J.  441  heissen  sie  coinites  scholarum  viri  spectahiles  (nov. 
Theod.  21 ;  ähnlich  nov.  7  c.  3,  1  comites  ac  tribuni  militares),  ebenso  xöfitjxsg  rwv 
axoköiv  bei  Constantinus  Porphyr.  1,  91.  Auch  Rusticus,  der  als  comes  scholario- 
rum  im  J.  508  ein  Flottencommando  erhielt  (Marcellinus  u.  d.  J.)  scheint  hierher 
zu  gehören. 

3)  Nach  Jovians  Tode  schwankte  die  Kaiserwahl  zwischen  zweien  dieser 
Tribüne,  dem  Equitius  von  den  scutarii  primi  und  dem  Valentinian  von  den 
scutarii  secundi,  welcher  letztere  obsiegte.  Dem  aus  der  Heimath  vertriebenen 
Langobardenfürsten  Ildigisal  giebt  Justinian  ein  solches  Commando  (Prokop  b. 
Goth.  4,  27).     Weitere  Belege  finden  sich  zahlreich. 

4)  Der  trihunus  (später  comes)  et  magister  officiorum  findet  sich  zuerst  in 
den  constantinischen  Verordnungen  C.  Th.  16,  10,  1  vom  J.  320  und  11,  9,  1 
vom  J.  323. 

5)  Dies  zeigen  die  Schilderungen  bei  Prokop  h.  arc.  24  und  bei  Agathias 
6,  15.  Die  Stellen  wurden  käuflich  und  die  Besoldungen  zu  Pensionen  auf 
Lebenszeit. 

6)  Lydus  de  mag.  1,  16:  o  Ascov  8s  6  ßaoiXevi;  jtQcöxog  xovg  leyoixEvovg  eoaovßi- 
xiOQag    x<äv    jiaQs^öSmv    xov    7ia).atiov    (pvlaxas    nQoaxtjadfisvos    xgcaxoatovg    fxövovg 

tOXQaXSVOE. 

7)  Die  excubitoi'es  scheinen  nicht  aus  den  scliolares  ausgewählt,  sondern  von 
ihnen  verschieden  zu  sein;  indes  sicher  steht  dies  nicht. 

8)  Der  älteste  mir  bekannte  Inhaber  dieser  Stellung  ist  Justinus,  der  als 
■^ysfxoiv  xwv  ev  xfj  avkfj  xd^scor  (Euagrius  4,  1)  oder  comes  excubitorum  (Anon. 
Vales.  76;  Jordanes  Rom.  c.  360;  Constantinus  Porphyr,  de  caer.  1,93)  im  J.  519 


234  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

Reihen   die  Offiziere,   sowohl   der  numeri  wie   ihre   eigenen  hervor- 
gegangen ^. 

4.  Die  palatini  und  die  comitafenses. 
Die  Palastsoldaten,  mUites  palat'mi ^  kennt  die  vordiocletianische 
Ordnung  nicht.  Dass  sie  eine  Institution  Diocletians  sind,  geht  nicht 
blos  daraus  hervor,  dass  verschiedene  dazu  gehörige  Truppenkörper 
und  zwar  ziemlich  die  vornehmsten  nach  ihm  oder  seinem  Collegen 
226  benannt  sind^  und  andere  derselben  nachweislich  schon  zu  dieser 
Zeit  bestanden  haben*,  sondern  auch  aus  der  Nothwendigkeit  der 
Verhältnisse.  Diocletian  hat,  offenbar  in  der  Absicht  sich  von  den 
bedenklichen  militärisch  -  politischen  Traditionen  des  bestehenden 
Gardecorps  zu  emancipiren,  nicht  blos  dasselbe  stark  vermindert, 
sondern  auch  es  in  Rom  belassen,  während  er  die  Residenz  von 
dort  wegnahm  und  überhaupt  zunächst  aufhob.  Es  war  also  uner- 
lässlich  eine  neue  gleich   den  ursprünglichen  Prätorianern  nicht  an 


zum  Kaiser  gewählt  ward,  dann  unter  Justinian  Theodorus  (Prokop  b.  Vand, 
2,12.  14),  Marcellus  (Prokop. b.  Goth.  8,32),  Belisar  (Prokop  b.  Goth.  4,21). 
Dieser  coynes  steht  dem  Herrscher  vor  allen  nahe  und  folgt  häufig  (vgl.  Ewald 
zu  Gregorius  1,  31). 

1)  Die  V.-O.  von  414  C.  Th.  7,  4,  34  bestimmt,  dass  die  scholares,  quibus  . ., 
regendos  numeros  dederimus,  neben  dem  Offiziersold  den  des  scholaris  fortbeziehen 
sollen.  Ein  candidatus  zum  trihunus  befördert:  Ammian  15,  5, 16.  Kaiser  Justinus 
stieg  innerhalb  der  exeubitoi'es  vom  Gemeinen  bis  zum  cames  auf  (S.  232  A.  2 
und  S.  233  A.  8). 

2)  Mit  den  ebenso  bezeichneten  Officialen  namentlich  der  hohen  Finanz- 
beamten haben  die  palatini  der  militia  armata  nur  den  Namen  gemein.  Von 
den  scholae  kann  natürlich  die  Benennung  auch  gebraucht  werden  (Ammiaü 
14,  7,  9.  12). 

3)  Unter  den  24  palatinischen  Legionen  führen  vier,  und  zwar  ziemlich 
die  an  der  Spitze  stehenden,  den  Namen  loviani  seniores  und  iuniores  und 
Herculiani  seniores  und  iuniores.  Diese  loviani  und  Hereuliani  bezeichnet 
Ammian  25,  6,  3  als  die  angesehensten  Truppenkörper  der  Armee  und  dasselbe 
geht  hervor  aus  ihrer  Verwendung  bei  den  Gerichtsverhandlungen  in  Kalchedon 
Amm.  22,  3,  2  (vgl.  auch  27,  10,  10).  Die  lovii  oder  loviani  und  die  Herculii  oder 
Herculiani  bei  Eunapius  fr.  6  =  Zosimus  2,  43,  2  und  Zosimus  3,  20,  2  und  die 
cohors  lovia  und  HercuUa  Claudians  de  hello  Gild.  1,  415  gehören  wohl  auch 
hierher.  Indess  finden  sich  die  gleichen  Benennungen  auch  sowohl  unter  den 
Grenzlegionen  (S.  213  A.  4)  wie  unter  den  auxilia  palatina  und  mit  Sicherheit 
lassen  diese  Truppenkörper  sich  nicht  von  einander  scheiden. 

4)  Die  lanciarii,    eine  der  palatinischen  Legionen  (vgl.  Eph.  ep.  IV  n.  911 
[C.  I.  L.  VI,    32943]),  werden    zugleich   mit  den    durch   Constantin    aufgelösten 
prätorischen  Cohorten  genannt  in  den  stadtrömischen  Inschriften  C.  I.  L.  VI,  2759  ; 
[=  Dessau   2045].  2787.     Auch  die  unten  S.  239  A.  1  mitgetheilte  Inschrift  des  | 
numerus  landariorum  ist  aus  diocletianischer  Zeit. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletiau.  235 

einen  Ort,  sondern  an  die  Person  des  Kaisers  gewiesene  Kaisergarde 
zu  bilden;  und  dies  sind  die  späteren  jja?a^mi.  Wenn  diese  bald 
nachher  durch  die  wahrscheinlich  von  Constantin  eingerichteten  Saal- 
truppen aus  dem  unmittelbaren  Dienst  bei  der  Person  des  Kaisers 
verdrängt  worden  sind,  so  bilden  sie  bei  der  geringen  Stärke  der 
letzteren  darum  nicht  weniger  auch  nachher,  wenn  der  Kaiser  persön- 
lich am  Feldzug  sich  betheihgt,  das  eigentliche  Gardecorps  ^.  Die 
Bezeichnung  als  iialatini  ist  vielleicht  erst  aufgekommen,  als  die 
Truppen  des  palatium  und  die  in  comitatu  sich  von  einander  schieden, 
wovon  weiterhin  gehandelt  ist;  anfänglieh  scheinen  eben  diese 
Abtheilungen  bezeichnet  worden  zu  sein  als  dienend  in  sacro  comitatu'^. 
Es  ist  dies  um  so  wahrscheinlicher,  als  einer  relativ  beträchtlichen 
Zahl  der  zu  den  palatini  gehörenden  Reiterabtheilungen  der  sonst  227 
kaum  begegnende  Beiname  comites  geblieben  ist^. 

Den  Bestand  dieses  Gardecorps  für  die  Zeit  des  Honorius  ent- 
nehmen wir  der  Notitia*.  Die  Reiterei  desselben  bestand  damals 
aus  24  Vexillationen ,  von  denen  14  auf  den  Osten,  10  auf  den 
Westen  kommen;  die  Infanterie  theils  aus  25  Legionen,  13  orientali- 
schen und  12  occidentalischen,  theils  aus  108  aiixilia,  davon  43  im 
Orient  standen,  65  im  Westen.  Dem  Standquartier  nach  befanden 
sich  damals  im  Orient  von  den  Vexillationen  11  in  oder  bei  der 
Hauptstadt,  3  bei  dem  thrakischen  Heer;  von  den  Legionen  12  in 
oder  bei  der  Hauptstadt,  eine  bei   dem  illyrischen  Heer;  von  den 

1)  In  solcher  Verwendung  erscheinen  die  palatinischen  Legionen  der 
lanciarii  und  der  mattiarii  in  den  Schlachten,  an  denen  Constantius  und  Valens 
persönlich  theilnahmen,  bei  Ammian  21,  13,  16,  31,  13,  8. 

2)  In  der  wahrscheinlich  der  diocletianischen  Zeit  angehörenden  Inschrift 
von  Troesmis  C.  I.  L.  III,  6194  [=  Dessau  2781]  findet  sich  ein  lectus  in  sacro 
comit(atu)  lanciarius;  denn  so  ist  zu  verbinden  und  der  Eph.  ep.  V  p.  124  aus- 
gesprochene Zweifel  nicht  begründet.  Die  Bezeichnung  als  palatini  tritt  zuerst 
auf  in  der  V.-O.  vom  J.  365  C.  Th.  8,  1,  10,  welche  die  actuarii  der  palatini, 
comitatenses  und  pseudocomitatenses  einander  entgegensetzt.  Die  scholae,  die 
vexillationes  comitatenses  aut  palatinae,  die  Legionen  und  die  aiixilia  nennt  die 
V.-O.  von  396  C.  Th.  7,4,  22;  numeri  comitatenses  ac  palatini  im  Gegensatz  eine 
vom  J.  400  C.  Th.  7,  1,  18.  Die  präcise  Kunde  verdanken  wir  auch  hier  allein 
der  Notitia. 

3)  Comites  heissen  unter  den  24  palatinischen  Vexillationen  neun  (Or.  5,  29. 
30.  31.  6,28.  31.  8,  25.  26.  Occ.  6, 43.  50),  ausserdem  nur  zwei  Vexillationen 
der  comitatenses  (Or.  7,  25.   Occ.  6,  75). 

4)  Untergeordnete  Differenzen  sind  in  der  folgenden  Uebersicht  unberück- 
sichtigt geblieben,  da  einerseits  nach  Lage  der  Sache  ein  numerisch  genaues 
Ergebniss  nicht  zu  erreichen  ist,  andererseits  für  diese  Darstellung  ein  solches 
auch  nicht  erfordert  wird;  im  Grossen  und  Ganzen  stehen  wir  hier  auf  völlig 
sicherem  Boden. 


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236  ß^s  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

Auxilien  35  in  oder  bei  der  Hauptstadt,  8  theils  bei  dem  Heer  des 
Oriens,  theils  bei  dem  thrakischen.  Im  Occident  standen  von  den 
10  Vexillationen  7  in  Italien,  3  in  Gallien;  von  den  12  Legionen 
8  in  Italien,  1  in  Gallien,  3  in  Africa;  von  den  65  Auxilien  21  in 
Italien,  die  übrigen  in  den  Provinzen.  Es  haben  also  selbst  in  dieser 
Epoche  trotz  aller  inzwischen  eingetretenen  Wandelungen  die  Garde- 
corps der  beiden  Reiche  ihren  Charakter  nicht  wesentlich  geändert; 
die  dazu  gehörigen  Körper  befinden  sich  im  Orient  wie  im  Occident 
nicht  gerade  in  den  Hauptstädten,  aber  doch  unter  dem  unmittel- 
baren Oberbefehl  der  dort  residirenden  magistri  militum^.  Die 
Militärbegräbnissstätte  von  Concordia,  wo  in  dem  ersten  Drittel  des 
fünften  Jahrhunderts  einige  der  von  der  Notitia  als  in  Italien 
quartierend  aufgeführten  Auxilia,  die  Batavi  seniores,  Eruli  seniores, 
Mattiaci  seniores  standen,  hat  uns  ein  deutliches  Bild  eines  dieser 
italischen  Gardelager  gewährt^. 
228  Wenn  es  Diocletian  gewesen  ist,  welcher  an  die  Stelle  der  zur 

hauptstädtischen  Garnison  gewordenen  Kaisergarde  ein  neues  Garde- 
corps gesetzt  hat,  so  ist  es  keineswegs  sicher,  däss  schon  er  dem 
radicalen  Fehler  der  römischen  Militärordnung  abgeholfen  hat  ausser 
den  Garnisonen  über  keine  Truppen  zu  verfügen.  Wir  vermögen 
nicht  zu  sagen,  ob  dieses  Gardecorps  bereits  durch  ihn  auf  eine 
Höhe  gebracht  worden  ist,  wie  sie  erfordert  wird,  um  bei  einem 
Staat  von  der  Ausdehnung  und  der  Beschaffenheit  des  römischen 
als  wirkliche  Feldarmee  gelten  zu  können ;  eine  bedeutende  Steigerung 
der  zur  freien  Verfügung  des  Kriegsherrn  stehenden  Truppen  und, 
was  damit  zusammenfällt,  die  Theilung  der  für  diesen  Zweck  be- 
stimmten Truppenkörper  in  die  eigentliche  Garde,  die  palatini  und 
die  Gefolgstruppen,  die  comitatenses ,  wird  auf  jeden  Fall  auf  Con- 
stantins  Verminderung  der  Grenztruppen  zur  Vermehrung  derjenigen 
des  Hofes  (S.  220)  zurückgehen.  Das  Heerwesen  dieser  Zeit  kann 
nur  als  diocletianisch - constantinische  Schöpfung  bezeichnet  werden.! 
Gewiss  mit  gutem  Grunde  giebt  Julianus  die  Bildung  desjenigen  Feld- 
heeres, an  dessen  Spitze  er  selber  gestanden  hat,  den  Kaisern  Maximian 
(286  f.),  Constantius  I.  (292  f.)  und  Constantinl.^,  um  so  mehr  als,  wie 

1)  Leo  wurde  zum  Kaiser  erwählt  als  xöfiTjg  xal  rgißovvog  rcöv  (xazuagicDv  \ 
(Constantinus  Porphyr,  de  caer.  1,  91),  Tskcöv  aQ^ag  rcöv  iv  SsXvußQia  (Candidus  | 
p.  135  Müll.).  Also  eine  der  beiden  palatiuischen  Legionen  der  mattiarii  (Not. ' 
Or.  5,  47.  6,  42)  hatte  ihr  Quartier  in  dem'Constantinopel  benachbarten  thrakischen  j 
Städtchen  Selymbria.  j 

2)  Vgl.  die  Zusammenstellung  C.  I.  L.  V  p.  1059. 

3)  In  der  an  Constantius  IL  gerichteten    Rede  (or.  1  p.  34  C)  sagt  er  vou 
dem  Heer  des  Magnentius:  KsXxol  aal  raläxm  .  .  .  ig  rovg  nataXöyovg  rätv  atQauo)-] 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  237 

weiterhin  zu  zeigen  sein  wird,  der  Kern  desselben  in  den  gallischen 
Provinzen,  also  im  Herrschaftsbereich  der  bezeichneten  Kaiser  gebildet 
ward.  Wenn,  wie  es  scheint,  die  comitatenses  in  diesem  Sinne  schon 
auf  einer  Inschrift  vom  J.  310  auftreten^,  so  fällt  die  Vollendung  der 
neuen  Ordnung  in  den  Anfang  von  Constantins  langer  Regierung. 
Späterhin  w  ird  derselben  häufig  gedacht  ^ ;  ein  klares  Bild  aber  giebt 
von  derselben  wiederum  nur  die  Notitia  für  die  Zeit  des  Honorius.  229 
In  wie  weit  in  dem  zwischen  Diocletian  und  Honorius  liegenden 
Jahrhundert  und  weiter  im  fünften  und  sechsten  der  Gesammtbestand 
sich  verändert  hat,  vermögen  wir  nicht  zu  verfolgen.  Erweislich 
nach  Diocletian  neu  geschaffene  Truppenkörper  kennen  wir  nur 
wenige;  die  Zahl  derselben  wird  dennoch  beträchtlich  genug  sein. 
Noch  viel  weniger  erfahren  wir  über  die  inzwischen  untergegangenen 
oder  aufgelösten ;  aber  die  in  den  Zahlenreihen  überall  klaffenden 
Lücken  führen  dafür  auf  eine  sehr  hohe  Ziffer. 

Den  Bestand  der  comitatenses  entnehmen  wir  wiederum  der 
Notitia.  Sie  bestehen  wie  die  palatini  aus  Reitern,  vexillationes, 
und  aus  Infanterie,  welche  letztere  aber  ausschliesslich  in  Legionen 
formirt  ist;  auxilia  kommen  hier  nicht  vor.  Vexillationen  zählen 
wir  Gl,  von  denen  29  auf  das  Ost-,  32  auf  das  Westreich  entfallen; 
Legionen  69,  von  denen  37  dem  Ost-,  32  dem  Westreich  angehören. 
Dem  Standquartier  nach  liegen  im  Ostreich  von  den  Vexillationen 
im  Commandobereich  der  Hauptstadt  13,  bei  dem  Heer  des  Oriens  10, 
bei  dem  thrakischen  4,  bei  dem  illyrischen  2 ;  von  den  Legionen  im 

i&v  eyyQaqjovzai    xai   TiXrj    jzaQexovzai   )M(iJtQä   naQo.  riöv  ocöv  Jtgoyovcov  xal  naxQog 
xatsiktjyfieva. 

1)  Aus  Prutting  in  Baieru  C.  I.  L.  III,  5565  [=  Dessau  664]:  p(rae)p(osüus) 
eqq.  Dalm(atis)  Aquesianis  comit(atensibus).  Die  Auflösung  comit(ihus)  passt 
weder  zu  der  Stellung  des  Wortes  noch  zu  der  Beschaffenheit  der  offenbar 
provinzialen  Truppe,  während  jener  Ehrentitel  fast  nur  bei  der  Garde  erscheint 
(S.  235  A.  3).  Aus  demselben  Grunde  kann  auch  der  Beisatz  nicht  füglich  auf- 
gefasst  werden  als  Bezeichnung  der  Zugehörigkeit  zu  der  Garde  wie  das  in  sacfo 
camitatu  der  Inschrift  S.  285  A.  2.  Die  Abtheilung  selbst  kommt  anderweitig 
nicht  vor,  war  aber  vermuthlich  eine  vexillatio  comitatensis  ebenso  wie  die  equites 
octavo  Dalmatae  der  Notitia. 

2)  V.-  0.  von  325  C.  Th.  7,  20,  34  werden  die  alares  et  cohortales  milites  den 
comitatenses  atque  ripenses  milites  et  pi'otedores  entgegengesetzt,  wo  freilich  die 
comitatenses  milites  auch  öie  palatini  ungeschieden  einschliessen  können.  Ferner  von 
347  (C.  Th.  5,  4,  1):  universis  tarn  legionibus  quam  vexillationibus  comitatensibus  seu 
ciineis;  von  365  (C.  Th.  8,  1,  10  S.  235  A.  2),  wo  zuerst  palatini  und  comitatenses 
im  Gegensatz  stehen;  C.  Th.  7,  4,  22  (S.  235  A.  2).  7,  13,  7.  7,  23.  8.  8,  4,  17. 
C.  lust.  1,  27,  2,  8.  Ammian  29,  5,  4.  Inschrift  von  Thyatira  C.  I.  L.  III,  405  [= 
Dessau  2792]:  militavit  annos  XX  in  vexillation(e)  eqq.  Dal(matarum)  comit(a- 
tensium)  Äncialitana. 


238  D^s  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

€oramandobereich  der  Hauptstadt  keine,  bei  dem  Heer  des  Oriens  9, 
bei  dem  thrakischen  20,  bei  dem  illyrischen  8.  Im  Westreich  befanden 
sich  von  den  Yexillationen  in  Italien  1 ,  in  Gallien  8,  in  Britannien  1 , 
in  Africa  und  Tingitania  22;  von  den  Legionen  in  Italien  5,  in 
Illyricum  5,  in  Gallien  9,  in  Spanien  5,  in  Africa  8.  Ueberwiegend 
also  ist  diese  geringere  Kategorie  der  Kaisertruppen  in  die  Provinzen 
vertheilt  als  Rückhalt  für  die  Vertheidigung  der  Grenzen. 

Die  Legion,  welche  bei  den  pälatini  und  den  comitatenses  auf- 
tritt, kann  nicht  die  alte  sein  von  6000  Mann,  sondern  ist  das 
Legionsdetachement  in  dem  früher  entwickelten  Sinn.  Abgesehen 
davon,  dass  bei  jener  Annahme  Ziffern  von  unmöglicher  Höhe  her- 
auskommen, folgt  dies  daraus,  dass  die  Legionen  der  Kaisertruppen, 
230  welche  aus  vordiocletianischen  hervorgegangen  sind,  zum  grössten 
Theil  nachweislich  und  wahrscheinlich  alle  Legionsdetachements 
gewesen  sind  und  die  Truppenkörper  dieser  Reihen  nothwendig  alle 
nicht  gerade  gleicher,  aber  doch  ähnlicher  Stärke  gewesen  sein 
müssen.  Diese  Annahme  hat  auch  innere  Wahrscheinlichkeit.  Wenn 
Diocletian  die  Legionen,  die  er  vorfand,  zerstückelte,  so  war  es 
nur  folgerichtig  diejenigen,  die  er  und  seine  Nachfolger  neu  ordneten, 
gleich  auf  die  reducirte  Normalzahl  zu  stellen,  wobei  das  Bestreben 
möglichst  viele  neue  Regimenter  zu  schaffen  und  zu  benennen  auch 
eine  Rolle  gespielt  haben  mag.  Entsprechend  finden  wir  hier  nirgends 
die  Spuren  späterer  Zerschlagung,  wie  sie  bei  den  vordiocletianischen 
und  einzeln  auch  bei  den  von  Diocletian  selbst  eingerichteten  Grenz- 
legionen augenfällig  vorliegen;  dafür  tritt  hier  bei  den  Legionen 
sowohl  wie  bei  den  Vexillationen  und  den  Auxilien  nicht  constant, 
aber  sehr  häufig  die  simultane  Creirung  zweier  gleichbenannter  und 
durch  die  Beisetzung  von  smiores  und  mniores  unterschiedener  Truppen- 
körper ein,  welche  vielleicht  ein  gewisses  Aequivalent  ist  für  die 
allerdings  einen  inneren  Widerspruch  in  sich  tragende  Creirung 
selbständiger  Legionsdetachements.  —  Die  Benennungen  der  Legionen, 
so  weit  sie  einen  Schluss  auf  die  Herkunft  gestatten,  weisen  bei  den 
palaUni  überwiegend  nach  Illyricum  [Scythae — Daci  —  Moesiaci  — 
Cinibriani — Pannoniciani)  und  nach  Gallien  (Nervii — Divitenses  — 
Tongrecani — Brittones),  wogegen  der  Orient  so  gut  wie  ganz  [Thebaei) 
unvertreten  bleibt.  Unter  den  comitatenses  überwiegen  die  vordio- 
cletianischen Benennungen  und  führen  übrigens  die  verhältnissmässig 
seltenen  örtlichen  Bezeichnungen  in  die  gleiche  Richtung.  Das  eigent- 
liche Barbarengebiet  ist  allein  durch  die  legio  comitatensis  der  Tzanneii 
vertreten.  Im  Ganzen  genommen  erscheint  die  Legion  hier,  wie  siej 
schon   der  sogenannte  Hygin  bezeichnet,  als  die  müitia  provincialisl 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  239 

Dass  die  Yexillation  sowohl  bei  den  pdlatini  wie  bei  den  comi- 
iatenses  der  Legion  entspricht,  ergeben  die  wesentlich  mit  einander 
«timmenden  Ziffern.  Sie  ist  hervorgegangen  aus  der  Legionsreiterei; 
aber  die  Trennung  der  aus  beiden  Waffen  zusammengesetzten  Legion 
des  Principats  in  die  reine  Infanterielegion  der  Spätzeit  und  die 
vexillatio  rührt  nicht  von  Diocletian  her,  da  dessen  Legion  noch 
eine  schola  equitum  einschliesst^.  Diese  Scheidung  ist  also  erst  von  231 
Konstantin  vorgenommen  worden  und  hängt  sicher  damit  zusammen, 
dass  ebenfalls  seit  Constantin  das  Obercommando  für  die  Cavallerie 
und  das  für  die  Infanterie  bei  den  Kaisertruppen  getheilt  war  und 
die  Vexillationen  jenem,  die  Legionen  diesem  unterstanden.  Yon 
der  Verknüpfung  einer  einzelnen  Vexillation  mit  einer  einzelnen 
Legion  zeigt  sich  nirgends  eine  Spur  und  sie  ist  auch  durch  das 
getrennte  Obercommando  ausgeschlossen.  —  Die  Benennungen  tragen 
einen  wesentlich  anderen  Charakter  als  die  der  Legionen.  In  der 
Oarde  erscheinen  die  Bataver,  aber  daneben  die  eigentlichen  Aus- 
länder, Taifalen,  Armenier,  Perser,  Alanen;  in  der  minderen  Kategorie 
der  comitafenses  treten  in  grosser  Zahl  dalmatische  und  gallische 
Schwadronen  auf,  auch  Mauren,  Marcomanen,  Taifalen,  Palmyrener, 
Oorduener,  Parther.  Das  barbarische,  wenn  auch  meistens  reichs- 
angehörige  Element  ist  in  dieser  vornehmeren  Waffe  bei  weitem 
stärker  vertreten  als  in  der  correspondirenden  Infanterie. 

Eigenartig  endlich  sind  die  nur  bei  dem  eigentlichen  Gardecorps 
auftretenden  auxilia.  Es  ist  dies  eine  im  Range  der  Legion  der 
Oarde  nachstehende,  der  des  Comitats  vorgehende  leichte  Infanterie- 
truppe 2,  durch  die  Benennung  und  den  Gegensatz  bezeichnet  als 
nicht  römischer  Formation;  auch  die  bei  diesen  Truppen  mehrfach 
Torkommenden    ascarii    (S.  216   A.  1),    sowie    der    zunächst    ihnen 


1)  Dies  lehrt  die  folgende  neuerdings  in  Rom  zum  Vorschein  gekommene, 
mir  von  Herrn  Hülsen  mitgetheilte  Inschrift  [C.  I.  L.  VI,  32965  =  Dessau  2791]: 
D(i$)  m(anibus)  s(acrum).  Val(erio)  Maxentio  aeq(uiti)  ex  numero  lanciarorum 
(so).  Vixit  an(nos)  XXVJ,  mil(itavit)  an(nos)  VI.  Iscola  aequitum  b(ene)  m(erenti) 
f(ecit).  Dass  die  lanciarii  von  Diocletian  eingerichtet  wurden,  ist  S.  234  A.  4 
bemerkt. 

2)  Dies  folgt  schon  aus  der  Stellung  der  auxilia  palatina  hinter  den  legiones 
poHatinae;  in  der  gleichen  Kategorie  stehen  die  Reiter  immer  voran.  Femer 
nennt  Julian  (S.  208  A.  1)  die  von  ihm  an  Constantius  gesandten  vier  Auxilia 
rhragag  dgi&fiovg  r&v  XQariarcov  ne^wv.  Ammian  spricht  31,  8,  9  von  den 
Cornuti  aliique  peditum  numeri  und  nennt  25,  6,  3  die  lomi  und  die  Victoi'es 
—  übrigens  ungenau  —  Legionen,  auch  Prokop  bell.  Goth.  1,  23  die  Reges  (so 
auch  Ammian  16,  12,  15;  Regii  Not.  Oec.  5,  229  und  C.  I.  L.  V,  8764)  ein 
iTS^iPcöv  Tskog. 


240  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

eignende  harritus'^  führen  auf  epichorischen  Charakter.  Dies  be- 
232  stätigen  und  bestimmen  näher  diejenigen  Benennungen  dieser 
Auxilien,  welche  auf  deren  Heimath  hinweisen.  Orientalen  fehlen 
so  gut  wie  ganz^;  auch  Africa  ^  und  Illyricum*  sind  schwach  ver- 
treten. Dagegen  die  gallischen  Völkerschaften  finden  sich  in  Masse, 
Bataver,  Tungrer,  Salier,  Nervier,  Sequaner,  viele  andere  allgemein 
als  Galli,  Gallicani,  Celtae  charakterisirte ,  auch  Britanner.  Dazu 
kommen  eine  nicht  minder  grosse  Anzahl  von  Völkerschaften  des 
rechten  Rheinufers,  deren  Abtheilungen  nur  aus  Kriegsgefangenen 
oder  Geworbenen  dieser  Stämme  hervorgegangen  sein  können, 
Eruier  5,  Ampsivarier,  Tubanten,  Bructerer,  Mattiaker,  Bucinobanten, 
Brisigaver,  denen  auch  die  Anglevarier  (wohl  die  Angeln)  und  die 
sonst  nicht  genannten  Raetovarier  und  Falcovarier  beizuzählen  sein 
werden;  desgleichen  die  schottischen  Atecotten.  Dass  auch  die- 
jenigen auxilia  palatina,  deren  Benennung  den  Ursprung  nicht 
erkennen  lässt,  die  Cornutl^  Brachiati,  Petulantes^,  lovii,  Victores 
und  so  weiter  im  Grossen  und  Ganzen  gleicher  Herkunft  sind,  kann 
nicht  bezweifelt  werden.  So  weit  diese  auxilia  aus  Reichsangehörigen  1 
bestehen,  sind  sie  sicher,  wie  die  der  Donauducate,  aus  den  örtlichen 
Milizen  hervorgegangen  und  steht  der  Name  dort  wie  hier  in  der 
gleichen  Verwendung;  auch  dem  Range  nach  stehen  die  Auxilien 
der  Donauarmee  ebenso  über  ihren  Legionen  wie  die  palatina  über 
denen  des  Comitats.  Hier  aber  sind  es  die  Rheinprovinzen,  die  dafür 
vorzugsweise  das  Material  geliefert  haben.  Um  die  Bedeutung  dieser 
Thatsache  richtig  zu  würdigen,  muss  einerseits  daran  erinnert  werden, 
dass  dieser  specifisch  gallisch-germanische  Charakter  den  Vexillationen 
und  den  Legionen  der  Garde  keineswegs  beiwohnt,  andrerseits  an 
die  über  ihre  Rangstellung  weit  hinausragende  Bedeutung,  welche 
in     den    Kriegen     der    nachdiocletianischen    Zeit     diesen    Auxilien 

1)  Amrnian  16,  12,  43  legt  ihn  zunächst  den  Cornuti  und  den  Brachiati  bei; 
er  ward  alsdann  der  allgemeine  Schlachtruf  der  römischen  Heere  dieser  Zeit  im 
Westen  wie  im  Osten  (Ammian  21,  13,  15.  26,  2,  17 :  quem  barhari  dicunt  barritum, 
31,  7,  11:  qumn  gentilitate  appellant  barritum). 

2)  Ausnahme  machen  nur  die  Felices  Theodosiani  Isauri  (Or.  5,  66),  die 
Hiberi  (Or.  5,  60)  und  die  sagittarii  seniores  und  iuniores  Orientales  (Or.  6,  54.  55). 

3)  Honoriani  Mauri  seniores  und  iuniores  (Occ.  5,  203.  204) ;  Mawri  tonantes 
seniores  und  iuniores  (Occ.  5,  221.  222). 

4)  Raeti  (Occ.  5,  191);  Honoriani  Marcomani  seniores  und  iuniores  (Occ.  5, 198. 
199);  Thraces  (Or.  6,  60);  Visi  (Or.  5,  61);  Teruingi  (Or.  6,  61). 

5)  Das  oft  genannte  Auxilium  der  Eruier,  sicher  eines  der  ältesten,  ist 
wohl  aus  dem  transrhenanischen  Feldzuge  Maximians  (Mamertinus  paneg.  5, 
genethl.  7)  hervorgegangen. 

6)  Diese  nennt  Ammian  20,  4,  13  geborene  Gallier.  . 

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Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  241 

zukommt.  Die  lovii  und  die  Victores  zählt  Ammian^  zu  den  ange-  233 
sehensten  Regimentern  des  römischen  Heeres.  Als  der  persische 
Krieg  ausbricht,  fordert  Constantius  von  Julian  die  Zusendung  der 
Eruier,  Bataver,  Gelten  und  Petulainten^.  In  allen  Schlachtberichten 
aus  dieser  Epoche  bilden  sie  den  Kern  der  römischen  Heere  und 
der  ihnen  eigene  Barritus  wird  der  Schlachtruf  derselben  wie  im 
Westen  so  auch  im  Osten  (S.  240  A.  1).  —  Wir  gewinnen  hier 
einen  Einblick  in  die  eigenartige  Reorganisation  des  römischen 
Heerwesens.  Von  den  mehr  als  100  auxilia,  welche  die  Notitia 
aufführt,  mag  in  der  diocletianischen  Epoche  nur  ein  massiger  Theil 
aufgestellt  worden  sein;  aber  die  Formation  dieser  vermuthlich  nach 
germanischem  Muster  gestalteten  Infanterietruppe  selbst  und  ihre 
Bildung  aus  den  streitkräftigen  Männern  Galliens  und  des  angrenzenden 
Germanien  ist  allem  Anschein  nach  das  Werk  Maximians.  Mit  der 
also  geschaffenen  Infanterie  hat  er  nicht  blos  seine  Schlachten  ge- 
schlagen, sondern  auch  dem  Herrn  und  Meister  im  Osten  die  Kern- 
schaaren  geliefert,  die  am  Nil  und  am  Euphrat  für  ihn  siegten  un'd 
militärisch  hat  damit  das  Auxilium  die  Legion  überflügelt. 

5.    Die  hucellarii.*)    < 

Die  Usurpation  militärischer  Macht  durch  den  Privaten  gehört 
von  Rechtswegen  nicht  in  die  Darstellung  des  Kriegswesens,  sondern 
in  das  Criminalrecht.  Indess  in  den  aufgelösten  Verhältnissen  der 
spätrömischen  Zeit  kann  jenes  nicht  genügend  erläutert  werden, 
ohne  auf  die  Privattruppen  wenigstens  einen  Blick  zu  werfen. 

Dass  die  Herren  ihren  unfreien  Leuten  Waffen  geben  und  dadurch  234 
die  öffentliche  Sicherheit  beeinträchtigen,  ist  die  nothwendige  Conse- 

1)  25,  6,  3  zum  J.  363  von  den  loviani  und  Hei'culiani  (S,  234  A.  3)  uud 
den  lovii  und  Victor  es:  quae  tum  primas  cxercitus  obtinehant.  Von  dem  hohen 
Solde  der  Cornuti  und  der  Brachiati  spricht  er  15,  5,  31. 

2)  Ammian  20,  4,  2 :  Decentium  tribunum  et  notarium  misit  atixiliares  milites 
exinde  protinus  ahstracturum  Erulos  et  Batavos  cumque  Petulantibus  Celtas  lectos- 
que  ex  numeris  aliis  trecentenos;  womit  die  Aeusserung  Julians  S.  208  A.  1  zu 
vergleichen  ist.  Die  numeri  sind  nicht  die  übrigen  auxilia,  sondern  die  übrigen 
Truppenkörper,  da  es  nachher  heisst:  super  auxiliariis  et  trecenis  cogendis,  auch 
Julian  (S.  208  A.  1)  diese  als  geringere  Mannschaften  bezeichnet.  Es  ist  leichte 
Infanterie  {velitare  auxilium  Amm.  20,  1,  3;  auxiliares  vdites  16,  11,  9;  auxiliares 
ad  cursuram  levissimi  24,  2,  8;  levis  armaturae  auxilia  24,  6,  9).  Sie  sind  die 
auxiliarii  milites  munia  semper  spernentes  Ammians  18,  2,  6  und  werden  auch 
anderswo  bei  ihm  erwähnt  (16,  2,  4;  vgl.  c.  3,  10.  21,  4,  8).  Auch  im  persischen 
Feldzug  ist  das  gallische  Fussvolk  der  Kern  der  Armee  (Amm.  23,  5,  24.  24,  1,  2). 

*)  [Vgl.  Conr.  Benjamin,  de  lustiniani  imperatoris  aetate  quaestiones  mili- 
tares.  Berol.  1892.]  ^j  XUn,Tc^  ^  MM't.^  e^^-^    ^ 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  /?         ,(\      i  (i      ,  n  s     ''  '  /l«^«    ,      /^  /> 


242  D3,s  römische  Militärwesen  seit  Diocletiau. 

quenz  der  noch  nicht  erstarkten  oder  auch  altersschwachen  Staats- 
gewalt. Diese  Consequenz  ist  denn  auch  gezogen  worden,  wo  immer 
die  Energie  des  römischen  Regiments  versagte,  unter  der  verfallenden 
Republik  nicht  minder  wie  unter  der  verfallenden  Monarchie.  Aber 
im  fünften  Jahrhundert  bleibt  man  nicht  stehen  bei  der  Bewaffnung 
der  eigenen  Knechte ;  es  werden,  wie  die  dagegen  erlassenen  Yerbote 
beweisen,  zu  diesem  Zwecke  auch  freie  Mannschaften  angenommen,  die 
httceUarii  oder  foederati.  Die  erstere  Bezeichnung,  welche  nach  einem 
zuverlässigen  Gewährsmann  um  den  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts 
aufgekommen  ^  und  dem  Orient  ^  und  dem  Occident  ^  gemeinsam  ist, 
ist  hergenommen  von  der  bucella,  dem  Militärzwieback  und  bezeichnet 
also  diese  Leute  als  'Brotleute'  ihres  Herrn  und  spöttisch  als 
Privatsoldaten*;  die  zweite,  welche  nur  im  constantinopolitanischen 
Sprachgebrauch  nachzuweisen  ist^,  rührt  daher,  dass  man  bei  der 
235  Annahme   dieser  Mannschaften  wie  in   Kleinasien   die   Isaurer^  und 


1)  Olympiodorus  (um  425)  p.  59  Müll.:  tö  ßovxsXXaQiog  ovofia  iv  ratg  ^fxegaig 
'OvcoQiov  e(psQSTO  xaxä  otgazicoTcöv  ov  fiövov  'Paifialwv ,  alXa  xal  Föx'&cov  rivwv  •  wg 
d'  avrcog  xai  to  (poiösQarcov  xaxä  öiacpögov  xal  avfxf^iyovg  icpegszo  nXrj&ovg. 

2)  Zuerst  genannt  werden  die  bucellarii  in  der  Notitia  Orientis  c.  7,  25; 
indess  ist  aus  der  Benennung  einer  der  unter  dem  mag.  mtl.  per  Orientem  stehenden 
Vexillationen  comites  cataphractarü  bucellarii  iuniores  der  Werth  der  Bezeichnung 
nicht  zu  entnehmen.  Diesen  zeigt  dagegen  die  V.-O.  Leos  vom  J.  468  cod.  Tust. 
9, 12,  10:  Omnibus  per  eivitates  et  agros  habendi  bu^ellarios  vd  Isauros  armatosque 
servos  licentiam  volumus  esse  praeclttsam. 

3)  Das  älteste  wahrscheinlich  unter  König  Eurich  im  5.  Jahrhundert  auf- 
gezeichnete westgothische  Rechtsbuch  behandelt  (c.  308  der  Pariser  Fragmente) 
den  Bucellariat  als  recipirtes  Rechtsinstitut.  Bei  Gregorius  von  Tours  hist. 
Franc.  2,  8  heisst  der  Trabant  des  Aetius,  von  dessen  Hand  Kaiser  Valentinian 
fiel,  bucellarius  Aetii. 

4)  Richtig  {erklärt  der  Scholiast  der  Basiliken  60,  18,  29  die  bucellarii  als 
Ol  xov  aqxov  xivog  sa&iovxsg  sji  avxco  xovxco  xcö  jtaQafisvsiv  avzcö.  Dieselbe  Ableitung 
und  die  spöttische  Beziehung  auf  das  Commissbrod  giebt  auch  Olympiodor 
(A.  1).    Auch  Johannes  Antiochenus  (S.  229  A.  2)  hat  diese  Definition   im  Sinn. 

5)  Ausser  bei  Olympiodor  (A.  1)  und  bei  Malalas  (S.  243  A.  2)  erscheint 
dieser  Sprachgebrauch  namentlich  bei  Prokop,  der  nach  der  S.  226  A.  5  gegebe- 
nen Definition  der  älteren  und  eigentlichen  foederati  also  fortfährt:  x6  8h  vvv 
oTiaai  xov  ovöfiaxog  xovxov  ovx  iv  xcoXv/a.7]  saxi.  Er  nennt  consequent  die  bucellarii 
mit  diesem  Namen,  während  er  ihn  für  die  älteren  foederati  vermeidet,  und 
giebt  daher  seinen  foederati  nie  eine  nationale  Bezeichnung  ;  dass  in  einem  dieser 
Haufen  70  Hunnen  sind  (b.  "Vand.  2,  13)  und  dass  die  Eruier  häufig  in  denselben 
Dienst  nehmen  (b.  Goth.  3,  33),  stimmt  damit  überein.  Auch  in  Justinians 
Verordnungen  scheinen  die  foederati  meistentheils  (vgl.  S.  226  A.  5)  die  bucellarii 
zu  sein ;  ausser  den  S.  245  A.  8  angeführten  Stellen  gilt  dies  wohl  auch  von  den 
Ghartulariem  xcöv  ysvvaioxdxwv  dgid'ficöv  rjxoi  q^oiösQaxcov  cod.  12,  37,  19  und  den 
milites,  scholares,  foederati  Nov.  117  c.  11.  6)  Leo  oben  A.  2. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  243 

die  Galater  ^,  so  in  Byzanz  die  Gothen  bevorzugte  ^,  für  welche  dort, 
wie  schon  bemerkt  ward  (S.  227  A.  4),  die  Benennung  foederati 
beinahe  zum  Surrogat  des  Ethnikon  geworden  war.  Vorzugsweise 
entwickelt  erscheint  die  Bildung  solcher  Mannschaften  bei  den 
Offizieren,  was  vielleicht  daran  anknüpft,  dass  einem  solchen  nicht 
blos  seit  langem  seine  Dienerschaft^  und  Verwandtschaft  in  das 
Feldlager  folgten,  sondern  ihm  auch  von  Valentinian  I.  verstattet 
ward  freigeborene  und  nicht  verwandte  Personen  unter  der  Voraus- 
setzung ihrer  Fähigkeit  zum  Dienst  und  ihrer  Anmeldung  dazu  mit 
sich  zu  nehmen*.  In  Justinians  Zeit  schickt  es  sich  für  den  Civil- 
beamten  nicht  Bucellarier  sich  zuzulegen^;  aber  kein  Offizier  ist  236 
ohne  derartige  eigene  Gefolgsleute^  und  bei  den  höchstgestellten 
entwickelt  sich  das  Gefolge  zum  Heerhaufen,  ja  zum  Armeecorps '^. 


1)  Nur  daraus  lässt  es  sich  erklären,  dass  Galatien  den  späteren  Byzantinern 
geradezu  tj  ßavxeXXaQioiv  x^Q^  heisst  (Ducange  lex.  med.  Gi'aec.  app.  p.  42). 

2)  Das  Zeugniss  Olympiodors  ist  bereits  S.  242  A.  1  angeführt  worden. 
Schon  von  Rufinus  sagt  Claudian  in  Ruf.  2,  76  mit  Beziehung  auf  das  eben  vorher 
erwähnte  gothische  foedus:  stipatur  sociis  circumque  armata  clientum  agmina 
jyrivatis  ibant  famulantia  signis.  Unter  Leo  hatte  nach  Malalas  (in  dem  in  dieser 
Zeitschrift  [Hermes]  6,  369  von  mir  herausgegebenen  Fragment)  jiXfj'&og  rSz^cov  xal 
x6fit]zag  noXXovg  xal  aXXovg  JiaiSag  xal  jiaQafxevovxa?  avxolg  dv&Qcb^ovg,  ovg  ixdXeos 
(poideQaxovg  (wegen  der  dann  folgenden  eigentlich  nicht  hierhergehörigen 
Bemerkung  vgl.  S.  229  A.  2).  lustinian  cod.  1,  5,  12,  17:  Föx'&ovg  noXXdxtg  xoig 
xa'&waiojf.iEvoig  iyyQd(pofi£v  (potösgdzoig. 

3)  Die  Verwendung  des  Sclaven  neben  dem  Herrn  im  Kriegsdienst  ist  nicht 
römisch ;  über  die  abweichende  germanische  Sitte  vgl.  S.  251  A.  3.  Doch  fehlen 
sie  in  dem  Feldhermgefolge  der  Spätzeit  nicht  ganz.  In  demjenigen  des  Narses 
ficht  neben  den  ojiadoi  das  Gesinde  {xov  ^rjxixov  xal  olxexixov  öjiöoov  ovx  dnöXsfjiov 
fjv:  Agathias  2,  8;  vgl.  1, 19)  und  auch  bei  Belisar  wird  der  waffenfähigen  Sclaven 
gedacht  (S.  244  A.  1).  —  Dass  der  Rekrut,  der  als  Reiter  zu  dienen  wünscht, 
gefragt  wird ,  ob  er  einen  Sclaven  besitze  (C.  Th.  7,  22,  2),  beruht  natürlich  auf 
einem  anderen  Gmnd. 

4)  V.O.  von  367  C.  Th.  7,  1,  10:  plerique  milites  seeum  homines  condicionis 
ingenuae  propinquitate  simulata  vel  condicione  lixarum  frequenter  abducunt:  ideoque 
ut  numerosissima  pube  crescat  exercitus,  nioneantur,  ut  ipsi  sponte  huiuscemodi 
Iwmines  . . .  tribunis  suis  sive  praepositis  offerant.   [S.  jedoch  Benjamin  a.  a.  0.  S.  39.] 

5)  Der  Präfect  des  Prätorium  Johannes  der  Kappadokier  wird  bei  Prokop 
b.  Pers.  1,  25  getadelt  ixaigiadf-isvog  doQvq^ÖQCov  xe  xal  vTiaanioxwv  ;|f<A<a^aff  noXXdg, 
ov  ysyovog  vjtdgxcov  xivl  jiqÖxeqov  xovxo  ye. 

6)  So  hat  Artabanes,  der  vornehmer  Abkunft,  aber  militärisch  nichts  ist 
als  Tribun  eines  armenischen  Numerus,  wenigstens  einen  angesehenen  Doryphoren 
(Prokop  b.  Vand.  2,  27.  28).    Andere  Beispiele  das.  1,  11.  2,  18.  21.  25  und  oft. 

7)  Ein  Dux  von  Armenien  hat  ein  Gefolge  von  über  1000  Mann  (Prokop 
b.  Goth.  3,  27).  Belisars  Gefolge,  allerdings  nach  Prokop  (b.  Goth.  3,  1;  vgl.  3, 12) 
von  bis  dahin  unerreichter  Stärke,  bestand  aus  7000  Reitern.    Sein  Zahlmeister 

16* 


244  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

Diese  Privatsoldaten  gehen,  wie  der  Mehrzahl  nach  auch  die 
Soldaten  des  Staats,  hervor  aus  der  "Werbung.  Der  Bucellarius  ist 
ein  freier  Mann  und  bleibt  es;  er  kann  das  Verhältniss  lösen  und 
einen  anderen  Herrn  oder  eine  andere  Lebensstellung  sich  suchen^. 
Aber  er  leistet  dem  Herrn  den  Treueid  ^  und  wenigstens  nach  den 
westgothischen  Gesetzen  müssen,  wenn  er  oder  wenn  seine  Kinder 
den  'Patron'  wechseln,  sie  die  von  dem  bisherigen  empfangenen 
Waffen  und  die  Hälfte  des  während  der  Dienstzeit  gewonnenen 
Gutes  im  Hause  des  Patrons  zurücklassen  (S.  242  A,  3).  Sie 
haben  nicht  blos  im  Gefecht  vor  Allem  die  Person  des  Herrn 
237  zu  schützen^,  sondern  auch  bei  der  Tafel  hinter  ihm  zu  stehen*. 
Dass  sie  sämmtlich  beritten  sind  ^,  hängt  zusammen  mit  dem  merk- 
würdigen Uebergewicht  dieser  Waffe  über  das  Fussvolk  in  der 
justinianischen  Zeit.  Es  werden  diese  Reiter  höher  geachtet  als  die 
vom  Staat  aufgestellten  Schwadronen*.  Dass  unter  den  Gefolgsleuten, 
wenigstens  bei  den  höher  gestellten  Herren,  Abstufungen  bestanden, 

(optio)  Johannes  der  Armenier  ist  im  Vandalenkrieg  einer  der  angesehensten 
Offiziere  Belisars,  führt  in  der  entscheidenden  Schlacht  das  Mitteltreffen  und 
trägt  die  Feldherrnstandarte  (Prokop  b.  Vand.  1,  17.  2,  2.  3).  Unter  Narses  führt 
ein  ähnliches  Commando  Zandalas  6  twv  oixoxQißcov  öjiadcöv  jtQcoroazdTrjg  (Agathia» 
(1,  19.  2,  8). 

1)  Als  Germanus  der  Neffe  Justinians  sich  zu  seiner  italischen  Expedition 
rüstet,  strömen  nach  der  Erzählung  Prokops  b.  Goth.  3,  39  ihm  für  sein  Geld 
(xeij^iata  oixo&Ev  ovösfiiä  (peidol  nQoisfxsvoc:)  zahlreiche  gediente  Römer  und  Barbaren 
zu  und  verlassen  ihre  bisherigen  Gefolgsherren ;  dasselbe  thun  mit  kaiserlicher 
Erlaubniss  eine  Anzahl  von  Reitern  des  thrakischen  Heeres.  Narses  veranlasst 
einen  Soldaten,  der  sich  im  Kampf  ausgezeichnet  hatte,  unter  seine  Hypaspisten 
einzutreten  (Prokop  b.  Goth.  4,  29).  Als  Belisar  in  Ungnade  fiel,  weist  Justinian 
widerrechtlich  seine  Palastbeamten  an  die  Bewaffneten  desselben  mit  Einschluss 
der  dienstfähigen  Sclaven  unter  sich  zu  verloosen  (Prokop  hist.  arc.  4). 

2)  Prokop  b.  Vand.  2,  18  :  -^v  roivvv  sl&iofiEvov  &iaai  'Pcofcaioig  ex  naXmov 
firjdeva  doQVCpÖQOv  x&v  tivog  Ölqxovxcov  xa&iotao&ai ,  f]V  fii]  Ssivordrovg  tiqöxsqov 
ÖQxovg  jiaQEx^fxevog  rä  Jiiarä  doir]  xfjg  ig  avxov  xal  xov  ßaoiXea  'Pcofiaicov  svvoiag. 

3)  Prokop  b.  Goth.  1,  18. 

4)  Prokop  b.  Vand.  2,  28 :  a.Qx6vxa>v  soxiojfxsvcov  ojtio&ev  soxdvai  xovg  öoqv- 
(pÖQovg  v6(i,og.  Es  werden  ihnen  Theile  der  Mahlzeit  verabreicht,  die  sie  draussen 
verzehren. 

5)  Nicht  blos  die  bucellarii  der  Notitia  sind  Panzerreiter  (S.  242  A.  2), 
sondern  auch  bei  Prokop  die  Mannschaften  Belisars  (S.  243  A.  7)  sowie  die 
foederati  alle.  In  der  vandalischen  Entscheidungsschlacht,  in  welcher  nur  Reiter 
fochten  (Prokop  b.  Vand.  2,  7),  bildeten  Belisars  eigene  Reiter  das  Mitteltreffen, 
die  übrigen  foederati  den  linken  Flügel,  die  numeri  den  rechten  (a.  a.  0.  2,  3; 
vgl.  1,  11). 

6)  Wenigstens  nennt  Prokop  b.  Vand.  1, 11.  b.  Goth.  1,  5  die  Föderaten  vor 
den  numeri  equestres. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  245 

versteht  sich  von  selbst;  es  werden  zwei  Kategorien  unterschieden, 
als  amici  und  armigeri  bei  den  Lateinern  bezeichnet^,  bestimmter 
bei  Prokopius  als  doQvcpoqoi  und  vjiaomoral,  von  denen  jene,  häufig 
Männer  von  Geburt  und  Ansehen'-^,  mit  den  kaiserlichen  scholares 
verglichen  werden^  und  die  Rolle  der  Offiziere  spielen*.  Ohne 
Zweifel  liegt  dabei  ein  stark  entwickeltes  Condottierisystem  zu 
Grunde.  Diese  Mannschaften  werden  zwar  als  Dienstleute  von  ihren 
Patronen  unterhalten  und  bleiben  auch  wohl  zusammen,  wenn  dieser 
sein  Commando  niederlegt^;  aber  der  Regel  nach  waren  sie  ohne  238 
Zweifel  für  den  Reichsdienst  bestimmt  und,  wenn  'sie  dafür  nicht 
genommen  wurden,  die  Anwerbung  eine  verunglückte  Speculation^ 
Sie  schwuren  Treue  nicht  blos  ihrem  Herrn,  sondern  auch  dem 
Kaiser  (S.  244  A.  2);  es  finden  sich  Spuren  davon,  dass  sie  einer 
Prüfung  unterlagen  und  von  der  Regierung  als  unbrauchbar  abge- 
lehnt werden  konnten''.  Dass  sie  in  den  Verordnungen  bezeichnet 
werden   als  unter   den  Zahlmeistern  (optiones)  stehend^,  wird  darauf 

1)  Prosper  zum  J.  455:  ut  interfectoi'  Aetii  amicos  armigßrosque  eins  sibi 
consodaret.  Der  Alamannenkönig  Chnodomar  giebt  sich  gefangen  mit  3  amici 
und  200  cmiites  (Ammian  16,  12,  60). 

2)  Johannes  der  Armenier  ist  schon  erwähnt  (S.  243  A.  7).  Ein  Gefolgs- 
mann des  mag.  mit  Sitta  wird  den  Persern  als  Geisel  gegeben  (b.  Pers.  1,  22). 
Andere  Beispiele  finden  sich  genug. 

8)  Prokop  b.  Goth.  3,  38:  ßaodicog  'lovariviavov  doQvcpÖQog,  snel  ig  tovg  xavdt- 
Sdrovg  (vgl.  S.  231  A.  1)  xakovfisvovg  zskcöv  stvyj.  Armigeri  des  Kaisers  nennt 
freilich  Ammian  alle  der  Person  desselben  beigegebenen  Soldaten  (31,  10,  21; 
vgl.  20,  4,  18.  31,  13,  8),  unter  andern  die  zu  den  scholae  gehörenden  scutarii 
(31, 10,  3.  20). 

4)  Belisar  entsendet  einen  Doryphoros  mit  22  Hypaspisten  (b.  Vand.  1,  23) . 
einen  andern  mit  800  (b.  Vand.  1,  17),  zwei  Doryphoren  mit  1200  meist  eigenen 
Hypaspisten  (b.  Vand.  2,  19).  Andere  Beispiele  b.  Goth.  1,  27.  2,  2.  7.  Lydus  de 
mag.  1,  4G  gleicht  doQV(p6Qoi  und  ßrj^dläoioi,  vjiaojiiorai  und  av^thaQioi. 

5)  Als  Belisar  542  aus  Persien  abberufen  ward,  schickte  er  seine  Gefolg- 
«chaft  zum  Ueberwintern  nach  Kilikien  (Prokop  hist.  arc.  3).  Er  war  so  reich^ 
dass  er  die  Kosten  der  zweiten  italischen  Expedition  aus  eigenen  Mitteln  zu 
■tragen  sich  verpflichtete  (das.  4);  in  den  meisten  Fällen  aber  muss  der  Rücktritt 
des  Patrons  aus  dem  Dienst  die  Auflösung  der  Truppe  nach  sich  gezogen  haben. 

6)  Nachdem  Prokop  hist.  arc.  24  die  Unbilden  erörtert  hat,  welche  Justinian 
den  Soldaten  anthat,  heisst  es  weiter:  ov  fxövoi  8s  oi  orgazicHzai  .  .  .  ijtisCovro, 
dXXa  xal  Ol  näaiv  vnrjQEzovvxsg  xoXg  ozQaxrjyoTg  na/jJilrj'&eTg  ze  xal  dö^j]  ixsyaXf]  zä 
^TQÖzsQa  ovzeg  kifiä)  xal  nevla  dsivfj  r]yß^ovzo  ■  ov  yctQ  eixov  o&ev  xä  slco&öza  a<piai 
:TOQioovzai.    Man  wird  jetzt  verstehen,  was  gemeint  ist. 

7)  Prokop  b.  Goth.  3, 1  von  Belisars  Mannschaften:  mp  örj  änoßhizog  fisv 
ovdslg  iysyövsi. 

8)  Justinian  cod.  4,  64,  35:  milites  appeUlamus  eos  qui  tarn  sub  .  . .  magistris 
militum  tolerare  noscuntur  militiam  quam  in  undecim  .  .  .  scholis  taxati  stmt  -nee 


246  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletiau. 

zu  beziehen  sein,  dass  bei  der  Zulassung  dieser  Privatsoldaten  zum 
Reichsdienst  natürlich  die  Soldzahlung  auf  den  Staat  überging  und 
dieser  also  den  Zahlmeister  für  sie  ernannte,  während  sonst  die 
Offiziersernennung,  so  weit  sie  erforderlich  war,  durch  den  Condottiere 
erfolgte.  Unter  Justinian  scheint  für  diejenigen  Privatreiter,  welche 
für  den  Dienst  in  der  Hauptstadt  angenommen  waren,  ein  eigener 
Oberbefehlshaber,  ein  comes  foederaforum  ernannt  worden  zu  sein^. 
239  Die  Fäulniss  der  griechisch-römischen  Civilisation,  deren  letztes 

Stadium  wir  hier  nach  der  militärischen  Seite  hin  erwägen,  führt 
insofern  zu  den  Anfängen  zurück,  als  damit  wieder  die  Selbsthülfe 
eintritt.  Die  Bildung  des  Staats  besteht  darin,  dass  das  Gemein- 
wesen dem  Einzelnen  nicht  gestattet  die  Waffen  nach  seinem  Er- 
messen zu  führen  und  schliesslich  sie  ihm  ganz  aus  der  Hand  nimmt. 
Bei  dem  Bankerott  des  römischen  war  es  nicht  genug  damit,  dass 
das  öffentliche  Kriegswesen  auf  die  Ausländer  überging.  Vollendet  war 
er  erst,  als  bei  dem  Versagen  des  staatlichen  Schutzes  die  Selbsthülfe 
wieder  in  ihre  alte  Stelle  trat  und  jeder  sich  wieder  Recht  schaffte, 
wie  er  wollte  und  konnte;  als  es  wieder  kein  anderes  Recht  gab 
als  das  des  Stärkeren  und  der  Staat  selber  die  von  Privaten  auf- 
gestellten Gewalthaufen  für  seine  Zwecke  dang.  Der  Gothe  Theoderich 
war  nur  der  Führer  eines  von  den  Römern  in  Sold  genommenen 
germanischen  Haufens,  der  Thraker  Belisar  der  Condottiere  einer 
geworbenen  Söldnerschaar. 

6.  Die  Rechtsgründe  des  Kriegsdienstes. 
Bevor  wir  in  die  Erörterung  der  Gründe  der  Dienstpflicht  ein- 
treten,  wie  sie  in  nachdiocletianischer  Zeit  geordnet  waren,  muss 
festgestellt  werden,  was  aus  der  politischen  Qualification  für  den 
Heerdienst  in  dieser  Epoche  geworden  ;ist.  Das  Ergebniss  ist  wesent- 
lich negativ.    In  der  früheren  Epoche  war  der  Ausländer  vom  römi- 


non  eos  qui  sub  diversis  optionibus  foederatorum  nomine  sunt  deeorati.  Derselbe 
droht  nov.  116  Strafe  denen,  die  nicht  zovg  fj.kv  argaricözag  eis  rovg  dgid'fiovg 
ixjtsfitpcooiv,  SV  oTg  azQazevovrat,  zovg  dk  <poideQdzovg  Jigog  zovg  löiovg  onziovag.  Der 
Optio  Belisars  (S.  243  A.  7),  den  dieser  sicher  selbst  ernannt  hat,  kann  füglich 
daneben  bestehen.  —  Ein  optio  findet  sich  natürlich  in  jeder  Truppe.  Prokop 
b.  Vand.  2,  20  spricht  von  einem  Tcs^og  zov  xazaXöyov  onzimv,  slg  ov  avzog  dvsyiyQOTtio 
und  erklärt  dies  mit  zwv  ovvzd^ecov  xoQfjydg. 

1)  Patriciolus,  der  Vater  des  Vitalianus,  war  nach  Theophanes  zum  J.  6005  i 
xof^ijg  (poidsQdzcov.    Nach  Prokop  b.  Goth.  3,  31  ernannte  Justinian  den  Artabanes 
zum  ozQarrjyog  z&v  iv  Bv^aviicp  azQaztcozcöv,   also  zum  mag.  mil.  in  praesenti,  und  { 
zum  ägxfov  (poiÖEgdzcov.     Denselben   Titel  führen  bei  Theophanes  zum  J.  6055  (   i| 
Eusebius,  zum  J.  6074  Mauricius. 

i 


Das  römische  Militärweseu  seit  Diocletian.  247 

sehen  Dienste  ausgeschlossen.  Dienstfähig  war  der  römische  Bürger 
und  der  römische  Unterthan,  aber  nicht  in  gleicher  Weise;  jener 
diente  in  den  Legionen,  dieser  in  den  Legionsauxilien.  Der  Unfreie 
war  überhaupt  unfähig  zu  dienen.  Alle  diese  Fundamentalsätze  der 
augustischen  Ordnungen  sind  in  dieser  Epoche  theils  förmlich,  theils 
wenigstens  praktisch  gefallen  und  es  giebt  schliesslich  keine  andere 
Qualification  für  den  Kriegsdienst  mehr  als  die  rein  militärische  ^. 
Die  frühere  römische  Ordnung  kennt,  abgesehen  von  den  mittel- 
baren der  Clientelstaaten,  keine  römischen  Truppen  als  die  Legionen 
der  Bürger  und  die  Alan  und  Cohorten  und  die  Numeri  der  Unter- 
thanen.  Uebertretende  oder  kriegsgefangene  Ausländer  sind  wohl 
auch  damals  schon  zu  römischen  Soldaten  gemacht  worden;  aber  es 
rechtfertigt  sich  dies  formell  dadurch,  dass  der  Ueberläufer  wie  der  240 
Gefangene  in  römische  Unterthänigkeit  eintritt  und  selbst  das  Bürger- 
recht ihm  verliehen  werden  kann,  materiell  durch  den  relativ  geringen 
Umfang  dieser  Aufnahmen  in  das  Heer  und  mehr  noch  durch  das 
Bestreben  sie  zu  verdecken.  Kaiser  Probus  legte  den  besiegten 
Deutschen  auf  16000  kriegstüchtige  Mannschaften  zu  liefern,  aber 
es  durfte  nicht  zum  Vorschein  kommen,  dass  der  zusammenbrechende 
Römerstaat  durch  Barbarenarme  gestützt  wurde,  und  demnach  wurden 
diese  Mannschaften  in  die  bestehenden  Regimenter  untergesteckt  2. 
Darum  giebt  es  mit  der  einen  Ausnahme  einer  nach  den  Parthern, 
den  einzigen  als  ebenbürtig  von  den  Römern  anerkannten  Gegnern, 
benannten  Ala  keine  ältere  Truppe  ausländischer  Benennung.  Weiter 
und  vor  allem  finden  wir  von  Anwerbung  im  Ausland  für  die  römi- 
schen Truppenkörper  in  vordiocletianischer  Zeit  keine  Spur^.  — 
Für  dieses  Princip  tritt  jetzt  das  entgegengesetzte  ein.  Je  barbarischer 
der  Soldat  ist,  desto  mehr  wird  er  als  solcher  geschätzt.  Italien 
und  die  altbefriedeten  von  hellenischer*  oder  römischer  Civilisation 
völlig  durchdrungenen  Provinzen  sind  militärisch  so   zu  sagen  nicht 

1)  Zu  dieser  gehört  ausser  der  körperlichen  Tauglichkeit  auch  die  moralische 
Qualification,  wie  sie  zum  Beispiel  C.  Th.  7,  13,  8  und  bei  Vegetius  1,  7  ent- 
wickelt ist. 

2)  Vita  Probi  14:  accepit  sedecim  milia  tironum,  quos  omnes  per  diversas 
provincias  sparsit  ita,  ut  numeris  vel  limitaneis  militüms  quinquagenos  et  sexagenos 
intersereret,  dicens  sentiendum  esse,  non  videndum,  cum  auxiliaribus  barbaris 
Momanus  iuvatur. 

3)  Annahme  und  selbst  Dingung  ausländischer  Hülfscorps  ist  keine  An- 
werbung. Der  fiysficov  twv  ^svcxwv  orgarojidöcov  unter  Aurelian  bei  Dexippos 
fr.  24  Müller  wird  von  solchen  zu  verstehen  sein. 

4)  Den  Gothen  Prokops  sind  die  'Griechen'  {rQaTxoi)  ungefähr  was  unseren 
Vorfahren  die  Reichssoldaten  (b.  Goth.  1,  18.  3,  21.  4,  23.  bist.  arc.  24). 


248  ^^^  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

vorhanden ;  unter  den  Provinzialen  stehen  die  am  wenigsten  civilisirten, 
im  Orient  die  Galater  und  die  Isaurer,  im  Occident  die  Illyriker, 
die  Bataver,  die  Tungrer  und  so  weiter  voran.  Nach  den  reichs- 
angehörigen  oder  den  ausländischen  Barbaren  benannte  Truppenkörper 
finden  sich  in  grosser  Menge  und  von  jeder  Art;  die  vornehmsten 
unter  allen,  die  scholae,  legen  sich  zum  Theil  die  Barbarenbenennung 
titular  bei  und  sind  oder  sollen  wenigstens  alle  dieser  Herkunft  sein 
(S.  232).  Von  der  Werbung  im  Ausland  wird  weiterhin  noch  die 
Rede  sein.  Somit  wird  nicht  blos  die  Beschränkung  der  Truppen- 
bildung auf  das  Inland  principiell  aufgegeben,  sondern  auch  den 
mehr  oder  minder  ausländischen  der  Vorrang  vor  den  inländischen 
eingeräumt.  Freilich  kann  die  Schenkung  des  Bürgerrechts  an  dienst- 
241  nehmende  Ausländer  nicht  völlig  weggefallen  sein.  Um  in  die 
eigentlichen  Aemter  gelangen  zu  können,  musste  der  ausländische 
Soldat  nothwendig  das  römische  Bürgerrecht  erhalten  und  auch  für 
den  römischen  Offizier  mag  dies  in  Kraft  geblieben  sein^.  Die 
zahlreichen  Flavier  dieses  Jahrhunderts  zeugen  deutlicher  noch  als 
die  Einzelberichte  der  Historiker  von  der  Häufigkeit  dieses  Heimath- 
wechsels, durch  welchen  die  ausländische  Prärogative  keineswegs 
aufgehoben  ward,  da  diese  an  die  Thatsache  der  Nationalität,  nicht 
an  die  Form  des  Bürgerrechts  geknüpft  war.  Aber  von  den  alten 
Ordnungen,  die  die  Verleihung  des  Bürgerrechts  an  den  Eintritt  in 
den  legionaren  Dienst  oder  auch  an  die  Veteranisirung  knüpfte,  ist 
in  dieser  Epoche  nirgends  die  Rede  und  die  Soldaten  sind  ohne 
Zweifel,  so  weit  sie  nicht  geborene  Bürger  waren,  regelmässig  Aus- 
länder geblieben '''. 

In  Folge  dieser  Umgestaltung  ist  der  alte  politische  Gegensatz 
zwischen  den  Legionen  und  den  nicht  legionaren  Truppen  vielleicht 
nicht  eigentlich  aufgegeben,  aber  vollständig  verschoben.  Auch  jetzt 
noch  scheinen  die  Legionen  regelmässig  aus  den  cives  Momani  dieser 
Epoche  gebildet  worden  zu  sein.  Der  Gedanke  des  Augustus,  für 
die  Bildung  der  Bürgerlegionen  die  sämmtlichen  Städte  des  Reiches 
römischen  oder  peregrinischen  Rechts  heranzuziehen,  konnte  sogar 
jetzt  durchgeführt  werden,  ohne  dass  es  dazu  ferner  des  Umwegs 
bedurfte  die  personale  Verleihung  des  Bürgerrechts  mit  dem  Eintritt 
in  die  Legion  zu  verknüpfen;    denn    die    reichsangehörigen    Städte 

1)  Unter  den  germanischen  Königen  Italiens  ist  es  dagegen  durchgeführt, 
dass  allein  der  Nichtrömer  die  Offizierstelle,  allein  der  Römer  die  Aemter 
bekleidet. 

2)  Vgl.  CLL.  III,  3576  [=  Dessau  2814]:  Francus  ego  cives,  Bomanus 
mües  in  armis. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  249 

waren  jetzt  sämmtlich  Bürgergemeinden  geworden.  Audi  hat  damit 
der  bürgerliche  Kreis  sich  wahrscheinlich  in  solchem  Verhältniss 
erweitert,  dass  selbst  die  vermehrten  Legionen  füglich  aus  demselben 
hervorgehen  konnten;  es  spricht  weiter  für  diese  Annahme,  dass 
mit  der  einen  Ausnahme  derjenigen  der  Tzanner  sich  unter  den 
zahlreichen  in  dieser  Epoche  neu  gebildeten  keine  einzige  mit  aus- 
ländischer Benennung  findet  (S.  238).  Dasselbe  gilt  von  den 
aus  der  Legionsreiterei  entwickelten  Equites  der  Grenztruppen 
(S.  218).  Aber  wenn,  die  Legionen  und  diese  Reiterabtheilungen, 
wie  es  allerdings  scheint,  sämmtlich  Bürgerlegionen  und  Bürgerreiter 
gewesen  sind,  so  war  dies  jetzt  eine  Zurücksetzung,  und  so  tritt  sie 
auch  auf:  die  Auxilien  der  Donauducate  stehen  im  Rang  über  den  242 
Legionen  derselben  und  ebenso  die  Auxilien  der  Garde  über  den 
Legionen  wenigstens  des  Comitats;  unter  den  Vexillationen,  welche 
den  Palast-  und  den  Comitatslegionen  entsprechen,  aber  im  Range 
höher  stehen,  sind  die  bei  diesen  fehlenden  ausländischen  Benen- 
nungen zahlreich  anzutreffen.  Alle  Spuren  führen  dahin,  dass  je 
höher  die  Truppe  im  Rang  steht,  desto  mehr  das  ausländische 
Element  in  ihr  hervortritt.  Hat  es  also  zwischen  der  Qualification 
für  den  legionaren  und  derjenigen  für  den  nichtlegionaren  Dienst 
in  dieser  Zeit  einen  rechtlichen  Gegensatz  gegeben,  so  war  jetzt 
der  Nichtbürger  der  Privilegirte.  Wahrscheinlich  aber  hat  ein 
formaler  Gegensatz  dieser  Art  damals  nicht  bestanden,  sondern  konnte 
rechtlich  der  Römer  wie  der  Nichtrömer  in  jede  Abtheilung  ein- 
treten und  wurden  die  barbarischen  Mannschaften  bei  der  Bildung 
der  höheren  Abtheilungen  nur  thatsächlich  bevorzugt.  Dass  in  den 
Donauauxilien  Bürger  wie  Mchtbürger  dienten,  lässt  sich  erweisen^ 
und  so  wird  es  in  allen  Abtheilungen  gewesen  sein,  nur  dass  in 
den  Legionen  die  Ausländer  ebenso  selten  waren  wie  die  Römer 
in  den  Scholen.  Für  diese  Annahme  spricht  ferner,  dass  unsere 
I  Ueberlieferung  über  Rechtsunterschiede  dieser  Art  vollständig 
j schweigt.  Der  alte  Gegensatz  der  Legion  und  der  augustischen 
Legionsauxilien  wie  der  im  dritten  Jahrhundert  auftretenden  Pro- 
vinzialmilizen  ^  ist  in  der  militärischen  Formation  wenigstens  einiger- 
massen  geblieben,   aber  das   eigentliche  Fundament   desselben,  die 


1)  Die  darunter  auftretenden  gentes  (S.  216  A.  3)  sind  Nichtbürger;  anderer- 
seits erscheinen  darin  des  Decurionats  fähige  Individuen  (S.  215  A.  5). 

2)  Vgl.  S.  217  A.  2.  Die  dazu  gehörigen  Elemente  lassen  sich  wohl  im 
Einzelnen  wiedererkennen,  wie  die  palmyrenischen  Panzerreiter  und  die  örtlichen 
[Exploratoren,  aber  diese  Truppen  bilden  nicht  mehr  wie  früher  eine  den  Legionen 
lund  ihren  Auxilien  gegenüber  wenigstens  negativ  geschlossene  Einheit. 


250  ^^^  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

rechtlichen  Verschiedenheiten  der  Kreise  und  der  Normen  für  die 
Bildung  der  einzelnen  Truppenkörper  ist  in  der  unterschiedlosen 
Annahme  des  Soldaten  untergegangen. 

Am  längsten  hat  selbstverständlich  die  Unfähigkeit  des  Unfreien 
zum  Kriegsdienst  sich  behauptet.  Von  dem  zur  Rekrutenstellung 
Pflichtigen  Grundbesitzer  wird  noch  nach  einer  Verordnung  vom 
J.  380  der  Sclave  nicht  angenommen^;  und  das  ganze  Institut  des 
Colonats  beruht  darauf,  dass  der  Leibeigene  als  freier  Mann  behandelt 
24.3  wird,  um  ihn  zum  Eintritt  in  das  Heer  fähig  zu  halten,  Noch  im 
vierten  Jahrhundert  wird  der  Sclave  bei  der  Anwerbung  zurück- 
gewiesen^ und,  wenn  er  dennoch  zur  Einschreibung  gelangt,  cassirt^. 
Selbst  nach  justinianischem  Recht  wird  wie  nach  dem  vordiocletiani- 
schen*  dem  Sclaven,  der  unter  Verheimlichung  seiner  Unfreiheit 
zum  Dienst  gelangt,  die  Todesstrafe  angedroht 5.  Aber  schon  in 
dieser  Zeit  wird  die  Einstellung  eines  fremden  Sclaven  in  der 
Weise  verboten,  dass  an  der  Zulässigkeit  des  Eintritts  des  Sclaven 
in  das  Heer  mit  Einwilligung  theils  des  aushebenden  Officiers, 
theils  des  Eigenthümers  nicht  gezweifelt  werden  kann^,  und  der 
Aufruf  an  die  Sclaven  Kriegsdienst  zu  nehmen,  welchen  in  den 
ersten  Jahren  des  fünften  Jahrhunderts  in  Folge  der  Einfälle  Alarichs 
und  Radagaisus  in  Italien  die  weströmische  Regierung  erliess'',  ist 
vermuthlich  nur  insofern  anomal,  als  dabei  nach  der  Zustimmung 
des  Herrn  nicht  gefragt  ward.  Unter  Justinian  wurden  sogar  der 
Rückforderung  des  nicht  einwilligenden  Eigenthümers  exceptionelle 


1)  C.  Th.  7, 13, 8:  inter  .  .  militum  turmas  neminem  e  numero  servorum  dandum 
esse  decernimus, 

2)  Johannes  Chrysostomus  (f  407)  homil.  10  in  loannem  (ed.  Montfauc. 
vol.  8  p.  59) :  ßaadsvs  fiiv  .  .  .  tovg  ofiodovXovg  xal  xfjg  avxrjg  amä»  xoivcovovvxag 
<fvo£ü)s  .  .  .  ov}e  d^toT  xaxaXsyeiv  slg  x6  oxqüxötisöov  x6  ßaodixov,  av  dovXoi  xv^coaiv 
ovxsg.  Diese  und  die  folgenden  Stellen  sind  von  Gothofredus  zu  C.  Th.  7, 13,  8 
beigebracht. 

3)  Johannes  Chrysostomus  cateehesis  II   (ed.  Montfauc.  vol.  2  p.  239):  XQ^ 
x6v  f^skXovxa  axgaxsvEO'&ai   ..  .  Ilsvd-SQOV  eivai'    äv  yäg    8ovX6g    xig  fj,    ixßdkkexai;  \ 
hom.  in  loc.  n.  test.  5  (ed.  Montfauc.  vol.  3  p.  59):   ovöslg  oxgaxevsxai  oixhrjg,  aAA*| 
luv  aA<p  SovXog  wv,  fiexa  xificoQiag  kxßaXXsxai  xov  xwv  axqaxiwxwv  xaxaXöyov.  | 

4)  In  traianischer  Zeit  wird  der  Sclave ,  der  sich  unter  die  Soldaten  ein- 1 
schleicht,  mit  dem  Tode  bestraft  (Plinius  ad  Trai.  29.  30).  | 

5)  Marcianus  Dig.  49,  16,  11:  ab  omni  militia  servi  prohibentur,  alioquin^ 
capite  puniuntur.    Menander  das.  40,  12,  29. 

6)  V.-O.  von  382  C.  Th.  7,  13,  11  =  C.  lust.  12,  43,  2. 

7)  V.-O.  von  406  C.  Th.  7,  13,  16:  servos ...  exhortamur,  ut  eumprimum  [quam-\ 
primum  Momms.]  se  bellicis  sudoribus  offerant,  pi-aemium  libertatis,  si  apti  ad 
militiam  arma  susceperiwt,  pulveratici  etiam  nomine  binos  solidos  accepturi. 


\ 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  251 

Schranken  gesetzt^.  Dass  insbesondere  die  Sclaven  der  reichs- 
angehörigen  Barbaren  zum  Eintritt  in  das  Heer  aufgefordert  werden  2, 
beruht  darauf,  dass  nach  germanischer  Sitte  die  Knechte  nicht  blos  244 
wie  die  römischen  den  Herrn  in  das  Heerlager  folgen,  sondern  auch 
am  Kampfe  selbst  sich  betheiligen  ^.  —  Selbstverständlich  ist  der 
Sclave  nur  dienstfähig,  nicht  dienstberechtigt  und  steht  es  dem  die 
Anwerbung  oder  die  Aushebung  leitenden  Offizier  frei  den  Unfreien 
abzuweisen;  es  mag  dies  als  Directive  noch  lange  gegolten  haben, 
nachdem  das  Rechtsprincip  gefallen  war.  Allerdings  hebt  nach 
diesen  Ordnungen  der  Eintritt  in  das  Heer  die  Unfreiheit  auf  und 
in  diesem  Sinn  besteht  auch  jetzt  noch  Incompatibilität  zwischen 
dem  Kriegsdienst  und  der  Unfreiheit.  —  Von  Zurücksetzung  der 
Freigelassenen  bei  der  Dienstnahme  begegnet,  wie  hiernach  selbst- 
verständlich ist,  in  dieser  Epoche  nirgends  eine  Spur*;  nur  die 
Offizierstellen  bleiben  ihnen  verschlossen  ^ 

Wir  kommen  zu  den  Rechtsgründen  des  Kriegsdienstes.  Die 
allgemeine  Dienstpflicht  des  kriegstüchtigen  Mannes  ist  in  der 
augustischen  Ordnung  nicht  nur  festgehalten,  sondern  auch  von  dem 
römischen  Bürger  auf  den  römischen  Reichsangehörigen  erstreckt 
worden,  wenn  auch  theils  aus  allgemeinen  politischen  Gründen, 
theils  nach  Ermessen  des  Kriegsherrn  bei  der  praktischen  Anwendung 
dieses  Princips  auf  die  einzelnen  Reichstheile  die  äusserste  Ungleich- 
heit obwaltete.     In  der  nachdiocletianischen  Epoche,  wahrscheinlich 


1)  Cod.  lust.  12,  33,  6.  Vgl.  C.  Tb.  7,  18,  9,  3.  Selbst  die  Stellen  in  den 
Öcholen  kauften  auch  Sclaven  (Prokop  h.  arc.  24). 

2)  Die  V.-O.  von  406  (S.  250  A.  7)  fährt  fort:  praecipue  sane  eorum  servos 
quos  milüia  armata  detentat,  foederator%im,  nihüo  minus  et  dediticiorum  (d.  h.  der 
Laeten  und  Gentilen),  quoniam  ipsos  quoque  una  cum  dominis  eonstat  beUa  tractare. 

3)  Bei  den  Erulern  fechten  die  Knechte  wie  die  Herren,  erhalten  aber  den 
Schild  erst  wegen  bewiesener  Tapferkeit  (Prokop  b.  Pers.  2,  25).  Der  Gothen- 
fürstin  Amalafrida  folgen,  als  sie  den  Vandalenkönig  heirathet,  1000  Gothen 
gleichsam  als  Doryphoren  nebst  5000  streitbaren  Knechten  (Prokop  b.  Vand.  1,  8 : 
ofidos  ^sgaTzeiag  Emsro  ig  jtsvis  näXiota  ;^tAta5a?  ävÖQMv  fiaxi/^cav) ;  dem  Hülfscorps 
der  Langobarden  von  2500  Mann  werden  3000  streitbare  Knechte  beigegeben 
(Prokop  b.  Goth.  4,  26:  ß^eQajieiav  fxaxtficov  ävögcöv  sScoxe  nXsov  y  tqioxiXicov), 
Ueber  den  Kriegsdienst  des  germanischen  Liten  und  des  germanischen  Knechtes 
vgl.  Brunner  Rechtsgeschichte  1,  235.  239  [2.  Aufl.  1  S.  180]. 

4)  Vgl.  Staatsrecht  3,  449  f.  Von  einem  miles  libertus  spricht  Paulus 
Dig.  29,  1,  37. 

5)  V.-O.  von  426  C.  Th.  4,  10,  3:  ipsos  qui  manumissi  sunt  nulla  ratione  ad 
uUum  quamvis  humilis  militiae  locum  sinimus  admitti,  wo  nach  dem  Zusammen- 
hang die  eigentlichen  Aemter  (honores)  und  die  Subalternenstellen  am  Hofe 
ipahtina  militia)  gemeint  sind. 


252  I^^s  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

aber,   wie   wir   sehen  werden,    erst  unter  Valentinian  I.,   wird   das 
Princip  selbst  aufgegeben  oder  vielmehr  auf  den  Nothfall  beschränkt^ 
und  dafür  die  Dienstpflicht,  soweit  sie  bestehen  bleibt,  formell  strenger 
regulirt. 
245  Es    sind    vier   verschiedene    Gründe,    durch    welche    jetzt    der 

Kriegsdienst  herbeigeführt  wird:  der  freiwillige  Eintritt;  die  im 
Steuerweg  herbeigeführte  Rekrutenstellung  des  Grundbesitzers;  der 
Erbzwang;  endlich  die  Zugehörigkeit  zu  einer  dediticischen  Quasi- 
gemeinde. Dieselben  sollen  hier  so  weit  erörtert  werden,  als  es  für 
die  Uebersicht  der  Verhältnisse  erforderlich  scheint. 

1.  Der  freiwillige  Eintritt  in  das  Heer  beruht  der  Regel  nach 
auf  Werbung;  auch  die  oftmals  vorkommende  Einstellung  von 
Kriegsgefangenen^  wird  insofern  hierher  gezogen  werden  können, 
als  die  Besiegten  sich  zum  Eintritt  verstehen,  um  die  volle  Strenge 
des  Kriegsrechts  von  sich  abzuwenden.  —  Wenn  schon  in  vordio- 
cletianischer  Zeit  die  Ergänzung  des  Heeres  regelmässig  durch  frei- 
willigen Eintritt  bewirkt  ward,  so  gilt  dies  von  der  späteren  Epoche 
in  noch  gesteigertem  Grade.  Zwar  ist  in  unserer  Ueberheferung 
von  der  Werbung  geradezu  nicht  häufig  die  Rede;  aber  die  Klage, 
dass  die  besseren  Leute  es  vorzögen,  bei  den  Beamten  als  Officialen 
einzutreten  3;  die  zahllosen  Erlasse  wegen  unberechtigten  Eintritts  der 
vom  Kriegsdienst  rechtlich   ausgeschlossenen  Personen,   welche  nur 

1)  Valentinian  III.  nov.  5,  1,  2:  cognoscat  universitas  mdlum  de  Romanis 
civünis  .  .  .  ad  militiam  esse  cogendum,  sed  tantum  ad  murwum  partarumque 
cmtodiam  quotiens  usus  exegerit  .  .  praefecti  urhis  dispositionibus  ab  Omnibus  obse- 
quendum. 

2)  Zosimus  1,  46:  oaoi  ds  (von  den  Gothen)  öieacod'Tjaav,  tj  rdyfiaaiv  'Pa>nai(ov 
ovvrjQi&iA,r)d^r]oav  rj  yfjv  Xaßovxss  elg  yscoQyiav  xavxr]  jiQoosxagzEQtjoav.  Justinian 
schickt  gegen  die  Perser  fünf  aus  den  nach  Byzanz  gebrachten  Vandalen  ge- 
bildete Reiterabtheilungen  (b.  Vand.  2,  14)  und  gegen  die  Gothen  kriegsgefangene 
Perser  (b.  Pers.  2,  19 ;  b.  Goth.  3,  3) ;  ebenso  werden  die  gefangenen  Gothen  in 
das  byzantinische  Heer  eingestellt  (b.  Goth.  2,  27 :  oi  ds  ßdgßaQoi  rw  ßaadscog 
oTQat£V(j,axi  ävsfj.iyvvvxo).  Kaum  verschieden  ist  die  den  Barbaren  in  den  Friedens- 
schlüssen mehrfach,  zum  Beispiel  den  Sachsen  im  J.  369  (Ammian  28,  5,  4 :  daiis 
ex  condieione  proposita  iuvenibus  multis  habilibus  ad  militiam),  den  Lentiensem  im 
J.  377  (Ammian  31,  10,  17:  öblata,  ut  praeceptum  est,  iuventute  valida  nostris 
tiroeiniis  permiscenda)  auferlegte  Bedingung  eine  gewisse  Anzahl  Rekruten  zu 
stellen.  Die  vornehmeren  Kriegsgefangenen  wurden  auch  wohl  als  Offiziere 
angestellt,  natürlich  mit  Schenkung  des  Bürgerrechtes  (vita  Alex.  58:  si  qui  — 
captivi  —  regü  aut  nobiliores  fu&runt,  eos  militiae,  non  tarnen  magnae  deputavit). 

3)  Vegetius  1,  7:  hinc  tot  ubique  ab  hostibus  inlatae  sunt  clades,  dum  longa 
pax  militem  incuiHosius  legit,  dum  honestiores  quique  civilia  sectantur  officia,  dum 
indicti  possessoiibus  tirones  per  gratiam  aut  dissimulationem  probantium  tales 
sociantur  armis,  quales  domini  habere  fastidiunt. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  253 

auf  die  freiwillige  Uebernahme  des  Dienstes  bezogen  werden  können; 
endlich  die  in  späterer  Zeit  ausserordentlich  häufige  Umwandlung  246 
der  Soldatensteuer  in  eine  Geldleistung^,  welche  das  Aerarium  in 
den  Stand  setzt  die  erforderlichen  Mannschaften  vielmehr  zu  dingen, 
beweisen  auf  das  deutlichste,  dass  die  römischen  Heere  dieser 
Epoche  überwiegend  aus  geworbenen  Leuten  zusammengesetzt 
worden  sind.  Das  Verfahren  ist  das  gewöhnliche.  Der  Tagelöhner 
wandert  aus  seinem  Dorf  mit  dem  Brotsack  auf  dem  Rücken  nach 
Byzanz  und  stellt  sich  dem  Werbeoffizier  vor  2;  es  wird  Hand-  oder 
sogenanntes  Reisegeld  (pulveraticmn)  gezahlt^,  unter  Umständen 
auch  eine  Capitulation  abgeschlossen,  zum  Beispiel  dem  Germanen 
zugesichert,  dass  er  nicht  jenseit  der  Alpen  zu  dienen  gehalten  sein 
solle*.  Je  nach  Umständen  wird  die  "Werbung  auf  In-  oder  auf 
Ausländer  oder  auf  beide  gerichtet^. 

2.  Die  im  Steuerweg  herbeigeführte  Rekrutenstellung  des  Grund- 
Ibesitzers,  die  ihrer  Entstehung  nach  im  Dunkeln  liegt,  ist  wahrschein- 
lich an  die  Stelle  der  älteren  allgemeinen  personalen  Wehrpflicht 
'.getreten.  Diese  ist  nicht  blos  in  vordiocletianischer  Zeit,  sondern 
i/ielleicht  noch  bis  zum  Erlöschen  des  constantinischen  Hauses 
)rincipiell    festgehalten    worden^.       Aber    wenigstens     seit    Yalen-  247 


1)  Ammian  31,  4,  4:  jwo  militari  suppUmento  quod  (aurum)  promnciatim 
nnwm  pendebatur.    C.  Th.  7,  13,  7.  13.  14.  20.   11,  18,  1. 

2)  Prokop  b.  Vand.  2,  16  aus  einer  Ansprache  des  Feldherrn  an  die  Soldaten : 
g  (der  Kaiser)  vfiäg  e^  dygov  ■fjxovrag  ovv  rs  tfj  jtrjQn  xal  x^^^ovioxw  evl  ^vvayaytov 
,•  Bv^dvTiov  rrjhxovode  slvai  nEnoirjy.Ev.  Dies  erläutert  die  schon  S.  232  A.  2  an- 
efuhrte  Schilderung  der  Anwerbung  des  Justinus  und  seiner  Brüder.  Dies  sind 
iie  adrenae  der  V.-O.  von  375  (A.  3).  Die  gedrückte  Stellung  der  Rekruten 
egenüber  den  älteren  Mannschaften  schildert  Lj^dus  de  mag.  1,  47. 

i        3)  Nach  der  V.-O.  von  375    C.  Th.  7,  13,  7,  2  erhält   der   Rekrut  6  solidi 

\ratia  vestis  ac  sumptimm;  nach  denen  des  Honorius  C.  Th.  7,  13,  16.  17  in  der 
othlage  der  J.  405  —  406   der  Freie  10,   der  Sclave  2  solidi  als  pulveraticum. 

laher  ist  die  Rekrutenwerbung  advenarum  coemptio  iuniorum  (C.  Th.  7, 13,  7pr.). 

j  4)  Ammian  20,  4,  4  erbittet  bei  der  von  Constantius  verlangten  Truppen- 
ndung Julian,  ut  Uli  nullas  paterentur  molestias,  qui  relictis  laribus  transrhenanis 
b  hoc  vener ant  pacto,  ne  ducerentur  ad  partes  umquam  transalpinas ,  verendum 
se  adfirmans,  ne  voluntarii  barbari  militantes,  saepe  sub  eiusmodi  legibus  adsueti 
xMstre  ad  nostra,  lioc  cognito  deinceps  arcerentur. 

5)  Ammian  a.  a.  0.,  Zosimus  4,  12  (S.  264  A.  1). 

6)  Staatsrecht  3,  299.  Die  personale  Dienstpflicht  wird  gefordert  durch 
i  Stellung  eines  vicarius  (Traianus  an  Plinius  30)  und  durch  die  Form,  in 
Icher  sowohl  in  den  Pandekten  (Modestians  Dig.  27,  1,  6,  8:  fj.r]  eis  aigarsiav 
\iaXiyBo§ai  äxovxag)  wie  auch  im  theodosischen  Codex  (13,  3,  3  vom  J.  388j:  nee 

ilmüitiam  comprehendi;  13,  3,  10  vom  J.  370;  13,  3,  16  vom  J.  414)  die  Immunität 
fj'  Professoren  und  Aerzte  ausgesprochen  wird.     In  der  justinianischen  Gesetz- 


254  I^^s  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

tinian  I.  ^  wird  die  Rekrutenstellung  nicht  in  dem  ganzen  Reich, 
aber  in  einer  gewissen  Zahl  von  Provinzen  ^  in  der  Form  der  Grund- 
steuerhebung bewirkt.  Der  einzelne  Grundsteuerpflichtige  oder  ein 
für  diesen  Zweck  gebildeter  Complex  derselben  hat  eine  dem 
Steuermass  entsprechende  Anzahl  von  Rekruten  aus  den  eigenen 
Leuten  zu  stellen  ^.  "Wenn  die  allgemeine  Wehrpflicht  wenig  efFectiv 
gewesen  war,  so  wurde  diese  beschränkte  energisch  gehandhabt; 
der  leibeigene  Bauer,  der  sich  von  seiner  Stelle  entfernte  {vagus\ 
wird  dem  Deserteur  gleich  behandelt*.  Auch  hier  las  nicht  der 
Staat  die  geeigneten  Mannschaften  aus,  sondern  er  durfte  nur  die 
ungeeigneten  ablehnen ;  aber  es  konnten  ihm  nur  Bauern  angeboten 
248  werden  und  das  kostspielige  Handgeld  fiel  weg.  Indess  ist  die  den 
der  Rekrutenstellung  selbst  nicht  unterworfenen  Provinzen  dafür 
auferlegte  Geldsteuer  auch  in  den  dafür  geeignet  befundenen  häufig 
theils   electiv,   theils  schlechthin   an   deren  Stelle  getreten^  und  die 


gebung  sind  die  Verordnungen  10,  53,  6.  11  entsprechend  corrigirt;  die  Fest 
haltung  der  alten  Formel  in  den  Verordnungen  von  370  und  414  so  wie  in 
Justinians  Pandekten  können  nur  als  Redactionsversehen  betrachtet  werden,  da, 
es  damals  eine  allgemeine  Dienstpflicht  nicht  mehr  gab.  Ammians  Worte 
21,  6,  6:  supplementalegionibtis  scripta  sunt  indictis  per  provincias  tirodniis  lassen 
sich  dagegen  auch  mit  dem  älteren  System  vereinigen.  Wenn  in  der  schwierigen 
Stelle  19,  11  nach  den  S.  256  A.  1  angeführten  Worten  es  weiter  heisst:  awrum 
quippe  gratanter  provinciales  corporibus  (=  magis  quam  corpara?)  dabunt:  quae 
spes  rem  Bonmnam  aliquotiens  adgravavit,  so  ist  wohl  gemeint,  dass,  je  weniger 
auf  die  Provinzen  Rekruten  umgelegt,  um  so  mehr  Steuern  von  ihnen  gefordert 
werden  können.  Einen  sicheren  Beweis  für  Rekrutenstellung  durch  die  Grund- 
eigenthümer  giebt  auch  diese  Stelle  nicht. 

1)  Der  meines  Wissens  älteste  zweifellose  Beleg  für  die  cdllatio  iuniorum\^ 
ist  die  V.-O.  von  365  C.  Th.  7,  13,  2.  Das  Schweigen  der  früheren  Verordnungen 
kann  kaum  zufällig  sein. 

2)  Schon   die  V.-O.  von  365  (A.  1)   unterscheidet  die  Provinzen,   a 
cwpora  flagitantiir ;  ebenso   C.  Th.  7,  13,  9:  ex  opportunis  regionibus.     Die  pro- 
vinciae  suburbicariae  schliesst  Theodosius  I.  aus  (C.  Th.  11,  16,  12),  Valentinian  III 
dagegen  ein  (nov.  6,  2,  1). 

3)  C.  Th.  7,  13,  7 :  ex  agro  ac  domo  propria.  Sclaven  durften  damals  nich 
gestellt  werden  (S.  250  A.  1);  späterhin  mag  man  sie  besonders  dann  zugelassei 
haben,  wenn  sie  thatsächlich  Bauern  waren.  j 

4)  Vagus  (auch  mit  dem  Beisatz  atque  fugitivus  C.  Th.  7,  13,  6)  bezeichne! 
entweder  allgemein  den  persönlich  Militärpflichtigen,  welcher  sich  dem  Diensj 
entzieht  (so  C.  Th.  7,  18,  10  z.  A.  und  17),  oder  genauer  neben  veterani  ßii*\ 
(C.  Th.  7,  18,  10  weiterhin,  ferner  7,  13,  6.  7,  20, 12.  8,  2,  3)  den  von  seiner  Heiir| 
statte  entwichenen  Leibeigenen,  den  alienigena  idoneus  miUtiae  der  V.-O.  C.  Tl 
7, 18,  2.  ! 

5)  C.  Th.  7,  13,  7.  13.  14.  20.  Dies  heisst  tirones  in  adaeratione  persolve,\ 
(nov.  Valentiniani  6,  3,  1).  j    1^ 

■ 


A 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  255 

Behandlung  derselben  in  der  justinianischen  Gesetzgebung^  lässt 
erkennen,  dass  von  dieser  auf  die  Wehrhaftigkeit  wenigstens  der 
Bauern  in  einem  Theile  des  Reichs  berechneten  Aushebungsform 
damals  kaum  noch  Gebrauch  gemacht  ward. 

3.  Das  Princip  des  Erbzwanges  gilt,  wie  für  den  Senator  des 
Reiches  und  den  Decurio  der  Municipien,  wie  für  den  Officialen  der 
Beamten  und  das  Mitglied  der  hauptstädtischen  Bäckerzunft,  so  auch, 
und  zwar  seit  Constantin  L,  für  den  Soldaten;  für  die  ausgedehnten 
Privilegien,  welche  dieser  den  Veteranen  und  den  Söhnen  derselben 
einräumte  2,  war  die  Compensation  diese  gesteigerte,  in  der  Führung 
der  Soldatenkinder  in  der  Liste  ^  sich  ausdrückende  Dienstpflicht. 
Schärfer  tritt  auch  sie  erst  hervor,  nachdem  die  allgemeine  persön- 
liche Dienstpflicht  principiell  beseitigt  war;  seit  Yalentinian  I.*  gilt 
der  Soldatensohn  (fiUus  veterani)  gleich  dem  Colonen  als  persönlich 
militärpflichtig  ^  und  wird,  wenn  er  sich  nicht  rechtzeitig  stellt,  dem 
Deserteur  gleichgeachtet  ^,  wofür  die  um  diese  Zeit  wenigstens  im 
Ostreich  aufkommende  Erstreckung  der  Soldzahlung  auf  die  Soldaten- 
kinder'' als  Aequivalent  angesehen  werden  kann.  In  Justinians  Zeit  249 
aber  besteht  der  Erbzwang  für  den  Soldaten  nicht  mehr^.  —  Der 
Erbzwang  ist  exclusiv.  Wer  in  irgend  einer  Beziehung  einem  solchen 
j unterliegt,   kann   nicht  in   eine  andere  ebenfalls  mit  Erbzwang  ver- 


1)  In  lustinians  Codex  wird  diese  Lieferung  meines  Wissens  nur   einmal 
(12,  16,  2)  beiläufig  erwähnt. 

2)  Zuerst  ausgesprochen  werden  sie  in  dem  Gesetz  vom  J.  319  C.  Th.  7,  22,  1 
und  später  sehr  oft. 

3)  C.  Th.  7,  1,  11:  inter  adcreseentes  matriculis  attinentur. 

4)  Die  betreffende  V.-O.  von  364  ist  C,  Th.  7,  1,  5. 

5)  Stellung  eines  Stellvertreters  kommt  vor  (C.  Th.  12,  1,  78). 

6)  Die  Gleichstellung  des  sich  nicht  stellenden  {vacare  C.  Th.  7,  22,  2. 10. 
i,  2, 3)  veterani  filius  (wobei  der  militis  filius  immer  mitverstanden  ist  C.  Th. 
1,  23,  6.  10)  mit  dem  colonus  vagus  findet  sich  zuerst  in  der  V.-O.  von  370 
^.  Th.  7,  13,  6  (wo  zu  Anfang  für  vagus  aut  veteranus  zu  lesen  ist  vagus  aut 
eterani  filius),  ausserdem  C.  Th.  7,  18,  10.  7,  20,  12.  8,  2,  3. 

7)  Die  Soldzahlung  an  die  familiae  erscheint  in  Askalon  bereits  in  einer 
Jrkunde  des  J.  359  [B.  G.  U.  I,  316]  (in  dieser  Zeitschr.  [Hermes]  19,  422)  und  die 
»'".-0.  vom  J.  409  C.  Th.  7,  4,  31  beschränkt  sie  auf  den  Orient  und  auf  Aegypten. 
pem  Orient  gehören  auch  die  übrigen  Zeugnisse  dafür  an  (377  C.  Th.  7,  4,  17 ; 
|06  C.  Th.  7,  4,  28;  420  C.  Th.  10,  1,  17).  Die  weströmische  Verordnung  von  372 
'.  Th.  7, 1, 11  untersagt  sie  und  die  ebenfalls  weströmische  von  399  C.  Th.  7,  5, 1 
rwähnt  sie  nur. 

8)  Er  ist  festgehalten  für  die  Officialen  der  Militärbeamten  (cod.  Tust. 
2,  47).  Dass  dem  ältesten  Sohn  des  in  der  Schlacht  gefallenen  Soldaten  oder 
ubalternoffiziers  bis  hinauf  zum  Biarehen  der  väterliche  Sold  zugesichert  wird 
'.  Iust.;12,'47,  3),  ist  ein  Recht  desselben,  keine  Pflicht. 


256  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

sehene  Stellung  eintreten;  demnach  ist  dem  Soldatensohn,  falls  er 
zum  Soldaten  tauglich  ist,  ebenso  der  Eintritt  in  eine  andere  der- 
artige Lebensstellung  verschlossen,  wie  auch  umgekehrt  der  munici- 
pale  Decurio,  der  hauptstädtische  Corporatus,  der  Officialis  einer 
Behörde  unfähig  sind  in  das  Heer  einzutreten.  Bei  der  Annahme 
eines  Rekruten  ist  dessen  Freiheit  von  derartigen  Verpflichtungen 
vor  allen  Dingen  nachzuweisen,  da  sehr  häufig  der  Yersuch  gemacht 
ward  sich  auf  diese  Weise  insbesondere  dem  lästigen  Decurionat  zu 
entziehen. 

4.  So  weit  die  innerhalb  der  römischen  Reichsgrenzen  ange- 
siedelten nicht  in  die  Municipalverbände  des  Reiches  eingeordneten 
Barbaren  in  der  früher  (S.  225  f.)  erörterten  Form  der  Clientelsou- 
veränetät  constituirt  werden,  schliesst  dies  Verhältniss  wohl  die  Waffen- 
hülfe  ein,  aber  der  Regel  nach  nicht  die  Rekrutenstellung  zum 
römischen  Heer.  Wenn  ausnahmsweise  der  Unterthänigkeitsvertrag 
die  jährliche  Stellung  einer  gewissen  Zahl  von  Rekruten  für  das 
Reichsheer  ausbedingt,  werden  diese  gleich  den  geworbenen  Mann- 
schaften in  beliebiger  Weise  den  Truppenkörpern  zugetheilt^.  Aber 
250  es  ist  dies  nicht  die  einzige  Form  der  Unterthänigkeit  reichsange- 
höriger  und  ausserhalb  des  Municipalverbandes  stehender  Gemeinden. 
Unter  Umständen  werden  ihnen  wenigstens  seit  der  frühen  Kaiserzeit 
und  vielleicht  schon  in  der  republikanischen  römische  Offiziere  vor- 
gesetzt, praefecti  civitatis  oder  gentis.  Insbesondere  in  den  Alpen- 
districten  der  italischen  Nordgrenze  lässt  es  sich  deutlich  verfolgen, 
wie   dieses  System  neben  das  der  Clientelfürsten  tritt  und  dasselbe 

1)  Ammian  17,  13,3  zum  J.  358:  (lAmigantes  Sarmatae)  trihutum  awnuum 
dilectiimque  validae  iuventutis  et  servitium  spoponderunt.  Nachher  19,  11  erbieten 
sich  dieselben,  auf  römisches  Gebiet  übersiedelnd,  Unterthanenlasten  {trihutarwrum 
onera)  zu  übernehmen  und  der  Kaiser  hofft  sich  dadurch  die  Rekrutirung  des 
Heeres  zu  erleichtern  {proletarios  lucrabitur  plures  et  tirocinia  cogere  poterit  valir 
dissimä).  30,  6,  1  zum  J.  375 :  Quadorum  .  .  legati  .  .  .  ut  (pacem)  adipisd  ... 
possent,  et  tirocinium  et  quaedam  utilia  Bomanae  rei  publicae  poUicebantur. 
31,  4,  4  wird  nach  dem  Uebertritt  der  Gothen  das  Glück  des  Kaisers  gefeiert, 
quod  ex  ultimis  terris  tot  tirocinia  trahens  (vorher  c.  1  erklären  die  Gothen  se 
.  .  daturos  si  res  flagitasset  auxilia  oder  nach  Eunapius  fr.  42  Müll.  nQood^xrjv 
xfj  ov/u,fiaxin  naQs^siv  sjiayyEkXöfisvoi)  ei  nee  opinanti  offerret,  ut  conlatis  in  unum 
suis  et  alienigenis  viribus  invictum  haberet  exercitum  et,  pro  militari  supple- 
mento  quod  provinciatim  annuum  pendebatur  (S.  254  A.  5),  thesauris  aecederet,  i 
auri  cumulus  magnus.  Insbesondere  die  letztere  Stelle  kann  nur  verstanden 
■werden  von  dauernder  Stellung  einer  Anzahl  Rekruten,  in  Folge  deren  die 
Anwerbung  sich  verringert  und  die  dafür  von  den  nicht  zur  personalen  Rekruten- 
stellung herangezogenen  Provinzen  gezahlten  Steuergelder  der  Staatskasse  ver- 
bleiben. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletiau.  257 

allmählich  verdrängt  ^ ;  und  -wenn  es  hier  weiterhin  den  militärischen 
Charakter  verliert  und  anstatt  des  Offiziers  der  Steuereinnehmer, 
das  heisst  anstatt  des  praefcctus  der  procurator  eintritt,  so  hat  es 
anderswo,  vor  allem  in  Africa,  für  solche  Fälle,  wo  die  Föderation 
und  das  Stammfürstenthum  unzweckmässig  erschienen,  besonders  für 
kleinere  Distrikte  zu  allen  Zeiten  Anwendung  gefunden^.  Auch  in 
der  Epoche,  mit  der  wir  uns  hier  beschäftigen,  sind  die  africanischen 
2)raefecti  limitis  wahrscheinlich  nicht  blos  den  römischen  Truppen 
vorgesetzt,  sondern  auch  den  ihrem  Bereich  angehörenden  Barbaren; 
indess  ist  die  africanische  Grenzhut  dieser  Epoche  zu  unvollkommen 
bekannt,  als  dass  sich  feststellen  liesse,  in  wie  weit  diese  Barbaren 
unter  Stammhäuptern  standen  oder  in  deren  Ermangelung  Aushebung 
und  Commando  direct  von  den  Römern  ausgeübt  ward.  Wohl  aber 
erscheint  anderswo  eine  solche  Rechtsform,  mit  der  dann  die  per- 
sönliche Militärpflicht'  ebenso  verknüpft  ist  wie  mit  dem  Yerhältniss 
des  Colonus  und  des  Soldatensohnes*.  Aehnlich  wie  die  Abtheilungen 
der  milites  limitanei  (S.  209),  deren  Organisation  wohl  dabei  zu  251 
Grunde  gelegt  ist,  werden  ausländische  Ansiedler  als  eigene  Körper- 
schaften constituirt^  und  unter  einen  römischen  Offizier,  einen  p^-ae- 


1)  Ueber  die  praefecti  dvitatium  in  den  cottischen  und  den  Seealpen  vgl. 
meine  Auseinandersetzung  C.  I.  L.  V  p.  809.  902;  gleichartig  ist  der  praefectus 
dvitatium  Moesiae  et  TrebaUia[e]  das.  n.  1838  [=  Dessau  1349]. 

2)  Belege  für  Africa  sind  der  [pr]aef.  cohortis  VII  Ltcsitan(orum)  [ef]  nation(um) 
Gaetulicar(um)  sex  quae  sunt  in  Numidia  (C.  V,  5267  [=  Dessau  2721]);  prae- 
f(ectus)  gentis  Musulamiorum  (C.  VIII,  5351  [=  Dessau  1435]);  praef(ectus)  gentis 
Cinithiorum  (C.  VIII,  10500  [=  Dessau  1409]) ;  aus  anderen  Gegenden  der  praef. 
ripae  Danuvi  et  dvitatium  duar.  Boior.  et  Azalior.  (C.  IX,  5363  [=^  Dessau  2737]) ; 
{pr]aef,  dvitatis  Maeze[ioi-um]  (in  Dalmatien;  C.  IX,  2564);  praef.  I  cohortis  Cor- 
sorum  et  dnitatum  Barbariae  in  Sardinia  (C.  XIV,  2954  [=  Dessau  2684]).  [Vgl. 
▼.  Domaszewski,  Bonn.  Jahrb.  117  (1908)  S.  107.  136.] 

3)  Das  meint  die  S.  258  A.  2  angeführte  Verordnung  von  405  mit  den  Worten 
quos  militia  armata  detentat  und  eine  andere  vom  J.  400  (A.  4)  mit  den  Worten 
qiios  militiae  origo  consignat. 

4)  Die  drei  Kategorien  stehen  neben  einander  in  den  beiden  V.-O.  vom 
J.  400  C.  Th.  7,  18,  10  also:  ut  deseHores  veter anorum  filios  ac  vagos  et  eos, 
quos  militiae  origo  consigtiat  (A.  3),  ad  dilectum  iuniorum  provocet  und  7,  20,  12 
in  der  offenbar  vollständigen  Aufzählung  der  Gründe  der  persönlichen  Militär- 
pflicht, also :  quisquis  laetus  (luctus  Hdschr.)  Alamannus  Sarmata,  vagus  vel  filius 
veterani  aut  cuiuslibet  corporis  dilectui  {dilectus  Hdschr.)  obnoxius  (womit  ver- 
muthlich  die  corpora  der  milites  limitanei  gemeint  sind;  vgl.  S.  211)  et  floren- 
tissimis  legionihus  inserendus. 

5)  Dies  scheint  noch  die  Verordnung  des  Severus  vom  J.  465  (nov.  2,  1 
[ed.  P.  Meyer  p.  201  cf.  p.  XXIV];  vgl.  lex  Burg.  tit.  4&  MG.LL.  3,  623)  anzu- 
erkennen;    indess   sind   die   Worte  hofl&iungslos  zerrüttet.      Sie  lauten  in  der 

MOMMSEN,   SCHR,  VI.  17 


258  D^s  römische  Militärwesen  seit  Diocietian. 

fectus  und  an  letzter  Stelle  wie  die  Civilgemeinden  unter  den  prae- 
fectus  praetorio^  so  diese  unter  den  magister  militum  gestellt^.  Mit 
Recht  werden  sie  also  mit  der  neben  der  Unterthänigkeit  die  Ge- 
meindelosigkeit  ausdrückenden  Benennung  der  dediticii  belegt  2.  Der 
Zeit  nach  können  wir  nur  sagen,  dass  sie  schon  zu  Diocletians  Zeit 
bestanden  haben  ^.  Dem  Orte  nach  treten  sie  vor  allem  in  Gallien, 
daneben  in  Italien  auf;  als  in  dieser  Weise  angesiedelt  werden  ge- 
nannt Alamannen  oder  Sueben,  Sarraaten,  Franken,  Taifalen*.  Sie 
252  zerfallen  in  zwei  Kategorien.  Die  eine  bei  weitem  wichtigere  und 
wahrscheinlich  auch  ältere  begegnet  nur  in  Gallien  unter  der  nicht 
römischen  und  nicht  mit  Sicherheit  erklärten  Benennung  der  laed. 
Diesen  sind  eigene   Quasi -Territorien  {terrae  laeticae)   zugewiesene 

einen  Ueberlieferung:  qiioniam  .  .  .  ad  nos  provüicialium  querela  pervenit  eo  quod 
leti  et  aliaque  corpora  publicis  ohsequiis  deputata  homines  quorundam  se  colonis  vd 
famulis  .  .  sociassent,  während  in  der  anderen  epitomirenden  überliefert  ist:  ut  si 
ex  marcianitano  et  anderoneco  —  oder  mareialitano  lito  andwinico  —  vel  quoeun- 
que  alio  corpore  puhlico  et  colono  mit  servo  possessoris. 

1)  Dies  lehrt  bekanntlich  die  Notitia  dignitatum.  Auch  eine  V.-  0.  von 
369  C.  Th.  7,  20,  10  spricht  von  dem  pi'aepositus  aut  fai/ricae  aut  classi  aut  laetis. 

2)  Diese  Bezeichnung  braucht  Ammian  20,  8,  13  (vgl.  21,4,  8)  von  den 
Lasten  und  in  rechtlicher  Allgemeinheit  die  V.-  0.  vom  J.  405  C.  Th.  7,  13, 16 
neben  der  verwandten  Kategorie  der  foederati. 

3)  Die  früheste  Erwähnung  ist  die  in  der  Ansprache  an  Constantius  vom 
J.  296  c.  21:  tuo,  Maximiane  Auguste,  nutu  Nerviorum  et  Treverorum  arva  iacentia 
laetus  postliminio  restitutus  et  receptus  in  leges  Francus  excoluit.  Also  wurden 
von  Maximian  die  Franken  neu  unterworfen,  die  Laeten  aber  den  Treverem 
und  Nerviem  durch  seine  Siege  zurückgegeben. 

4)  Die  Laeten  heissen  Germanen  bei  Ammian  16,  11,  6.  Die  Alamannen 
nennt  die  V.-O.  vom  ,T.  400  (S.  257  A.  4),  womit  die  gallischen  laeti  gentües 
Suein  der  Notitia  (Occ.  42,  34.  35.  42?  44)  zusammenfallen  werden.  Die  laeti 
Franei  hat  die  Notitia  42,  36  in  Gallien.  Ausonius  im  J.  378  geschriebenes 
Gedicht  (carm.  6  Schenkl):  hostibus  edomitis  qua  Francia  mixta  Suebis  certat  ad 
öbsequium,  Latus  ut  militat  armis  bezieht  sich  wahrscheinlich  auf  diese  suebischen 
und  fränkischen  Laeten.  Die  Sarmaten  nennt  die  Verordnung  vom  J.  400,  die 
Sarmatae  gentiles  als  in  Italien  wie  in  Gallien  an  zahlreichen  Orten  angesiedelt 
die  Notitia.  Die  Sarmatae  et  Taifali  gentiles  hat  die  Notitia  in  Gallien  42,  65. 
Julian  bei  Ammian  20,  8,  13  verspricht  zu  senden  laetos  quosdam  eis  Mhenutn 
editam  barbarorum  pi'ogeniem  vel  certe  ex  deditieiis  qui  ad  nostra  desciscunt; 
anderswo  16, 11,  12  spricht  Ammian  von  den  laeti  barbari.  Zosimus  Auffassung 
der  Laeten  (2,  54  von  Magnentius:  ysrog  eXkojv  äno  ßagßaQcov,  fisroixrjoag  ds  sk 
AsTovg  s'&vog  FaXaTiHÖv)  macht  die  Parallele  zu  der  ümnennung  der  Galater  in 
bucellarii  und  der  Gothen  in  foederati  (S.  243). 

5)  V.-O.  vom  J.  399  C.  Th.  13,  11,  10:  ex  multis  gentibus  sequentes  Bomanam 
felicitatem  se  ad  nostrum  imperium.  contulerunt,  quibus  terrae  laeticae  administrandae 
sunt.  Die  viel  häufigeren  Ansiedelungen  der  Barbaren  in  der  Form  des  Colonats 
gehören  natürlich  nicht  hierher. 


i 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  259 

zugleich  aber  dieselben  mit  den  einzelnen  gallischen  Gemeinden, 
und  zwar  keineswegs  durchaus  mit  den  örtlich  benachbarten,  in  der 
Weise  verknüpft^,  dass  diesen  ein  Theil  des  Bodenertrags  zufällt, 
vielleicht  die  gewöhnliche  Grundsteuer  hier  nicht  für  den  Staat, 
sondern  für  die  betreffende  Civitas  erhoben  wird  2.  Es  mag  dies 
wohl  eine  Entscliädigung  gewesen  sein  für  die  bei  diesen  Gemeinden 
ausserordentlich  gesteigerte  Rekrutenstellung  (S.  240).  Oertliche  Be- 
satzungen sind  diese  Ansiedelungen  ihrer  Lage  nach  offenbar  nicht 
gewesen;  auch  scheinen  sie  nicht  eigene  Truppenkörper  gebildet  zu  253 
haben ^,  sondern  nur  in  derselben  Weise  wie  anderswo  die  coloni 
und  wohl  noch  in  stärkerem  Masse  als  Rekruten  ausgehoben  worden 
zu  sein^.  —  Hinsichtlich  der  zweiten  Kategorie,  welche  als  gentiles 
schlechtweg  bezeichnet  werden,  steht  nur  so  viel  fest,  dass  sie  den 
laeti  im  Range  nachstanden^  und  dass  der  Bodenbesitz  mit  dem, 
■was  daran  hängt,   bei  ihnen  wegfällt*^;   diese  Siedelungen  sind  ver- 

1)  Beseitigt  man  unter  den  für  uns  verständlichen  Namen  der  einzelnen 
Ansiedelungen  der  laeti  theils  die  von  der  alten  Heimath  herrührenden  (S.  258 
A.  4),  theils  die  von  dem  Wohnsitz  entnommenen  {laeti  [Batavi]  Nemetacenses  — 
laeti  [Batavi]  Contra ginnenses  —  laeti  [Lingonenses]  per  diversa  dispeisi),  so  bleiben 
die  drei  Abtheilungen  der  laeti  Batavi,  der  laeti  Nervii  und  der  laeti  lÄngotunses, 
von  welchen  die  Icteti  Nervii  im  Gebiet  der  Nervier  selbst,  die  übrigen  von  den 
Hauptorten  weit  entfernt  angesiedelt  sind. 

2)  Dies  zeigt  die  S.  258  A.  3  angeführte  Stelle  aus  der  Kede  vom  J.  296; 
die  Laeten  der  Nervier  und  der  Treverer  bauen  ihren  Acker  für  diese.  Dass 
Julian  die  Barbaren,  welche  die  gallischen  Städte  plünderten,  zu  tribidarii 
(pflichtig  zur  Staatssteuer)  et  vectigales  (pflichtig  zu  städtischen  Abgaben)  ge- 
macht (Ammian  20,  4,  1)  und  dass  er  den  Gemeinden  ihre  Nutzungen  wieder 
geschafft  hat  (Ammian  25,  4,  15 :  vectigalia  civitatibus  restituta  cum  fundis),  wird 
wohl  zunächst  auf  die  Laeten  und  deren  Abgaben  an  die  gallischen  Gemeinden 
sich  beziehen;  die  Herstellung  der  Ordnung  in  Gallien  schloss  dies  nothwendig  ein. 

3)  Dass  Constantius  gegen  Julian  den  gewesenen  mag.  eq.  von  Gallien  cum 
laetis  voraussendet  (Amm.  21,  18,16),  geschieht,  weil  er  durch  den  in  Gallien 
wohlbekannten  Führer  und  durch  diese  gallischen  Mannen  Julians  Truppen  auf 
seine  Seite  zu  ziehen  hofft;  von  einem  Numerus  der  Laeten  ist  weder  hier  noch 
sonst  wo  die  Rede. 

4)  Julian  verspricht  dem  Constantius  zur  Ergänzung  der  schölae  jährlich 
eine  Anzahl  laeti  zuzusenden  (Ammian  20,  8,  13.  S.  258  A.  4).  Aus  den  Laeten, 
Alamanuen  und  Sarmaten  sollen  nach  der  V.-O.  von  400  (S.  257  A.  4)  die  Legionen 

-ergänzt  werden. 

5)  Die  Notitia  stellt  sie  immer  an  die  zweite  Stelle. 

6)  Da  erst  durch  Odovacar  die  Barbaren  in  umfassender  Weise  in  Italien 
angesiedelt  wurden,  so  können  die  Sarmaten  der  Notitia  unmöglich  ebenfalls 
schon  als  Bodenbesitzer  betrachtet  werden,  zumal  da  die  Städte,  in  denen  wir 
-später  die  Gothen   finden,   mit  jenen  sich   im   Allgemeinen    decken    und   eine 

17* 


260  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

muthlich,  anders  als  die  laetischen,  zunächst  als  örtliche  Besatzungen 
zu  fassen  ^  und  sie  werden  ihren  Unterhalt  ähnlich  erhalten  haben 
wie  die  nicht  sesshaften  Soldaten,  Daneben  können  sie  füglich 
gleich  den  Laeten  Rekruten  gestellt  haben. 

7.    Das  Gesammtheer  und  das  Commando. 

Obwohl  in  der  bisher  gegebenen  Darstellung  sowohl  über  die 
Stärke  der  einzelnen  Truppenkörper  wie  über  das  Commando  die 
wesentlichen  Momente  zur  Sprache  gekommen  sind,  wird  es  an- 
gemessen sein,  theils  hinsichtlich  der  Theilziffern  und  der  Gesammt- 
zahl,  theils  in  Betreff  des  Commandos  und  der  daran  haftenden 
Jurisdiction  die  gefundenen  Ergebnisse  zusammenzufassen  und  zu 
ergänzen. 

Die  Truppenkörper,  deren  numerische  Bestimmung  für  das  Ge- 

254  sammtergebniss  in  Betracht  kommt,  sind  in  der  Infanterie  die  legio,. 

das  auxilium  und  die  cohors,  in  der  Reiterei  die  schola,  die  vexillatio,^ 

der  cunetis  equüum,  die  equites  imd  die  ala. 

Dass  für  die  Legion  eine  zwiefache  Ziffer  angenommen  werdei 
muss  oder  yielmehr  unter  dieser  Benennung  bald  die  alte  Volllegion] 
von  6000,    bald    ein  Legionsdetachement    oder    die    Neulegion   vonl 
wahrscheinlich  1000  Mann  verstanden   ist,  wurde  bereits   entwickelt! 
(S.  222.238).    Die  erstere  Annahme  ist  unabweislich  und  wird  auch 
dadurch   gefordert,    dass   sämmtliche    allgemeine  Angaben  über  die 
Stärke   der  Legion   aus   dieser  Spätzeit,    die  orientalischen  wie   diej 
occidentalischen,   nur  die  Legion  von  6000  Mann  kennen 2.     Ebenso' 
unabweislich   aber  ist  es,   dass   die  Legion   nicht  immer  in    diesem I 
Sinne   gesetzt  wird,  vielmehr  regelmässig   eine   bei  weitem  kleinere | 
Truppe  bezeichnet.    Zu  den  früher  angeführten  Beweisen  tritt  hinzu,; 
dass  bei  der  Belagerung  von  Amida  unter  Constantius  von  dem  selbstj 
dabei  betheiligten  Ammian  die  aus  7  Legionen  bestehende  Besatzung 
nebst  einigen  anderen  Trupp  entheilen  so  wie  den  dienstfähigen  dort: 
wohnhaften    oder    dorthin    geflüchteten   Leuten   auf   nicht  mehr   alsj 
etwa    20  000    Köpfe    angeschlagen    wird^.     Für    die   Ansetzung    auf 


gewisse  Ersetzung  jener  Militäransiedelungen   durch    die   Germanen  Odovacar 
und  Theoderichs  sich  nicht  verkennen  lässt. 

1)  Wenn  diese  Ansiedelungen,  wie  es  scheint,  um  das  J.  400  entstanden 
sind,  so  passt  ihre  Lage  recht  wohl  zu  der  damaligen  Defensive. 

2)  Marquardt  Handb.  5  *,  455. 

3)  Ammian  19,  2,  14.  Derselbe  verzeichnet  18,  9,  3  (vgl.  19,  5,  2)  diese 
Legionen:  es  sind  die  in  Amida  garnisonirende  V Parthica,  also  eine  der  wahr- 
scheinlich von   Diocletian  eingerichteten    Grenzlegionen  oder   deren    in  Amida 


Daa  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  2)61 

1000  Mann  spricht  theils  die  Angabe  Prokops  ^,  dass  Geiserich, 
indem  er  seine  Vandalen  unter  80  Tribüne  stellte,  damit  den  An- 
schein erweckt  habe  einer  Qesammtstärke  seiner  Truppen  von  255 
80000  Mann,  theils  das  oben  (S.  224)  entwickelte  Verhältniss  des 
Tribuns  zu  der  Neulegion.  Die  Ziffer  passt  ferner  sowohl  zu  der 
zwischen  der  Neulegion  und  der  Vexillation  bestehenden  Correspon- 
denz,  da  die  taktische  Einheit  für  die  Infanterie  stärker  gewesen 
sein  muss  als  die  für  die  Reiterei,  wie  auch  zu  den  eben  angeführten 
ammianischen  Ziffern  und  zu  den  Legionsdetachements  dieser  Zeit 
von  300  2  und  500^  Mann.  Ob  das  Wort  in  dem  einen  oder  dem 
anderen  Sinn  zu  nehmen  ist,  lässt  sich  nur  im  einzelnen  Fall  und 
zuweilen  überhaupt  nicht  entscheiden;  im  Allgemeinen  kommt  bei 
den  vordiocletianischen  Grenzlegionen  der  Voll-,  bei  den  nach- 
diocletianischen  Grenz-  und  bei  sämmtlichen  Legionen  der  Kaiser- 
truppen der  Theilbegriff  zur  Anwendung. 

Das  Auxilium  scheint  einmal  in  der  Stärke  von  500  Mann  vor- 
zukommen*; und  es  wird  dagegen  nicht  eingewendet  werden  können, 
dass  es  hie  und  da  missbräuchlich  Legion  (S.  239  A.  2)  und  dass 
häufig  die  Truppen  überhaupt  Legionen  genannt  werden,  da  bei 
der  incorrecten  Redeweise  der  Schriftsteller  dieser  Zeit  sie  füglich 
auch  ungleiche  Truppenkörper  durcheinander  geworfen  haben  können. 


stehender  Theil ;  zwei  aus  Gallien,  die  unter  ihren  früheren  Namen  3Iagnentiaci 
et  Decentiaci  aufgeführt  werden  (diese  verlieren  in  einem  Nachtgefecht  400  Mann 
Amm.  19,  6,  11)  und  vier  wahrscheinlich  zu  dem  Heer  des  mag.  mil.  per  Orientem 
gehörige,  die  tricensimani ,  also  ein  Detachement  der  alten  rheinischen  Legion 
gleich  dem  Not.  Occ.  7,  108  aufgeführten;  die  decimani  fortenses,  ebenfalls  ein 
Detachement  der  pannonischen  X  gemina,  wie  sich  deren  andere  in  der  Notitia 
finden;  die  Superventores  madi  die  Fraeventores.  In  der  Notitia  fehlt  die  V 
Parthica,  während  sie  die  Nummern  I.  IL  III.  IV.  VI  aufführt  und  fehlen 
ebenso  alle  übrigen  hier  genannten  Legionen,  ohne  Zweifel  weil  sie  bei  der 
Eroberung  des  Platzes  zu  Grunde  gingen.  Uebrigens  können  unter  diesen  sieben 
Legionen  auch  auxilia  der  Garde  gewesen  sein,  da  Ammian,  überhaupt  in  der 
Terminologie  nicht  correct,  auch  diese  Legionen  nennt  (S.  239  A.  2).  —  Zu 
diesen  sieben  Legionen  kommt  weiter  eine  in  Amida  garnisonirende  Schwadron 
mesopotamischer  Reiter. 

1)  b.  Vand.  1,  5;  vgl.  meine  ostgoth.  Studien  im  N.  Arch.  14,  499  [s.  unten]. 

2)  Ammian  20,  4,  2  (S.  241  A.  2).  31,  11,2:  cum  trecentenis  müitihus  per 
sitigulos  numeros  (der  Infanterie)  lectis. 

3)  Ammian  31,  10,  13:  per  legiones  singulas  qjuingenteni  leguntur  armati. 

4)  Die  500  miocti  cum  Germanis  Galli  (Ammian  25,  6,  13.  c.  7,  3) ,  welchen 
der  Uebergang  über  den  Tigris  gelingt,  scheinen  eines  der  gallischen  Auxilieu 
zu  sein. 


262  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

Die  cohors  der  vordiocletianischen  Zeit,  regelmässig  von  50O 
Mann,  obwohl  auch  Doppelcohorten  vorkommen,  ist  wohl  unver- 
ändert geblieben;  die  abweichende  Angabe  ihrer  Stärke  auf  300 
Mann^  ist  wenig  beglaubigt. 

In  der  Reiterei  ist  die  schola  von  500  Mann  hinreichend  ge- 
sichert (S.  232  A.  6). 

Dieselbe  Stärke  wird  der  zu  der  Legion  der  Kaisertruppen  ge- 
hörenden vexillatio  gegeben  ^  und  es  liegt  kein  Grund  vor  diese 
Ziffer  zu  beanstanden. 

Für    den   ctmeus  equitum   und    die   e^WiYes- Truppe    fehlt   jeder 
Anhalt;   schwerlich   aber  waren   sie  wesentlich  verschieden  von   den 
übrigen  der  Reiterei. 
256  Endlich    die   Ala,    in    älterer  Zeit  regelmässig  von  500  Mann, 

wenngleich    auch    bei    ihr   Doppelstärke    vorkommt,    soll    in    dieser 
Epoche  600,  bei  berittenen  Schützen  500  Mann  gezählt  haben  ^. 

Dass  die  Grenztruppen  wenigstens  in  Africa  in  Anastasius  Zeit] 
und  vielleicht  durchgängig  in  kleine  Garnisonen  von  je  100  bis  200» 
Mann  auseinander  gelegt  waren*,  ist  militärisch  bemerkenswerth,, 
für  die  Summenziehung  aber  nicht  zu  verwenden,  da  sich  nicht  be-l 


1)  Lydus  de  mag.  1,  46.  2)  Lydus  a.  a.  0. 

3)  Nach  Lydus  a.  a.  0.  ist  die  I2t],  die  er  vorher  mit  ala  ei'klärt  hat,  djio  y[ 
IjijtEtov,  die  Turma  (S.  207  A.  3)  ano  cp  xo^oxcöv  ititiscov.  Zwei  aus  lUyricum 
nach  Mesopotamien  geschickte  Schwadronen  {duarum  turmaruni  equites)  zählen 
700  Reiter  (Ammian  18,  8,  2).  Eine  llt]  zcöv  xaraqiQdxtcov  itttiecov  der  persischen 
Armee  zählt  über  400  Reiter  (Eunapius  fr.  20  Müll.).  —  Auf  die  bei  Prokop 
zahlreich  begegnenden  Ziffern  gehe  ich  nicht  ein.  Sie  betretfen  theils  die  Zuzüge 
der  Bundesgenossen,  wie  zum  Beispiel  vier  Hunnen  zusammen  1200,  ein  Eruier 
300  Reiter  führen  (b.  Pers.  1,  18.  14),  theils  die  Schaaren  der  Capitäne  der 
bucellarii,  theils  militärische  Detachements  und  sind  in  allen  diesen  Fällen 
unbrauchbar,  obwohl  das  häufige  Auftreten  der  Abtheilungen  von  500  Reitern 
bemerkenswerth  ist  (b.  Vand.  1,  21.  2,  2.  3).  Auffallend  ist  der  nur  50  Mann 
führende  aataXoyov  ijimxov  ägxov  b.  Vand.  2,  23. 

4)  Erlass  des  Anastasius  (S.  210  A.  5) :  Ivansaaxov  (?)  yivofj.evov  fxrj  xaxa^f]xXo-&ai 
ojg  aa&evei?  rj  äxQSiovg  xovg  jigcöxovs  exaaxov  aQid'/nov  xal  xdoxgov ,  tovx  iaxiv  st 
fisv  ixaxov  elsv  ävögsg,  xovg  JiQwxovg  jisvzs,  sl  ds  Siaxöaioi,  xovg  :jiQcbxovg  dexa '  xrjv 
8e  avxrjv  dva?:.oyiav  xal  im  xoTg  nXloaiv  xal  im  xoTg  iXdxxoaiv  dvöqdaiv  <pvXdxxsa^ai. 
Die  dem  gesetzlichen  Ende  der  Dienstzeit  und  damit  den  dafür  ausgesetzten 
Belohnungen  sich  nähernden  Soldaten  wurden  häufig  entlassen,  um  diese  Beloh- 
nungen zu  ersparen  (Prokop  bist.  arc.  24);  vor  solcher  Entlassung  schützt  hier 
Anastasius  die  ältesten  Mannschaften  bis  zum  zwanzigsten  Theil  der  Gesammtzahl. 
Ueber  das  Verhältniss  des  numerus  zum  castrum  ist  schon  S.  210  A.  5  gesprochen 
worden;  jenes  scheint  hier  das  Hauptlager  des  Truppenkörpers  zu  sein.  Im 
gleichen  Sinn  unterscheidet  Ammian  (S.  264  A.  1)  castra  und  castella. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 


263 


stimmen    lässt,    wie    viele    solcher    Garnisonen    auf    den    einzelnen 
Numerus  kommen. 

Einen  auf  dieser  wenig  befestigten  Grundlage  angestellten  Ver- 
such die  in  der  Notitia  vorliegenden  Verzeichnisse  ziffermässig  zu 
berechnen,  lege  ich  hier  vor  in  der  Hoffnung,  dass  ihm  nicht  mehr 
Gewicht  beigelegt  werde,  als  er  beanspruchen  kann.  Bei  den  Grenz- 
truppen musste  dabei  von  Italien,  Gallien,  Britannien  und  den  afri- 
canischen  Provinzen  mit  Ausnahme  Aegyptens  abgesehen  werden, 
da  für  Italien,  Gallien  und  die  africanischen  Provinzen  des  "West- 
reichs die  Angaben  unvollständig  und  völlig  unberechenbar  sind,  257 
Britannien  einer  älteren  Redaction  angehört  und  Libya  in  der  Ur- 
kunde ausgefallen  ist;  es  beschränkt  also  der  Anschlag  für  die 
Grenzheere  sich  auf  Spanien,  das  Donaugebiet,  den  Orient  und 
Aegypten.  Die  Legionen  sind  nach  Ermessen  als  Voll-  oder  als 
Neulegionen  behandelt,  die  nachweisbare  Detachirung  zu  den 
Kaisertruppen  berücksichtigt.  Kleinere  nicht  sicher  einzureihende 
Truppenkörper  und  die  Flotten  sind  übergangen. 

Grenztruppen: 
Fussvolk:   Legionen  zu  6000  od.  1000  Mann 
Auxilien  (44)  zu  500  Mann 
Cohorten  (85)  zu  500  Mann 

Reiterei;     cunei  und  equites  (161)  zu  500 
Mann 
xVlen  (60)  zu  500  Mann 


185000 

22000 

42500 

249500  Mann 

80500 

30000 

110500 

360000  Mann 

Kaiserheer: 
Fussvolk:    Legionen  (94)  zu  1000  Mann 
Auxilien  (108)  zu  500  Mann 


Reiterei : 


94  000 
54000 


148000  Mann 


40500 
6000 


46500 


Vexillationen  (81)  zu  500  Mann 
scholae  (12)  zu  500  Mann 

194500  Mann 
zusammen:  554500  Mann 

Geschichtliche  Angaben  über  den  Militärstand  dieser  Jahr- 
hunderte finden  sich  nur  spärlich.  Der  Truppenbestand  von  33 
Legionen  oder  ungefähr  300  000  Mann  ist  für  den  Anfang  des 
dritten    Jahrhunderts    wohl    beglaubigt^;    Diocletians    nächste   Vor- 

1)  Marquardt  Hatidb.  5,  451.  Severus  hat  den  alten  dreissig  drei  neue 
Legionen  hinzugefügt;  33  Legionen  gab  es  noch  unter  Alexander. 


264  ^^^  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

ganger  werden  denselben  nicht  wesentlich  verändert,  aber  eher 
erhöht  als  vermindert  haben.  Was  über  Diocletian  selbst  und  über 
Constantin  in  dieser  Hinsicht  raitgetheilt  wird,  ist  schon  erörtert 
worden  (S.  220 f.).*)  Valentinian  I.  verstärkte  die  römische  Armee 
258  ansehnlich  theils  aus  dem  keltischen  Landvolk,  theils  durch  über- 
rheinische Barbaren  ^.  Unter  Theodosius  I.  sollen  die  römischen 
Reichstruppen  stärker  gewesen  sein  als  je  zuvor ^.  Von  einem 
Schriftsteller  der  justinianischen  Zeit  wird  der  Sollbestand  für  beide 
Reichshälften  auf  645000  Mann  angegeben,  während  Justinian 
höchstens  150000  Mann  unter  den  Waffen  gehabt  habe  3;  in  der 
That  sind  von  diesem  Kaiser  die  wichtigsten  überseeischen  Kriege 
mit  ganz  unzulänglichen  Streitkräften  unternommen  worden*  und  es 
geht  in  diesem  Regiment  eine  begehrliche  und  verwegene  Er- 
oberungspolitik mit   der   kläglichsten   militärischen   Schwäche   Hand 


*)  [Nachzutragen  ist  das  Exzerpt  aus  Lydus  de  mens.  I,  27  (p.  13  Wünsch) 
ort  im  xov  AtoxXtjuavov  ^  näoa  xiöv  'Pcofiaiwv  atganä  /ivQiddeg   fjv  oxrco  xal  rgt 
fcovra  xal  ewaxia^iXioi  xal  ETixaxoaioi    xal  rsaaagsg ,   vavnxr/  de  dvva/nis  rj  im  xc 
imxaiQCOv  ^mglcov  vavXoxovoa  ini  xs  xoTg  Jioxa/^oTg  ini  xs  tfj  ■&aX6.aorj  xsxgaxiOfivQic 
xal  PTSvraxiaxtXioi   xal   nsvxaxöoioi    i^iqxovxa  xal   ovo-    oxi   jtgog  xovzov   xov  agi^fiov 
6  fisyag  KcovoxavxTvog  im  xfjg  avaxoXixfjg  ßaoiXeiag   xov  axQaxov  öii^rjxev ,    (og  exegag 
xoaavxag  /nvQiddag  axgaxov  JtQoaxsß^fjvai  xfj  'Poi/jiaixfj  oioXixsiq.     DESSAU.] 

1)  Zosimus  4,  12:  sx  xs  xcöv  TtQoooixovvxoiv  xcp  'Prjvcp  ßagßdQcov  xal  ix  xcöv  iv 
xoig  vjiö  'Pcojuaiovg  s&veai  yeoiQywv  xoXg  oxQaxioixixoTg  iyxaxaXi^ag  rdy/Aaoiv.  Ammian 
30,  7,  6:  Valentinianus  et  auxit  exercitus  valido  supplemento  et  utrubique  Bhenum 
celsioribus  castris  munivit  atque  castellis. 

2)  Themistius  or.  18  p.  270  Bonn. :  m  (dem  Theodosius)  nXovxog  xoaovxov  ßöaxEi 
axQatdv  ooov  ovTtoxs  ff  'Pa>/j.aiu)v  rjyefiovia.  Zosimus  4,  29  sagt  freilich  das  Gegen- 
theil:  x6  axQaximxixöv  iv  oXiyco  fisfisioixo  XQ'^^V  ^"'  ^'^  ^^  fxrjdsv  jtsQiiaxaxo.  Aber 
dass  er  c.  27  ihn  selbst  die  Zahl  der  niederen  Offiziere  {iXdgxag  xal  Xoxayovg  xal 
xa^idgxovg)  verdoppeln  lässt,  spricht  nicht  zu  Gunsten  des  parteiischen  Bericht- 
erstatters. 

3)  Agathias  5,  18  (daraus  Johannes  Antiochenus  fr.  218  Müller) :  xä  xcjv 
'Pa)ixaiwv  oxgaxsvfiaxa  ov  xooavxa  8ia/Li£fievf]x6xa  ojiöoa  xrjv  aQ/Jlv  vjio  xwv  jidXai 
ßaaiXscov  i^evQTjxai,  ig  iXayJoxrjv  8s  xiva  fioigav  TtsQieX&övra  ovxexi  xcö  fisys^si  xfjg 
noXixslag  i^rjQxovv  8sov  yäg  ig  jievzs  xal  xsaoagdxovxa  xal  s^axoaiag  ;jftAtd^aff 
/j,axi/^o)v  dvÖQCÖv  xtjv  oXtjv  dysiQsa&ai  dvvafiiv  /Li6?ug  iv  rtp  xoxs  sig  nsvxrjxovxa  xal 
ixaxov  jisQisiaxrjxsi.  Auf  welche  Epoche  die  erste  Ziffer  sich  bezieht,  wird  nicht 
gesagt;  nur  zeigt  das  Folgende,  dass  der  Verfasser  das  Doppelreich  im  Sinn 
hatte. 

4)  Die  vandalische  Expedition  zählte  10000  Mann  Infanterie,  5000  Reiter 
(mit  Einrechnung  der  400  Eruier  und  600  Hunnen),  2000  Flottensoldaten  auf 
92  Dromonen,  daneben  500  Transportschiffe  und  20000  Nichtcombattanten 
(Prokop  b.  Vand.  1,  11).  Zum  Umsturz  des  Gothenreichs ,  dessen  Armee  auf 
150000  Streiter,  meist  gepanzerte  Reiter,  angeschlagen  wurde  (Prokop  b.  Goth, 
1,  16.  24),  wurden  von  Byzanz  7000  Mann  entsandt  (a.  a.  0.  1,  5.    3,  21). 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  265 

in  Hand,  Die  aus  den  unvollständigen  Partialansetzungen  der  Notitia 
oben  entwickelte  GesammtzifFer  stimmt  mit  der  überlieferten  voll- 
ständigen insoweit  zusammen,  dass  danach  annähernde  Richtigkeit 
auch  für  jene  Aufstellungen  in  Anspruch  genommen  werden  kann. 
Für  das  Yerhältniss  des  alten  Grenz-  und  des  neueren  Kaiserheeres 
und  für  das  der  verschiedenen  Waffen  gewähren  dieselben  wenigstens 
Anhaltspunkte.  Allerdings  ist  dabei  nicht  zu  übersehen,  dass  die 
hier  vorgelegten  sämmtlich  Normalziffern  sind  und  dass  das  Ein- 
schwinden der  Reichsarmee  vor  allem  wohl  auf  der  ünvollzähligkeit  259 
des  EflFectivstandes  beruht,  in  welcher  Hinsicht  insbesondere  gegen 
Justinian  schwere  und  wahrscheinlich  wohlbegründete  Anklagen  er- 
hoben werden  ^.  Auch  dieser  letzte  Abschnitt  der  römischen  Ge- 
schichte hat  militärisch  seine  eigene  Blüthezeit  und  seinen  eigenen 
Verfall;  die  gallisch -germanische  Infanterie  der  constantinischen 
Periode  unter  ihren  grossentheils  germanischen  Offizieren  verhält 
sich  zu  den  im  griechischen  Osten  von  thrakischen  Condottieri  ge- 
worbenen Reiterschaaren  Justinians  ungefähr  wie  die  Legionen  des 
Augustus  zu  denen  der  gallienischen  Zeit  und  wie  der  Zahl,  so  auch 
dem  Werthe  nach  stehen  die  Soldaten  des  sechsten  Jahrhunderts 
tief  unter  denen  des  vierten. 

Wir  wenden  uns  zu  der  Erörterung  des  Commandos  und  der 
mit  diesem  verknüpften  Jurisdiction.  In  Strafsachen  jeder  Art  waren 
seit  langem  die  allgemeinen  Gerichte  für  den  Soldaten  unzuständig 
und  fungirte  dabei  als  Richter  der  commandirende  Offizier 2.  In 
Civilsachen  aber  bleiben  bis  auf  Theodosius  II.  die  allgemeinen 
Gerichte  für  den  Soldaten  competent  und  Verstösse  dagegen  werden 
mehrfach  als  Missbrauch  gerügt^.  Aber  nach  einer  Verordnung  vom 
jJ.  413*  kann  der  Soldat  auch  in  solchen  Fällen  nur  bei  dem  Offizier 
verklagt  werden  und   dabei   ist  es  geblieben^.     Als  Kläger  hat  der 

1)  Prokop  bist.  arc.  24.     Vegetius  2,  3. 

2)  Cod.  Th.  2,  1,  2.  Den  Civilisten  kann  das  Militärgericht  nicht  bestrafen, 
auch  wenn  der  Verletzte  Soldat  ist  (C.  Th.  1,  5,  2  =  lust.  1,  26,  4.  C.  Th.  1,  7,  2). 

3)  V.O.  von  355  C.  Th.  2,  1,  2  und  von  .397  C.  Th.  2,  1,  9.  Auf  Grund  einer 
Delegation  von  Seiten  des  beikommenden  Civilrichters  kann  allerdings  der 
pffizier  einen  Civilprozess  entscheidenj(6ordian  cod.  lust.  7,  48,  2).  Die  Erhebung 
Jer  Steuern  von  grundbesitzenden  Soldaten  wird  im  J.  386  den  militärischen 
Behörden  zugewiesen  (C.  Th.  1,  14,  1).  4)  C.  lust.  3,  13,  6. 

5)  Die  Regel  wird  anerkannt  in  den  Verordnungen  von  438  (nov.  Theod.  4) 
md  450  (nov.  Marciani  1,  6.  7)  und  in  dem  ägyptischen  Kaiserschreiben  auf 
i'apyrus,  das  ich  in  Bekkers  und  Muthers  Jahrbuch  des  deutschen  Rechts  6 
1863),  398  f.  [Ges.  Sehr.  2,342]  behandelt  habe;  endlich  in  Justinians  Gesetzgebung 
Dig.  5,  1,  7)  und  speciell  für  Italien  nach  der  Wiedereroberung  (S.  266  A.  3). 


266  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

Soldat  auch  jetzt  noch  sich   an  das  Civilgericht  zu  wenden^.     Erst 
unter    den    germariischen   Königen    ist    das    gothische   Militärgericht 
auch    hierauf    erstreckt    worden  2,    was    dann    nach    der    Eroberung 
Italiens  Justinian  wieder  abstellte'^. 
260  Das    oberste   Commando    und    die    höchste   Jurisdiction    stehen 

selbstverständlich  bei  dem  Kaiser  und  von  beiden  ist  wenigstens 
im  vierten  Jahrhundert  vielfach  Gebrauch  gemacht  worden.  Eine 
eigentliche  Instanz  aber  bildet  der  Kaiser  nicht;  insbesondere  findet 
Berufung  an  ihn  von  dem  Spruch  des  Magister  im  Allgemeinen  in 
vorjustinianischer  Zeit  nicht  statt*,  während  Justinian  dieselbe  zu- 
gelassen hat\ 

Abgesehen  von  dem  Kaiser  ist  das  oberste  Commando  nach 
vordiocletianischer  Ordnung  insofern  bei  den  oder  dem  praefectus 
praetorio  concentrirt,  als  diesem  die  in  Italien  stehenden  Truppen^ 
also  die  hauptstädtische  Besatzung,  die  seit  Severus  bei  Rom 
stationirte  Legion  und  die  italischen  Flotten  unterstanden,  er  aber 
zugleich  auch  über  die  Grenzarmeen  eine  gewisse  Oberaufsicht 
führte ".  Unter  Diocletian  ist  dies  geblieben :  der  Praefectus  de»  ■ 
Praetorium  führte  in  jedem  Reichstheil  das  Commando  über  die  neu 
geschaffene  Garde  und  eine  Oberaufsicht  über  die  an  der  Reichs- 
grenze garnisonirenden  Truppen''.  Constantin  aber  hat  der  Präfectur 
die  Militärgewalt  entzogen  und  bei  dem  neu  eingerichteten  Ober- 
commando  die  Waffen  getrennt  '^,  Er  übertrug  den  Oberbefehl  über 
die  Infanterie  dem  magister  peditum,  den  über  die  Reiterei  dem 
magister  equitum^,  welche   beiden   Stellungen   in  personaler  Combi- 

1)  V.-O.  von  416  cod.  lust.  1,  46,  2.  | 

2)  Vgl.  meine  ostgoth.  Studien  im  Neuen  Archiv  14,  229.  I 

3)  V.-O.  pro  pet.  Vigilii  23:  Utes  inter  duos  procedentes  Bomanos  vd  tibi 
Romana  persona  pulsatur,  per  civiles  iudices  exercere  iubemus,  cum  talibus  negotiis 
vel  eausis  iudices  militares  immiscere  se  ordo  non  patitur. 

4)  Nov.  Theod.  II.  4  untersagt  sie  für  die  Grenztruppen  geradezu,  ins- 
besondere wegen  der  weiten  Entfernung. 

5)  Die  Appellation  vom  mag.  mil.  und  vom  mag.  off.  an  den  Kaiser  ist  in 
die  V.-O.  von  362  C.  Th.  11,  30,  30  bei  der  Aufnahme  in  das  justinianische 
Gesetzbuch  7,  67,  2  hineininterpolirt. 

6)  Staatsrecht  2\  1118. 

7)  Zosimus  2, 32.     [Vgl.  Ges.  Sehr.  4  S.  545  fiF.] 

8)  Der  Bericht  des  Zosimus  2,  33  hat  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich. 
Auch  nach  Lydus  de  mag.  2,  10  =  3,  40  geht  das  Commando  unter  Constantin 
über  auf  die  'kürzlich  eingesetzten  otQaxrfyor ;  der  vjiagxog  rijs  dvaroXfjg,  den  er 
in  verwirrter  "Weise  anhängt,  ist  nicht  der  mag.  mil.  per  Orientem,  sondern  der 
comes  Orientis. 

9)  Sowohl  für  magister  peditum  wie  für  magister  equitum  wird  häufig  magister 
militum  und  bei  Ammian  magister  armorum  gesetzt. 


I 


i 


Das  römische  Miliiärwesen  seit  Diocletian.  267 

nation  ^  znm  maffisterkim  equitum  et  peditum  oder  utritcsque  müitiae^  261 
vereinigt  werden  können.  Dieses  Amt  ist  stets  mit  der  Comitiva 
ersten  Grades  verbunden  und  wird  danach  auch  zuweilen  benannt'^, 
obwohl  gewöhnlicher  der  Amtstitel  hier  ohne  den  Rangtitel  auftritt. 
Es  bildet  dasselbe  mit  den  Präfecturen  des  Praetoriums  und  denen 
von  Rom  und  Constantinopel  die  höchste  Kategorie  der  Reichsämter*; 
ihr  Inhaber  steht  in  der  Rangklasse  der  Illustres  ^  und  wird  im 
fünften  Jahrhundert  von  dem  Kaiser  mit  parens  angeredet®.  Der 
Competenz  nach  steht  dem  magister  neben  dem  Commando  auch  die 
Jurisdiction  zu'. 

Dieser  Magistri,  welchen  zunächst  die  Kaisertruppen  unterstellt 
sind  und  zwar  sowohl  die  pälatini  wie  die  comitatenses,  hat  es 
anfänglich  nur  einen  für  das  Fussvolk  und  einen  für  die  Reiterei 
gegeben.     Aber  ihre   Zahl    ist  bald  vermehrt  worden^.     Allerdings  262 

1)  Beispiele  geben  Eusebius  der  Consul  des  J.  359  C.  Th.  11,  1,  1  [s.  jedoch 
Mommsen  zu  d.  St.],  welche  Verordnung,  wie  längst  bemerkt  ist,  dem  Constantius 
L^ehört;  Marcellus  Ammiau  22,  11,  1;  unter  Jovian  Lucillianus  (Ammian  25,  8,  9: 
Malis  magistri  equitum  et  deditum  codicillis). 

2)  Die  equites  stehen  hierbei  immer  voran ,  obwohl  der  magistei'  peditum 
lern  magistei'  equitum  vorgeht  (Amm.  18,  6,  1 :  dignitate  adficiendus  superiore). 
Magister  equitum  et  peditum  und  magister  utriusque  militiae  sind  vielleicht  in  der 
Weise  verschieden,  dass  die  erstere  Bezeichnung  überwiegend  von  der  organi- 
iChen,  die  zweite  in  der  Notitia  nicht  vorkommende  überwiegend  von  der 
[personalen  Combination  der  beiden  Commandos  gebraucht  wird. 

3)  Comes  et  magister  equitum  oder  peditum  oder  militum  in  der  V.-O.  von 
|!65  C.  Th.  7,  1,  8;  femer  C.  Th.  7,  8,  8.  7,  11,  1.  7,  18,  16.  Not.  Occ.  7,  166. 
\l<mes  allein  vom  magiater  militum  C.  Th.  7,  1,  17.  23. 

I  4)  V.-O.  von  372  C.  Th.  6,  7,  1:  praefectum  urhi,  praefectum  praetorio, 
lagistros  equitum  ac  peditum  itidiscretas  ducimus  dignitates.  Für  die  Stellung 
1er  Civilbeamten  zu  den  Offizieren  unter  dem  strengen  und  formalen  Regiment 
es  Constantius  charakteristisch  Ammian  21,  16,  2:  nee  occurrebat  (um  ihn  als 
en  höher  Gestellten  zu  empfangen)  magistro  equitum  provinciae  reet&r  nee  con- 
ngi  ab  eo  civile  negotium  permittehat :  sed  cunctae  castrenses  et  ordinariae  potes- 
%tes  (Militär-  und  Civilbeamten)  ut  honoi'tcm  omnium  apicem  priscae  reverentiae 
\iore  praefectos  semper  suspexere  praetorio. 

5)  Equitius  mag.  eq.  et  ped.  in  lllyricum  heisst  in  zwei  Inschriften  (Eph. 
p.  2  n.  718  [C.  I.  L.ni,  10596  =  Dessau  762];  C.  I.  L.  III  n.  5670a  [=  Dessau 
74])  vir  clarissimus,  in  einer  dritten  (C.  I.  L.  III,  3653  [=  Dessau  775])  vir 
lustris;  bekanntlich  schliesst  der  letztere  Titel  den  ersteren  nicht  aus. 

6)  Vgl.  meine  Bemerkungen  in  Bekkers  und  Muthers  Jahrb.  des  gem. 
echts  6,  407  [Ges.  Sehr.  2,  349]. 

7)  Zosimus  2,  32,  33.  Cod.  lust.  1,  46,  2  (wo  das  comitiacum  officium  wahr- 
iheinlich  auf  den  comes  et  mag.  mil.  zu  beziehen  ist).    3,  13,  6.   9,  3,  1. 

8)  Es  sind  hier  nur  die  ordentlichen  Magisterstellungen  berücksichtigt 
Orden,  nicht  die  späterhin  häufigen  irregulären  und  grossentheils  titularen. 


268  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

hat  jeder  Kaiser  noch  unter  Constantius  wie  unter  Valentinian  und 
Valens  einen  einzigen  magistcr  peditum  gehabt  ^  welcher  sich  regel- 
mässig bei  dem  Kaiser  befindet  ^  und  insofern  in  praesenti,  praesen- 
talis  genannt  wird.  Aber  magistri  equitum  functioniren  in  dieser 
Epoche  mehrere  neben  einander^  und  zwar  theils  am  Hofe*  in  der 
früheren  Stellung,  theils,  wie  es  scheint  ohne  rechtlich  fixirte  Zahl 
und  Competenz,  als  Träger  örtlich  begrenzter,  aber  über  die  Sprengel 
263  der  Ducate  hinausgreifender  Commandos,  nachweislich  in   Gallien  5, 


Dahin  gehören  Gildo  393  comes  et  magist&r  utriusque  militiae  per  Africavi  (C.  Th. 
9,  7,  9),  Nepos  473  mag.  mil.  Dalmatiae  (cod.  lust.  6,61,  5),  Zeta  unter  Justinian 
mag.  mil.  per  Armeniam  et  Pontum  Polemoniaeum  et  gentes  (cod.  lust.  1,  29,  5); 
weiter  der  Gothenkönig  Theoderich  als  mag.  mil.  praesentalis  und  andere  ger- 
manische Fürsten.  Wie  der  magister  militum  in  Armenien  (Ammian  27,  12,  5 
zu  fassen  ist,  weiss  ich  nicht ;  auch  die  iudices  militares  in  Justinians  Regulative; 
für  Italien  (pro  pet.  Vigilii  23)  und  die  magistri  militum  in  den  Gregorbriefei 
können  hier  ihre  Erklärung  nicht  finden. 

1)  Silvanus  ist  magister  peditum  im  J.  355  (Ammian  15,  5,  2.  16,  2,  4.  Victor 
42,  15) ;    von  den   Inscriptionen  der  beiden  zusammengehörigen    Erlasse    C.  Th 
8,  7,  3:  comiti  et  magistro  militiae  und  7,  1,  2:  comiti  et  magistro  equitum  et  peditum,,^ 
ist  die  zweite  zweifellos  interpolirt.      Ihm  folgt  Barbatio  (Ammian   16,  11,  2.i 

14,  11,  24.  17,  6,  2.  18,  3,  1);  diesem  Ursicinus  (Ammian  18,  5,  5.  20,  2,  1);  auf  ihn' 
Agilo  (das.  20,2,5.  21,13,3,  wo  equestris  pedestrisque  zu  schreiben  ist);  dann 
unter  Julian  Marcellus  (das.  22,  11,  2;  vgl.  Eunapius  fr.  17  Müll.);  unter  Jovian 
Lucillianus  (S.  267  A.  1);  weiter  Arintheus  (das.  27,  5,  2.  9,  vgl.  c.  12, 13.  15)  und 
Severus  (das.  27,  6,  3.  28,  5,  2).  Bei  der  Reichstheilung  unter  Valentinian  und 
Valens  erhält  natürlich  jeder  seinen  mag.  peditum  sowie  einen  mag.  equitum 
piaesentdlis  (Ammian  26,  5).  Die  magistri  peditum  Valentinians  sind  Dagalaifus 
(26,  5, 2)  und  Severus  (27,  6, 1.  c.  8,  2.  10,  6.  28,  2,  5.  29,  4,  3),  die  des  Valens  Arin 
theus  (26,  5,  2.  27,  5,  4.  9),  Traianus  (31,  12,  1),  Sebastianus  (31,  11,  1).  Gleich- 
zeitige Function  zweier  magistri  peditum  desselben  Kaisers  ist  nirgends  erweislich, 

2)  Der  Regel  nach  sind  die  in  den  Provinzen  thätigen  magistri  die  dei 
Reiter  (Ammian  21,  16,  2).  Natürlich  kann  ausnahmsweise  auch  der  magistei 
peditum  in  die   Provinz  geschickt  werden,   wie   Silvanus  nach    Gallien  (Amm 

15,  5,  2). 

3)  Der  Kaiser  spricht  im  J.  372  Recht  magistris  equitum  auditwibui 
(Ammian  29,  3,  7). 

4)  Arbetio  heisst  bei  Ammianus  im  .1.  355  (15,  4,  1)  und  noch  361  (21,  13,3 
magister  equitum  und  daher  15,  2,  4  collega  des  Ursicinus;  er  ist  beständig  an 
Hofe.  Unter  Valentinian  nimmt  diese  Stellung  erst  Jovinus  ein  (A.  5),  daiu 
Theodosius,  der  Vater  des  späteren  Kaisers,  unter  Valens  Victor,  alle  drei  of 
bei  Ammian  erwähnt;  den  letzteren  vertritt  eine  Zeit  laug  Saturninus  (Ammiai 
31,  18,  3).  j 

5)  Dem   Ursicinus,    der   an   des   mag.  ped.  Silvanus   Stelle  tritt  (Aramiai 

16,  2,  8),  folgt  in  Gallien  Marcellus  (das.  und  c.  4,3),  diesem  Severus  (Amm 
16,  10,  21),  Lupicinus  (Amm.  18,2,7),  Gomoarius  (Amm.  20,  9,  5.  21,  8,  1),  Nevitt 
361   (Amm.  21,  8,  1).      Vom   J.  363   bis  369    finden  wir  in   dieser  Stellung  U 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletiau.  269 

in  lUyricum  ^,  im  Orient^.  Diese  Commandos  umfassen  sowohl 
Infanterie  wie  Reiterei;  in  Illyricum  unter  Valentinian  wird  daher 
der  Inhaber  als  magister  equitum  et  peditum  bezeichnet^. 

Im  Westreich  ist  diese  Ordnung  im  Wesentlichen  geblieben. 
Nach  der  Notitia  aus  Honorius  Zeit  stehen  die  Kaisertruppen  hier 
theils  unmittelbar,  theils  mittelbar  unter  den  magistri  miliium  prae^ 
scntales.  Unmittelbar  commandiren  diese  Magistri,  wie  schon  ent- 
wickelt worden  ist,  im  Wesentlichen*  die  in  Italien  stehenden 
kaiserlichen  Fusssoldaten  und  Reiter;  es  sind  dies  überwiegend  die 
palatini,  obwohl  in  dem  uns  vorliegenden  Verzeichniss  die  Truppen- 
körper in  Folge  späterer  Verlegung  mehrfach  durch  einander 
geworfen  sind.  Die  übrigen  Truppen  des  Kaiserheeres,  wesentlich 
die  comitatenses ,  finden  wir  cantonnirend  in  den  Militärbezirken  264 
Africa,  Tingitanien,  Spanien,  Gallien,  Britannien  und  Illyricum ;  über 
sie  führen  die  beiden  magistri  in  praesenti  nur  mittelbar  das  Com- 
mando.  Zunächst  sind  in  den  beiden  ersten  Districten,  welche  mit 
den  Ducaten  zusammenfallen,  die  Kaisertruppen  den  Commandirenden 
der  dortigen  Grenztruppen  unterstellt,  in  den  vier  anderen,   welche 


Ammian  sowohl  wie  in  verschiedenen  Rescripten  den  Jovinus,  zweifellos  nur 
mag.  eq.  (so  ausser  Ammian  die  V.-O.  von  365  C.  Th.  8,  1,  10  und  von  367  C.  Th. 
7, 1,  9,  wonach  eine  andere  von  365  mit  »lag.  eq.  et  ped.  C.  Th.  7,  1,  7  sich  als 
[interpolirt  erweist),  .\nfangs  war  er  sicher  mufj.  eq.  per  Gallias,  später  vielleicht 
>iut(f.  eq.  pfaesentalis ;  wenigstens  findet  sich  unter  Valentinian  kein  anderer, 
.lern  diese  Stellung  zugewiesen  werden  könnte. 

1)  Die  Reihe  ist  hier  Lucillianus  (Amm.  21,  9,  5.  7)  —  Jovinus,  bevor  er 
ils  mag.  eq.  nach  Gallien  geschickt  wird,  von  Julian  zum  mag.  eq.  per  Illyricum 
gefördert  (Amm.  21,  12,  2.  3.  22,  3,  1)  —  Dagalaifus  (Amm.  26,  1,  6.  c.  4,  1)  — 
Kquitius,  365  über  die  illyrischen  Truppen  gesetzt  nondum  magister,  sed  comes 
Amm.  26,  5,  3)  erhält  bald  darauf  das  Magisterium  (das.  26,  5,  11)  per  Illyricum 

jdas.  29,  6,  3).  Zur  Zeit  der  Katastrophe  des  Valens  fährt  das  Commando  in 
Thrakien  der  co7nes  Lupicinus  (Amm.  31,  4,  9). 

2)  Im  J.  353  (Amm.  14,  9, 1;  vgl.  c.  2,  26)  und,  eine  Zeit  lang  im  Westen 
)e8chäftigt  und  durch  den  comes  Prosper  vertreten  (Amm.  14,  11,  5.  15,  13,  3), 
vieder  seit  357  commandirt  Ursicinus  im  Orient  als  magister  equitum  (Amm. 
4,  11,  5.  18,  2,  3.  c.  6,  2 :  per  decennium).  Ihm  folgt  Sabinianus  (Amm.  18,  5,  5) 
md  unter  Valens  Lupicinus  (Amm.  26,  5,  2)  und  Julius  (Amm.  31,  16,  8). 

3)  Sowohl  in  den  Inschriften  der  J.  365/367  (Eph.  epigr.  2  n.  718  [C.  I.  L. 
II,  10596  =  Dessau  762]),   370  (C.  I.  L.  III,   5670  a  [=  Dessau  774])   und  371 

IL.  III,  3653  [=  Dessau  775])  wie  in  der  V.-O.  cod.  lust.  11,68,3  heisst 
Iquitiu«  magister  equitum  et  peditum  oder  magister  utriusque  militiae.  Illyricum 
ehörte  damals  ungetheilt  zum  Westreich  (C.  Th.  10,  19,  7). 

4)  Dazu  kommen  einige  Abtheilungen  in  Spanien  und  Gallien,  namentlich 
ie  Flotten  auf  den  gallischen  Flüssen,  welche,  man  sieht  nicht  warum,  nicht 
nter  dem  Comes  von  Hispauien  und  dem  mag.  eq.  von  Gallien,  sondern  direct 
nter  dem  mag.  peditum  stehen. 


270  ^^^  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

entweder  mit  den  Ducaten  nichts  zu  thun  haben  oder  mehrere 
Ducate  umfassen ,  eigenen  vielleicht  theilweise  nicht  vom  Kaiser, 
sondern  von  dem  magister  peditum  ernannten  ^  Befehlshabern ,  dem 
magister  equitum  per  Gallias,  der  trotz  der  Benennung  ein  gemischtes 
Commando  hat,  die  gallischen,  die  spanischen  dem  comes  Hispaniac, 
die  britannischen  dem  comes  Britanniarum ,  die  illyrischen,  soweit 
dies  dem  Westreich  geblieben  ist,  dem  comes  Illyrici.  Dies  ist 
deutlich  die  Ordnung,  wie  sie  schon  unter  Constantius  und  Yalentinian 
in  Kraft  war  mit  der  unwesentlichen  Modification,  dass  die  drei 
letztgenannten  Beamten  nicht  magistri  equitum,  sondern  bescheidener 
comites  heissen^.  Wenn  man  die  Unterordnung  der  sämmtlicheii 
Commandanten  der  Grenztruppen  unter  den  magister  pteditiim  hinzu- 
nimmt ^,  so  leuchtet  ein,  dass  dieser  als  der  eigentliche  Träger  des 
obersten  Reichscommandos  gedacht  ist;  und  tritt  dazu  noch  die 
personale  Combination  dieses  Commandos  mit  dem  präsentalen  der 
Cavallerie,  wie  dies  bei  Stilicho  der  Fall  war,  so  ist  der  magister 
utriusque  militiae  des  Westreichs  einfach  der  Generalissimus*. 

In  merkwürdigem  Gegensatz  zu  dieser  fast  absoluten  Centrali-  1 
sation  des  militärischen  Oberbefehls  im  Westreich  finden  wir,  und« 
zwar  nach  ausdrücklichem  Zeugniss  in  Folge  einer  Anordnung 
265  Theodosius  I.  ^,  denjenigen  des  Ostreichs  decentralisirt.  Augen- 
scheinlich hat  hier  das  Westreich  die  ältere  Ordnung  bewahrt, 
Theodosius  wahrscheinlich  unter  dem  Einfluss  Stilichos  das  Com- 
mando  in  der  Weise  gestaltet,  dass  dem  allmächtigen  Generalissimus 
des  Westens  im  Ostreich  kein  gleichgestellter  General  gegenüber- 
stand.    Hier  sind  seitdem  in  sämmtlichen  Magisterien  Reiterei  und 

1)  Dies  sind  wohl  diejenigen  qui  vicem  .  .  magistrorum  militum  susceperiwt 
peragendam  der  V.-O.  von  413  (C.  Th.  6,  14,  3).  Wenn  in  der  Notitia  der 
Magister  von  Gallien  und  der  Comes  von  Britannien,  nicht  aber  die  Comites 
von  Illyricum  und  Hispanien  in  der  Reihe  der  Beamten  aufgeführt,  sondern 
diese  nur  bei  dem  mag.  jyeditum  erwähnt  werden,  so  mag  dies  desshalb  geschehen 
sein,  weil  die  letzteren  vielleicht  von  dem  Magister  creirt  wurden.  Die  Comitiva 
selbst  konnte  dieser  natürlich  nicht  verleihen,  aber  wohl  einen  vacanten  Comes 
an  diese  Stelle  setzen. 

2)  Vgl.  Ammian  (S.  269  A.  1):  nondum  magister,  sed  comes. 

3)  Diese  zeigt  die  Notitia,  auch  C.  Th.  7,  20, 13. 

4)  Wenigstens  eine  Andeutung  davon  giebt  Zosimus  4,  59 :  t6v  vlov  'OvcÖQun 
ävadsixvvat  ßaadea,  UteXixcova  oxQarrjyöv  zs  aTiocprjvag  a[A,a  rcöv  avtöd^i  ray/narmv 
>tal  ijiiTQOTiov  tiaxaXiJicbv  ra>  Jiaidi. 

5)  Zosimus  4,  27 :  tag  fikv  nQOEorcoaag  dgxag  awEtaga^E,  tovg  8k  rwv  ozQaxim- 
rixcöv  rjyovfxsvovg  nXsiovag  ij  tiqÖtsqov  sigyaoaro'  svog  yäg  ovtog  ijcTiaQ^ov  fcai  sn 
Ttöv  tieCcöv  Evog  xExayfiEvov  nlsioaiv  ^  tievxe  xavxag  diivEifis  xäg  dgxöig-  Dies  is' 
nicht  genau  richtig,  aber  trifft  nicht  weit  ab  vom  Ziel. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  271 

Infanterie  organisch  combinirt  und  an  die  Stelle  des  einen  magister 
jaeditum  am  Hofe  und  der  mehreren  theils  am  Hofe,  theils  örtlich 
fungirenden  magistri  equitum  fünf  magistri  cquitum  et  2)editum  ge- 
treten, von  denen  zwei  am  Hofe  jeder  die  Hälfte  der  Palasttruppen 
«ommandiren,  die  drei  anderen  über  die  im  Orient,  in  Thrakien 
und  im  östlichen  Illyricum  cantonnirenden  comiiatenses  gesetzt  sind. 
Die  Abhängigkeit  der  örtlichen  Befehlshaber  der  Kaisertruppen  von 
den  am  Hofe  befindlichen  und  die  Unterordnung  der  sämmtlichen 
Duces  der  Grenztruppen  unter  den  höchst  gestellten  Magister  sind 
ebenfalls,  wenn  nicht  aufgegeben,  so  doch  stark  beschränkt.  Eine 
gewisse  Controle  üben  wohl  die  beiden  praesentales  des  Ostens  über 
die  örtlichen  magistri  wie  über  die  Duces  concurrirend  aus  ^ ;  im 
Allgemeinen  aber  sind  die  Duces  vielmehr  den  örtlichen  magistri 
untergeordnet?  und  die  Appellation  vom  Dux  geht  regelmässig  an 
diesen^.  In  weiterer  Entwickelung  dieser  decentralisirenden  Tendenz 
hat  Leo  die  Jurisdiction  über  die  Offiziere  der  Duces  und  über  die 
Duces  selbst  an  den  magister  officiorum^  und  Justinian  die  Appel-  266 
lationen  von  dem  Dux  an  ein  aus  dem  magister  ofßciorum  und  dem 
quaestor  sacri  palatii  combinirtes  Gericht  gewiesen  ^ 

Hiermit  hängt  weiter  zusammen,  dass  die  Ernennung  des 
Bureauchefs  bei  den  Grenztruppen  nach  den  Ansetzungen  der  Notitia 
im  Occident  den  beiden  magistri  militum  praesentales,  und  zwar 
alternirend  zusteht,  dagegen  im  Orient  der  magister  officiorum  ihnen 
denselben  aus  seinen  Agenten  m  rehus  zuschickt,  Ausnahmen 
machen  in  beiden  Reichen  die  vielfach  bevorzugten  Donautruppen, 
l>ei   denen,   der  älteren   den  Beamten  grössere    Selbständigkeit  be- 

1)  Nach  Anastasius  Anordnung  cod,  lust,  12,  35,  18  sendet  ein  jeder  der 
beiden  magistri  militum  pi'aesentales  jedes  Jahr  an  jeden  örtlichen  magister  einen 
seiner  Apparitoren  ad  responsum  mit  Adjutoren,  ebenso  einen  an  sämmtliche 
Duces  zusammen. 

2)  C.  Th.  7,  1,  9.  7,  17,  1.  Nov.  Theodosii  II,  24,  1:  imminentibus  magis- 
teriis  potestatibus.  Leo  cod.  lust.  12,  59,  8  (A,  4).  Anastasius  cod.  lust.  12,  35,  18. 
Von  welcher  Stelle  Justinians  africanische  duces  nach  Belisars  Rücktritt  ressor- 
tiren  sollen,  ist  aus  cod.  lust.  1,  27,  2  nicht  zu  ersehen, 

3)  Anastasius  a.  a.  0.  Ist  der  Dux  auch  praeses,  so  geht  die  Civilappellation 
natürlich  an  den  praefectus  praetorio  (cod.  lust.  7,  62,  32,  1  a), 

4)  Leo  cod,  lust.  12,  59,  8  weist  die  Jurisdiction  über  die  duces  eorumque 
<tpparitores  nee  non  Umitaneos  castrorumque  praepositos  an  den  magister  officioi'um: 
jedoch  sollen  entgegenstehende  Gewohnheiten  hinsichtlich  der  drei  örtlichen 
magistri  militum  des  Ostreichs  respectirt  werden. 

5)  Cod.  Just.  7,  62,  38, 


272  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

lassenden  Ordnung  gemäss,  der  Bureauchef  aus  dem  Officium  selber 
hervorgeht  ^. 

lieber  das  Commando  der  Grenztruppen  bleibt  wenig  nach- 
zubringen. Die  Grenze,  der  limes,  ist  militärisch  nach  den  Provin- 
zialgebieten  in  Abschnitte  zerlegt  und  danach  führt  seit  Diocletian  ^ 
der  dem  einzelnen  Abschnitt  vorgesetzte  Commandoträger  den  Titel 
dux  limitis  provinciae  illius^.  Da  jeder  dux  auch  comes  ist,  wird 
ihm  zuweilen  die  letztere  Benennung  gegeben*;  titular  aber  wird 
267  sie  nicht  verwandt,  wenn  dem  Commandanten,  was  meistens  der  Fall 
ist,  nur  die  Comitiva  zweiten  Grades  zusteht.  Ist  ihm  dagegen  die 
ersten  Grades  beigelegt,  so  nennt  er  sich  comes  et  dux^,  und  bei 
den  nicht  zahlreichen  Ducaten,  mit  denen  diese  Rangerhöhung  ein 
für  allemal  verbunden  ist,  fällt  der  Titel  dux  weg  und  nennt  sich 
der  Commandant  blos  comes  limitis  oder  comes  rei  militaris^.     Dem 


1)  Auf  Raetien  erstreckt  sich  diese  Ausnahme  nicht,  dagegen  auf  die 
Belgica  II. 

2)  Die  ältesten  Belege  für  den  Ducat  sind  die  Inschriften  Eph.  epigr.  II 
884  [C.  I.  L.  III,'  10981]:  dux  P(annoniae)  s(eciindae)  S(aviae)  vom  J.  303;  C.  I.  L. 
III,  764  [=  Dessau  4103]:  pro  salute  adq.  incolumitate  dd.  nn.  Augg.  et  Caess. 
Aw.  Firminianus  v.  p.  dux  limit.  prov.  Seyt.,  ohne  Zweifel  unter  Diocletian 
gesetzt,  und  C.  I.  L.  III,  5565  [=  Dessau  664]  vom  J.  310.  In  älterer  Zeit  wird 
dux  nicht  titular  verwendet,  bezeichnet  aber  enuntiativ  den  ordentlichen  oder 
ausserordentlichen  Commandoführer  (vgl.  meine  Erörterung  bei  v.  Sallet  die 
Fürsten  von  Palmyra  S.  72  f.  [oben  S.  204  f.]).  Die  an  die  Stelle  der  ordentlichen 
Beamten  der  früheren  Kaiserzeit  in  den  Wirren  der  zweiten  Hälfte  des  dritten 
Jahrhunderts  eintretenden  ausserordentlichen  regelmässig  den  niederen  Schichten 
der  Armee  entnommenen  Commandoträger  machen  die  Einleitung  zu  den  regulirten 
Duces  Diocletians  vom  Range  des  Perfectissimats.  —  Die  Kaiserbiographien 
folgen  auch  hierin  dem  Sprachgebrauch   des  4.  Jahrhunderts  (S.  221  A.  2). 

3)  Den  vollen  Titel  haben  zum  Beispiel  die  A.  2  angeführte  Inschrift;  die 
Notitia  Occ.  1,  38.  39.  5,  133;  die  Verordnungen  C.  Th.  7,  1,  12.  7,  20,  18  (wo 
militum  in  limitum  zu  ändern).  12,  1,  133.  15,  11,  2.  Eine  unsichere  Nebenform 
C.  I.  L.  III,  3763  dux  ad  l(ocos?)  l(imitaneos?)  p(rovinciae)  V(aleriae)  [jetzt  unter 
n.  10678:  [du]x  AP  LL  PP  (?)].  Dux  allein  schon  in  den  Inschriften  der  J.  305 
und  310  (A.  2)  und  seitdem  häufig. 

4)  Dux  und  comes  inferior  wechseln  in  der  V.-O.  von  417  C.  Th.  7,  11,  2 
und  auch  in  der  von  406  C.  Th.  7,  11,  1  ist  mit  dem  comes  minor  der  dux  gemeint. 
Daher  ist  auch  C.  Th.  7,  4,  36.  7,  9,  2.  8,  5,  49  der  comes  kein  anderer  als  der 
Dux,  und  an  anderen  Stellen  C.  Th.  1,  22,  3.  7,  4,  32  umfasst  comes  sowohl  den 
titularen  comes  rei  militaris  wie  den  titularen  dux. 

5)  Diese  Titulatur  für  Tripolis  C.  Th.  11,  36,  33;  für  Libyen  in  dem  Erlass 
des  Anastasius  (S.  210  A.  5). 

6)  Beides  in  der  Notitia ;  comes  limitis  auch  C.  Th.  8,  5,  52.  Diese  Rang- 
erhöhung ist  wohl  erst  unter  Theodosius  I.  eingetreten.  Der  Commandant  von 
Aegypten  heisst  dux  nicht  blos  unter  Constantin  (S.  221  A.  2),  sondern  noch  in 


4 


Das  römische  Militär wesen  seit  Diocletian.  273 

Range  nach  kommt  dem  Dux  bis  auf  Constantius  und  einzeln  nach- 
her noch  nur  der  Perfectissimat  zu\  wofür  in  der  theodosischen 
Zeit  der  Clarissimat^,  seit  dem  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts 
die  Spectabilität '  eintritt.  Der  Dux  ist  nicht  blos  in  seinem  Sprengel 
der  Höchstcommandirende,  sondern  auch  der  rechte  Richter  für  den 
Soldaten  der  Grenztruppen  seines  Sprengeis*;  jedoch  erstreckt  sich 
seine  Jurisdiction  nicht  auf  seine  Offiziere  (S.  271)  und  noch  weniger 
auf  die  etwa  in  seinem  Sprengel  cantonnirenden  Kaisertruppen  5. 
Ueber  seine  Stellung  zu  den  höheren  Militärbehörden,  den  örtlichen 
und  den  am  Hofe  functionirenden  magistri  militum  sowie  zu  dem 
magistcr  officiorum,  ist  bereits  gehandelt  worden.  —  Die  Civil- 
verwaltung  ist  regelmässig  von  dem  Ducat  getrennt;  wo  ausnahmsweise  268 
beide  Aemter  vereinigt  sind,  steht  das  Civilamt  stets  an  zweiter  Stelle  ^. 
Unter  den  Commandoträgern,  den  magistri  militum  der  Kaiser- 
und  den  duces  der  Grenztruppen,  stehen  die  Führer  der  einzelnen 
Numeri.  Jurisdiction  scheinen  dieselben  von  sich  aus  nicht  gehabt, 
sondern  nur  kraft  Delegation  des  vorgesetzten  Magister  oder  Dux 
Recht  gesprochen  zu   haben'';   sie  sind  lediglich  Offiziere.     Durch- 


V.-O  von  360  (C.  Th.  11,  24, 1),  364  (C.  Th.  12,  12,  5),  ja  von  384  (C.  Th.  11,  30, 43); 
der  comes  tritt  daselbst  zuerst  381  auf  (C.  Th.  4,  12,  9  =  lust.  4.  61,  9;  C.  Th- 
6,  10,  3)  und  später  ständig. 

1)  Ammian  21,  16,  2:  nee  sub  eo  (Constantio)  dux  quisquam  cum  clarissi- 
matu  provectus  est;  erant  enim,  ut  nos  quoque  meminimus,  perfectissimi.  C.  I.  L. 
III,  764  (S.  272  A.  2).  4039.  4656  =  Eph.  ep.  4,  541  [C.  I.  L.  III,  11350;  vgl.  11853. 
13536]  und  noch  in  den  J.  365/367  Augustianus  (Eph.  epigr.  2  n.  718  [C.  I.  L. 
III,  1Ü596  =  Dessau  762])  und  im  J.  377  Frigeridus  C.  I.  L.  III,  3761. 

2)  So  im  J.  369  C.  I.  L.  III,  6159  [=  7494  =  Dessau  770]  =  dies.  Zeitschr. 
[Hermes]  17,  524  [unten  S.  304]  und  im  J.  386  C.  Th.  12,  1,  113. 

3)  So  in  der  Notitia  und  später.  Nach  Justinian  cod.  7,  62,  3  wird  der 
Ducat  unter  Umständen  auch  nach  Aemtern  vom  Rang  des  Illustrats  verliehen. 

4)  Anastasius  cod.  lust.  12,  35,  18,  6  schärft  das  Verbot  ein  die  Instanz  des 
Dux  zu  überspringen. 

5)  Anastasius  a.  a.  0.  gestattet  ausnahmsweise,  dass  die  im  Sprengel  des 
dux  stehenden  milites  praesentales  bei  ihm  Recht  nehmen. 

6)  Dujc  et  praeses  in  Arabien  (Notitia;  Justinian  uov.  102),  Mauretanien 
(Notitia),  Sardinien  (V.-O.  382  C.  Th.  2,  27,  3);  dux  et  corrector  limitis  Tripolüani 
(C.  Th.  12,  1,  133,  vgl.  11,  36,  33);  comes  et  praeses  von  Isaurien  (Ammian  19, 13, 2; 
Notitia;  Justinian  nov.  27).  Justinian  hat  dies  auf  viele  andere  Provinzen 
erstreckt  (nov.  25.  26.  28.  29.  30.  31.     Ed.  4.  8.  13). 

7)  Anastasius  cod.  lust.  12,  35,  18,  3:  est  ...  arbitrü  .  .  ducum  pro  qualitate 
{negotiorum  vel  quantitate  (also  durch  Generaldelegation)  .  .  .  .  vel  suMm  audientiam 
interponere  litigiis  vel  eorum  discussionem  dicatissimis  principiis  (vgl.  Gothofred  zu 
C.  Th.  7,  20,  2)  seu  arbitris  in  lods  degentibus  committere.  Wohl  mit  Recht  bezieht 
Z.  v.  Lingenthal   darauf  den  Satz   im    Erlass  des   Anastasius  (S.  210   A.  5) :   roy 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  18 


274  D^s  römische  Militärweseu  seit  Diocletian. 

gängig  führen  sie  jetzt  den  Titel  tribunus.  Derselbe  wird  beigelegt 
in  der  Reiterei  nachweislich  dem  Führer  der  schola,  welcher  den 
übrigen  Tribunen  im  Range  weit  voransteht ^,  und  dem  der  vexillatio^; 
269  in  der  Infanterie  dem  der  Neulegion  ^  und  dem  des  Auxilium  sowohl 
der  Garde*  wie  der  Donauducate^,  auch  nach  altem  Herkommen 
dem  der  Cohorte^    Der  Führer  der  Ala  mag  die  alte  Bezeichnung 

ejtixovQov  (vielleicht  deu  Vicarius  des  Tribuns,  vgl.  S.  276  A.  1) :  h'^&a  rlg  ahia- 
&sit]  naQ    avTÜ)  fis/Qi  vo/uiOfj.dr(ov  exaxöv,  kafißdvsiv  rjfiiov  vofiia/.iaTog. 

1)  S.  233.  Diesem  im  Range  gleich  oder  nahe  steht,  wie  insbesondere  nov. 
Valent.  6,  3,  1  zeigt  (vgl.  Ammian  15,  3,  10.  16,  12,  63.  18,  2,  2.  Vita  trig.  tyr. 
18,  11.  Vegetius  3,  17),  der  tribunus  vacans,  das  heisst  der  als  effectiv  comman- 
dirend  angesehene  (und  insofern  von  dem  honorarius  wohl  zu  unterscheidende: 
cod.  Tust.  12, 8,  2)  und  am  Kampf  wie  an  der  Besoldung  (vita  Alex.  15;  trig.  tyr.  18) 
betheiligte,  aber  nicht  an  die  Spitze  einer  schola  gestellte  Tribun  (Ammian 
31,  13,  18:  triginta  quinque  oppetivere  tribuni  vacantes  et  numerorum  reetores). 
Wie  der  Tribunat  ohue  Commando  eines  Numerus  vergeben  werden  kann,  kann 
er  auch  mit  einer  anderen  Amtsstellung  verknüpft  werden,  zum  Beispiel  mit 
der  Verwaltung  des  kaiserlichen  Marstalls  (Ammian  26,  4,  2:  Valentem  fratrem 
stabulo  suo  cu7n  tribunatus  dignitate  praefecit)  und  mit  dem  kaiserlichen  und  dem 
prätorianischen  Notariat,  in  welchem  Fall  der  Betreffende  allerdings  nicht  zur 
militia  armata  gerechnet  wird. 

2)  Tribun  Dorotheus  der  vexiUatio  equitum  eataphractariorum  in  Arsinoe  in 
der  Urkunde  vom  J.  359  in  dieser  Zeitschrift  [Hermes]  19,  418  [B.  G.  U.  I,  316]. 
Ammian  15,  4.  10.  21,  11,  2.  25,  1,  8.  9:  quattuor  vexillationwii  tribuni.  Der  Tertia- 
corum  equestris  numerus,  den  Julianus  cassirt  und  der  daher  in  der  Notitia  sich 
nicht  findet,  ist  wohl  auch  eine  vexiUatio. 

8)  Inschrift  vom  J.  369  (S.  273  A.  2):  [labore  devotissi]morum  militum  sum'um 

Primanorum  (entweder  der  1  lovia  oder  der  I  Italica)  [et commissor]um 

eure  Marciani  trib(uni)  et  Ursicini  p(rae)p(ositi).  Von  Mailand  C.  I.  L.  V,  6213 
[=  Dessau  2789]:  Derdio  ex  tribuno,  militavit  ann.  XL  int(er)  lovianos  seni(ores), 
welche  Legion  zur  Garde  gehört.  Aus  Africa  C.  I.  L.  VIII,  9248  [=  Dessau  2812] : 
Fl.  Ziperis'Jrib(u)n(us)  n(umeri)  Pr(i)m(anorum)  fel(icium)  lust(inianorum)  depositus 
est  in  p(a)c(e)  agens  tribunatu(m)  Rusg(uniis)  ann(is)  XII.  Ammian  22,  3,  2: 
praesentibus  lovianorum  Herculianorumque  principiis  et  tribunis. 

4)  Ammian  16,  11,  9.  c.  12,  68:  Bainobaudes  Cornutorum  tribunus.  Inschrift 
von  Concordia  C.  I.  L.  V,  8753:  Fl.  Margaridus  tribunus  militum  loviorum 
iuniorum.  Tribun  der  Valentinianenses  (als  auxilium  palatinum  genannt  Not 
Occ.  5,  190.  7,  61)  in  den  Arch.  Epigr.  Mitth.  aus  Oesterreich  9,  19  [=  C.  I.  L, 
III  p.  282].  Den  Tribun  der  Victores  Caecilides  nennt  Corippus  loh.  7,  375.  440. 
Vielleicht  gehört  hieher  auch  der  Tribun  des  numerus  auxiliarium  Constantia£orum 
der  A.  2  angeführten  ägyptischen  Urkunde. 

5)  An  den  beiden  einzigen  Stellen,  wo  die  Notitia  hierbei  den  Offizier 
nennt,  ist  dies  ein  Tribun.  Occ.  34,  24:  tribunus  gentis  Mareomanorum.  35,  31: 
tribunus  gentis  per  Raetias  deputatae.  Auch  der  tribunus  militum  Nerviorum 
(Occ.  38,  9)  mag  gleichartig  sein. 

6)  Den  Cohortenführer  nennt  die  Notitia,  wo  sie  die  Titel  setzt,  überall 
tribunus,  ebenso  die  V.-O.  von  320  (C.  Th.  7,  12,  1  =  lust.  12,42,  1)  und  369 
(C.  Th.  7,  20, 10). 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  275 

praefedus  behalten  haben  ^.  Aushülfsweise  wird  für  die  Flotten'^, 
die  Waffenfabriken  ^,  die  militärisch  verwalteten  africanischen  Grenz- 
abschnitte*, die  Ansiedelungen  der  Laeten  und  Gentilen^  und  über- 
haupt für  jede  selbständige  Truppe  in  der  constantinischen  Zeit** 
und  meistens  in  der  Notitia"^  die  Bezeichnung  praefectus,  späterhin  270 
durchaus  die  Bezeichnung  praeposifus  gebraucht^.  Daher  heissen 
zusammengefasst  die  Abtheilungsführer  tribuni  et  praepositi^^  häufig 
auch  blos  tribuni^^,  während  praepositus  allein  in  allgemeiner  An- 
wendung nicht  leicht  gefunden  wird  ^^.  —  Es  kommt  auch  ein  vicarius 

1)  Notitia  Occ.  26,  13.  35,  25.  26.  33. 

2)  Praefectus  in  der  Notiiia  ständig,  praepositus  in  der  V.-O.  von  369 
€.  Th.  7,  20,  10. 

8)  Praepositus  C.  Th.  7,  20,  10.  Ammianus  29,  3,  4;  tribuni  bei  Ammian 
14,  7,  18.  c.  9,  4.  15,  5,  9. 

4)  Praepositus  in  der  Notitia. 

5)  Praefectus  in  der  Notitia  Occ.  42,  praepositus  in  der  V.-O.  von  369 
€.  Th.  7,  20,  10. 

6)  C.  Th.  7,  20,  2  vom  J.  320 :  Atigustus  cum  introisset  prindpia  et  salutatus 
esset  a  praefedis  et  tribunis  et  viris  eminentissimis.  Diese  den  tribuni  im  Rang 
nachgesetzten  praefeeti  können  nicht,  wie  Gothofred  meint,  die  pi'oefecti  legionum 
sein,  sondern  es  i-st  das  Wort  hier,  wie  in  der  Notitia,  für  das  später  geläufige 
praepositus  gesetzt. 

7)  Abgesehen  von  den  älteren  Abschnitten  über  Britannien,  welche  neben 
dem  praefectiis  alae  und  dem  praefectus  equitum  den  praepositus  equitum  nennen, 
kennt  die  Notitia  praepositi  nur  für  die  kleinen  Grenzabschnitte  in  Africa;  sonst 
braucht  sie  nur  tribunus  und  praefectus. 

8)  Auch  die  legio  I  Martiariim  der  Inschrift  von  371  (C  1.  L.  III,  3653  [= 
Dessau  775])  und  die  milites  auxiliares  Lauriacenses  einer  ähnlichen  von  370 
(C.  I.  L.  III,  5670*  [=  Dessau  774])  stehen  unter  einem  praepositus. 

9)  So  schon  313  (C.  Th.  7,  21,  1):  ex  protectoribus  vel  ex  praepositis  vel  ex 
tribunis  epistulae;  320  (C.  Th.  7, 12, 1):  praepositi  vel  decuriones  (welche  Subalterneü 
der  Reiter  hier  zu  finden  befremdet;  vgl.  S.  276  A.  4)  vel  tribuni;  325  (C.  Th. 
7,  4,  1):  tribunos  sive  praepositos,  qui  milites  nostros  curant;  342  (C.  Th.  7,  9,  2): 
comitum  (d.  h.  inferiorum)  vel  tribiinorum  vel  praepositorum  vel  m,ilitum  nomina. 
Ebenso  C.  Th.  7,  1,  2.  10.  7,  4,  36.  7,  20,  13.  11,  18,  1.  12,  1,  113.  Die  tribuni 
stehen  regelmässig  an  erster  Stelle  (C.  Th.  7,  9,  2.  7,  21,  1.  12,  1,  113),  ungenau 
an  zweiter  C.  Th.  7,  4,  36.  Die  Kaiserbiographien  mengen  auch  hier  die  Titula- 
turen des  dritten  und  die  des  vierten  Jahrhunderts.  Vita  Elagabali  6:  militaribus 
pracposituris  et  tribunatibus  et  legationibus  et  ducatibus  venditis.  Vita  Aureliani  10: 
multos  ducatus,  plurimos  tribunatus,  vicarias  ducum  et  tribunorum  prope  quadra- 
ginta.  Auch  die  vita  Maximini  5,  Claudii  14,  Aurel.  17  genannten  Legionstribune 
sind  gedacht  als  Führer  der  Gesammtlegion. 

10)  C.  Th.  7,  1,  12.  13.  17.  7,  4,  23.  28.  29.  7,  11,  1.  2.  8,  5,  49.  10,  20, 11. 
11,  24,  4.  12,  1,  128.  C.  lust.  3,  13,  5.  12,  37,  19  pr.  §  4.  Zosim.  2,  33.  Justinian 
in  der  Verordnung  für  Africa  cod.  lust.  1,  27,  2.  c.  2,  9.  11  nennt  unter  dem 
Dux  nur  tribuni.    Ebenso  6,  21,  18:  tribunatum  numeri  merere. 

11)  Vita  Gordiani  24:  militum  praeposittiras ;  vita  Alex.  46. 

18* 


276  I^^s  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

des  Abtheilungsführers  vor^.  —  Dem  Coramandanten  des  einzelnen 
Castells  wird  die  Benennung  praefectus  '^  oder  praepositus  ^  gleich- 
271  falls  beigelegt.  —  Auf  die  Unteroffiziere,  welche  in  dieser  Epoche 
an  die  Stelle  der  alten  Centurionen  und  Decurionen  getreten  sind*, 
und  die  ebenfalls  gänzlich  umgestalteten  chargirten  Gemeinen^  ein- 
zugehen liegt  nicht  in  den  Grenzen  dieser  Untersuchung. 

8.    Uebersicht  der  in   den  Clientelstaaten  oder  im 
Ausland  gebildeten   Truppenkörper. 

Die  Armee  des  römischen  Reiches  ging  in  dieser  Epoche  nicht 
mehr  allein  aus  der  freien  im  Bürger-  oder  Unterthanenverband 
stehenden  Bevölkerung  desselben  hervor,  sondern  auch  aus  den 
Unterthanen  der  Clientelkönige,  welche  in  älterer  Zeit  nur  durch 
die  von  ihren  Fürsten   gesandten  Contingente    den  Römern  Kriegs- 

1)  Constantin  C.  Th.  7,  12,  1  =  lust.  12,  42,  1.  Ammian  15,  4,  10:  (tribunus) 
agens  vicem  armaturarum  rectc»'is  (Schola).  Honorius  cod.  lust.  3,  13,  5:  tribuni 
sive  vicarii.  Anastasius  cod.  lust.  12,  37,  19  pr.  §  3.  4.  Constantinus  Porphyr, 
de  caer.  1,  91.  Vielleicht  ist  dies  der  imxovgos  des  anastasischen  Erlasses 
S.  273  A.  7.  Auch  die  vicariae  diicum  et  tribunorum  in  der  Biographie  Aurelians 
c.  10  gehören  hieher.  Dagegen  lässt  sich  dies  nicht  mit  Gewissheit  behaupten 
von  dem  vicarius  Divitesi  m  des  merkwürdigen  spätrömischen  Kölner  Steins, 
welchen  Zangemeister  im  Westdeutschen  Korr. -Blatt  1889  S.  39  vor  kurzem 
herausgegeben  hat  [C.  I.  L.  XIII,  8274  =  Dessau  2784].  Er  erkennt  darin  einen 
Eigennamen  und  es  kann  dies  richtig  sein.  Aber  vor  dem  letzten  Buchstaben 
ist  Platz  für  einen  vielleicht  nur  mit  Farbe  angegebenen;  vielleicht  hat  dem 
vor  dem  Feind  gefallenen  protector  diesen  Stein  der  vicarius  (tribuni)  Divitesi(u)m 
gesetzt,  der  Stellvertreter  des  in  Deutz  commandirenden  Tribuns. 

2)  Erlass  des  Anastasius  (S.  210  A.  5):  8iä  ygafi/idTcov  xov  jigaicpExrov. 

3)  C.  Th.  7,  9,  1.  7,12,1.  8,7,11:  praepositura  castri  ac  müitum.  Nov. 
Theodosii  24  =  cod.  lust.  1,  46,  4:  dux  cum  principe  (des  Officium)  castrorumque 
praepositis.  Leo  cod.  lust.  12,  59,  8:  viros  spectabiles  duces  eorumque  apparitwes 
nee  non  Umitaneos  castrorumque  praepositos.    Vgl.  S.  210  A.  5. 

4)  Sichere  Zeugnisse  für  den  Centurio  aus  dieser  Zeit  kenne  ich  nicht 
[s.  jedoch  C.  I.  L.  VI,  32974  (christlich) :  qui  militavit  centwrio  annos  XXX  BANG]. 
Ammian  nennt  sie  [die  Centuriae,  den  centurio  nur  18, 6,  21]  nicht  selten  (17, 13,  25. 
18,  6,  21.  21,  13,  9.  23,  5,  15.  24,  6,  9.  25,  3,  4.  26,  2,  3.  27,  10,  10),  aber  in  abge- 
schriebener Phraseologie.  Von  Zosimus  3,  23.  4,  27  [an  beiden  Stellen  Ta^iaQxoil 
gilt  vermuthlich  das  Gleiche.  Die  xevtovgca  bei  Prokop  b.  Vand.  2,  13  ist  wohl 
die  Hufe  wie  C.  Th.  11,  1,  10.  Den  Decurio  nennt  die  Verordnung  Constantins 
C.  Th.  7,  12,  1  (S.  275  A.  9);  in  Justinians  Redaction  derselben  C.  Tust.  12,  42,  1 
ist  er  gestrichen  und  sonst  scheint  er  in  der  alten  militärischen  Bedeutung 
nirgends  vorzukommen. 

5)  Vorläufig  wird  die  Zusammenstellung  C.  I.  L.  V  p.  1059  davon  eine 
ungefähre  Anschauung  geben ;  eine  genaue  Untersuchung,  die  sich  auf  die  völlig" 
militärisch  organisirten  agentes  in  rebus  erstrecken  muss  und  auch  die  Appari- 
toren  der  Beamten  nicht  ausser  Acht  lassen  darf,  bleibt  zu  wünschen  [vgl. 
Hirschfeld  'die  agentes  in  rebus'  in  Sitz.-  Ber.  d.  Berl.  Akad.  1893  S.  421  ff.]. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  277 

dienst  geleistet  hatten,  und  selbst  aus  dem  unabhängigen  Ausland. 
Ja,  während  in  der  älteren  Epoche  die  römische  Truppe  sich  allein 
nach  der  Reichsheimath  benannte,  galten  jetzt  die  reichsangehörigen 
oder  auch  reichsfremden  Barbaren  militärisch  mehr  als  die  in  Folge 
der  Aufnahme  der  ehemaligen  Peregrinen  in  das  Reichsbürgerrecht 
das  gesammte  eigentliche  Provinzialgebiet  umfassende  römische 
Bürgerschaft  und  es  kamen  damit  die  jenen  entnommenen  Benen- 
nungen in  allgemeinen  Gebrauch.  Es  ist  dies  principiell  früher 
entwickelt  worden;  hier  soll  der  Versuch  gemacht  werden  diese 
Benennungen  zusammenzustellen  und,  was  über  die  Entstehung  der 
einzelnen  beigebracht  werden  kann,  daran  anzuschliessen. 

Der  von  den  Clientelstaaten  als  solchen  geleistete  Wehrdienst, 
der  Antheil  der  foederati  an  der  römischen  Kriegführung  so  wie  die 
Truppensendung  auswärtiger  Staaten  auf  Grund  eines  gewöhnlichen 
Allianzvertrags  ^  sind  von  der  hier  zu  erörternden  Bildung  römischer  272 
Truppenkörper  begrifflich  ebenso  leicht  zu  unterscheiden,  wie  in 
den  Berichten  der  Historiker,  abgesehen  von  dem  kriegs-  und  staats- 
rechtskundigen und  hierin  genauen  Prokopius,  die  drei  Kategorien 
der  aus  römischer  Werbung  hervorgegangenen  Reichstruppen,  der 
Oontingente  der  reichsangehörigen  Föderaten  und  der  dem  freien 
Ausland  angehörigen  Hülfstruppen  durch  einander  laufen.  Die  hier 
gegebene  so  weit  möglich  geographisch  geordnete  Zusammenstellung 
soll,  hauptsächlich  auf  der  Grundlage  der  Notitia,  die  erste  dieser 
drei  Kategorien,  die  zum  Reichsheer  gehörigen  Truppenkörper  auf- 
zählen, welche  ihrer  Benennung  nach  als  barbarische  erscheinen. 
Es  gehören  zu  den  Barbaren  alle  nicht  municipal  geordneten  Reichs- 
l»ozirke,    nach    dem  technischen  Ausdruck   die   den  Römern    unter- 


1)  Dahin  gehören  zum  Beispiel  die  Franken  und  Sachsen  in  dem  Heere 
des  Magnentius  bei  Julian  (S.  236  A.  3);  die  Gothen,  Hunnen,  Alanen,  die  in 
Paunonien  sich  dem  Theodosius  auf  seiner  Expedition  gegen  Maximus  anschliessen 
{Pacatus  paneg.  32);  die  Langobarden  im  Gothenkriege  Justinians;  die  Eruier, 
welche  häufig  bei  den  Römern  Kriegsdienste  nehmen  (Prokop  b.  Goth.  2,  14: 
^Pcäfialoig  xaxä  rö  ^vf^/na^ixop  xa  noXka  im  roi/g  noXeixiovs  ^vvtäaaovzai)  und  oft 
bei  Prokop  vorkommen;  die  nicht  minder  häufig  bei  ihm  als  Hülfstruppen  er- 
wähnten Hunnen.  Manche  dieser  Völker  sind  wohl  in  Betreff  der  Grenzhut 
foederati,  aber  wenn  sie  in  Africa  und  Italien  fechten,  geschieht  dies  nicht  auf 
Grund  dieses  foedus,  sondern  nach  besonderer  Verabredung,  vorausgesetzt  über- 
haupt, dass  dabei  dieselben  Kleinkönige  gemeint  sind.  Ob  dem  Kriegsdienst 
ein  politisches  Bündniss  zu  Grunde  liegt  oder,  wie  dies  gewöhnlich  der  Fall  ist, 
einfache  Dingung  und  ob  der  contrahirende  Ausländer  mehr  Fürst  oder  mehr 
Condottiere  ist,  kommt  hier  nicht  in  Betracht.  Diese  Mannschaften  heissen 
sodi,  ^vfifiaxoi  bei  Julian  wie  bei  Prokop,  und  es  giebt  für  sie  keine  andere 
Bezeichnung  (S.  226  A.  5). 


278  I^^s  römische  Militärwesen  seit  Diocletian. 

worfenen  gentes  (S.  226).  Dazu  kommen  weiter  die  eigentlich  aus- 
ländischen Staaten.  Scheidung  der  reichsangehörigen  und  der  nicht 
reichsangehörigen  Barbaren  ist  nicht  blos  nach  dem  Stande  unserer 
Ueberlieferung  nicht  ausführbar,  sondern  auch  dadurch  ausgeschlossen, 
dass,  wie  früher  (8.  229)  gezeigt  ward,  die  Tributpflichtigkeit  des 
römischen  Staates  gegen  einen  benachbarten  regelmässig  in  die  Form 
der  abhängigen  Föderation  gekleidet  ward.  Es  wird  diese  Ueber- 
sicht  nicht  blos  im  Einzelnen  manche  Beziehungen  aufzeigen,  die  zu 
beobachten  und  weiter  zu  verfolgen  geschichtlich  von  Interesse  ist, 
sondern  vor  Allem  die  Ausdehnung  des  barbarischen  Elements  im 
römischen  Heere  selbst  einigermassen  zur  Anschauung  bringen. 
273  Einzelne  wie   es  scheint   in   die   letzten   Decennien    des    dritten 

Jahrhunderts  zurückgehende  Bildungen  dieser  Art  sind  aufgenommen 
worden,  nicht  aber  die  früher  (S.  256  f.)  behandelten  Laeten  und 
Gentilen.  Hinsichtlich  der  Bildung  dieser  Abtheilungen  sind  nur 
die  mehr  oder  minder  wahrscheinlichen  speciellen  Anlässe  angegeben 
worden;  die  allgemeinen  Beziehungen  der  einzelnen  Völkerschaften 
zu  Rom  konnten  in  diesem  Zusammenhang  keine  Berücksichtigung 
finden.  Die  Anlässe  zu  solcher  Truppenbildung  sind  verschieden- 
artig gewesen.  In  völlig  abhängigen  Clientelstaaten  können  Truppen- 
körper dieser  Art  aus  eigentlicher  Aushebung  hervorgegangen  sein; 
indess  ist  ein  Beleg  für  dies  Verfahren  mir  nicht  bekannt  ^  und  das- 
selbe sicher  höchstens  ausnahmsweise  vorgekommen.  Wohl  aber 
mögen  Föderationsverträge,  welche  den  abhängigen  Staat  zur  dauern- 
den Stellung  einer  gewissen  Zahl  von  Rekruten  verpflichteten 
(S.  256  A.  1),  manchen  derartigen  Truppenkörpern  den  Namen 
gegeben  haben.  Vor  allem  aber  werden  solche  Bildungen  durch 
Uebertritt  oder  Kriegsgefangenschaft  oder  "Werbung  herbeigeführt 
worden  sein.  Nicht  wenige  der  auf  diese  Weise  entstandenen 
Truppenkörper  scheinen  bald  wieder  aufgelöst,  ihre  Mannschaften 
in  andere  Truppen  vertheilt  worden  zu  sein.  Wenn  zum  Beispiel 
die  1.  und  die  8.  Ala,  die  7.  Cohorte  der  Franken,  die  1.  Ala  und 
die  5.  und  9.  Cohorte  der  Alamannen,  die  8.  Ala  der  Vandalen 
begegnen,  so  ist  nicht  die  einzig  mögliche,  aber  die  nächstliegende 
Erklärung,  dass  dies  Ueberreste  sind  von  umfassenden,  aber  ephe- 
meren Truppenbildungen  aus  den  gedachten  Nationen,  von  denen 
nur  diese  wenigen   zu  fester  Rekrutirung  und    dauerndem  Bestände 

1)  In  der  früheren  Zeit  ist  dies  wahrscheinlich  in  Thrakien  geschehen  (in  dieser 
Zeitschr.  [Hermes]  19,  49  [oben  S.  65]),  weil  die  thrakischen  Fürstenthümer  nicht 
an  der  Reichsgrenze  lagen  und  also  an  deren  Vertheidigung  unmittelbar  sich  nicht 
betheiligen  konnten. 


w 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  279 

gelangten;  ähnlich  wie  bei  den  italischen  cohortes  voluntariorwn  die 
unvollständige  Reihe  und  die  hohen  Ziffern  sich  erklären.  Die  ört- 
liche Grundlage,  welche  bei  den  Reichstruppen  dieser  Zeit  überall 
hervortritt  und  ohne  Zweifel  sich  noch  viel  weiter  erstreckt  hat  als 
die  örtlichen  Benennungen  es  zeigen ,  wird  in  dieser  Epoche  auch 
bei  ihrer  Ergänzung  wahrscheinlich  mehr  als  in  der  vorhergehenden 
festgehalten  worden  sein.  Bei  den  angesehensten  von  allen,  den 
scholae,  die  sich  zum  Theil  selbst  Barbaren  nennen  und  ohne  Zweifel 
es  sämmtlich  sein  sollten,  lässt  es  sich  nachweisen,  dass  sie  fort- 
während vorzugsweise  aus  dem  barbarischen  Inland  oder  aus  dem  274 
Ausland  sich  ergänzten  (8.  232).  Aber  da  überhaupt  auf  die  pro- 
vinziale  oder  ausländische  Sonderart  der  Truppenkörper  Werth  gelegt 
ward,  so  muss  man  auch  darauf  bedacht  gewesen  sein  sie  homogen 
zu  ergänzen.  Die  Bataver,  die  Eruier,  die  Sachsen,  die  Saracenen 
hatten  ihre  besondere  Fechtweise,  ihre  eigenen  Reminiscenzen,  ihren 
besonderen  Corpsgeist;  sie  sollten  in  ihrer  Eigenart  ein  Bollwerk 
bilden  gegen  die  allgemeine  militärische  Demoralisation  der  Reichs- 
bürgerschaft und  man  degenerirte  sie,  wenn  die  griechisch-römische 
Kloake  in  sie  selbst  eingeführt  ward.  An  formale  Qualification 
freilich  kann  schon  deshalb  nicht  gedacht  werden,  weil  die  dabei 
zu  Grunde  liegende  Nationalitätsidee  selber  nicht  streng  zu  formuliren 
war,  es  lediglich  von  den  Verhältnissen  des  einzelnen  Falles  abhing, 
ob  der  mit  dem  Bürgerrecht  beschenkte  Franke  oder  des  Franken 
in  Rom  geborener  Sohn  als  Franke  oder  als  Römer  zu  gelten  hatte. 
Die  nationale  Homogenität  hat  nie  mehr  sein  können  als  eine 
Directive  für  den  rekrutirenden  Offizier  ^  Auch  sind  Ausnahmen 
sicher  von  jeher  vorgekommen;  schon  unter  Jovianus  tritt  ein  Soldat 
Xamens  Yitalianus  aus  der  Abtheilung  der  Eruier  in  die  römische 
Aemterlaufbahn  ein^.  Sie  müssen  im  Laufe  der  Zeit  mehr  und  mehr 
sich  gesteigert  haben;  wie  konnte  die  nach  Byzanz  verlegte  Truppe 
der  Mattiaker  regelmässig  ihre  Ergänzung  vom  Rhein  her  erhalten? 
Schliesslich  sind  in  der  allgemeinen  Auflösung  diese  Dämme  alle 
gewichen  und  zum  Beispiel  die  scholae  unter  Justinian  zu  einer 
Leibrentenanstalt  für  die  Pflastertreter  von  Constantinopel  geworden. 
Saracenen:  equites  Saraceni  Thamudeni  (Aegypten  Or.  28,  17)  — 
equites  Saraceni  indigenae  und  equites  Saraceni  (Phoenike 
Or.  32,  27.  28). 

1)  Gemeint  sind  hier  natürlich  die  römischen  Reichstruppen,  wie  zum 
Beispiel  das  bei  Concordia  lagernde  Auxiliura  der  Eruier.  Bei  den  auf  Grund 
der  Specialverträge  gesandten  Hülfstruppen,  zum  Beispiel  der  Truppe  des  Erulers 
Phares  mit  seinen  300  ofioyeveig  (Prokop  b.  Pers.  1,  13)  ist  die  Nationalität  selbst- 
verständlich. 2)  Ammianus  25,  10,9:  Vitalianus  Erulorum  e  numero  miles. 


280  Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  vfK 

Assyrier:  ala  II  (Aegypten  Or.  28,  33)^. 

Parther  und   Perser:    equites  primi  clibanarii   Parthi  (vex.  com. 
Or.  5,  40)    —   equites  secundi  clibanarii   Parthi   {vex.  com.  Or. 
275  6,  40)  —  equites  quarti  clibanarii  Parthi  {vex.  com.  Or.  7,  32) 

—  equites  sagittarii  Parthi  seniores  {vex.  com.  Occ.  6,  68)  — 
equites  sagittarii  Parthi  iuniores  [vex.  com.  Occ.  6,  73).  — 
ala  I  Parthorum  (Osrhoene  Or.  35,  30).  —  equites  Persae  cli- 
banarii {vex.  pal.  Or.  6,  32). 

Die  Parther,  die  einzige  ausländische  Nation ,  nach  der  in 
vordiocletianischer  Zeit  ein  Truppenkörper,  die  vielleicht  bis 
in  Trajans  Zeit  hinaufreichende  ala  I  Parthorum,  benannt 
ist  2,  stehen  an  Zahl  und  Ansehen  der  nach  ihnen  benannten 
Truppenkörper  auch  in  dieser  Epoche  allen  andern  voran. 

Zabdikener:  cohors  XIIII  Valeria  (Hdschr.  ualeriae)  Zäbdenorum 
(Mesopotamien  Or.  36,  36).  —  Sagittarii  Zabdiceni  im  J.  360 
in  Zabdikene  selbst  (Ammian  20,  7,  1). 

Karduener:  equites  sagittarii  Cardueni  {vex.  com.  Occ.  6,  83)  — 
ala  XV  Flavia  Carduenorum  (Mesopotamien  Or.  36,  34)  ^ 

Zabdikene  und  Karduene  gehören  zu  den  transtigritanischen 
im  J.  290  von  den  Persern  an  die  Römer  abgetretenen*,  im 
J.  363  von  jenen  wieder  zurückgewonnenen  ^  Landschaften. 
Da  auch  die  Benennungen  auf  die  diocletianische  Epoche 
führen,  sind  diese  Truppenkörper  sicher  in  Folge  dieser  Er- 
oberung eingerichtet  worden,  haben  aber  den  Yerlust  der  i 
Gebiete  überdauert,  Vermuthlich  sind  die  bei  dieser  Ver- 
anlassung neu  eingerichteten  Regimenter  ohne  Unterscheidung 
von  Reiterei  und  Fussvolk  durchgezählt  und  jedes  nach  einem 
der  neuen  Districte  benannt  worden. 

Armenier:  Comites  sagittarii  Armenii  {vex.  Pal.  Or.  6,  31).  Diese 
Truppe  und  vielleicht  zugleich  die  damit  zusammengestellten 
comites  sagittarii  iuniores  {vex.  Pal.  Or.  5,  30)  bezeichnet 
Ammian®  als  barbari  ingenui,  demnach  als  dem  Clientelstaat 
Grossarmenien,  nicht  der  römischen  Provinz  angehörig.  — 
ala  II  Armeniorum  (Aegypten  Or.  28,  22). 

1)  Vgl.  den  tribunus  Assyriorum  in  der  vita  Claudii  13,  3. 

2)  In  dieser  Zeitschr.  [Hermes]  19,  2  [oben  S.  21]. 

3)  Die  vorhergehende  ala  octava  Flavia  Francarum  hat  vielleicht   auf  die 
Lesung  eingewirkt;  doch  ist  es  nicht  nöthig  zu  ändern. 

4)  Petrus  Patricius  fr.  14  Müll. 

5)  Ammian  25,  7,  9;  Zosimus  3,  31. 

6)  18,  9,  4  unter  den  in  Amida  vereinigten  Truppen :  aderat  comitum  qiioque 
sagittariorum  pars  maior,  equestres  videlicet  turmae  ita  cognominatac ,  ubi  meixnt 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  281 

Hiberer:   Hiberi  (aux.  Pal.  Or.  5,  60).  —  ala  I  Iliberorum  (Tho-  276 
bais  Or.  31,  46). 

Hiberia  ist  im  vierten  Jahrhundert  römischer  Clientelstaat^ 

Tzanner:  Tzanni  [leg.  com.  Or.  8,  49;  im  persischen  Feldzug  Julians 
fällt  Vetranio  qui  legionem  Ziannorum  regehat  ^.  Vgl.  S.  238). 
—  coh.  IX  Tsanorum  (Thebais  Or.  31,  62). 

Die  Tzanner,  am  Kaukasus  östlich  von  den  Lazen  im 
Binnenland  wohnhaft,  nennt  schon  im  Anfang  des  fünften 
Jahrhunderts  Theodoret  unter  den  reichsangehörigen  Barbaren 
(S.  226).  Damit  übereinstimmend  giebt  ihnen  Prokopius  die 
Föderatenstellung;  Justinian  aber  bringt  sie  unmittelbar  zum 
Reiche^. 

Abasger:  ala  I  Ahasgorum  (Thebais  Or.  31,  55). 

Die  Abasger,  die  nördlichen  Nachbarn  der  Lazen  am 
schwarzen  Meer,  nennt  Theodoret  (S.  226)  ebenfalls  unter 
den  reichsangehörigen  Barbaren,  Prokopius*  als  mit  den 
Römern  von  Alters  her  befreundet. 

Sarmaten:  ala  VII  Sarmntarum,  (Aegypten  Or.  28,  26). 

Dabei  ist  abgesehen  von  der  britannischen  ala  Sarmatarum, 
welche  vordiocletianisch  und  aus  den  durch  Marcus  nach 
Britannien  gesandten  jazygischen  Mannschaften  hervorgegangen 
ist^.     Die  ägyptische  kann  aus  Honorius  Zeit  herrühren^. 


^ownes  ingenui  harhari,  armorum  viriumque  firmitudine  inter  alios  eminentes.    Bei 
dieser  Elitetruppe  sah  man  also  auch  auf  gute  Geburt  der  Ausländer. 

1)  Ammian  21,  6,  8.  27,  12.  30,  2,  2. 

2)  Ammian  25,  1,  19. 

3)  Nach  Prokop  (b.  Pers.  1,  15,  vgl.  2,  3.  b.  Goth.  4.  13.  de  aed.  3,  6)  ist  das 
3ebiet  der  Tzanner  römisch  {h  yfj  t>]  'Pcofiaicov) ,  aber  sie  leben  nach  eigenem 
Recht  {avr6vofA.oi)  und  erhalten  von  der  römischen  Regierung  zur  Abwendung 
ier  Brandschatzung  jährliche  Abfindungsgelder.  Justinians  Feldherren  über- 
[ffältigen  sie  und  nöthigen  sie,  Contingente  zum  Reichsheer  zu  stellen:  kg  xara- 
\6yoi'?  avxovg  'Pcofiaixovg  sjisyQdipavro  xal  x6  Xomov  ^vv  xä)  äkko)  'Pcof^aicov  axQaxö) 
7ti  rovg  noksfj.iovg  i^caat.  Nach  Agathias  5,  1  sind  sie  ix  jiaXaiov  vjiöojiovdoi  re  xal 
taxrjxooi,  xdöv  'Pcofzaicov.  Nach  Justinian  nov.  1  pr.  28  pr.  (wo  irriger  Weise  die 
Tzanner  und  die  Suaner  als  zwei  verschiedene  Nationen  aufgeführt  werden) 
ind  sie  durch  ihn  zuerst  unterworfen  worden. 

4)  b.  Pers.  2,  29;  b.  Goth.  4,9. 

5)  In  dieser  Zeitschr.  [Hermes]  19,  227  [oben  S.  109]. 

6)  Claudian  de  IV  cons.  Honorii  485 :  tua  Sarmata  discws  saüramenta  petit : 
roieda  pelk  Gelonus  militat.    Was  Claudian  unter  den  Gelonen  versteht,  weiss 

h  nicht;  man  könnte  an  die  Vandalen  denken. 


282  Das  römische  Militärweseu  seit  Diocletian. 

277  Alanen:  comifes  Alani  (vex.  Pal.  Occ.  6,  50). 

Dies  ist  die  von  Gratian  angeworbene  und  besonders  von  ihm 
begünstigte  Alanentruppe  ^;  sie  wird  auch  nachher  noch  erwähnt  2. 

Gothen:  cohors  I  Gothorum  (Syrien  Or.  33,  32). 

Tervinger:  Teruingi  [aux.  Fol.  Or.  6,  61). 

Westgothen:  Visi  {aux.  Pal.  Or.  5,  61). 

Taifalen :  comites  Taifali  (vex.  Pal.  Or.  5,  31)  —  equites  Honoriani 
Taifali  iuniores  (vex.  com.  Occ.  6,  59). 

Die  Aufstellung  dieser  gothischen  Truppenkörper  kann 
füglich  auf  die  unter  Theodosius  I.  auf  das  rechte  Donauufer 
übertretenden  Gothenschaaren  bezogen  werden^. 

Vandalen:  ala  VIII  Vandilorum  (Aegypten  Or.  28,  25). 

Diese  E-eitertruppe  geht  wahrscheinlich  zurück  auf  die  von 
Aurelian  nach  dem  Siege  über  die  Vandalen  theils  aus 
gelieferten,  theils  aus  freiwilligen  Mannschaften  derselben 
aufgestellten  Schwadronen  *. 

278  Quaden:  ala  I  Quadorum  (Thebais  Or.  31,  56). 

Des  Vertrages  vom  J.  375,  wodurch  die  Quaden  sich  zur 
Stellung  von  Rekruten  verpflichteten,  ist  schon  gedacht  wor- 
den (S.  256  A.  1). 
Marcomanen:  equites  Marcomani  (vex.  com.  Occ.  6,  65)  —  Mar- 
comani  seniores  und  iuniores  (aux.  Pal.  Occ.  5,  198.  199).  — 
gens  Marcomanorum.  unter  einem  Tribun  (Pannonia  I  Occ.  34, 24). 

lieber  die  Marcomanen  vgl.  S.  216. 


1)  Zosimüs  4,  35 :  (Gratianus)  'AXavov?  riva?  avrofiökovg  Ss^äfisvog  xai  oTgaziaig 
syxatake^ag  dcogeaig  zs  ädgaig  sxii,ia,  zum  Unwillen  der  Truppen.  Victor  ep.  47,  5: 
dimi  exercäum  neglegeret  et  paucos  ex  Alanis,  qiws  ingenti  auro  ad  se  transtulerat, 
anteferret  veteri  et  Romano  militi:  adeoque  barbaroi'um  comitatu  ae  paene  amieitia 
capitur,  ut  nonnumquam  eodem  habitu  iter  faceret,  odia  contra  se  militum  excitavü. 

2)  Claudian  de  IV  cons.  Honorii  487:  in  Latios  ritus  transisti,  Alane.  Ders. 
de  bello  Pollentino  581 :  ibat  patiens  dicionis  Alanus ,  qua  nostrae  iussere  tubae 
mortemque  petebat  pro  Latio:  docuit  gentis  praefectus  Alanae.  Vgl.  de  VI  cons. 
Honorii  224. 

3)  Gothen  und  Taifalen  nach  Zosimus  4,  25.  Eunapius  fr.  60  Müll.  The- 
mistius  or.  16  p.  257  Bonn  vergleicht  diese  Eingewanderten  mit  den  einst  barbari- 
schen, jetzt  zu  Römern  gewordenen  und  nach  römischem  Recht  lebenden 
Galatern ;  so  werden  wir  auch  bald  diese  Skythen  sehen  ö/noojiövdovg,  6f,ioTQajisCovg, 
ofiov  ozQaxEvo/xEvovg,  öfiov  XsizovQyovvzag.  Indess  waren  auch  früher  schon  Gothen- 
haufen  auf  dem  rechten  Ufer  angesiedelt  worden  (Ammian  31,  6,  1)  und  es 
dienten  zahlreiche  Gothen  im  römischen  Heer  (Ammian  31,  16,  8). 

4)  Dexippus  fr.  24  Müll. :  xai  avvs/xaxovv  auo  r^oöe  'P(Ofiaioig  BavdrjXav 
[jiTiEig  Eig  diaxMovg,  oi  [xiv  rivEg  aiQEXol  ex  rov  jiXrf&ovg  ig  zrjv  ovf.ifJ.ayiav  xataXs%- 
^EvzEg,  Ol  dk  xal  id'EXovrEg  sxovaiov  azgaziäv  vjio8v6[a,£voi. 


Das  römische  Militärwesen  seit  Diocletian.  28? 

Juthunger:   ala  I  luthungorum  (Syrien  Or.  33,31)  —  cohors  IV 

luthimgorum  (Aegypten  Or.  28,  43). 

Dieselben  mögen  gleich   den  vandalischen  Truppenkörpern 

von  Aurelian  herrühren. 
Alamannen :  ala  I  Alamannorum  (Phoenike  Or.  32,  36)  —  coh.  V 

jKicata  Alamannorum   (Phoenike    Or.  32,  41)  —  coh.  IX  Ala- 
mannorum (Thebais  Or.  31,  63). 
IJucinobanten:    Bucinohantes    {aux.   Pal.   Or.  6,  58).      Vielleicht 

identisch    mit   dem  numerus  Alamannorum,  zu  dessen  Tribun 

Valentinian  den  König  der  Bucinobanten  Fraomarius  ernannte 

und  den  er  dann  nach  Britannien  schickte  ^ 
Brisigaven :  Brisigavi  senior  es  und  iuniores  {aux.  Pal.Occ.  5, 201, 202). 
Mattiaker:  Mattiaci  seniores  {aux.  Pal.  Or.  5,  53  und  Occ.  5,  164) 

—  Mattiaci  iuniores  {aux.  Pal.  6,  53  und  5,  1 65)  —  Mattiaci 

iuniores  Gallicani  {\aux..  Pal.^  Occ.  5,  209). 
Franken:    ala  I  Francorum   (Thebais    Or.  31,51;   Phoenike   Or. 

32,  35)  —   ala  VIII  Flavia  Francorum   (Mesopotamien    Or. 

36,  33)  —  coli.  VII  Francorum  (Thebais  Or.  31,  67). 
Bructerer:  Briicteri  {aux.  Pal.  Occ.  5,  187). 
Tubanten:  Tuhantes  {aux.  Pal.  Or.  6,  51  und  Occ.  5,  176). 
Chamaver:  coli.  XI  Chamavorum  (Thebais  Or.  31,  61). 

Diese    Truppe    ist  wahrscheinlich  von    Julian    eingerichtet 

worden^. 
Ampsivarier:  AmpsivarU  {aux.  Pal.  Occ.  5,  188).  279 

Angeln?:  Anglevarii  {aux.  Pal.  Or.  5,  59). 
Eruier:  Eruli  seniores  {aux.  Pal.  Occ.  5,  162  und  oft  bei  Ammian). 

Vgl.  S.  240  A.  5.  S.  279  A.  1. 
Sachsen :  ala  I  Saxonum  (Phoenike  Or.  32,  37). 
Atecotten:  Afecotti  {aux.  Pal.  Or.  9,  29)   —  Honoriani  Atecotti 

seniores  und  iuniores  {aux.  Pal.  Occ.  5,  195.  200)  —  Atecotti 

iuniores  Gallicani  {aux.  Pal.  Occ.  5,  218). 


1)  Ammian  29,  4,  7:  Bucinobantibus ,  qttae  contra  Mogontiacum  gens  est 
ilamanna,  regem  Fraomarium  ordinavit,  quem  paulo  postea  .  .  in  Britannias 
ranslatum  potestate  tribuni  Alamannorum  praefecerat  numero  multitudine  viribus- 
»MC  ea  tempestate  florenti. 

2)  Zosimus  3,  8,  1 :  6  Kdtoaq  SaXiov?  rs  xat  Kovddcov  /notgay  xal  rwr  iv  tfj 
Saiaovta  vrjO(p  riväg  rdyfiaoiv  iyxareXs^ev ,  a  xal  vvv  iqp'  i^f^cöv  k'ri  SoxeT  TisQiawl^ea^ai. 
Mendelssohn  z.  d.  St.  vermuthet  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit,  dass,  was  Zosi- 
aus  von  den  hier  unmöglichen  Quaden  erzählt,  den  Chamavern  gehört. 


XIV. 

Die  diocletianische  Reichspraefectiir.*)  \ 

201  Das  für  die  Imperatorenverfassung  ebenso  wichtige  wie  eigen- 

artig geordnete  Institut  der  praefecti  praetorio  ruht  bekanntlich,  trotz 
seines  militärischen  Charakters,  auf  dem  die  republikanischen  Ord- 
nungen beherrschenden  System  der  zweistelligen  Collegialität  in  dem 
vollen  Sinne  des  Wortes,  so  dass  eine  Geschäftstheilung  nicht  statt- 
findet, sondern  normal  die  beiden  Collegen  gemeinschaftlich  handeln, 
wenn  gleich,  wo  der  eine  fehlt  oder  behindert  ist,  der  andere  befugt 
ist,  allein  zu  amtiren^.  Im  Gegensatz  dazu  ist  in  dem  späteren 
Kaiserregiment  die  Sammtverwaltung  in  die  Verwaltung  mit  getheilter 
Competenz  übergegangen;  und  es  soll  weiterhin  entwickelt  werden, 
wie  dieser  Prozess  sich  vollzogen  hat.  Indess  haben  sich  von  der 
einheitlichen  Verwaltung  auch  nach  ihrem  Abkommen  noch  Spuren 
erhalten. 

1.  Wie  es  nach  der  Reichstheilung  keinen  technischen  Ausdruck 
für  den  unter  Sonderherrschaft  stehenden  Reichstheil  giebt,  so  giebt 
es  auch  keinen  technischen  Ausdruck  für  den  präfectorischen 
SprengeP.  Aehnlich  wie  die  Reichstheile  als  partes  Orientis  und 
partes  Occidentis  bezeichnet  werden,  werden  auch  die  Präfecten 
und  die  Präfecturen  unterschieden,  worauf  wir  weiterhin  zurück- 
kommen. 

2.  In  der  Titulatur  der  Präfecten  fehlt  die  Sprengelbezeichnung 
durchgängig  bis  auf  lulianus  ^ ;  in  den  Inschriften  wie  in  den  kaiser- 

*)  [Hermes  36,  1901  S.  201-217.] 

1)  Vgl.  mein  röm.  Staatsrecht  2,  866. 

2)  Dioecesis  im  C.  Th.  6,4,4  ist  keine  Instanz;  die  Verordnung  ist  an 
einen  Stadtpräfecten  gerichtet  und  die  Inscription  fehlerhaft. 

3)  Noch  in  den  stadtrömischen  Inschriften  des  Sallustius  CLL.  VI,  1729 
[=  Dessau  1254]  und  [des  Saturninius  Secundus]  1764  [=  Dessau  1255],  von 
denen  die  erste  im  Jahre  864  gesetzt  ist.  Ich  habe  darauf  schon  in  den  Mem. 
deir  Instituto  2,  301  aufmerksam  gemacht. 


Die  diocletianische  Reichspraefectur.  285 

liehen  Erlassen  wird  sie   erst  von   da  an   gefunden^.     Dass   bei  den  202 
Hauptpräfecturen  in  gewissem  Sinne   die  Sprengelbezeichnung  auch 
später  ausgeschlossen  bleibt,  wird  weiterhin  (S.  291)  gezeigt  werden. 

3.  Die  präfectorischen  Erlasse  werden,  wie  die  kaiserlichen, 
der  Regel  nach  auf  die  Namen  aller  zur  Zeit  im  Gesammtreich 
fungirenden  gestellt.  So  sind  gefasst  die  Edicte  zweier  Präfecten 
unter  Constantinus  und  Licinius  im  Donatistenprocess^;  dreier  unter 
Honorius  und  Theodosius  II.  3;  zweier  oder  dreier  unter  Theo- 
dosius  II.  und  Valentinian  III.*,  mindestens  zweier  noch  unter  Leo 
und  Glycerius^. 

Der  bei  diesem  Institut,  der  ßaodeia  änoQcpvQog^^  leitende  Ge- 
danke der  kaiserlichen  Stellvertretung  kommt  noch  ein  halbes  Jahr- 
tausend nach  der  Gründung  der  augustischen  Monarchie  hierin  zu 
seinem,  wenn  auch  nur  formalen  Ausdruck. 

Die  Yerwaltungstheilung  ist  in  die  Präfectur  eingeführt  worden 
in  Folge  des  Aufkommens  der  Yerwaltungstheilung  im  Sammt- 
regiment.  Zur  Beantwortung  der  Frage,  wie  die  Präfectur  gegen- 
über dem  Sammtregiment  mit  getheilter  Verwaltung  geordnet  worden 
ist,  erscheint  es  zweckmässig,  zunächst  die  Fälle  des  derartigen 
unbestritten   anerkannten    Sammtregiments   übersichtlich    zusammen-  203 


1)  Sie   erscheint  zuerst  unter   Julian  362/3  in  der  Inschrift  von  Concordia 
1.  L.  V,  8987  [=  Dessau  755] :  disponente  Claud[i]o  Mamertino  v.  c.  per  Italiam 

et  Inlyricum  praefecto  praetorio),  dann  in  den  Verordnungen  Julians  (C.  Th.  1, 16,  5) 
und  Valentinians  I.  (C.  Th.  7,  13,  5.   11,  11,  1.   13,  10,  4). 

2)  Im  Anhang  zum  Optatus  p.  212  der  Wiener  Ausgabe:  epistulae praefedorum 
maetorio  .  .  .  Petronius  Annianus  et  [lulius]  lulianus  Domitio  Celso  vicario 
Africae  (ergänzt  nach  der  von  denselben  Präfecten  den  beiden  Kaisern  gesetzten 
Inschrift  C.  I.  L.  III,  13734).  Bei  Optatus  ist  der  Name  des  Licinius  aus  dem 
Text  entfernt. 

3)  Erlass  vom  Jahre  418  aus  Ravenna  (Hänel  corp.  leg.  p.  289) :  exemplar  edicti 
lunii  Quarti  Palladii  (Präfect  von  Italien),  Monaxii  (Präfect  des  Orients)  et 
igncola  Herum  (nach  dem  zugehörigen  Kaisererlass  Präfect  von  Gallien)  prae- 
^edi  praetorio  edixerunt.    Die  Genitive  sind  Schreibei'versehen. 

4)  Erlass  vom  Jahre  434  (Hänel  a.  a.  0.  p.  247):  öidzay/ia  tmv  enägxoiv 
oaxs  fit]  dvayivcooxea&ai  rä  Nsarogcov  ^Xäßcog  'Av&efxiog  'laidcoQog  (Präfect  des 
)rients),  ^Xtjaßdaaog  (vielleicht  Fl.  Bassus,  etwa  Präfect  von  Italien)  xal 
PXäßiog  üif^jiXixiog  'Prjycvog  (Präfect  des  orientalischen  lUyricum  C.  Th.  6,  28,  8) 
c  ijiüQxoi  Xsyovaiv. 

5)  Erlass  vom  Jahre  473  aus  Rom  (Hänel  a.  a.  0.  p.  260):  Felix  (Flavivis?) 
limelco  pp.  (in  der  Adresse  des  Rescripts  von  Glycerius  Himelco  v.  c.  pr.  pr. 
\taliae)  Dioscurus  Aurelianus  Protadius  (vermuthlich  die  Präfecten  Galliens  und 
es  Ostreichs  alle  oder  zum  Theil)  vv.  cc.  pp.  dd.  (=  dicurU). 

6)  Eunapius  vit.  Proaeresii  p.  86  Boiss.  Zosimus  2,  82:  aQ^i]  SsvxsQa  /uezd  rä 


2S6  Die  diocletianische  Reichspraefectur. 

austeilen,  wobei  die  concurrirenden  Caesaren  so  wie  die  illegitimen 
Begierungen  (einschliesslich  der  Wirren  vom  Tode  des  Constantius 
306  bis  zu  der  Katastrophe  des  Maximinus  313)  unberücksichtigt 
bleiben  können. 

Diocletian  und  Maximian  286 — 305. 

Constantius  I.  und  Galerius  305.  306. 

Constantinus  I.  und  Licinius  313 — 323. 

Constantinus  II.,  Constantius  IL,  Constans  337 — 340. 

Constantius  II.  und  Constans  340 — 350. 

Yalentinianus  I.  und  Yalens  364  fg. 
Yon  da  an  ist  die  administrative  Zweitheilung  ein  für  allemal  maass- 
gebend,  selbst  wenn  mehr  als  zwei  Augusti  vorhanden  sind.  Als 
Yalentinian  I.  im  Jahre  367  seinen  minderjährigen  Sohn  Gratianus 
als  dritten  Augustus  oder  für  das  Westreich  als  zweiten  einsetzte, 
hat  dies  auf  die  Yerwaltung  desselben  keinen  Einfluss  gehabt, 
sondern  ist  behandelt  worden  wie  die  Sammtherrschaft  der  früheren 
Kaiserzeit  mit  Sammtverwaltung  unter  Ausschluss  der  Sprengel- 
theilung ^.  Yoraussichtlich  also  haben  diese  Creirungen  auf  die 
Präfectur  keinerlei  Einfluss  geübt  und  es  begegnet  auch  meineai 
Wissens  nirgends  dagegen  eine  Instanz. 

Für  die  Gestaltung  der  Präfectur  unter  den  bezeichneten  Yer- 
hältnissen  sind  die  folgenden  Regeln  maassgebend. 

l.  Es  liegt  im  Wesen  des  Yicekaiserthumes,  dass  jeder  eine 
Sonderverwaltung  führende  Augustus  damit  auch  einen  Sonder- 
präfecten  sich  zugesellt,  also  bei  Zweitheilung  der  Yerwaltung 
wenigstens  zwei,  bei  Dreitheilung^  wenigstens  drei  Präfecturen  be 
standen  haben.  So  weit  der  Sprengelbegrilf  auf  das  Gesammtreich 
Anwendung  findet,  erstreckt  er  sich  mit  principieller  wie  praktischer 
Nothwendigkeit  zugleich  auf  die  Prätorianerpräfectur. 
204  2.    Was    die   Zahl    der    dem   einzelnen  Augustus   zugeordneten 

Präfecten  anlangt,  so  überwog  in  vordiocletianischer  Zeit  bei  diesem 
Amt  die  zweistellige  Collegialität,  obwohl  auch  dreistellige  Collegien 
vorgekommen  sind  und  nicht  selten  nur  ein  einziger  Präfect  fungirt 

1)  Die  politische  Bedeutung  der  Spaltung  des  Westreichs  in  zwei  Präfecturen 
soll  damit  nicht  bestritten  werden;  in  dem  ephemeren  Sammtregiment  von 
Theodosius,  Valentinian  IL  und  Maximus  hat  sie  sogar  die  Dreitheilung  desi 
Reiches  auf  kurze  Zeit  erneuert.  ! 

2)  Die  Dreitheilung  unter  gegenseitiger  Anerkennung  ist  zuerst  vorge ! 
kommen  in  den  Jahren  311 — 313  zwischen  Maximinus,  Constantinus  und  Licinius,' 
wobei  nur  die  Rangfolge  der  beiden  ersten  controvers  war;  indess  ist  diese 
Anerkennung  sehr  bald  in  Bürgerkrieg  umgeschlagen.  Vgl.  in  dieser  Ztschr 
[Hermes]  XXXII  544  [unten  S.  329]. 


Die  diocletianische  Reichspraefectur.  287 

hat  (8.  284  A.  1).  Ob  in  der  diocletianischen  Ordnung  jedem  der 
beiden  Herrscher  mehrere  Präfecten  zugegeben  wurden  oder  sie  in 
die  zwei  Präfecten  sich  theilten,  ist  an  sich  eine  offene  Frage,  und 
positive  Zeugnisse  fehlen^.  Die  Wahrscheinlichkeit  aber  spricht  für 
die  letztere  Annahme,  da  der  Zug  der  Zeit  der  in  der  That  mit 
straffem  Regiment  unvereinbaren  Sammtverwaltung  durchaus  entgegen 
war,  und  dies  bestätigt  die  weitere  Entwickelung  des  Instituts.  In 
Niedermoesien  in  den  Ruinen  des  municipium  Tropaeense,  dem  durch 
das  Traianusmonument  berühmt  gewordenen  Adam-Klissi,  hat  sich 
ein  Denkstein  gefunden,  welchen  den  Kaisern  Constantinus  und 
Licinius  errichten  Petr{onius)  Annianus  v.  c.  et  lul.  lulianus  v.  em. 
praeff.  ^n-aef^.  Diese  Präfecten  gehörten  also  verschiedenen  Reichs- 
hälften an  und  es  hat  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  zumal  mit 
Rücksicht  auf  die  vorher  erörterte  gemeinschaftliche  Action  der  zu- 
gleich amtirenden  Präfecten,  dass  es  damals  andere  nicht  gab,  also 
sowohl  das  West-  wie  das  Ostreich  je  einen  praef'ectus  praetorio 
gehabt  hat.  —  Ob  nach  der  Katastrophe  des  Licinius  Constantinus  205 
die  Reichspräfectensprengel  beibehalten  hat  oder  nicht,  kann  gefragt 
werden.  Indess  die  aus  Constantins  Zeit  überlieferten  Namen  von 
Prätorianerpräfecten  mit  den  dazu  gehörigen  Jahresangaben  sprechen 
trotz  ihrer  Unsicherheit  dafür,  dass  wenigstens  in  den  späteren  Jahren 
Constantins  mehrere  Präfecten  gleichzeitig  functionirten ;  und  es  hat 
überhaupt  grosse  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  dass  die  einmal 
eingeführte    Sprengeltheilung,    auch    nachdem    sie    in    der  obersten 

1)  Genannt  wird  in  diocletianischer  Zeit  der  praef.  praetorio  Asclepiodotus 
als  tüchtiger  Feldherr  (vit.  Probi  22,  3)  und  hervorragend  thätig  bei  des  Con- 
stantins britannischem  Feldzug  (Eutropius  9,  22  und  daraus  Zon.  12,  31;  Victor 
Caes.  39,  42) ;  weiter  vit.  Aurel.  44, 3 :  compertum  [a]  Diocletiano  (so  ist  zu  schreiben) 
Asclepiodotus  Celsino  consiliario  sico  dixisse  perhibetur.  Die  an  einen  Asclepio- 
dotus —  der  Name  ist  sehr  gewöhnlich  —  im  justinianischen  Codex  erhaltenen 
Erlasse  aus  den  Jahren  293.  294  dürfen  schwerlich  auf  ihn  bezogen  werden, 
zumal  da  zwei  derselben  (5,  31,  9.  5,  10,  4)  aus  Byzantium  datirt  sind.  Seeck 
(bei  Pauly -Wissowa  1,1637)  macht  ihn  zum  praef .  praetorio  des  Constantins; 
vielmehr  hat  er  wohl  diese  Stellung  bei  Maximianus  eingenommen.  —  Der 
Präfect  Sabinus  bei  Eusebius  (bist.  eccl.  9,  1,  2.  9,  9,  ep.  1 ;  Peucetius  9,  11,  4  ist 
wohl  derselbe  nach  dem  Signum  bezeichnet)  hat  wohl  dieselbe  Stellung  unter 
Maximinus  eingenommen. 

2)  C.  I.  L.  Ill,  13734;  es  sind  dieselben,  welche  in  dem  S.  285  A.  2  erwähn- 
ten Erlasse  auftreten.  Die  Errichtung  fällt  zwischen  313  und  323;  ob  vor  oder 
nach  dem  cibalensischen  Krieg,  lässt  sich  nicht  bestimmen.  Das  Gebiet  gehört 
wahrscheinlich  zum  Reichstheil  des  Licinius,  grenzt  aber  an  den  constantinischen ; 
es  kann  sein,  dass  bei  der  limitis  tutela,  welche  hier  den  Kaisern  verdankt  wird, 
beide  Reichshälften  concurrirten  und  dies  Veranlassung  gab  das  Denkmal  beiden 
Kaisem  zu  widmen. 


288  I^iß  diocletianische  Reichspraefectur. 

Instanz  weggefallen  war,  in  der  Präfectur  geblieben  ist,  der  Westen 
und  der  Osten  des  gewaltigen  Reiches  fortdauernd  gesonderte  Sprengel 
gebildet  haben.  Zweifellose  Belege  dafür  sind  freilich  bis  jetzt  nicht 
vorhanden. 

3.  Die  nach  dem  Tode  des  ersten  Constantin  eintretende  Drei- 
theilung  des  Reiches  führte  nach  dem  vorher  Bemerkten  zu  einer 
Spaltung  der  Präfectur  des  Westreiches;  und  nach  der  Katastrophe 
des  jüngeren  Constantin  ist  diese  Scheidung  geblieben.  Dies  bezeugt 
ein  in  der  thrakischen  Stadt  Traiana  (Eski-Zagra)  den  Kaisern  Con- 
stantius  und  Constans  errichtetes  Ehrendenkmal,  welches  setzten 
Ant[onius)  Märcellinus  (pr.  pr.  im  Jahre  340  nach  C.  Th.  6,  22,  3 ; 
Consul  341),  Dom{itius)  Leontius  {pr.  pr.  im  Ostreich  in  den  Jahren 
342 — 344  nach  zahlreichen  Zeugnissen),  Fab(ius)  Titianus  {pr.  pr. 
von  Gallien  nach  Hieronymus  Abr.  2361  und  Verordnungen  aus  den 
Jahren  343 — 349)  vv.  cc.  praeff.  praet.'^  Indem  dieses  Denkmal  be- 
stätigt, dass  innerhalb  des  Amtes  die  Collegialität  aufgegeben  war, 
lehrt  es  weiter,  dass  Constans  nach  der  Katastrophe  des  Bruders 
die  doppelte  Präfectur  fortbestehen  liess.  Hier  also  erscheint  der  11 
Beginn  der  weiteren  Spaltung  der  Präfecturen,  die  Scheidung  von 
Gallien  Spanien  Britannien  von  Illyricum  Italia  Africa. 

4.  Die  vierte  Präfectur  ist  dem  Anschein  nach  um  das  Jahr  346 
unter  Constans  entstanden  durch  die  Stellung  von  Illyricum  unter 
einen  eigenen  Präfecten.  Dass  noch  nach  der  Katastrophe  Con- 
stantins  II.  es  nicht  mehr  als  drei  Präfecten  gab,  ist  vorher  ent- 
wickelt worden.  Aber  nach  dem  Zeugniss  der  Schriftsteller  sowohl 
wie  zweier  Kaisererlasse  aus  den  Jahren  34 H  und  349  haben  unter 
Constans  so  wie   nach  ihm   in   den  letzten  Jahren   des   Constantius 

206  eine  Reihe  von  Jahren  hindurch  Anatolius^,  dann  Florentius^,  dess- 
gleichen  Ausonius,  der  378  verstorbene  Yater  des  Dichters*,  Illyricum 

1)  C.  I.  L.  III,  12330.  Erhalten  ist  nur  die  Basis  des  Constans;  aber  die 
Unterschrift  n(mmni)  ■m(aiestati)q(iie)  eorum  semper  devotissim[i\  beweist,  dass 
Constantius  nicht  gefehlt  hat.  Dass  Constantinus  (f  340)  fehlte ,  zeigen  die  im 
Text  verzeichneten  Daten  der  drei  Präfecten. 

2)  Ammianus  19,  11,  2.  21,  6,  5.  Victor  Caes.  13,  6.  Eunapius  Proaeres.  p.  85 
Boiss.  Die  Ernennung  muss  vor  dem  Jahre  858  stattgefunden  haben,  mit  dem 
für  uns  Ammian  beginnt.  Die  Berichte  legen  die  Annahme  nahe,  dass  dieser 
Beamte  eine  wesentliche  Verwaltungsreform  inaugurirt  hat.  Ob  die  Erwähnungen 
bei  Libanius  auf  ihn  oder  auf  den  gleichnamigen  und  dasselbe  Amt  in  den 
Jahren  397  —  399  verwaltenden  Beamten  gehen,  ist  zweifelhaft;  vgl.  Sievers 
Libanius  S.  235  [Seeck,  die  Briefe  des  Libanius  1906  S.  59  ff.  69].  j 

3)  Ammianus  21,  6,  5.  22,  3,  6.  22,  7,  5.  ' 

4)  Ausonius  epic.  in  patrem  2,  51:  ipse  nee  adfectans  nee  detrectator  honorum 
pi'aefectus  magni  nuncupor  Illyrici. 


Die  diocletianische  Reichspraefectur.  289 

als  Prätorianerpräfectur  verwaltet.  lulianus  aber  hat  dasselbe  wieder 
zugleich  mit  Italien  und  Africa  dem  Mamertinus  zugewiesen  ^  Unter 
Valentinian  ist  es  dem  Petronius  Probus  zuerst  im  Jahre  364  als 
Sondersprengel  zugetheilt,  dann  aber  seit  dem  Jahre  368  von  dem- 
selben zugleich  mit  Italien  und  Africa  regiert  worden  2,  was  nach 
Probus  Rücktritt  (375?)  wieder  aufhörte^.  Nachdem  dann  Gratianus 
379  das  östliche  Illyricum  seinem  neuen  Mitkaiser  Theodosius  ab- 
getreten hatte,  wurde  dies  nicht  mit  der  Praefectur  des  Orients  ver- 
schmolzen, sondern  im  Ostreich  als  Secundärpräfectur  verwaltet, 
während  das  westliche  Illyricum  von  da  an  wieder  mit  Italien  und  207 
Africa  gemeinschaftlich  administrirt  wird  *.  —  Damit  ist  dieYierzahl 
für  das  höchste  Reichsamt  erreicht,  welche  also  weder  an  die  dio- 
cletianische Vierzahl  der  regierenden  Herren  angeknüpft^  noch  auf 
Constantin  zurückgeführt  werden  darf®. 

1)  C.  I.  L.  V,  8987  (S.  285  A.  1).    Ammianus  26,  5,  5.    Syramachus  ep.  10,  40. 

2)  Nach  Ausweis  seiner  Inschriften,  insbesondere  der  wichtigsten  Veroneser 
C.  I.  L.  V,  3344  [=  Dessau  1266]  (deren  Correctur  bei  Seeck  Symm.  p.  XCIX 
verfehlt  ist)  war  derselbe  viermal  Prätorianerpräfect.  1.  Illyrici;  der  älteste 
an  ihn  gerichtete  Erlass  vom  Jahre  364  (C.  Th.  1,  29,  1)  betrifft  dies  Gebiet;  den 
Titel  pr.  pr.  Illyrici  giebt  ihm  auch  der  Erlass  11,  11,  1  vom  Jahre  365. 
2.  Galliarum,  welchen  Titel  ihm  der  nicht  datirte  Erlass  lust.  7,  38,  1  giebt. 
Vermuthlich  bezieht  sich  darauf  der  an  Probus  ppo  gerichtete  Erlass  vom 
Jahre  366  (C.  Th.  11, 1,  15).  3.  Italiae  atque  Africae.  Dies  ist  das  Amt,  das 
Probus  nach  Ammian  im  Jahre  368  antrat  und  bis  zum  Tode  Valentinians  I. 
verwaltete.  Dass  er  es  übernahm,  ohne  die  Verwaltung  von  Illyricum  abzu- 
geben, zeigen  verschiedene  Erlasse  (8,  5,  28  vor  368  oder  370  oder  373  —  10, 19,  7 
vom  Jahre  370  —  lust.  11,  53,  1  vom  Jahre  371),  so  wie  die  Berichte  Ammians 
(29,  6,  9.  30,  5,  11).  4.  Die  letzte  von  Probus  bekleidete  Präfectur  ist  wieder 
von  Italien,  Africa  und  Illyricum  (C.  Th.  11,  18,  1);  auf  sie  beziehen  sich  die 
unter  den  Jahren  380  —  384  an  Probus  ^0  gerichteten  Rescripte,  deren  Jahr- 
zahlen freilich  theilweise  corrupt  sind. 

3)  In  der  stadtrömischen  Inschrift  C.  I.  L.  VI,  1714  [=  Dessau  1271]  heisst 
Q.  Clodius  Hermogenianus  Olybrius  proconsul  Africae  (360/1),  praefectus  urbis 
(von  Rom  369/70),  pr.  pr.  Illyrici,  pr.  pr.  Orientis  (beide  sonst  nicht  erwähnt), 
consul  oi-dinarius  (379).  Diese  Präfectur  von  Illyricum  kann  also  nur  die 
occidentalische  sein,  nicht  die  379  beginnende  des  Ostreichs. 

4)  Selbständige  Verwaltung  des  westlichen  Illyricum  ist  nicht  nachweisbar; 
wohl  aber  hat  Stilicho  den  Versuch  gemacht  die  Präfectur  von  Illyricum  dem 
Ostreich  abzunehmen  und  wieder  mit  dem  Westreich  zu  vereinigen  (Sozomenus 
bist.  eccl.  8,  25  =  9,  4). 

5)  Diese  Annahme,  welcher  auch  ich  früher  gefolgt  bin,  rührt  her  von 
Tillemont  (hist.  4,  284).  Sie  ist  aber  nicht  vereinbar  mit  dem  Caesareninstitut, 
das  nichts  zu  schaffen  hat  mit  der  Reichsverwaltung  und  wesentlich  eine  Kron- 
prinzenstellung ist. 

6)  Bekanntlich  ist  nach  Zosimus  2,  32.  33  die  Prätorianerpräfectur  bis  auf 
Constantin  ungetheilt  und  doppelt  besetzt  {dvo  jijg  avXfjg  ovxmv  vjkxqxoov  xai  xrjv 

MOMMSEN,    SCHK.  VI.  19 


290  I^iß  diocletianische  Reichspraefectur. 

5.  Collegialische  Verwaltung  der  einzelnen  Präfectur,  wie  die 
frühere  Reichsordnung  sie  fordert,  ist  in  der  diocletianisch-constan- 
tinischen  ausgeschlossen;  das  Institut  ist  unbedingt  monarchisch 
geordnet,  ebenso  wie  die  Verwaltung  der  Diöcesen  und  die  der 
Provinzen.  "Wäre  dies  nicht  der  Fall,  wären  diese  obersten  Reichs- 
ämter häufig  in  Sammtverwaltung  gegeben  worden  so  könnten  Be- 
lege des  Zusammen-  oder  des  Entgegenhandelns  in  unserer  Ueber- 
lieferung  nicht  fehlen;  es  giebt  aber  dafür  kein  einziges  Zeugniss. 
Allerdings  begegnen  in  den  aus  dieser  Epoche  überlieferten  Ver- 
ordnungen nicht  selten  mit  einander  unvereinbare  Präfectendatirungen, 
die  man  oft  versucht  hat  durch  die  Annahme  einer  Simultanverwal- 
208  tung  mit  einander  auszugleichen  i.  Davon  aber  muss  unbedingt  ab- 
gesehen werden.  In  den  meisten  derartigen  Fällen  lässt  sich  mit 
den  heutigen  Hülfsmitteln  anderweitige  Abhülfe  treffen,  und  auch 
wo  dies  nicht  der  Fall  ist,  verbietet  sich  die  Anwendung  dieses 
schlechten  Nothbehelfs  durch  die  zerrüttete  Ueberlieferung  der 
Kaisererlasse ^,  denen  zu-  folgen  häufig  noch  viel  bedenklicher  ist 
als  sie  emendiren  zu  wollen.  Besondere  Erwähnung  verdient  ledig- 
lich das  collegium  praefecturae^  des  Vaters  Ausonius  und  seines 
Sohnes  Hesperius  im  Jahre  379;  dies  aber  besteht  einfach  darin, 
dass  in  diesem  Jahr  der  Vater  praefectus  praetorio  GaUiarum  war*, 

aQxrjv  xoivfj  fisraxsiQiCo/j-svcov),  von  da  an  getheilt  in  vier  monarchiscli  verwaltete 
Sprengel.  Seine  zweite  Präfectur  umfasst  das  gesammte  Illyricum,  wie  es  als 
Theil  des  Westreiches  bis  zum  Jahre  379  verwaltet  worden  ist;  er  irrt  also  darin, 
dass  er  für  die  monarchische  Umgestaltung  des  Amtes  anstatt  Diocletians  und 
für  die  Vierzahl  anstatt  des  Constans  beide  Male  den  Constantin  nennt. 

1)  Beispielsweise  hat  der  tüchtigste  Gelehrte ,  der  mit  diesen  Fragen  sich 
beschäftigt  hat,  Tillemont  dergleichen  Versuche  gemacht  für  das  Jahr  355 
(Lollianus  und  Taurus:  4,  682);  380  (Probus  und  Syagrius:  5, 168);  382  (Syagrius, 
Hypatius,  Flavianus:  5,  168.  720);  386  (Principius  und  Eusignius:  5,260);  896 
(Eusebius  und  Hilarius:  5,  792);  400  (Messala  und  Hadrianus :  5,  801).  Aber  er 
selbst  hat  zu  keinem  einzigen  der  angeführten  Fälle  rechtes  Vertrauen.  Mit 
voller  Bestimmtheit  hat  Seeck  (Phüologus  52  =  N.  F.  6  S.  449)  den  Satz  auf- 
gestellt, dass  bei  der  Reichspräfectur  häufig  Sammtverwaltung  eingetreten  ist, 
und  erstreckt  dies  auch  auf  die  niemals  collegialisch  verwaltete  Stadtpräfectur. 

2)  Beispielsweise  ist  nichts  gewisser,  als  dass  Caesarius  und  Eutychianus 
nicht  mit,  sondern  nach  einander  die  Reichspräfectur  verwalteten ;  aber  bei  der 
die  Ueberlieferung  am  meisten  schonenden  Annahme,  dass  der  Wechsel  397 
zwischen  Juli  13  und  September  14  eintrat,  sind  ein  Erlass  an  Caesarius  und 
sechs  an  Eutychianus  im  Datum  oder  anderweitig  fehlerhaft. 

3)  Ausonius  grat.  act.  2,  7  (und  dazu  Tillemont  5,  712  fg.;  Seeck  Symm, 
praef.  p.  CVII:  Hesperius  .  .  .  patrem  coUegam  accepit,  quocum  non  sdlum  Italiam, 
sed  Occidentem  integrum  una  administraret). 

4)  Dass  Ausonius,  als  er  jene  Dankrede  hielt,  lediglich  Gallien  zu  verwalten 
hatte,  sagt  er  an  verschiedenen  Stellen  (8,  40.  11,  52.  18,  82.  83).  —  An  ihn  ist 


Die  diocletianische  Reichspraefectur.  291 

der  Sohn  praefedus  praetorio  Illyrici,  Itdliae  et  Africae  '•.  Vater  und 
Sohn  waren  also  Collegen  in  der  Prätorianerpräfectur,  wie  der  Stadt- 
prätor College  des  peregrinischen  ist;  die  getheilte  Competenz  schliesst 
den  Begriff  der  Collegialität  nicht  aus, 

6.  Dass  titular  dem  Amte  zunächst  die  einfache  Bezeichnung 
geblieben  ist,  wurde  schon  bemerkt;  die  Verschiedenheit  der  beiden  209 
anfänglich  allein  fungirenden  Präfecten  mag,  wo  es  nöthig  war,  da- 
mals ausgedrückt  worden  sein  durch  den  Zusatz  per  Occidentem  und 
per  Orienteni  oder  Occidentis  und  Orientis,  welcher  in  dem  stabileren 
Ostreich  auch  später  beibehalten  worden  ist.  Dass  auch  Thrakien 
und  Aegypten  diesem  Beamten  unterstanden,  wird  titular  nicht 
hervorgehoben.  Als  dann  im  Westreich  die  Sprengeltheilung  aufkam, 
wurde  dem  Vorsteher  des  westlichen  Sprengeis  die  Bezeichnung  ^rae- 
fectus  praetorio  Galliaruni  gegeben,  wobei  Britannien  und  Spanien 
ebensowenig  mit  genannt  werden.  Das  übrige  Gebiet  wird,  wenn 
es  vereinigt  war,  vermuthlich  als  Illyricum  Italia  Africa  zusammen- 
gefasst^,  wenn  getheilt,  als  Italia  et  Africa  einer-,  Illyricum  anderer- 
seits bezeichnet  worden  sein.  Nach  dem  Uebergang  des  östlichen 
Illyricum  an  das  Ostreich  im  Jahre  379  führte  der  Präfect  des  öst- 
lichen Illyricum  den  Titel  pr.  pr.  Illyrici,  derjenige  der  östlichen 
Hälfte  des  Westreiches  den  Titel  praefectus  praetorio  Italiae  et 
Illyrici  oder  auch  Itdliae,  Illyrici  et  Africae^.  —  Indess  haftet  das 

in  diesem  Jahre  das  Schreiben  C.  Th,  8,  5,  35  gerichtet;  dass  er  hier  Auxonius 
beisst,  darf  nicht  irre  machen,  da  der  Dichter  im  Theodosianus  auch  als  Consul 
den  Handschriften  zufolge  stets  so  genannt  wird.  Fehlerhaft  ist  dies  freilich; 
der  griechische  Arzt,  der  in  Bordeaux  zwar  nicht  Latein  lernte,  aber  zu  Ansehen 
und  Reichthum  kam,  hat,  gewiss  mit  Rücksicht  auf  diese  Einwanderung,  in 
seine  Familie  die  Namen  Ausonius  und  Hesperius  eingeführt  und  nichts  gemein 
mit  dem  unter  Valens  im  Ostreich  thätigen  Prätorianerpräfecten  Auxonius; 
aber  die  constantinopolitanischen  Redactoren  des  Theodosianus  haben  die  Namen 
zusammengeworfen.  —  Wenn  der  Dichter  anderswo  (praef.  p,  3  Schenkl  und 
epiced.  in  patrem  p,  34)  sich  bezeichnet  als  praefectus  Gallis  et  Libyae  et  Latio, 
so  wird  damit  nicht  gesagt,  dass  er  diese  drei  Gebiete  zusammen  verwaltete. 
Er  hat  nach  der  gallischen  Präfectur  weiter  die  höhere  erhalten,  von  der  sich 
in  den  Rechtsbüchern  freilich  keine  Spuren  finden.  Eine  praefectura  duplex  per 
proirincias  praefccturarum  duarum  extensa  (Seeck  a.  a.  0.  p.  LXXX  not.  368)  ist 
■ein  Unding. 

1)  Wir  besitzen  eine  Reihe  von  Erlassen  an  den  pr.  pr.  Hesperius  aus  dem 
Jahre  379  (die  von  376.  377  sind  falsch  datirt,  da  sie  mit  dem  africanischen 
Proconsulat  desselben  collidiren),  von  denen  einer  (C.  Th.  13,  1,  11)  als  seinen 
Amtsbezirk  Italien  und  (das  westliche)  Illyricum  bezeichnet. 

2)  Ein  Beleg  für  diese  Titulatur  fehlt  bis  jetzt. 

3)  Die  Folge  der  Namen  wechselt:  in  der  Inschrift  des  Mamertinus  (S.  285 
A.  1)  steht  per  Italiam   et  Inlyrieum  pr.  pr.,   in  denen    des   Praetextatus   vom 

19* 


292  Die  diocletianische  Reichspraefectur. 

Vicekaiserthum  nur  an  den  beiden  mit  der  kaiserlichen  Hofhaltung 
verknüpften  Präfecturen  ^,  welche  in  dieser  Epoche  dadurch  aus- 
gezeichnet zu  werden  pflegen,  dass  der  Regel  nach  das  ordentliche 
Consulat  sich  an  dieselben  anschliesst.  Auch  in  der  Titulatur  tritt 
der  Vorrang  dieser  beiden  Stellen  insofern  zu  Tage,  als  sie  regel- 
mässig mit  dem  einfachen  Amtstitel  ohne  Beisatz  des  Sprengeis  be- 
zeichnet werden,  während  bei  den  secundären  von  Gallien  und 
lUyricum  der  Sprengel  nicht  leicht  fehlt '^.  —  Endlich  scheint  dies 
210  höchste  Reichsamt  nur  selten  durch  titulare  Verleihung  herabgewürdigt 
worden  zu  sein^.  

Zum  Schluss  mag  noch  hingewiesen  werden  auf  eine  Schrift, 
die,  wie  die  Vorrede  ausdrücklich  sagt,  die  gleichzeitigen  Ereignisse 
in  novellistischer  Form  schildert  und  von  der  Reichspräfectur  in  ihrer 

Jahre  387  theils  pr.  pr.  Italiae  et  lUyrici  C.  I.  L.  VI,  1778  [1779  =  Dessau  1259], 
theils  Illyrici  et  Italiae  VI,  1779».  In  diesen  Titulaturen  ist  Africa  weggelassen 
[es  erscheint  jedoch  in  der  des  Praetextatus  C.  I.  L.  VI,  1777  =  Dessau  1258: 
praef.  praetorü  Illyrici  Italiae  et  Africae] ;  dagegen  heissen  Nicomachus  Flavianus 
Vater  und  Sohn  C.  I.  L.  VI,  1783  [=  Dessau  2948]  pr.  pr.  Italiae,  Illyrici  et  Africae. 
Aehnlich  schwanken  die  Constitutionen,  wo  sie  ausnahmsweise  den  Sprengel 
zusetzen. 

1)  Dies  wird,  allerdings  nicht  titular,  ausgedrückt  durch  die  Bezeichnung 
praefectus  praetorio  praesens  (Ammian  14,  1,  10.  23,  5,  6,  umschrieben  20,  4,  8:  oö 
imperatore  nusquam  diiungi  debere  praefectum)  oder  qui  in  nostro  est  comitatu 
(Cod.  lust.  7,  62,  32). 

2)  Am  deutlichsten  tritt  dies  hervor  in  den  orientalischen  eodem  exemplo 
an  mehrere  Beamte  erlassenen  Constitutionen  (Theod.  6,  28,  8.  8,  4,  30),  welche 
den  praefectus  praetorio  schlechtweg  und  den  praefectus  praetorio  Illyrici  neben 
einander  nennen.  Aber  überhaupt  werden  in  den  Constitutionen  die  Neben- 
sprengel viel  häufiger  erwähnt  als  die  principalen,  obwohl  die  an  die  letzteren 
gerichteten  Erlasse  selbstverständlich  der  Zahl  nach  weit  überwiegen. 

3)  Flavius  Eugenius,  v.  c,  ex  praefecto  praetorio,  consul  Ordinarius  designattis, 
Magister  officiorum  omnium,  comes  domesticus  ordinis  primi  omnibusqae  palatinis 
dignitatibus  functus,  dem  Constantius  und  lulianus  eine  Statue  in  Rom  setzten 
(C.  I.  L.  VI,  1721  [=  Dessau  1244]),  wird  der  Günstling  des  Constans  sein,  der  bei 
Athanasius  (apol.  ad  Constantium  p.  526  Migne  vol.  26  p.  599)  fidyiatgog  und  auch 
bei  Libanius  (or.  pro  Aristoph.  I  p.  427  Reiske  [II  p.  90  Foerster])  genannt  wird. 
Dass  diese  Präfectur  eine  codicillare  war,  folgt  nicht  aus  dem  Fehlen  derselben 
in  unserer  keineswegs  vollständigen  Präfectenliste,  aber  daraus,  dass  die  wirklich 
bekleideten  Aemter  darin  ohne  vorgesetzte  Präposition  aufgeführt  werden.  — 
Weiter  sagt  Eunapius  (p.  100  Boiss.)  von  Libanius,  dass  ihm  nach  lulians  Tode, 
vermuthlich  von  Theodosius  (vgl.  Sievers  Lib.  p.  293),  diese  Würde  als  titulare 
angeboten  worden  sei  {rov  zfjs  avXijg  sjiagxov  fisxQi  JiQoatjyogiag  s'xsiv  exeXevev),  er 
aber  den  Titel  abgelehnt  habe.  —  Wo  sonst  ex  praefecto  praetorio  begegnet  (z.  B. 
C.  I.  L.  VI,  1170.  3866  [=  31968  =  Dessau  5791]),  bezeichnet  es  den  gewesenen 
Präfecten. 


Die  diocletianische  Reichspraefectur.  293 

Machtfülle  ein  Bild  von  seltener  Anschaulichkeit  vorführt.    Ich  meine 
den  Aegypter  des  Synesius. 

Dass  in  dieser  Erzählung  die  an  den  Namen  des  Gothenhaupt- 
manns  Gainas  sich  knüpfenden  constantinopolitanischen  Wirren  der 
Jahre  399  und  400  von  einem  Augenzeugen  geschildert  werden,  hat 
zum  Theil  nach  früheren  Yorgängern  Sievers  in  seinen  Studien  vor- 
trefflich entwickelte  Es  wird  zweckmässig  sein,  die  Umrisse  der 
Erzählung  insoweit  zu  skizziren,  als  dies  für  die  Chronologie  und 
die  Präfectenfolge  nothwendig  ist.  Das  Vicekaiserthum  des  römischen 
Ostreichs  tritt  hier  auf  als  Königthum  von  Aegypten.  Dieses  ist 
erledigt^;  die  Wahl  steht  zwischen  zwei  Brüdern,  welche  beide  211 
bereits  andere  hohe  Reichsämter  verwaltet  haben,  dem  älteren 
Typhos,  einem  Sünden-,  und  dem  jüngeren  Osiris,  einem  Tugend- 
bold, geschichtlich  nach  der  Vorrede  den  Söhnen  des  Taurus^,  von 
denen  der  jüngere  unzweifelhaft  Aurelianus  ist,  Stadtpräfect  von 
Constantinopel  im  Jahre  393,  Reichspräfect  in  der  zweiten  Hälfte 
des  Jahres  399,  Consul  im  Jahre  400,  Reichspräfect  abermals 
414 — 416*.  Die  Wahl  zum  Reichspräfecten  trifft  auf  ihn  und  es 
beginnt  damit  für  Aegypten  eine  goldene  Zeit.  Aber  der  schlimme 
Bruder  und  vor  allem  dessen  noch  schlimmere  Gattin,  erbittert  durch 
die  Zurücksetzung,  treten  in  Verbindung  mit  der  Gattin  des  Haupt- 
manns der  in  der  Hauptstadt  lagernden  skythischen  Miethstruppen, 

1)  S.  387  fg.  Darauf  hat  Seeck  (Philologus  52  =  N.  F.  6  S.  442  fg.)  weiter 
gebaut,  aber  wo  er  über  seinen  Vorgänger  hinausgeht,  meistentheils  mehr 
scharfsinnig  als  glücklich. 

2)  p.  93  D:  sjTsidr]  ovv  /ns&lotaaav  avtov  (den  König  =  Vater  =  Gott)  dsToi 
vöfioi  Tzagä  rovg  jusiCovg  ■&eovg.  Historisch  ist  diese  Vacanz  die  des  Sommers  399, 
bis  wohin  Eutychianus  als  Präfect  fungirt  und  Aurelianus  ihm  folgt.  Dass  die- 
selbe durch  den  Tod  des  Ersteren  herbeigeführt  wurde,  ist  wenig  wahrscheinlich, 
■weil  er  dem  Anschein  nach  im  Jahre  404  wiederum  zur  Präfectur  gelangt;  vor 
Allem  aber  ist  es  mehr  als  bedenklich  in  solchen  Einzelheiten  die  Novelle  ge- 
schichtlich zu  verwerthen. 

3)  Wenn  die  f^syalt]  dgxi^,  welche  dem  Vater  der  beiden  Brüder  beigelegt 
wird  (p.  90  B),  wie  es  scheint,  die  Reichspräfectur  ist,  so  wird  mit  Sievers  an 
den  pi\  praetorio  Taurus  gedacht  werden  müssen,  welchen  nach  dem  Tode  des 
Constantius  Julian  verbannte.  Indess  steht  im  Wege ,  dass  dieser  im  Occident 
zu  Hause  war  und  auch  sein  Sohn  Harmonius  dem  Hofe  Valentinians  angehörte 
(Johannes  Antiochenus  fr.  187).  Vielleicht  ist  auch  hier  in  den  Einzelheiten 
Tom  Original  abgewichen.  Im  Orient  begegnet  in  dieser  Epoche  kein  nainhafter 
Taurus. 

4)  Unmöglich  können,  wie  dies  Seeck  will,  die  Präfecturen  399  und  414 — 
416  auf  verschiedene  Personen  bezogen  werden.  Der  Aurelianus  Proconsul  von 
Asia  395  (Theod.  16,  5,  28)  ist  von  dem  Präfecten  verschieden ,  vielleicht',  Wie 
Gothofredus  vermuthet,  ein  Sohn  desselben.  •■  '  '        ■- 


294  I^iß  diocletianische  Reichspraefectur. 

welcher  selbst  damals  gegen  einige  abgefallene  Haufen  Krieg  führt. 
Gemeint    ist  Gainas    und    dessen  Sendung    gegen    die    aufständigen 
Föderaten  in  Asien  unter  Tribigildus.  Osiris  vermuthet  Einverständniss 
der  beiden  skythischen   Condottieri  und  plant  die  Abberufung  des 
Hauptmanns  und  sein  und  der  Seinigen  Verderben,  so  wie  die  Aus- 
treibung   der    skythischen  Föderaten    aus    der  Hauptstadt.     In  der 
That  berichten  auch  die  Historiker  zwar  nicht  von  Einverständnissen 
zwischen    den  gothischen  Offizieren  und   Vornehmen  Römern,    aber 
dieselben    passen  völlig    in   die    Sachlage   hinein,    und    ausdrücklich 
sagen   auch  sie,    dass  die   Reichsbehörden  Einverständniss  zwischen 
Gainas  und  Tribigildus  argwohnten.    Der  Hauptmann,  zu  dem  Typho» 
sich  begiebt,  geht  auf  den  Vorschlag  den  Osiris  zu  verderben  nur  in 
beschränkter  Weise  ein,   indem  er  dem  Reiche   selber  treu  bleiben 
212  und  nur  den  Osiris  selbst  schonend  beseitigen  will  (p.  110  D).    Osiris, 
von  der  drohenden  Haltung   der  Skythen  in  Kenntniss  gesetzt,  be- 
schliesst  sich  ihnen  auszuliefern  und  begiebt  sich  zu  diesem  Zweck 
auf  das  andere  Ufer  des  Flusses  zu  den  Skythen.     Typhos  fordert 
seine  Hinrichtung;   der  Skythe   aber   begnügt   sich  mit  Ausweisung, 
auf  kurze  Frist  und  lässt  ihm  sogar  sein  Vermögen  ^.    Dies  ist  wesent- 
lich  historisch:    Kaiser  Arcadius   begab   sich,    um   mit  Gainas  zum 
Ausgleich  zu  kommen,   persönlich  zu   diesem   über  den  Hellespont 
nach  Kalchedon  und   stellte   ihm   die  Führer   der  gothenfeindlichen 
Partei,    vor  Allem   den  Reichspräfecten  Aurelianus  zur  Verfügung, 
Gainas  aber  begnügte  sich  mit  der  Absetzung  und  der  Ausweisung 
des  Ministers.    Sein  Nachfolger  im  Amt  wird  Typhos  und  es  beginnt 
für   die  Unterthanen  eine   Zeit  des  Elends.     Bestimmt  hervor  tritt 
darin  nur  die  Ueberweisung  einer  orthodoxen  Kirche   an  die  aria- 
nischen    Skythen,    augenscheinlich    derjenige   Vorgang,    wobei    der 
Bischof  der  Hauptstadt  Johannes  Chrysostomus  den  Gothen  entgegen- 
trat.   Die  Hauptstadt  ist  in  der  Gewalt  der  Skythen  und  hat  schwer 
zu   leiden  unter  dem  Uebermuth  der  fremden  Söldner,    welche  ihi 
Hauptlager  ausserhalb  derselben  aufgeschlagen  haben.     Es  entsteht! 
während  ein  Haufen  der  in  der  Stadt  zerstreuten  sich  zum  Ausrücker 
sammelt,  ein  Strassenkampf  zwischen  diesen  Söldnern  und  den  Bürgern  I 
wobei   gegen  alles  Erwarten   diese   die  Oberhand  behalten  und  di< 
Thore  besetzen.     Vergeblich   versucht   Typhos    zwischen  dem  Voll 
und    den    vor    der    Stadt   lagernden    Skythen    zu    vermitteln;    seinj 
Macht  ist  im  Schwinden.    Als  dann  die  Skythen  zum  offenen  Krieil 

1)  Statt  der  q)vyri  begnügt  sich  der  Skythe  mit  der  fietdoraatg  (p.  IIIF 
und  Osiris  reist  ab  ;ußd»'ovff  et/uaQfisvovs  ixarijaö/ievog ;  gemeint  ist  eine  kui 
befristete  Verbannung. 


Die  diocletianische  Reichspraefectur.  295 

schreiten ,  verlangt  das  Yolk  die  Rückkehr  der  Verbannten ;  Typhos 
wird  verhaftet  und  entgeht  nur  durch  die  Fürbitte  des  Bruders 
schwerer  Bestrafung,  dieser  selbst  aber  wird  unter  dem  Jubel  der 
Bevölkerung  zurückgeführt  und  durch  die  eponyme  Magistratur 
geehrt.  —  Auch  dieses  alles  ist  wesentlich  geschichtlich.  Gainas 
begiebt  sich  nach  der  Zusammenkunft  in  Kalchedon  nach  Constan- 
tinopel  und  hat  eine  Zeitlang  dort  die  Macht  in  Händen;  aber  er 
verlässt  die  Hauptstadt  und  in  Folge  des  Strassenkampfes  beginnt 
er  mit  seinen  Mannschaften  den  Krieg,  welchen  schliesslich  am  Ende 
des  Jahres  400  Fravitus  zu  Gunsten  der  Reichstreuen  entscheidet. 
Diese  Vorgänge  fallen  der  Zeit  nach  in  die  zweite  Hälfte  des 
Jahres  399  und  die  erste  des  Folgejahrs  400.  Die  ,Königswahl  des  213 
Osiris',  das  heisst  die  Ernennung  Aurelians  zum  Reichspräfecten  ist 
sicher  datirt  dadurch,  dass  an  seinen  Vorgänger  Eutychianus  eine 
Reihe  sich  unter  einander  stützender  und  bis  zum  Juli  399  reichender 
Erlasse  vorhanden  sind,  während  zwei  an  ihn  gerichtete  datirte  vom 
August  27  und  October  2  desselben  Jahres  so  wie  glaubwürdige 
historische  Berichte^  beweisen,  dass  Aurelianus  Mitte  399  sein  Amt 
angetreten  hat,  was  vermuthlich  mit  dem  um  die  gleiche  Zeit  er- 
folgten Sturz  des  Eunuchen  Eutropius  zusammenhängt  2.  Die  Rück- 
berufung des  Osiris-Aurelianus  aus  der  Verbannung  wird  von  Synesius 
(p.  124  A)  datirt  durch  die  damit  verbundene  Uebertragung  des 
moivvfxov  ezog,  das  heisst  des  ordentlichen  Consulats  für  400,  welche 
füglich,  zumal  da  in  der  occidentalischen  Datirung  dieser  Consul  erst 
später  zur  Anerkennung  gelangt^,  mehrere  Monate  nach  dem  Neu- 
jahr stattgefunden  haben  kann.  —  Diese  Datirung  wird  dadurch 
bestätigt,  dass  nach  Synesius  selbst  die  Herrschaft  des  Typhos  nur 
einige  Monate   gewährt   hat*  und  dass  Synesius,   der  in  der  Schrift 

1)  Nach  Philostorgius  11,  6  wurde  die  in  die  zweite  Hälfte  des  Jahres  399 
fallende  Verurtheilung  des  Eutropius  von  dem  Reichspräfecten  Aurelianus  aus- 
gesprochen. Incorrect  sind  dagegen  von  den  an  Eutychianus  gerichteten  die 
drei  zusammenhängenden  (12,  163 — 165)  vom  December  399  und  von  den  an 
Aurelianus  gerichteten  die  vom  Jahre  393  Febr.  27  —  (12,  1,  131.  132)  —  396 
Oci  6  (4,  2,  1.  5,  1,  5)  —  399  Jan.  17  (9,  40,  17)  datirten. 

2)  Tillemont  5,  780.  Eutropius  verwaltet  der  Sache  nach  die  Reichs- 
präfectur  und  der  nominelle  Präfect  Eutychianus  wird  mit  ihm  gefallen  sein. 

3)  Meine  Chron.  min.  3,  525.  Darauf  gehen  auch  die  Worte  p.  124  C,  dass 
dem  rückkehrenden  Osiris  zu  Theil  wird  ijtiazazijoai  xf]  noXizeia  fieta  avv^fiaroe 
(isi^ovo?;  regelmässig  wird  dem  Reichspräfecten  bei  guter  Amtführung  das  Jahr- 
consulat  verliehen. 

4)  Das  Orakel  fordert  den  Synesius  auf  nicht  zu  verzagen:  ov  yaQ  hiavxovg 
aila  nfjvaq  e<pri  rov?  eifiagrovs  eivai.     Darauf  hat  schon  Sievers  hingewiesen. 


296  I^iö  diocletianische  Reichspraefectur. 

selbst  erklärt  den  hauptstädtischen  Wirren  bis  zum  Schluss  beigewohnt 
zu  haben  (p.  115  A),  nach  einem  seiner  Briefe  (ep.  61)  Constantinopel 
eilig  verliess,  ohne  von  dem  ,Consul'  Aurelianus  Abschied  nehmen 
zu  können^.  Damit  kann  noch  zusammengestellt  werden  die  enge 
Yerbindung,  in  welche  einer  der  Betheiligten,  der  Bischof  Johannes 
die  Verbannung  des  Aurelianus  mit  dem  Austritt  des  Gainas  aus  der 
214  Hauptstadt  bringt 2.  Diesen  zeitgenössischen  Zeugnissen  gegenüber 
fallen  chronologisch  die  Angaben  der  Historiker  wenig  ins  Gewicht; 
indess  auch  sie  sind  mit  denselben  kaum  in  Widerspruch.  Nach 
Marcellinus  hat  Gainas  die  Hauptstadt  bereits  im  Jahre  399  ver- 
lassen. Dass  Zosimus  in  dem  Bericht  über  die  Verbannung  des 
Aurelianus  ihn  als  Consul  bezeichnet,  ist  eine  leicht  entschuldbare 
Verschiebung^.  Die  sonst  über  die  Gainaswirren  vorliegenden  in 
sich  vielfach  abweichenden  Berichte  sind  mit  jenen  chronologischen 
Grenzen  vereinbar. 

Wir  wissen,  wie  der  Osiris  der  Novelle  geheissen  hat;  lässt  sich 
auch  der  wirkliche  Name  des  Typhos  ermitteln?  Sievers  hat  die 
Frage  verneint,  Seeck  sie  bejaht  und  sieht  in  ihm  den  Caesarius. 
Das  aus  den  theodosischen  Subscriptionen  sich  ergebende  Verzeichniss 
der  Reichspräfecten  des  Ostens,  das  allein  hierfür  in  Betracht  kommt, 
stellt  sich  für  diese  Jahre  folgendermaassen. 

400  Dec.  8  Caesarius  (1,  34,  1). 

401  Febr.  3  Caesarius  (8,  5,  62). 

402  — 

403  Jun.  14  Caesarius  (lust.  7,  41,  2). 

404  Febr.  3\ 

Jul.    14     Eutychianus  (15,  1,  42-16,  4,  6—16,  8,  15). 
Nov.  18/ 

405  Jun.  1 5  Eutychianus  (lust.  5,  4,  1 9). 

Wenn  Typhos  in  unserer  Präfectenliste  sich  findet,  so  ist  er  aller- 
dings der  Caesarius;  aber  dass  er  überhaupt  darin  auftritt,  ist  mit 
der  Erzählung  des  Synesius  nicht  vereinbar.  Sein  Prozess  und  seine 
Verhaftung  (p.  123B)  werden  erzählt  zugleich  mit  der  Uebertragung  des 

1)  Seeck  p.  459  ändert  freilich  vjiatov  in  vjtagxov. 

2)  Seine  Predigt  (vol.  3  p.  405  Montfaucon  =  Migne  Graec.  vol.  52  p.  413) 
ist  betitelt  ofiiXia  ö'rs  SaroQvTvo?  xai  Avgrjhavog  i^cogio&rjoav  xai  Faiväg  e^fjX^s 
rijs  nöXscog.  Diese  mit  der  gewöhnlichen  Darstellung  unvereinbare  Verbindung 
der  beiden  Vorgänge  hat  Tillemont  (5,  782'j)  beanstandet,  sicher  mit  Unrecht. 

3)  5,  18.  8.  Ihn  und  den  Saturninus  (Consul  883)  bezeichnen  Sokrates  (ß,  6) 
als  ajio  vjidrtov,  Sozomenus  (8,  4)  als  vjiazixovg.  Sie  alle  haben  nur  die  allge- 
meine Rangstellung  der  Männer  im  Sinn,  nicht  das  von  Aurelianus  zur  Zeit  der 
Auslief erung  verwaltete  Amt. 


Die  diocletianische  Reichspraefectur.  597 

Consulats  an  den  Bruder  (p.  124  A).  In  der  That  kann  seine  nur 
,nach  Monaten'  zählende  Machtstellung  unmöglich  auch  nur  bis  in 
den  December  des  Jahres  400  gedauert  haben,  geschweige  denn  in 
die  späteren  Jahre,  Es  kommt  hinzu,  dass  Caesarius,  dessen  Prä- 
fectur  für  die  Jahre  395/7  gesichert  ist,  in  den  Jahren  400/403  das-  215 
selbe  Amt  zum  zweiten  Mal  bekleidet  haben  würde;  dies  ist  an  sich 
möglich,  verträgt  sich  aber  in  keiner  Weise  mit  der  Annahme,  dass 
er  der  Typhos  der  synesischen  Novelle  sei.  Endlich  und  vor  Allem 
sind  jene  Angaben,  die  ihn  in  den  Jahren  400.  401.  403  zum  Prä- 
fecten  machen,  sämmtlich  vereinzelt  und  also  verdächtig;  wie  werth- 
voll  auch  die  Subscriptionen  da  sind,  wo  sie  sich  gegenseitig  stützen 
oder  sonst  Anhalt  finden,  so  häufig  führen  sie  andernfalls  als  Irr- 
lichter die  Forschung  in  den  Sumpf.  Man  wird  sich  also  mit  Sievers 
dahin  bescheiden  müssen,  dass  wir  den  unter  dem  Pseudonym 
steckenden  wirklichen  Namen  des  Typhos  ebenso  wenig  kennen, 
wie  die  Besetzung  der  Reichspräfectur  des  Ostens  während  der 
Jahre  400  bis  403  i. 

Aber  der  eigentliche  geschichthche  Werth  der  Novelle  liegt 
nicht  in  dem  Thatsächlichen,  das  sie  wiedergiebt,  zumal  da  bei 
diesem  doch  auch  der  Fiction  ein  grosser  Antheil  zuzuschreiben 
ist  —  man  erwäge  nur  die  Erzählung  von  der  öffentlich  und  nament- 
lich durch  die  verschiedenen  Priesterclassen  vollzogenen  Königswahl, 
in  deren  sehr  ausgeführtem  Detail  wohl  nur  die  Thatsache,  dass  die 
nicht  im  Reichsamt  stehenden  fremden  Offiziere  dabei  ausgeschlossen 
sind,  in  Uebertragung  etwa  auf  das  kaiserliche  Consistorium  eine 
reale  Bedeutung  haben  mag.  Dennoch  spricht  die  Schilderung  die 
lebendige  Sprache  der  Wirklichkeit.  Schon  die  Behandlung  des 
Amtes  selbst  als  Königthum  ist  charakteristisch.  Das  übergeordnete 
Kaiserthum    fehlt    in    der    Erzählung    nicht  2,    aber    es    ist    das    des  216 

1)  Nahe  Hegt  die  Annahme,  dass  Aurelianus  die  Präfectur  wieder  erhalten 
hat  und  man  könnte  damit  die  beiden  an  ihn  gerichteten  Erlasse  4,  2,  1  und 
5, 1,  5  in  Verbindung  bringen,  indem  man  die  als  solche  unhaltbare  Subscription 
Arcadio  A.  IUI  et  Honorio  A.  III  conss.  (396)  mit  Seeck  (S.  448)  ändert  in 
Arcadio  A,  V  et  Honorio  A.  V  conss.  (402);  die  Verbannung  und  die  Präfectur 
des  Typhos  wären  annullirt  und  Aurelians  Präfectur  als  fortbestehend  angesehen 
worden ,  da  Aurelianus  414/6  pr.  pr.  iterum  wird.  Aber  auf  corrigirte  Subscrip- 
tionen dürfen  geschichtliche  Hypothesen  nicht  aufgebaut  werden. 

2)  Es  ist  nicht  leicht  bei  Synesius  zu  scheiden ,  was  er  dem  Kaiser  und 
was  er  dem  Präfecten  zuweist,  zumal  die  Bezeichnungen  Vater,  Gott,  Priester, 
König  von  beiden  gebraucht  zu  werden  scheinen.  Aber  wenn  bei  der  populären 
^önigswahl'  der  ,König'  den  Ausschlag  giebt  (p.  95  A:  xäv  fikv  dyx<ofiakov  f]  rd 
nX^^og,   ßaailev?  ijiiyjT](piaag   ^aziga    ^legidi    naga  noXv  (xsXl^ov   noisi,    vgl.  p.96B) 


298  I^ie  diocletianische  Eeichspraefectur. 

Monarchen,  welcher  herrscht,  aber  nicht  regiert.  In  der  Hand  des 
Reichsverwesers  liegt  das  gesammte  Regiment,  Auflage  und  Nach- 
lass  von  Steuern,  Ertheilung  von  Immunitäten  und  Pensionen,  Rechts- 
pflege, Städtegründung,  Bauwesen,  überhaupt  die  Verwaltung.  Man 
wird  dabei  nicht  übersehen  dürfen,  dass  damals  der  Schwächling 
Arcadius  den  Thron  Constantins  einnahm;  bis  auf  einen  gewissen 
Grad  aber  hat  diese  Schilderung  dennoch  allgemeine  Gültigkeit. 


Anhangsweise  soll  hier  noch  die  Berichtigung  einer  Angabe 
Ammians  Platz  finden,  welche  mit  den  hier  behandelten  Fragen  in 
Zusammenhang  steht.  —  Als  Kaiser  Constantins  den  Kronprinzen 
lulianus  nach  Gallien  sendet,  stellt  er  ihm  als  Berather  oder  viel- 
mehr als  Vormund  den  Präfecten  von  Gallien  Florentius  und  später 
an  dessen  Stelle  den  Nebridius  an  die  Seite.  Wie  es  dann  zwischen 
Constantins  und  lulianus  zum  Bruch  kommt,  bleibt  Nebridius  dem 
Constantins  treu  (21,  5,  1t)  und  wird  also  von  lulian  verabschiedet. 
Discedens  lulianus  a  Uauracis,  erzählt  der  Historiker  weiter  (21,  8,  l),  j 
Sallusüum  praefectum  promotum  remisit  in  Gallias,  Germaniano  iusso 
vicem  tueri  Nebridii,  Nachdem  er  den  Tod  des  Constantins  und 
lulians  Ankunft  in  Constantinopel  berichtet  hat,  schildert  er,  Secundo 
Sallustio*)  promofo  praefecto  praetorio  (22, 3, 1),  die  Vorbereitungen  zum 
persischen  Feldzug  und  nennt  (23,  1,  1.  6)  als  Collegen  des  Kaiser» 
im  Consulat  363  den  Sallustius  praefectum  per  Gallias,  worauf  in  der 
weiteren  Erzählung  mehrfach,  vor  wie  nach  dem  Tode  des  Kaisers, 
der  Präfect  des  Orients  Sallustius  genannt  wird  (23,  5,  6.  25,  3,  14. 
21.  26,  5,  5).  Auch  Germanianus  wird  nach  lulians  Tod  als  Präfect 
von  Gallien  erwähnt  (26,  5,  5).  Diese  Erzählung  ist  in  sich  wider- 
sprechend.**) Wenn  Germanianus  an  die  Stelle  des  Präfecten  von 
Gallien  Nebridius  tritt,  so  kann  nicht  gleichzeitig  Sallustius  Präfect 
von  Gallien  geworden  oder  gar  dorthin  zurückgesandt  worden  sein; 
ebenso  wenig  kann  der  College  des  Kaisers  im  Consulat  ein  anderer 
sein  als  der  Präfect  des  Orients.  Augenscheinlich  hat  Ammian  sich 
hier  versehen  und  einen  Doppelgänger  in  die  Erzählung  eingeführt, 


und  wenn  das  Volk  den  ,grossen  Priester'  anfleht,  anstatt  des  Typhos  ihm  den 
Osiris  wiederzugeben  (p.  121 C) ,  so  kann  hier  nur  an  die  Kaisergewalt  gedacht 
sein.  Die  grosse  Rede  zu  Anfang  scheint  wesentlich  daraufhinauszulaufen,  dass 
die  Obergewalt  die  Menschen,  d.  h.  der  Kaiser  die  Minister  walten  lässt  und 
nur  in  besonderen  Fällen  eingreift. 

*)  [Vielmehr  Secundo  Salutio;  vergl.  S.  299  A.  **.] 
**)  [S.  jedoch  Seeck  die  Briefe  des  Libanius  S.  263.] 


Die  diocletianische  Reichspraefectur.  299 

welcher  nicht  oder  doch  nicht  in  dieser  Zeit  amtirt  hat.  Sallustius 
hat  laut  seiner  Ehreninschrift  (C.  I.  L.  VI,  1764  [=  Dessau  1255])  seine  217 
amtliche  Laufbahn  begonnen  als  Statthalter  von  Aquitanien  und 
beschlossen  als  praef.  praetorio  iterum.  Von  seiner  ersten  Reichs- 
präfectur  erfahren  wir  sonst  nichts  und  unmöglich  kann  sie  in  die 
valentinianische  Zeit  fallen;  er  kann  aber  die  Secundärpräfectur  von 
Gallien  wohl  vor  dem  Jahre  361  verwaltet  haben,  da  sie  häufig  die 
Vorstufe  zu  der  höheren  bildet.*)  Sallustius  als  Präfect  von  Gallien 
ist  also  bei  den  Jahren  362  und  363  zu  streichen.  Auch  die  Erlasse 
dieser  Zeit  kennen  nur  den  Sallustius  (oder  Secundus)  als  Präfecten 
des  Orients  in  den  Jahren  362  bis  366  und  den  Germanianus  als 
Präfecten  von  Gallien  in  eben  dieser  Zeit.**) 

*)  [Vgl.  Ges.  Sehr.  4  S.  549 '.] 
**)  [Die  obigen  Ausführungen  hat  Mommsen  in  dem  Aufsatz:  Sallustius- 
Salutius  und  das  Signum,  Hermes  37,  1902  S.  443  ff.,  der  in  den  Epigraphischen 
Schriften  zum  Wiederabdruck  gelangen  wird,  berichtigt;  dort  ist  nachgewiesen, 
daß  der  von  dem  Präfekten  Galliens  verschiedene  Präfekt  des  Orients  Salutius 
Secundus  hieß.] 


XV. 

Zu  der  Inschrift  von  Tropaea.*) 

114  Die  Inschrift  von  Tropaea  in  Medermoesien,  welche  die  Namen 

der  beiden  Präfecten  des  Praetorium  Petr(oniu8)  Annianus  und 
Jul(ius)  Julianus  nennt  [Mittheilungen  17  S.  109  n.  52  =  C.  I.  L.  III 
S.  n.  13734  mit  Mommsens  Kommentar],  ist  zusammenzustellen  mit 
dem  in  den  donatistischen  Acten  erhaltenen  Erlass  derselben  Be- 
amten ^  (ed.  Dupin  p.  293),  der  die  Inschrift  trägt:  Petronius  Annianus 
et  (luUus  ist  ausgefallen)  lulianus  Domitio  Celso  vicario  Africae  und 
die  Unterschrift:  IIIIh.Maias  Treviris.  Die  Zeitbestimmung  ergibt 
sich  theils  aus  den  anderweitig  für  den  Yicariat  des  Celsus  vor- 
liegenden Daten,  über  die  Pallu  de  Lessert  vicaires  et  comtes  d'Afrique 
p.  47  fg.  165  [und  fastes  des  provinces  africaines  II  p.  170  ff.]  ge- 
handelt hat,  theils  aus  der  sonst  bekannten  Reihe  der  praefecti  prae- 
torio.  An  Celsus  gerichtete  datierte  Rescripte  besitzen  wir  zwei,  das 
eine  (C.  Th.  9,  18,  \  =  C.  lust.  9,  20,  16)  vom  1.  Aug.  315,  das  andere 
(C.  Th.  1,  22,  1  =  lust.  1,  48,  1)  vom  11.  Jan.  (Aug.  nach  Just.)  316; 
er  ist  angetreten  nach  dem  1.  Aug.  314  und  abgetreten  vor  dem 
10.  Nov.  316,  da  für  beide  Daten  andere  Vicare  genannt  werden. 
Also  fällt  jener  die  Donatisten  betreffende  Erlass  zwischen  diese 
beiden  Tage  und  demnach  auch  die  Function  jener  Präfecten  in  die 
gleiche  Zeit.  Andrerseits  kennen  wir  aus  diesen  Jahren  folgende 
praefecti  praetorio^: 


*)    [Archaeologisch  -  epigraphische   Mittheilungen    aus   Oesterreich- Ungarn 
17  (1894)  S.  114—116.] 

1)  ed.  Dupin  p.  293  [s.  oben  S.  285  A.  2].     Die  leichtfertige  Verdächtigung  | 
dieses  Documentes  durch  Seeck  (Anfänge  des  Donatismus   in  der  Zeitschrift  für 
Kirchengeschichfce  Band  X  S.  551)  ist  bereits  mehrfach  von  deutschen  und  fran-| 
zösischen  Gelehrten  abgewiesen  worden  und  kann  nach  Auffindung  der  correlatenj 
Inschrift  bei  Seite  gelassen  werden.  | 

2)  Der  Erlass  C.  Th.  8,  4,  1  an  den  ppo  Constantius  ist  nicht  vom  28.  Aprilj 
815,  sondern  sicher  erst  nach  Licinius  Sturz  ergangen.  1 


Zu  der  Inschrift  von  Tropaea.  301 

Euagrius  nach  den  Erlässen  aus  Naissus  18.  Sept.  (C.  Th.  14, 18, 1) 
und  Murgillum  18.  Oct.  315  (C.  Th.  16,  8,  1),  also  sicher  auf 
Constantin  zu  beziehen. 

Leontius  26.  Juli  317  (C.  Th.  9,  22,  1)  ohne  Ortsangabe,  aber 
wahrscheinlich  auch  constantinisch. 

Rufinus,  seit  27.  April  310  als  Präfect  Constantins  öfter  genannt. 

Da  neben  Annianus  und  Julianus  für  einen  dritten  Präfecten  des  115 
Westreichs  kein  Raum  ist,  so  kann  die  Inschrift  von  Tropaea  mit 
gutem  Grund  in  die  Epoche  zwischen  18.  Oct.  315  und  26.  Juli  317 
gesetzt  werden.  Dass  die  Caesaren  in  derselben  nicht  genannt 
■Werden,  macht  es  wahrscheinlich,  dass  sie  vor  dem  1.  März  317 
gesetzt  ist. 

Bemerkenswert  ist  auch,  dass  von  den  beiden  Präfecten  der 
erste  allein  senatorischen  Rang  hat;  der  zweite  dagegen  die  alte 
Rangbezeichnung  dieser  Beamten  vir  eminentissimus  führt.  Hirsch- 
feld (Verw.  Gesch.  I,  235  [2.  Aufl.  S.  483  A.  3;  vgl.  8.  456])  hat 
bereits  gezeigt,  dass  die  Präfecten  nach  Alexander  bald  der  einen, 
bald  der  anderen  Rangclasse  angehört  haben;  dies  dürfte  der  späteste 
Beleg  für  die  letztere  sein. 

Wichtiger  als  für  die  Beamtenchronologie  sind  die  beiden 
Documente  für  die  Frage  nach  der  Competenz  der  praefecU  prae- 
torio.  Bekanntlich  fungieren  diese  höchsten  Reichsbeamten  in  der 
früheren  Kaiserzeit,  sofern  ihrer  mehrere  sind,  wenigstens  formal 
ohne  getrennte  Competenzen,  dagegen  im  vierten  Jahrhundert  und 
später  mit  örtlich  geschiedenen  Sprengein.  Man  hat  sich  gewöhnt 
diese  letztere  Ordnung  bereits  für  die  constantinisch e  Zeit  anzu- 
nehmen und  es  spricht  dafür  allerdings,  dass  schon  in  dieser  Zeit 
sämmtliche  in  die  Gesetzsammlungen  aufgenommenen  Erlässe  nur 
einen  praefectus  praetorio  nennen.  Indes  die  Inscriptionen  derselben 
sind  alle  stark  verkürzt  und  auch  die  spätere  Gestaltung  des  Amtes 
kann  darauf  eingewirkt  haben.  Die  beiden  hier  behandelten  von 
diesen  Compilationen  unabhängigen  Documente  scheinen  im  Gegen- 
theil  zu  beweisen,  dass  wenigstens  in  den  ersten  Jahren  Constantins 
zwei  Präfecten  ohne  formell  geschiedene  Competenz  amtiert  haben. 
iDenn  der  Erlass  in  Sachen  der  Donatisten  ist  aus  Trier  datiert  und 
betrifft  Africa,  die  Inschrift  von  Tropaea  betrifft  Illyricum;  da  in 
beiden  dieselben  Präfecten  genannt  werden,  so  scheinen  die  beiden 
^räfecturen,  wie  wir  sie  später  im  Westen  finden,  von  Illyricum, 
[talien  und  Africa  einer-  und  von  Gallien  andererseits  damals  noch 
licht  bestanden  zu  haben.  Dass  im  Jahre  341  drei  Präfecten  neben- 
iinander  amtierten,  zwei  für  die  eben  genannten  beiden  Theile  des 


302  Zu  der  Inschrift  von  Tropaea. 

Westreichs  und  einer  für  das  Reich  des  Ostens,  habe  ich  vor  kurzem 
bei  Herausgabe  der  Inschrift  von  Traiana  in  Thrakien  (C.  I.  L,  III 
S.  12330)  gezeigt;  also  fällt  die  Umgestaltung  des  obersten  Reichs- 
amtes zwischen  316  und  341.  Die  nähere  Begrenzung  zu  versuchen 
würde  hier  zu  weit  führen;  es  wird  dies  wesentlich  davon  abhängen, 
wann  zu  dem  Präfectentitel  die  geographische  Determination  hin- 
zutritt. 

Allerdings  kommen  auch  in  der  Epoche  der  getrennten  Prä- 
fectensprengel  gemeinschaftliche  Erlässe  mehrerer  Präfecten  einzeln 
116  vor.*)  Ich  kenne  deren  zwei:  den  Erlass  in  Sachen  der  Nestorianer 
(Mansi  5,  416)  mit  dem  Präscript  0Mßiog  'Av^ejuiog  'loidcogog  ^Xr]o- 
ßaooog  (?)  xal  0Mßiog  2!ijU7tUxiog  'PrjyTvog  ol  enagy^oi  keyovoi^  zu- 
sammenzustellen mit  der  Verordnung  vom  29.  Januar  435,  welche 
unter  anderen  Beamten  geschickt  ward  Isidoro  pf.  p.  ißrientis,  auch 
sonst  oft  erwähnt),  Begino  pf.  p.  Illyrici  ^ ;  und  den  aus  Rom  29.  April 
(473  oder  474)  datierten,  auf  Befehl  des  neuen  Kaisers  Glyceriu 
ergangenen  Erlass  gegen  die  Simonie  (Haenel  corpus  legum  p.  260)' 
mit  dem  Präscript  Felix  Himelco  pp.  (nach  einem  anderen  Erlassj 
des  Glycerius  vom  11.  März  473  praefedus  praetorio  Italiae),  Dioscuru 
(in  dem  oströmischen  Erlasse  des  Jahres  472  und  wohl  auch  de; 
Folgejahre  mehrfach  als  praefedus  praetorio  ohne  Zweifel  des  Oriens 
genannt),  Aurelianus  Profadius  vv.  cc.  pp.  dd.  (=  dicunt).  Indes  bei 
dem  ersten  dieser  Erlässe  erklärt  es  sich  aus  dem  Gegenstand,  dass 
die  beiden  Präfecten  sich  dazu  vereinigten;  bei  dem  zweiten  dürften 
auch  ausserordentlicherweise  die  Präfecten  des  Reiches  sich  zu 
sammengethan  haben,  um  die  universitas  vor  jenem  Missbrauch  ab 
zumahnen,  wobei  das  vielleicht  nur  fictive  Auftreten  des  Präfectei 
des  Oriens  in  einem  Erlass  des  "Westreichs  wohl  in  den  damal 
bestehenden  besonderen  politischen  Yerhältnissen  seine  Erklärung 
finden  wird.  An  regelmässiges  Zusammenwirken  der  praefecti  prae 
torio  nach  Constantin  kann  nicht  gedacht  werden.  Dass  auch  nac' 
Theilung  der  Sprengel  eine  solche  Gemeinschaftlichkeit  möglich  un 
statthaft  war,  versteht  sich  von  selbst  und  wird  auch  durch  jen 
Inschrift  vom  J.  341  bestätigt. 

*)  [S.  oben, S.  285.] 

1)   Auch   der  gleichartige  Erlass  vom  Jahre  448   (Mansi  5,  420)  vrird  b 
zeichnet  als  didzay/^a  nQots&sv  naqä  rcöv  ejiaQ/cov. 


XVI. 

Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammt- 
herrschaft  in  ihrem  titularen  Ausdruck.*) 

Wenn  ich  auf  die  vor  Kurzem  in  dieser  Zeitschrift  [Hermes  17]  523 
(S.  251  f.)  von  Gardthausen  behandelte  Inschrift  aus  Medermoesien 
(C.  I.  L.  III,  6159  [=  7494  =  Dessau  770])  zurückkomme,  so  geschieht 
es  hauptsächlich,  um  den  Lesern  dieser  Blätter  zur  Kenntniss  zu 
bringen,  was  sonst  vielleicht  manchem  entgehen  könnte,  dass  die 
Wiederauffindung  des  Steins  und  die  Richtigstellung  des  Textes  dem 
Streit  über  die  Beziehung  der  Inschrift  ein  Ende  gemacht  und  ein 
durchaus  unerwartetes  Resultat  ergeben  hat.  Sie  ist  weder  von  Con- 
''  stantinus  I  noch  von  Constantius  II  gesetzt,  sondern  von  Kaiser  Yalens. 

Diese  Feststellung  ward  Herrn  Tocilescu  in  Bukarest  verdankt, 
der  mit   ebenso   grossem  Eifer  wie  Geschick  die  Alterthümer  jener 
jso   lange    vernachlässigten    Landschaften    durchforscht    und    in    den 
I 'archäologisch -epigraphischen    Mittheilungen    aus    Oesterreich'    vor 
'kurzem    (Jahrg.  6   S.  47  f.)    die    Inschrift    in    abschliessender  Weise 
veröffentlicht    hat.     Der    nach    seinen    Untersuchungen    nicht,    wie 
Desjardins  angab,  in  Daieni  (Dojani),  sondern  10  Kil.  weiter  strom- 
aufwärts in  den  Ruinen  Hassarlik   oder  richtiger  Hissarlik  bei  Gir- 
liciu  (Gerlitza),   wahrscheinlich   den  Resten   des  römischen  Castells 
Cius^,    gefundene,   jetzt    im  Bukarester  Museum    aufgestellte  Stein 


,         *)  [Hermes  17,    1882  S.  523  — 544  mit  Nachtrag  S.  649.   —  Vgl.    0.  Seeck, 

|Hermes  18,  1883  S.  150  ff.] 

I  1)  Erwähnt  wird  Cius  oder  Cium  im  antoninischen  Itinerar  p.  224  (Cio) 
i*  jund  in  der  Notitia  imperii  Orientis  (39,  14  Seeck:  euneus  equitum  Stablesianorum 
Cm),  Nach  den  in  jenem  angegebenen  Massen  folgt  nach  Carsus  (Hirsowa)  strom- 
abwärts Cius  bei  Hissarlik,  sodann  Beroe  oder  Biroe  bei  Ostrowa  und  das 
Legionslager  von  Troesmis  bei  Iglitza.  Daieni  liegt  zwischen  Hissarlik  und 
Ostrowa  in  gleicher  Entfernung  von  beiden.  —  Für  die  topographischen  An- 
Jetzungen  habe  ich  Kieperts  Rath  einholen  können. 


304         Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römisclie  Sammtherrachaft. 

giebt,  nach  richtiger  Lesung,  folgenden  Text,  dem  ich  gleich  die 
Supplemente  beisetze,  so  weit  sie  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit 
vorgeschlagen  werden  können: 

524  [D.  n.  invictissimus  princeps  Fl.  V]alens  victor  maximus  triumfator 
[semper  Aug.  in   fidem  recepto  rege  Athan]arico,  victis  superatisque 

Gothis, 
[ingruente  item  in  victorias  illa\s  tempore  feliciter  quinquennaliorum 

[ hunc  hurgum]  ob  defensionem  rei  puhlicae  extruxit 

5   [labore devotissi]morum  militum  suorum  Primanorum 

[et commissor]um  eure  Marciani  trih.  et  ürsicini  p(rae)- 

p(ositi)  semp(er)  vestri 
[ordinante  Fl.]  Stercorio  viro  clarissimo  duxie. 
Die  einzige  wesentliche  Abweichung  dieser  Herstellung  von  der- 
jenigen,  welche  Tocilescu  vorschlägt,    besteht  darin,   dass  er  noch, 
eben  wie  früher  ich   und  neuerdings  Gardthausen,   festhält  an  deraji 
Vorschlag  Reniers  felici  und  ter  zu  trennen  und  also  ter  quinquen- 
naliorum zusammenzunehmen.     Aber  sprachlich  nöthigt  dazu  nichts; 
ja  für  die  Bezeichnung  ter  quinquennalia  giebt  es  keine  genügende- 
Analogie  ^  und  man  würde  vielmehr  quindecennalia  erwarten.    Ande- 
rerseits ist   die  Einschiebung  von  feliciter  in    einen   derartigen  Satz' 
dem  Sprachgebrauch   dieser  Zeit  wohl   angemessen;   so   heisst  es  im 
einer  Yerordnung  vom  J.  4^0^:    ex  quarta   decima  feliciter  futura 
indictione.     Danach   stellt   sich   die  Zeit   der  Inschrift  nicht  in  den 
Anfang  des   J.  378,   sondern  um   das  J.  368.     In   der  That  ist  die 
erstere  Ansetzung  mit  den   geschichtlichen  Vorgängen  nicht  in  Ein- 
klang zu  bringen.     Man  mag  zugeben,  was  Tocilescu  annimmt,  dass 
die    'Besiegung    der    Gothen'    auf   die    Schlacht    bei    Babadagh    im 
J.  377   bezogen  werden   kann,    obwohl   der  Ausgang  derselben  min- 
destens zweifelhaft  war.     Aber  nach  dieser  Schlacht,  die  unfern  vor 
Hissarlik  geliefert  ward^,  hatten  sich  die  Römer  nach  Marcianopolii 
zurückgezogen    und   das   Schlachtfeld   den  Gothen  überlassen;   bah 
nachher  gingen   diese    wieder  vor   und  überschwemmten  die   ganzi 

525  thrakische   Diöcese;    die   Entscheidungsschlacht,    in   der   die   Röme 
vollständig  unterlagen  und  Kaiser  Valens  selbst  den  Tod  fand,  wan 


1)  Octava,  nona  quinquennalia  findet  sich  wohl  (Marcellinus  Comes  zu  de 
J.  439.  444),  nicht  aber  die  fragliche  Verbindung;  und  votis  X.V  auf  den  Münze 
von  Valens  und  Gratian  kann  doch  nur  quindecennalibus  gelesen  werden. 

2)  C.  Th.  11,  28,  6,  1.  j 

3)  Die  Station  ad  Salices  liegt  nach  dem  Itinerar  fünf  deutsche  Meilf 
nordwärts  von  Istros  auf  der  Strasse  nach  Noviodunum  (Isaktscha)  bei  de: 
heutigen  Babadagh,  ungefähr  acht  deutsche  Meilen  östlich  von  Hissarlik.         , 


Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Samtntherrschaft.         305 

am  9.  Aug.  378  bei  Hadrianopolis  geschlagen.  Unmöglich  können 
die  Römer  einige  Monate  vorher  ein  Castell  bei  Hissarlik  erbaut 
haben.  Dagegen  passt  diese  Anlage  gut  für  den  Gothenkrieg  der 
Jahre  367 — 369  ^  Diesen  begann  Valens  im  Frühjahr  367  und  über- 
schritt die  Donau,  ohne  "Widerstand  zu  finden;  die  Gothen  zogen 
sich  zurück  und  wurden  von  den  römischen  Streifpartien  verfolgt. 
Im  J.  368  gelang,  angeblich  wegen  der  Gewalt  des  Stromes,  es  den 
Römern  nicht  denselben  zu  überschreiten;  Valens  blieb  den  Sommer 
über  bei  dem  'Dorf  der  Carpen'  ^  und  brachte  den  Winter  in  Mar- 
cianopolis  zu.  Im  dritten  Jahre  (369)  wurde  die  Donau  bei  Novio- 
dunum  (Isaktscha)  auf  einer  Schiffbrücke  überschritten,  die  weit 
landeinwärts  wohnenden  Greuthungen  zu  Paaren  getrieben  und  der 
mächtigste  der  Häuptlinge  in  diesem  Gebiet,  der  Fürst  (iudex)  der 
Thervinger  Athanaricus,  im  Kampfe  überwunden  und  in  die  Flucht 
getrieben,  worauf  der  Kaiser  wieder  nach  Marcianopolis  ins  Winter- 
quartier ging.  Hier  wurden  die  Friedensbedingungen  festgestellt 
und  von  Valens  und  Athanarich,  die  auf  der  Donau  selbst  zu  Schiff 
zusammenkamen,  persönlich  bestätigt,  worauf  jener  nach  Constan- 
tinopel  zurückkehrte.  Es  bedarf  der  Auseinandersetzung  nicht,  dass 
die  Errichtung  eines  Castells  in  Hissarlik  sich  in  diesen  Krieg  vor-  526 
trefflich  einfügt;  die  Provinz  Scythia  war  durchaus  in  demselben  die 
Basis  der  römischen  Operationen  und  in  ungestörtem  Besitz  der 
römischen  Armee.  Ebenso  wird  die  Ergänzung,  die  auch  Tocilescu 
sich  darbot,  [fugato  rege  Athan]arico  nicht  füglich  abgelehnt  werden 

1)  Ausser  dem  zuverlässigen  Bericht  Ammians  27,  5  und  dem  chronologisch 
minder  genauen,  im  wesentlichen  aber  übereinstimmenden  bei  Zosimos  4,  10.  11, 
können  wir  diesen  Gothenkrieg,  da  Valens  ihn  persönlich  geführt  hat,  chrono- 
logisch ziemlich  genau  verfolgen  an  den  Daten  seiner  Erlasse  [s.  jetzt  Mommsen 
Prolegom.  zum  Cod.  Theod.  p.  CCXLIff.]: 

Marcianopolis  367  Mai  10  (C.  Th.  12,  18,  1).  30  (11,  17,  1). 

Dorostorum  367  Sept.  25  (10,  1, 11.    12,  6,  14). 

Marcianopolis  368  Jan.  31  (7,  13,  2).  März  9  (10,  17,  2).  Aug.  1  (11,  30,  35). 
Nov.  12  (11,  24,  2).  18  (7,  6,  2).  Dec.  13  (10,  20,  4).  In  Folge  der 
Verwechselung  des  Datums  Valentiniano  II  et  Valente  II  cos.  mit  Valen- 
tiniano  et  Valente  cos.  (vgl.  Krüger  comm.  Mommsen.  S.  76  f.)  sind  diese 
Verordnungen  meistens  unter  die  des  J.  365,  eine  (11,  24,  2)  in  das 
J.  370  {Valentiniano  III  et  Valente  III  cos.)  gerathen. 

Marcianopolis  369  März  11  (9,  21,  7).  (Das  Datum  Antiochia  Apr.  30  C.  Th. 
10,  19,  5  muss  verschrieben  sein.)    Mai  3  (7,  4,  15). 

Noviodunum  369  Juli  3  oder  5  (10,  16,  2.  10,  21,  1). 

Marcianopolis  369  Dec.  11  (10,  10,  11). 

Constantinopolis  369  Dec.  29  (5,  1,  2). 

2)  Die  Lage  lässt  sich  nicht  genau  bestimmen.  Vgl.  Zeuss  die  Deutschen 
S.  699. 

MOMMSEN,    SCHR.  VI.  20 


306        Diß  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft. 

können,  nachdem  es  feststeht,  dass  die  Inschrift  auf  den  ersten 
Gothenkrieg  des  Valens  zu  beziehen  ist,  in  welchem  dieser  Gothe 
die  erste  Rolle  gespielt  hat. 

Allerdings  bleibt  in  Betreff  der  genauen  Zeitbestimmung  eine 
Schwierigkeit.  Da  der  Regierungsantritt  Valentinians  am  26.  Febr. 
364  stattfand,  so  läuft  das  fünfte  Regierungsjahr  der  beiden  Brüder 
vom  26.  Febr.  368  bis  dahin  369.  Dass  die  Quinquennalien  am 
Anfang  desselben  gefeiert  worden  sind,  ist  wahrscheinlich  ^.  Dagegen 
fällt  die  Besiegung  der  Gothen  und  namentlich  die  Ueberwindung 
des  Athanarich  erst  in  den  Sommer  des  J.  369,  also  auf  alle  Fälle 
später  als  die  Feier  der  Quinquennalien.  Indess  hebt  sich  dieses 
Bedenken  in  der  That  schon  dadurch,  dass  bei  der  lückenhaften 
Beschaffenheit  der  Inschrift  nicht  sicher  erhellt,  in  welche  Verbindung 
die  Quinquennalien  mit  der  Besiegung  des  Athanarich  gebracht 
sind.  Trifft  die  oben  gegebene  Restitution  im  Allgemeinen  das 
Richtige,  so  ist  das  Castell  von  Hissarlik  bei  oder  bald  nach  Be- 
endigung des  Gothenkrieges  im  J.  369  erbaut  und  wird  in  der 
Inschrift  rückblickend  sowohl  der  kriegerischen  Erfolge  wie  der 
Quinquennalien  gedacht.*) 

Im  Uebrigen  ist  über  die  Inschrift  wenig  zu  bemerken.  Es 
fehlt  viel,  wahrscheinlich  die  volle  Hälfte,  so  dass  an  eine  den  Wort- 
laut treffende  Ergänzung  überall  nicht  gedacht  werden  kann.  — 
Z.  1 .  2  habe  ich  nach  der  damals  üblichen  Titulatur  gestaltet ;  imp. 
527  Caesar  ist  in  dieser  Zeit  beinahe  verschwunden,  dagegen  kann  neben 
Augustus  das  semper  nicht  wohl  fehlen.  Die  Ergänzung  [cum  rege 
Äthan]arico  ist  deswegen  vermieden,  weil  dergleichen  Beisätze  nicht 
schicklich  vor  dem  Hauptsatz  stehen  können.  —  Z.  6  bin  ich  Toci- 
lescu  gefolgt,  dessen  Ergänzung  sich  stützt  auf  die  in  einer  gleich- 
zeitigen Inschrift  von  Enns^  vorkommende  Wendung  milites  ....  cure\ 
eins  commissi.    Zu  Anfang  von  Z.  6  mag  wohl,  wie  ich  auch  früher 


1)  Es  entspricht  das  "dem  Gebrauch  dieser  Zeit  (Eckhel  8,  482)  und  findet 
auch  Anhalt  in  dem  bei  Gelegenheit  des  Festes  gehaltenen  jiEvxastrjQixög  des 
Themistios:  si'QTjzai,  ist  dazu  bemerkt,  im  xijg  atsvrasztjQiSog  iv  MaQxiavovnöXsi. 
Dies  passt  an  sich  auf  den  Winter  367/8  ebenso  wie  auf  den  Winter  368/9;  aber 
der  Inhalt  schickt  sich  besser  für  den  ersteren.  Es  ist  darin  die  Rede  von  dei| 
Niederwerfung  des  Prokopios  (p.  110  d)  und  weitläufig  von  den  zur  Erleichterung  j 
der  Steuerlast  getroffenen  Anordnungen  (p.  112  f.),  aber  der  Gothenkrieg  erscheimi 
mehr  in  Vorbereitung  als  eigentlich  begonnen  (p.  113  b :  rjvixa  im  Sxv&ag  axQa\ 
XEvsi  ßaaiXevg ,  rjvlxa  iyeiQsi  jiöXEfxov  a.HQaiq)vfj,  ferner  p.  116  a:  siQcbtjv  eidov  iyö, 
atQatiäv  (läXXov  x^Qov  navrog  rjoxrjfisvrjv), 

*)  [Dagegen  Seeck  a.  a.  0.] 

2)  C.  I.  L.  III,  5670  a  [=  Dessau  774].  j 


Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft. '       307 

schon  vermuthet  hatte,  ein  zweiter  Truppenkörper  gestanden  haben; 
ob  aber  gerade  der  nach  der  Notitia  in  Cius  gamisonirende  cuneus 
equitum  Stahlesianorum ,  ist  um  so  weniger  sicher,  als  bei  dem  da- 
maligen Kriegszustand  der  Provinz  auf  die  regelmässigen  Garnisons- 
,  Verhältnisse  für  die  Ausführung  solcher  Bauten  wenig  Gewicht  gelegt 
werden  kann.  Darum  muss  es  auch  unentschieden  bleiben,  ob  die 
in  Z.  5  genannten  Primarii  die  Soldaten  der  I  lovia  oder  der  /  Italica 
sind,  da  beide  in  dieser  Gegend,  jene  in  der  Provinz  Scythia,  diese 
in  Moesia  secunda  in  Garnison  standen.  Von  den  beiden  nachher 
genannten  Offizieren,  einem  trihunus  und  einem  praepositus,*)  passt 
nach  regelmässiger  Ordnung  zu  der  Legion  eigentlich  keiner.  Die 
Tribüne  dieser  Zeit,  so  weit  sie  der  Feldarmee  angehören  ^,  sind  die 
Befehlshaber  der  Cohorten.  Die  ihnen  im  Rang  im  Allgemeinen 
nachstehenden  2  praepositi  scheinen  auch  in  dieser  Epoche  wie  in 
der  früheren  eine  feste  Stellung  in  der  militärischen  Hierarchie 
nicht  gehabt  zu  haben,  sondern  der  Ausdruck  entweder  das  Com- 
mando  einer  kleineren  Truppe  überhaupt  oder  das  ausserordentliche 
einer  solchen  zu  bezeichnen^.  Vermuthlich  also  sind  Marcianus  und 
Ursicinus  nicht  zu  fassen  als  die  regelmässigen  Vorgesetzten  der  mit  528 
dem  Castellbau  beauftragten  Abtheilungen,  sondern  als  besonders 
für  dieses  Geschäft  abcommandirte  Offiziere  niederen  Grades.    Dass 


*)  [S.  oben  S.  274  ff.] 

1)  Die  tribuni  scholarum  kommen  für  unsere  Inschrift  nicht  in  Betracht. 

2)  Dies  zeigt  unsere  Inschrift  bestimmter  als  irgend  ein  anderes  Zeugniss. 
Auch  in  der  Verordnung  C.  Th.  11,  18,  1  schliesst  die  Aufzählung  der  Offiziere 
in  absteigender  Reihenfolge  mit  den  tribuni  vel  praepositi  miUtares,  und  ebenso 
heisst  es  C.  Th.  12,  1, 113 :  admonitis  vv.  cc.  ducibus  tribunis  praepositis,  das. 
7,  9,  2:  comites  vel  tribuni  aut  praepositi  und  7,  4,  36:  tribuni  sive  comites  vel  prae- 
positi numerorwn,  wobei  man  sich  an  die  Gleichstellung  der  tribuni  und  der 
comites  minores  (C.  Th.  7,  11)  zu  erinnern  hat. 

3)  Allgemein  steht  pi'aepositus  und  praepositura  C.  Th.  7,  9,  1.  7,  21,  2. 
S,  7, 11,  oftmals  zusammen  mit  tribunus  (C.  Th.  7,  1,  2:  a  tribuno  vel  praeposito; 
7,  1,  10:  tribunis  suis  sive  praepositis ;  7,  4,  1:  tribunos  sive  praepositos;  7,  12, 1: 
ne  cui  praepositorum  vel  dectirionum  vel  tribunorum  cohortium).  Daher  finden 
wir  es  auf  verschiedenartige  Truppen  bezogen;  so  nennt  die  Not.  Dign.,  die  im 
Ganzen  das  nicht  technische  Aushülfswort  vermeidet,  einzeln  praepositi  für 
milites,  equites,  numeri  (Seeck  im  Index  p.  306),  Ammian  26,  5,  6  einen  praepositus 
Martensium,  die  Inschriften  einen  praepositus  legionis  primae  Martiorum  (C.  III, 
3653  [=:  Dessau  775]),  aber  auch  der  equites  Dälmatae  Aquesiani  (C.  III,  5565 
[=  Dessau  664]),  der  milites  auxiliares  Lau/riacenses  (C.  III,  5670  a  [=  Dessau  774]), 
der  milites  Histrici  (C.  III,  3370  [=  Dessau  2787]).  Deutlich  zeigt  sich  der 
supplementäre  Werth  des  Wortes  in  der  Verordnung  C.  Th.  7,  20, 10,  wo  die  praepositi 
fabricae,  classis,  Laetorum  neben  den  cohortis  tribuni  aufgeführt  werden.  Was 
Vegetius  sagt  2,  12:  cohortes  a  tribunis  vel  praepositis  regebantur,  ist  wenigstens 
undeutlich. 

20* 


308  I^iß  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft. 

die  Inschrift  zunächst  von   dem  letztgenannten  ausgeht,   scheint  der 

auf  ihn  allein  bezogene   Beisatz  semper  vester  anzuzeigen.  —  Z.  7 

habe  ich  mit  Gardthausen  ordinante  geschrieben,  nicht  mit  Tocilescu 

insistente,  weil  der  dux  der  höhere  Offizier  ist  und  also  die  Arbeit 

nicht  leitet,  sondern  veranlasst.    Dass  der  Clarissimat  des  dtix,  an  dem 

ich  früher  Anstoss  genommen  hatte,  nach  der  jetzigen  Feststellung  der 

Epoche  der  Inschrift  in  der  Ordnung  ist,  hat  schon  Tocilescu  bemerkt. 

Indem  also   die  Inschrift  von  Hissarlik  nach  Feststellung  ihrer 

Lesung  geschichtlich   zwar   nicht   eigentlich  Neues  lehrt,   aber  doch 

die  Ueberlieferung  besser  begründet  und  veranschaulicht,   erweitert 

sie  nach  einer  anderen  Seite  hin  unsere  Kenntniss  der  spätrömischen 

Ordnungen.    Wenn  ich  trotz  mancher  dafür  sprechenden  Erwägungen 

es  früher  abgewiesen  hatte  sie  auf  die  spätere  Kaiserzeit  zu  beziehen, 

so   bestimmte  mich   dabei  vor  allen  Dingen  die  Erwägung,   dass  in 

ihr  nur  ein  einzelner  Herrscher  genannt  ist  und  dies  für  diejenige 

Epoche,  der  ich  sie  zuwies,  sich  allenfalls  rechtfertigen  Hess,  dagegen, 

wenn  man  von  dieser  absah,   sich  schlechterdings  keine  Herstellung 

finden    liess,    wobei    sie   nicht  in   eine   anerkannte  Sammtherrschaft 

hätte  verlegt  werden  müssen.    Dies  trifft  auch  zu  für  die  von  Gardt- 

hausen  vorgeschlagene  Beziehung  auf  das  J.  338,   da  in  diesem  die 

drei    Söhne    Constantins    neben    einander    herrschten.      Gardthausen 

(S.  262)  findet  sich  in  dieser  Hinsicht  mit  der  Bemerkung  ab,    dass 

wir  uns  nicht  wundern   dürften   dem  Namen  des  Constantius  allein 

zu  begegnen,  'da  er  bereits  Augustus  war',  und  beruft  sich  auf  die 

Bemerkung   Krügers   im  Anhang  zu  seiner  grösseren  Ausgabe  des 

justinianischen   Codex  (S.  *22):    constat   trium   imperatorum    nomina 

529  simul  non  legi,    Constantem  vulgo   iungi  cum  Constantio,    Constantini 

paucas   (constitutiones) ,    Constantii  plerasque   auctoris  nomen   solum 

proferre. 

Die  Unrichtigkeit  der  Gardthausenschen  Attribution  ist  durch 
die  Wiederauffindung  der  Inschrift  festgestellt;  aber  die  Rechtsregel, 
von  welcher  ich  ausging  und  welcher  dieselbe  unzweifelhaft  wider- 
streitet, bedarf  auch  jetzt  noch  theils  der  Rechtfertigung,  theils  aller- 
dings auch  der  Beschränkung.  In  der  lockeren  Weise,  wie  es  Gardt- 
hausen gethan  hat,  lässt  sie  sich  nicht  abfertigen.  Das  Festhalten 
der  Reichseinheit  auch  nach  der  Einführung  der  örtlich  abgegrenzten 
Competenz  in  die  Sammtherrschaft  ist  einer  jener  grundlegenden 
Gedanken  der  diocletianischen  Staatsordnung,  welche  für  die  ganze 
Folgezeit  den  Gang  der  Dinge  beherrschen,  ohne  welche  weder  die 
gegenseitige  Stellung  der  Höfe  von  Ravenna  und  Constantinopel 
noch    die    des    byzantinischen   Staats   zu    den    germanischen  König-  , 


Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft.        309 

reichen  des  Westens  verstanden  werden  kann.  Auch  hier  berühren 
sich  Anfang  und  Ende:  wie  es  der  Grundgedanke  bei  Abschaffung 
des  Königthums  gewesen  ist  die  Einheit  des  Oberamts  bei  getheilter 
Competenz  festzuhalten,  so  ist  die  diocletianische  Reichstheilung 
eben  auch  nichts  anderes  als  die  Einfügung  der  getheilten  Com- 
petenz in  die  Institution  des  einheitlichen  Oberamts.  Auch  insofern 
ist  die  Idee  der  dauernden  Reichseinheit  das  nothwendige  Funda- 
ment des  späteren  römischen  Staatsrechts,  als  dieses,  wie  immer  der 
harte  Druck  der  Thatsachen,  namentlich  dem  persischen  Reich  gegen- 
über, zu  einer  derartigen  Auffassung  hindrängte,  dennoch  so  wenig 
wie  das  ältere  das  selbständige  Nebeneinanderstehen  gleichberech- 
tigter Staaten  anerkennt.  Die  theoretische  wie  die  praktische  Durch- 
führung dieses  Princips  bleibt  dasjenige  Moment,  welches  schärfer 
als  irgend  ein  anderes  die  Staatenbildung  der  Neuzeit  von  derjenigen 
des  Alterthums  sondert  und  zugleich  dem  Mittelalter  mit  seinem 
überleitenden  neurömischen  Reich  die  begriffliche  Grundlage  giebt. 
Die  Institutionen  und  Formalien,  in  denen  die  dauernde  Reichseinheit 
zu  Tage  tritt,  müssen  um  so  mehr  in  der  Anschauung  festgehalten 
und  durchgängig  beachtet  werden,  als  in  dem  äusseren  Gang  der 
Dinge  allerdings  oft  jener  Grundgedanke  verdunkelt  und  verletzt 
wird.  Es  ist  nicht  gleichgültig,  dass  das  officielle  Yerzeichniss  der 
Staatsämter  der  beiden  Reiche  die  Ueberschrift  trägt  notitia  digni- 
tatuni  omnium  tarn  civilium  quam  miUtarium  in  partibus  Orientis  und 
in  partibus  Occidentis  und  überhaupt  nach  strenger  Formulirung  das 
Ost-  wie  das  Westreich  als  'Reichshälften'  bezeichnet  werden.  Es  ist  530 
hier  nicht  der  Ort  die  praktischen  Consequenzen  dieses  Princips  zu 
verfolgen,  wie  sie  namentlich  bei  der  Ernennung  der  durch  ihre 
Eponymie  wichtigen  ordentlichen  Consuln  und  bei  der  Frage  nach 
dem  Geltungskreis  der  einzelnen  Gesetze  und  Verordnungen  hervor- 
treten. Hier  soll  nur  versucht  werden  der  titularen  Handhabung 
desselben,  das  heisst  dem  Satz,  dass  jede  Regierungshandlung  recht- 
lich aufgefasst  und  bezeichnet  wird  als  Handlung  der  Sammtherrscher, 
die  richtige  Begrenzung  und  die  nähere  Bestimmung  zu  geben.  Damit 
wird  zugleich  die  Frage  beantwortet  sein,  wie  es  sich  erklärt,  dass 
die  Inschrift  des  Castells  von  Cius  sich  dieser  Regel  nicht  fügt. 

Die  Anwendung  der  Regel  wird  zunächst  in  der  Gesetzgebung 
zu  suchen  sein,  und  in  der  That  erscheint  sie  hier  in  der  um- 
fassendsten und  bestimmtesten  Weise.  Es  bedarf  nur  eines  Blickes 
in  unsere  Gesetzsammlungen,  namentlich  in  diejenige,  welche  die 
Gesetze  mehr  als  die  übrigen  unverkürzt  erhalten  hat,  die  der  post- 
theodosianischen  Novellen,   um  zu  erkennen,    dass,   so  lange,  es  ein 


310        I^ie  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft. 

Westreich  gab,  zwar  jeder  Augustus  nach  Gutdünken  Gesetze  erliess, 
aber  einem  jeden  derselben  die  Namen  auch  des  oder  der  Collegen 
mit  vorsetzte.  Die  Gültigkeit  derselben  in  dem  Sprengel  des 
Collegen  hing  allerdings  wenigstens  in  späterer  Zeit  davon  ab,  dass 
dieser  die  ihm  zugehenden  Erlasse  des  Collegen  auch  in  seinem' 
Reichstheil  publicirte^. 
531  "Wenn    unter   der  constantinischen  Dynastie    diese  Regel    nicht 

mit  derselben  Evidenz  hervortritt  wie  zum  Beispiel  unter  der  valen- 
tinianischen  und  der  theodosischen,  so  ist  die  Ursache  keineswegs 
zu  suchen  in  einer  Verschiedenheit  der  rechtlichen  Normen,  sondern 
es  greifen  hier  lediglich  die  inneren  Zerwürfnisse  zwischen  den 
Sammtherrschern  ein,  welche  jener  Dynastie  im  Gegensatz  zu  den 
nachfolgenden  ihre  unheilvolle  Signatur  gegeben  haben.  Um  so 
mehr  verdienen  die  scheinbaren  Abweichungen  von  dieser  Regel 
genauere  Untersuchung;  es  steckt  in  ihnen  ein  Stück  Geschichte. 

Was  zunächst  Constantinus  I  (Augustus  25.  Juli  306)  und  Li- 
cinius  (Augustus  11.  Nov.  307,  entscheidend  besiegt  bei  Kalchedon 
18.  Sept.  323)  anlangt,  so  nennen  die  wenigen  Urkunden,  die  aus 
den  betreffenden  Jahren  in  authentischer  Form  überliefert  sind,  diö 
Herrscher  neben  einander  2.  —  Anders  verhält  es  sich  in  den  Ver- 


1)  Das  bei  der  Publication  eingehaltene  Verfahren  zeigt  in  deutlichster 
Form  der  im  J.  438  gefasste  Beschluss  des  römischen  Senats ,  dessen  Protokoll 
den  für  den  Occident  bestimmten  Exemplaren  des  theodosischen  Codex  vorgesetzt 
worden  ist,  betreffend  die  Einführung  dieser  von  dem  Kaiser  des  Ostreichs  ver- 
anstalteten und  nach  ihm  benannten  Verordnungensammlung.  Dass  erst  von 
da  ab  für  die  Rechtsverbindlichkeit  der  einzelnen  Verordnung  die  Publication 
in  dem  betreffenden  Reichstheile  gefordert  ward,  lehrt  das  für  dasselbe  Gesetz- 
buch im  Ostreich  erlassene  Publicationspatent :  Ms  adicimus  nuUam  constitutionem 
in  posterum  velut  latam  in  partibus  Occidentis  atiove  in  loco  ab  invictissimo  .... 
Vakntiniano  posse  proferri  vel  vim  legis  aliquam  obtinere,   nisi  Jwc  idem  divina 

pragmatica  nostris  mentibus  intimetur  (Nov.  Theodosii  II  1,  5).  Späterhin  wurde 
demgemäss  verfahren;  wir  besitzen  einen  Erlass  des  oströmischen  Kaisers  vom 
1.  Oct.  447  (Nov.  Theod.  II  2,  1),  womit  er  die  bis  dahin  von  ihm  erlassenen 
allgemeinen  Verordnungen  dem  weströmischen  Collegen  zur  Bestätigung  über- 
schickt und  ihn  ersucht  seinerseits  das  Gleiche  zu  thun,  und  den  entsprechenden 
Confirmationserlass  des  weströmischen  Herrschers  vom  5.  Mai  448  (Nov.  Valent. 
III  26  [25]).  Selbst  diese  Erlasse^  in  denen  ein  College  von  dem  anderen  spricht, 
tragen  im  Präscript  die  Namen  beider  [der  erste  den  Namen  Valentinians  als 
Adresse]. 

2)  Dies  sind,  abgesehen  von  dem  bedenklichen  Präscript  bei  Eusebius  h.  e. 
8,  17  [s.  dazu  Mommsen  Arch.-epigr.  Mitteil.  16  S.  96  A.  5  und  unten  S.  328  A.  4; 
Dessau  zu  Inscr.  sei.  n.  660] ,  das  berühmte  Edict  zu  Gunsten  der  Christen  vom 
13.  Juni  313  (Lactantiu  des  mort.  persec.  48 :  cum  felidter  tarn  ego  Constantinus 
Augusttis  quam  etiam  ego  Licinius  Augustus  apud  Mediolanum  convenissemus; 
ebenso  Eusebius  bist.  eccl.  10,  5)  und  ein  Schreiben  (bei  Augustinus  ep.  88  vol.  2 


Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft.        Sil- 

ordnungensammlungen.  In  der  theodosischen  findet  der  Name  des 
Licinius  sich  nirgends  und  sind  die  zahlreichen  Erlasse  aus  diesen 
Jahren  a^88chlie8slich  auf  den  Namen  Constantins  gestellt^.  Von  den 
Trümmern  derjenigen,  die  wir  mit  dem  Namen  der  vaticanischen 
Fragmente  bezeichnen,  gilt  im  Wesentlichen  dasselbe 2.  Endlich  in  532 
der  justinianischen  fehlt,  so  weit  sie  von  der  theodosischen  abhängt, 
der  Name  des  Licinius  selbstverständlich  ebenfalls^.  Damit  kann 
noch  zusammengestellt  werden,  dass  Eusebius  in  der  Kirchen- 
geschichte verschiedene  Erlasse  des  Constantinus  aus  diesen  Jahren 
unter  dessen  Namen  allein  mittheilt*.  Ohne  Zweifel  liegt  in  allen 
diesen  Fällen  spätere  Tilgung  vor.  Wenn  nach  dem  Sturz  des 
Licinius  seine  Erlasse  cassirt  Wurden  ^,  so  ist  es  davon  nur  ein  noth- 

p.  213  ed.  Manr.  correcter  als  in  der  Schrift  contra  Cresconium  3,  81  vol.  9  p.  476 
ders.  Ausgabe;  vgl.  den  breviculus  collationis  cum  Donatistis  die  III  c.  41  vol.  9 
p.  578)  vom  J.  314  oder  315  (Tillemont  mem.  pour  servir  ä  l'hist.  eccl.  6,  705) 
mit  folgendem  Präscript:  itnperatores  Caesares  Flavius  (überliefert  ist  Flavii) 
Constantimcs  maximus  {Constantinus  et  Maximianus  die  Schrift  adv.  Crescon., 
welche  sinnlose  Lesung  in  Hänels  corpus  legum  übergegangen  ist)  et  Valerius 
Licinianus  {Lic.  fehlt  in  den   epp.)  Licinius  ad  Probianum  proconsulem  Africaei 

1)  Gewiss  mit  Unrecht  glaubte  Gothöfredus  in  der  Ueberschrift  von  C.  Th. 
10,  13,  2  vom  J.  313  idem  AA.  neben  der  vorhergehenden  vom  selben  Jahr  mit 
imp.  Constantinus  A.,  eine  Spur  des  Licinius  zu  finden ;  es  ist  dies  ohne  Zweifel 
nichts  als  ein  Schreibfehler. 

2)  Wenigstens  finden  sich  Erlasse  aus  dem  J.  315  (c.  273).  316  (c.  249). 
318  (c.  287)  mit  dem  Präscript  Constantinus  et  Caess.  Wenn  einer  Reihe  gleich- 
zeitiger Rescripte  vorgesetzt  ist  Augg.  et  Caess.,  so  mag  diese  Bezeichnung  den 
Licinius  einschliessen ;  aber  der  Name  wenigstens  findet  in  der  ganzen  Sammlung, 
so  weit  wir  sie  haben,  sich  nicht.  Vgl.  meine  Ausführung  über  diese  Präscripte 
in  dem  Nachwort  zu  meiner  grösseren  Ausgabe  p.  405. 

3)  Wenn  die  Verordnung  vom  J.  319  C.  Th.  2,  4,  1  =  C.  Just.  5,  40,  2  dort 
dem  imp.  Constantinus  A.,  hier  dem  imp.  Constantinus  A.  et  Licinius  C.  (so!) 
gegeben  wird,  so  hat  Krüger  mit  vollem  Recht  darin  einen  Schnitzer  der  Compi- 
latoren  erkannt,  welche  nach  der  Subscription  Constantino  A.  V  et  Licinio  C. 
conss.  die  Inscription  schlimmbesserten. 

4)  Es  sind  dies  die  Schreiben  aus  den  J.  313  und  314  an  den  Bischof 
Miltiades  von  Rom,  den  Bischof  Chrestos  von  Syrakus,  den  Bischof  Caecilianus 
von  Karthago  und  den  Proconsul  von  Africa  Anullinus  (sämmtlich  10,  5 — 7); 
auch  im  Text  begegnet  hier  das  'ich'  statt  des  'wir'.  Uebrigens  wird  man  bei 
diesen  Schreiben  so  wie  bei  demjenigen  des  Kaisers  an  den  Ablabius  aus  dem 
Anfang  des  J.  314  (hinter  dem  Optatus  Milevitanus  p.  283  Dupin  [p.  204  Ziwsa]) 
sich  zu  erinnern  haben,  dass  in  dieses  Jahr  der  erste  Krieg  zwischen  Constantinus 
und  Licinius  fällt,  welcher  selbstverständlich  die  Collegialität  zunächst  aufhob. 

5)  Erlass  vom  16.  Mai  324  (C.  Th.  15,  14,  1):  remotis  Licini  tyranni  consti- 
tutionibus  et  legibus.  Doch  lässt  die  Beschränkung  in  dem  späteren  vom  8.  Juli 
326  (C.  Th.  15,  14,  3):  legitimis  eius  rescriptis  minime  impugnandis  die  Möglichkeit 
offen,  dass  unter  den  uns  unter  Constantins  Namen  erhaltenen  Erlassen  auch 
solche  sich  befinden,  die  ursprünglich  von  Licinius  herrühren. 


m 


312  Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft. 

wendiges  Corollar,  dass  auch  aus  denjenigen  Constantins  sein  Name 
verschwand.  —  Dagegen  müssen  zwei  im  justinianischen,  nicht  aber 
im  theodosischen  Codex  enthaltene  und  auch  aus  anderen  Gründen 
auf  eine  verschiedene  Quelle  zurückzuführende  Yerordnungen  mit 
dem  Präscript  inipp.  Constanfinus  et  Licinius  AA.^  von  Tribonian 
einer  Verordnungsammlung  entlehnt  sein,  die  vor  dem  J.  324  ent- 
standen ist;  was  für  die  noch  keineswegs  genügend  aufgeklärte  Be- 
schaffenheit namentlich  des  hermogenianischen  Constitutionencodex 
Beachtung  verdient.  Der  Urheber  der  vaticanischen  Sammlung, 
deren  Entstehung,  von  einzelnen  späteren  Zusätzen  abgesehen,  in 
die  späteren  Jahre  Constantins  zu  fallen  scheint,  so  wie  noch  die 
533  Redactoren  der  theodosischen  vom  J.  438  waren  sich  der  Vorschrift 
bewusst  und  mieden  den  verfehmten  Namen  durchaus,  während 
Tribonianus  und  seine  Collegen  die  Regel  nicht  kannten  oder  auch 
nicht  achteten  und  copirten,  was  sie  fanden.  Uebrigens  hat  die 
Cassirung  sich  auf  die  Inscriptionen  beschränkt  und  sind  die  Namen 
der  Licinier  in  den  Jahresdaten  unangefochten  stehen  geblieben,  wo 
allerdings  deren  Tilgung  die  heilloseste  Verwirrung  herbeigeführt 
haben  würde  2.  —  So  verfuhren  die  praktischen  Juristen.  Dass  der 
Hofprediger  noch  einen  Schritt  weiter  ging  und  wo  es  irgend  thun- 
lich  war,  den  Namen  auch  aus  den  zu  historischen  Zwecken  vor- 
gelegten Documenten  beseitigte,  kann  man  nur  in  der  Ordnung 
finden  ^. 

Nach  dem  Tode  Constantins  am  22.  Mai  337  oder  vielmehr 
nach    der    Beendigung    des    Interim    am    9.  Sept.   desselben   Jahres 

1)  C.  lust.  3,  1,  8  und  7,  22,  3,  zusammengehörend,  vom  J.  314;  7,  16,  41 
unbestimmten  Jahres.  An  Schreiberirrung  oder  Interpolation  ist  um  so  weniger 
zu  denken,  als  die  beiden  Auszüge  derselben  Verordnung  in  dem  Präscript 
stimmen.  Vgl.  Krüger  im  Anhang  der  grösseren  Ausgabe  p.  *18.  [Mommsen 
Ges.  Sehr.  2,  394  A.  3.] 

2)  Ich  habe  schon  bei  anderer  Gelegenheit  (in  dieser  Zeitschrift  [Hermes] 
9,  274.  10,  471  [Rom.  Forsch.  2,  71])  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  damnatio 
memoriae  den  Jahrbenennungen  gegenüber  nicht  in  vollem  Umfang  zur  Geltung 
kommt.  Aber  die  streng  durchgeführte  Unterscheidung  zwischen  Kaiser-  und 
Consulnamen,  wie  sie  hier  auftritt,  dürfte  doch  erst  dem  4.  Jahrhundert  angehören. 

3)  Uebrigens  zeigt  er  (s.  oben  S.  311  A.  4)  sich  selbst  an  mit  den  Eingangs- 
worten ,  dass  er  die  Uebersetzungen  vorlegen  wolle  t<wv  ßaadtxMv  diard^scov 
KcovaravTtvov  xai  Aixiwiov,  was  doch  nicht  allein  auf  das  zunächst  folgende 
Toleranzedict  bezogen  werden  kann.    Deutlicher  noch  spricht  das  vom  15.  April 

313  datirte  Antwortschreiben  des  von  ihm  erwähnten  Proconsuls  Anullinus,  das 
eine  zuverlässigere  Quelle  (Augustinus  ep.  88)  in  urkundlicher  Form  aufbewahrt 
hat:  es  trägt  das  Präscript  Aggg.  nnn.  Anullinus  v.  c.  pro  consule  Africae,  wobei 
man  sich  erinnern  muss,  dass  damals  neben  Constautiuus  und  Licinius  noch 
Maximinus  regierte. 


Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft.         313 

herrschten  die  drei  Söhne  Constantinus  II,  Constantius  11  und  Con- 
stans  gemeinschaftlich  bis  zum  Tode  des  erstgenannten  im  April  340, 
alsdann  die  beiden  jüngeren  gemeinschaftlich  bis  zum  18.  Jan.  350, 
von  da  an  Constantius  allein.  Urkundlich  überlieferte  Erlasse  aus 
dieser  Sammtherrschaft  giebt  es  meines  Wissens  nicht;  wir  sind  für 
diese  Untersuchung  auf  die  Gesetzsammlungen  allein  angewiesen,  und 
auch  für  diese  lässt  sich  das  Ergebniss  in  wenige  Worte  zusammen- 
fassen. Der  Name  Constantins  II  ist  im  theodosischen  Codex  voll- 
ständig verschwunden'  und  wo  der  justinianische,  der  hier  allem 
Anschein  nach  lediglich  auf  der  älteren  Sammlung  fusst,  sich  hiervon  534 
zu  entfernen  scheint,  liegt  dem  ohne  Zweifel  theils  die  zerrüttete 
Ueberlieferung,  theils  die  Unkunde  der  justinianischen  Compilatoren 
zu  Grunde^.  Auch  hier  also  hat,  eben  wie  bei  Licinius,  Tilgung 
stattgefunden;  und  wie  konnte  dies  anders  sein,  da  Constantinus  II 
im  Kampfe  fiel  gegen  seinen  Bruder  Constans,  dem  er  seinen  Reichs- 
theil zu  entreissen  gedachte,  und  sogar  in  einem  Erlass  vom  28.  April 
340  ^  als  puhlicus  ac  noster  inimicus  bezeichnet  wird.  —  Anders  ver- 


1)  Die  hier  zuverlässige  Ueberlieferung  hat,  wenn  ich  nichts  übersehen 
habe,  in  den  zahlreichen  Gesetzen  aus  der  Zeit  der  Herrschaft  der  Söhne  nirgends 
den  Namen  des  Constantinus.  11,  9,  2  ist  dessen  Hineincorrigirung  gegen  die 
handschriftliche  Lesung  imp.  Constantius  um  so  verkehrter,  als  imp.  Constantinus 
A.  voraufgeht. 

2)  Die  beiden  Fälle,  in  denen  nach  Gothofredus  (zu  C.  Th.  12,  1,  23)  im 
justinianischen  Codex  die  drei  Brüder  genannt  sein  sollen  (3,  11,  6.  6,  37,  21), 
sind  handschriftlich  nicht  beglaubigt  und  in  der  Krügerschen  Ausgabe  beseitigt. 
Bei  dem  jetzigen  Stande  der  Ueberlieferung,  in  der  bei  diesen  Kaisernamen  die 
unterscheidenden  Endsilben  ausserordentlich  häufig  weggelassen  und  dann  wieder 
nach  Schreiberbelieben  ergänzt  worden  sind,  ist  es  schwerlich  möglich  auch 
nur  die  Frage  mit  Sicherheit  zu  beantworten,  ob  und  welche  feste  Regel 
Justinians  Compilatoren  in  Betreif  des  Constantin  und  seiner  drei  Söhne  befolgt 
haben;  es  ist  sogar  sehr  zweifelhaft,  ob  sie  die  beiden  Constantini  gehörig 
unterschieden  haben.  So  wird  das  Gesetz  vom  J.  339,  von  dem  6,  9,  9.  6,  23,  15. 
6,  37,  21  Stücke  sind,  nicht  bloss  in  den  Ueberschriften  dem  Constantinus  Aug. 
beigelegt  und  in  dem  Erlass  Justinians  5,  70,  7,  3  a  als  Constantiniana  lex  be- 
zeichnet, sondern  auch  6,  9,  9  mit  idon  Aug.  an  eine,  wenigstens  wie  sie  hier 
steht,  dem  ersten  Constantin  beigelegte,  übrigens  wahrscheinlich  auch  den 
Söhnen  gehörige  Verordnung  angeknüpft.  Weitere  Fehler,  sei  es  der  Compi- 
latoren, sei  es  der  Copisten,  finden  sich  1,  10,  1.  4,  46,  3.  6,  9,  8.  8,  11, 1.  11,  59,  2. 
Was  Krüger  darüber  hinstellt  (s.  oben  S.  308),  ist  mehrfach  unsicher,  aber 
geradezu  verkehrt,  dass  Gardthausen  für  seine  Aufstellung  sich  auf  den  Gebrauch 
der  justinianischen  Compilatoren  stützt,  ohne  des  klaren  und  sicheren  der  theo- 
dosischen Quelle  auch  nur  zu  gedenken.  Als  nicht  minder  bodenlos  muss  die 
Combination  bezeichnet  werden ,  die  derselbe  Gelehrte  S.  260  auf  die  gänzlich 
zerrüttete  Subscription  von  cod.  lust.  5,  17,  7  aufgebaut  hat. 

3)  C.  Th.  11,  12,  1. 


314         Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft. 

hält  es  sich  mit  Constans:  er  fand  sein  Ende  durch  Magnentius  und 
an  diesem  rächte  nach  einiger  Zeit  Constantius  den  Tod  des  Bruders^, 
so  dass  des  letzteren  Name,  abgesehen  von  dem  Gewaltbereich  des: 
Magnentius,  der  Tilgung  nicht  unterlegen  haben  kann.  Damit  stimmen 
die  Verordnungen,  die  wir  besitzen,  insofern  überein,  als  dieselben 
sowohl  aus  der  Zeit  der  Drei-^  wie  aus  derjenigen  der  Zweiherr- 
535  Schaft^  die  Namen  Constantius  und  Constans  oftmals  neben  einander 
zeigen.  Allerdings  stehen  daneben  noch  zahlreichere  Erlasse,  die 
den  Namen  des  Constantius  allein  tragen*;  aber  da  für  das  Fehlen 
des  zweiten  Namens  schlechterdings  kein  Grund  ersichtlich  wird  und 
Weglassung  und  Setzung  willkürlich  wechseln  ^,  wird  dies  auf  irregu- 
läre Verkürzung  zurückgeführt  werden  müssen  ^. 

Dass  nach  der  Reichsth eilung,  wie  sie  Valentinian  und  Valens 
festgestellt  und,  abgesehen  von  einer  ephemeren  Unterbrechung  unter 

1)  Er  ist  der  tyrannus,    dessen  gesta  die  VO.   vom   3.  Nov.  352  (C.  Th. 

15,  14,  5)  cassirt, 

2)  338:  C.  Th.  2,  6,  4.  12,  1,  26.  15,  1,  5.  339:  11,  36,  4.  12,  1,  27.  28.  Den 
justinianischen  Codex  hier  und  weiterhin  zu  berücksichtigen  erscheint  zwecklos  ; 
im  Ganzen  stellt  sich  heraus,  dass  dessen  Redactoren  die  Inscriptionen  des 
theodosischen  Codex  im  Allgemeinen  so  vorlagen,  wie  sie  unsere  Handschriften 
zeigen. 

3)  340:  2,  7,  3.  7,  9,  1  (?).  11,  30,  20.  21.  12,  1,  29.  30.  —  341 :  5,  14,  1.  2. 
8,  12,  6.   11,  36,  5.   12,  1,  31.  32.    —   342:   3,  12,  1.   7,  9,  2.   9,  7,  3.   10,  10,  6. 

11,  36,  6.  12, 1,  33.  34.  -  343:  11,  30,  22.   12,  1,  35.  36.  —  344:  11,  36,  7.  12, 1,  37. 
13,  4,  3.  —  345:  11,  30,  23.  —  346:  9,  7,  3.    U,  16,  6.  11,  22,  1.  11,  39,  4.  12,  1,  38. 

16,  10,  3.  4.-847:  11,  36,  8.  —  348:  11,  30,  24.  —  349:  3,  13,  1.  4, 13,  2.  8,  13, 1.  2. 

12,  6,  3.    15,  1,  6. 

4)  337:  6,  22,  2.  11,  1,  4.  11,  9,  2.  —  338:  9, 1,  7.  9,  34,  5.  10,  10,  4.  12,  1,  23. 
24.  25.  —  339:  6,  4,  3.  4.  8, 18,  4.  11, 1,  5.  11,  30,  18.  19.  16,  8,  6.  16,  9,  2.  — 
340:  6,4,5.6.  6,22,3.  9,3,3.  9,17,1.  10,10,5.  10,15,3.  11,12,1.  -  341: 
8,  2, 1.  16, 10,  2.  —  342:  1,  5,  4.  —  343:  9,  21,  5.  11,  16,  5.  15,  8, 1.  16,  2,  8.  — 
344:  8,  10,  2.  —  345:  10, 10,  7.  11,  7,  5.  —  346:  10,  8,  4.  —  347:  5,  4,  1.  —  348: 
1,  15,  2.  10,  1,  6.  10,  14,  2.  ~  349:  2,  1,  1.  7,  1,  23.  7,  22,  6.  8,  4,  4.  8,  7,  3. 
8,18,5.  9,17,2.  9,21,6.  9,24,2.  11,7,6.  12,1,39.  12,2,1.  16,2,9.  [Zu  den 
A.  2 — 4  angeführten  Constitutionen  vgl.  Mommsens  Prolegomena  zum  Theodosianus 
p.  CLX  und  CCXXIV  ff.] 

5)  Die  zusammengehörenden  Erlasse  8,  2,  1  (nach  der  Ueberlieferung)  w 
12,  1,  31  und  12,  2,  1  w  15,  1,  6  werden  je  einmal  den  beiden  Kaisern,  einmal  dem 
Constantius  allein  beigelegt. 

6)  Es  ist  dies  Willkür  nicht  der  Abschreiber,  sondern  wahrscheinlich  ein- 
zelner Redacteure.  Man  beachte,  dass  im  Titel  12,  1  bei  strenger  Einhaltung! 
der  Zeitfolge  die  1.  23  mit  imp.  Constantius  A.,  die  1.  24.  25  mit  idem  A.,  diei 
1.  26  mit  impp.  Constantius  et  Constans  AA,.  die  folgenden  bis  1.  35  (J.  343)  mifj 
iidem  A.,  die  weiteren  1.36 — 49  bis  zum  Tode  des  Constantius  343  —  361  mill 
idem  A.  bezeichnet  sind.  Von  Rechtswegen  mussten  die  1.  23 — 39  den  beideij 
Brüdern  beigelegt  werden,  1.40  —  49  dem  Constantius  allein.  ! 


Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft.         315 

Theodosius  I,  die  Folgezeit  festgehalten  hat,  jeder  Herrscher  des 
Ostens  wie  des  Westens  seinen  Erlassen  nebst  dem  eigenen  auch 
den  Namen  des  Collegen  vorsetzte,  ja  nicht  einmal  in  der  Namen- 
folge hier  derjenige  Unterschied  hervortritt,  den  wir  bei  den  Consuln 
des  Orients  und  des  Occidents  beobachtet  finden,  steht  so  unbedingt  536 
fest,  dass  es  hierfür  nicht  einmal  der  Nachweisungen  bedarf.  Je 
schärfer  die  materielle  Trennung  der  beiden  Reichshälften  im  Verlauf 
der  Zeit  sich  accentuirt,  desto  unbedingter  kommt  nach  dieser 
formalen  Seite  hin  die  Reichseinheit  zur  Geltung,  während  unter 
der  constantinischen  Dynastie  der  Grundsatz,  dass  jeder  kaiserliche 
Erlass  formell  sämmtlichen  Sammtherrschern  beigelegt  wird,  theils 
durch  nachherige  Tilgungen,  theils,  wenn  auch  in  minderem  Grade, 
durch  nachlässige  Redaction  der  späteren  Gesetzsammlungen  vielfach 
verdunkelt  worden  ist.  Insbesondere  von  den  beiden  Kaisern,  deren 
einem  die  Inschrift  von  Cius  gehört,  ist  in  ihren  Erlassen  die  Regel 
ausnahmslos  beobachtet  worden. 

Wenden  wir  uns  von  den  Gesetzen  zu  den  Denkmälern,  so  ver- 
steht es  sich  zunächst  von  selbst,  dass  alle  Ehreninschriften,  denen 
in  diesem  Fall  auch  sämmtliche  Münzaufschriften  so  wie  die  sämmt- 
lichen Meilensteine  dieser  Epoche  zuzuzählen  sind,  hier  ausser 
Betracht  bleiben;  denn  so  gewöhnlich  dergleichen  Ehren  auch  den 
Sammtherrschern  gemeinschaftlich  gewidmet  wurden,  so  ist  doch 
damit  nicht  bloss  äusserliche  Trennung  durchaus  vereinbar,  so  dass 
jedem  einzelnen  Augustus  seine  eigene  Münze  und  seine  eigene 
Bildsäule  gewidmet  werden  kann,  sondern  es  ist  auch  mit  dem  hier 
zu  Grunde  liegenden  Princip  nicht  im  Widerspruch,  dass  eine  einzelne 
Ehrenerweisung  sich  auf  einen  der  Herrscher  beschränkt.  Nur  wo 
die  Regierungshandlung  und  die  Regentenstellung  überhaupt  in  Frage 
kommt,  müssen  dieselben,  auch  wenn  jene  thatsächlich  nur  von  einem 
der  Kaiser  ausgeht  und  bei  dieser  zunächst  an  einen  gedacht  wird, 
dennoch  formell  auf  sämmtliche  Augusti  bezogen  werden.  Dies  gilt 
vor  allem  von  den  kaiserlichen  Bauten,  aber  nicht  minder  von  jedem 
anderen  kaiserlichen  Befehl,  desgleichen  von  den  allgemeinen  nach 
der  Sitte  dieser  Zeit  die  Inschriften  einleitenden  Wunsch-  und  Segens- 
formeln  für  die  zur  Zeit  regierenden  Herrscher,  wie  salvis  dominis 
nostris,  pro  heatitudine  temporum  dominorum  nostrorum  und  ähnlichen. 
Dass  in  diesen  Fällen  die  Nennung  eines  einzelnen  Augustus  ein 
Fehler,  man  dürfte  vielleicht  sagen,  ein  Majestätsverbrechen  ist, 
belege  ich  nicht  mit  den  zahlreichen  nach  dieser  Regel  abgefassten 
Döcumenten  aus  der  Zeit  Diocletians  und  Maximians  oder  der  valen- 
tinianischen  und  der  theodosischen  Dynastie,  um  so  weniger  als  der 


316         I^iß  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft. 

Beweis  nicht  in  dem  Vorkommen  der  Sammtnamen,  sondern  in 
dem  Nichtvorkommen  des  einzelnen  Augustus  liegt.  Ich  kann  in 
537  dieser  Hinsicht  nur  sagen,  dass  mir  —  abgesehen  von  der  In- 
schrift von  Hissarlik  —  keine  einzige  Instanz  gegen  jene  Regel 
bekannt  ist^. 

Nicht  überflüssig  dagegen  dürfte  es  sein,  mit  Rücksicht  auf  den 
durch  die  constantinische  Periode  sich  hindurchziehenden,  bald  unter 
der  Asche  glimmenden,  bald  in  Flammen  auflodernden  Collegenkrieg 
die  mir  bekannten  Fälle  aufzuführen,  in  denen  die  damaligen  Sammt- 
herrscher  in  der  angegebenen  Verbindung  gemeinschaftlich  auftreten. 
Für  die  Vollständigkeit  des  Verzeichnisses  kann  ich  keine  Gewähr 
übernehmen;  selten  sind  die  Belege  durchaus,  wozu  der  innere  Hader | 
gewiss  das  Seinige  beigetragen  hat. 


1)  Die  Inschrift  von  Reims  Orelli  1096  [C.  I.  L.  XIII,  3255  =  Dessau  703]] 
nach  vpelcher  imp.  Caes.  Fl.  Constantinus  max.  Aug.  sempiternus  divi  Constantini 
Aug.  f.  der  Stadt  der  Remer  Thermen  baut,  würde  dies  allerdings  sein,  wena'j 
jene  Lesung  sicher  stände.  Aber  jener  Text  beruht  auf  Apian  203,  1  und  ist^ 
von  den  Herausgebern  interpolirt;  die  nach  0.  Hirschfelds  Mittheilung  einzig 
bisher  dafür  aufgefundene  haudschriftliche  Quelle,  die  Handschrift  Belloni  (C 
I.  L.  V  p.  79)  giebt  dafür  vielmehr  imp.  Caesar  Flavius  Constantinus  max.  Aitß 
pii  f.  Mir  ist  es  nicht  zvsreifelhaft ,  dass  die  Inschrift  Constantin  I  gehört  und 
der  Vatername  hier,  wie  so  oft,  verdorben  ist.f) 


649  t)  (Nachtrag.    Die  Inschrift  Constantins  von  Reims,  welche,  wie  oben  aus 

geführt  wurde,  bisher  nur  durch  Belloni  und  Apian  bekannt  war,  hat  sich  neuer 
dings  auch  unter  den  Collectaneen  des  Bischofs  von  Padua  Petrus  Donatus  (f  1447 
vorgefunden,  die  mit  der  Hamiltonschen  Sammlung  für  Berlin  erworben  wordej 
sind  und,  da  sie  für  die  Inschriften  wie  für  einzelne  Zeichnungen  wesentlicl 
von  Cyriacus  abhängen,  nicht  das  letzte  Kleinod  dieses  Schatzes  bilden.*)  Si 
lautet  folgendermassen:**)  imp.  Caesar  Flav.  Constantinus  max.  Aug.  sempiternu 
divi  Constanti  Aug.  pii  filius  toto  orbe  victorüs  suis  semper  ac  feliciter  celcbrandv 
thermas  fisci  sui  sumptu  a  fundamentis  eoeptas  ac  peractas  civitati  suae  Bemorw 
pro  solita  liberalitate  largitus  est,  wodurch  die  Beziehung  auf  Constantin  I  gi 
sichert  und  jeder  Anstoss  beseitigt  ist.  Ortsangabe  fehlt,  liegt  aber  im  Inhal 
Dass  sowohl  Belloni  wie  Apians  Gewährsmann  die  Inschrift  aus  eben  diese 
Handschrift  entlehnt  haben,  ist  so  gut  wie  sicher.  Dass  Donatus  auch  dies 
von  Cyriacus  erhalten  hat,  ist  möglich,  aber  nicht  eben  wahrscheinlich,  c 
keiner  der  sonstigen  zahlreichen  Compilatoren  des  Cyriacus  sie  kennt  und  galliscl 
Denkmäler  bei  diesem  überhaupt  nicht  erscheinen.  Auf  jeden  Fall  ist  d 
Inschrift  noch  bei  Cyriacus  Lebzeiten  (er  starb  nach  1449)  nach  Italien  gelang 
und  wohl  das  älteste  Denkmal  der  Wiederbelebung  der  Inschriftenstudien  a{ 
französischem  Gebiet.)  | 


*)  [Vgl.  Mommsen,  Jahrb.  d.  Kgl.  Preuss.  Kunstsarami.  IV,  2  (1883)  S.  73ij 
*)  [Danach  abgedruckt  im  C.  I.  L.  a.  a.  0.] 


Die  Inschrift  vou  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft.        317 

Constantin  I  und  Licinius. 
Wunschformeln: 
pro   salutem    [dd.]    nn.   Maximini   et    [Con\stantini  et  Licini 
[se]mper  Augg.    Prutting  (Baiern).    C.  ILI,  5565  [=  Dessau 
664]. 
Constantin  II,  Constantius  II,  Constans. 

Constantius  II,  Constans. 
Bauten : 

[Dd.  nn.  Constantius  et  Consy;ans  triumphatores  Augusti 
thermas  vetustate  Idbefactas  restauraverunt  Q.  Rustico  v. 
[c] Rom,  J.  344/5?  C.  YI,  1165. 

[Dd.  nn.  Cons]tantius  et  Const[ans  .  .  .  thermjas  incuria  longi 
temporis  destituta[s  ....  Ostiensibus?  s]uis  reddiderunt. 
Ostia.  C.  XIY,  135  (aus  E.  Q.  Viscontis  Papieren).  Mög- 
licher Weise  betreifen  diese  Inschrift  und  die  vorhergehende 
vielleicht  auch  aus  Ostia  herrührende  denselben  Bau. 
Decrete : 

iussione  vener ahili  dd.  Augg.  que  nn.  Constanti  [et  Consta]ntis. 
Cirta.  Der  Name  des  Constans  ist,  ohne  Zweifel  durch 
Magnentius,  getilgt.     C.  YIII,  7013  [=  Dessau  1236]. 

largitate    dd.  nn.  pp.  Augg.    Constanti   et    Constantis.     Cirta.  538 
C.  YIII,  7012  [=  Dessau  1235].     Der  Name   des  Constans 
ist  auch  hier  getilgt. 

decretis  provinciae  Phoenices  sententia  divina  firmatis  dd.  nn. 
Constanti    et    Constantis    aeternorum  principum.     Berytus, 
J.  344.     C.  III,  167  [=  Dessau  1234]. 
Wunschformeln  : 

Beatissimo  saeculo  dominorum  nostrorum  Constanti  et  Con- 
stantis Au^ustorum  senatum  populusq(ue)  Romanus  clivum 
Tihurtinum  in  planitiem  redegit.  Bei  Tibur.  Orelli  1099 
[C.  I.  L.  XIY,  3582  =  Dessau  729] ;  von  mir  gesehen.  — 
Beatissimo  (wie  ohen)  Romanus pontem  refecit.  Ebendaselbst; 
Grut.  1079, 1  [C.  I.  L.  XIY,  3583].  Ygl.  Borghesi  opp.  3,  164. 
Der  Name  des  Constans  ist  getilgt,  aber  auf  der  ersten 
Inschrift  noch  lesbar. 

.  .  .  beatissimi  saec[uli]  .  .  .  dd.  nn.  Constanti  et  Con[st]antis 
m^[ximorum]  semper  Augg.  Zattara  in  Numidien.  C.  YIII, 
5178. 


*)  ['Von  diesen  drei  Kaisem  liegt  jetzt  die  Inschrift  von  Troesmis  C.  III,  12483 
=  Dessau  n.  724  vor;  auch  sonst  ließen  sich  die  Belege  vermehren.'    DESSAV.] 


318         Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft. 

pro  beatitudine  temporum  dd.  nn.  Constanti  et  Constantis 
Aauugg.  Sciacca  in  Sicilien.  Orelli  3181  =  C.  X,  7200 
[=  Dessau  5905]. 

Indess  wenn  also   die  Regel  unzweifelhaft  feststeht,   so  ist  da- 
neben   anzuerkennen,    dass   sie  weniger   ihre   Ausnahmen,    als  ihre 
Orenzen    hat.     Auch    wo    eine    Regierungshandlung    in    historischer 
Darstellung  erwähnt  wird,  wird  die  Individualisirung  nach  Möglich- 
keit vermieden.    Wenn  für  den  Bau  des  pons  Valenünianus  in  Rom 
im  J.  364/5   auch  dem   oströmischen  Kaiser  Valens  vom   römischen 
Senat  eine  Statue  ^  gesetzt  wird  ob  providentiam,  quäe  Uli  semper  cum 
inclyto  fratre  communis  est,  instituti  ex  utilitate  urbis  aeternae  Valen- 
tiniani  pontis  atq.  perfecti,   so  hat  sicherlich  Yalens  an  diesem  Bau 
thatsächlich  keinen  Antheil  gehabt.    Wenn  ferner  derselbe  Senat  füi 
die  Ueberwindung  des  africanischen  Usurpators  Gildo^  und  für  di( 
Erneuerung  der  Stadtmauer  ^  seinen  Dank  an  Arcadius  und  Honoriu; 
richtet,   so  ist  in  diesem  Fall  nichts  gewisser,  als  dass  der  Hof  vo 
Constantinopel    an    Beidem    ganz    ausserordentlich   unschuldig    wa 
539  Aber  die  Devotion  der  officiellen  Loyalität  geht  je  nach  Umstände 
verschiedene   Wege    und    auch    sie    kann    aus    den  Schranken    de 
gesunden  Menschenverstandes  nicht  völlig  heraustreten.     Wenn  dei 
Kaiser  Constantin  nach  der  Ueberwältigung  des  Maxentius  im  J.  31 
der    noch    stehende    Triumphbogen    gesetzt    wird,    quod    ....    cun 
exercitu  suo  tarn  de  tyranno  quam  de  omni  eius  f actione  uno  tempop 
iustis  rem  publicam  ultus  est   armis*;    wenn   dem  Kaiser  Constan 
nachgerühmt  wird,   dass   durch   sein  weises  Regiment   der  Provin 
Pannonien   reicher  Erntesegen  erwachsen  sei^;    wenn   für  den  Sie 


iij 


1)  Eph.  epigr.  IV  p.  279  [C.  I.  L.  VI,  31402  =  Dessau  769]. 

2)  C.  VI,  1187  [=  31256  =  Dessau  794]:  senatus  populusgue  Romanus  vit 
dicata  rebellione  et  Africae  restitutione  laetus. 

8)  C.  VI,  1188—1190  [=  Dessau  797]:   ob  instauratos  urbi  aeternae  mmo 
portas  ac  turres  .  .  .  ex  suggestione  ....  Stilichonis. 

4)  C.VI,  1139  [=  Dessau  694].     Ich  weiss  nicht,  ob   dort  die  Errichtuit 
des  Bogens   mit  Recht    in   die  Zeit   nach  315   gesetzt  wird;    die    Aufschrift« 
votis  X—votis  XX  und  sie  X  —  sie  XX  setzen  die  Feier  der  Decennalien  keine 
wegs  voraus. 

5)  C.  III,  4180  =  Henzen  5883  [=  Dessau  727] :  beatitudine  d.  n.  Constan> 
vietoris  ac  triumfatoris  semper  Aug.  pi'ovisä  copiä,  quae  horreis  deerat,  posteaqm 
condendis  horrea  deesse  coeperunt,  haee  Vulc(acius)  Bufinus  v.  c.  praef.  praet  f  | 
se  eoepta  .  .  ,  dedicavit.  Es  war  vornehmlich  diese  Inschrift,  die  mich  zu  c 
Frage  führte,  ob  etwa  unter  der  constantinischen  Dynastie  in  Betreff  der  Nennu 
eines  einzelnen  der  Sammtherrscher  eine  Abweichung  von  dem  allgemein 
Gebrauch  stattgefunden  habe:  und  auffallend  ist  sie  allerdings.    Aber  auch  h| 


Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft.         319 

über  ßadagaisus  und  seine  Gothen  der  römische  Senat  zwar  den 
drei  Kaisern  Arcadius,  Honorius  und  Theodosius  II  den  Dank  dar- 
bringt, aber  dabei  noch  insonderheit  das  Glück  des  Honorius  und 
das  Geschick  seines  Heerführers  Stilicho  feiert^,  so  handelt  es  sich 
in  dem  ersten  und  dem  dritten  Fall  um  einen  gewonnenen  Sieg,  bei 
dem  dem  fernen  Collegen  nicht  in  der  Weise  eine  Mitwirkung  bei- 
gemessen werden  konnte,  wie  etwa  bei  der  Unternehmung  eines 
grossen  Bauwerkes  oder  der  Niederwerfung  des  africanischen  Usur- 
pators. Der  dritte  aber  zeigt  besonders  deutlich  den  Gegensatz  der 
staatsrechtlichen  Formulirung  und  des  historischen  Berichtes.  "Wird 
wegen  eines  erfochtenen  Sieges  ein  Ehrenbeiname  gewonnen,  so 
empfängt  ihn  der  unmittelbar  betheiligte  wie  der  nicht  betheiligte 
Kaiser  gleichmässig;  aber  dadurch  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  in 
der  Erzählung  oder  der  Erwähnung  des  einzelnen  Waffenerfolges  der  540 
über  die  Franken  dem  West-,  der  über  die  Perser  dem  Ostherrscher 
beigelegt  wird. 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  der  Inschrift  von  Cius.  Hätte  sie 
bloss  den  Bau  des  Castells  ausgesprochen,  so  wären  ohne  Zweifel 
Valentinian  und  Valens  neben  einander  als  Erbauer  genannt  worden; 
aber  die  Besiegung  der  Gothen,  der  Friede  mit  Athanarich  konnten 
nicht  füglich  dem  ersteren  zugeschrieben  werden.  So  ist  es  ge- 
kommen, dass  auch  der  Bau  hier  in  incorrecter  Weise  allein  dem 
Valens  beigelegt  wird. 

Aber  ist  denn  in  der  Inschrift  nicht  in  der  That  auch  Valen- 
tinians  gedacht?  Dass  der  bauleitende  Offizier  sich  nicht  semper  tuus 
nennt,  sondern  semper  vester,  legt  die  Frage  nahe,  ob  wir  nicht  geirrt 
haben,  wenn  wir  diese  Phrase  mit  Anwendung  des  sogenannten 
Majestätsplurals  auf  den  vorher  genannten  einzelnen  Kaiser  bezogen 
haben.  Sollte  nicht  vielmehr,  mit  Anwendung  des  oben  entwickelten 
staatsrechtlichen  Gesetzes  über  den  formalen  Ausdruck  der  Sammt- 
herrschaft, dabei  an  Valentinian  und  Valens  gedacht  sein?  Mit  dem 
titularen  Ausdruck  der  Sammtherrschaft  ist  die  Feststellung  des 
Sprachgebrauchs  hinsichtlich  dieses  Plurals  vielfach  connex.    Da,  wie 

liegt  doch  in  der   That  nichts  vor  als  die  Hinweisung  auf  einen  historischen 
Vorgang. 

1)  Der  Triumphbogen  wegen  des  Sieges  wird  allen  dreien  gewidmet ,  quod 
Getarum  nationem  in  omne  aevum  doc[u]ere  exti[ngui\  (C.  VI,  1196  [=  Dessau  798]), 
ebenso  der  vor  kurzem  entdeckte  Denkstein  für  das  siegreiche  Heer  (Bull.  dell. 
Inst.  1880  p.  170  [C.  I.  L.  VI,  31987  =  Dessau  799])  fdei  virtutiq(ue)  devotissimorum 
tnüitum  domnorum  nostrarum  Arcadi,  Honori  et  Theodosi,  aber  auf  dem  letzteren 
der  Gothen-Krieg  bezeichnet  als  beendigt  felicitate  aeterni  principis  domni  nostri 
Honori,  eonsiliis  et  fortitudine  (Stüichonis). 


320         I^iß  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft. 

mir  dies  von  competentester  Seite  bestätigt  wird,  es  an  einer  ab- 
schliessenden Untersuchung  darüber  vom  Standpunkt  der  historischen 
Grammatik  aus  zur  Zeit  noch  mangelt^,  so  mag  es  vorläufig  dem 
Historiker  gestattet  sein  auf  eine  Seite  des  Problems  hinzuweisen, 
die  ihn  zunächst  angeht  und  ohne  deren  umfassende  Berücksichtigung 
dasselbe  nicht  erledigt  werden  kann. 

Wenn  von  jeher  Redner  und  Schriftsteller  mit  den  Formeln 
ut  vidimus,  ut  diximus  keineswegs  sich  selbst  pluralisiren,  sondern 
nur  in  freierer  Anwendung  der  Begriffe  sehen  und  sagen  sich  und  die 
Hörer  und  Leser  als  Mehrheit  zusammenfassen,  also  hierin  eine 
wirkliche  Vertauschung  der  Numeri  nicht  gefunden  werden  darf,  so 
hat  auch  das  Auftreten  der  Monarchie  bei  den  Römern  einen  solchen 
Bruch  in  die  Logik  der  Sprache  keineswegs  herbeigeführt.  Yielmehr 
hat  wie  sonst,  so  auch  dem  Kaiser  gegenüber  der  Gebrauch  des 
541  Singulars  bis  weit  in  das  fünfte  Jahrhundert  hinein  sich  behauptet. 
Es  zeigen  dies  die  in  der  Sammlung  der  Panegyriker  enthaltenen 
Reden,  die  alle  häufig  und  grossentheils  ausschliesslich  den  gefeierten 
Kaiser  oder  Caesar  im  Singular  anreden ,  und  die  Widmungen  der 
Kaiserbiographien  an  Diocletian^  und  Constantin^,  so  wie  die  der 
Geschichtscompendien  des  Eutropius  und  des  Rufius  Festus  an  Kaiser 
Valens.  Hätte  sich  schon  damals  die  wunderliche  Vorstellung  ent- 
wickelt, dass  die  Ehrerbietung  es  fordert  aus  einer  Person  eine  Viel 
heit  zu  machen,  so  würde  die  epidemische  Gewalt  der  Adulation 
einen  solchen  Gebrauch  rasch  generalisirt  haben  und  vor  allem  in 
Lobreden  und  Dedicationen  würden  wir  ihn  nicht  vermissen.  Wie 
also  noch  im  vierten  und  fünften  Jahrhundert  in  der  Anrede  auch 
der  höchsten  Beamten  notorisch  der  Singular  ausschliesslich  in  Ge- 
brauch ist*,  so  gilt  dasselbe  auch  von  dem  Herrscher  selbst. 

Wenn  dennoch  sowohl  in  der  Ansprache  wie  noch  mehr  in  dei 
eigenen  Rede  der  Plural  in  Beziehung  auf  die  Herrscher  früh  er- 
scheint und  mehr  und  mehr  überwiegt,  so  ist  zunächst  in  aller 
solchen  Fällen  die  Frage  aufzuwerfen,  ob  nicht  an  mehrere  Herrsche) 

1)  Doch  verdient  die  kurze  Erörterung  von  Emil  Chatelain  du  pluriel  d 
respect  en  Latin  (Revue  de  philologie  t.  4  a.  1880  p.  129—139)  nicht  bloss  ii 
sprachlicher  Beziehung  Anerkennung;  auch  die  eingreifenden  historischej 
Momente  hat  der  Verfasser  einsichtig  gewürdigt. 

2)  Vita  Aelii  1;  Cassii  3;  Macrini  15.  j 

3)  Vita  Albini  5;  Getae  1;  Elag.  2.  34.  35;  Maximini  1;  Gordiani  III  1.  8^j 

4)  In  Rundschreiben  an  Kategorien  von  Beamten,  zum  Beispiel  an  di! 
praefeeti  praetorio,  wechselt  allerdings  tuus  und  vester,  jenachdem  an  den  nächste 
oder  an  alle  Adressaten  gedacht  wird  (z.  B.  C.  Th.  1,  15,  4.  8,  5, 12), 


Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft.         321 

gedacht  sein  kann.  Für  die  bessere  Kaiserzeit  ist  eine  derartige 
Beziehung  ohne  Ausnahme  erweislich;  die  Stellen  namentlich  in  den 
Briefen  des  jüngeren  Plinius,  welche  als  die  ältesten  Belege  für  den 
Majestätsplural  zu  figuriren  pflegen,  gehen  erwiesener  Massen  auf 
Nerva  und  Traianus  zugleich^.  Aber  auch  in  späterer  Zeit  ist  die- 
selbe Auffassung  durchgängig  statthaft  und  mehrfach  geboten.  Wenn 
der  Biograph  des  Kaisers  Marcus  schreibt  ^i  deus  etiamnunc  habetur, 
ut  vohis  ipsis,  sacratissime  Imperator  Diocletiane,  et  semper  visum  est 
et  videtur,  qui  eiim  inter  numina  vestra  . . .  veneramini  ac  saepe  dicifis 
vos  vita  et  dementia  tales  esse  cupere  qualis  fuit  Marcus,  so  hat  er  542 
ohne  Zweifel  diese  Verehrung  nicht  ausschliesslich  dem  Diocletian, 
sondern  ebensowohl  seinem  Mitherrscher  beilegen  wollen;  und  wenn 
Eutropius,  der  sein  Werk  dem  Valens  zuschreibend  ihn  mit  nian- 
suetudo  tua  anredet,  nachher  ^  von  haec  imperii  potestas  spricht,  quam 
nunc  tranquillitas  vestra  habet,  so  ist  es  noch  evidenter,  dass  er  hier 
den  Valens  allein  gar  nicht  nennen  durfte.  In  der  gleichen  Weise 
tritt  bei  den  Panegyrikern  neben  dem  durchaus  vorherrschenden 
Singular  der  Plural  da  ein,  wo  die  Sammtherrschaft  in  lebendiger 
Wirksamkeit  besteht,  wo  die  Ansprache  an  Maximian  oft  auf  Dio- 
cletian, die  auf  Theodosius  I  oft  auf  Valentinian  II  mit  Rücksicht 
nimmt,  während  in  den  an  Constantin  gerichteten  Reden  in 
charakteristischer  Weise  der  Mitherrscher  Licinius  verschwindet  und 
nun  gar  in  der  an  den  Augustus  Julianus  gerichteten  nie  ein  anderer 
Numerus  als  der  Singular  erscheint.  Der  Uebergang  vom  Singular 
in  den  Plural  tritt  in  mehreren  dieser  Stellen  gerade  so  unvermittelt 
ein  wie  in  der  Inschrift  von  Hissarlik  und  giebt  für  sie  den  deut- 
lichen Commentar.  —  In  noch  umfassenderer  Weise  macht  der 
Plural  sich  geltend  in  den  eigenen  Erlassen  derjenigen  Kaiser, 
welchen  ein  oder  mehrere  andere  Augusti  oder  auch  nur  Caesaren 
zur  Seite  standen.  Da  nicht  bloss,  wie  wir  oben  sahen,  bei  dem 
Vorhandensein  mehrerer  Augusti  jedem  Erlass  die  Namen  aller  vor- 
gesetzt wurden,  sondern  auch  die  Caesaren  insbesondere  in  späterer 
Zeit  in  der  Präscription  genannt  zu  werden  pflegten  *,  so  musste,  wo 

1)  S.  diese  Zeitschrift  [Hermes]  3,  89  [=  Ges.  Sehr.  4  S.  424  A.  1]. 

2)  c.  19.  Das  überlieferte  ipsi  ist  nicht  zu  halten.  Vgl.  vita  Veri  11:  cum 
adhuc  post  Mar  cum  praeter  vestram  clementiam,  Diocletiane  Auguste,  imperatorem 
taiem  nee  adulatio  videatur  potuisse  confingere.  Ganz  richtig  sagt  Chatelain 
p.  130:  partout  oii  l'ecrivain  emploie  le  pluriel,  il  associe  en  esprit  Diocletien  et 
Maximien. 

3)  1,  12. 

4)  Dass  die  Nennung  im  Präscript  an  der  tribunicischeu  Gewalt  hing, 
habe  ich  im   Staatsrecht  2,  1165  wahrscheinlich  gemacht;    von  Diocletian   au 

MOMMSEN,    SCHR.  VI.  21 


322         1^16  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft. 

also   im  Eingang  mehrere  Namen   standen,   der  Erlass  selbst  noth- 
wendig  im  Plural  gefasst  werden. 

Danach  kann  die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  der  sogenannte 
543  Majestätsplural  nicht  für  die  bezeichnete  Periode '  überhaupt  zu 
leugnen  ist;  und  insofern  es  sich  um  die  Anrede  handelt,  dürfte 
dieselbe  allerdings  zu  bejahen,  vos  und  vester,  wo  sie  vorkommen, 
immer  in  Beziehung  auf  mehrere  und  zwar  rechtlich  sich  gleich- 
stehende Herrscher  gesagt  sein  2.  Hätte  ich  dies  früher  gewusst,  so 
würde  ich  die  richtige  Beziehung  der  Inschrift  von  Cius  vielleicht 
schon  gefunden  haben,  bevor  der  Stein  selbst  wiederkehrte  und 
unsere  Irrthümer  beseitigte.  Aber  was  die  Rede  in  erster  Person 
anlangt,  würde  man  mit  der  Behauptung,  dass  der  Plural  auch  hier 
immer  auf  mehrere  Personen  sich  bezieht,  doch  zu  weit  gehen. 
Ich  habe  die  Erlasse  zweier  Epochen,  in  denen  es  nur  einen 
Augustus  ohne  Caesaren  zur  Seite  gegeben  hat,  der  Regierung 
Gordians  HI  (238  —  244)  und  derjenigen  Julians  und  Jovians 
(361 — 364),  auf  diesen  Sprachgebrauch  geprüft.  In  den  ersteren, 
in  welchen  nach  der  Weise  dieser  Zeit  die  Person  des  Erlassenden 
überhaupt  zurücktritt,  wird  dieselbe,  wo  sie  erscheint,  meistens  im 
Singular  bezeichnet^;  daneben  aber  finden  sich  plurale  Wendungen: 
'wir  bestimmen',  'wir  gestatten',  'unsere  Hoheit',  'unser  Verwalter'  *. 
Aehnlich  verhält  es  sich  mit  den  Yerordnungen  Julians,  jedoch  so, 
dass  bei  ihm  die  letztere  Ausdrucksweise  weit  überwiegt^  und  der 

wird  sie  vermuthlich  jedem  Caesar  zugestanden  haben.  Auch  in  Constantins 
Erlassen  haben  die  Caesaren  vermuthlich  gestanden,  obwohl  mit  Ausnahme  der 
vaticanischen  die  zurechtgemachten  Inscriptionen  unserer  Sammlungen  sie  nicht 
nennen;  wie  wenig  Verlass  auf  diese  ist  und  wie  wir  durchaus  in  dieser  Hinsicht 
an  die  wenigen  Originaltexte  (insonderheit  C.  III,  352  [=  7000  =  Dessau  6091]) 
gewiesen  sind,  habe  ich  a.  a.  0.  und  eingehender  in  den  Leipziger  Berichten 
1850  S.  205  f.  gezeigt. 

1)  Belege  aus  Sidonius  und  seinen  Zeitgenossen  und  Nachfahren  giebt  Chatelain 
p.  133  f.     Für  Jordanes  habe  ich  in  meiner  Ausgabe  p.  199  das  Gleiche  gethan. 

2)  Auch  hier  kann  ich  Chatelain  (p.  139)  nur  beistimmen:  jamais  on  n'a 
employe  'ms'  pour  'tu'  avec  autant  de  liberte  que  'nos'  pour  'ego\ 

3)  Temporum  meorum  disciplina  (C.  lust.  2,  17,  2)  —  secta  temporum  meorum 
(das.  10,  11,  2)  —  fiscus  mens  (das.  2,  17,  2)  —  rationes  meae  (10,  3,  2)  —  procuratar 
meus  (das.  10,  2,  3  und  10,  3,  3)  —  non  possum  animadvertere  (das.  4,  58,  2). 

4)  Nostra  serenitas  (C.  lust.  8,  33,  2)  —  indulgentia  nostra  (das.  12,  35,  5)  — j 
iudicamus  (das.  5,  12,  8)  —  permittimus  (das.  9,  1,  8)  —  procurator  noster  non  vice\ 
praesidis  agens  (das.  3,  3,  1).  Dass  diese  Rescripte  vielfach  interpolirt  sind,  ist 
bekannt;  indess  liegt  kein  Grund  vor  eben  hier  redactionelle  Aenderungen  zu 
vermuthen. 

5)  Dies  gilt  durchaus  von  den  eigentlichen  Dispositivworten  damus  (C.  Th  j 
1,  16,  8),  prohibemus  (das.  2,  29,  1),  revocamus  (das.  3,  3,  1)  u.  s.  f.;  ferner  heisst  efj 


Die  Inschrift  von  Hissarlik  und  die  römische  Sammtherrschaft.  323 

Singular  nur  da  begegnet,  wo  die  persönliche  Beziehung  auf  den 
Herrscher  bestimmter  hervortritt^.  Allem  Anschein  nach  liegt  bei 
diesem  Gebrauch  des  Plurals  eine  ähnliche  Anschauung  zu  Grunde  544 
wie  bei  dem  althergebrachten  Plural  des  Schriftstellers.  Wie  die 
litterarische  Discussion  nicht  so  sehr  dem  eben  Verhandelnden,  als 
allen  Betheiligten  beigelegt  wird,  so  ist  auch  der  Regierungsact 
mehr  noch  Sache  des  Staats  als  der  ihn  vollziehenden  Person. 
Diese  Anschauung,  wonach  der  Herrscher  gleichsam  zurücktritt 
hinter  der  Herrschergewalt  und  im  Namen  des  Gemeinwesens  oder, 
wenn  man  lieber  will,  für  sich  und  seine  Nachfolger  redet,  scheint 
ziemlich  früh  dahin  geführt  zu  haben,  dass  er  die  ehrenden  Be- 
zeichnungen des  höchsten  Amts  von  sich  ab  auf  dessen  sämmtliche 
Träger  übertrug,  seine  eigene  Verfügung  auf  diese  insgemein  bezog. 
Es  wird  weiterer  auch  auf  den  griechischen  Sprachgebrauch  zu  er- 
streckender Beobachtung  bedürfen,  um  nach  dieser  Seite  hin  den 
Gebrauch  des  Plurals  genügend  festzustellen  und  weiter  die  Brücke 
zu  finden,  die  von  da  zu  dem  Höflichkeitsplural  der  romanischen 
Sprachen  führt.  Die  anmuthige  Legende,  die  schon  Dante  vernahm, 
dass  Caesar  der  erste  gewesen,  zu  dem  man  voi  gesagt  hat,  ist  wohl 
geschwunden,  aber  der  wirkliche  Hergang  der  Umgestaltung  der 
Anrede  noch  recht  unvollkommen  erforscht.  Vielleicht  giebt  diese 
kurze  Erörterung  für  eine  derartige  Untersuchung  die  Anregung. 


u.  a.  ad  nostrum  comitatum  (das.  11,  30,  29) ,  ad  nostrae  tranquillitatis  comitatum 
(das.  11,  30,  81),  nostrorum  temporum  tranquillitas  (das.  10,  20,  1),  nostro  arbitrio 
(das.  12, 13, 1),  scrinia  nostra  (das.  6,  26,  1),  curam  nos  subire  compulsi  (das.  8,  5,  12), 
sogar  in  (senatu)  nos  quoque  ipsos  esse  numeramus  (das.  9,  2,  1). 

1)  So  eonstitutio  Constantini  patrui  mei  (C.  Th.  2,  5,  1  und  8,  11,  3)  —  in 
consulatu  meo  quarto  (das.  6,  27,  2)  —  evectiones  manu  mea  perscriptas  ipse  per- 
mütam  (das.  8,  5,  13,  neben  nostra  mansuetudo),  wogegen  anderswo  (das.  8,  5,  14) 
annotatio  manus  nostrae  gefunden  wird.  Besonders  bezeichnend  ist  die  Verord- 
nung über  die  städtischen  öffentlichen  Lehrer  C.  Th.  18,  3,  5:  quia  singulis  civi- 
tatibus  adesse  ipse  non  possum,  iubeo  quisquis  docere  vult  ....  decretum  curialiwm 
mereatur  ....  hoc  enim  decretum  ad  me  tractandum  referetur,  ut  .  .  .  nostro 
iudicio  studiis  civitatum  accedant.  —  Auch  Chatelain  sagt  p.  138  treffend:  pendant 
longtemps  on  a  dit  ä  un  empereur  imperium  vestrum  et  vultus  tuus ;  ä  un  eveque 
consilium  vestrum  et  sanctitas  tua. 


2V 


XVII. 

Consulari  a.*) 

538  Die  Zusammenstellung  der  Consullisten  von  Diocletian  abwärts, 

welche  durch  die  meiner  Ausgabe  der  kleinen  Chroniken  des  4.,  5. 
und  6.  Jahrhunderts  beizufügenden  Register  gefordert  wurde,  hat 
mir  zunächst  gezeigt,  wie  wünschenswerth  es  sein  würde  für  die 
Epoche  von  Diocletian  bis  Justinian  eine  Zusammenstellung  der 
Fasten  und  wo  möglich  der  Jahresdatirungen  überhaupt  zu  erhalten^. 
Diese  schwierige  Aufgabe  hat  jener  Index  keineswegs  sich  gestellt, 
wird  aber,  bis  er  durch  Besseres  abgelöst  wird,  für  die  betreffende  (,i 
Epoche  einigen  Anhalt  gewähren.  Bei  dieser  Grelegenheit  haben 
sich  nun  die  folgenden  Bemerkungen  ergeben. 

I.  ^ 

In  den  Consularbezeichnungen  des  J.  307  spiegelt  sich  der  da 
malige  Streit  um  die  Herrschaftsgewalt,  Da  nach  dem  Herkommen 
an  die  Erlangung  der  Kaiser-  oder  der  Caesarenstellung  die  Ueber- 
nahme  des  nächsten  freien  ordentlichen  Consulats  sich  knüpft,  sc 
waren  die  rechtmässigen  Anwärter  auf  dasselbe  für  dieses  Jahr  di( 
im  J.  305  ernannten  Caesaren  Severus  und  Maximinus,  welche  füi 
306  durch  die  neuen  Augusti  Constantius  und  Galerius  ausgeschlossei 
worden  waren,  und  der  erstere  von  jenen,  Severus,  jetzt  um  so  meh 
berufen,  als  er  im  Vorjahr  nach  Constantius  Tode  zum  Augustu 
erhoben  worden  war.    Diese  werden  denn  auch  im  Herrschaftsbereic 


*)  [Hermes  32, 1897  S.  538-553,  —  Vergl,  Seeck  Rhein.  Museum  1907  S.  489  ff  | 
1)  Die  von  Goyau  Chronologie  de  l'empire  Romain  (Paris  1891)  gegebenel 
Fasten  dieser  Epoche  sind  im  wesentlichen  den  Fasten  Borghesis  entnomme 
nach  der  von  Renier  genommenen,  jetzt  in  der  Pariser  Institutsbibliothek  auj 
bewahrten  Abschrift  (Goyau  Vorrede  S.  X)  mit  Weglassung  der  von  Borghej 
beigebrachten  Belege;  in  dieser  Form  sind  sie  ungenügend  und  häufig  irreführen! 
Wo  meine  Ansetzungen  von  ihnen  abweichen,  sind  die  Borghesischen  von  nV 
erwogen  und  verworfen  worden. 


Consularia.  325 

des  Galeriu8  in  diesem  Jahr  verzeichnet^.  —  Aber  Maxentius,  den 
der  Aufstand  in  der  Reichshauptstadt  während  der  letzten  Monate  539 
des  J.  306  hier  und  in  Italien  und  Africa  zum  Machthaber  gemacht 
hatte,  Hess  diese  Creirung  sich  nicht  gefallen.  Er  versuchte  zunächst 
mit  dem  Kaiser  Galerius  ein  Abkommen  zu  treffen,  indem  er  zwar 
den  Maximinus  anerkannte,  aber  an  die  Stelle  des  Severus  nicht 
etwa  sich  selber  setzte,  obwohl  er,  wenn  er  auch  zunächst  nur  den 
Caesartitel  in  Anspruch  nahm  2,  schon  dadurch  ein  Anrecht  auf  das 
Consulat  hatte,  sondern,  nach  Ausweis  der  zuverlässigen  Chrono- 
graphie vom  Jahre  354,  am  1 .  Januar  307  in  Rom  eben  den  Galerius 
selbst  als  Consul  zum  siebenten  Mal  ausrufen  Hess  und  neben  ihm 
den  Caesar  Maximinus.  Aber  dies  Entgegenkommen  fand  keine 
Erwiderung;  Galerius  wies  jenes  Consulat  zurück  und  hat  es  auch 
später  nicht  gezählt^.  Zugleich  sandte  er  den  neuen  Augustus 
Severus  mit  Truppen  nach  Italien,  um  die  Auflehnung  in  Rom 
niederzuwerfen.  Wahrscheinhch  hatte  Maxentius  am  Anfang  des 
J.  307  von  dieser  beabsichtigten  Expedition  schon  insoweit  Kunde, 
dass  er  meinte  nur  mit  Severus  persönlich  zu  thun  zu  bekommen 
und  mit  Galerius  und  Maximinus  zum  Ausgleich  gelangen  zu  können. 
Als  diese  Hoffnung  fehlschlug,  cassirte  Maxentius  im  April  dieses 
Jahres  die  von  ihm  ernannten  Consuln  und  es  wurde  für  den  Rest 
des  Jahres  in  Rom  nach  dem  Vorjahr  datirt*.  Dass  er  das  Consulat 
dieses  Jahres  nicht  selbst  übernahm,  erklärt  sich  daraus,  dass  nur 
das  des  1.  Januar  angesehen  ward  als  vollgültig  und  mit  dem 
höchsten  Amt  vereinbar.  Dagegen  Hess  er  nach  Severus  Mederlage 
sich  am  27.  October  dieses  Jahres  zum  Augustus  ausrufen^  und  über- 
nahm das  Consulat  mit  seinem  Sohne  für  das  Folgejahr**.  —  Aber 

1)  Die  Consuln  Severus  und  Maximinus  nennen  die  griechischen  Fasten, 
die  theonischen  wie  die  heraklianischeu. 

2)  Schrift  de  mort.  persec.  26.     Eckhel  8,  55. 

3)  Er  nennt  sich  cotisul  VII  im  Jahre  308,  consul  VIll  im  Jahre  311. 

4)  Das  besagen  die  (von  Rossi  inscr.  ehr.  I  p.  XXVI  nicht  richtig  behan- 
delten) Worte  des  Chronographen  ex  mense  Aprili  factum  est  {post']  sextum  con- 
•oilatiim.  Diese  Datirung  findet  sich  noch  im  December.  Missverstanden  ist 
dies  von  Schiller  röm.  Kaiserzeit  2,  172. 

5)  Schrift  de  mort.  pers.  44 :  imminebat  dies,  quo  Maxentius  imperium  ceperat, 
qui  est  a.  d.  VI  Je.  Nov.,  et  quinquennalia  terminabantur.  Maxentius  Katastrophe 
fand  statt  am  27.  October  312;  die  fünf  Jahre  zählen  also  von  dem  gleichen 
Tage,  nicht  306,  wie  man  anzunehmen  pflegt,  sondern  307. 

6)  Auffallend  ist  es,   dass   er  dies  nicht  schon  am   1.  Januar  308  antrat, 
ndern  nach  dem  Chronographen  erst  am  20.  April.     Consul  Ordinarius  war  er 

über  dennoch;  dafür  genügt  auch  der  Antritt  nach  dem  I.Januar,  wenn  vorher 
postconsularisch  datirt  ward. 


326  Consularia. 

540  ausser  der  von  Galerius  und  der  von  Maxentius  angeordneten  Be- 
zeichnung des  Jahres  307  begegnet  noch  eine  dritte  also  gefasste: 
[Maximiano]  Villi  et  Constantino.  Dem  Osten  ist  sie  unbekannt, 
dagegen  erscheint  sie  neben  und  statt  der  maxentianischen  in  sämmt- 
lichen  occidentalischen  Consultafeln,  in  der  seltsamen  Gestalt,  dass 
von  dem  erstgenannten  Consul  nur  die  Ziffer,  nicht  aber  der  Name 
gesetzt  wird^.  Yon  Galerius  kann  diese  Datirung  nicht  herrühren. 
Es  wäre  ja  denkbar,  dass  er  nach  Severus  Tode  dem  alten  Herculius 
an  dessen  Stelle  das  Consulat  übertragen  hat;  aber  unsere  Tafeln 
verzeichnen  nicht  die  Consuln  überhaupt,  sondern  die  postconsulari- 
schen  oder  consularischen  Jahresbenennungen,  und  nachdem  diese 
von  Galerius  für  dies  Jahr  an  Severus  und  Maximinus  vergeben 
war,  änderte  der  Tod  des  einen  derselben  im  Laufe  des  Jahres 
hieran  nichts  2.  Dem  Constantinus  aber  hat  Galerius  das  Consulat 
für  307  nicht  eingeräumt,  da  die  Fasten  der  östlichen  Reichshälfte, 
wie  weiter  bemerkt  werden  wird,  das  erste  Consulat  Constantins  auf  1 
das  Jahr  309  ansetzen.  Also  ist  diese  dritte  Datirung  des  Jahres 
307  die  constantinische :  Constantinus  hat  nach  dem  Tode  des  Vaters 
im  Jahre  306  wie  die  maxentianischen  so  auch  die  galerischen 
Consuln  abgelehnt  und  als  Consuln  des  Folgejahres  den  Herculius 
zum  neunten  und  sich  selbst  zum  ersten  Mal  proclamiren  lassen. 
Den  verwirrten  Verhältnissen  dieser  Epoche  ist  dies  angemessen  und 
wir  erhalten  für  sie  in  diesem  Consulat  einen  festen  Anhalt.  Der 
alte  Herculius  war  allerdings  von  seinem  Sohn  Maxentius  veranlasst 
worden  die  niedergelegte  Herrschaft  wieder  aufzunehmen,  und  wenn 
dies,  wie  wahrscheinlich,  schon  im  Jahre  306  geschehen  war,  so  hatte 
er  als  neuer  bis  Augustus^  ein  Anrecht  auf  das  Ordinariat  des 
Jahres  307,     Dies  wurde  von  dem  Sohn  nicht  anerkannt   in  Folge 

541  des  zwischen  beiden  bald  darauf  eingetretenen  Zerwürfnisses,  wohl 
aber  von  dem  gallischen  Machthaber,  zu  dem  Herculius  sich  noch 
im  Jahre  306  begab  und,   indem  er  ihm  seine  Tochter  Fausta  ver-| 

1)  Novies  et  Constantino  bei  dem  Chronographen  und  in  den  hydatianischer 
Fasten.  Die  Fasten  der  italischen  Chronik  und  nach  ihnen  Prosper  setzen  voi 
novies  den  Namen  Diocletians  ein,  was  unmöglich  ist,  da  dieser  im  Jahre  80^ 
das  neunte,  im  Jahre  308  das  zehnte  Consulat  geführt  hat.  Das  neunte  30' 
passt  allein  auf  den  Herculius,  der  im  Jahre  304  das  achte  geführt  hatte.         1 

2)  So  wird  bekanntlich  für  das  Jahr  364  nach  dem  Tode  des  Kaisers  uuii 
Consuls  lovianus  die  Jahresbezeichnung  nur  insoweit  geändert,  dass  dem  Nameij 
divus  vorgesetzt  wird.  Ebenso  wird  das  Jahr  311  nach  Galerius  Tode  in  Noricuii 
(CLL.  III,  4796  [=  Dessau  4197])  bezeichnet  divo  Maximiano  VIU  et  Maa;<j 
mino  II  Augg.  ■ 

3)  Schrift  de  mort.  pers.  26. 


Consularia.  327 

mahlte,  zunächst  mit  ihm  in  die  engste  Verbindung  trat^.  Freilich 
entwickelte  sich  bald  aus  dieser  Eifersucht  und  Zwist.  Der  Schwieger- 
vater versuchte  seinem  Schwiegersohn  die  Herrschaft  und  selbst  das 
Leben  zu  nehmen  und  endigte  im  Anfang  des  Jahres  310  durch 
eigene  Hand.  Daraus  wird  es  sich  erklären,  dass  sein  neuntes 
Consulat  vom  Jahre  307  zwar  den  Platz  in  den  Fasten  behauptete, 
sein  Name  aber  aus  denselben  wenigstens  an  dieser  Stelle  getilgt 
ward'^.  Die  Spannung  zwischen  Constantin  und  Galerius  und  die 
enge  Yerbindung  zwischen  jenem  und  Herculius  während  der  Jahre 
306  und  307  treten  in  den  Fasten  deutlicher  und  schärfer  auf  als  542 
in  der  Ueberlieferung. 

Das  Verhältniss  zwischen  Galerius  und  Constantin  wird  durch 
die  Fasten  der  folgenden  Jahre  weiter  beleuchtet.  Der  letztere  hatte 
schon  als  Caesar,   in  welcher  Eigenschaft  Galerius   seit  dem  Tode 


1)  Die  bei  Gelegenheit  dieser  Vermählung  an  den  Brautvater  gerichtete 
frunkrede  (6  bei  Bährens)  gehört  in  das  Jahr  306  wegen  der  Worte  c.  8:  te 
ricesimo  anno  imperatorem,  oetavo  consulem  .  .  .  Roma  voluit  detinere,  da  Maximian 
im  Jahre  307  das  neunte  Consulat  annahm.  Die  Schrift  de  mort.  pers.  29  setzt 
die  gallische  Reise  des  Herculius  etwas  zu  spät,  in  das  Jahr  307  nach  der 
Niederlage  des  Severus  und  vor  das  Einrücken  des  Galerius  in  Italien.  — 
Uebrigens  führt  die  erwähnte  sicher  datirte  Rede  die  Situation  des  Occidents 
am  Ende  des  Jahres  306  uns  deutlich  vor  Augen.  Der  Aufruhr  in  Rom  und 
Italien  ist  beschwichtigt,  nachdem  der  Altkaiser  die  Herrschaft  und  damit  das 
gewohnte  Commando  über  seine  Veteranen  wieder  übernommen  hat  (10:  Roma 
.  .  abduxit  exercitus  suos  ac  tibi  reddidit).  Von  Maxentius  ist  keine  Rede ;  ja 
wenn  in  der  Schlussapostrophe  an  den  verstorbenen  Constantius  es  heisst:  iiec 
Maximiano  filius,  qualis  tu  eras,  nee  Constantino  pater  deest,  so  ist  die  Nutz- 
anwendung deutlich.  Maximianus  als  wieder  eingesetzter  Augustus  kommt  aus 
Italien  nach  Gallien,  ura  dem  Caesar  Constantinus  die  Herrschergewalt  zu  ver- 
leihen (5  und  sonst;  wobei  man  sich  zu  erinnern  hat  an  die  dieser  Epoche 
eigene  Scheidung  der  einfachen  Caesarenstellung  und  der  Caesarenstellung  mit 
Kaisergewalt;  St.  R.  2,  1164),  wie  er  sie  vor  Jahren  dem  Vater  verliehen  hat 
(c.  3 :  et  paterni  et  tui  auctor  imperii) ,  und  die  früher  schon  dem  Constantin 
verlobte  Tochter  ihm  nun  zu  vermählen.  Dies  ist  die  höfisch  -  gallische  Dar- 
stellung, wonach  nur  in  weiter  Ferne  noch  einige  Unruhen  bestehen  (c.  12  a.  E.). 
In  der  That  ist  Maximianus  wahrscheinlich  nach  einem  Scheinerfolg  in  Italien 
ohne  Truppen  zu  Constantinus  gekommen  und  hat  hier  Aufnahme  und  Aner- 
kennung gefunden,  während  Rom  und  Italien  sich  vielmehr  gegen  den  Altkaiser 
entschieden  und  dessen  ungerathener  Sohn  oder  Bastard  dort  noch  vor  Jahres- 
schluss  an  die  Spitze  trat. 

2)  Zufall  kann  das  Weglassen  seines  Namens  neben  der  Nennung  des 
Collegen  (S.  326  A.  1)  nicht  wohl  sein.  Unterdrückung  beider  Namen  unter 
blosser  Setzung  der  Iterationsziffern  ist  dagegen  eine  nicht  selten  begegnende 
Verkürzung  und  ohne  politische  Bedeutung. 


328  Consularia. 

des  Constantius  im  Jahre  306  ihn  anerkannte  i,  ein  Anrecht  auf  das 
Consulat.  Dass  er  es,  wie  wir  sahen,  für  307  nicht  erhielt,  Hess  sich 
damit  motiviren,  dass  Severus  und  Maximinus  im  Rang  ihm  vor- 
gingen. Aber  eine  nicht  also  zu  motivirende  Zurücksetzung  lag 
darin,  dass  die  Machthaber  im  Osten  den  Constantin  auch  bei  der 
Besetzung  des  Consulats  für  308  übergingen  und  Galerius  die  erste 
Stelle  dem  alten  Diocletian  übertrug,  die  zweite  für  sich  selber 
nahm.  Erst  im  Jahre  darauf  wurde  von  Galerius  dem  Constantin 
zugleich  mit  der  Titularerhöhung  vom  blossen  Caesar  zum  filius 
Augusfi^  neben  und  nach  dem  neuen  Augustus  Licinius  das  Consulat 
für  das  Jahr  309  zugestanden,  wie  ihn  denn  die  Fasten  des  Ost- 
reichs für  dieses  Jahr  an  zweiter  Stelle  verzeichnen.  Wie  gespannt 
das  Yerhältniss  blieb,  zeigt  die  Zurückweisung  dieses  Consulats  für 
309  durch  Constantin.  Unsere  Tafeln  führen  das  erste  Consulat 
Constantins  an  zwei  Stellen  auf,  die  occidentalischen  unter  307,  die 
orientalischen  unter  309;  beide  Ansetzungen  schliessen  sich  aus, 
denn  nach  allen  Fasten  übernimmt  Constantin  das  zweite  Consulat 
im  Jahre  312.  Gegenconsuln  hat  Constantin  weder  für  308  noch 
für  309  aufgestellt,  auch  die  Consuln  des  ersten  Jahres  anerkannt, 
dagegen  die  Proclamation  derjenigen  des  Jahres  309  in  seinem. 
Machtgebiet  unterlassen.  Ebenso  ist  er  verfahren  gegenüber  den 
galerischen  Consuln  des  Folgejahres,  Andronicus  und  Probus;  sie 
werden  in  den  Fasten  des  Ostreichs  und  auf  illyrischen  Inschriften* 
genannt,  nicht  aber  im  Westen.  Hier  sind  vielmehr  die  officiellen 
Datirungen  der  Jahre  309  und  310  postconsularisch,  für  jenes  post 
consulatum,  für  dieses  anno  secundo  post  consulatum  [Dioclefiani] 
Äug.  X  et  [Maximiani]  VIL  Auch  den  Augustustitel  Constantins 
hat  Galerius  erst  spät  und  widerwillig  anerkannt,  als  er  ihn  eben- 
543  falls  dem  Maximinus  einräumen  musste*.    Wann  diese  Anerkennung 


1)  Dies  zeigt  zum  Beispiel  der  ägyptische  Meilenstein  C.  I.  L.  III  S.  6638 
=  Dessau  657. 

2)  Schrift  de  mort.  pers.  32:  se  lÄciniumque  Augustos  appellat,  Maxentium 
(sehr.  Maximinum)  et  Constantinum  filios  Augtistorum. 

3)  C.  I.  L.  III,  B335.  5565  [=  Dessau  664]. 

4)  Nachdem  der  Verfasser  der  Schrift  de  mortibus  persecutorum  a.  a.  0.  die 
Annahme  des  Kaisertitels  durch  Maximinus  berichtet  hat,  fährt  er  fort:  recepit 
nie  (Galerius)  maestus  ac  dolens  et  universos  quattuor  imperatores  iubet  numerari. 
—  Genügende  Zeugnisse  für  die  in  der  letzten  Zeit  des  Galerius  von  diesem 
beliebte  Sammtformel  der  Kaisertitular  besitzen  wir  nicht.  Das  verstümmelte 
und  schlecht  überlieferte  Decret  von  Sinope  C.  I.  L.  III  S  6979  =  Dessau  660 
nennt  den  Galerius  und  nach  einer  Rasur  den  Constantinus;  wahrscheinlich  j 
sind  in  der  Rasur  die  Namen  des  Licinius  und  des  Maximinus  getilgt  und  waren) 


J 


Consularia.  329 

stattgefunden  hat,  wird  nicht  berichtet  und  gewöhnlich  setzt  man 
sie  in  das  Jahr  308;  die  ägyptische  Königstafel  dagegen  führt,  wie 
unten  (S.  333)  gezeigt  ist,  auf  das  Jahr  309.  So  ist  das  Zerwürfniss 
zwischen  Constantin  und  Galerius  geblieben  bis  zum  Tode  des 
letzteren  im  Anfange  des  Jahres  311.  Zum  offenen  Bruch  aber  ist 
es  nicht  gekommen;  die  beiden  letzten  Consulate  des  Galerius  308 
und  311  stehen  unbeanstandet  auch  in  den  späteren  Fasten. 

Jenes  erste  Consulat  des  Licinius,  das  dieser  von  seinem  Creator 
Galerius  für  das  Jahr  309  erhielt,  ist  nach  dem  Gesagten  von  seinem 
damaligen  Gegner  und  späteren  Collegen  beanstandet  worden.  Allein 
eigentlich  abrogirt  wurde  es  auch  nicht.  Nachdem  sich  beide  ver- 
ständigt hatten,  übernahmen  sie  gemeinschaftlich  das  Consulat  für 
312  und  Licinius  zählt  dies  als  das  zweite,  womit  das  erste  vom 
Jahre  309  für  ihn  anerkannt  ward,  wenn  es  auch  in  den  Fasten  des 
Occidents  nicht  figurirt^.  —  Hinsichtlich  der  alten  und  wichtigen 
Streitfrage,  ob  Licinius  im  Jahre  307  oder  im  Jahre  308  von  Galerius 
zum  Augustus  creirt  worden  ist,  ist  es  von  Belang,  dass  er  das  Con- 
sulat erst  für  309  erhalten  hat.  Unbedingt  entscheidend  für  das 
spätere  Jahr  ist  dies  insofern  nicht,  als  möglicher  Weise  bei  seiner 
Ernennung  ausgemacht  sein  kann,  dass  der  Altkaiser  Diocletian  und 
der  Hauptkaiser  Galerius  ihm  im  Consulat  voraufgehen  sollten. 
Immer  indess  wird  das  gesicherte  Consulatjahr  für  das  Augustusjahr 
308  schwer  ins  Gewicht  fallen. 

In  ähnlicher  Weise  hat  Constantin  auch  das  Consulat  des  Maxi-  544 
minus  vom  Jahre  307,  so  lange  er  mit  ihm  im  Einvernehmen  stand, 
gewissermassen  gelten  lassen.  In  der  Stadt  Rom  ist  am  15.  April  313^, 
zu  welcher  Zeit  Constantin  dort  der  Herr  war,  Licinius  aber  wahr- 
scheinlich schon  gegen  Maximinus  die  Waffen  ergriffen  hatte,  ein 
Altar  errichtet  worden,  auf  welchem  als  College  Constantins  im 
dritten  Consulat  nicht,  wie  in  der  späteren  officiellen  Jahresnomen- 
clatur,  Licinius  gleichfalls  als  Consul  zum  dritten  Mal  genannt  wird, 
sondern,  wie  in  den  heraklianischen  Fasten  des  Ostens,   Maximinus 


alle  vier  als  Augusti  bezeichnet,  aber  Galerius  durch  vollere  Titulatur  aus- 
gezeichnet. Wenn  das  bekannte  Edict  des  Galerius  bei  Eusebius  h.  e.  8,  17  im 
Präscript  die  drei  Augusti  Galerius,  Constantinus  und  Licinius,  alle  mit  voller 
Titulatur,  nennt,  so  hat  hier  Eusebius  zweifellos  interpolirt ;  in  einem  Erlass  des 
Galerius  konnte  Maximinus  nicht  fehlen  und  unmöglich  Constantin  vor  Licinius 
genannt  werden. 

1)  Prosper  hat  darum  das  erste  Consulat  des  Licinius   bei  dem  Jahre  311 
eingeschwärzt. 

2)  C.  I.  L.  VI,  507. 


330  Consularia. 

als  Consul  zum  dritten  Mal,  womit  also  die  Consulate  desselben  von 
307  und  311  anerkannt  wurden.  Späterhin  allerdings,  nachdem 
Constantinus  und  Licinius  gemeinschaftliche  Sache  gemacht  hatten 
und  Maximinus  überwältigt  war,  sind  dessen  Consulate  alle  aus  den 
Fasten  gestrichen  worden. 

II. 

Als  im  ganzen  Eeich,  abgesehen  von  dem  Herrschaftsgebiet  des 
Maxentius,  für  das  Jahr  308  anerkannte  Consuln  werden  in  den 
griechischen  Listen  und  in  einem  Theil  der  lateinischen  aufgeführt 
Diocletian  zum  zehnten  und  (Galerius)  Maximianus  zum  siebenten 
Mal,  ohne  andere  wesentliche  Abweichung,  als  dass  der  Chronograph 
von  354  bei  Diocletian  nur  die  Zahl  setzt  und  den  Eigennamen 
unterdrückt^.  Dennoch  ist  diese  Ansetzung  meistentheils  —  auch 
von  mir  —  verworfen  und  die  erste  Stelle  dem  Maximianus  Her- 
culius  zugetheilt  worden,  weniger  weil  dies  zehnte  Consulat  sich  an 
das  neunte  des  Herculius  im  Vorjahr  anzuschliessen  schien,  als  weil 
nach  der  Abdication  Diocletians  im  Jahre  305  sein  Auftreten  in  der 
Consulliste  drei  Jahre  darauf  befremdet.  Jetzt  indess  haben  zwei 
in  der  schönen  Sammlung  von  Grenfell  und  Hunt  publicirte  Ur- 
kunden^ aus  diesem  Jahr  das  Zeugniss  der  Listen  authentisch 
bestätigt:  vnaxeiag,  heisst  es  hier,  xcbv  deojiorcbv  '^juöjv  Aioxkr][ria]vov 
jiarQÖg "AyovoTODV  rö  i  xal  raX[eQi]ov  OvaXrjQiov  Ma^ijuiavov  'Ayovoxov 
545  rb  [C].  Also  ist  es  auf  der  Zusammenkunft  in  Carnuntum  zwar  nicht 
zum  Wiedereintritt  auch  dieses  Altkaisers  in  das  Regiment  gekommen, 
wie  dies  der  alte  Herculius  im  Verein  mit  Galerius  gewünscht  haben 
solP,  aber  doch  zu  der  damit  connexen  Uebernahme  des  Consulats 
für  das  Folgejahr.  Es  kann  das  nicht  wohl  anders  aufgefasst  werden, 
als  dass  die  Machthaber  des  Ostens,  von  denen  die  Consulernennung 
abhing,  den  Altkaiser  zum  Wiedereintritt  in  die  Herrschaft  drängten 
und  ihn  durch  die  consularische  Nuntiation  gewissermassen  anti- 
cipirten,  schliesslich  aber  doch  bei  dem  alten  Mann  nicht  durch- 
drangen. Dass  der  Zwist  zwischen  Diocletian  und  den  neuen 
Herrschern  Constantinus  und  Licinius,  welcher  jenem  die  letzte 
Lebenszeit     verbitterte*,     mit     der     allerdings     auffallenden    Unter- 

1)  Dass  bei  den  Postconsulaten  309  und  310  beide  Eigennamen  weggelassen 
werden  —  p.  c.  X  et  VII  und  anno  II  p.  c.  X  et  VII  —  ist  wohl  nichts  als 
Kurzschreibung  (S.  327  A.  2). 

2)  Nr.  72.  75   der  zweiten  Serie.     Die  Datirung  ist  von   den  Herausgebern  [ 
nicht  richtig  angesetzt  worden.  I 

3)  Zosimus  2,  11.     Victor  epit.  39.     Vgl.  de  mort.  pers.  29. 

4)  De  morti  pers.  a.  a.  0.    Victor  a.  a.  0. 


Consularia.  331 

drückung    seines    Namens    in    der    stadtrömischen   Consularliste    zu- 
sammenhängt, ist  wenigstens  möglich. 

III. 

Ein  aus  HermupoHs  in  Aegypten  herrührender  Kaufvertrag  der 
Sammlung  des  Erzherzogs  Rainer^  ist  datirt  vjiareiag  twv  öeonozcbv 
f]fA(bv  AixivvLov  2^eßaotov  rö  g'  xal  Äixivviov  xov  InKpaveoxdjov  Kai- 
<}aQog  rö  ß'  vom  4.  Payni  der  laufenden  11.  Indiotion,  das  ist  vom 
23.  Mai  des  Jahres  323.  Die  Consuln  dieses  Jahres  sind  nach  den 
Fasten  (Acilius)  Severus  und  (Vettius)  Rufinus;  aber  in  dieses  Jahr 
fällt  der  letzte  zwischen  Constantin  und  Licinius  geführte  Krieg  und 
wir  entnehmen  der  hermupolitanischen  Urkunde,  dass  der  Herrscher 
des  Ostens  jene  Consuln  nicht  anerkannte  und  vielmehr  für  dasselbe 
sich  zum  sechsten  und  seinen  Sohn  zum  zweiten  Mal  als  Consuln 
ausrufen  Hess.  Da  ein  Genfer  Papyrus  der  Sammlung  Nicole,  datirt 
aus  demselben  Jahr  Mesori  15  =  8.  August,  das  Jahr  bezeichnet  als 
das  18.  Constantins  und  die  gewöhnlichen  Consuln  nennt ^,  so  sind 
damit  für  die  Zeitbestimmung  des  Krieges  feste  Daten  gewonnen. 
Zunächst  ist  der  Versuch  Seecks  *  durch  Correctur  der  Subscriptionen  546 
des  theodosischen  Codex  den  Krieg  in  das  Jahr  324  zu  verlegen, 
hiermit  endgültig  beseitigt.  Weiter  erhellt,  dass  während  die  ent- 
scheidenden Schlachten  bei  Hadrianopolis  am  3.  Juli  und  bei  Chry- 
sopolis  am  18.  September*  geschlagen  wurden,  zwischen  Mai  und 
August  Aegypten  in  die  Gewalt  des  Siegers  gefallen  ist. 

Die  zweite  dieser  Urkunden  aus  dem  Jahre  323  gehört,  wie 
gesagt,  zu  den  in  nachdiocletianischer  Zeit  nicht  zahlreichen,  die 
nach  Kaiserjahren  datiren.  Es  wird  nicht  überflüssig  sein  hervor- 
zuheben, dass  die  für  die  ältere  Kaiserdatirung  geltenden  Regeln 
im  Wesentlichen  auch  für  die  spätere  Zeit  zur  Anwendung  kommen. 
Für  jeden  Augustus  und  für  jeden  Caesar  gilt  der  Zeitraum  von 
seinem  effectiven  Antrittstag  bis  zum  nächsten  28.  August  als  erstes 
Jahr,  wogegen  der  Zeitraum  von  dem  letzten  29.  August,  den  er 
erlebt,  bis  zu  seinem  Todestag  dem  Nachfolger  zugeschlagen  wird. 


1)  Bd.  1  S.  31  Nr.  10  der  Wesselyschen  Ausgabe.  Die  hinzugefügte  Datiruug 
321J2  ist  nicht  correct. 

2)  J.  Nicole  papyrus  de  Geneve  vol.  1  n.  10.  Was  die  Doppelzahl  im  Monat 
Meooqt]  id'  IS  bedeutet,  weiss  ich  nicht.  'Axdiov  Zaßsivov  scheint  verschrieben  für 
SsovriQov.  [Der  Papyrus  ist  vom  J.  316;  s.  Wilcken  Archiv  f.  Papyruskunde  IIl  383.] 

3)  Zeitschrift  der  Savignystiftung  für  Rechtsgeschichte,  röm.  Abth.  10 
(1889)  S.  190. 

4)  Die  Belege  CLL.  P  p.  320.  329. 


332  Consularia. 

Für  Diocletian  und  die  Mitregenten  stellen  sich  die  Zahlen 
demnach  also: 

T..    1     ,    T  u  12.  Sept.  284 

Diocl.    9.  Jahr  =  Max.    8.  Jahr  =   Const.  und  Gal.    1.  Jahr    29.  Aug.   292 

28.  Aug.  293 
Antritt  der 

Caes. 
1.  März  293. 

Diocl.  12.  Jahr  =  Max.  11.  Jahr  =-  Const.  und  Gal.  4.  Jahr  >  29.  Aug.  295 

28.  Aug.  296 

Diocl.  20.  Jahr  =  Max.  19.  Jahr  =  Const.  und  Gal.  12.  Jahr    29.  Aug.  303 

28.  Aug.  304 

Diocl.  21.  Jahr  ==  Max.  20.  Jahr  =   Const.  und  Gal.  13.  Jahr    29.  Aug.  304 

1.  Mai  305 

(Abdication  der 
Augusti.) 

Wir  besitzen  verschiedene  in  dieser  Weise  datirte  Urkunden: 
Diocletian    5  —  Maximian  4  ^ 

Diocletian  17   —  Maximian  16  —  Constantius  und  Galerius  9^ 
547       Diocletian  18  —  Maximian  17  —  Constantius  und  Galerius  8(?)* 
(Diocletian)  21  (Constantius  und  Galerius)  13^. 

Der  Epoche  von  der  Abdankung  Diocletians  bis  zum  Tode 
Constantius  gehören  die  folgenden  Urkunden  an: 

[Constantius]  14     Galerius  14     [Severus]  2         [Maximinus]  2^ 
Galerius  [15]  Severus  3        Maximinus  [3]    Constantinus  [2] '^ 

Constantinus  18. 

Nach  der  letztgenannten,  welche,  wie  bemerkt,  vom  8.  August  323 
datirt  ist,   entspricht  das  18.  Jahr  Constantius  dem  ägyptischen  Jahr 

1)  In  diesem  Jahr  hört  die  alexandrinische  Prägung  mit  den  Kegierungs- 
jahren  der  Kaiser  auf. 

2)  Berliner  ägypt.  Urk.  I  Nr.  13.  Danach  ergänzt  Diocletian  6  —  Maxi- 
mian 5  daselbst  Nr.  94. 

3)  Wessely  Wiener  Papyri  Nr.  40  S.  167. 

4)  Grenfell  und  Hunt  2  ser.  Nr.  74,  wo  für  xal  tj'  gelesen  werden  muss 
xal  i. 

5)  Wessely  a.  a.  0.  Nr.  41  S.  169 ,  wo  die  Namen  fehlen ,  aber  die  Zahlen 
21  und  13  (Maximian  fehlt)  gewiss  mit  Recht  von  dem  Herausgeber  auf  das 
letzte  Jahr  Diocletians  bezogen  sind.  Dagegen  ist  die  Urkunde  nicht,  wie  der- 
selbe meint,  ein  Beleg  für  die  sogenannte  diocletianische  Aera,  da  von  dieser 
doch  nur  die  Rede  sein  kann  in  nachdiocletianischer  Zeit. 

6)  Grenfell  und  Hunt  a.  a.  0.  Nr.  76,  vortrefflich  von  den  Herausgebern 
ergänzt. 

7)  Grenfell  und  Hunt  a.  a.  0.  Nr.  78,  ebenfalls  richtig  ergänzt.  Es  sind 
nur  drei  ZifiFern  für  die  vier  Herrscher  angegeben;  die  erhaltene  dritte  wird  auf 
Severus  und  Maximinus  zugleich  gehen  und  bezeichnet  das  ägyptische  Jahr 
29.  August  306/7. 


Consularia,  333 

29.  August  322  —  28.  August  323,  wonach  sein  erstes  Jahr  mit  dem 
28.  August  306  endigt.  Dies  stimmt  zu  dem  Todestag  des  Vaters, 
welcher  zugleich  der  Antrittstag  des  Sohnes  ist,  25.  Juli  306. 

Die  ägyptische  Königstafel,  die  bis  Diocletian  sicher  führt,  ist 
in  diesem  Abschnitt^  insofern  zerrüttet,  als  sie  für  die  Epoche  von 
Diocletians  Rücktritt  bis  zum  Tode  Constantins  zwar  richtig  33  Jahre 
(305  —  337)  ansetzt,  von  diesen  aber  4  dem  Constantius  oder  Con- 
stans,  29  dem  Constantin  beilegt.  Die  erste  Bezeichnung  scheint 
ein  Kurzausdruck  für  die  verwirrte  Epoche  zwischen  Diocletian  und 
Constantin  zu  sein.  Wenn  mit  308  ein  Abschnitt  gemacht  und  Con- 
stantins Regiment  von  309  an  gezählt  wird,  so  geht  dies  sicher 
darauf  zurück,  dass  in  diesem  Jahr  Constantin  zugleich  mit  Maxi- 
minus von  Galerius  als  Augustus  anerkannt  und  also  als  solcher  in 
Aegypten  proclamirt  ward  (S.  327  f.). 

Insoweit  also  hat  sich  in  der  Berechnung  der  Regierungsjahre 
in  Aegypten  nichts  geändert.  In  der  That  ist  die  sogenannte 
diocletianische  Aera,  das  heisst  die  Jahrzählung  vom  ersten  Jahre 
Diocletians  ab,  nichts  weiter  als  die  Fortsetzung  der  alten  Zählweise  548 
mit  Zusammenschlagung  der  einzelnen  Regierungen,  wie  dies,  wenn 
auch  nicht  in  gleicher  Ausdehnung,  früher  ebenfalls  vorgekommen 
ist,  zum  Beispiel  bei  der  Durchzählung  der  Regierungsjahre  von 
Marcus  und  Commodus.  Die  frühesten  urkundlichen  Belege  für  den 
Oebrauch  dieser  Aera  sind  meines  Wissens  zwei  nach  ihr  datirte 
Steinschriften  vom  Jahre  453  n.  Chr.^ 

lY. 

Das  Consulat  des  Jahres  345  ist  in  einer  vor  kurzem  bekannt 
gewordenen  Wiener  Papyrus-Urkunde^  vom  12.  Pharmuthi  =  8.  März 
•dieses  Jahres  also  ausgedrückt :  vjiareiag  "lovUov  'A/uavriov  jiargixiov 
[äveyj]iov  xov  deonorov  fj/ucöv  Kovoravrivov  'Ayovorov  [x]al  'Povcpiov 
"AXßivov  T(bv  Xafx.  Der  erste  dieser  Consuln  wird  meines  Wissens 
nirgends  genannt  ausser  in  der  Datirung  dieses  Jahres,  und  in  dieser 
nennt  nur  die  Wiener  Urkunde  mehr  als  das  einfache  Cognomen. 
Hiernach  war  er  ein  Verwandter   des  Kaiserhauses  und  besass  den 


1)  Nach  Useners  Ausgabe  in  meinen  Chronica  minora  Bd.  3  S.  449.  452,  454. 
Die  Abweichungen  der  drei  Listen  sind  gleichgültige  Schreibfehler. 

2)  C.  I.  G.  4745.  4746. 

3)  Wessely  Wiener  Pap.  Nr.  247  S.  269.  Die  dort  vorgeschlagene  Ergänzung 
ist  nicht  statthaft.  Die  Angabe  slg  ajioQav  x^Qt^ov  slg  xov  ojioqov  rfjg  svrvxovg 
£ioiovar)g  [s]xrr)g  ivSixtiovog  bedarf  auch  der  Revision;  der  8.  März  345  fallt  nicht 
in  die  sechste  Indiction,  sondern  in  die  dritte. 


334  Consularia. 

Patriciat.  Ob  äveyjiov  oder  ein  anderes  Nahewort  gestanden  hat^ 
weiss  ich  nicht  zu  entscheiden;  befremdend  ist  auch  die  Nennung 
des  verstorbenen  Constantinus  als  ,unseres  Herrn',  wofür  Constantius 
erwartet  wird,  welcher  auch  sich  einen  Julier  nannte.  —  Die  Be- 
nennung des  zweiten  Consuls  Rufius  Albinus  widerlegt  endgültig  die 
Annahme  Rossis  und  Anderer,  dass  der  M.  Nummius  Albinus  consul 
Ordinarius  Herum  einer  stadtrömischen  Inschrift^  der  Consul  des 
Jahres  345  sei.  Einordnung  dieses  Albinus  in  das  im  Allgemeinen 
wohlbekannte  Haus  wage  ich  nicht  zu  unternehmen. 

V. 

Die  Consularordnung  des  getheilten  Reiches  bietet,  von  Special- 
momenten abgesehen,  allgemein  betrachtet  für  die  Geschichte  ein 
zweifaches  Interesse. 

Einmal  tritt  der  Untergang  des  römischen  Westreichs  und  die 
"Wiederaufnahme  desselben  durch  die  germanischen  Könige  Odovacar 
549  und  Theoderich  und  dessen  Nachfolger  uns  darin  bestimmter  ent- 
gegen als  in  den  historischen  Berichten.  Der  letzte  Consul  des 
eigentlich  römischen  Westreichs  ist  der  des  Jahres  472,  des  letzten 
Jahres  des  Kaisers  Anthemius  (f  11.  Juli  472),  Festus,  der  College 
des  orientalischen  Consuls  Marcianus.  Die  Jahre  473  —  479  zeigen 
nur  orientalische  Datirungen ;  im  Westreich  sind  entweder  die  nomi- 
nellen Herrscher  nicht  zur  Consulcreirung  gelangt  oder  der  Thron  war 
unbesetzt.  Dagegen  hat  im  Jahre  479  diejenige  Ordnung  sich  fest- 
gestellt, welche  das  nächste  halbe  Jahrhundert  bestanden  hat:  mit 
Zustimmung  des  oströmischen  Kaisers  wurde  im  Westreich  nicht  ein 
Kaiser,  aber  ein  germanischer  Hauptmann  als  Reichsverweser  ein- 
gesetzt und  das  Symbol  der  Zusammengehörigkeit  der  beiden  Reichs- 
hälften, die  Consularernennung,  für  den  Westen  ihm  übertragen.  Die 
byzantinischen  Historiker  berichten  von  diesen  Abmachungen  zwischen 
Kaiser  Zeno  und  Odovacar  2;  aber  die  urkundliche  Bestätigung  dafür 
giebt  der  occidentalische  Consul  des  Jahres  480,  Basilius,  derselbe, 
der  kurz  nachher,  im  Jahre  483,  bei  der  Wahl  des  Papstes  Felix  IH. 
mitwirkt  und  hier  bezeichnet  wird  als  sublimis  et  eminentissimus  vir 
praefectus  praetorio  atque  patricius,  agens  etiam  vices  praecellenfissimi 
regis  Odovacris^.    Denn  mehrere  in  der  justinianischen  Constitutionen- 


1)  C.  I.  L.  VI,  1748  [=  Dessau  1238].    Wohin  dieser  gehört,  bleibt  freilich 
unsicher  (vgl.  C.  I.  L.  III  p.  2000). 

2)  Malchus  fr.  10  Müller;  Candidus  fr.  1  p.  136  Müller. 

3)  Römische  Synode  vom  Jahre  501  in  meiner  Ausgabe  der  Variae  Cassio- 
dors  S.  445. 


fr 


CoDsularia.  335 


Sammlung  aufbewahrte  constantinopolitanische  Erlasse  dieses  Jahres 
sind  nach  ihm  datirt  und  beweisen,  dass  er  auch  im  Osten  als  Consul 
anerkannt  war. 

Diese  eigenartige  Einordnung  der  germanischen  Kriegshauptleute 
in  den  zusammenbrechenden  römischen  Gesammtstaat  ist  später  auf 
Theoderich  übergegangen;  da  dieser  auf  Veranlassung  des  ost- 
römischen Kaisers  in  Italien  einrückte  und  den  Odovacar  verdrängte, 
so  befremdet  es  nicht,  dass  die  hinsichtlich  des  Consulats  dem  Odo- 
vacar eingeräumten  Rechte  unverändert  auf  Theoderich  übergingen 
und  in  der  Reihe  der  occidentalischen  Konsuln  sich  keine  Lücke 
zeigt,  wenngleich  es  zweifelhaft  bleibt,  welche  Consuln  während  der 
Jahre  des  Kampfes  zwischen  Odovacar  und  Theoderich  dem  Occident 
angehören  und  in  wie  weit  diese  von  jenem  oder  von  diesem  ernannt 
worden  sind.  Die  getroffene  Einrichtung  hat  im  Wesentlichen  fort- 
bestanden bis  zum  Untergang  des  Gothenreichs  und  dem  Eintritt  550 
Italiens  in  den  äusserlich  wieder  geeinigten  römischen  Gesammt- 
staat. Der  letzte  in  Gemässheit  dieser  Bestimmung  eingesetzte 
weströmische  Consul  ist  der  des  Jahres  534,  Paulinus,  dessen  Er- 
nennungsdecret  durch  König  Athalarich  nebst  dem  Notifications- 
schreiben  an  den  Senat  unter  den  cassiodorischen  Königsbriefen  sich 
erhalten  hat^  Ich  habe  in  den  ostgothischen  Studien  ^  diese  für 
die  Stellung  des  italisch -germanischen  Staates  wesentliche  Ordnung 
näher  erörtert. 

Andererseits  haben  bei  der  Gemeinschaftlichkeit  des  Consulats 
beider  Reichshälften  und  bei  der  Theilung  der  Ernennung  zwischen 
Rom  und  Constantinopel,  namentlich  seitdem  die  Publication  oder, 
wie  sie  hier  heisst,  die  Nuntiation  der  Jahresbenennung  nicht  mehr 
gemeinschaftlich,  sondern  zuerst  in  der  ernennenden,  dann  in  der 
bloss  benachrichtigten  Reichshälfte  erfolgt,  in  den  beiden  Reichs- 
hälften zwischen  der  Datirungsform  sich  gewisse  Yerschiedenheiten 
eingestellt,  deren  Feststellung  ihren  historischen  Werth  hat.  Die 
wesentlichen  Normen  sind,  soweit  ich  sie  damals  erkannt  hatte,  in 
der  angeführten  Abhandlung  entwickelt  worden;  hier  gestatte  ich 
mir  unter  Beiseitelassung  der  Einzelheiten  und  der  für  den  Kundigen 
leicht  zugänglichen  Belege  die  wesentlichen  Momente  theils  reca- 
pitulirend,  theils  ergänzend  zusammenzufassen. 

Die  Theilung  der  Consularernennung  unter  den  Reichshälften 
ist  mit  grosser  Ungleichheit   durchgeführt  worden.     Die  Regel  mag 

1)  var.  9,  22.  23. 

2)  Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  14 
(1889)  S.  226  f.  [unten  S.  363  f.]. 


336  Consularia. 

wohl  gewesen  sein,  dass  der  "Westen  den  einen  und  der  Osten  den 
anderen  Consul  stellt;  aber  nicht  selten  werden  beide  Consuln  in 
demselben  Reichstheil  ernannt,  wie  zum  Beispiel  noch  522  im  West- 
reich die  Söhne  des  Philosophen  und  Staatsmanns  Boethius.  Ist  die 
Ernennung  in  dem  einen  Reichstheil  vollzogen  und  steht  in  dem 
anderen  aus,  so  ist  die  legitime  Formel  dafür  cos.  illo  et  qui  de 
Occidente  (oder  de  Oriente)  nuntiatus  erit;  häufig  aber  unterbleibt 
die  Creirung  in  dem  einen  oder  dem  andern  Reichstheil,  mitunter 
auch  in  beiden,  wo  dann  postconsularische  Datirung  aushelfen  muss. 
Zu  Grunde  liegt  hiebei  wohl  lediglich  die  Schwierigkeit  für  das 
kostspielige  Prunkamt  geeignete  und  bereitwillige  Candidaten  zu 
finden.  —  Verschiedenzeitige  Publication  tritt  selbstverständlich  nur 
in  dem  ersterwähnten  Falle  ein. 
551  Die  Folge   der  beiden  Consuln  ist  gesetzlich  fest  und  wird  von 

Rechts  wegen  bestimmt  durch  den  Rang.  Der  Kaiser  steht  immer 
voran  und  bei  gemeinschaftlichen  Kaiserconsulaten  der  im  Amte 
ältere^.  Unter  den  Privaten  giebt  die  in  dieser  Epoche  allerdings 
nicht  häufige  Iteration  den  Yorrang^.  Es  ist  nicht  zu  bezweifeln, 
dass  auch  in  den  übrigen  Fällen,  wo  diese  Momente  nicht  eingreifen, 
die  Rangstellung  über  die  Namenfolge  entschieden  hat.  Abweichungen 
von  diesen  Gesetzen  durch  Weglassung  des  einen  der,  beiden  Consuln 
oder  durch  Umstellung  sind  ausserordentlich  zahlreich,  aber  nichts- 
destoweniger durchgängig  Fehler.  Am  zuverlässigsten  erweisen  sich, 
wie  begreiflich,  die  Erlasse  der  kaiserlichen  Kanzleien,  namentlich 
diejenigen,  welche,  wie  die  posttheodosischen  Novellen,  keiner 
Redaction  unterlegen  haben,  während  in  den  grösseren  Sammlungen 
nicht  selten  die  Subscriptionen  nachträglich  geändert  sind.  Die  in 
einigem  Umfang  erhaltene  Correspondenz  zwischen  dem  Kaiser 
Anastasius  in  Constantinopel  und  dem  Bischof  Ilormisdas  in  Rom 
zeigt  in  den  Kaiserschreiben  durchgängig  die  volle,  in  den  Bischofs- 
schreiben durchgängig  abgekürzte  Jahresbezeichnung.  Wie  die  nicht 
aus  der  Staatskanzlei  stammenden  Actenstücke  befolgen  auch  die 
fast  ausschliesslich  dem  Occident  angehörigen  —  Inschriften  regel- 
mässig   die   verkürzte  Datirung^.     Weniger    gilt   dies   von   den  uns 

1)  Offenbare  Nachlässigkeitsversehen  in  einzelnen  Listen  übergehe  ich. 

2)  Dies  zeigt  die  Voranstellung  des  Longinus  in  seinem  zweiten  Consulatj 
490.  In  dem  ersten  486  geschieht  dies  nicht;  dass  er  der  Bruder  des  Kaisers j 
Zeno  war,  ist  also  nicht  entscheidend.  ! 

3)  In  der  sonst  durchaus  grundlegenden  Auseinandersetzung  Rossis  (wscri 
ehr.  urbis  Bomae  I  p.  XXV  f.)  sind  die  Subscriptionen  den  Inschriften  gegenübeii 
unterschätzt  worden.    Unmittelbarere  Zeugnisse  sind  die  letzteren  freilich,  obwoh  ( 


Consularia.  337 

überlieferten  Consularlisten ;  diese  aber,  durchaus  hervorgegangen 
aus  gleichzeitigen  Aufzeichnungen,  zeigen  häufig,  jedoch  in  grosser 
Ungleichheit,  bei  den  Consulaten  verschiedenzeitiger  Nuntiation  die 
Spuren  des  Nachtragens. 

Indess  die  bezeichneten  Abweichungen  von  der  legitimen  Form 
sind,  wie  dies  schon  angedeutet  ward,  mit  verschwindenden  Aus- 
nahmen^ nicht  zufälligen  Ursprungs,  sondern  gehen  darauf  zurück,  552 
dass  in  jedem  Reichstheil  die  eigene  Nuntiation  vorwiegt  und  die 
der  anderen  Hälfte  der  Regel  nach  entweder  ignorirt  oder  doch  an 
die  zweite  Stelle  gesetzt  wird,  ausser  wo,  wie  bei  den  Kaisernamen 
in  der  Listenführung,  die  Nothwendigkeit  der  Umstellung  auf  der 
Hand  lag.  In  diesem  Sinn  unterscheidet  man  wohl,  je  nachdem  die 
Ursprungsspuren  auf  die  eine  oder  die  andere  Reichshälfte  führen, 
occidentalische  oder  orientalische  Consultafeln ,  obwohl  diese  Schei- 
dung scharfe  Durchführung  selten  verträgt.  In  Folge  dessen  werden, 
von  den  eigentlich  officiellen  Actenstücken  abgesehen,  die  Consuln 
der  secundären  Nuntiation  in  den  Listen  häufig  und  in  den  Inschriften 
und  Urkunden  so  gut  wie  durchgängig  weggelassen,  überall  aber, 
wo  dies  nicht  geschieht,  an  die  zweite  Stelle  gestellt. 

Wenn  der  Gebrauch  der  consularischen  Jahresbezeichnung  im 
Occident  überhaupt,  so  wenig  wie  der  der  Indictionsjahre,  auf 
politische  Motive  zurückzuführen  ist,  vielmehr  darin,  eben  wie  in 
dem  Gebrauch  der  lateinischen  Sprache,  nichts  gefunden  werden 
darf  als  die  Anlehnung  der  Germanen  des  Occidents  an  eine  ihnen 
entgegentretende  vorgeschrittene  Civilisation,  so  wird  man  noch 
weniger,  wie  dies  von  Rossi  und  seinen  Nachfolgern  geschehen  ist, 
in  dem  vereinzelten  Auftreten  der  orientalischen  Consuln  secundärer 
Ernennung  im  Occident  ein  politisches  Moment  oder  gar  eine  ver- 
schiedenartige Stellung  der  Gothen  und  der  Burgunder  zu  dem 
.  byzantinischen  Reich  zu  erkennen  haben.  Wohl  aber  scheinen  die 
*:;^eltenen  Fälle,  in  welchen  man  von  Odovacars  Zeit  an  im  Occident 

Nachträge  einzeln  auch  hier  begegnen  —  so  scheint  in  der  Inschrift  von  Lyon 
(Le  Blant  inscr.  ehret,  de  la  Gaule  n.  68  [C.  I.  L.  XIII,  2356])  vom  Jahre  448  dem 
occidentalischen  Consul  Postumianus  der  orientalische  Zeno  nachträglich  an- 
gefügt zu  sein  —  und  auch  die  den  Sterbetag  nennenden  Grabschriften  wohl 
nicht  selten  erst  einige  Zeit  später  concipirt  worden  sind. 

1)  Dass  der  Schreiber  von  den  zwei  ihm  bekannten  Jahresconsuln  der 
Abkürzung  wegen  nur  einen  hinsetzt,  ist  zwar  einzeln  zu  allen  Zeiten  vorge- 
kommen, aber  im  Ganzen  genommen  eine  seltene  Ausnahme;  bei  gleichzeitiger 
Nuntiation  ist  die  Bezeichnung  des  Jahres  mit  einem  einzigen  Namen  auch  in 
dieser  Epoche  beinahe  unerhört.  Dasselbe  gilt  in  diesem  Falle  von  der  Um- 
stellung der  Namen. 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  22 


338  Consularia. 

mit  der  einfachen  Jahrbezeichnung  auskam  und  dennoch  den  Consul 
aus  Constantinopel  mit  nannte,  als  persönliche  Auszeichnung  be- 
trachtet werden  zu  müssen.  Sie  betreffen,  wenn  ich  nichts  über- 
sehen habe,  vier  Personen,  Longinus  Consul  II  490,  den  Bruder  des- 
Kaisers Zeno^;  Anthemius  Consul  515  2;  Anastasius  Consul  517, 
553  den  Grossneffen  des  gleichnamigen  Kaisers  ^ ;  Vitalianus  Consul  520, 
den  übermächtigen  Nebenbuhler  Justins*.  Anthemius  ist  weiter 
nicht  bekannt;*)  bei  den  drei  Anderen  aber  liegt  die  Sonderstellung 
auf  der  Hand  und  wurde,  wie  man  sieht,  auch  in  dem  fernen 
Gallien  empfunden. 

Consularia.**) 
(Nachtrag  zu  [Hermes]  Bd.  32  S.  538  [oben  S.  324]). 

602  I^iö  stetig  anwachsende  Masse   der  Papyrusurkunden  hat  unter 

vielem  Anderen  auch  für  die  consularischen  Verhältnisse  der  dio- 
cletianisch  -  constantinischen  Zeit  einige  bemerkenswerthe  Momente 
ergeben,  welche  ich,  da  sie  in  dieser  Zeitschrift  ^  nur  zum  Theil  in  1 
genügender  Weise  behandelt  worden  sind,  hier  kurz  zusammenfasse. 
1.  Nach  Constantius  Tode  am  25.  Juli  306  wurde  sofort  im 
Occident  der  Sohn  Constantinus  zum  Kaiser  ausgerufen,  wonach 
gemäss  dem  in  Aegypten  befolgten  System  sein  erstes  Regierungs- 
jahr mit  dem  28.  August  desselben  Jahres  endigte  und  seine  Herrscher- 
jahre von  da  ab  weiter  gezählt  wurden.  Damit  stimmt,  wie  ich 
früher  bemerkt  habe  ([Hermes]  32,  545.  547  [oben  S.  331.  332]),  ein 
Genfer  Papyrus  vom  8.  August  323,  welcher  dieses  Jahr  das  achtzehnte 
Constantins  nennt.   Dagegen  ergeben  die  in  zwei  anderen  gleichlauten- 

1)  Eine  Reihe  gallischer  und  oberitalischer  Inschriften  nennen  ihn  als 
consul  II  an  erster  Stelle  vor  dem  occidentalischen  Consul  Faustus. 

2)  Eine  Inschrift  aus  der  Gegend  von  Narbonne  (C.  I.  L.  XII,  2421)  nennt 
ihn  vor,  zwei  andere  aus  der  Gegend  von  Vienne  (C.  I.  L.  XII,  1792.  2067)  nach 
dem  occidentalischen  Consul  Florentius. 

3)  Eine  Inschrift  von  Lodi  (Corp.  inscr.  suppl.  Ital.  I  n.  863)  nennt  ihn  nach 
dem  occidentalischen  Consul  Agapitus,  eine  von  Aix  (CLL.  XII,  1590)  sogar 
allein. 

4)  Eine  Inschrift  von  Lyon  (Le  Blant  n.  563  [C.  I.  L.  XIII,  2377])  nennt  ihn 
an  zweiter  Stelle  neben  dem  occidentalischen  Consul  Rusticius. 

*)  ['Auch   Anthemius  gehörte  wohl    dem   Kaiserhause    an,  er   scheint   ein 

Abkömmling  des  weströmischen  Kaisers  Anthemius  und  des  oströmischen  Kaisers 

Marcianus  gewesen  zu  sein;  s.  das  Distychon  C.  I.  L.  XIII,   10032,4  und  dazu; 

die  Bemerkungen  von  Villefosse  Gazette  arcMologique  9,  1884  p.  121'    DESSAU.]! 

**)  [Hermes  36,  1901  S.  602  -  605.]  ' 

5)  Seeck  in  dies.  Jahrg.  [Hermes  36]  S.  28  ff. 


Consularia,  339 

den  Docmnenten  ^  auftretenden  Herrscherjahrziffern  19 — 7 — 5  —  3,  da 
sie  nur  auf  das  Jahr  310/1  bezogen  werden  können  2,  als  das  Ende  603 
von  Constantins  erstem  Regierungsjahr  vielmehr  den  28.  August  307. 
Aber  diese  Daten  der  beiden  Urkunden  sind  kaum  in  Einklang  zu 
bringen  mit  den  daneben  stehenden  consularischen  des  27.  Mai  und 
9.  Juni  314.  Dass  die  contractmässig  dem  Verpächter  zukommende 
Ertragsquote  für  das  Jahr  310/1  erst  im  Sommer  314  entrichtet  sein 
soll,  ist  der  inneren  Wahrscheinlichkeit  ebenso  zuwider  wie  der  Ana- 
logie ^.  Es  scheint  hier  eine  vielleicht  mit  dem  doppelten  Consulat  des 
Rufius  Volusianus  311  und  314  in  Verbindung  stehende  Verwirrung 
eingetreten  zu  sein  *  und  einem  also  beschaffenen  Document  darf  keine 
volle  Beweiskraft  zugeschrieben  werden^.  Geschichtliche  Wahr- 
scheinlichkeit hat  die  Annahme   nicht   dass   Constantins  Antrittstag 

1)  Die  beiden  Pachtquittungen  Berliner  Papyri  Bd.  2  n.  411  und  Nicole 
papynis  de  Geneve  1  n.  13  sind  von  demselben  Verpächter  zweien  seiner  Pächter 
ausgestellt  nach  dem  gleichen  Formular;  sie  lauten:  Avgi^Xiog  IJordficov  NiXov 
yeovxü)v  ev  xcö{/J,fj)  {xu>  fehlt  Genf)  ^dadeXqjiq  AvQrjXi<p  'Axgfj  (Genf  AvQtjXiq)  'laa) 
aXXofpvXov  ysogycö  ;^at'ßctj'.  "Ea^ov  Jiagä  aov  rö  extpÖQiov,  wv  EyeoQyrjaag  fj.ov  dgovQÖJv 
negi  xwfirjv  ^iXaÖEXtpiav  (Genf  xwfirjv  Taviv)  dgovQcör  (fehlt  Genf)  nsvie  (xß"  Genf) 
{insQ  yevij/iiaTOc:  {yevrjfiätoiv  Genf)  id'  L  xal  C  L  ^a*  s  L  xal  y  L  jivqov  dgraßag 
dsxadvo  (Genf  jiivrs;  es  folgen  in  beiden  Exemplaren  Brüche  und  die  üblichen 
Ziffern  und  im  Genfer  jiXrjQtjg)  xal  ovöiva  Xöyov  k'xco  :iig6g  ahv  (so  beide  Exemplare) 
:isQi  Tov  ixq?oQiov  (Genf  zcöv  lx(poQi(ov)  vnatiag  'Povcpiov  'AXvoiavov  {'OXoaiavov  Genf) 
xal  üergtoviov  'Avviavov  xwv  Xa/HTigordzcov  Ilavvi  ß  (Genf  üavvt  is).  AvQrjXiog 
Hoxdixwv  NiXov  eaj^ov  rö  IxcpoQiov  jtXrjQtjg '  AvQ^Xiog  'AXvniog  djio  ^iXaösXq^iag 
syQaxpa  vjisq  avrov  dygafi^dtov  ovrog  (Genf  [cvtöjJv  dygafifidtcov).  Wegen  der 
Consulnamen  vgl.  meine  Tafel  chron.  min.  3  p.  518,  wo  auch  diese  Urkunden 
angeführt  sind. 

2)  Galerius  19.  Jahr  so  wie  das  7.  Maximins  sind  29.  August  310  bis 
28.  August  311. 

8)  Vgl.  die  Ausführung  Wilckens  Ostraka  1  S.  213  ff. 

4)  Dass  die  genannten  Consuln  die  des  Jahres  314,  die  Quittungen  also 
nicht  früher  ausgestellt  worden  sind,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Wenn  wirklich 
die  Quittungen  sich  auf  den  Pachtzins  des  Jahres  310/1  beziehen,  so  dürften  sie 
nachträglich  ausgestellt  und  dabei  den  Consuln  des  Jahres  311  die  ähnlich 
lautenden  des  Jahres  314  substituirt  sein;  betreffen  sie  dagegen  den  Pachtzins 
des  Jahres  313/4,  so  sind  die  Kaiserjahre  gänzlich  zerrüttet. 

5)  Mit  gutem  Grunde  bemerken  die  englischen  Papyrusforscher  {Fayum 
toiums  p.  326),  dass  bei  einer  derartigen  Datirung  Schreib-  oder  vielmehr  Rechen- 
fehler nicht  ausbleiben  konnten.  In  einer  Urkunde  vom  Jahre  295  {pap. 
(keyrhynch.  1  p.  91)  steht  einmal  richtig  12 — 11 — 3,  an  einer  anderen  Stelle 
falsch  12 — 11 — 2;  in  einer  anderen  vom  Jahre  301  (in  dies.  Ztschr.  [Hermes] 
XXXII  547  A.  1  [oben  S.  332  A.4])  18—17—8  statt  18—17—10;  auf  einem 
Ostrakon  vom  Jahre  298  {Fayum  towm  a.  a.  O.)  14—13—4  statt  14—13—6.  Auch 
Oxyrh.  pap.  1  n.  92  scheint  fehlerhaft  datirt.  Man  wird  also  einzeln  stehenden 
derartigen  Ansetzungen  nicht  unbedingte  Beweiskraft  beilegen  dürfen. 

22* 


340  Consularia. 

im  Orient  anders  angesetzt  worden  ist  als  im  Westen,  Dass  Galerius 
den  Constantinus  vor  dem  28.  August  307  als  Mitherrscher  anerkannte, 
steht  unter  allen  Umständen  fest;  dass  er  seinen  Antritt  nicht  auf 
den  Todestag  des  Vaters,  25.  Juli  306,  sondern  auf  irgend  einen 
zwischen  diesen  beiden  liegenden  Tag,  etwa  den  seiner  Entgegen- 
nahme dieser  Nachricht,  datirt  hat,  wäre  eine  zwecklose  Beleidigung 
gewesen. 

2.  Dass  die  Controverse,  ob  Licinius  am  11.  November  307  oder 
am  11.  November  308  als  Augustus  proclamirt  worden  ist,  vermuth- 
lich  zu  Gunsten  der  letzteren  Datirung  erledigt  werden  muss,  habe 
ich  früher  (S.  543  [oben  S.  329])  ausgeführt.     Zu  den  dafür  geltend 

604  gemachten  Argumenten  treten  nun  die  beiden  vorher  erörterten 
Urkunden  hinzu,  welche  das  3.  Jahr  des  Licinius  dem  19.  des 
Galerius  und  dem  7.  Maximins  gleichsetzen,  also  als  Endtermin  des 
1.  Jahres  den  28.  Aug.  309  bezeichnen^,  wenn  gleich,  wie  eben 
bemerkt  ward,  diese  verwirrten  Urkunden  nur  mit  Vorsicht  benutzt 
werden  dürfen.  Hinzu  kommt  eine  einwandfreie  consularisch  vom 
Jahre  316  (Phaophi  16  =  Oct.  13)  datirte  Urkunde  mit  der  Gleichung 
9 — 3 2,  welche,  wie  die  Herausgeber  richtig  ausgeführt  haben,  als 
Endtermin  des  ersten  Jahres  des  Licinius  ebenfalls  den  28.  Aug.  309 
fordert. 

3.  Von  grösserem  Interesse  sind  die  Datirungen  zweier  offenbar 
dem  gleichen  Jahr  angehöriger  Documente  von  Oxyrhynchos,  welche 
also  lauten: 

[juerd  rrjv  vTiareiav]  ^  xcöv  deojzorcov  fifx&v  Äixiviov  üeßaotov  xb 
g  xal  I  [Äixmov  rov  e7i\L(p(av)eoxdTOv  KaLoaQ[o\g  xb  ß,  xoTg  äjio- 
deix'&r]oojuevoig  vndxoig  xb  y.  (Drei  Zeilen  Kurzschrift),  Tvßi  xy 
(=  Jan.  18).    Grenfell  und  Hunt  Oxyrhynchus  papyri  1  n.  42  p.  88. 

xoXg  änoÖEix&riooiXEVOig  vjidxoig  xb  y  MeooQt]  xb'  (=  Aug.  17). 
Grenfell  und  Hunt  a.  O.  2  n.  60  p.  119. 

Nachdem  erwiesen  worden  ist,  dass  im  Reichstheil  des  Licinius  als 
Consuln  des  Jahres  323  dieser  selbst  zum  sechsten  und  sein  Sohn 
zum  zweiten  Mal  als  Consuln  proclamirt  waren,  fällt  die  erste  diesef 
Datirungen  in  das  Folgejahr  324.  Dies  giebt  den  Schlüssel  für  die 
andere   nicht   bloss    unerhörte,    sondern    in    der    That  widersinnige 


1)  Dies  ist  von  Seeck  a.  a.  0.  richtig  entwickelt  worden.  | 

2)  Oxyrhynchus  papyri  1  p.  168.     Seeck  gedenkt  der  Urkunde  nicht.  i 

3)  So  ergänzt  Seeck  mit  Recht;  im  vjtatsiag,  was  die  Herausgeber  vor- 
schlagen, ist  unzulässig,  da  die  zweite  Consulnbezeichnung  im  Dativ  gesetzt  ist 
und  dieser  auch  hier  gefordert  werden  müsste,  wenn  das  Jahr  323  gemeint  wäre.j 


Consularia.  341 

Formel.  Die  consularische  Datirung  nennt  ohne  Ausnahme  nur  er- 
nannte Consuln ;  Datirung  nach  designirten  Hesse  sich  denken,  kommt 
aber  meines  Wissens  niemals  vor;  Datirung  nach  Consuln,  die 
designirt  werden  sollen,  ist  ein  Widerspruch  im  Beisatz^.  Aber 
höfische  Rede  hat  dergleichen  Absurditäten  vielfach  gezeitigt.  Da 
die  erste  Datirung  auf  324  führt,  da  in  diesem  Jahr  die  beiden 
ältesten  Söhne  des  Kaisers  Crispus  und  Constantinus  beide  zum  605 
dritten  Mal  das  Consulat  bekleideten  und  da  der  Formel  die  Zahl 
To  /  beigesetzt  ist,  so  sind  offenbar  die  beiden  Prinzen  gemeint 2; 
und  die  unvernünftige  Formel  hat  einen  guten  geschichtlichen  Anhalt. 
In  dem  Entscheidungskampf  zwischen  Constantin  und  Licinius  hatte 
der  Kronprinz  Crispus  die  Flotte  geführt  und  der  grosse  Seesieg 
im  Hellespont  den  Krieg  entschieden^.  Das  ordentliche  Consulat 
dieser  Epoche  pflegt  die  Belohnung  grosser  Dienstleistungen  zu  sein; 
Constantius  verhiess  es  dem  Taurus,  wenn  es  ihm  gelingen  werde 
die  widerspenstigen  Bischöfe  zum  Gehorsam  zu  bringen  *;  Theodosius  I. 
verlieh  es  nach  der  Besiegung  des  Maximus  seinen  namhaftesten 
Generalen  Timasius  und  Promotus;  nichts  lag  näher  als  den  sieg- 
reichen Kronprinzen  in  gleicher  Weise  zu  belohnen.  Der  zweite 
Prinz,  der  damals  neunjährige  Constantinus  war  freilich  an  der 
Niederlage  des  Licinius  unschuldig;  aber  kurz  vorher  (321)  hatten 
beide  Brüder  zusammen  das  Consulat  verwaltet  und  väterliche  Liebe 
ist  ihm  wohl  mehr  zu  Theil  geworden  als  dem  Bruder.  Man  er- 
Iwartete  also  in  Aegypten,  das  anscheinend  schon  im  Sommer  des 
Jahres  323  vor  der  letzten  Katastrophe  des  Licinius  sich  Constantin 
junterworfen    hatte  ^,    in    den    ersten    Monaten    des   Jahres    324    die 

1)  Dass  nicht  allgemein  die  zu  ernennenden  Consubi  zu  verstehen  sind, 
'^oudern  individuell  bestimmte  Personen,  die  schon  zweimal  das  Consulat  bekleidet 
hatten,  zeigt  der  Zusatz. 

2)  Dies  haben  die  englischen  Herausgeber  richtig  erkannt,  nur  wegen  der 
iben  erwähnten  unrichtigen  Ergänzung  nicht  vollständig  durchgeführt.  Die  Aus- 
lihrung  Seecks,  der  zu  anderen  unmöglichen  Ergebnissen  gelangt,  scheint  einer 
)esonderen  Widerlegung  nicht  zu  bedürfen.  [S.  aber  jetzt  Jouguet  comptes  rendus 
le  l'Acad.  des.  inscr.  1906  p.  231  ff.,  wo  eine  Urkunde  mit  dem  Datum  roTg  ioofisvoig 
jidiotg  TÖ  xEtagcov  oder  tö  6'  angeführt  ist,  und  Seeck  Rhein.  Mus.  1907  S.  517.] 

3)  Origo  Constantini  (=  anon.  Valesiamts)  c.  23 — 27  ehr.  min.  1  p.  9. 

4)  Sulpicius  Severus  chron.  2,  41, 1. 

5)  Dies  fordert  die  vom  8.  August  323  datirte  ägyptische  Urkunde  [s.  jedoch 
331  A.  2  Zusatz] ,  da  sie  nach  den  constantinischen  Consuln  datirt  ist ,   falls 

ie  nicht  etwa,  was  nicht  unmöglich  wäre,  erst  später  aufgesetzt  worden  ist. 
.ber  wahrscheinlich  haben  schon  nach  dem  ersten  Zusammenstoss  die  Provinzen 
es  Ostens  sich  ohne  weiteres  unterworfen,  so  dass  vielleicht  nicht  einmal  überall 
in  Beamtenwechsel  eingetreten  ist. 


342 


Consularia. 


Ernennung  der  beiden  Prinzen  zu  ordentlichen  Consuln  dieses  Jahres; 
es  kann  auch  sein,  dass  diese  Erwartung  in  einem  statthalterlichen 
Erlass  etwa  bei  der  Verkündigung  des  Sieges  Constantins  aus- 
gesprochen worden  war.  So  geschah  es.  Auf  jeden  Fall  ist  die 
Hypothese,  dass  der  Entscheidungskampf  zwischen  Constantin  und 
Licinius  in  das  Jahr  324  fällt  statt  des  bisher  angenommenen  Vor- 
jahres, damit  beseitigt.*) 


*)  [Die   Frage  ist  neuerdings   wiederum  von   Seeck    Rhein.  Museum   1907 
S.  493  ff.,  vgl.  S.  517  ff.,  behandelt  worden.] 


XVIII. 

Das  römisch  -  germanische  Herrscherjahr.*) 

Mehr  als  auf  irgend  einem  anderen  historischen  Gebiet  sind  für  51 
die  Uebergangszeit  aus  dem  Alterthum  in  das  Mittelalter  die  Forscher 
auf  gegenseitige  Unterstützung  angewiesen.  Wer  mit  der  ost-  und 
westgothischen,  der  vandalischen ,  der  burgundischen,  selbst  der 
älteren  fränkischen  Ueberlieferung  sich  glaubt  abfinden  zu  können 
ohne  genaue  Kenntnis  der  Yerhältnisse  des  sinkenden  Römerreiches, 
wird  zu  wahrhaft  geschichtlicher  Auffassung  jener  staatlichen  Insti- 
tutionen nicht  gelangen.  Aber  auch  umgekehrt  wird,  wer  von  der 
römischen  Forschung  ausgeht,  bei  der  Betrachtung  dieser  grössten- 
theils  nicht  zu  voller  Entwickelung  gelangten  halbgermanischen 
Staaten  sich  in  der  Lage  des  Botanikers  befinden,  dem  nur  die 
Knospe  vorliegt  und  nicht  die  voll  entwickelte  Blüthe  und  die  ge- 
reifte Frucht.  Eine  einzelne  Frage  dieser  Art  soll  hier  zur  Sprache 
gebracht  werden,  wesentlich  eine  Frage,  deren  Antwort  zum  guten 
Theil  von  denen  zu  erwarten  ist,  welche  die  spätere  geschichtliche 
Periode  zum  Gegenstand  ihrer  Forschung  machen.  Ich  meine  die 
Datierung  nach  dem  Regentenjahr. 

Dass  die  Regierungsdauer  zu  allen  Zeiten  und  in  allen  Monarchien 
vom  Antrittstag  bis  zu  dem  Tag  des  Rücktritts  oder  des  Todes 
berechnet  wird,  versteht  sich  von  selbst  und  drückt  sich  schon  darin 
aus,  dass  bei  allen  genauen  derartigen  Ansetzungen  die  Monate  und 
die  Tage  aufgeführt  werden  und  nur  durch  Abrundung  die  letzteren 
häufig,  nicht  selten  auch  jene  in  Wegfall  kommen.  Danach  bestimmt 
sich  auch  der  Begriff  der  Decennalien  und  der  ähnlichen  Fristen; 
ohne  Frage  ist  bei  diesen  Ansetzungen  immer  der  factische  Antritts- 


*)  [Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  16 
(1891)  S.  51-65.  —  Vgl.  Sitz.-Ber.  d.  Berl.  Akad.  1890  S.797.] 


344  I^^s  römisch  -  germanische  Herrscherjahr. 

tag  zu  Grunde  gelegt  und  entweder  der  erste  oder  der  letzte  Tag 
des  betreffenden  Effectivjahres  als  Tag  der  Feier  betrachtet  worden. 

Aber  wenn  das  Regierungsjahr  für  die  Datierung  verwandt  wird, 
bieten  sich  zwei  Möglichkeiten:  entweder  die  einfache  Zählung  vom 
Antrittstag  an  bis  zu  dessen  kalendarischer  Wiederkehr  oder  eine 
an  das  bürgerliche  Jahr  in  der  Weise  sich  anschliessende  Zählung, 
dass  das  bürgerliche  Jahr,  in  welches  der  Regierungswechsel  fällt, 
sowohl  als  letztes  des  ausscheidenden  wie  als  erstes  des  eintretenden 
Regenten  gezählt  wird,  demnach  in  der  Summierung  der  Königsjahre 
52  diese  beiden  Ziffern  als  Einheit  in  Ansatz  kommen.  Diese  kann  im 
Ausdruck  vereinfacht  werden,  indem  das  erste  zwischen  zwei  Re- 
gierungen getheilte  Kalenderjahr  entweder  ganz  dem  ausscheidenden 
oder  ganz  dem  eintretenden  Regenten  beigelegt  wird;  indess  sind 
beide  Verfahren  irrationell  und  das  erstere  bei  officieller  Verwendung 
des  Regierungsjahrs  unmöglich,  da  der  eintretende  Herrscher  nicht 
erst  am  nächsten  kalendarischen  Neujahr,  sondern  sofort  in  den 
Stand  gesetzt  werden  muss  diese  Datierung  zu  handhaben,  wobei  es 
nicht  darauf  ankommen  kann,  ob  der  Wechsel  länger  oder  kürzer 
vor  dem  bürgerlichen  Neujahr  eintritt. 

Von  diesen  beiden  Datierungsweisen  ist  die  an  das  Kalenderjahr 
angelehnte  sowohl  die  verständigere  wie  die  geschichtlich  traditionelle. 
Alle  Datierung  beruht  auf  der  gleichen  Länge  der  dabei  zu  Grunde 
gelegten  Zeitfrist:  dies  Princip  wird  durchbrochen,  wenn  sich  die 
Endjahre  eines  jeden  Regierenden  mehr  oder  minder  verkürzen,  und 
damit  der  Zweck  der  Datierung,  die  Summenziehung,  unmöglich 
gemacht.  Denn  nothwendig  haben  die  effectiven  Regierungsjahre 
unter  jedem  Regiment  ihr  eigenes  Neujahr  und  sind  den  bürgerlichen 
Jahren  in  unbequemster  stets  wechselnder  Weise  incongruent.  Auch 
die  Geschichte  bestätigt  es,  dass,  wo  man  zunächst  die  Datierung 
an  die  lebenslängliche  Herrschaft  angeknüpft  hat,  dies  geschehen 
ist  mit  Anlehnung  der  Herrscherjahre  an  das  landesübliche  Kalender- 
jahr. Wir  werden  noch  darauf  zurückzukommen  haben,  dass  die 
Zählung  nach  den  dem  bürgerlichen  Jahre  angepassten  Regierungs- 
jahren dem  Heimathgebiete  der  monarchischen  Staatenbildung,  dem 
Orient  und  Aegypten,  von  jeher  geläufig  gewesen  und  in  dem 
letzteren  Lande  stets  in  Gebrauch  geblieben  ist. 

Für  den  römischen  Staat  liegen  die  Verhältnisse  insofern  anders, 
als  bei  dem  Uebergang  zur  Lebenslänglichkeit  des  Herrschers  der 
neue  Principat  keineswegs  als  Monarchie  auftreten  wollte  und  daher 
die  Datierung  nach  Regierungsjahren  nicht  beliebte,  ja  als  sie  ihm 
angetragen  ward,  ablehnte.    Es  gehört  zu  dieser  systematischen  Ver- 


Das  römisch -germanische  Herrscherjahr.  345 

schleierung  der  Monarchie,  dass  für  die  dauernde  Herrschergewalt, 
die  dem  Volkstribunat  die  Benennung  entnahm,  wohl  die  Jahres- 
zählung beliebt,  aber  diese  keineswegs  an  das  bürgerliche  Jahr 
geknüpft,  sondern  zunächst  auf  das  effective  Regierungsjahr  gestellt 
ward,  wodurch  vermieden  werden  sollte  und  vermieden  ward,  dass 
das  Kaiserjahr  die  consularische  Datierung  verdrängte.  Im  Verlauf 
der  Entwickelung  des  Principats  zur  Monarchie  trat  auch  in  dieser 
Beziehung  eine  entsprechende  Umgestaltung  ein:  durch  Nerva  erhielt 
das  Kaiserjahr  ein  festes  Neujahr  oder  genauer  gesagt,  das  alte  feste 
mit  dem  10.  Dec.  beginnende  tribunicische  Amtsjahr  wurde  jetzt  das  53 
Kaiserjahr,  und  zwar  für  das  gesammte  römische  Reich  mit  Aus- 
schluss des  staatsrechtlich  nur  durch  Personalunion  damit  verknüpften 
Aegypten:  nach  diesem  System  werden  fortan  die  tribunicischen 
Jahre  sowohl  in  der  lateinischen  Reichshälfte  gezählt  wie  im  Orient, 
hier  unter  Beseitigung  des  daselbst  bis  dahin  auch  auf  das  Kaiser- 
jahr angewandten  seleucidischen  Jahranfangs  vom  1.  October^.  Das 
also  gestaltete  tribunicische  Jahr,  wonach  zum  Beispiel,  nachdem 
Hadrian  am  11.  Aug.  117  zur  Regierung  gekommen  war,  officiell 
der  Zeitraum  vom  10.  Dec.  116  bis  zum  10.  Aug.  117  bezeichnet 
ward  als  21.  Regierungsjahr  Traians,  vom  11.  Aug.  bis  zum  9.  Decbr. 
117  als  erstes  Hadrians,  war  an  sich  fähig  als  allgemeines  Reichs- 
zeitmass  angewendet  zu  werden  und  wahrscheinlich  bestimmt  das 
consularische  Jahr  zu  verdrängen  und  zu  ersetzen,  wie  denn  wohl 
auch  nicht  ohne  Absicht  das  tribunicische  Neujahr  des  10.  Dec.  dem 
consularischen  des  1.  Januar  kalendarisch  nahe  gerückt  war.  Aber 
wenn  diese  Absicht  bestanden  hat,  zur  Ausführung  gekommen  ist 
sie  nicht.  Die  tribunicische  Jahrzählung  blieb  in  praktischer  An- 
wendung auch  nachher  beschränkt  auf  die  Kaisertitulatur;  die  officielle 
Datierung  sah  von  ihr  ab  und  hielt  nach  wie  vor  fest  an  dem  Jahr- 
anfang des  1 .  Jan.  und  der  durch  die  Consuln  gegebenen  Jahres- 
benennung. Dabei  ist  es  auch  in  der  neuen  diocletianisch-constan- 
tinischen  Staatsordnung  geblieben.  Die  tribunicische  Jahrzählung 
behauptet  als  Bestandtheil  der  vollen  Kaisertitulatur  sich  bis  auf 
Anastasius^;  dass  sie  selten  und  immer  seltener  erscheint,  beruht 
lediglich  darauf,  dass  diese  Epoche  überhaupt  bestrebt  ist  die  weit- 
läufige Kaiserbezeichnung  zu  vereinfachen.  Ob  man  des  von  dem 
consularischen    verschiedenen   tribunicischen    Neujahrs    sich   bewusst 

1)  Rom.  Staatsrecht  II,  799  fg. 

2)  Schreiben  an  die  römischen  Behörden  vom  28.  Juli  516,  in  lateinischer 
üebersetzung  erhalten,  bei  Thiel  epist.  pontif.  I,  765.  Aeltere  Belege  in  meinem 
Staatsrecht  II,  786. 


346  I^^s  römisch- germanische  Herrscherjahr. 

geblieben  ist,  lässt  sich  nicht  entscheiden  und  ist  auch  ohne  Belang, 
da  das  tribunicische  Jahr  für  die  Datierung  nicht  in  Betracht  kommt. 
Officiell  hat  es  bis  zum  Anfang  des  6.  Jahrh.  n.  Chr.  keine  andere 
für  das  gesammte  römische  Reich  gültige  Jahresbezeichnung  gegeben 
als  die  consularische. 

Regierungsjahre  in  directem  Ausdruck  finden  sich  bis  zu  der 
bezeichneten  Zeitgrenze  im  officiellen  Gebrauch  überall  nicht.  Die 
einzige  Instanz,  die  meines  Wissens  dagegen  angeführt  werden 
kann,  die  Münze  Theodosius  II.  mit  der  Aufschrift  imp.  XXXXIl, 
COS.  XVIII,  p.  p.,  also  vom  J.  443,*)  zeigt  wohl,  was  sich  ja  von  selbst 
versteht,  dass  der  Kaiser,  wie  Decennalien  und  Vicennalien  feiern, 
so  auch  die  Regierungsjahre,  auf  die  er  zurücksah,  jederzeit  zählen 
konnte ;  aber  in  ihrer  völligen  Vereinzelung  ist  sie  kein  Beweis  dafür, 
dass  es  auch  nur  zulässig  war  in  dieser  Weise  officiell  zu  datieren. 
54  Es  ist  der  Allerweltsreformator  Justinianus  gewesen,  der  das  Kaiser- 
jahr in  die  Reichsdatierung  eingeführt  hat  durch  die  noch  erhaltene 
Yerordnung  vom  31.  Aug.  537^,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  officiell 
das  Jahr  dreifach  bezeichnet  werden  soll,  durch  das  Kaiserjahr, 
durch  die  Consuln  und  durch  die  Indictionszahl.  Hiebei  wird  ausdrück- 
lich das  effective,  für  Justinian  von  seinem  Antritt  am  1.  April  527 
laufende  Regierungsjahr  vorgeschrieben.  Schon  diese  "Verordnung 
selbst  und  alle  folgenden  sind  in  dieser  Weise  datiert  und  nicht 
minder  vom  12.  Regierungsjahr  Justinians  an  (1.  April  538/9)  die 
Münzen  sämmtlicher  Reichsmünzstätten  ^.  Allem  Anschein  nach  ist 
die  in  dieser  Verordnung  vorgeschriebene  Jahrbezeichnung  seitdem 
im  byzantinischen  Reich  unverändert  zur  Anwendung  gekommen*; 
nur  wird  begreiflicher  Weise  die  dreifache  Bezeichnung  nicht  durch- 
gängig angewandt,  sondern  oft,  und  wie  es  scheint  willkürlich,  eine 
oder   auch   zwei   dieser   Bezeichnungen  weggelassen.     Im    Occident 

*)  [S.  Dessau  Ephem.  epigr.  VII  p.  432.] 

1)  Nov.  47.  Die  Subscription  der  Nov.  41,  vregen  deren  Bresslau  (Urkunden- 
lehre I,  833  A.  4)  diese  Datierung  vor  den  31.  August  587  verlegt,  ist  handschrift- 
lich unbeglaubigt  und  Z.  von  Lingenthals  Behauptung,  dass  keine  ältere  Novelle 
das  Regierungsjahr  nennt,  wohl  begründet. 

2)  Die  Kaiserjahre  auf  den  Münzen  Justinians  beginnen  mit  anno  XIL 
(Pinder  und  Friedländer,  die  Münzen  Justinians  in  Savignys  Ztschr.  für  Rechts- 
wiss.  XII,  29.) 

8)  Wenn  die  Paschalchronik  p.  694  für  die  Zeit  vom  23.  Nov.  602  (Sturz 
des  Mauricius)  bis  zum  31.  Dec.  desselben  Jahres  als  officielle  Datierung  ver- 
zeichnet ßaodeias  ^mxä  stovg  a  ,  so  will  sie  nicht  sagen,  dass  mit  1.  Jan.  603 
dessen  zweites  Regierungsjahr  begann,  sondern  dass  damit,  da  in  diesem  Jahr 
Phokas  das  Consulat  übernahm,  die  consularische  Datierung  wieder  hinzutrat 
welche  nach  Mauricius'  Tode  weggeblieben  war. 


Das  römisch -germanische  Herrscherjahr.  347 

hat  diese  Jahresbezeichnung  Anwendung  gefunden,  so  weit  die 
byzantinische  Herrschaft  reichte.  Insbesondere  die  Datierung  nach 
dem  Kaiserjahr  kann  als  Kriterium  für  die  Anerkennung  des  Unter- 
thanenverhältnisses  Constantinopel  gegenüber  betrachtet  werden,  wo- 
gegen dies,  wie  weiter  unten  bemerkt  werden  wird,  von  den  beiden 
anderen  Datierungsformen  wenigstens  nicht  in  gleichem  Masse  gilt. 
Xamentlich  zeigt  sich  die  Wirkung  der  von  Justinian  angeordneten 
Norm  bei  der  römischen  Kirche :  in  ihrem  vorkarolingischen  Formular- 
buch wird  eben  diese  dreifache  Datierung  vorgeschrieben  ^  und  dem 
entsprechend  sind  die  unverkürzt  erhaltenen  päpstlichen  Urkunden 
nachweislich  seit  dem  Jahre  550  datiert  2,  bis  dann  unter  Hadrian  L 
erst  der  König  Christus  und  dann  Kaiser  Karl  an  Stelle  der  byzan-  55 
rinischen  Oberherrlichkeit  eintreten  ^.  Erträglich  wurde  die  namentlich 
bei  getheiltem  Imperium  sehr  unbequeme  Datierung  nach  dem 
cfPectiven  Herrscherjahr  durch  die  beiden  ihr  zugesellten  Corrective 
des  Consulats  und  der  Indiction.  Das  Consulat  selbst  ist  allerdings 
noch  unter  Justinian  selbst  in  Folge  des  durch  dessen  Finanzwirth- 
schaft  herbeigeführten  Ruins  des  öffentlichen  wie  des  privaten  Wohl- 
standes *  in  seinem  alten  Wesen  zu  Grunde  gegangen ;  aber  für  die 
Zeitrechnung  hat  es  sich  bis  weit  in  das  Mittelalter  hinein  behauptet^, 
indem  von  Justinians  Nachfolger  Justinus  II.  an  jeder  Kaiser  bald 
nach  dem  Antritt  der  Regierung  mindestens  einmal  das  Consulat 
übernahm.  Nach  dieser  jetzt  zur  Antrittsfeier  des  neuen  Herrschers 
umgewandelten  Festlichkeit  ist  mit  Hinzunahme  der  längst  üblichen 
Postconsulate  bis  in  das  achte  Jahrhundert  hinein  datiert  worden. 
Allerdings  wird  die  Brauchbarkeit  dieses  Correctivs  dadurch  beein- 
trächtigt, dass  bei  der  Zählung  der  Postconsulate  neben  der  legitimen 

1)  Liber  diurnus  ed.  Sickel  n.  7:  data  die  illa  inensis  illius  imperante  illo, 
post  consulattim,  indietione  illa. 

2)  Clinton,  fasti  Rom.  zu  diesem  Jahr.  Es  mag  sein,  dass  erst  das  damalige 
Verweilen  des  Bischofs  Vigilius  in  Constantinopel  dessen  Kanzlei  veranlasst  hat 
sich  dem  im  Jahre  537  angeordneten  Schema  zu  conformieren ;  aber  erwiesen  ist 
es  nicht,  dass  dies  nicht  schon  früher  geschehen  ist,  und  auf  keinen  Fall  darf 
dieser  Conformierung  eine  besondere  politische  Bedeutung  beigelegt  werden. 
Belege  der  dreifachen  Datierung  aus  späterer  Zeit  bei  Ewald  in  diesem  Archiv 
III,  549;  Gundlach,  Arles  und  Vienne,  S.  132. 

3)  Bresslau,  Urkundenlehre  I,  836. 

4)  Das  sagt  Prokop,  bist.  arc.  26 ,  und  Justinians  eigene  Verordnung  (nov. 
105)  kommt  wesentlich  auf  dasselbe  hinaus.  Es  war  der  Wunsch  der  Regierung 
die  altehrwürdige  Institution  aufrecht  zu  erhalten;  aber  die  dafür  früher  üblichen 
Zuschüsse  aus  der  Staatskasse  wurden  nicht  femer  gewährt  und  Personen,  welche 
im  Stande  gewesen  wären  diese  Ausgaben  aus  eigenen  Mitteln  zu  bestreiten, 
waren  schon  früher  kaum  und  jetzt  gar  nicht  mehr  zu  finden. 

5)  Ducange,  de  infer.  aevi  numism.  c.  23;  Bresslau,  Urkundenlehre  I,  830. 


348  Das  römisch  -  germanische  Herrscherjahr. 

das  Consulatjahr  selbst  ausschliessenden  eine  andere  dieses  mitzählende 
aufkommt,  welche  zwar  keine  officielle  Geltung  erlangt  hat^,  aber 
in  dem  byzantinischen  "Westen  nicht  selten  begegnet 2.  —  Aehnlich 
verhält  es  sich  mit  der  Indiction:  bekanntlich  wird  zum  Behuf  der 
Datierung  das  Indictionsjahr  das  ganze  Mittelalter  hindurch  dem 
Regierungsjahre  bei-  und  nicht  selten  auch  allein  gesetzt.  Beide 
Datierungen  haben  festes  Neujahr,  die  consularische  das  des  1.  Januar^, 
56  die  Indiction  von  Rechtswegen  das  des  1.  September.  Ein  anderer 
Indictionsanfang  ist  in  derjenigen  Epoche,  mit  welcher  ich  mich 
beschäftigt  habe,  bei  der  Datierung  wohl  niemals  in  Anwendung^ 
gekommen;  die  naheliegende  Gleichsetzung  des  Kalenderjahrs  mit 
dem  Indictionsjahr,  in  das  die  ersten  ^cht  Monate  desselben  fallen, 
lässt  sich  allerdings  schon  bei  Cassiodor  nachweisen,  aber  sie  ist 
ohne  Zweifel  nicht  nur  bloss  abusiv  gewesen,  sondern  hat  auch  erst 
in  sehr  später  Zeit  auf  die  Datierung  Einfluss  gewonnen*. 

Aber  wenn  die  Datierung  nach  Regierungsjahren  als  officielle 
Reichsdatierung  vor  Justinian  nicht  bestanden  hat,  so  ist  sie  doch 
theils  als  provinziale ,  theils  als  conventionelle  lange  vorher  in  Ge- 
brauch gewesen. 

In  denjenigen  römischen  Provinzen,  welche  in  vorrömischer  Zeit 
nach  Herrscherjahren  datiert  hatten,  hat  diese  Datierung  als  provin- 
ziale auch  unter  römischer  Herrschaft  sich  behauptet;  sie  richtet 
sich  nach  dem  festen  Neujahr  in  Aegypten  des  29.  August,  in  Syrien 

1)  Die  Annahme  Rossis  (inscr.  christ.  I  p.  XLVII,  danach  Bresslau,  Urkunden- 
lehre I,  829),  dass  Justiuus  IL  diese  Zählweise  officiell  eingeführt  habe,  ist 
unhaltbar.  Tiberius  übernahm  das  Consulat  nach  dem  Tode  Justins  II.  am 
5.  Oct.  578  für  das  Jahr  579;  nachdem  er  dann  am  14.  Aug.  582  gestorben  war 
und  sein  Nachfolger  Mauricius  das  Consulat  erst  für  das  Jahr  584  übernahm, 
■wurde  beschlossen,  das  Jahr  583  zu  bezeichnen  als  das  vierte  Postconsulat  des 
verstorbenen  Kaisers:  inavtog  avvnaxog,  xai  ex  xoivov  döy^iatog  iyQa.(ptj  fistä 
vjiareiav  Tißsgiov  Koivoxavxivov  rov  rfjg  d'siag  Xrj^ecog  srovg  8'  (Paschalchronik 
p.  690).  Ebenso  ist  die  kurz  vor  Tiberius'  Tod  am  11.  Aug.  582  erlassene  Ver- 
ordnung (novellae  constitutiones  ed.  Zachariae  a  Lingenthal  n.  14)  datiert:  imp. 
d.  n.  Tiberii  Constantini  p(er)pfetuij  Aug.  anno  VIII  et  post  cons.  eius  anno  IIL 

2)  In  dieser  Weise  zählt  der  africanische  Victor  von  Tounona  und  zählen 
regelmässig  die  italischen  Inschriften  (Marini,  papiri  p.  261 ;  Rossi  a.  a.  0.). 

3)  Allerdings  fällt  die  Hauptfestlichkeit,  welche  der  Consul  ausrichtet, 
die  secunda  mappa  im  Kalender  des  Silvius  auf  den  13.  Januar,  und  daher 
berechnet  die  Paschalchronik  (p.  701  Bonn)  das  Consulat  des  Heraclius  (611) 
erst  von  diesem  Tage;  aber  dass  dies  für  die  Datierung  nicht  in  Betracht 
kommt,  sondern  das  Consulatjahr  mit  dem  letzten  December  schliesst,  wird 
ausdrücklich  hinzugefügt. 

4)  Darauf  reduciert  sich  meines  Erachtens  die  sogenannte  Neujahrsindiction 
(Bresslau,  Urkundenlehre  I,  882). 


Das  römisch- germanische  Herrscherjahr.  349 

des  1.  October,  so  dass  mit  dem  ersten  unter  dem  Regiment  des 
neuen  Herrschers  eintretenden  Neujahrstag  dessen  zweites  Regierungs- 
jahr anhebte  Dass  diese  Berechnung  des  Kaiserjahrs  in  Syrien 
durch  Nerva  beseitigt  ward,  ist  schon  erwähnt  worden.  Das  ägyptische 
Kaiserjahr  dagegen  mit  dem  Neujahr  des  29.  August  hat  sich  bis 
in  die  späteste  Zeit  behauptet;  selbst  die  diocletianische  Aera  ist 
nur  insoweit  eine  Neuerung,  dass  seitdem  die  Jahre  nicht  mehr  nach 
dem  Regierungsantritt  der  einzelnen  Kaiser  benannt,  sondern  ein  für 
allemal  von  Diocletians  erstem  Jahr  an  (29.  Aug.  284/5)  als  dio- 
oletianische  gezählt  werden.  Uebrigens  ist  es  für  die  gegenwärtige 
Auseinandersetzung  nicht  erforderlich  auf  diese  wohlbekannten  Ord- 
nungen weiter  einzugehen;  nur  daran  soll  hier  erinnert  werden,  dass 
diese  provinziale  Datierung  wohl  in  weiterem  Umfang  zur  Anwendung 
gekommen  ist,  als  gewöhnlich  angenommen  wird.  Es  gilt  dies  nicht 
bloss  von  der  bekannten  in  Marseille  zu  Tage  gekommenen,  aber 
wahrscheinlich  syrisch  aufzufassenden  Inschrift  mit  anno  V  Tiherii 
Caesaris  Augusfi  2,  sondern  vor  allem  von  den  derartigen  Datierungen 
bei  Josephus.  Abgesehen  von  den  auf  das  Olympiadenjahr  oder  auf 
die  Consuln  gestellten  bedient  dieser  Schriftsteller  sich  häufig  der 
Datierung  nach  Regierungsjahren  sowohl  der  jüdischen  Könige  wie 
auch,  und  zwar  daneben^,  der  römischen  Kaiser*,  wobei  er  ohne  57 
Zweifel  wenn  nicht  das  syrische,  doch  ein  dem  syrischen  analoges 
festes  Kalenderjahr  zu  Grunde  legt^. 

Aber  völlig  fremd  ist  auch  dem  Occident  die  Datierung  nach 
Regierungsjahren  keineswegs;  vielmehr  erscheint  sie  daselbst  in 
relativ  früher  Zeit  in  der  Theorie  wie  in  der  Praxis.  Dem  Censo- 
rinus,  der  seinen  vortrefflichen  chronologischen  Tractat  im  J.  238 
n.  Chr.  schrieb,  heisst  darin  (21,  8)  dieses  Jahr  eorum  qui  vocantur 
anni  Aiigustorum  ducentesimus  sexagesimus  quintus  und  dem  ent- 
sprechend ist  ihm  (22,  16)  das  Jahr  746   d.  St.   (=  8  vor  Chr.  G.) 


1)  Vgl.  darüber  mein  röm.  Staatsrecht  II,  802. 

2)  C.  I.  L.  XII,  406  [=  Dessau  175].  [Die  Inschrift  ist  aus  Alexandria;  s. 
Jung  arch.-ep.  Mitth.  16,  1893  S.  15.]     St.-R.  II,  802  A.  3. 

8)  Insbesondere  in  der  vita  c.  1  wird  neben  einander  gezählt  nach  den 
Jahren  des  Hyrkanus  und  denen  der  Kaiser  Gaius  und  Vespasian. 

4)  Augustus  Regierungsjahre  werden  bezeichnet  als  Jahre  nach  der  Schlacht 
von  Actium  (ant.  18,  2,  1)  nach  dem  St.-R.  II,  808  A.  2  erörterten  Gebrauch. 

5)  Da  er  nach  jüdischer  Weise  das  Jahr  mit  dem  1.  April  beginnt  (ant. 
3, 10,  5),  so  wird  er  wohl  von  diesem  Neujahr  und  nicht  von  dem  1.  Oct.  des 
Seleucidenjahrs  zählen.  Eine  zusammenfassende  Untersuchung  des  josephischen 
Jahres  bleibt  zu  wünschen;  ich  habe  in  Beziehung  auf  Josephus  mich  der 
Unterstützung  Nieses  bedienen  dürfen.  [S.  jetzt  Niese  im  Hermes  28,  1893  S.  208  ff.] 


350  1^3'S  römisch -germanische  Herrscherjahr. 

annus  Augusti  vicesimus;  in  gleicher  Weise  heisst  bei  Tacitus 
(ann.  4,  1)  das  Jahr  23  n.  Chr.  das  neunte  des  Tiberius.  Dass  für 
diese  Jahre  zwar  der  Tag  der  Annahme  des  Augustustitels ,  der 
17.  Jan.  727,  als  Ausgangspunkt  gilt,  sie  aber  vielmehr  vom  1.  Jan. 
an  laufen  und  also  einfach  Kalenderjahre  sind,  sagt  Censorinus  aus- 
drücklich ^.  Diese  Jahrzählung  konnte  sowohl  mit  Durchzählung  als 
Aera  verwendet,  wie  auf  die  einzelnen  Regierungen  bezogen  werden ; 
aber  von  jenem  Gebrauch  finde  ich  schlechthin  keinen  Beleg  und 
von  diesem  aus  vorconstantinischer  Zeit  keinen  weiteren  als  die 
schon  erwähnten  Ansetzungen  bei  Tacitus  und  Censorinus  und  einige 
analoge  bei  den  christlichen  Schriftstellern  des  3.  Jahrh.  ^.  Es  ist 
dies  nicht  so  befremdend,  wie  es  auf  den  ersten  Blick  erscheint. 
In  reiner  Anwendung  hätte  dasselbe,  völlig  wie  das  ägyptische,  theils 
zu  Doppelbenennungen  derjenigen  Jahre  führen  müssen,  in  welche 
58  der  Regierungswechsel  fiel  —  das  Jahr  14  n.  Chr.  wäre  zuerst  das 
40.  des  Augustus,  alsdann  das  1.  des  Tiberius  gewesen  — ,  theils 
zur  Behandlung  einer  zuweilen  sich  auf  wenige  Tage  reducierenden 
Frist  als  ersten  Regierungsjahrs.  Diese  unbequemen  Consequenzen 
entweder  aufrecht  zu  halten  oder  angemessen  zu  modificieren  hätt& 
sich  bei  officieller  Handhabung  dieses  Systems  wohl  erreichen  lassen; 
da  dasselbe  aber  nur  conventioneil  fundiert  war  und  da  man  offenbar 
jene  Consequenzen  nicht  einfach  hinnahm,  für  jedes  Jahr  eine  für 
dessen  ganzen  Yerlauf  durchstehende  Benennung  und  für  jeden 
Kaiser  auch  nominell  ein  erstes  Regierungsjahr  verlangte,  so  ist  es 
begreiflich,  dass  für  diese  bei  jedem  Regierungswechsel  sich  er- 
neuernden und  mehr  oder  minder  arbiträren  Fixierungen  diejenige 
Einhelligkeit,  welche  für  Jahrbenennungen  gefordert  wird,  bei  dem 
Kaiserjahr  sich  nicht  hat  erreichen  lassen.  Die  angeführten  Stellen 
scheinen  zu  zeigen,  dass,  wie  es  die  Schicklichkeit  fordert,  dem 
Todesjahr  die  Benennung  nach  dem  abscheidenden  Herrscher  blieb- 
und  für  den  neu  eintretenden  das  Antrittsjahr  nicht  mitzählte;  aber 

1)  A.  a.  0.:  eorum  qui  vocantur  anni  Augustorum  .  .  .  (principium)  ex  Tcal. 
larmarüs,  quamvis  ex  a.  d.  XVI  k.  Febr.  imp.  Caesar  .  .  .  Augustus  appdlatus  est^ 

2)  Tertullian  (adv.  ludaeos  8)  nennt  das  Jahr  29,  das   er  consularisch  be- 
zeichnet,  das  fünfzehnte  des  Tiberius,   rechnet  also  wie  Tacitus  das  Todesjahr 
des  Augustus  diesem  zu.    An  einer  anderen  Stelle  (adv.  Marc.  1,  15)  wird  dieselbe 
Jahrzählung  als   Aera  verwendet:  a   XII  Tiberii   Caesaris  ad  XV  iam  Severi  j 
imperatoris ;  welcher  Berechnung  er  hierbei  gefolgt  ist,  weiss  ich  nicht  genau  , 
zu  bestimmen.     Das  unter  Cyprians  Namen  überlieferte  Paschalbuch  rechnet  I 
215  Jahre  a  passione  usque  ad  annum  quintum  Gordiani  Arriano  et  Papo  cos^  \ 
Hier  erscheint  deutlich  die  Gleichung  des  Kaiser-  und  des  consularischen  Kalender-  i 
Jahrs,  und  Gordians  Jahre  sind  hier  ebenso  berechnet  wie  bei  Tacitus  die  des- ! 
Tiberius:  das  Antrittsjahr  258  wird  ihm  nicht  zugezählt.  ' 


Das  römisch -germanische  Herrscherjahr.  351 

schwerlich  ist  diese  Regel  mit  hinreichender  Festigkeit  durchgeführt 
worden,  um  diese  Jahresbezeichnung  allgemein  gangbar  zu  machen. 

Diejenige  Datierung  nach  dem  Kaiserjahr,  welche  in  und  seit  der 
constantinischen  Zeit  begegnet,  knüpft  zunächst  an  an  die  provinzialen 
Kaiserjahre  und  ruht  auf  der  Chronikenlitteratur.  Bekanntlich  nimmt 
diese  ihren  Ausgang  vom  griechischen  Osten;  ihre  Väter  sind  für  den 
Occident  der  Jude  Julius  Africanus  und  der  jüdische  Bischof  Eusebius. 
Gutschmid  hat  in  einer  seiner  schönsten  Abhandlungen  nachgewiesen, 
dass  diejenigen  Chroniken,  auf  denen  die  eusebische  beruht,  theils  nach 
syrischen,  theils  nach  ägyptischen  Jahren  rechneten^,  dass  aber  dasjenige 
Jahr,  welches  Eusebius  selbst  zu  Grunde  legte  und  wo  nicht  anwandte, 
doch  anwenden  wollte,  das  römische  Kalenderjahr  mit  dem  Neujahr  des 
1.  Januar  war^.  Dasjenige  System,  welches  Censorinus  theoretisch 
bezeichnet,  ist  hier  praktisch  durchgeführt,  und  zwar  in  der  "Weise 
durchgeführt,  dass  jedem  Kalenderjahre  eine  einfache  Kaiserbenennung 
beigelegt  ist  und  dass  jede  Kaiserregierung  mit  einem  ersten  Re- 
gierungsjahr beginnt.  Auf  die  hiebei  unvermeidlichen  Willkürlich- 
keiten und  die  vermeidlichen,  aber  nicht  vermiedenen  Fehler  ein- 
zugehen, ist  hier  nicht  der  Ort;  das  System  war  damit  hingestellt 
und  bei  der  Autorität,  die  die  eusebische  Chronik  namentlich  im 
Occident  in  der  Bearbeitung  des  Hieronymus  gewann,  ist  daran 
nicht  bloss  seitdem  nicht  gerüttelt,  sondern  es  sind  auch  die  späteren 
Regierungen  nach  demselben  Princip  dem  eusebischen  Schema  an- 
geschlossen worden. 

Wenn  unsere  modernen  Chronologen  die  auf  Regierungsjahre  59 
der  vorjustinianischen  Kaiser  oder  der  germanischen  Könige  gestellten 
Angaben  durchgängig  nach  dem  Effectiv-  statt  nach  dem  Kalenderjahr 
berechnen,  so  haben  sie  wohl  nicht  genügend  erwogen,  dass  einestheils 
ein  nicht  officielles,  aber  conventionelles  mit  dem  Kalenderjahr  sich 
deckendes  Kaiserjahr  wenigstens  schon  in  traianischer  Zeit  nach- 
weisbar, andererseits  die  officielle  Geltung  des  kaiserlichen  Effectiv- 
jahres  eine  Neuerung  Justinians  ist.  Es  scheint  vielmehr  umgekehrt 
da,  wo  nicht  der  spätbyzantinische  Einfluss  sich  geltend  macht,  für 
das  kaiserliche  oder  königliche  Kalenderjahr  die  grössere  Wahr- 
scheinlichkeit zu  sprechen.  Es  kann  natürlich  hier  nicht  in  alle 
Einzelheiten  eingegangen  werden,  in  welche  diese  Frage  eingreift; 
auch  bietet  das  Material,  so  unermesslich  es  ist,  bei  der  Trübung 
durch  die  Barbarei  der  Zeit  und  der  Fehlerhaftigkeit  selbst  der 
officiellen   und    der  monumentalen  Angaben    verhältnismässig    nicht 

1)  Kleine  Schriften  I,  455.  461.  2)  A.  a.  0.  S.  458. 


352  -D^'^  römisch -germanische  Herrscherjahr. 

allzu  viele  sichere  Anhaltspunkte.  Nur  beispielsweise  lege  ich  einige 
Einzelbeobachtungen  vor,  welche  jenes  principiell  ermittelte  Resultat 
mir  bestätigt  haben. 

Der  cyprische  Bischof  Epiphanius  führte  seine  Uebersicht  der 
Haeresieen  bis  auf  das  laufende  Jahr  ecog  rov  naQovtog,  xovxeoxiv 
OväXevrog  juev  erovg  ly ,  Tqaxiavov  de  sxovg  '&',  OvaXevxiviavov  de 
vecoxegov  exovg  a  ^.  Effectiv  berechnet  läuft  Yalens  dreizehntes  Jahr 
28.  März  376/7,  Gratians  neuntes  24.  Aug.  375/6,  Valentinians  IL 
erstes  22.  Nov.  375/6;  nach  dieser  Auffassung  beschränkt  Clinton 
diese  Angabe  auf  die  Frist  vom  28.  März  bis  24.  Aug.  376.  Aber 
diese  kann  nicht  als  Jahr  bezeichnet  werden  und  es  ist  unglaublich, 
dass  man  also  in  mühsamer  Undurchsichtigkeit  mit  ungleichen 
Elementen  gerechnet  hat. 

Der  beste  unter  den  sämmtlichen  Chronisten  des  fünften  Jahr- 
hunderts, der  Spanier  Hydatius,  sagt  von  dem  Todesjahr  des  Theo- 
dosius:  iste  annus,  qui  Theodosii  XVII,  ipse  Arcadii  et  Honorii  initio 
regni  eorum  primus  est,  quod  ideo  indicavi,  ne  olympiadem  quinque 
annorum  turhet  adiectio,  in  hoc  loco  tanium  propter  regnanfum  inserta  1 
principium.  Er  hat  also  dem  Jahr  395  die  Doppelbezeichnung  XYII 
und  I  gegeben  und  es  ist  wohl  Schuld  der  Abschreiber,  dass  in  der 
Handschrift  die  letztere  Ziffer  fehlt  und  die  Regierungsjahre  der 
Söhne  von  II  an  zählen.  Dies  ist  der  einzige  mir  bekannte  Fall 
successiv  zu  fassender  Doppelbenennung  eines  Kaiserjahrs,  wobei 
mitgewirkt  haben  mag,  dass  der  Yater  schon  am  17.  Januar  starb; 
bei  den  späteren  Thronwechseln  wiederholt  sich  dies  auch  bei 
Hydatius  nicht.  Hier  aber  ist  das  Kalenderjahr  gemeint. 
60  Victor  von  Tonnona  benennt  in  seiner   Chronik  die  Jahre   bis 

563^  consularisch,  von  da  an  nach  dem  Kaiser;  sein  spanischer  Fort- 
setzer Johannes  hat  die  consularische  Bezeichnung  nicht  mehr,  sondern 
benennt  die  Jahre  nach  den  Kaisern  und  daneben  von  Leovigilds 
Antritt  an  nach  den  spanischen  Königen.  Diese  Chroniken  gehören 
der  Epoche  an,  in  welcher  das  effective  Kaiserjahr  officielle  Geltung 
hatte;  nichtsdestoweniger  ist  es  sowohl  wegen  des  unmittelbaren 
Anschlusses  der  Kaiserjahrzählung  an  die  consularische  wie  auch 
wegen  der  Gleichsetzung  der  constantinopolitanischen  und  der 
spanischen  Herrscherjahre  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  beide 
Chronisten  nicht  das  officielle,   sondern    das  chronistisch  adaptierte 


1)  Adv.  haer.  66  p.  638  Petav.  | 

2)  Dies  heisst  ihm  post  consulatum  Basilii  v.  c.  anno  XXIII,   da  er  dei 
gewöhnlichen  Zählung  um  eine  Stelle  voraus  ist  (S.  348  A.  2). 


Das  römisch -germanische  Herrscherjahr.  353 

und  dem  Kalenderjahr  geglichene  Regierungsjahr  zu  Grunde  gelegt 
haben  oder  wenigstens  haben  legen  wollend 

Wenn  es  meines  Erachtens  nicht  bezweifelt  werden  kann,  dass 
von  der  constantinischen  Zeit  an  das  Kaiserjahr,  welches  bei  den 
Chronisten  und  in  den  ihnen  entlehnten  chronistischen  Angaben  auf- 
tritt, nach  conventionellem  Herkommen  das  gewöhnliche  Kalenderjahr 
ist,  so  ist  damit  noch  die  Frage  nicht  entschieden,  ob  die  in  den 
römisch -germanischen  Staaten  auftretenden  Königsjahre  in  dem 
gleichen  Werth  zu  fassen  oder  vielmehr  Effectivjahre  gemeint  sind. 
Die  letztere  Auffassung  ist  jetzt  eine  so  allgemeine,  dass  man  ihre 
Begründung  für  überflüssig  zu  halten  scheint.  Dies  finde  ich  nicht 
richtig;  aber  es  ist  keineswegs  meine  Absicht  diese  Rechnungsweise 
principiell  zu  bestreiten.  Ich  beschränke  mich  darauf  diejenigen 
hier  einschlagenden  Wahrnehmungen  vorzulegen,  auf  welche  meine 
Studien  mich  geführt  haben. 

Die  Rechnung  nach  Königsjahren  begegnet  nicht  bei  den  italischen 
Ostgothen,  die  ihren  Staat  als  eine  Fortsetzung  des  occidentalischen 
!]  Römerreichs  auffassten^,  wohl  aber  bei  den  Burgundern,  den 
gallisch-spanischen  Westgothen,  den  Vandalen,  den  Franken,  den 
Langobarden.  Eine  förmliche  Emancipierung  von  der  Römerherrschaft  61 
darf  aber  hierin  wenigstens  nicht  überall  gefunden  werden.  Auch 
die  consularische  Jahrbezeichnung,  sowie  die  Datierung  nach  den 
Reichssteuerterminen  schlössen  die  Anerkenntnis  der  Zugehörigkeit 
zum  Römerreich  principiell  in  sich.  Umgekehrt  schliesst  das  Königs- 
jahr die  Anerkennung  der  Zugehörigkeit  zum  Reichsverbande  nicht 
mit  begrifflicher  Nothwendigkeit  aus;  auch  nach  Statthalterjahren 
ist  im  Römerstaat  nicht  selten  datiert  worden.  Soll  dem  Königsjahr 
dieser  oppositionelle  Charakter  beigelegt,  in  dessen  Setzung  ein 
Kriterium  der  Selbständigkeit  gefunden  werden,  so  muss  mindestens 


1)  Die  berichteten  Thatsachen  sind  in  Folge  der  argen  chronologischen 
Verwirrung  namentlich  am  Schluss  der  Chronik  Victors  nicht  geeignet  die 
Unsicherheit  zu  beseitigen.  Victor  giebt  nach  dem  J.  563  dem  Kaiser  die  vier 
Regierungsjahre  37 — 40  und  setzt  Justinians  Tod  in  die  15.  Indiction  (1.  Sept. 
566/7),  während  er  erwiesener  Massen  am  13.  Nov.  565,  und  sowohl  nach  der 
officiellen  Zählung  wie  auch,  wenn  das  Kalenderjahr  seines  Antritts  (1.  April  527) 
als  erstes  Regierungsjahr  betrachtet  wird,  nach  der  chronologisch  adaptierten 
im  39.  Regierungsjahr  starb,  dagegen  nach  der  letzteren  im  38.,  wenn  das 
Antrittsjahr  dem  Vorgänger  gegeben  wird.  "Wahrscheinlich  meint  Victor  die 
vier  Jahre  563—566  und  hat  den  doppelten  Fehler  gemacht  theils  das  Jahr  563 
zweimal,  consularisch  wie  kaiserlich,  aufzuführen,  theils  den  Tod  des  Kaisers 
aus  565  in  566  zu  übertragen. 

2)  Vgl.  in  dieser  Zeitschrift  [N.  Archiv]  XIV,  241  [unten  S.  378].  539. 

MOMMSEN,    SCHR.  VI.  23 


354  I^*s  römisch -germanische  Herrscherjahr. 

dessen  allgemeine  Anwendung  vorgeschrieben  worden  sein.  Dies 
aber  ist  wenigstens  bei  den  Burgundern  und  den  Westgothen  keines- 
wegs geschehen.  Die  mir  bekannten  burgundischen  Datierungen  sind 
consularische  mit  der  einzigen  Ausnahme,  dass  das  burgundische 
Gesetzbuch  zwei  an  demselben  29.  März  517  erlassene  Verordnungen 
aufführt,  von  denen  die  eine  datiert  ist  Agapito  cons.,  die  andere 
anno  secundo  regni  domni^.  Aehnlich  haben  die  Westgothen  in 
Südfrankreich  und  in  Spanien  die  Jahre  bezeichnet:  Datierung  nach 
Königsjahren  ist  seit  45t|3  nachweisbar^,  aber  sie  wechselt  mit  der 
consularischen  und  es  werden  auch  wohl  beide  verbunden.  Selbst 
unter  fränkischer  Herrschaft,  so  spät  diese  auch  auf  den  Plan  tritt, 
kann  die  Datierung  nach  Königsjahren  kaum  obligatorisch  gewesen 
sein,  da  das  Indictions-  und  vereinzelt  selbst  das  consularische  Jahr 
auch  hier  begegnet. 

Wenn  man  sich  nun  vergegenwärtigt,  dass  es  eine  Datierung 
nach  dem  effectiven  Kaiserjahr  vor  dem  J.  537  nicht  gegeben  hat, 
dagegen  das  in  Kaiserbenennung  auftretende  Kalenderjahr  chronistisch 
in  allgemeinem  Gebrauch  gewesen  ist,  so  werden  wohl  auch  jene 
vorjustinianischen  allem  Anschein  nach  nicht  gesetzlich  angeordneten, 
sondern  ebenfalls  conventionell  gestalteten  Datierungen  in  demselben 
Werthe  zu  fassen  sein.  Zeugnisse  indes  oder  sachlich  entscheidende 
Documente  sind  mir  weder  für  noch  gegen  vorgekommen^. 

Für  die  nachjustinianische  Epoche  fällt  allerdings  das  constan- 
62  tinopolitanische  durch  das  byzantinische  Italien  auch  in  den  Occident 
eingeführte  Schema  sehr  ins  Gewicht,  und  wenigstens  bei  den  späteren 
Westgothen  sind  die  Regierungsjahre  im  officiellen  Gebrauch  nach- 
weislich effectiv  berechnet  worden.  König  Erwig  gelangte  nach 
Ausweis  der  Königsliste  am  15.  Oct.  718  =  680  zur  Regierung. 
Unter  seinem  Regiment  wurden  drei  Concilien  gehalten,  das  zwölfte 

1)  Tit.  52.  62.    Binding,  Burg.-röm.  Königreich  S.  309  fg. 

2)  Inschrift  von  Bordeaux  V  hal.  .  .  .  [anno]  dorn.  n(ostr)i  Tu[rismundi\ 
(Jullian  inscr.  de  Bordeaux  II  p.  37  [C.  I.  L.  XIII,  904]).  Inschrift  von  Viviers 
III  Tc.  Maias  XII  reg.  domini  Älarici  (C.  I.  L.  XII,  2700).  Inschrift  von  Clermont 
anno  nono  X  reg.  domni  nostri  Alarici  (Le  Blant  n.  569  [C.  I.  L.  XIII ,  1529]). 
Publicationspatent  der  lex  Romana  sub  die  III  non.  Fehr.  anno  XXII  Älarici 
regis.  Concil  von  516  anno  sexto  Theuderici  regis  Petro  consule  (Mansi  VIII,  521). 
Concil  von  517  anno  septimo  Theoderici  regis  Ägapeto  v.  c.  consule  (Mansi  VIII,  550). 

3)  In  der  eingehenden  Untersuchung  Kruschs  über  die  Chronologie  der 
fränkischen  Könige  (Forschungen  XXII,  451  sq.  mit  dem  Nachtrag  in  den  Script.! 
Merov.  II,  576)  werden  die  bei  Gregor  und  sonst  auftretenden  Königsjahre  djirch-l 
aus  als  effective  behandelt.  Das  mag  ja  richtig  sein,  obwohl  Gregors  Jahr  ein 
festes  mit  Neujahr  vom  1.  März  ist;  aber  es  wäre  wünschenswerth,  dass  die 
Beweise  dafür  vorgelegt  würden.  I 


Das  römisch -germanische  Herrscherjahr.  355 

toletanische  (Mansi  XI,  1023)  719  =  681  Jan.  9 — 25  anno  primo 
regis;  das  dreizehnte  toletanische  (Mansi  XI,  1059)  721  =  683  Nov.  4 
anno  quarfo;  das  vierzehnte  toletanische  (Mansi  XI,  1086)  Nov.  14 — 20 
anno  quinto.  Hier  kann  kein  Zweifel  obwalten,  dass  EfFectivjahre 
gemeint  sind.  Es  wäre  wünschenswerth  diesen  Daten  weiter  nach- 
zugehen, wobei  allerdings  bei  der  für  solche  Untersuchungen  nicht 
hinreichend  festgestellten  Ueberlieferung  der  spanischen  Concilien 
die  Handschriften  heranzuziehen  sein  werden. 

Anders  verhält  es  sich  wahrscheinlich  mit  den  Vandalen.  Wie 
dieser  Staat  mit  seiner  gesetzlichen  Successionsordnung  und  seiner 
sonstigen  formalen  Normierung  überhaupt  eine  Sonderstellung  ein- 
nimmt, so  zeigt  auch  die  Datierung  nach  vandalischen  Königsjahren 
theils  durch  ihren  willkürlich  gewählten  Ausgangspunkt,  theils  durch 
ihre  Ausschliesslichkeit,  dass  sie  auf  Anordnung  der  Regierung  ins 
Leben  getreten  ist.  Geiserich,  König  der  Yandalen  etwa  seit  dem 
Jahre  428  und  seit  dem  J.  429  in  Afrika,  datierte  bekanntlich  weder 
von  jenem  noch  von  diesem  Termin  an,  sondern  von  der  Einnahme 
Karthagos  19.  October  439^;  dieser  Anfangstermin  kann  nur  durch 
eine  von  ihm  selbst  getroffene  Bestimmung  Geltung  erlangt  haben. 
In  diesem  Reiche  sind  die  königlichen  Verordnungen  allein  nach 
Königsjahren  datiert  ^  und  ebenso  zählt  nach  Königsjahren  schon  der 
in  Karthago  selbst  im  J.  455  geschriebene  Paschaltractat  ^  und  das 
von  dem  gleichen  Verfasser  damals  begonnene  und  acht  Jahre  später  (53 
«rweiterte  Buch  der  Genealogieen  *,  so  wie  um  486  Victor  von  Vita  ^. 

1)  Papencordt,  Vandalen  S.  78. 

2)  Bei  Victor  Vitensis  2,  13,  39 :  data  sub  die  XIII  k.  lun.  anno  septimo 
Etmirici.  Da  dieser  als  Himmelfahrtstag  bezeichnet  wird,  so  hat  Clinton  zum 
J.  483  mit  Recht  XIIII  k.  hergestellt;  gemeint  ist  der  20.  Mai  483.  Auch  die 
gewiss  officielle  notitia  der  durch  dieses  Edict  entboteuen  Bischöfe  ist  datiert 
Ä.  Febf.  anno  octavo  (so  nach  Victor  3,  4,  nicht  sexto)  regis  Hunirici.  Auch 
Münzen  mit  anno  IUI  und  V  anno  sind  mit  Wahrscheinlichkeit  dem  Hunerich 
beigelegt  worden  (Friedländer,  Münzen  der  Vandalen  S.  19).  Africanische  In- 
schriften datieren  ebenfalls  mehrfach  nach  Königsjahren;  Belege  C.  I.  L.  VIII 
p.1060  und  bei  Cagnat  rapport  III  n.  257  [C.  I.  L.  VIII  S.  n.  11649]:  sfub)  d(ie) 
VIII  kl.  Martias  ano  XIIII  dfo)m(ini)  r(e)g(is)  T{ra)s(a)m(undi). 

3)  Zuletzt  herausgegeben  von  Krusch ,  Studien  zur  Chronologie  p.  279  fg. 
c.  2:  est  annus  praesens  .  .  .  a  passione  domini  CGCCXXVI  annus  XVI  regis. 
Die  Ansetzung  des  Osterfestes  auf  den  17.  April  beweist,  dass  der  Ostertag  von 
455  gemeint  ist;  dieser  fällt  allerdings  in  Geiserichs  sechzehntes  Jahr  19.  Oct.  454/5. 

4)  Dasselbe  wird  demnächst  als  Anhang  zu  dem  Chronographen  von  354  in 
berichtigter  Gestalt  veröffentlicht  werden  [Chron.  min.  ed.  Mommsenvol.I  p.l54ff.]. 

5)  Indess  ist   die   Ansetzung   der  Einnahme  Roms   im  Juni  455   auf  das 

15.  Regierungsjahr  Geiserichs  bei  diesem  1,  24  nach  keiner  Rechnung  zu  halten 

und  ein  Versehen. 

23* 


356  ^^^  römisch -germanische  Herrscherjahr. 

Worauf  ich  aber  yor  allem  Gewicht  legen  möchte,  es  scheint  diese 
Jahrbezeichnung  unter  vandalischer  Herrschaft  ausschliesslich  in 
Geltung  gewesen  zu  sein,  weder  das  consularische  ^  noch  das  In- 
dictionsjahr^  hier  daneben  vorzukommen.  Unter  den  kürzlich  in 
Kleinleptis  gefundenen  Mosaikinschriften,  deren  ungefähre  Gleich- 
zeitigkeit nicht  bezweifelt  w^erden  kann,  finden  sich  zwei  mit  Jahres- 
bezeichnung, die  eine  mit  d.  VIII  k.  Decem.  Hierio  et  Artabure,  also 
vom  24,  Nov.  427,  die  zweite  mit  die  VI  M.  lulias  anno  XXVIIII, 
hienach  also  vom  26.  Juni  468  ^. 

Wenn  also  die  Datierung  nach  Königsjahren  bei  den  Burgundern 
und  den  Westgothen  mehr  facultativ  und  conventioneil  erscheint,  ist 
die  vandalische  allem  Anschein  nach  von  Geiserich  bald  nach  der 
Einnahme  Karthagos  gesetzlich  vorgeschrieben  worden.  Aber  es 
fragt  sich,  ob  dieses  vandalische  Königsjahr  zu  fassen  ist  als  Effectiv- 
jahr  eines  jeden  Herrschers,  also  das  Neujahr  mit  jedem  Thron- 
wechsel sich  ändert,  oder  ob  das  Neujahr  des  19.  October  dafür  als 
festes  gegolten  hat.  Jene  Berechnung  wird  jetzt  allgemein  ange- 
nommen; aber  die  zweite  Ansetzung  hat  bei  weitem  grössere  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich.  Allem  Anschein  nach  hat  Geiserich  in  seinem 
Staat  eine  Jahrbezeichnung  eingeführt,  ähnlich  wie  in  Spanien  vom 
1.  Jan.  38  vor  Chr.,  in  Mauretanien  von  der  Einrichtung  der  Provinz 
1.  Jan.  40  nach  Chr.  die  Jahre  gezählt  wurden,  nur  insofern  noch 
weiter  von  der  Reichsjahrbezeichnung  sich  entfernend,  dass  er  für 
das  consularische  Neujahr  des  1.  Jan.  den  Tag  der  Einnahme  Kar- 
thagos 19.  Oct.  gesetzt  hat.  Wenn  er  selbst,  wie  dies  notorisch  ist, 
die  Jahre  also  und  nicht  von  dem  Tage  seines  Regierungsantritts 
an  zählte,  so  ist  kein  genügender  Grund  vorhanden  bei  seinen  Nach- 
folgern ein  verändertes  Princip  anzunehmen;  ja  die  allerdings  unter 
diesen  nur  ein  einziges  Mal  begegnende  Jahrzählung  ah  ingressu 
64  Carthaginis  fordert  dies  mit  zwingender  Nothwendigkeit*.  Gewöhn- 
lich  tritt  diese   Aera,    eben  wie    die  alexandrinische ,   welche  dafür 

1)  Wenigstens  ist  meines  Wissens  bisher  keine  Inschrift  und  kein  sonstiges 
Document  mit  consularischer  Datierung  aus  der  Vandalenperiode  zum  Vorschein 
gekommen. 

2)  Die  mit  Indictionen  bezeichneten  africanischen  Inschriften  scheinen 
sämmtlich  aus  nachvandalischer  Zeit  zu  sein  (C.  I.  L.  VIII  p.  1061). 

3)  Eph.  epigr.  V  n.  1166.  VII  n.  25.  26  [C.  I.  L.  VIII  S.  n.  11127.  11128]. 
Die   richtige   Beziehung  des  Datums  ist  bisher  auch  von  mir  verfehlt  worden.] 

4)  In  dem  Verzeichnis  der  vandalischen  Könige  der  Handschrift  der| 
Madrider  Universität  n.  134  (Villanueva  viage  III,  306  [chron.  min.  III  p.  459]): 
ac  sie  agitur  hodie  LXXXIIII  (überliefert  ist  BCCGIIIl)  annus  ab  ingressui 
Carthaginis.    Gemeint  ist  das  Todesjahr  Thrasamunds  19.  Oct.  522/3.  | 


Das  römisch -germanische  Herrscherjahr.  357 

wohl  als  Muster  gedient  haben  mag^,  vielmehr  auf  in  der  Form 
des  Königsjahrs.  Geiserich  starb  am  25.  (?)  Jan.  477,  dem  38.  nach 
der  Einnahme  Karthagos.  Dieses  endigt  18.  Oct.  477,  und  während 
nach  der  jetzt  gangbaren  Berechnung  Hunerichs  zweites  Regierungs- 
jahr mit  dem  25.  Jan.  478  beginnen  würde,  hat  hienach  der  König 
bereits  seit  dem  19.  Oct.  477  also  datiert.  Ich  habe  keine  dia- 
kritischen Daten  gefunden,  die  für  die  eine  oder  die  andere  Zähl- 
weise den  Ausschlag  gäben  2;  vereinbar  mit  der  hier  vorgeschlagenen 
sind  die  mir  bekannten  alle. 

Aber  wenn  das  vandalische  Königsjahr  selbst  schwerlich  ein 
Effectivjahr  gewesen  ist,  so  hat  es  wahrscheinlich  das  justinianische 
Effectivjahr  veranlasst.  Nachdem  das  Vandalenreich  gestürzt  und 
Belisar  am  14.  Sept.  534  als  Sieger  in  Karthago  eingezogen  war, 
bezeichnet  die  wieder  kaiserlich  gewordene  karthagische  Münzstätte 
ihre  Prägung  mit  anno  pr(imo),  anno  III,  anno  IIIl^,  welche  auch 
auf  einer  Inschrift*  als  annus  Kartaginis  erscheinende  Jahrzählung, 
offenbar  als  Widerspiel  zu  der  vandalischen  an  die  Eroberung  Kar- 
thagos anknüpfenden  Königsdatierung,  von  der  Rückeroberung  der 
mächtigen  Stadt  ihren  Ausgang  nimmt  und  wahrscheinlich  auch  ihr 
j    Neujahr  am  14.  Sept.  gehabt  hat.    Aber  auf  den  Münzen  geht  diese  65 

1)  Wie  diese  gehandhabt  ward,  zeigen  beispielsweise  zwei  im  Berliner 
Museum  befindliche  (nicht  publicierte  [jetzt  bei  Wilcken,  Ostraka  2  S.  121  f. 
11.422.  419])  Steuerquittungen  aus  dem  aegyptischen  Jahr  29.  Aug.  67/8,  dem 
Todesjahr  Neros.  Die  eine,  datiert  vom  16.  Juni  68,  geschrieben  also,  ehe  Neros 
Tod  (9.  Juni)  in  Aegypten  bekannt  war,  bezeichnet  das  Jahr  als  das  vierzehnte 
Neros.  Die  zweite,  geschrieben  nachdem  dieser  Tod  gemeldet  war,  datiert 
schon  für  den  26.  Sept.  67  auf  Galbas  erstes  Jahr,  obwohl  dieser  erst  im  Sommer 
68  zum  Kaiser  ausgerufen  ward.  Also  wurde,  nachdem  der  Thronwechsel  ein- 
getreten war,  nicht  bloss  von  dem  Tage  desselben,  sondern  vom  Anfang  des 
Jahres  an  das  Jahr  dem  neuen  Herrscher  beigelegt.  Mit  der  Aechtung  des 
Andenkens  hat  diese  Einrichtung  nichts  zu  schaffen,  da  in  der  letztgenannten 
Urkunde  das  Vorjahr  das  13.  Neros  heisst;  es  ist  lediglich  Vereinfachung  der 
Jahresbezeichnung  durch  Beseitigung  des  ausscheidenden  Herrschers. 

2)  Dass  Hunerich,  der  im  Januar  477  zur  Regierung  kam,  am  20.  Mai  483 
sein  siebentes,  am  1.  Febr.  484  sein  achtes  Regierungsjahr  zählte,  verträgt  sich 
mit  beiden  Systemen. 

3)  Pinder  und  Friedländer  a.  a.  0.  S.  37.  Sabatier  monnaies  Byzantines 
z.  B.  Taf.  16,  24.  Münzen  der  karthagischen  Officin  mit  den  Jahrzahlen  5 — 12 
kommen  nicht  vor;  wenigstens  haben  die  Herren  Babelon,  R.  Stuart  Poole  und 
V.  Sallet  auf  meine  Anfrage  mir  bestätigt ,  dass  in  den  Kabinetten  von  Paris, 
London  und  Berlin  solche  nicht  vorhanden  sind.  Als  provinziale  ist  die  vom 
14.  Sept.  534  laufende  Jahrzählung  noch  länger  gebraucht  worden,  wie  dies  die 
A.  4  angeführte  Inschrift  vom  J.  557/8  zeigt. 

4)  C.  I.  L.  VIII,  5262:   sub  die  III  kal  Septemb.  anno  XXIIII  Kartaginis. 


358'  ^^^  römisch -germanische  Herrscherjahr. 

Datierung  nicht  über  das  Jahr  537/8  hinaus.  Augenscheinlich  wird 
sie  abgelöst  durch  die  am  31.  Aug.  537  angeordnete  allgemeine  von 
deöi  Regierungsantritt  anhebende  Zählung  der  Kaiserjahre,  welche 
auf  den  Münzen  der  karthagischen  Officin  zuerst  im  13.  Regierungs- 
jahr =  1.  April  539/40  gefunden  wird. 

Also  ist  die  Datierung  nach  dem  Effectivjahr  des  Herrschers 
im  Anschluss  an  die  Einrichtung  Geiserichs  nach  der  Einnahme 
Karthagos  in  Constantinopel  eingeführt  worden,  von  wo  aus  sie 
weiter  im  Mittelalter  sich  verbreitet  hat. 


XIX. 

A  e  r  a.*) 

Für   das  räthselhafte  Wort  aera   sind   neuerdings  inschriftliche  271 
Zeugnisse  zum  Vorschein  gekommen,  die  uns  dasselbe  in  älterer  Zeit 
und  in  anderer  Beziehung  vorführen,  als  die  bisher  bekannten,  und 
welche  von  denjenigen,  die  sich  mit  diesem  Gegenstand  beschäftigen, 
nicht  übersehen  werden  dürfen. 

Eine  Gruppe  spanischer  Inschriften^  bedient  sich  einer  Zeit- 
rechnung, welche  einmal  als  aer(a)  co(n)s(uhim)^,  einmal  als  aera'^, 
häufiger  mit  cos.  oder  cöws.  *,  also  mit  consulum  (wobei  aera  wohl 
hinzuzudenken  ist)  bezeichnet  wird,  immer  mit  darauf  folgender  Jahr- 
zahl; auf  den  uns  erhaltenen  Steinen  ist  die  niedrigste  Ziffer  CCCXYI, 
die  höchste  CCCCXXCII^.  Ihrem  Fundort  nach  gehören  die  In- 
schriften der  Mehrzahl  nach  der  Landschaft  Asturien,  eine  einzige^ 
Cantabrien  an;   das  übrige  Spanien  kennt  diese  Jahrzählung  nichts 


*)  [Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  18 
(1893)  S.  271—273.] 

1)  Zusammengestellt,  jedoch  nicht  ohne  Fehler,  von  E.  Hübner  in  dem 
Supplementband  II.  des  Corpus  inscriptionum  Latinarum  p.  1112,  vgl.  praef. 
p.  LXXXVIII. 

2)  C.  I.  L.  II,  S.  5683  (sicherer  Lesung) :  .  .  .  Fla(i-io)  Avito  Sup  .  .  .  Sup  .  .  . 
an(norum)  LXI.  Sem(pronia?)  Pla(dda  ?)  p(atri?)  pientissim(o) pos(uit)  aer(a)  co(n)- 
s(ulum)  CCCLXllI.     S(it)  t(erra)  l(ems). 

3)  C.  I.  L.  II,  S.  5744  (sicherer  Lesung) :  posuit  Severa  matri  suae  Dovidenae 
annorum  LV  aera  CCCCLXXIV. 

4)  C.  I.  L.  II,  S.  5752:  cos.  CCCXVI;  das.  2714  =  5732  (sicherer  Lesung): 
COS.  CCCXXIIX;  das.  2713:  cos.  CCCXXXIIX;  das.  2918:  cons.  CCCG;  das.  5738: 
c.  CCCGXXCIL 

5)  Die  Inschrift  C.  I.  L.  II,  2707  =  5729  angeblich  mit  [er]ae  CL  .  .  .  ist 
in  Lesung  und  Ergänzung  völlig  unsicher. 

6)  C.  I.  L.  II,  2918  aus  der  Gegend  von  Bilbao. 

7)  Von  der  Inschrift  n.  5683,  jetzt  im  Museum  von  Leon,  ist  der  Fundort 
unbekannt.     Die    Inschrift  n.  2833,  angeblich  schliessend  mit  anno  COLI,  ist 


360  Aera. 

Die  Steine,  sämmtlich  einfache  Grabschriften  mit  Datierung,  ergeben 
anderweitige  feste  chronologische  Anhaltspunkte  nicht;  indess  können 
sie,  da  einerseits  der  Geschlechtsname  der  Flavier  mehrfach  auftritt, 
andrerseits  jede  Spur  des  Christenthums  mangelt,  mit  Sicherheit  dem 
2.  und  3.,  allenfalls  noch  der  ersten  Hälfte  des  4.  Jahrh.  unserer 
Zeitrechnung  zugetheilt  werden. 
272  Der  Ausgangspunkt  dieser  spanischen  Jahrzählung  kann,  da  sie 

sich  selbst  als  'consularische'  bezeichnet,  nur  dasjenige  Jahr  sein,  in 
welchem  die  römische  Republik  ihre  Herrschaft  auf  dies  Gebiet  er- 
streckt hat.  Bezieht  man  dies  auf  das  Eintreten  der  Römer  in  die 
iberische  Halbinsel  535  d.  St.,  219  v.  Chr.,  so  fällt  die  älteste  vom 
J.  316  datierte  Inschrift  in  das  J.  97,  die  jüngste  vom  J.  481  in  das 
J,  263  n.  Chr.,  und  vor  diese  Ziffern  wenigstens  kann  man  nicht 
zurückgehen.  Aber  da  diese  Inschriften  nicht  in  Spanien  allgemein, 
auch  nicht  allgemein  in  der  tarraconensischen  Provinz  auftreten, 
sondern  lediglich  in  dem  von  der  übrigen  Halbinsel  durch  hohe  Ge- 
birge getrennten  asturisch-cantabrischen  Küstensaum,  so  wird  wahr- 
scheinlich die  Aera  auf  die  Unterwerfung  dieses  Theilgebiets  zu  be- 
ziehen sein,  ebenso  wie  die  in  dem  östlichen  Theil  der  Provinz  Asia 
gebräuchliche  Jahrzählung  auf  die  durch  Sulla  bewirkte  Yergrösserung 
der  Provinz  zurückgeht.  Aber  an  den  Krieg,  durch  welchen  Augustus 
in  den  J.  728.  729  =  v.  Chr.  26.  25  diese  Landschaften  definitiv  zum 
Reiche  brachte,  kann  unmöglich  gedacht  werden,  da  alsdann  die 
älteste  jener  Inschriften  in  291,  die  jüngste  in  457  n.  Chr.  fallen 
würde.  VermuthUch  ist  die  Herrschaft  der  Römer  über  die  asturisch- 
cantabrische  Küste  nominell  in  der  Epoche  zwischen  dem  hanni- 
balischen  Krieg  und  Augustus  proclamiert  und  sind  danach  später 
hier  die  'Consuljahre'  gezählt  worden;  füglich  könnte  man  an  das 
Jahr  616  d.  St.  =  138  v.  Chr.  denken,  in  dem  D.  Junius  Brutus  die 
römische  Herrschaft  bis  zum  atlantischen  Meer  erstreckte  und  sich 
den  Beinamen  des  Galliciers  (Callaecus)  gewann;  damit  würde  man 
für  die  Inschriften  auf  die  Zeitgrenze  179 — 345  n.  Chr.  gelangen. 
Indess  bestimmten  Aufschluß  können  nur  weitere  Funde  geben. 

Entschieden  aber  wird  durch  diese  relativ  alten  Zeugnisse  ein- 
mal, dass  die  Schreibung  des  Wortes  mit  dem  Diphthong  die  richtige 
ist,  wie  sie  denn  auch  durch  die  Isidorische  Etymologie  gefordert 
wird  ^;  dass  die  handschriftlichen  wie  die  inschriftlichen  Texte  der 
Spätzeit  weder  dafür  noch  dagegen  beweisen,  versteht  sich  von  selbst. 

nicht  bloss  ganz  unsicherer  Lesung,  sondern  auch  schon  nach  dem  Fundort  —  sie 
stammt  aus  der  Gegend  von  Soria  —  durchaus  von  dieser  Gruppe   zu  sondern.  | 
1)  Isidor  etym.  5,  36,  4 :  dieta  aera  ex  eo,  quod  omnis  orbis  aes  reddere  pro- 
fessus  est  rei  publicae.    Ebenso  de  nat.  rer.  6. 


Aera.  361 

Zweitens  wird  die  immer  noch  vorgebrachte  Hypothese,  dass 
das  Wort  gothischen  Ursprungs  und  unserem  'Jahr'  stammverwandt 
sei  ^,  nun  definitiv  zu  den  Acten  gelegt  werden  können.  Da  auch  die 
Herleitung  des  Wortes  aus  dem  Lateinischen  philologisch  unmöglich 
ist 2,  so  werden  wir  in  dem  zuerst  in  Asturien  auftretenden  Worte 
wohl  ein  einheimisches  iberisches  zu  erkennen  haben,  das  in  das  273 
Lateinische  übergegangen  ist  ähnlich  wie  acnua  und  arepennis. 
Schon  in  diesem  ältesten  Kreise  tritt  die  Bedeutung  Jahr  so  ent- 
schieden hervor,  dass  davon  wohl  auszugehen  ist  und  die  spätere 
Verwendung  für  andere  Zeit-^  und  selbst  für  Buchabschnitte*  ver- 
muthlich  als  secundäre  anzusehen  sein  wird. 

Die  Frage  über  die  Entstehung  der  mit  dem  J.  38  vor  Chr. 
anhebenden  aera  domini  wird  durch  das  Auftauchen  der  älteren  aera 
consulum  nicht  weiter  berührt;  mir  scheint  Hellers  Annahme,  dass 
jene  aus  dem  84  jährigen  Cyclus  hervorgegangen  ist^,  alle  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich  zu  haben. 


1)  Ideler,  Chronologie  2,430.     Grotefend,   Handbuch  der  hist.  Chronologie 
S.23f.     Krusch,  Studien  S.  143. 

2)  Angenommen  wird  sie  von  Heller  in  Sybels  histor.  Ztschr.  31,  31. 

3)  Krusch,  Studien  S.  143  [Ritterling,  Rhein.  Mus.  N.  F.  59  (1904)  S.  56  ff.]. 

4)  Brunner,  Rechtsgesch.  1,  330  [2.  Aufl.  S.  482]. 

5)  A.  a.  0.  S.  24. 


XX. 

Ostffothische  Studien.*) 


"ö' 


225  Die  hier  zusammengestellten  Abhandlungen  sollen,  soweit  es  in 

massigen  Grenzen  ausführbar  ist,  die  wichtigeren  staatlichen  Ord- 
nungen darlegen,  welche  in  Itahen  und  den  damals  dazu  gehörenden 
Gebieten  unter  den  germanischen  Königen  von  dem  Auftreten  Odo- 
vacars  im  J.  476  bis  zu  der  Gefangennahme  des  Witiges  im  J.  540 
gegolten  haben  und  nicht  einfach  als  Fortsetzung  der  früheren  Ver- 
hältnisse sich  darstellen.  Diese  Länder  haben  damals  nicht  weniger 
einen  Bestandtheil  des  römischen  Reiches  gebildet  wie  nachher  unter 
lustinian  und  zum  Theil  auch  unter  seinen  Nachfolgern,  und  was 
von  germanischen  Institutionen  sich  daselbst  vorfindet,  muss  inner- 
halb dieses  Rahmens  erwogen  werden.  Ueber  das  Princip  wird  unter 
Einsichtigen  heutzutage  kaum  ein  Streit  sein;  aber  die  Consequenzen 
sind  keineswegs  in  vollem  Umfang  gezogen.  Man  giebt  wohl  zu, 
dass  die  Consuln  von  Byzanz  auch  für  den  Westen  ernannt  werden; 
aber  die  Millena  bleibt  die  germanische  Tausendschaar,  die  Tuition 
die  germanische  Mundschaft.  Die  einzelnen  in  der  Ueberlieferung, 
namentlich  den  Väriae  Cassiodors  uns  entgegentretenden  Institute 
auf  ihren  römischen  Zusammenhang  zu  prüfen  wird  in  doppelter 
Hinsicht  nicht  überflüssig  sein.  Dem  römischen  Forscher  bietet 
diese  letzte  Periode  der  Römerherrschaft  im  lateinischen  Europa 
manche  alte  Bildungen  unter  verändertem  Namen,  auch  einzelne 
wirklich  neue  Institutionen,  die  man  allzu  wenig  bemüht  gewesen  ist 
in  ihrem  Anschluss  oder  in  ihrer  Eigenart  zu  verfolgen.  Auch  der 
Germanist  ferner  ,wird  wenigstens  principiell  einräumen,  dass  bei 
jeder  Einrichtung  dieser  Epoche  zunächst  nach  ihrer  Stellung  zu 
der  römischen  Organisation  gefragt  werden  sollte.    Ich  mache  nicht 

*)  [Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde  14 
(1889)  S.  225—249.  453-544.    Nachträge  ebd.  15  (1890)  S.  181  —  186.] 


Ostgothische  Studien.  363 

den  Anspruch  schwierige  und  vielbestrittene  Probleme  des  deutschen 
Alterthums  zu  lösen;  ich  will  nur  zu  zeigen  versuchen,  was  in  dem 
bezeichneten  Kreise  römisch  oder  nicht  römisch  ist. 


226 


Die  Consulardatirung  des  getheilten  Reiches. 

Zu  den  wenigen  Institutionen,  welche  im  römischen  Staat  bei 
getrenntem  obersten  Regiment  den  Reichstheilen  gemeinschaftlich 
blieben,  gehört  das  Consulat  und  die  von  demselben  abhängige 
officielle  Jahresbezeichnung.  Für  die  gegenseitige  Stellung  der 
wesentlich  von  einander  unabhängigen  coordinirten  Regierungen  so 
wie  für  diejenige  des  italischen  Königthums  zu  der  kaiserlichen  Re- 
gierung von  Constantinopel  ist  die  Harmonie  wie  die  Differenz  der 
Jahresdatirung  ein  wichtiger  Messer,  und  es  sollen,  im  Anschluss  an 
die  bahnbrechenden  Untersuchungen  Giambattista  de  Rossis^,  diese 
Beziehungen  hier  dargelegt  werden. 

Welche  Rückwirkung  die  verschiedenen  Reichstheilungen  auf 
die  gemeinschaftlich  bleibenden  Institute,  insbesondere  die  Gesetz- 
gebung und  die  Consulardatirung  ausgeübt  haben,  tritt  in  unserer 
geringhaltigen  Ueb erliefe rung  wenig  hervor.  Zu  unterscheiden  ist 
in  Beziehung  auf  die  letztere  die  Ernennung  der  Consuln  und  die 
Publica  tion. 

Die  Consuln  sind,  so  lange  sie  bestanden  haben,  immer  Beamte 
des  Gesammtreichs  geblieben;  während  alle  übrigen  Beamten  für 
einen  engeren  Sprengel  bestellt  sind,  hat  es  im  Rechtssinn  nie  weder 
einen  Consul  für  den  Orient  noch  einen  Consul  für  den  Occident 
gegeben,  sondern  nur  Consuln  für  das  Gesammtreich.  Wenn  dies 
einem  einzigen  Kaiser  gehorchte,  ernannte  dieser  beide  Consuln;  bei 
coordinirten  Kaisergewalten  muss  die  Ernennung  entweder  einem 
von  ihnen  als  Präcipualrecht  zugewiesen  oder  Alternirung  oder  auch 


1)  Insbesondere  kommt  hier  in  Betracht  dessen  zusammenfassende  Aus- 
einandersetzung in  den  Inscr.  Christ,  urbis  Bomae  I  (1861)  p.  XXV  ff.  Meine 
Untersuchung  bezweckt  die  principiellen  Normen  von  dem  massenhaften  Detail 
befreit  zu  entwickeln.  Die  mit  umfassendster  Kenntniss  und  mit  unvergleichlichem 
Scharfsinn  von  Rossi  gefundenen  Ergebnisse  sind  durchgängig  von  den  späteren 
Forschern,  insbesondere  von  Binding  (in  seiner  sorgfältigen  Zusammenstellung 
der  burgundischen  Jahresbezeichnungen:  Burg.-roman.  Königreich  I,  309  ff.) 
acceptirt  worden  und  auch  ich  habe  bei  eingehender  Prüfung  Veranlassung  von 
ihnen  abzuweichen  nur  in  wenigen  Punkten,  wohl  aber  manches  zu  ergänzen 
gefunden. 


364  Ostgothieche  Studien. 

Theilung  und  Cooperirung  dabei  eingetreten  sein^.  Festsetzungen 
darüber  werden  schon  für  die  Epoche  des  ungetheilten  Reiches  ge- 
troffen worden  sein,  seitdem  Kaiser  Marcus  die  höchste  Stelle  der 
CoUegialität  geöffnet  hatte;  sie  können  noch  weniger  gefehlt  haben, 
als  Diocletianus  den  Maximianus  sich  beigesellte,  als  die  drei  Söhne 
227  Constantins  das  väterliche  Kaiserreich  unter  sich  theilten,  als  Valen- 
tinian  dem  Bruder,  Theodosius  seinen  Söhnen  die  Gebiete  zuschied 
und  mögen  im  einzelnen  Fall  in  sehr  verschiedener  Weise  ausgefallen 
sein.  Gemeldet  wird  über  dieselben  nichts,  und  es  ist  dies  nicht 
Zufall;  es  sind  dies  Abmachungen  unter  den  coordinirten  Herrschern,, 
welche  dem  Publikum  zwar  nicht  verborgen  bleiben  konnten,  aber 
ihm  gegenüber  nicht  eingestanden  wurden:  die  Ernennung  unterschied 
nicht  zwischen  den  Augusti,  sondern  erfolgte  im  Namen  aller.  Im 
Besonderen  ersehen  wir,  dass  die  Consuln  für  das  J.  351  beide  von 
Magnentius  in  Rom  ernannt  wurden  und  im  Herrschaftsgebiet  des 
Constantius,  da  er  diese  Ernennungen  nicht  anerkannte,  das  ganze 
Jahr  postconsularisch  datirt  ward;  was  nur  verständlich  ist  unter  der 
Voraussetzung,  dass  die  Bestellung  beider  Consuln  für  dieses  Jahri 
von  Rechtswegen  dem  Westen  zukam.  Für  379  sind  beide  von 
Kaiser  Gratianus  ernannt  worden  2;  es  kann  die  exceptionelle  Lage» 
des  Reiches  —  diese  Ernennung  erfolgte  nach  der  Katastrophe  des 
Valens  und  vor  der  Ernennung  des  Theodosius  und  der  nominelle ^ 
Herrscher  des  Westens  war  damals  ein  Kind  —  dabei  eingewirkt 
haben,  aber  es  ist  ebenso  möglich,  dass  dem  Gratian,  damals  dem 
älteren  Kaiser,  nach  den  bestehenden  Abmachungen  die  Ernennung 
beider  Consuln  für  dieses  Jahr  oder  auch  überhaupt  zukam.  Nicht 
lange  darauf  finden  wir,  vielleicht  nach  Theodosius  Anordnung,  die 
Ernennung  getheilt:  für  das  Jahr  399  ist  der  eine  Consul  von  dei 
östlichen,  der  andere  von  der  westlichen  Regierung  creirt  worden' 


1)  Principiell  würde  das  Wesen  der  CoUegialität  auf  Doppelernennung  mi 
gegenseitigem  Veto  fuhren;  aber  schwerlich  ist  diese  Consequenz  für  den  Prinj 
cipat  gezogen  worden.    Vgl.  Staatsrecht  2*,  1170. 

2)  Ausonius  grat.  act.  3,  13.  9,  43.  12,  55.  57:  cum  prior  renuntiatus  sinj 
satis  est  tuum  tenere  iudicium;  carm.  3,  37:  prior  indeptus  fasces  Latiamque  cwuleii 
consul  collega  posterim'e  fui.  Priorität  fordert  Renuntiation  durch  dieselbe  Stell«  1 
Vgl.  Staatsrecht  2»,  90.  I 

3)  Dass  von  den  beiden  Consuln  dieses  Jahres  Eutropius  von  Arcadius  ej 
nannt  und  von  Honorius  und  Stilicho  nicht  anerkannt  ward,  ist  bekannt.  D< 
zweite  Consul  Theodorus  gehört  nicht  bloss  dem  Westen  an,  sondern  verdanlj 
auch  seine  Ernennung  den  Machthabem  desselben  (Claudian  de  Theodori  conj 
256  ff.). 


Ostgothische  Studien.  365 

und  es  muss  dies  damals  das  regelmässige  Verfahren  gewesen  sein  ^. 
Dass  von  da  an  die  Ernennung  regelmässig  durch  Cooperation  der 
beiden  Reiche  vollzogen  worden  ist,  steht  vollkommen  fest;  auf  die 
allerdings  zahlreichen  Ausnahmen  werden  wir  weiterhin  zurück- 
kommen. 

Verschieden  von   der  Ernennung  ist  die  Publication.     Sie  kann 
nicht   anders    erfolgt  sein  als  durch  Erlasse   der  Regierung  an   die 
höchsten  Reichsbeamten  und  wohl  auch  an  das  Publicum  im  Wege 
des  Edicts^;  bei  getheilter  höchster  Gewalt  muss  sie  nothwendig  in  22S 
jedem   Reichstheil    von    dessen   Regierung    vorgenommen    oder    an- 
geordnet worden  sein^.     Davon  zeigen  sich  auch  die   Spuren.     Als 
im  J.  392  in  Rom  Eugenius  zum  Kaiser  ausgerufen  ward,  nahm  er, 
dem  Kaiserrecht  gemäss,  das   Consulat  für   393   in  Anspruch,    das 
natürlich  im  Ostreich  so  wenig  wie  sein  Kaiserthum  selbst  anerkannt 
wurde.     Von   den   eben   erwähnten  Consuln   des  J.  399   ist  der  des 
Ostens  Eutropius,  der  Gegner  Stilichos,  im  Westen  als  Consul  nicht 
anerkannt,   sein  Name  hier   nachweislich  schon  bei  der  Publication 
unterdrückt  worden*.    Wie  die  Ernennung  auch  geordnet  war,  immer 
konnte  jede  Regierung  sich  weigern  ihr  so,  wie   die  andere  es  for- 
derte,  Folge  zu  geben,   und  wenn  sie   dazu   schritt,   bestimmte   sie 
i  natürlich   zugleich,    was   dafür    eintreten    sollte;    wie    denn    in    dem 
1   ersten   Falle    der    Osten    dem   Eugenius   einen  anderen  Consul   sub- 
i  stituirte,    im  zweiten  die  Machthaber  des  Westens  nur  einen  Consul 
j  publicirten.     Differenzen  in  dieser  Hinsicht  begegnen  auch,  wo  kein 
Conflict   zu   Grunde    liegt.     Nachdem   der  für  413   in  Aussicht   ge- 
j  nommene  Consul  Heraclianus  sich  gegen  die  Regierung   des  West- 
'  reichs  aufgelehnt  hatte,  wurde  im  Occident  die  Publication  auch  des 

1)  Darauf  führt  besonders  Claudians  Vergleichung  der  Consulernennung 
mit  der  Sendung  zweier  blitzbewalFneter  Adler  ah  eois  oceiduisque  plagis  (praef. 
de  consulatu  Theodori  11  ff.). 

2)  Die  Meldungen  der  neuen  Consuln  erfolgten  durch  herumgeschickte  kaiser- 
liche Boten  (C.  Th.  8,  11,  1.     C.  Tust.  12,  63,  2). 

3)  Einen  merkwürdigen  Beleg  für  die  ungleichzeitige  Publication  der  neuen 
Consulate  in  den  verschiedenen  Sprengein  derselben  Reichshälfte  geben  die 
Verordnungen  des  Jahres  382:  alle  orientalischen  und  alle  italischen  haben  die 
Consuln  dieses  Jahres  von  Anfang  an,  aber  zwei  africanische  vom  März  und 
April  (C.  Th.  11,  16,  13.  12,  12,  8)  und  eine  illyrische  (C.  Th.  12,  1,  89)  vom  Juli 
datiren  nach  dem  Postconsulat;  in  diesen  Provinzen  also  hatte  sich  die  Publi- 
cation der  Consuln  bis  dahin  verzögert. 

4)  Claudian  de  cons.  Theodori  266:  non  hie  violata  curulis,  turpia  non  Latios 
incestant  nomina  fastos;  de  cons.  Stilich.  2,  301 :  quaecumque  profana  pagina  de 
primo  venisset  limine  Phoebi,  ante  fretum  deleta  mihi,  ne  turpia  castis  auribus 
Italiae  fastarum  exempla  nocerent. 


366  Ostgothische  Studien. 

anderen  Consuls  unterlassen  oder  zurückgenommen  und  also  dort 
postconsularisch  datirt^,  im  Orient  dagegen  das  Jahr  nach  dem 
andern  Consul  allein  benannt. 

Aber  die  nothwendige  rechtliche  Selbständigkeit  der  Publication 
in  jeder  Reichshälfte  schliesst  nicht  aus,  dass  dabei  möglichste  Con- 
formität  angestrebt  ward;  im  Gegentheil  lag  es  im  Wesen  des  In- 
stituts die  Consulpaare  in  jedem  Reiche  gleichmässig  zu  ordnen. 
Bei  ungetheilter  Ernennung  ergab  sich  dies  von  selbst;  aber  auch 
bei  getheilter  Ernennung  ist  die  paarweise  Publication  noch  längere 
Zeit  festgehalten  worden,  hat  man  die  des  im  eigenen  Reich  in  Aus- 
sicht genommenen  Consuls  so  lange  unterlassen,  bis  auch  der  andere 
229  Name  eingegangen  war  und  hinzugefügt  werden  konnte.  Yerzögerte 
sich  die  Publication  des  neuen  Consulpaars  über  den  Jahresanfang 
hinaus,  so  datirte  man  bis  weiter  nach  dem  alten  postconsularischi 
Es  muss  dies  bis  zum  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts  geschehei 
sein.  Durch  das  gesammte  vierte  Jahrhundert  hindurch  treten  die'^ 
Consuln  in  allen  massgebenden  Documenten  paarweise  auf  und 
können  die  relativ  seltenen  Datirungen  nach  einem  einzelnen  Consul 
ohne  Bedenken  auf  nachlässige  Verkürzung  zurückgeführt  werden. 
Die  Paare  treten  ferner  in  der  gesammten  Ueberlieferung  in  der 
gleichen  Folge  auf,  ohne  dass  hierin  ein  Schwanken  wahrgenommen 
wird.  Von  der  letzteren  Regel  macht  allerdings  eine  Ausnahme  das 
Jahr  381:  von  dessen  beiden  Consuln  Syagrius  und  Eucherius  steht 
in  den  Verordnungen,  Inschriften  und  Listen  mit  verschwindenden 
Ausnahmen  im  Westen  der  erste  2,  im  Osten  der  zweite  an  erster 
Stelle^.  Diese  Wahrnehmung,  namentlich  verglichen  mit  dem  weiter-l 
hin  zu  entwickelnden  gegensätzlichen  Verhalten  der  Datirung  desi 
fünften  Jahrhunderts,  fordert  als  Regel  für  das  vierte  die  paarweise { 
Publication;  die  successive  würde,  wäre  sie  schon  damals  üblich  ge-j 

1)  Die  beiden  Lucio  v.  c.  consule  datirten  occidentalischen  Verordnunger 
C.  Th.  6,  26,  16.  11,  27,  7  sind  ohne  Zweifel  nach  dem  später  in  den  Fasten  auclj 
des  Occidents  recipirten  orientalischen  Schema  corrigirt.  [ 

2)  Diese  Folge  haben  von  den  16  weströmischen  Verordnungen,  die  del 
Theodosische  Codex  aus  diesem  Jahre  aufführt,  13  (abweichend  C.  Th.  15,  7,  61 
7.  9)  und  ebenso  die  S.  365  A.  3  angeführten  drei  vom  J.  382  mit  dem  Postl 
consulat;  ferner  die  Acten  des  Concils  von  Aquileia;  desgleichen  alle  Consularj 
tafeln  des  Westens  (fortgesetzte  Ostertafel  des  Chronographen  von  354;  posf 
hieronymische  Consularliste;  Prosper  mit  seinen  Ausschreibern;  Idacius)  unj 
sämmtliche  lateinische  Inschriften  (Rossi  I  p.  598).  I 

3)  Dies  gilt  unter  den  24  oströmischen  Verordnungen  des  Theodosische  | ; 
Codex  von  21  (abweichend  11,  39,  8.   16,  5,  8.    16,  7,  1),  von  den  Acten  des  Conci) 
von  Kalchedon  (daraus  Sokrates  bist.  eccl.  5,  8)  und  von  den  östlichen  Listen  de 
Marcellinus  und  der  Florentiner;  abweichend  ist  nur  die  Paschalchronik. 


Ostgothische  Studien.  367 

wesen,  sicher  auch  hier  ihre  Spuren  hinterlassen  haben.  Davon  ist 
auch  im  Jahre  381  nicht  abgewichen,  sondern  nur  bei  der  PubHcation 
in  jedem  Reich  eine  verschiedene  Ordnung  befolgt  worden,  wahr- 
scheinlich weil  über  die  Rangstellung  der  beiden  Consuln  eine 
Einigung  nicht  erreicht  werden  konnte. 

Diese  Verbindung  der  Publication  des  Consuls  eigener  und  des 
Consuls  fremder  Ernennung  ist  späterhin  aufgegeben  und  das  ent- 
gegengesetzte System  der  successiven  Yeröffentlichung  erst  des  selbst 
ernannten  und  dann  des  aus  dem  andern  Reich  gemeldeten  Consuls 
an  die  Stelle  gesetzt  worden.  Gemeldet  wird  uns  darüber  nichts; 
aber  die  weiterhin  entwickelten  Besonderheiten  der  Consulardaten 
des  fünften  Jahrhunderts,  die  damit  eintretende  officielle  Hinweisung 
auf  die  Nuntiation,  die  häufige  und  nicht  mehr  durch  blosse  Nach- 
lässigkeit zu  erklärende  Datirung  nach  Einzelconsulaten ,  und  zwar  230 
anderer  im  Westen  und  anderer  im  Osten,  endlich  die  bald  hinzu- 
tretende ständige  Ungleichheit  der  Folge  in  den  occidentalischen 
und  den  orientalischen  Listen  beweisen  die  plötzlich  hierin  ein- 
tretende Umgestaltung.  Nach  den  chronologischen  Anzeichen  werden 
wir  die  Ersetzung  der  paarweisen  Publication  der  Consuln  durch  die 
successive  auf  den  tiefen  Riss  zurückführen  dürfen,  der  in  Stilichos 
Zeit  zwischen  den  beiden  Reichshälften  eintrat.  Eines  Staatsvertrages 
bedurfte  es  dazu  nicht,  da  die  Befugniss  zu  solchem  Verfahren  aus 
der  rechtlichen  Selbständigkeit  der  Publicationen  abgeleitet  werden 
konnte;  aber  sie  ist  allerdings  ein  politisches  Ereigniss,  eine  Lösung 
fast  des  letzten  noch  festgehaltenen  Rests  der  ehemaligen  Reichs- 
einheit. 

Die  Ausschliessung  des  Eunuchen  Eutropius  von  der  Publication 
für  399  im  Westen,  obwohl  an  sich  eine  rein  personale  Maassregel, 
hat,  wie  dies  Rossi  richtig  erkannt  hat,  diese  Umgestaltung  der  con- 
sularischen  Publication  zunächst  herbeigeführt.  Wahrscheinlich  hat 
.  schon  für  die  beiden  Folgejahre  400^  und  4012  dieselbe  wenigstens 
im  Occident  successiv  stattgefunden.  Sicher  ist  dies  im  J.  404  in 
beiden  Reichen  geschehen:  Prosper  hat  in  seiner  Chronik  nach  dem 
nicht  interpolirten  Text  nur  Honorius  cos.  VI  aufgeführt,  Rom  also 

1)  Dass  die  zaWreichen  stadtrömischen  Grabschriffcen  dieses  Jahres  (Rossi 
n.  484 — 493)  nur  den  Consul  Stilicho  nennen,  nicht  den  orientalischen  Consul 
Aurelianus,  lässt  kaum  eine  andere  Auffassung  zu,  als  dass  dieser  nicht  gleich- 
zeitig mit  jenem  publicirt  ward. 

2)  Da  zwei  Grabschriften  dieses  Jahres  vom  11.  Jan.  und  11.  Febr.  (Rossi 
494.  495)  nur  den  Consul  Vincentius  nennen,  vier  spätere  von  Febr./März  bis 
Sept.  (Rossi  496.  497.  499.  500)  daneben  den  Fravitta,  so  sind  wahrscheinlich 
auch  diese  beiden  Consuln  nicht  gleichzeitig  in  Rom   zur  Publication   gelangt. 


368  Ostgothische  Studien. 

zu  Anfang  des  Jahres  den  Consul  des  Ostens  nicht  gekannt^;  um- 
gekehrt erklärt  Synesios  in  einem  in  demselben  Jahre  in  Kyrene 
231  geschriebenen  Brief  nur  den  Namen  des  Consuls  Aristaenetus  zu 
kennen  2.  Erweislich  ist  ferner  successive  Publication  für  die  Consuln 
der  Jahre  414^,   416*  und  419^,  während  die   paarweise,    wie   wir 


1)  Wann  die  zweite  Publication  in  Rom  stattgefunden  hat,  steht  dahin. 
Die  zahlreichen  orientalischen  wie  occidentalischen  Verordnungen  des  Jahres, 
beginnend  im  Orient  mit  dem  29.  Jan.  (C.  Th.  16,4,  4),  im  Occident  mit  den» 
26.  Febr.  (C.  Th.  8,  5,  65),  nennen  beide  Consuln ;  ebenso  ein  Schreiben  des  Papstes 
Innocentius  vom  15.  Febr.  (JaiFe  286  =  concil.  Galliae  I,  307).  Dagegen  fehlt 
der  zweite  Consul  in  sämmtlichen  zahlreich  vorhandenen  stadtrömischen  Grab- 
schriften, Also  ist  entweder  in  allen  jenen  Urkunden  der  zweite  Consul  inter- 
polirt  oder  es  haben  ihn  die  römischen  Fossoren  trotz  der  Publication  beharrlich 
ignorirt.  Rossi  p.  XXXV  entscheidet  sich  für  die  erstere  Alternative ;  indess  ; 
ist  namentlich  bei  dem  Papstschreiben  Veranlassung  für  einen  derartigen  Nach- 
trag nicht  zu  erkennen.  Vielleicht  ist  die  zweite  Annahme  weniger  gewaltsam; 
dass  die  in  Rom  gangbare  Liste  den  Aristaenetus  nachzutragen  unterliesa, 
beweist  Prosper  und  es  ist  glaublich,  dass  die  Concipienten  der  Grabschriften 
von  dieser  abhängen. 

2)  Synesios  ep.  133:  x^^kg  xal  TiQwrjv  snl  twv  evayyog  vnäxwv,  wv  äreQÖg  iaziv 
'Agiazaivezog  (tov  yaQ  ovvdgxovra  äyyocöj,  xataaEorjfiaofisvrjv  ixofj,iodfiT]v  imoroX^v  zo 
oov  .  .  .  sniyEyQafifievriv  ovo/na ,  das  heisst  'ich  habe  kürzlich  einen  versiegelten 
Brief  empfangen',  nicht  'einen  kürzlich  versiegelten  Brief;  die  Zeitbezeichnung 
ist  hinzugesetzt,  um  dem  Freunde  die  Verspätung  seines  undatirten  Schreibens 
zu  erläutern. 

3)  Das  Schreiben  des  Papstes  Innocentius  vom  15.  December  (Jaffe  303  = 
Leonis  opp.  ed.  Ballerin.  3,  188)  und  zwei  occidentalische  Verordnungen  (C.  Th. 

2,  16,  3.  15,  7,  13)  nennen  nur  den  Constantius;  dass  in  den  übrigen  wenigstens 
des  Occidents  der  orientalische  Consul  Redactionszusatz  ist,  ist  hier  ausser 
Zweifel,  da  von  den  zusammengehörigen  Erlassen  C.  Th.  2,  16,  3.  4,  22,  6  nur 
der  zweite  ihn  hat.  Vgl.  Olympiodor  fr.  23 :  Kcovazävxiog  Sioiyvazog  ndXai  ysyovojg 
vjiazog  xazd  zrjv  'Pdßevvav  jigosg^szai,  fie&'  ov  xaxd  zrjv  Kcovozavzivovnokiv  vnaxsvei 
Kcövazag. 

4)  Eine  Verordnung  des  Orients  C.  Th.  6,  32,  1  vom  8.  Februar  416  ist  datirt 
Tlieodosio  Aug.  VII  et  qui  fuerit  nuntiatus;  drei  ältere  oströmische  6,  26,  17 
6,  27,  18.  7,  13,  21  nennen  dafür  den  Consul  des  Westens,  ohne  Zweifel  in  Folg( 
redactioneller  Correctur.  Der  ursprünglichen  Datirung  entsprechend  ist  eir 
Brief  des  römischen  Bischofs  Innocentius  vom  2.  Juni  416   (Jaffe  312    =   Maus; 

3,  1050)  datirt  lulio  Quarto  et  Palladio,  verschrieben  statt  lunio  Quarto  Pdlladio 
Die  Subscription  eines  früheren  Papstschreibens  vom  15.  März  (Jaffe  311  =  Leonii 
opp.  3,  198)  ist  verdorben  oder  interpolirt. 

5)  Drei  päpstliche  Schreiben  von  ganz  verschiedener  Ueberlieferung,  voni 
16.  Apr.  nach  Africa  (Jaffe  348  =  Mansi  4,  451),  vom  13.  Juni  nach  Galliei! 
(Jaffö  349  =  conc.  Gall.  1,  367)  und  vom  19.  Sept.  nach  Illyricum  (Jaffe  350  =| 
Mansi  8,  754)  sind  datirt  Monaxio  v.  c.  consule;  da  in  diesen  Urkunden  wil]küt| 
liehe  Verkürzung  der  Datirung  nicht  wohl  angenommen  werden  kann,  so  scheinl 


I 


Ostgothische  Studien.  369 

sehen  werden,  auch  späterhin  ausnahmsweise  vorkommende  Publi- 
cation  in  gleichem  Verhältniss  auch  während  der  beiden  ersten  De- 
cennien  des  fünften  Jahrhunderts  eingetreten  sein  mag.  Mit  dem 
J,  421  kommt  die  verschiedenzeitige  Publication  der  beiden  CoUegen 
äusserlich  zum  Vorschein,  indem  von  da  an  regelmässig  (von  den 
Ausnahmen  weiterhin)  in  den  Consularlisten  einer  jeden  Reichshälfte 
der  aus  dieser  hervorgegangene  Consul  an  erster  Stelle  steht. 

Förmlich  aufgegeben  freilich  ward  die  Gemeinschaftlichkeit  des 
Consulats  damit  nicht.  Die  Jahresbezeichnung  durch  einen  einzelnen 
Consul,  die  nach  der  älteren  Ordnung  nur  unter  exceptionellen  Ver- 
hältnissen vorkommen  konnte,  wurde  durch  die  neue  sehr  nahe  ge- 
legt; dennoch  erkennen  wir  deutlich,  dass  man  es  zu  dieser  dem 
Wesen  der  Institution  zuwiderlaufenden  Consequenz  nicht  kommen 
lassen  wollte.  In  der  legalen  Datirung  ist  dies  in  der  That  bis  zum  232 
Zusammenbruch  des  Westreichs  mit  wenigen  Ausnahmen  vermieden 
worden.  Auch  ferner  wird  jeder  Consul  in  jedem  Reichstheil  publi- 
cirt;  auch  ferner  setzt  sich  die  officielle  Jahresbezeichnung  in  jedem 
Reich  aus  beiden  Consuln  zusammen.  Es  stellt  sich  dafür  sogar 
eine  neue  Formel  ein:  hatte  man  bis  dahin  entweder  consularisch 
oder  bei  dem  Verspäten  oder  Unterbleiben  der  Publication  des 
neuen  Consulpaares  postconsularisch  datirt,  so  wurde  jetzt  für  den 
Zeitraum  zwischen  der  Publication  des  ersten  und  derjenigen  des 
zweiten  Consuls  die  Formel  aufgestellt  Ulo  consule  et  qui  de  Oriente 
'oder  de  Occidente)  fuerit  nuntiattis^  oder  gewöhnlich  bloss  et  qui 
fuerit    nuntiatus'^.      Die    Nuntiation    selbst,    die    officielle    Benach- 


auch  in  diesem  Jahr  zuerst  Monaxius  allein  in  Eom  publicirt  zu  sein.  Freilich 
-timmt  dazu  nicht  genau  die  römische  Grabschrift  vom  4.  Sept.  mit  beiden 
Consulnamen  Rossi  608  und  was  weiter  dort  angeführt  wird. 

1)  Diese  volle  Form  hat  die  Mailänder  Inschrift  vom  J.  439  CT.  L.  V,  6268 
[=  Dessau  1291];  et  qui  de  Oriente  die  Liste  des  Idacius  unter  den  J.  459.  461.  [Vgl. 
Chronica  minora  III  p.  533  z.  J.  452  und  die  Syrakusaner  Grabschrift  aus  dem- 
selben Jahr  (Orsi,  Rom.  Quartalschrift  1896  S.  49:  imaria'EQxovhavov  xal  ijrig  ajio 
nvaxoX^g  firjvv&rjoetm).  Die  Formel  de  Occidente  ist  bisher  nicht  bezeugt.  DESSAU.] 

2)  C.  Th.  6,  32,  1  vom  8.  Februar  416  (vgl.  S.  368  A.  4).  —  Ferner  vom  J.  480 
0.  Th.  10,  10,  34  —  vom  J.  431  C.  Th.  9,  45,  4,  wo  die  schlechteren  Handschriften 
den  fehlenden  Consul  interpoliren  —  vom  J.  435  C.  Th.  6,  28,  8.  16,  5,  66  —  vom 
J.  438  nov.  Theod.  II  1  —  vom  J.  447  nov.  Theod.  II  2  —  vom  J.  449  kaiserliches 
Schreiben  vom  15.  Mai  an  den  Dioskorus  Hänel  corp.  leg.  p.  252  —  vom  J.  451 
Concil  von  Kalchedon  mehrfach ;  kaiserliches  Schreiben  vom  23.  Mai  an  Anatolius 
H&nel  corp.  leg.  p.  251  =  Maassen  Quellen  des  canon.  Rechts  1,  328;  vom  18.  Dec. 
an  Leo  Mansi  8,  765  —  vom  J.  452  kaiserliche  Schreiben  vom  Jan.,  März,  Juni, 
Juli  Maassen  a.  a.  0.  1,  330.  331  —  vom  J.  459  Statthalterschreiben  vjiaxiag  <PA. 
HaxQixiov  tov  XafXJiQ.  xal  tov  örjkcoürjoof^evov  C.  L  Gr.  3467. 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  24 


370  Ostgothische  Studien. 

richtigung  des  Regenten  des  andern  Reichstheils  von  der  in  Aussicht 
genommenen  consularischen  Ernennung  war  nichts  Neues,  neu  aber 
ihr  Hervortreten  in  der  legalen  Datirung  und  ein  deutliches  Kenn- 
zeichen der  dabei  eingetretenen  organischen  Aenderung. 

Auch  die  officielle  Folge  der  beiden  Namen  ändert  sich  nicht. 
Diese  wird  im  Allgemeinen  durch  das  Rangverhältniss  bestimmt  und! 
wie  die  Kaiser  allen  übrigen  und  unter  den  Kaisern  die  älteren  den 
jüngeren  vorgehen,  wie  die  Prinzen,  Gratian  366,  Yalentinian  369, 
Honorius  386,  auch  wohl  Anastasius  517  und  lustinianus  521  den 
Yorrang  vor  den  Privaten  haben,  so  werden  diese  unter  sich  eben- 
falls nach  der  Rangordnung  gestellt  worden  sein.  Allerdings  be- 
stimmt, in  so  weit  die  Publication  paarweise  erfolgt,  die  dabei  be- 
obachtete Folge  den  Yorrang  (S.  364  A.  2),  aber  sicher  ist  durch 
diese  Folge  der  Regel  nach  nur  die  Rangfolge  zum  Ausdruck  ge- 
bracht worden,  wenn  gleich  einzeln  aus  persönlichen  Rücksichten 
davon  abgewichen  sein  mag.  Es  müsste  befremden,  wenn  in  Folge 
der  successiven  Publication  hievon  abgegangen  und  dem  frühei 
publicirten  Consul  der  Yorrang  eingeräumt  worden  wäre;  und  ei 
lässt  sich  auch  nachweisen,  dass  die  officiellen  Documente  einei 
233  derartigen  Yorrang  nicht  kennen.  Nicht  bloss  Kaiser  und  Prinzen! 
werden  in  den  Consulardaten  des  fünften  Jahrhunderts  regelmässigi 
nach  ihrem  Rangplatz  gestellt,  sondern  es  geschieht  dies  auch  bei| 
den  Privaten.  Für  die  Jahre  mit  nachweislich  successiver  Publi- 
cation besitzen  wir  kaiserliche  Urkunden  mit  doppelten  Consul- 1 
nameni  und  aus  beiden  Reichen ^  nur  von  421 3,  423*,  432  5,  442^. 

1)  Urkunden  mit  einfachen  Namen  beweisen  natürlich  niclits,  wie  zum 
Beispiel  im  J.  459  die  Verordnungen  Leos  nur  Patricius,  die  Maiorians  nui 
Ricimer  nennen. 

2)  Urkunden  der  einen  Reichshälfte  allein,  wie  von  434  die  des  Ostreichi 
mit  Areobinda  et  Aspare,  können  nichts  entscheiden. 

3)  Eustathio  (Osten)  et  Agricola  (Westen)  Verordnungen  des  Ostens  C.  Th 
16,  2,  45;  des  Westens  C.  Th.  2,  27, 1.  3,  16,  2.  4,  15, 1.  9,  42,  23.  10, 10,  29.  30. 

4)  Asdepioäoto  (Osten)  et  Mariniano  (Westen)  finden  sich  datirt  10  west 
römische,  22  oströmische  Verordnungen  des  Theodosischen  Codex. 

5)  Aetio  (Westen)  et  Valerio  (Osten)   sind  datirt  die  weströmische  Verord 
nung  C.  Th.  11,  2,  36  und  die  oströmische  6,  24,  11.    In  dieser  haben  zwar  unser 
Ausgaben  Valerio  et  Aetio,  aber  die  beste  Handschrift  schreibt  Attico  et  Valerik 
und  auch   der  Justinianische  Codex   12,17,2   hat,  ich  weiss  nicht  woher,  di 
richtige  Folge.  i 

6)  Dioscoro  (Westen)  et  Eudoxio  (Osten)  ist  datirt  die  Novelle  Valerj. 
tinians  III.  7,2,  post  consulatum  Dioscori  et  Eudoxii  die  des  Theodosius  22,  | 
Die  entgegenstehende  Folge  haben  freilich  die  VO.  des  Justinianischen  Codel; 
2,  7,  9.  3,  26, 11.  10,  30,  3.  10,  32,  60,  aber  diese  Subscriptionen  sind  alle  schleclj 
beglaubigt. 


Ostgothische  Studien.  371 

463^  und  465  2;  sie  alle  stimmen  in  der  Folge  der  beiden  Namen 
überein  und  beweisen  also,  dass  der  eigene  Consul  ebenso  wohl  an 
die  zweite  wie  an  die  erste  Stelle  kommen  konnte.  Die  entgegen- 
stehenden urkundlichen  Zeugnisse  sind  der  Zahl  nach  gering  und 
fast  alle  wenig  beglaubigt^. 

Die  hier  entwickelten  Normen  finden  sich  allerdings  nur  in  den 
Erlassen   der  beiden  Regierungen  in  vollem  Umfang   befolgt*;   die 
Jahresbezeichnung  schon  der  Erlasse  der  römischen  Bischöfe  so  wie  234 
die  in   den  Listen  und   den  Grabschriften   auftretende   entfernt  sich 
davon  erheblich. 

Für  die  in  der  Kanzlei  des  Bischofs  von  Rom  usuelle  Jahres- 
bezeichnung geben  die  namentlich  aus  der  Zeit  Leos  I.  (440—461) 

1)  Basilio  (Westen)  et  Viviano  (Osten)  ist,  allerdings  nur  nach  Haloanders 
Zeugniss,  datirt  die  oströmische  Verordnung  C.  lust.  2,  7,  12. 

2)  Den  Basiliscus  (Osten)  nennt  vor  Herminericus  (Westen)  nicht  bloss  die 
oströmische  Verordnung  cod.  lust.  1,  36,  1,  sondern  auch  die  römische  Synode 
(Thiel  epist.  pontif.  I  p.  159)  und  ein  Schreiben  des  römischen  Bischofs  Hilarus 
(das.  p.  165);  die  zweite  Novelle  des  weströmischen  Kaisers  Severus  kehrt  aller- 
dings die  Ordnung  um. 

3)  Vom  J.  448  Zenone  (Osten)  et  Postumiano  (Westen)  ist  datirt  die  ost- 
römische VO.  Cod.  lust.  1,  1,  2  nach  dem  Concilientext ,  umgekehrt  stehen  die 
Consuln  in  der  25.  Novelle  Valentinians  III.  —  Für  449  ist  die  Folge  Pivtogenes 
(Osten)  et  Asturius  (Westen)  für  das  Ostreich  durch  den  Justinianischen  Codex 
5,  14,  8.  5,  17,  8.  6,  52,  1  verhältnissmässig  gut  beglaubigt;  umgekehrt  die  nov. 
26.  27  Valentinians  III. 

4)  Freilich  ist  auch  bei  diesen  insoweit  Vorsicht  nöthig,  als  sie  der  Ueber- 
arbeitung  unterlegen  haben.  Dass  die  Subscriptionen  des  Theodosischen  und 
des  Justinianischen  Codex,  abgesehen  von  den  auch  hier  nicht  fehlenden  Schreiber- 
corruptelen,  von  den  Redactoren  überarbeitet  worden  sind,  ist  unbestritten  und 
unbestreitbar;  indess  zeigt  schon  die  Behandlung  des  et  qui  fiierit  nuntiatus 
(S.  369  A.  2) ,  dass  sie  keineswegs  principiell  das  effective  Datum  durch  das 
der  späteren  Schablone  ersetzen  wollten,  wenn  dies  auch  einige  Male  geschehen 
ist.  Auch  bei  den  nicht  durch  eine  solche  allgemeine  Redaction  gegangenen 
Erlassen  ist  wohl  hie  und  da  das  effective  Datum  nach  dem  späteren  Schema 
corrigirt  worden;  von  den  drei  zusammengehörenden  Papstschreiben  vom  28.  Jan. 
417  (JafFe  821.  322.  323)  ist  nach  der  Angabe  der  Ballerini  (Leonis  opp.  3  p.  140. 
149.  164)  bei  dem  zweiten  in  allen  und  in  den  schlechteren  Handschriften  auch 
bei  dem  ersten  und  dem  dritten  die  ursprüngliche  postconsularische  Datirung 
durch  die  consularische  ersetzt  worden.  Aber  im  Allgemeinen  sind  die  einzeln 
erhaltenen  Urkunden  von  Interpolationen  frei,  und  vor  allem  sind  dies  die 
Sammlungen  der  kaiserlichen  Novellen.  Diejenige  in  der  neunten  Novelle 
Maiorians,  die  dagegen  Rossi  wieder  und  wieder  (p.  XXXV.  350)  geltend  macht, 
ist  den  Handschriften  fremd;  erst  die  Herausgeber  haben  aus  dem  für  v.  c.  ver- 
schriebenen vaearüs  das  sinnlose  et  Clearcho  gemacht.  Für  die  Behauptung, 
dass  die  Urkunden  den  Grabschriften  nachzustehen  haben,  bedarf  es  anderer 
und  besserer  Beweise. 

24* 


372  Ostgothische  Studien. 

und  des  Hormisdas  (514 — 523)  zahlreich  vorhandenen   datirten  Ur- 
kunden   ein    verhältnissmässig    reichliches    und    wenig    verdorbenes 
Material.    Sie  entfernen  sich  wesentlich  von  der  officiellen  Datirungs- 
form.     Die  in  den  Regierungserlassen  ständige  Formel  zur  Bezeich- 
nung der  einseitigen  Publication  et  qui  fuerit  nuntiatus  hat  sich  in 
keinem   Papstschreiben  gefunden.     Diejenigen  Jahre,   welche  nach 
allgemeiner    Ordnung    mit    Consulpaaren    ohne    Stellenwechsel    be- 
zeichnet werden,   haben   auch  hier  den  doppelten  Consul,  wie   sich 
dies  für  die  Jahre  422.  428.  429.  430.  433.  435.  437.  443.  445.  446. 
450.  454.  457.  476.  488.   494.   530  nachweisen  lässt.     Wo   dagegen 
ein  privater  Consul  des  Westens  und  ein  privater  Consul  des  Ostens 
neben  einander  fungiren,  steht  der  erstere  entweder  am  ersten  Platz, 
wie  in  den  Jahren  431.  432.  447.  448  (wo  Leo  am  1.  März  allein  den 
Postumianus,  am  1 .  Juni  Postumianus  und  Zeno  nennt)  449.  460.  465, 
oder  allein,  was  der  Fall  ist  in  den  Jahren  451.  452.  453.  455.  459. 
462.  463  und   von  482   an   ohne  Ausnahme.     Die   allein   entgegen- 
stehende Urkunde  vom  J.  501  Avieno   et  Pompeio  cos.  ist  jetzt   an-; 
erkannt  als  gefälscht^.    Voranstellung  des  privaten  Consuls  aus  de 
Ostreich  finde   ich  nur  in   einem  einzigen  Fall:    im  J.  465    schreibt 
Bischof  Hilarus  Basilisco  et  Hermanarico  vv.  cc.  consuUbus   (S.  371 
235  A.  1),    ohne   Zweifel  weil  jener  Schwager   des   Kaisers  Leo   schon 
damals  mehr  war    als   ein  Privater.     Unmöglich    kann    in    all    den 
Jahren,  welche  in  den  Papstbriefen  nur  durch  einen  einzigen  Consul 
bezeichnet  werden,   während  diesem  in  der  That   ein   anderer  zur 
Seite  steht,   die   zweite  Publication  unterblieben  sein;   deutlich   er- 
kennt man  hier  vielmehr,    dass  die  usuelle  Datirung  sich  bald  von 
dieser  wesentlich  emancipirte  und  das  Jahr  lediglich  nach  der  erster 
Eintragung  benannte.    Es  darf  darum  auch  in  der  auffallenden  That- 
sache,  dass  in  der  Correspondenz  des  Bischofs  Hormisdas  von  Rom 
mit   der  Regierung  und  der  Geistlichkeit  von  Constantinopel  jenei 
immer  bloss  den  occidentalischen  Consul  nennt,    diese  dagegen  mi 
dem  vollen  Consulat   datiren,   nichts  gefunden  werden  als   ein  ver- 
schiedenes Herkommen  in  den  beiderseitigen  Kanzleien.  —  Vermuth- 
lieh   gilt  was   hier   für   den   römischen    Sprengel    nachgewiesen   ist 
wenn  nicht  für  den  ganzen  Westen,  so  doch  für  Italien  und  Gallien  jf 
wenigstens    ist   mir    kein    entgegenstehendes  Bischofsschreiben    vor 
gekommen. 

1)  Jafife  756  =  Thiel  epist.  pont.  I,  65.  Sie  gehört  zu  den  auf  Pater  Vigll 
niers  Autorität  stehenden  Stücken,  über  die  Julien  Havet  endlich  die  gelehrtei! 
Urkundenforscher  aufgeklärt  hat  (vgl.  in  diesem  Archiv  XI,  437).  An  dem  Cor(i 
sulardatum  nahm  schon  Rossi  I,  413  wohl  begründeten  Anstoss. 


Ostgothische  Studien,  373 

Die  Concipienten  der  consularischen  Jahrtafeln  hatten  von  jeher 
mit  Schwierigkeiten  zu  kämpfen,  wenn  im  Laufe  des  Jahres  die 
officielle  Bezeichnung  desselben  wechselte,  zum  Beispiel  dasselbe  mit 
einem  Postconsulat  begann;  genau  den  Wechsel  giebt  von  den  uns 
vorliegenden  nur  eine  einzige  an^;  alle  übrigen  sind  in  dieser  Be- 
ziehung überarbeitet,  wobei  indess  häufig  von  der  zu  Anfang  des 
Jahres  gültigen,  späterhin  modificirten  oder  beseitigten  Bezeichnung 
ein  Rest  stehen  geblieben  ist.  Durch  die  successive  Publication  der 
beiden  Consuln  wurde  zur  Regel,  was  bisher  Ausnahme  gewesen 
war,  der  Wechsel  der  Benennung  des  Jahres  im  Laufe  desselben; 
die  Einzeichnung,  welche  der  Besitzer  einer  solchen  Tafel  sofort 
nach  der  Publication  oder  doch  bei  Anfang  des  Jahres  vorzunehmen 
pflegte  2,  bedurfte  regelmässig  der  Yervoflständigung  und  häufig  der 
Umstellung.  Die  Nachtragung  des  zweiten  Consuls  konnte  erst  nach 
der  zweiten  Publication  vorgenommen  werden,  die  sich  häufig  ver- 
schleppte, und  einen  eigentlichen  praktischen  Zweck  hatte  sie  über- 
haupt nicht,  da  der  eine  Consul,  wenn  er  bis  zu  ihr  hatte  ausreichen 
müssen,  so  auch  nach  ihr  ausreichen  konnte.  In  Folge  dessen  ist 
sie  häufig  versäumt  worden.  Es  darf  demnach  aus  ihrem  Fehlen 
nicht  geschlossen  werden,  dass  die  zweite  Publication  überhaupt 
unterblieben,  der  Consul  des  anderen  Reichstheils  nicht  zur  An-  236 
erkennung  gelangt  ist.  Wenn  bei  dem  J.  490  die  Fasten  Cassiodors 
den  orientalischen  Consul  Longinus  ignoriren,  während  die  wesentlich 
gleichartigen  des  Aventicensers  Marius  ihn  anerkennen,  so  ist  dies 
sicher  nichts  als  eine  Nachlässigkeit  Cassiodors.  Auffallender  ist  es, 
dass  bei  dem  Jahre  486  die  meisten  orientalischen  Jahrtafeln  den 
im  Occident  auftretenden  Consul  Decius  nicht  kennen  und  zum  Theil 
sogar  den  orientalischen  Consul  als  den  alleinigen  bezeichnen;  aber 
bei  der  geringen  Zuverlässigkeit  selbst  der  besseren  Tafeln  wird 
auch  daraus  keineswegs  mit  Sicherheit  gefolgert  werden  dürfen,  dass 
das  Ostreich   diesem  die   Anerkennung  dauernd    versagt    hat^.     In 

1)  Dieses  ist  das  der  Chronographie  vom  J.  354  einverleibte  [die  Jahre 
254 — 354  umfassende  Verzeichniss  der  Stadtpräfecten  (in  meiner  Ausgabe  der 
Chronographie  S.  627  fF.  [jetzt  Chron.  min.  I  S.  65  ff.]):  in  den  Jahren,  wo  die  neuen 
Consuln  nicht  rechtzeitig  publicirt  werden,  beginnt  die  Datirung  mit  der  Formel 
consules  quos  iusserint  domini  nostri  Augusti  und  die  Consulnamen  folgen  als- 
dann mit  Angabe  des  Publicationstags. 

2)  Vgl.  Ausonius  carm.  22,  3  Schenkl :  hacUnvs  adscripsi  fastos;  si  fors  volet, 
ultra  adiciam,  si  non,  gui  legis  adieies. 

3)  Dass  zwei  Verordnungen  dieses  Jahres  im  Justinianischen  Gesetzbuch  den 
Decius  ebenfalls  nicht  kennen,  beweist  nur,  dass  er  bei  ihrer  Erlassung  im 
Orient  nicht  publicirt  war. 


i 


374  Ostgothische  Studien. 


diesen  wie  in  den  meisten  ähnlichen  Fällen^  liegt  sicher  lediglich 
Nachlässigkeit  des  Concipienten  zu  Grunde  und  darf  wohl  aus  der 
Nennung  auf  die  Anerkennung  geschlossen,  aber  nicht  dies  um- 
gekehrt werden.  —  In  noch  höherem  Grade  gilt  dies  von  der  Folge 
der  Namen.  Die  bestehende  Ordnung  führte  dazu,  dass  zunächst 
der  Consul  des  eigenen  Reichstheils  eingetragen  ward.  Wenn  der 
hinzutretende  zweite  Consul  ein  Kaiser  oder  ein  Prinz  war,  so  ist 
ihm  natürlich  bei  der  Nachtragung  regelmässig  die  gebührende 
Stelle  eingeräumt  worden,  obwohl  einzeln  auch  hiervon  abgewichen 
worden  ist^;  aber  wenn  zwei  Private  das  Consulat  verwalteten,  habeiA 
nach  den  ersten  Decennien  der  neuen  Einrichtung,  während  derei^ 
die  Listen  noch  auf  die  legitime  Ordnung  Rücksicht  nehmen,  sie 
dieselbe  kaum  je  beachtet,  häufig  wahrscheinlich  gar  nicht  gekanntÄ 

Die  christlichen  Grabschriften  schliessen  im  Allgemeinen  weniger 
der  officiellen  Jahresbezeichnung  sich  an  als  der  vulgären.  "Wie  die 
in  den  Urkunden  häufige  correcte  Bezeichnung  des  einseitig  be- 
setzten Consulats  mit  Hülfe  der  Nuntiation  in  den  Listen  sich,  wie 
andere  zu  der  anfänghchen  Jahresdatirung  gehörige  Notizen,  nur 
vereinzelt  und  in  irregulärer  Weise  erhalten  hat,  so  hat  sie  bisher 
sich  auch  nur  auf  einer  einzigen  Grabschrift  gefunden  (S.  369  A.  1).*) 
237  Die  Fossoren  der  Christen  in  Rom  und  anderswo  ^  werden  ihre  Jahres- 
bezeichnung der  Regel  nach  entweder  dem  Gedächtniss  oder  der 
zur  Zeit  gangbaren  Liste  entnommen  und  um  die  zweite  Publication 
und  ihre  officiellen  Consequenzen  sich  nicht  allzu  sehr  bekümmert 
haben,  also  auch  die  Uebergehung  eines  bereits  publicirten  zweiten 
Consuls    in    den    Grabschriften    häufig    genug    vorgekommen    sein*. 

1)  In  einzelnen  Fällen  wird  allerdings  die  Verschiedenheit  der  Listen  auf 
die  streitige  Legitimität  eines  Consuls  zurückgehen.  Als  Severus  im  J.  465 
umkam,  hatte  er  schwerlich  schon  die  Ernennung  der  Consuln  für  466  vollzogen. 
Wenn  einige  occidentalische  Listen  für  dies  Jahr  dem  orientalischen  Consul  den 
Tatianus  zuordnen,  so  ist  dieser  wohl  im  Occident  auf  anfechtbarem  Wege, 
wahrscheinlich  von  dem  damaligen  Machthaber  Ricimer  ernannt  und  als  nicht 
legitim  bestellt  hier  nur  theilweise  und  im  Orient  gar  nicht  anerkannt  worden. 

2)  So  nennen  die  Florentiner  Fasten  440  den  orientalischen  Consul  Anatolius 
vor  dem  kaiserlichen  Consul  des  Westens,  Marius  von  Aventicum  458  Maiorianus 
vor  Leo. 

*)  [Wo  die  Inschrift  von  Syrakus  nachgetragen  ist.] 

3)  Die  seltenen  orientalischen  Inschriften  mit  Consuldaten  aus  dieser  Zeit 
nennen  bloss  den  Consul  des  Ostens,  wie  C.  I.  Gr.  9259  allein  den  Consul  Daga- 
laifus  des  J.  461,  ganz  wie  die  häufigen  occi dentalischen  nur  den  des  Westens ' 

4)  Bekanntlich  ist  die  Bezeichnung  des  Jahres  durch  den  ersten  Consul 
allein  nichts  weniger  als  selten  und  Rossi  selbst  weist  (p.  XXVII)  für  das  vierte 
Jahrhundert  dergleichen  Fälle  in  beträchtlicher  Anzahl  nach.    Wenn  dies  an 


Ostgothische  Studien.  375 

Rücksicht  auf  die  Rangfolge  ferner  ist  bei  ihnen  im  Allgemeinen 
ebenso  wenig  wahrzunehmen  wie  in  den  Listen,  obwohl  einzelne  Aus- 
nahmen vorkommen.  Wenn  der  orientalische  Consul  des  Jahres  490 
Longinus,  wo  er  auf  occidentalischen  Inschriften  erscheint,  an  erster 
Stelle  steht  ^  und  wenn  der  orientalische  Consul  des  J.  517  Anastasius 
in  einer  Inschrift  des  Theodoricianischen  Galliens  mit  Uebergchung 
des  occidentalischen  Collegen  allein  genannt  wird'^,  so  hat  dabei 
ohne  Zweifel  eingewirkt,  dass  Longinus  zum  zweiten  Mal  Consul  238 
und  Anastasius  ein  kaiserlicher  Prinz  war;  also  dieselben  Rücksichten, 
wie  sie  auch  in  den  Listen  obwalten. 

Vom  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts  an  bildet  also  die  in 
jedem  Reichstheil  successiv  eintretende  Publication  der  beiden  Con- 
suln  die  Regel.  Damit  scheint  ständige  Verschleppung  der  Nuntiation 
des  Consuls  aus  dem  Schwesterreich  sich  in  der  Weise  verbunden 
zu  haben,  dass  diese  sehr  häufig  erst  lange  nach  dem  Anfang  des 
betreffenden  Jahres  erfolgte;  es  wird  dies  namentlich  dadurch  ge- 
fordert, dass  auch  die  officiellen  Datirungen  mit  dem  Beisatz  et  qui 
fuerit  nuntiatus  sich   oft  weit  in    das  Amtsjahr   hinein    erstrecken. 

grünen  Holz  geschah,  so  lange  beide  Consuln  gemeinschaftlich  publicirt  wurden, 
so  wäre  es  geradezu  räthselhaft,  dass,  wie  Rossi  (p.  XXXIV)  meint,  diese  Licenz 
im  fünften  Jahrhundert  sich  nur  ausnahmsweise  eingestellt  hat.  Dennoch  ge- 
stattet er  den  Schluss  aus  dem  Schweigen  der  Grabschrift  auf  die  Nichtpubli- 
cation  sich  häufiger  als  billig.  Beispielsweise  besitzen  wir  aus  dem  J.  460  einen 
Erlass  Maioriaus  (nov.  11,  1)  vom  28.  März  und  zwei  Briefe  des  Papstes  Leo  vom 
16.  Juni  und  18.  August,  alle  datiert  Magyio  et  Äpollonio  consulibus;  diese  drei 
Urkunden  erklärt  Rossi  p.  351  sämmtlich  für  interpolirt,  weil  eine  einzige 
römische  Grabschrift  vom  7.  Sept.  nur  den  ersten  Consul  nennt.  Der  Begründer 
der  christlichen  Epigraphik  überschätzt  die  Inschriften  gegenüber  den  Urkunden. 
Die  Thatsache,  dass  die  bei  einseitiger  Publication  officielle  Datirung  mit  et 
qui  fuerit  nuntiatus  sich  bis  jetzt  nur  auf  einem  einzigen  Stein  gefunden  hat, 
zeigt  unwiderleglich,  dass  die  Licenz  in  dieser  Hinsicht  im  fünften  Jahrhundert 
eher  stieg  als  sank.  Der  Schluss  aus  dem  Fehlen  des  zweiten  Consuls  auf 
Nichtpublication  desselben  ist  bei  Grabschriften  höchstens  dann  gestattet,  wenn 
sie  in  grosser  Zahl  vorliegen,  was  nach  Alarich  in  dem  heruntergekommenen 
Rom  kaum  je  der  Fall  ist. 

1)  C.  L  L.  V,  5210.  5656.  7531.  Wenn  die  Inschrift  C.  V,  5417,  wie  es 
scheint,  ebenfalls  datirt  war  [Longino  bis  et]  Fausto  vv.  cc,  so  war  dieser  Consul 
schon  am  4.  Aug.  490  in  Italien  publicirt. 

2)  Die  Inschrift  von  Aix,  jetzt  C.  I.  L.  XII,  590,  ist  datirt  vom  23.  Nov. 
Anastasio  v.  c.  consule  (vgl.  C.  I.  L.  V,  8120,  2).  Rossi  p.  XLV  corrigirt  in  dem 
allerdings  nur  in  Abschrift  vorliegenden  Text  Aug.  für  v.  c;  indess  haben  wir 
jetzt  einen  Anhalt  dafür,  dass  dieser  orientalische  Consul  früh  im  Occident  be- 
kannt ward.  In  einer  entweder  consularisch  oder  postconsularisch  datirten  kürzlich 
in  Lodi  gefundenen  Inschrift  Pais  suppl.  C.  I.  L.  V  n.  863  steht  derselbe  Ana- 
stasius, aber  an  zweiter  Stelle. 


376  Ostgothische  Studien. 

Diese  regelmässige  Verspätung  der  zweiten  Publication  ist  auffallend. 
Verschleppung  der  ersten  in  dem  einen  Reich  musste  natürlich  eine 
noch  gesteigerte  Verschleppung  der  zweiten  in  dem  anderen  herbei- 
führen; aber  darauf  allein  kann  die  letztere  nicht  zurückgeführt 
werden:  der  Consul  des  Ostens  für  453  Vincomalus  war  nachweislich 
bereits  am  6.  Juli  452  designirt^  und  schwerlich  ist  dies  ein  Ausnahme- 
fall gewesen.  Vermuthlich  sind  theils  gegenseitige  Eifersucht  und  das 
Bestreben,  den  Eeichstheil  als  selbständiges  Reich  hinzustellen,  theils 
ein  daran  anknüpfendes  Herkommen  dabei  mit  im  Spiel  gewesen. 

Aber  neben  der  Regel  der  successiven  steht  die  Ausnahme  der 
gleichzeitigen  Publication  beider  Consuln.  In  einer  Reihe  von  Jahren 
treten  die  Consuln  mit  verschwindenden  und  ohne  Schwierigkeit  au 
nachlässige  Redaction  zurückzuführenden  Ausnahmen  im  Osten  wie' 
im  Westen  paarweise  und  im  Osten  wie  im  Westen  in  der  gleichen 
Folge  2  auf.  Welche  Consulate  bis  zum  J.  420  unter  diese  Kate 
gorie  fallen,  lässt  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen;  wir  können! 
nur  umgekehrt  für  einige  dieser  Jahre  successive  Publication  nach- 
weisen (S.  368).  Sie  werden  deshalb  in  der  folgenden  üebersicht 
bei  Seite  gelassen.  Von  421  an  ist  in  den  folgenden  Jahren  von 
der  successiven  Publication  der  Consuln  abgegangen  worden. 

425.  Theodosius  XI  et  Valentinianus. 

426.  Theodosius  XII  et  Valentinianus  II. 

427.  Hierius  et  Ardabures. 

428.  Felix  et  Taurus^. 

239  429.  Plorentius  et  Dionysius. 

430.  Theodosius  XIII  et  Valentinianus  III. 

435.  Theodosius  XV  et  Valentinianus  IV. 

436.  Isidorus  et  Senator. 

437.  Aetius  II  et  Sigisvultus. 
443.  Maximus  II  et  Paterius. 
446.  Aetius  III  et  Symmachus*. 

1)  Erlass  des  Kaisers  Marcianus  bei  Hänel  corp.  leg.  p.  256. 

2)  Letzteres  gilt  freilich  von  den  Kaiserconsulaten  auch  bei  successiver 
Publication,  da  dabei  immer  die  Rangfolge  massgebend  ist.  Im  J.  458  datireu 
die  Urkunden  im  Occident  zuerst  allein  nach  Maiorians  Consulat,  aber  nachdem 
das  Consulat  Leos  daselbst  bekannt  geworden  war,  steht  dieser  an  erster  Stelle. 

3)  Rossi  p.  528  rechnet  dieses  Consulat  zu  den  getheilten,  weil  in  einer  ein- 
zigen der  zahlreich  vorliegenden  westlichen  Listen,  der  Paschaltafel  cod.  Vat.  reg. 
2077  dies  Jahr  bezeichnet  ist  Fl.  Feiice  v.  c.  eons.  Aber  er  selbst  bemerkt  anderswo 
(p.  LIX),  dass  in  dieser  Tafel  eben  von  hier  an  mehrfache  Fehler  begegnen, 

4)  Wohl  nur  aus  Versehen  stellt  Marcellinus  (nach  der  handschriftlichen 
Ueberlieferung)  den  Consul  Symmachus  voran. 


Ostgothische  Studien.  377 

450.     Valentinianus  Aug.  VII  et  Avienus. 

454.     Aetius  et  Studius. 

457.     Constantinus  et  Rufus. 

467.     Pusaeus  et  lohannes  ^ 

476.     Basiliscus  Aug.  II  et  Armatus  ^ 

488.     Dynamius  et  Sifidius. 

492.     Anastasius  Aug.  et  Rufus. 

494.     Asterius  et  Praesidius. 

500.     Patricius  et  Hypatius. 

512.     Paulus  et  Moschianus. 

522.     Symmachus  et  Boethius. 

530.  Lampadius  et  Orestes. 
Allem  Anschein  nach  sind  für  diese  Jahre  die  Consuln  in  jeder 
Reichshälfte  paarweise  und  in  gleicher  Folge  publicirt  und  daher 
dieselben  in  den  Urkunden  wie  in  den  Listen  in  ähnlicher  Weise 
gleichmässig  berücksichtigt  worden,  wie  dies  bei  den  Consulpaaren 
des  vierten  Jahrhunderts  der  Fall  ist.  Die  nahe  liegende  Frage, 
wie  sich  die  hier  genannten  Consuln  zu  der  Theilung  des  Consulats 
zwischen  dem  Osten  und  dem  Westen  verhalten,  scheint  merkwürdiger 
Weise  dahin  beantwortet  werden  zu  müssen,  dass  diese  Theilung 
sich  bei  den  oben  aufgeführten  Collegien  auf  die  vier  Zweikaiser- 
consulate  beschränkt.  Dagegen  scheinen  sämmtliche  hier  aufgeführte 
von  einem  Kaiser  und  einem  Privaten  oder  von  zwei  Privaten  ge- 
bildeten Consulate  zugleich  von  dem  Theilungsgesetz  sich  zu  ent- 
fernen. Nachweislich  gehören  von  den  so  eben  verzeichneten  Con- 
sulaten  die  der  Jahre  427.  429.  436.  476.  500  allein  Orientalen, 
die  der  Jahre  437.  443.  446.  450.  522  allein  Occidentalen;  in 
den  übrigen  Fällen  lassen  die  Consuln  einer  oder  auch  beide  sich 
nicht  mit  genügender  Sicherheit  geschichtlich  identificiren,  können 
aber  füglich  alle  der  gleichen  Reichshälfte  entnommen  sein  wie  der 
College.  Dieser  Umstand  hat  offenbar  auf  die  Publicationsform  ein- 
gewirkt. Bei  jenen  vier  Zweikaiserconsulaten  mag  die  Regel  der 
getheilten  Ernennung  festgehalten  sein  und  ist  wohl  nur  durch  freund-  240 
liehe  Rücksicht  auf  das  Schwesterreich  die  gleichzeitige  Publication 
in  jedem  Reichstheil  damit  verbunden  worden,  indem  jeder  Herrscher 
die  eigene  so  lange  aussetzte,  bis  er  die  seines  Nebenherrschers 
damit  verbinden  konnte.  Aber  bei  den  übrigen  oben  aufgeführten 
Consulaten,  deren  Auftreten  auf  ungetheilte  Publication  schliessen 
läset,  muss  diese  die   Folge  ungetheilter   Ernennung   gewesen  sein. 

1)  In  diesen  beiden  Jahren  war  der  Occident  ohne  Herrscher  und  können 
die  Consuln  nur  von  dem  Herrscher  des  Ostreichs  ernannt  sein. 


378  Ostgothische  Studien. 

Denn  wäre  das  Eintreten  zweier  Consuln  desselben  Reichstheils  aus 
"  getheilter  Ernennung  hervorgegangen,  hätte  der  Kaiser  des  Ostreichs 
einen  Weströmer  ernannt,  so  würde  die  Einzelpublication  gerade 
ebenso  eingetreten  sein,  wie  wenn  jeder  der  Herrscher  den  Consul 
aus  seinem  eigenen  Reichstheil  auswählte;  ungetheilte  Ernennung 
dagegen  zog  ungetheilte  Publication  mit  Nothwendigkeit  nach  sich. 
Es  wird  also  in  diesen  Fällen  der  eine  Herrscher  zu  Gunsten  des 
anderen  auf  sein  Ernennungsrecht  verzichtet  haben.  Dabei  ist  wahr- 
scheinlich in  Betracht  gekommen,  dass  das  Consulat  wegen  der  un- 
geheuren Kosten,  die  es  machte,  nicht  anders  als  nach  Anfrage  und 
mit  Einwilligung  des  Candidaten  vergeben  ward^;  es  mochte  oft 
nicht  leicht  sein  geeignete  Persönlichkeiten  zu  finden  und  es  konnte 
auch  vorkommen,  dass  zwei  sich  nahe  stehende  Personen  sich  ni 
gemeinschaftlich  zur  Uebernahme  bereit  erklärten. 

Dies  sind  die  Normen  für  die  consularische  Ernennung  des 
fünften  Jahrhunderts.*)  Wir  wenden  uns  zu  der  Frage,  wie  die  Könige 
Italiens  zu  derselben  sich  gestellt  haben;  ohne  deutlichen  Einblick  in 
jene  kann  das  Rechtsverhältniss  derselben  nicht  klar  gestellt  werden. 

Dass  Italien  auch  unter  den  Königen  fortwährend  als  integrirender 
Theil  des  römischen  Staats   nicht  bloss  in  Byzanz   aufgefasst  ward, 
sondern  ebenso  in  Rom  und  Ravenna,  steht  anderweitig  hinreichend 
fest.     Aus  der  fortgeführten  Datirung  nach   dem   oder   den  Consuln 
des  römischen  Reiches,   neben   welcher   die  Jahrzählung  nach    der 
Indiction  im  Westen  dieselbe   secundäre  Rolle  spielt  wie  im  Osten, 
würde  an  sich  die  Reichsangehörigkeit  nicht  gefolgert  werden  dürfen; 
gleiche  oder  ähnliche  Datirung  begegnet  auch  in  den  Gebieten  dei 
nicht   reichsangehörigen  Burgunder,   der  Westgothen,   der  Franken 
der  Vandalen.     Beweisender  für  die  formale  Zugehörigkeit  des  ost- 
gothischen  Gebietes  zum  römischen  Reich  ist  es,  dass  in  Italien  nie 
weder    unter    Odovacar    noch    unter    den   Gothenkönigen    nach   dei 
Jahren  der  Herrscher  datirt  wird,  wie  dies  in  jenen  Staaten  oft,  ji 
241  im  westgothischen  Reich  selbst  unter  Theoderich   geschieht  2;  soga 

1)  Cassiodor  var.  6,  1  [§  8]:  alios  iudices  etiam  non  rogantes  evehimus,  consuitl 
autem  sperantes  (d.  h.  wenn  sie  zur  Beförderung  —  das  ist  spes  —  stehen)  tantuv 
modo  promovemus. 

*)  [^gl-  2u  den  vorstehenden  Ausführungen  die  später  geschriebene  üntej 
suchung  'Consularia'  oben  S.  334  ff.] 

2)  Die  spanischen  Concilien  aus  den  J.  516.  517.  525  sind  datirt  das  ers' 
Tarracone  anno  sexto  TJieuderici  regis  Petro  consule  (Mansi  8,  541),  das  zweite  Geru 
clae  anno  VII.  Theoderiei  regis  Agapeto  v.  c.  consule  (Mansi  8,  550),  das  dritte 
conventu  Ileräensi  anno   XV.  Theuderici  regis  (Mansi  8,  612),   das  vierte  am 
XV.  Theoderiei  regis  Valentiae  (Mansi  8,  620). 


Ostgothische  Studien.  379 

während  des  Krieges,  in  dem  die  Herrschaft  der  Gothen  unterging, 
datirten  diese  bis  zum  letzten  Augenblick,  noch  als  sie  auf  Ticinum 
beschränkt  waren,  nach  Consulaten  und  Indictionen. 

Auf  die  Frage,  welcher  Stelle  in  dieser  Epoche  die  Ernennung  der 
Consuln  zustand,  fehlt  in  der  Ueberlieferung  für  Odovacar  jede  Antwort. 
Für  Theoderichs  Zeiten  mangeln  die  Antworten  nicht;  die  Schwierig- 
keit besteht  nur  darin  dieselben  mit  einander  auszugleichen. 

Der  zeitgenössische  und  in  Fragen  dieser  Art  schlechthin  zu- 
verlässige Byzantiner  Prokopius  lässt  in  der  wahrscheinlich  bis  in 
das  Einzelne  beglaubigten  Relation  über  die  Friedensverhandlungen 
zwischen  Belisar  und  den  Gothen  die  Abgesandten  der  letzteren  er- 
klären, dass  ihre  Könige  die  italischen  Magistraturen  durchaus  mit 
Römern  besetzt  und  es  diesen  sogar  verstattet  hätten  das  Consulat 
Jahr  für  Jahr  von  dem  Herrscher  des  Ostreichs  entgegenzunehmen  ^. 
König  Athalarich  ferner  erinnert  in  einem  Schreiben  an  den  Kaiser 
lustinianus*)  daran,  dass  der  Kaiser  des  Ostreichs  seinem  Vater,  dem 
Schwiegersohn  Theoderichs  Eutharicus,  das  Consulat  für  das  J.  519 
verliehen  habe  ^.  —  Diesen  Zeugnissen  stehen  diejenigen  gegenüber, 
welche  dem  König  Theoderich  die  Consularernennung  beilegen.  Nicht 
bloss  stellt  Cassiodor  an  die  Spitze  seiner  für  das  ostgothische 
Regiment  bestimmten  Sammlung  von  Schematen  zu  Bestallungen  die 
formula  consulatus,  sondern  es  haben  sich  unter  den  königlichen  Er- 
lassen, die  Cassiodor  uns  aufbehalten  hat,  das  Ernennungsdecret 
Theoderichs  für  den  Consul  Felix  511^,  sowie  dasjenige  Athalarichs 
für  den  Consul  Paulinus  534*  erhalten;  und  in  dem  Fragment  einer 
Rede  wahrscheinlich  Cassiodors  dankt  der  Sprecher  dem  König  für 
das  empfangene  Consulat^.  Einer  der  vornehmen  Gothen  aus  dem 
Gefolge  Theoderichs  ferner  hebt  in  einem  Schreiben  an  den  Senat 
hervor,  dass  er  den  König  häufig  auch  bei  Ernennung  der  Consuln 
berathen  habe^.  Dass  hier  nicht  etwa  Usurpation  zu  Grunde  liegt,  242 
sondern   die   von  Theoderich    ernannten   Consuln   auch  nach  byzan- 

1)  Bell.  Goth.  2,  6:  tö  vjidtcov  d^icof^ia  Föx'&oi  ^vvsxcoqovv  'Pcofiaioig  ngög  xov 
%&v  i(öwv  ßaaü.icog  ig  exaorov  erog  xofii^so&ai. 

*)  [Vielmehr  lustinus,  vgl.  Mommsen  praef.  zu  Cassiodors Variae  p.XXXVIa.E.] 

2)  Var.  8,  1  [§  3] :  Vos  avntn  nostrum  (Theoderich  für  das  J .  484)  in  vestra 
cwitate  celsis  curiilihis  eoctulistis;  vos  genitorem  meum  in  Italia  palmatae  claritate 
decorastis.  3)  Var.  2,  2;  Anzeige  an  den  Senat  2,  3. 

4)  Var.  9,  22;  Anzeige  an  den  Senat  9,  23. 

5)  [Ed.  Traube ,  in  der  Mommsenschen  Ausgabe  des  Cass.  p.  468.]  lactent 
se  prisci  eonsules  praepetum  initiati  semper  auspidis  .  .  .  nos  gloriamur  de 
sententia  boni  principis,  laetamur  de  consemu  setiatus. 

6)  Var.  8,  11  [§3]:  saepe  eonsules,  saepe  patridos,  saepe  praefeetos  häbita 
iwtercessione  promovi. 


380 


Ostgothische  Studien. 


tinischer  Auffassung  rechtsgültig  bestellt  worden  sind,  beweisen  die 
die  Consuln  Felix  und  Paulinus  anerkennenden  Urkunden  und  Listen 
des  Ostreichs  und  beweist  vor  allem  das  ebenfalls  uns  erhaltene 
Schreiben,  in  welchem  König  Theoderich  dem  Kaiser  Anastasius  die 
Ernennung  des  ersteren  officiell  zur  Anzeige  bringt  ^  Ja  Prokop^ 
selbst  erkennt  anderswo  an,  dass  auch  in  dieser  Epoche  der  eine 
der  Consuln  in  Rom,  der  andere  in  Byzanz  ernannt  ward. 

Es  ist  vorgeschlagen  worden,  um  diese  Angaben  zu  vereinigen, 
die  Ernennung  des  Consuls  für  den  AVesten  nach  dem  Fall  des  West- 
reichs als  ein  Kecht  des  römischen  Senats  aufzufassen.  Indess  ein 
schlechterer  Ausweg  hätte  nicht  gefunden  werden  können  3.  Die 
Zeugnisse,  welche  diese  Ernennung  theils  dem  byzantinischen  Kaiser, 
theils  dem  italischen  König  zusprechen,  werden  damit  nicht  aus- 
geglichen, dass  man  sie  beide  verwirft.  Des  consensus  des  Senats 
wird  allerdings  bei  diesen  Ernennungen  gedacht  (S.  379  A.  5),  aber 
nur  in  derselben  Weise  wie  bei  Theoderichs  Ernennungen  der  hohen 
Reichsbeamten  überhaupt:  sie  werden  dem  Senat  mitgetheilt  und 
dieser  aufgefordert  sich  damit  einverstanden  zu  erklären;  es  ist  dies 
nichts  als  eine  höfliche  Form  der  Anzeige.  Es  ist  völlig  unglaub- 
lich, dass  das  damalige  Herrscherthum  zu  Gunsten  einer  Corporation 
abgedankt  und  die  Ertheilung  der  höchsten  Rangstelle  dem  bloss 
figurirenden  Senat  überwiesen  haben  sollte. 

Es  wird  daran  festgehalten  werden  müssen,  dass  die  Consular- 
ernennung  für  das  Gesammtreich,  insoweit  sie  dem  Kaiser  des  Occi- 
dents  zugestanden  hatte,  ebenso  auf  Odovacar  und  weiter  auf  Theo- 
derich übertragen  worden  ist  wie  die  der  occidentalischen  Beamten. 
Einer  Bestätigung  durch  den  Herrscher  der  anderen  Reichshälfte 
unterliegt  die  einseitige  Ernennung  überhaupt  nicht  und  es  liegt 
kein  Grund  vor  für  die  germanischen  Könige  hievon  abzuweichen; 
die  Weigerung  die  Publication  vorzunehmen  stand  allerdings  jedem 
Herrscher  frei,  aber  allem  Anschein  nach  dem  Theoderich  nicht 
minder   gegen   Anastasius    als    umgekehrt*.     Dass    die   Gothen    die 

1)  Var.  2,  1.  2)  Eist.  arc.  c.  26. 

3)  Auch  Rossi  p,  XLI  fF.  390  verkennt  es  nicht ,  dass  diese  Lösung  in  der  j 
That  nichts  ist  als  eine  Ausrede;  indess  lässt  er  sie  für  Odovacars  Zeit  und  fQr| 
die  früheren  Jahre  Theoderichs  gelten. 

4)  Die  Schlussworte  des  Schreibens  var.  2,  1,  durch  das  der  König  deinj 
Kaiser  die  Ernennung  des  Felix  anzeigt:  vos,  qui  utriusque  rei  publicae  honis 
indiscreta  potestis  gratia  delectari,  iungite  favorem,  adunate  sententiam:  amborum 
iudicio  dignus  est  eligi,  qui  tantis  faseibus  meretur  augeri  enthalten  nichts,  was 
nicht  von  jeder  Nuntiation  in  gleicher  Weise  gesagt  werden  konnte;  Aner- 
kennung kaiserlicher  Prärogative  (Rossi  p.  XLVI)  kann  ich  darin  nicht  finden,| 
Auch  lauten  Theoderichs  ernennende  Decrete  für  die  Consuln  ebenso  unbedir 


Ostgothische  Studien.  381 

consularische  Würde  von  dem  Herrscher  des  Ostreichs  entgegen-  243 
genommen  haben,  kann  dahin  aufgefasst  werden,  dass  sie  die  von 
Constantinopel  nach  Rom  gemeldeten  Ernennungen  als  für  den 
Westen  gültig  betrachteten,  worin  allerdings  ein  Anerkenntniss  der 
fortdauernden  Reichseinheit  enthalten  war;  bei  dem  geschraubten 
Ausdruck  ist  nicht  zu  vergessen,  dass  diese  Worte  den  ihr  legales 
Verhalten  rechtfertigenden  Abgesandten  in  den  Mund  gelegt  werden. 
Nicht  dasselbe  gilt  von  der  Ernennung  des  Eutharich  zum  Consul 
für  519  durch  den  Kaiser  von  Byzanz,  Aber  bei  dieser  ist  zu  er- 
wägen, dass  diesem  seinem  präsumptiven  Nachfolger  Theoderich  das 
Consulat  nicht  verleihen  konnte.  Nach  den  Ordnungen  dieser  Zeit 
war  der  Gothe  zur  Uebernahme  eines  römischen  Amts  nicht  quali- 
ficirt  und  durfte  also  auch  das  Consulat  nicht  bekleiden;  diese  Ab- 
weichung von  den  Capitulationen,  welche  Theoderich  bei  der  Ueber- 
nahme Italiens  gegen  den  byzantinischen  Hof  eingegangen  war, 
konnte  nur  der  Kaiser  des  Ostens  herbeiführen. 

Das  System  der  regelmässig  getheilten,  ausnahmsweise  von  der- 
selben Stelle  vollzogenen  Ernennung  der  Consulpaare  bestand  auch 
in  dieser  Epoche:  in  den  sieben  schon  S.  377  mit  aufgeführten 
Jahren  476.  488.  494.  500.  512.  522.  530  sind  beide  Consuln  von 
einer  und  derselben  Stelle  ernannt  worden;  für  die  übrigen  Jahre 
sind  alle  überhaupt  eintretenden  Consuln  aus  der  Einzelernennung 
hervorgegangen  und  zeigen  die  evidenten  Spuren  derselben,  das 
üeberwiegen  eines  jeden  entweder  im  Osten  oder  im  Westen. 
Principiell  ist  also  die  Ordnung  von  der  früheren  nicht  verschieden; 
thatsächlich  unterscheidet  sie  sich  dadurch  von  ihr,  dass  die  Consul- 
ernennung  häufiger  ausfällt  und  in  Folge  dessen  die  Jahresbezeich- 
nung durch  einen  einzigen  Consul  mehr  und  mehr  um  sich  greift 
und  auch  die  officielle  Ausdrucksweise  beeinflusst  wenigstens  in  dem 
Verschwinden  des  et  qui  de  Oriente  (oder  Occidente)  nuntiatus  fuerit 
aus  den  Urkunden.  Nach  dem  J.  461  ist  der  Beisatz  nicht  nach- 
weisbar (S.  369  A.  1.  2)  und  fehlt  namentlich  durchgängig  in  den 
zum  Theil  sehr  vollständigen  Subscriptionen  der  Novellen  lustinians, 
offenbar  weil  die  regelmässige  Cooperation  der  beiden  Reichshälften 
nicht  mehr  in  Aussicht  genommen  werden  konnte.  In  der  officiellen 
Datirung  des  Ostreichs  hat  der  occidentalische  Consul  sich  be- 
hauptet;   ob   auch    der   orientalische   in   derjenigen   der  Könige   des 

nd  vorbehaltlos  wie  für  die  übrigen  Aemter.  Unter  Theodosius  II.  und  Valen- 
tinian  III.  begegnet  ein  römischer  Stadtpräfeet  utriusqiie  imperii  iudiciis  sublimi- 
iatus  (C.  I.  L.  VI,  1678.  XIV,  2165  [=  Dessau  1283]);  aber  ich  kenne  kein  zweites 
Beispiel  solcher  Cooperation. 


Il 

382  Ostgothische  Studien.  M_ 

244  "Westreichs,  lässt  sich  nicht  entscheiden,  da  es  an  datirten  Erlassen 
derselben  so  gut  wie  ganz  fehlt  ^. 

Die  aus  einseitiger  Ernennung  hervorgegangenen  Consulpaare 
gehören  mit  einer  Ausnahme  dem  Orient  an  und  haben  also  ihr 
Amt  von  dem  Kaiser  des  Ostreichs  empfangen.  Das  einzige  an  zwei 
Occidentalen  vergebene  dieser  Doppelconsulate,  dasjenige  des  Sym- 
machus  und  Boethius  wird  ihnen  von  dem  König  Theoderich  ertheilt 
worden  sein.  Allein  er  konnte  dazu  nur  schreiten,  nachdem  Kaiser 
lustinus  auf  die  Ausübung  seines  Hechts  zu  Gunsten  dieser  römischen 
Patricier  verzichtet  hatte;  und  wenn  deren  Katastrophe  am  letzten 
Ende  auf  ihre  Sympathie  mit  dem  Glauben  und  dem  Regiment  des  Ost- 
reichs und  ihre  Gesinnungsopposition  gegen  den  herrschenden  Arianis- 
mus  und  das  Germanenwesen  zurückgeht,  so  mag  jenes  auffallende 
durch  byzantinische  Vergünstigung  ihnen  gewährte  Doppelconsulat 
dabei  mit  in  Betracht  gekommen  sein. 

Aus  den  Consulaten  fällt  vielleicht  einiges  Licht  auf  das  ge- 
schichtlich sehr  im  Dunkeln  liegende  Verhältniss  Odovacars  zu  der 
Regierung  des  Ostreichs.  Der  letzte  von  einem  weströmischen 
Kaiser  in  legitimer  Weise  ernannte  Consul  ist  der  des  J.  472  Festus. 
In  den  J.  473 — 479  ist  der  Occident  in  den  Consularfasten  nicht 
vertreten.  Wahrscheinlich  aber  gehören  schon  die  einzeln  stehenden 
Consuln  Basilius  480  ^  und  Rufius  Placidus  481^  dem  Occident  an 
und  sicher  occidentalisch  ist  der  Consul  482  Severinus,  der  College 
des  Trocondas  im  Osten.  Dasselbe  gilt  von  Faustus,  Consul  ohne 
Collegen  im  J.  483;  von  Venantius  484,  dem  Collegen  des  Theoderich 
im  Osten;  von  Symmachus,  Consul  ohne  Collegen  485;  von  Decius, 
Consul  486  neben  Longinus  im  Osten.  Dass  diese  Consuln  auch  im 
Orient  als  legitim  galten,  ist  zwar  zum  Theil  bestritten  worden, 
aber  für  alle  wahrscheinlich  und   für  manche   ausser  Zweifel*.     Da 


1)  Dass  Theodericli  in  einem  Schreiben  an  den  Senat  vom  11.  März  507 
(MG.  LL.  5,  170  [in  Mommsens  Ausgabe  von  Cassiodors  Variae  S.  392])  den 
orientalischen  Consul,  den  Kaiser  Anastasius  nicht  nennt,  steht  zu  einzeln,  un 
daraus  Schlüsse  zu  ziehen. 

2)  Die  Persönlichkeit  ist  nicht  festgestellt   [s.  jedoch  oben   S.  334  a.  E.] 
aber  die  Basilii  gehören  zum  Adel  des  Westreichs  (C.  I.  L.  VI,  1716  [=  8209^1 
=  Dessau  5635].   X6850,  [=  Dessau  827]).  ! 

3)  Auch  diese  Persönlichkeit  ist  bis  jetzt  nicht  fixiert;  die  Placidi  abe 
gehören  ebenfalls  zu  den  vornehmen  Geschlechtern  des  Westens  (C.  I.  L.  VI,  1757 
X,  1700  [=  Dessau  1231.  1232]). 

4)  Rossi  p.  390  räumt  die  byzantinische  Legitimität  dieser  Consuln  nur  fü 
Basilius,  Decius  und  Symmachus  ein;  aber  die  Stellung  aller  dieser  Consuln  is 
offenbar  die  gleiche  und  die  Anerkennung  in  Byzanz  hat  wahrscheinlich  keiner 
gefehlt.    Sichere  oströmische  Verordnungen  mit  diesen  Consulardaten  haben  wi 


Ostgothische  Studien.  383 

sie  also  im  Westreich  aufgestellt  und  im  Osten  anerkannt  worden  245 
sind,  so  muss  die  Ernennung  des  occidentalischen  Consuls  so,  wie 
sie  später  Theoderich  vollzogen  hat,  schon  von  Zeno  dem  Odovacar 
zugestanden  worden  sein.  Dies  hat  auch  nichts  Unwahrscheinliches. 
Odovacar  veranlasste  im  J.  478  den  römischen  Senat  in  Constantinopel 
zu  erklären,  dass  der  Westen  eines  besonderen  Kaisers  nicht  bedürfe, 
sondern  die  Verwaltung  für  den  Herrscher  des  ganzen  Reiches  dort 
durch  Odovacar  geführt  werden  könne,  dem  der  Kaiser  den  Patriciat 
verleihen  möge  ^.  Zeno,  zugleich  von  dem  Prätendenten  auf  den 
Herrschersitz  des  Westens  Julius  Nepos  um  Unterstützung  an- 
gegangen, suchte  zunächst  zwischen  beiden  zu  vermitteln;  aber 
wenigstens  nach  Nepos  Tod  im  J.  480  wird  er  auf  das  Ansuchen 
des  römischen  Senats  eingegangen  und  die  Delegation  der  im  West- 
reich mit  480  wieder  beginnenden  Consulcreirung  ein  Theil  dieser 
Abmachungen  gewesen  sein;  die  Aufrichtung  des  italischen  König- 
thums  hat  sich  in  der  Form  der  Wiederherstellung  der  Reichsein- 
heit vollzogen.  Das  römisch -germanische  Italien,  welches  uns  als 
ostgothisches  Reich  und  Schöpfung  des  Theoderich  zu  gelten  pflegt, 
ist  in  seiner  Eigenart  vielmehr  eine  Schöpfung  Odovacars,  der  Ein- 
tritt Theoderichs  in  dessen  Stellung  lediglich  ein  personaler  Wechsel^. 

allerdings  nur  für  Basilius;  aber  es  stehen  auch  keine  ihrer  Legitimität  entgegen, 
da  Cod.  lust.  4,  59,  2  nur  durch  Conjectur  auf  den  16.  Dec.  2J0st  constdatum  Trocon- 
dae  gestellt  ist,  die  gute  handschriftliche  Ueberlieferung  aa.  conss,  troconde  viel- 
mehr auf  das  Vorjahr  führt  und  also  nur  beweist,  dass  Ende  482  Severinus 
Consulat  im  Osten  noch  nicht  publicirt  war.  Von  den  östlichen  Listen  führt 
die  am  schwersten  wiegende  des  Marcellinus  alle  auf  mit  Ausnahme  des  Decius ; 
die  Paschalchronik  hat  sie  alle;  die  Florentiner  Fasten  nur  Basilius,  Placidus 
und  Symmachus;  Victor  von  Tunnuna,  welcher  in  dieser  Epoche  nur  orientalische 
Consuln  verzeichnet,  lässt  sie  sämmtlich  weg.  Hieraus  folgt,  dass  alle  diese 
Consuln  occidentalische  sind,  aber  dass  sie  auch  im  Orient  nachträglich  aner- 
kannt und  in  den  meisten  Listen,  wenn  auch  in  der  Regel  nicht  ganz  vollständig, 
nachgetragen  wurden.  Die  sonst  allein  übrig  bleibende  Annahme,  dass  die 
orientalischen  Listen  später  mit  den  im  Ostreich  nicht  anerkannten  Consuln 
I  interpolirt  worden  sind,  ist  im  höchsten  Grade  unwahrscheinlich,  zumal  da  nach 
Odovacars  bald  erfolgtem  Sturz  die  Orientalen  nicht  füglich  sich  veranlasst 
finden  konnten  seine  Usurpationen  nachträglich  zu  legitimiren. 

1)  Malchus  fr.  10  Müll.:  ('OSoaxog)  rjvdystaos  ttjv  ßovXrjv  ajiooxeX).ai  :jQsaßsiav 
Ztjpcovt  ar]/j,aivovaav,  wg  idiag  fiiv  avroTg  ßaadeiag  ov  dioi,  xoivög  de  ojioxq^osi  fxovog 
<wv  avToxQÜxoiQ  EJi  äfKfoxEQoig  rotg  neqaai  .  zov  (levxoi  'Odöaxov  vjz  avrcöv  JiQoßs- 
ßk'^o&ai  Ixavov  ovxa  ocoCsiv  xä  nag  avxotg  TiQayfiaxa  ....  aal  SsTo^ai  xov  Zrjvcovog 
JiaxQixiov  xs  avxä>  ajiooxEiXai  a^iav   xal  xrjv  xcöv  'IxaXwv  xovxco  iq^sTvai  8ioixi]aiv. 

2)  Sybel  (deutsches  Königthum  S.  293)  hat  dies  vollkommen  richtig  erkannt, 
wie  denn  überhaupt  seine  Behandlung  dieser  Verhältnisse  eine  grüne  Oase  ist 
in  dem  wüsten  Sandmeer  einer  Litteratur,  welche  vor  kurzsichtiger   Quellen- 


384  Ostgothische  Studien. 

Auch  die  zwischen  Theoderich  und  dem  Ostreich  bestehenden 
Verhältnisse  müssen  in  den  Jahresdatirungen  sich  wiederspiegeln: 
die  Anerkennung  des  einen  Regiments  durch  das  andere  fordert  die 
246  Anerkennung  der  von  diesem  ernannten  Consuln  und ,  umgekehrt 
gestattet  die  Anerkennung  der  Consuln  des  anderen  Reiches  einen 
Schluss  auf  den  legitimen  Friedensstand  zwischen  den  beiden 
Herrschern.  Wir  werden  also  erwarten  dürfen,  dass  Theoderich,  da 
er  während  seines  gesammten  Regiments  wohl  der  Sache,  aber  nie 
der  Form  nach  sich  selbständig  gestellt  hat,  der  Datirung  nach  den 
Consuln  des  Ostreichs  zu  keiner  Zeit  entgegengetreten  ist  und  ei 
wird  dies  auch  ausdrücklich  von  Prokop  (S.  379)  bezeugt. 

Dem  entsprechen  die  thatsächlichen  Yerhältnisse.  Die  Annahmi 
Rossis-,  dass  die  Datirung  nach  den  Consuln  des  Ostreichs  wohl  ii 
Burgund,  aber  in  dem  Herrschaftsgebiet  Theoderichs  nur  bis  zu 
J.  501  zugelassen  worden  sei,  ist  nicht  bloss  mit  Prokop  im  Wide 
Spruch,  sondern  auch  aus  anderen  Gründen  unhaltbar.  Dass  d 
Gebrauch  der  Consuln  für  die  Jahresbezeichnung  überhaupt  nie' 
angesehen  werden  kann  als  Kriterium  der  politischen  Abhängigke: 
von  dem  Staat,  aus  dem  die  Consuln  hervorgehen,  ist  schon  bemerkt 
worden  (S.  378);  und  wäre  dies  der  Fall,  so  müsste  diese  Datirung 
in  dem  unabhängigen  Burgunderreich  noch  entschiedener  abgewiesen 
worden  sein  als  in  dem  formell  abhängigen  Machtgebiet  Theoderichs. 
Vor  allen  Dingen  aber  widerstreiten  die  Thatsachen.  Wohl  erscheinen 
orientalische  Consulate  auf  den  Denkmälern  aus  den  letzten  zwanzig 
Jahren  Theoderichs  nur  ganz  vereinzelt;  aber  dasselbe  gilt  wesent- 
lich ebenso  für  die  frühere  Zeit  vom  Sturz  des  Westreichs  bis  auf 
das  Ende  des  fünften  Jahrhunderts.  So  vereinzelt  wie  die  beiden 
den  Consul  Anastasius  von  517  nennenden  Inschriften  (S.  375  A.  2) 
in  jener  Epoche  auftreten,  ebenso  vereinzelt  stehen  in  der  früheren 
die  im  Jahre  478  und  479  nach  dem  orientalischen  Consul  Illus 
datierten  Papstschreiben,  die  römische  Grabschrift  vom  J.  482  mit 
dem  Namen  des  Trocondas  neben  dem  des  Severinus,  die  drei  ober- 
italischen Inschriften  aus  den  J.  490.  491  mit  dem  des  Longinus 
neben  dem  des  Faustus  (S.  375  A.  1).  Völlig  in  gleicher  Vereinzelung 
begegnen  die  orientalischen  Consuln  im  burgundischen  Gebiet,  im 
J.  491  derselbe  Longinus  i,  im  J.  520  Vitalianus^.    Dieser  Sachverhalt 

forschung  und  weitsichtiger   Quasi -Poesie    es  zu  keiner  gesunden   historischer 
Anschauung  bringt. 

1)  C.  I.  L.  XII,  2058. 

2)  Die  Combination  Kossis,  dass  die  Burgunder  die  orientalischen  Consub 
zugelassen  hätten,  während  Theoderich  sie  abwies,  beruht  lediglich  auf  zwe 


Ostgothische  Studien.  385 

fordert  also  eine  Erklärung,  die  für  die  gesammte  Epoche  vom  Auf- 
treten Odovacars  bis  zur  Wiedereroberung  Italiens  durch  lustinian 
und  ebenso  für  Italien  wie  für  Burgund  zutrifft;  und  sie  kann  nur 
darin  gefunden  werden,  dass  die  geordnete  Publication  des  in  dem 
anderen  Reich  ernannten  Consuls  im  Orient  fortbestand,  im  Occident 
aber  nach  der  Katastrophe  des  "Westreichs  sich  nicht  wieder  her-  247 
gestellt  hat.  Die  von  Odovacar  und  später  von  Theoderich  ernannten 
Consuln  sind  regelmässig  nach  Constantinopel  gemeldet  und,  wenn 
die  politischen  Verhältnisse  nicht  entgegenstanden,  dort  ordnungs- 
mässig  publicirt  worden:  Nachdem  es  im  Occident  einen  von  dem 
Osten  anerkannten  Reichsverweser  gab,  wird  die  Nuntiation  aus  dem 
Osten  nach  Rom  ebenfalls  wieder  aufgenommen  worden  sein.  Aber 
eine  officielle  Publication  der  neuen  Consuln  als  solcher  kann  für 
die  in  Gallien  bestehenden  Königthümer  überhai!»pt  nicht  füglich 
angenommen  werden;  wenn  sie  auch  in  Italien  unter  dessen  Königen 
unterblieb,  erklärt  sich  die  Beschaffenheit  der  Consulardatirungen 
nach  dem  Falle  des  westlichen  Kaiserthums  in  befriedigender  Weise. 
Bei  dem  Antritt  des  Consulats  in  Ravenna  konnte  schon  wegen  der 
mit  demselben  verbundenen  Sollemnitäten  eine  von  der  Regierung 
des  Westens  ausgehende  öffentliche  Benachrichtigung  nicht  fehlen; 
auf  diese  Fälle  mag  die  Herumsendung  der  den  neuen  Consul  an- 
kündigenden Staatsboten  (S.  365  A.  2)  jetzt  sich  beschränkt  haben. 
Darum  datirt  Italien  ebenso  wie  Gallien  regelmässig  allein  nach  den 
Consuln,  die  in  Ravenna  ihr  Amt  angetreten  hatten.  Dass  die  Legi- 
timität der  Consuln  des  Ostens  auch  für  den  Westen  damit  nicht 
bestritten  werden  sollte,  zeigen  ausser  dem  Zeugniss  Prokops  theils 
jene  vereinzelten  Ausnahmen,  theils  die  occidentalischen  Consular- 
tafeln,  deren  Concipienten  natürlich  in  grösserem  Umfang  als  die 
der  einzelnen  Grabschriften  über  die  Consuln  des  Ostens  informirt 
waren.  In  diesen,  insbesondere  in  derjenigen  Cassiodors,  die  wohl 
als  die  officielle  des  Gothenstaats  in  seiner  vollen  Machtstellung 
angesehen  werden  darf,  stehen  die  orientalischen  Consuln  nicht  voll- 
ständig, aber  in  solcher  Anzahl,  dass  rechtliche  Ausschliessung  der- 
selben damit  nicht  bestehen  kann.  Was  also  die  principielle 
Erwägung  der  Stellung  Theoderichs  fordert,  die  durchgängige  An- 
erkennung des  Consuls  des  Ostreichs  wird  durch  die  Documente 
nicht  widerlegt,  sondern  bestätigt. 


Inschriften,  der  von  Vienne  C.  XII,  2067  vom  Febr.  oder  März  515  Floren{tiö] 
(Westen)  et  Anthe[mio]  (Osten)  und  der  von  Lyon  Leblant  n.  663  [C.  I.  L.  XIII, 
2377]  vom  19.  Septbr.  520  Rustiano  (Westen)  et  Vitaliano  (Osten)  v(vris)  cl(arissimis). 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  25 


ggß  Ostgothische  Studien. 

Dagegen  ist  die  Legitimität  Theoderichs  von  oströmischer  Seite 
allerdings  nicht  immer  anerkannt  worden  und  während  dieser  Zeit 
hat  im  Ostreich  der  occidentalische  Consul  nicht  genannt  werden 
können.  Auch  dem  entsprechen  unsere  allerdings  sehr  sparsamen 
Denkmäler.  Odovacars  Tod  erfolgte  Anfang  493;  bis  zu  diesem 
Jahre  einschliesslich  können  die  Consuln  des  Westens,  insonderheit 
Faustus  für  491,  Albinus  für  493  von  ihm  ernannt  worden  sein  und 
wenn  sie,  wie  dies  nicht  zu  bezweifeln  ist,  den  Byzantinern  als  zu 
Recht  bestellt  galten,  so  wird  die  dem  Odovacar  früher  ertheilte 
Yollmacht  dabei  zu  Grunde  liegen.  Denn  mochte  immer  Zeno  die 
Expedition  Theoderichs  gutgeheissen  oder  auch  veranlasst  haben,  es 
248  geht  deutlich  aus  den  Berichten  hervor,  dass  er  diesem  die  Macht- 
stellung in  Italien,  wie  sie  damals  Odovacar  hatte,  nicht  an  dessen 
Stelle  übertrug,  sondern  höchstens  für  den  Fall  des  Erfolges  in 
Aussicht  stellte '.  Als  es  so  weit  war,  wurde  Theoderich  von  Zenos 
Nachfolger  Anastasius  nicht  sofort  anerkannt;  er  führte  die  Herr- 
schaft über  Italien  zunächst  ohne  byzantinische  Legitimation  und 
erst  um  498  gelang  es  ihm  diese  zu  erwirken  2.  Die  Fasten  der 
Jahre  494 — 497  zeigen  nun,  im  auffallenden  Gegensatz  sowohl  gegen 
die  vorhergehenden  wie  gegen  die  folgenden,  ausschliesslich  orienta- 
lische Consuln.  Augenscheinlich  also  hat  Theoderich  es  vermieden 
das  bestehende  Zerwürfniss  mit  dem  Ostreich  durch  factische  Aus-, 
Übung  des  ihm  nicht  eingeräumten  Privilegiums  zu  verschärfen;  wenn 
späterhin  von  gothischer  Seite  geltend  gemacht  wird,  dass  sie  hin- 
sichtlich des  Consulats  die  kaiserlichen  Rechte  respectirt  hätten! 
(8.  379),  so  wird  auch  hieran  gedacht  sein.  Von  498  an  dagegen 
erscheinen  beide  Creirungen  wieder  in  voller  Parität  und  auch  untei! 

1)  Anon.  Vales.  49:  Zeno  ....  mittens  eum  in  Italiam:  cui  Theoderieii. 
pactuatus  est,  ut,  si  victus  fuisset  Odoachar,  pro  merito  laborum  suorum  loco  eins 
dum  adveniret,  tantum  praeregnaret.  Das  heissfc  wohl,  dass  Theoderich  nach  den 
Siege  an  Zenos  Stelle  bis  zu  dessen  Eintreffen  im  Westreich  vorläufig  da 
Regiment  führen  solle.  Nachdem  Odovacar  im  J.  490  auf  die  damalige  Haupt 
Stadt  Ravenna  beschränkt  worden  ist,  sendet  Theoderich  den  Vormann  de 
Senats  Faustus  an  Zeno  ab  eodem  sperans  vestem  se  induere  regiam  (c.  53).  Abe 
Faustus  ist  bei  Odovacars  Tode  noch  nicht  zurückgekehrt  (c.  52)  und  die  Gesandt 
Schaft  erreicht  ihren  Zweck  nicht. 

2)  Anon.  Vales.  57 :  Theodericus  .  .  .  oecidit  Odoacrem:  Gothi  sibi  conflrmi 
verunt  TJieodericum  regem  (das  heisst,  er  blieb  was  er  war)  non  expectanti 
iussionem  novi  principis  ....  64:  Facta  pace  cum  Anastasio  imperatore  per  Festv 
de  praesumptione  regni  is  ei  (Hs.  regni  et)  omnia  ornamenta  palatii,  quae  Odoachi 
Constantinopolim  transmiserat ,  remittit.  Wenn  auf  das  folgende  eodem  tempo 
contentio  orta  est  in  urbe  Borna  inter  Symmachum  et  Laurentium  Verlass  ist,  so  fäl 
das  Abkommen  in  das  J.  498. 


Ostgothische  Studien.  387 

den  nicht  selten  begegnenden  Einzelconsulaten  sind  mehrfach  occiden- 
taUsche.  —  Yon  dem  späteren  Zerwürfniss,  das  an  die  Wiederbesetzung 
Sirmiums  durch  die  Truppen  Theoderichs  im  J.  504  anknüpft  und 
im  J.  50S  zu  einer  Brandschatzung  der  italischen  Küsten  durch  die 
Byzantiner  führte^,  zeigen  die  Fasten  keine  Spur;  allem  Anschein  249 
nach  war  es  wenig  mehr  als  eine  Störung  des  guten  Einvernehmens.  — 
Dass  die  für  das  Jahr  534  von  König  Athalarich  vollzogene  Ernennung 
des  Consuls  Paulinus  in  Byzanz  als  legitim  betrachtet  ward,  lehren 
zahlreiche  Verordnungen  des  Kaisers  lustinianus. 

11.  453 

Der  quaestor  palatii. 
Der  kaiserliche  Quästor,  welcher  von  dem  daneben  fortbestehen- 
den jetzt  stadtrömischen,  in  dieser  Epoche  aber  nur  für  die  Spiele 
in  Betracht  kommenden  gleichnamigen  Beamten  ^  durch  die  Doppel- 
bezeichnung comcs  ordinis  primi  intra  consistorium  et  quaestor  ^  oder 
auch  durch  Determinationen  wie  quaestor  aulae,  quaestor  intra  2)olO'- 
tium,  quaestor  sacri  ijolatii  unterschieden  wird  *,  regelmässig  aber  in 

1)  Dass  im  J.  505  der  vor  Theoderichs  Einrücken  hier  hausende  Gothen- 
führer  Mundo  dem  Commandauten  des  östlichen  Illyricum  Sabinianus  eine 
schwere  Niederlage  beibrachte,  steht  durch  das  Zeugniss  von  Marcellinus  zum 
J.  505,  Ennodius  paneg.  12,  63—69  und  Jordanes  58  fest;  der  Byzantiner  meldet 
nichts  von  der  Betheiligung  Theoderichs,  die  beiden  Occidentalen  dagegen 
schreiben  die  Besiegung  des  Sabinianus  mit  oder  hauptsächlich  dem  Feldherm 
Theoderichs  Pitzia  zu,  bei  dem  nach  Jordanes  Mundo  Schutz  gesucht  und 
gefunden  hat.  Die  letztere  Darstellung  wird  wohl  richtig  sein,  aber  die  erstere 
zeigt,  dass  man  im  Ostreich  wenigstens  späterhin  diesen  Vorgang  nicht  als 
Friedensbruch  behandelte.  Die  Plünderung  der  italischen  Küsten  im  J.  508, 
die  Marcellinus  berichtet,  wird  damit  zusammenhängen;  aber  bemerkenswerth 
ist  wiederum  der  scharfe  Tadel  dieses  Sieges,  welchen  piratico  ausu  Romani  ex 
Bomanis  rapiierunt,  bei  den  Byzantinern.  Die  Ungezogenheit,  welche  der  Priester 
Ennodius  in  seiner  505/7  gehaltenen  Ansprache  an  den  König  sich  gegen  Ana- 
stasius  herausnahm  (17,  81)  und  die  Hindeutung  auf  die  bestehende  Spannung 
in  dem  derselben  Epoche  angehörenden  ersten  Briefe  Cassiodors  zeigen  wohl  das 
gestörte  Einvernehmen,  aber  auch  nicht  mehr. 

2)  Staatsrecht  2  *,  573.  Von  den  beiden  Inschriften  des  Nicomachus  Flavia- 
nus  C.  I.  L.  VI,  1782.  1783  [=  Dessau  2947.  2948]  nennt  die  zweite  nur  die 
kaiserlichen  Aemter  und  darunter  die  kaiserliche  Quästur,  die  erste  daneben 
noch  die  stadtrömischen  Stellungen  qtmestor,  praetc»-,  pontifex  mciior.  Wo  auf 
Inschriften   die  Quästur   ohne   Beisatz  erscheint,  ist  die  stadtrömische  gemeint. 

3)  So  heisst  er  in  der  ältesten  Inschrift,  die  einen  solchen  Quästor  nennt, 
der  des  Saturninius  Secundus  praef.  praet.  unter  Julian  (C.  VI,  1764  [=  Dessau 
1255]). 

4)  Von  den  beiden  A.  2  angeführten  Inschriften  des  Flavianus,  die  beide 
tim  oder  in  dem  J.  431  gesetzt  sind,  nennt  die  eine  [n.  1783]  ihn  quaestor  aulae 

25* 


388  Ostgothische  Studien. 

den  kaiserlichen  Erlassen  und  den  sonstigen  officiellen  Actenstücken 
ohne  Beisatz  auftritt i,  wird  als  eine  Einrichtung  Constantins  be- 
zeichnet 2.  "Wahrscheinlich  ist  er  nicht  verschieden  von  dem  vicarius 
a  consiliis  sacris  der  diocletianischen  Uebergangszeit  ^,  umgenannt 
desshalb,  weil  die  in  der  früheren  Kaiserzeit  von  den  quaestores 
454  Augusti  beschaffte  Verlesung  der  kaiserlichen  Erlasse  im  Senat  nach 
den  Ordnungen  dieser  Epoche  auf  ihn  überging*.  In  der  Rang- 
ordnung, wie  sie  in  dieser  Zeit  bestand  und  durch  Valentinians 
Gesetz  vom  J.  372  definitiv  geregelt  wurde,  nimmt  der  Quästor 
seinen  Platz  in  der  Klasse  der  illustres^  als  Vorstufe  des  obersten 
Civilamts,  der  Präfectur  des  Prätorium  ®.  Zwischen  diesem  Amt  und 
dem  des  magister  officiorum,  sowie  denen  der  zwei  oder  seit  Ana- 
stasius  drei  obersten  Finanzbeamten,  den  comiies  sacrarum  largitio-\ 
num,  rerum  privatarum  und  sacri  patrimonii,  hat  keine  ganz  feste 
Rangordnung  bestanden.  Regelmässig  steht  der  quaestor  über  dem 
magister  officiorum'^;  aber  es  findet  sich  auch,  und  zwar  gleichzeitig, 


i 


divi  Theodosi,  die  andere  [n.  1782]  quaestor  intra  palatium.  Quaestor  nostri  palatii 
steht  in  einer  Verordnung  Theodosius  II.  (cod.  lust.  7,  62,  32,  1).  Exquaestor 
palatii  nennt  sich  Cassiodor  in  den  Subscriptionen ;  als  Quästoren  xov  naXaxiov 
unterscheidet  sie  Lydus  de  mag.  1,  28  von  den  älteren.  E3cqu(a)estor  s(a)c(ri) 
p(alatii)  in  einer  römischen  Inschrift  vom  J.  472  (Rossi  1  n.  844  [C.  I.  L.  VI,  32037] \ 
q.  Tov  ■d'siov  nakaxlov  in  lustinians  V.-O.  nov.  8  c.  7  und  sonst. 

1)  Quaestor  schlechtweg  heisst  er  in  der  Not.  dign.  und  in  allen  Schreiben 
Cassiodors  (praef.  5,  3,  4.  6,  5.  8, 13.  14.  18.  19.  9,  24.  10,  6.  7),  ebenso  regel- 
mässig in  den  kaiserlichen  Erlassen. 

2)  Zosimus  5,  32. 

3)  Wir  kennen  ihn  nur  aus  der  Inschrift  des  Caelius  Satuminus  C.  I.  L. 
VI,  1704  [=  Dessau  1214],  wo  er  im  Avancement  die  nächste  Stufe  über  dem 
magister  studiorum  und  dem  magister  libellorum  bildet.  Vgl.  meine  Abhandlung 
in  den  memorie  dell'  instituto  archeologico  2  p.  327. 

4)  Staatsrecht  2  ^  569  ff.  lustinian  wird  es  zum  Vorwurf  gemacht  [Procop. 
hist.  arc.  14] ,  dass  er  trotz  seiner  barbarischen  Aussprache  seine  Erlasse  selbst 
und  nicht  durch  den  Quästor  vorgetragen  habe.  Claudian  de  cons.  Mallii 
Theodori  35 :  oracula  regni  eloquio  crevere  tuo.  Cassiodor  var.  5,  4.  6,  5 :  nostrae 
linguae  vox. 

5)  C.  Th.  6,  9,  1.  Schon  Satuminius  Secundus  (S.  387  A.  3)  übernimmt  diei 
Quästur  nach  dem  Proconsulat,  der  obersten  Stufe  in  der  zweiten  Rangklasse.! 

6)  Sowohl  Saturninius  (S.  387  A.  3)  wie  Flavianus  (S.  387  A.  2)  erhalten  | 
nach  der  Quästur  die  Präfectur;  ebenso  Ausonius  (cann.  3,  35  Schenkl)  und' 
Andere. 

7)  So  in  den  Erlassen  von  362  (C.  Th.  11,  39,  5)  —  372  (C.  Th.  6,  9,  1)  — 
380  (C.  Th.  6,  9,  2  =  C.  lust.  12,  6,  1)  —  416  (C.  Th.  6,  26, 17)  —  440/1  (C.  lust. 
12,  8,  2);  ebenso  steht  der  Quästor  voran  in  den  Titeln  des  C.  Th.  1,  8.  9  und 
in  den  Formeln  Cassiodors  6,  5.  6. 


Ostgothische  Studien.  389 

die  umgekehrte  Folge  ^  und  selbst  die  Ernennung  eines  gewesenen 
Quästor  zum  Magister  ^.  Fester  erscheint  der  Vorrang  dieser  beiden 
Aemter  vor  denen  der  Finanzminister  ^,  aber  die  wesentliche  Gleich- 
heit auch  dieser  Stellungen  geht  daraus  hervor,  dass  ein  solches 
Finanzamt  einem  gewesenen  Quästor  übertragen  werden  kann*. 
Ueberhaupt  werden  diese  vier  oder  später  fünf  Aemter  insofern  zu- 
sammengefasst,  als  sie  in  Gemeinschaft  mit  den  besonders  berufenen 
Beisitzern  das  kaiserliche  Consistorium  bilden  und  sie,  im  Gegensatz 
zu  den  obersten  Trägern  der  Verwaltung  und  des  Commandos,  den  455 
praefecti  practorio  und  den  magistri  milihim  die  Organe  des  unmittel- 
baren kaiserlichen  Regiments  sind^. 

Wenn  dieser  Beamte  seine  Benennung  wahrscheinlich,  wie  gesagt, 
davon  erhalten  hat,  dass  er  die  dazu  bestimmten  kaiserlichen  Erlasse 
zum  Vortrag  bringt,  so  beruht  seine  Stellung  vielmehr  darauf,  dass 
er  die  kaiserlichen  Schriftstücke  concipirt  und  dem  Kaiser  zur  Unter- 
schrift vorlegt,  während  die  verschiedenen  magistri  scrinii  wohl  auch 
nach  mündlicher  Anordnung  des  Kaisers  einen  Bescheid  in  dessen 
Namen  ertheilen,  aber  dafür  die  kaiserliche  Unterschrift  nicht  er- 
wirken können^.     Im  Besonderen  wird  die  Thätigkeit  des  Quästors 


1)  So  in  den  Erlassen  von  409  (C.  Th.  11,  8,  1)  und  415  (C.  Th.  1,  8,  1),  sowie 
in  der  Notitia  dignitatum.  Seeck  {quaest.  de  not,  dign.  1872  S.  12)  erkennt 
darin  eine  zeitweilige  Verschiebung  der  Rangordnung;  aber  die  Daten  stimmen 
dazu  nicht.  • 

2)  Dies  gilt  bekanntlich  von  Cassiodor,  und  es  ist  dies  um  so  bemerkens- 
werther,  als  in  den  Formeln  die  Quästur  voransteht.  Auch  Eugenites  war  nach 
var.  1,  13  erst  Quästor,  dann  Magister.  Anastasius,  dem  Corippus  seinen  Pane- 
gyricus  auf  lustinus  II.  zuschrieb,  war  gemino  lionore  quaestor  et  magister.  Auch 
Tribonianus  wird  in  der  Adresse  der  Novelle  23  angeredet  als  illustris  magistei' 
offidorum  et  quaestor  sacri  palatii,  während  gewöhnlich  nur  die  Quästur  genannt 
wird, 

3)  Vgl.  ausser  andern  Stelleu  besonders  die  Worte  etiam  comites  rei  privatae 
in  der  VO.  von  440  C.  lust.  12,  8,  2. 

4)  Mallius  Theodorus  Consul  399  nach  Claudian  34.  In  lustinians  nov.  8 
c.  7  steht  der  comes  sacr.  larg.  vor  dem  Quästor  und  dem  comes  rer.  priv. 

5)  Eine  VO.  von  384  C.  Th.  7,  8,  3  nennt  sie  im  Gegensatz  zu  den  praefecti 
praetorio  und  den  magistri  militum  geradezu  comites  consistwiani  (ebenso  C.  Th. 
6,  30,  1.  4)  und  bezeichnet  sie  als  participantes  augusti  pectoris  curas,  ebenso  eine 
andere  vom  J.  372  (C.  Th.  6,  9,  1)  als  die  qui  sacrario  nostro  oboediunt  (vgl.  Gotho- 
fred  zu  beiden).  Von  dieser  Seite  her  heisst  der  Quästor  bei  Symmachus 
ep.  1,  23  consilü  regalis  particeps,  bei  Prokopius  bell.  Pers.  1,  14,  bell.  Goth.  1,  14 
des  Kaisers  so  wie  des  Gothenkönigs  naQedQog. 

6)  So  scheint,  insbesondere  nach  der  Novelle  19  Valentinians  III.,  das  Ver- 
hältniss  dieser  beiden  Behörden  aufgefasst  werden  zu  müssen.  Hier  wird  unter- 
schieden die  adnotatio  nostri  nominis  oder  nostra,  bei  der  der  Quästor  mitwirkt. 


390  Ostgothische  Studien. 

in  der  officiellen  Beamtenliste  und  häufig  auch  bei  den  Schriftstellern  ^ 
auf  zwei  Gegenstände  bezogen,  die  leges  und  die  preces:  er  entwirft 
(dictat)  theils  die  Gesetze,  welche  der  Kaiser  zu  erlassen  beabsichtigt, 
theils  die  Bescheidungen  der  an  den  Kaiser  gelangenden  Eingaben. 
Sicher  sind  die  leges  hier  im  weiteren  Sinn  zu  nehmen  und  alle  von 
456  der  Regierung  getroffenen  administrativen  Verfügungen,  auch  die 
transitorischen  und  die  personalen  dabei  einbegriffen.  Ueberhaupt 
aber  stehen  beide  Thätigkeiten  allem  Anschein  nach  nur  exempli- 
ficatorisch  und  liegt  dem  Quästor  vielmehr  allgemein  die  Concipirung 
der  vom  Kaiser  ausgehenden  schriftlichen  Ausfertigungen  ob  2. 

Aber  ob   dem  Quästor  auch  die  Ausfertigung  der  Bestallungenl 
oblag,  bedarf  insbesondere  bei  der  Beschaffenheit  der  Briefsammlunj 
Cassiodors  einer  eingehenden  Erörterung.     Die   ersten  zehn  Bücher| 
derselben,   in  denen  er,   nach  seiner  Aeusserung  in  der  Vorrede  zi 
den  beiden  letzten,  ore  regis  redet,  ruhen  wesentlich  auf  der  Quästur^ 
Zwar  hat  nach  der  Hauptvorrede  er  diese  Schreiben  in  einer  seinei 
drei  Amtstellungen  theils  als  quaestor,  theils  als  magister  officiorur 
theils  als  praefectus  praetorio  abgefasst  und  es  lassen  auch  diese  drei 
Massen  in  der  Sammlung  selbst  chronologisch  sich  bestimmt  von  ein| 
ander  scheiden;*)  aber  das  Verhältniss  der  drei  Aemter  zu   diesei 
Geschäft  ist  nicht  das  gleiche.     In  der  zweiten  Stellung  sei  er,  be-^ 


und  das  rescriptum  simplex,  welches  von  einem  magister  scrinii  ausgeht,  um 
angeordnet,  dsifes  bei  Bittschriften  um  Niederschlagung  der  Untersuchung  wegen 
Todtschlags  allein  die  erstere  Fonn  zur  Anwendung  kommen  soll.  Der  Gegen- 
satz der  beiden  Aemter,  wie  die  Not.  dign.  ihn  bezeichnet,  dass  da  sind  sub 
dispositione  v.  i.  quaestaris  leges  dictandae,  preces,  und  dass  der  magister  memoiiae 
adnotationes  omnes  dictat  et  emittit  et  precibus  respondet,  der  magister  epistularum 
legationes  civitatum,  consultationes  et  preces  tractat,  der  magister  libellorum  cognitiones 
et  preces  tractat,  ist  wohl  mehr  der  Form  als  der  Sache  nach  verschieden.  Die 
kaiserliche  Beantwortung  der  Eingabe  erfolgt  in  doppelter  Weise ,  entweder 
durch  den  Quästor  mit  kaiserlicher  Unterschrift  oder  ohne  solche  durch  einen 
der  fnagistri  scrinii.  Bei  dem  ersteren  Verfahren  wurde  vielleicht  schon  das 
Concept  auf  dem  Rand  der  Eingabe  vom  Kaiser  gezeichnet,  da  die  Verordnung 
dies  adnotatio  nostra  nennt,  auf  jeden  Fall  das  Mundum  dem  Kaiser  zur  Unter- 
schrift vorgelegt.  Bei  dem  zweiten  notirt  der  magister  memoriae  oder  ein  anderer 
der  magistri  scrinii  auf  dem  Rand  der  Eingabe  nach  mündlicher  Anweisung  des 
Kaisers  die  Antwort  (adnotationes  omnes  dictat)  und  besorgt  dann  selbst  die  Aus- 
fertigung und  Zustellung  (et  emittit).  Vgl.  P.  Krüger  Geschichte  der  Quellen 
des  röm.  Rechts  S.  269. 

1)  Symmachus  ep.  1,  23:  precum  arbiter,  legum  conditor.  Claudianus  de 
cons.  Theod.  34:  terris  edicta  daturus,  supplicibus  responsa.  Corippus  ad  Anastas.  28 : 
prineipis  auspicio  leges  et  iura  gubernans. 

2)  Zosimus  5,  32:  o  rä  ßaoikeX  doxovvra  rerayfiivog  vnayogevsiv  (^  dictare). 
*)  [Vgl«  darüber  Mommsen  in  der  Vorrede  zu  seiner  Ausgabe  p.  XXVII  ff.] 


li  J 


Ostgothische  Studien.  391 

merkt  er  ebendaselbst,  häufig  für  den  Qiiästor  eingetreten;  die  Ab- 
fassung auch  eigentlich  von  Amtswegen  nicht  von  ihm  zu  entwerfender 
königlicher  Schreiben  sei  ihm  oftmals  übertragen  und  die  Competenz- 
grenze  in  dieser  Hinsicht  nicht  eingehalten  worden  ^  In  gleicher 
Weise  wird  mehrfach  von  ihm  hervorgehoben,  dass  er  als  Präfect 
nicht  selten  das  Geschäft  des  Quästor  versehen  habe  2.  Es  muss 
also  die  Abfassung  der  in  diesen  zehn  Büchern  enthaltenen  Briefe 
wesentlich  in  die  Competenz  des  königlichen  quaestor  palatii  gefallen 
sein;  der  Mehrzahl  nach  sind  dieselben  entweder  von  ihm  als  Quästor 
entworfen  worden  oder  hätten  doch  im  regelmässigen  Geschäftsgang 
von  dem  Quästor  concipirt  werden  sollen,  Nun  sind  in  dieser  Samm- 
lung die  oben  bezeichneten  quästorischen  Geschäftskreise,  die  Gesetz- 
entwürfe in  der  Form  der  edicta  (jeneralia  und  die  Bescheide  auf 
Ansuchen,  die  2)reces,  zahlreich  vertreten.  Auch  hinsichtlich  der 
übrigen  Königsbriefe,  zum  Beispiel  der  an  den  Kaiser  von  Con-  457 
stantinopel  und  an  die  Könige  des  Occidents  gerichteten,  weisen  die 
römischen  Ordnungen  wenigstens  keinen  zur  Entwerfung  derselben 
näher  berufenen  Reichsbeamten  auf  und  steht  der  Annahme  nichts 
im  Wege,  dass  auch  solche  Concepte  regelmässig  von  dem  Quästor 
aufgesetzt  wurden.  Aber  keine  Kategorie  ist  stärker  in  diesen  zehn 
Büchern  der  Variae  bedacht  als  die  der  Berufungsschreiben;  nicht 
bloss  sind  deren  zahlreiche  durch  die  übrigen  acht  Bücher  zerstreut, 
sondern  die  beiden  nicht  Ausfertigungen,  sondern  Schemata  zu  solchen 
•  enthaltenden  Bücher  (6.  7)  sind,  neben  wenigen  in  die  Kategorie  der 
preces  fallenden^  und  einigen  anderen  verschiedene  statarisch  sich 
wiederholende  Geschäfte   betreffenden*,   lediglich  Formulare  für  die 

1)  9,  24  (an  ihn  selbst  gerichtet  bei  Uebertragung  der  Präfectur):  quo  loco 
positus  (als  may ister)  semper  quaestorihus  adfuisti:  nam  cum  opus  esset  eloquio 
defaecato,  causa  tuo  protim<s  crcdebatur  infjenio:  exigebaris  a  benif/no  principe  quod 
se  tibi  noverat  minime  cominisisse  et  .  .  .  vacuabat  alias  labore,  ut  te  sententiae  suae 
copiosa  laude  comphret:  non  enim  proprios  fines  sub  te  ulla  dignitas  custodivit, 
qmndo  conscientiae  tuae  constat  a'edituin,  quod  a  multis  fuit  proceribus  .  .  pera- 
gendum. 

2)  Vorrede  [§  7]:  Frequenter  quaesturae  vicibus  ingrarato  otii  tempus  adimit 
crebra  cogitutio  et  .  .  .  illa  tibi  de  aliis  honorihus  principes  videntur  imponere,  quae 
proprii  iudices  {==  Beamte)  nequeunt  explicare.  Ebenso  schreibt  Athalarich  dem 
Senat  9,  25  [§  8]:  reperimus  eum  quidem  magistrum,  sed  implevit  nobis  quaestoris 
officium. 

3)  Schutzbrief:  7,39.  42.  Heirathserlaubniss:  7,40.  Alterserlass:  7,41.  46. 
Einräumung  öffentlichen  Bodens:  7,44.     Steuererlass:  7,45. 

4)  Steuerhebung:  7,20—22  —  Verpflegung  der  zum  Kaiser  sich  begebenden 
Gesandten:  7,  33  —  Ladung  an  den  Hof:  7,  34.  35  —  Urlaub  für  den  Senator: 
7,  36  —  Verkauf  von  Domanialgruudstücken :  7,  47.  Alle  übrigen  Schreiben  dieser 
beiden  Bücher  enthalten  Ernennungen. 


392  Ostgofchische  Studien. 

Berufung  zu  den  von  dem  König  zu  besetzenden  Aemtern.  Da  der 
Verfasser  ausdrücklich  erklärt  durch  diese  Schemata  sich  und  seinen 
Amtsnachfolgern  die  Geschäfte  erleichtern  zu  wollen,  so  kann  die 
Frage  nicht  abgelehnt  werden,  in  wie  fern  die  Ausfertigung  der 
Berufung  im  Amtkreis  des  Quästors  enthalten  ist. 

Das  Verzeichniss  aller  Civil-  und  Militärbeamten,  die  notitia 
omnium  dignitatum  et  administrationum  tarn  civilium  quam  militarium 
oder  das  laterculum  malus  führt  der  primicerius  notariorum^  und  so 
viel  wir  sehen,  hat  der  Quästor  damit  im  Allgemeinen  nichts  zu 
schaffen.  Indess  gilt  dies  vollständig  nur  für  den  Occident  und  für 
die  zum  Ostreich  gehörigen  Commandos  an  der  Donau.  In  dem 
übrigen  Ostreich,  ungefähr  also  ^  in  Aegypten  und  dem  Orient  erscheint 
ein  sogenanntes  minus  laterculum,  welches  eine  Anzahl  Offizierstellen 
zweiten  Grades  umfasst  und  sicher  aus  der  schon  in  der  früheren 
Kaiserzeit  wahrnehmbaren  Zurücksetzung  der  Truppen  der  griechi- 
schen Reichshälfte'*  hervorgegangen  ist.  Es  gehören  zu  denselben 
die  den  magistri  militum  unterstellten  Offiziere  überall  nicht,  und 
von  den  den  comites  und  duces  der  Grenzarmeen  untergebenen  nur 
die  geringeren,  die  Commandanten  der  Legionen  nicht,  die  der  Alan 
zum  grösseren  Theil,  die  Cohortenführer  durchaus,  im  ganzen  nach 
458  der  Not.  dign.  122  Offiziere.  Diese  erhalten  ihre  Ernennung  von 
Rechtswegen  durch  den  Quästor.  Freilich  zogen,  wie  es  scheint 
unter  dem  schwachen  Regiment  des  Arcadius,  die  magistri  militum, 
wahrscheinlich  die  praesentales,  diese  Ernennungen  an  sich;  aber  in 
einer  Verordnung  vom  J.  415  wird  dies  Verfahren  als  eingerissener 
Missbrauch  bezeichnet  und  auf  Beschwerdeführung  des  Quästors  zu- 
nächst dahin  beschränkt,  dass  vierzig  dieser  Stellen  ihm  und  dem 
von  ihm  abhängigen  scrinium  memoriae  zurückgegeben  werden*. 
Bald  nachher  im  J.  425  wird  die  alte  Ordnung  vollständig  wieder- 
hergestellt und  dabei  ist  es  geblieben  ^  Sicher  ist  bei  diesen 
Ernennungen  nicht  minder  wie  bei  den  im  maius  laterculum  ver- 
zeichneten die  kaiserliche  Entschliessung  eingeholt  worden ;  aber  der 

1)  Not.  Dign.  Or.  c.  18,  Occ.  c.  16. 

2)  Auch  die  drei  in  den  Provinzen  Rhodope  und  Thrakien  stehenden 
Cohorten  (not.  or.  c.  40,  44  ff.)  folgen  dem  System  des  Orients. 

3)  Hermes  19,  22  [oben  S.  40].  Dass  die  auch  sonst  mehrfach  hervortretende 
Bevorzugung  der  Donauducate  vor  denen  Aegyptens  und  des  Orients  in  frühe  Zeit 
zurückreicht,  beweist  ihre   gleichmässige  Behandlung  in  beiden  ßeichshälften. 

4)  C.  Th.  1,  8,  1.  Da  von  dieser  Anordnung  zwei  magistri  militum  m 
Kenntniss  gesetzt  werden,  so  scheinen  die  beiden  constantinopolitanischen  ge- 
meint, die  auch  bei  der  Beamtenernennung  am  leichtesten  concurriren  konnten. 

5)  C.  Th.  1,  8,  2.  3  =  C.  lust.  1,  30,  1.  2. 


Ostgothische  Studien.  393 

Vorschlag  lag  hier  dem  Quästor,  die  Führung  der  Liste  dem  Personal 
des  scrinium  memoriae  ob.  Dagegen  werden  die  im  malus  laterculum 
verzeichneten  Offiziere  auf  Vorschlag  des  magister  milituni  ernannt 
und  durch  das  Bureau  der  kaiserlichen  notarii  in  die  Listen  eingezeich- 
net worden  sein.  Der  zwischen  beiden  Stellen  bestehenden  Eifersucht 
mag  die  Einwirkung  auf  die  Personalfrage  zu  Grunde  liegen,  welche 
mit  der  Vermittelung  der  Berufungen  sich  naturgemäss  verbindet; 
zunächst  aber  bezieht  sie  sich  vermuthlich  auf  die  Sportein,  welche 
in  der  späteren  Kaiserzeit  bei  der  Ernennung  der  hohen  wie  der 
niederen  Beamten  in  ausgedehntester  und  gemeinschädlichster  Weise 
erhoben  wurden.  —  Was  die  Ernennungen  der  Civilbeamten  anlangt, 
80  pflegte  der  praefectus  praetorio  die  Provinzialstatthalter^  der 
Stadtpräfect  die  ihm  unterstehenden  hauptstädtischen  Beamten ^  bei 
dem  Kaiser  in  Vorschlag  zu  bringen;  wahrscheinlich  ist  überhaupt 
in  dieser  Epoche  es  üblich  gewesen  die  unteren  Aemter  nach  Vor- 
schlag oder  doch  nach  Anhörung  des  beikommenden  Oberbeamten 
zu  besetzen.  —  Die  Ernennung  der  Oberbeamten  selbst  geht  officiell 
aus  freier  königlicher  Entschliessung  hervor  und  giebt  es  ein  formu- 
lirtes  Vorschlagsverfahren  dafür  überall  nicht. 

Für  ein  Vorschlagsrecht  des  Quästors  bietet  sich  hienach  kein 
genügender  Anhalt:  bei  den  Civilbeamten  findet  sich  davon  keine  459 
Spur  und  für  die  Offizierbestellung  im  Occident,  welchem  das  minus 
Interctdum  fremd  ist,  ebenso  wenig.  Aber  neben  dem  Vorschlag 
bedurfte  es  noch  der  Notification:  die  von  dem  Kaiser  auf  Vorschlag 
oder  auch  immediat  beschlossene  Anstellung  eines  Beamten  musste 
dem  Betreffenden  zur  Kenntniss  gebracht  werden.  In  welcher  Form 
dies  geschah,  ist  anderweitig  nicht  mit  Sicherheit  festzustellen;  aber 
es  steht  der  Annahme  nichts  im  Wege,  dass  sie  wenigstens  in  der 
nachdiocletianischen  Epoche  regelmässig  durch  kaiserliches  Hand- 
schreiben erfolgte  und  dass  die  Entwerfung  desselben  so  wie  die 
Erwirkung  der  kaiserlichen  Unterschrift  dafür  zu  den  regelmässigen 
Obliegenheiten  des  Quästors  gehörte,  Theoderich  also  in  dieser  Hin- 
sicht nur  das  hergebrachte  Verfahren  beibehalten  hat.  Es  wird  dies 
weiter    bestätigt    durch    einige  allgemeine   Redewendungen   Cassio- 


1)  Cod.  lust.  2,  7,  9  vom  J.  442:  electione  tuae  sedis;  9,  27,  6  vom  J.  439: 
'implitudinis  tuae  testimonio  und  nachher:  per  sedis  tuae  vel  nostram  electionem. 
lustinian  nov.  8  c.  8:  rjjusTSQq  r/>^(po}  xai  xqIosi  Tfjg  afj<;  vJtsQojifj';. 

2)  Nach  der  Verordnung  Cod.  Th.  1,  6,  6  vom  J.  365  soll  der  Stadtpräfect, 
wo  er  dazu  Anlass  findet,  über  jeden  städtischen  Beamten  bei  dem  Kaiser  Be- 
schwerde führen  und  es  wird  bei  eintretendem  Personenwechsel  auf  sein  testimo- 
nium  Rücksicht  srenommen. 


394  Ostgothische  Studien. 

clors  ^  Die  Wichtigthuerei  des  'letzten  Römers'  und  sein  in  den  Be- 
rufungsschreiben schwelgendes  Complimentirbedürfniss  mag  die  quästo- 
rische  Betheiligung  wohl  insofern  in  ein  unrichtiges  Licht  stellen,  als 
in  all  diesen  Schreiben  nur  die  gefasste  kaiserliche  Entschliessung  zuf 
Ausfertigung  gelangt.  Aber  die  gewöhnliche  Competenz  des  Quästors 
ist  hiebei  sicher  nicht  überschritten  worden.  Auf  einen  politischen 
Einfluss  des  ausfertigenden  Beamten  führt  keine  Spur  und  es  ist 
überhaupt  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  Cassiodor  einen  solchen  zu 
keiner  Zeit  besessen  hat.  Andererseits  aber  bestätigt  auch  die  ge- 
nauere Prüfung  den  ersten  Eindruck,  dass  die  Bestallungsschemata 
Cassiodors  einigermassen  in  Parallele  gestellt  werden  können  mit 
der  Notitia  dignitatum  und  den  entsprechenden  Abschnitten  der 
Rechtsbücher  von  Theodosius  und  lustinian  und  dass  sie  uns  ein 
annähernd  geordnetes  Yerzeichniss  der  von  dem  germanischen  Reichs- 
verweser zu  vergebenden  Aemter  und  Ehren  liefern.  fl 

460  III.  1 

Die  Civilämter. 
Die  kaiserliche  Befugniss  Aemter  und  Ehren  zu  verleihen  ist 
nach  dem  Untergang  des  selbständigen  Regiments  im  Westreich  auf 
die  zu  dessen  Verwesern  bestellten  germanischen  Fürsten,  zunächst 
auf  Odovacar^,  sodann  auf  Theoderich  und  dessen  Nachfolger  über- 
gegangen. Es  kann  dies  nur  auf  ein  Abkommen  zwischen  ihnen 
und  den  Herrschern  der  griechischen  Reichshälfte  zurückgeführt 
werden;  wenn  Theodahathus  in  den  mit  den  Vertretern  lustinians 
vereinbarten  Präliminarien  darauf  verzichtet  den  Patriciat  und  die 
nach  damaliger  Ordnung  zum  Sitz  im  Senat  berechtigenden  Aemter 
zu  verleihen^,  so  liegt  darin  das  Anerkenntniss,  dass  seine  Vorgängeij 

1)  Die  Quästur  heisst  ihm  6,  5  [§  5]  genetrix  omnium  dignitatum;  8,  13  [§  7 
fons  omnium  dignitatum;  ebenso  8,  14  [§  2]:  beneficiis  nostris  quasi  quandam  ianuan 
cogitavimus  dare  quaestorem,  per  quem  venientium  dignitatum  culmina  decenter  exirent 

2)  Die  wenigen  Documente  aus  Odovacars  Zeit  zeigen  völlig  dieselbe  Titu 
latur  wie  die  der  gothischen  Epoche.  In  einem  Schenkungsbrief  vom  J.  48! 
(Marini  p.  82)  heisst  König  Odovacar  Andromacum  v.  i.  et  magnifieum  magistrur, 
officiorum  consiliarium  nostrum  pro  nobis  subscribere ,  offenbar  weil  er  selbst  de 
Schrift  nicht  kundig  ist,  und  Andromachus  unterzeichnet  ex  pi'aecepto  regii 
Auf  der  römischen  Synode  von  502  wird  aus  einem  älteren  Protokoll  verleser 
was  subUmis  et  eminentissimus  vir,  praefectus  praetorio  atque  patricius,  agens  etiai 
viees  praecellentissimi  regis  Odoacris  Basilius  dixit  (Thiel  epist.  pontificum 
p.  686).    Den  comes  Bracila  nennt  lordanes  Get.  46,  243. 

3)  Prokop  bell.  Goth.  1,  6:  rjv  de  ys  rwv  vjiijxöcov  riväg  eg  xb  rcöv  naxQiTtia 
rj  dXXo  ßovXfjg  u^lwfia  OevSarog  dyayetv  ßovXrjxai,  zovro  8e  ovx  avxov  dcöoeiv,  dki 
ßaodsa  ahrjosiv  didövac.     Malalas  p.  384  überträgt  dies  irrig  auf  Theoderich. 


Ostgothische  Studien,  395 

dazu  vertragsmässig  befugt  waren.  Auch  vom  byzantinischen  Stand- 
punkt aus  führte  der  von  Theoderich  ernannte  Präfect  der  Stadt 
Rom  ebenso  rechtmässig  sein  Amt  wie  sein  College  in  Constantinopel. 
Vertragsraässige  Beschränkungen  dieser  Befugniss  haben  keine  Wahr- 
scheinlichkeit, da  eine  solche  zunächst  bei  dem  Consulat  eingetreten 
sein  würde  und  bei  diesem,  wie  wir  sahen  ^,  die  Reichsverweser  die 
kaiserlichen  Rechte  in  vollem  Umfang  ausgeübt  haben. 

Die  Civilverwaltung  des  Occidents  blieb  unter  den  germanischen 
Königen,  wie  die  Imperatoren  sie  geordnet  hatten^.  Auch  die  drei  461 
Stufen  derselben,  die  Provinzialverwaltung,  die  Mittelinstanz  der 
Vicariate,  die  hohen  unmittelbar  vom  Herrscher  abhängigen  Hofämter 
finden  sich  wesentlich  unverändert  wieder,  so  weit  nicht  die  engeren 
Grenzen  dieses  Westreichs  Aenderungen  bedingten,  und  sie  werden 
mit  einer  einzigen  sogleich  zu  erörternden  Ausnahme  lediglich  mit 
Römern  besetzt^.  Nicht  die  Gothen  haben  dem  Westreich  ein  Ende 
j  gemacht;  erst  Kaiser  Justinian  hat  Italien  nach  der  Eroberung  in 
eine  Provinz  des  byzantinischen  Staates  umgewandelt*. 

Die  Provinzialstatthalter,  zusammenfassend  bezeichnet  als  iudices 

provinciaruni,  zerfallen  auch  jetzt  noch  in  die  drei  Rangklassen  der 

consiäares,  correctores  oder  rectores,  praesides,  mit  wesentlich  gleicher 

Competenz  sowohl  hinsichtlich  der  Rechtspflege  wie  hinsichtlich  der 

Steuerhebung. 

I  Von   den  Mittelinstanzen  erscheint  der  vicarius  urhis  Bomae  in 

'  der  gleichen  Stellung  wie  früher.     Auch  ist  nach  der  Besetzung  der 

angrenzenden  gallischen   Landschaften   der  Vicariat  für  Gallien   er- 

j  neuert  worden^.     Wenn  der  dritte  Vicariat,  der  in  die  Grenzen  des 

j  damaligen  Westreichs  fiel,    der  von  Italien   in  den  Documenten  der 

'  1)  Neues  Archiv  Bd.  14  S.  240  ff.  [oben  S.  378  ff]. 

2)  Anon.  Vales.  60:   (Theodericus)  mUitiam  Romanis  sicut  suh  prindpes  esse 
i  j  praecepit. 

1  o)  Procop  b.  G.  2,  6 :    ndoag   xag  Tfjg  Jiohreiag   dgxcig  avxoi  /.lev  (die   Römer) 

!     diaysyövaoiv  e'xovTEg,    röxdog   8k   avzöJv  fiezsax^v  ovöei?.     In  demselben   Sinn   hält 
t  I  Totila  b.  Goth,  3,  21   den  Römern  ihre  Undankbarkeit  gegen  Theoderich  und 
Athalarich  vor:   im  tfjg  ägxf}?  dndarjg  avxol  kg    dsi  xaraordvieg  xai  rrjv  nokizsiav 
diotxrjodi^Evoi  hätten  sie  Italien  an  die  Griechen  ausgeliefert. 

4)  Totila  (a.  a.  0.)  hält  den  Römern  weiter  vor,  dass  sie  durch  ihren  Ueber- 
tritt  zu  Justinian  nur  sich  selber  geschädigt  und  ihre  Magistraturen  fast  alle 
eingebüsst  hätten  (tag  aQx^^?  dqpfJQtjvro  ox^Söv  zi  aTidoag). 

5)  Die  Ernennung  des  ersten  vicarius  praefectorum  für  Gallien  Gemellus 
«.  sp.  enthalten  die  Erlasse  var.  3,  16.  17  (vgl.  8,  32.  4,  12.  19.  21.)  Er  wird  auch 
als  vicarius  vir  spectahilis  von  Avitus  ep.  85  [32]  erwähnt.  Das  alte  Determinativ 
Septem  provinciaruni  ist  schwerlich  wieder  aufgenommen,  wahrscheinlich  dafür 
GaJliarum  gesetzt  worden. 


^96  Ostgothische  Studien. 

gothischen  Epoche  nicht  auftritt^,  so  ist  diese  Stelle  nicht  erst  von 
den  germanischen  Reichsverwaltern  aufgehoben  worden.  Bestanden 
hat  sie  nachweislich  noch  im  Jahre  399  2;  in  der  kurz  nachher  redi- 
girten  Notitia  Dignitatum  Occidentis  ist  der  vicarius  Italiae  zwar  in 
der  Uebersicht  der  Aemter  stehen  geblieben,  aber  im  Text  gestrichen  ^ 
Wahrscheinlich  ist  dies  geschehen  bei  der  Verlegung  des  Sitzes  der 
Regierung  von  Rom  nach  Ravenna  im  Jahre  404;  das  italische 
462  Militärcommando ,  das  die  Notitia  aufführt,  mag  damals  eingerichtet 
und  zugleich  die  Civilverwaltung  der  bisherigen  Vicarien  auf  den 
comes  Italiae  übergegangen  sein.f) 

181  t)  (Nachtrag.*)  Was  hier  über  die  ncam  der  Gothenzeit  gesagt 

ist,  stimmt  nicht  mit  den  Ergebnissen,  zu  welchen  zwei  junge  Gelehrte, 
Charles  Diehl  in  Nancy*  und  Ludo  Hartmann  in  Wien 5,  die  kürzUch 
das  byzantinische  Regiment  über  Italien  eingehend  untersucht  haben, 
freilich  unter  sich  wieder  abweichend,  gelangt  sind;  und  ich  bin  da- 
durch veranlasst  auf  die  Frage  zurückzukommen,  um  so  mehr  als| 
ich  eine  vor  Jahren  von  mir  darüber  gemachte  und  von  den  Genannten ! 
angezogene  Bemerkung  als  unhaltbar  zu  bezeichnen  habe.  [ 

Die  Nichtexistenz  des  Vicariats  von  Italien  in  der  ostgothischen 
Zeit  glaube  ich  erwiesen  zu  haben;  das  Fehlen  einer  dafür  geeigneten 
Formel  bei  Cassiodor  reicht  in  der  That  allein  schon  dazu  aus. 
Aber  wenn  in  byzantinischer  Zeit,  und  zwar  nachdem  Mailand  in 
die  Hände  der  Langobarden  gekommen  war,  die  Rede  ist  von  einem 
Johannes  vir  magnificus,  der  nach  Genua  kommt  praefecturae  vicet 
illic  acturus  als  Nachfolger  eines  Vigilius,  qui  vices  ülic  ante  hum 
praefecturae  gessit^,  so  kann  ich  nur  gegen  Hartmann  (S.  40)  Dieh 
(S.  161)   darin  beitreten,    dass    dies  ein  ständiger  Beamter  gewesei 

1)  Das  fwum  Mediolanense  (var.  8,  19  [§  5])  kann  füglich  das  des  Consulari 
von  Ligurien  sein. 

2)  C.  I.  L.  VI,  1715  [=  Dessau  1274]:  Oronio  Eusebio  v.  c vicario  Itäliai 

gesetzt  im  Jahre  399. 

3)  Dass  er  nicht  durch  Blattausfall  fehlt,  hat  Seeck  quaest.  de  not.  digt 
(1872)  S.  28  gezeigt;  ob  durch  Schreiberversehen  oder  als  inzwischen  aufgehober 
lässt  er  dahingestellt.  Die  Vergleichung  Cassiodors  entscheidet  für  die  zweit 
Alternative. 

*)  [Neues  Archiv  15  (1890)  S.  181  —  183.]  j 

4)  Etudes  sur  l'administration  Byzantine  dans  l'exarchat  de  Ravenncj 
Paris  1888. 

5)  Untersuchungen  zur  Geschichte  der  byzantinischen  Verwaltung  in  Italiei 
Leipzig  1889. 

6)  Gregorius  ep.  9,  35  [103],  gerichtet  an  den  damals  in  Genua  res 
direnden  Bischof  von  Mailand. 


Ostgothische  Studien.  397 

sein  inuss;  darauf  führt  sowohl  die  Nachfolge  wie  die  Nennung  nicht 
des  praefectus,  sondern  der  praefectura.  Andererseits  aber  steht 
nichts  der  Annahme  entgegen,  dass  bei  der  Ordnung  Italiens  Justinian 
den  comes  Italiae  wieder  beseitigt  und  den  vicarius  Italiae  her- 
gestellt hat. 

Dass  nach  der  Eroberung  Galliens  der  Vicariat  für  Gallien  von 
Theoderich  wiederhergestellt  ward,  ist  unbestreitbar  und  unbestritten  ^ ; 
und  diese  Thatsache  allein  widerlegt  Hartmanns  Meinung,  dass  in 
der  ostgothischen  Zeit  der  Yicariat  principiell  beseitigt  gewesen  ist.  182 
Es  zeigt  sich  vielmehr  wieder  recht  deutlich,  dass  in  dem  Gebiet 
Theoderichs  das  römische  Verwaltungsschema,  so  wie  dessen  materielle 
Voraussetzungen  vorhanden  waren,  von  Rechtswegen  in  Kraft  trat. 
Auch  das  Fortbestehen  des  vicarius  urhis  Romae  in  gothischer  und 
byzantinischer  Zeit  leugnet  Hartmann  (S.  39)  sicher  mit  Unrecht. 
Die  bei  Cassiodor  6,  15  für  denselben  aufgestellte  Formel  kann 
nicht,  wie  er  meint,  auf  den  vicarius  praefecturae  urhis  bezogen 
werden,  einmal  weil  der  vicarius  der  praefectura  praetorii  und  der 
vicarius  der  praefectura  urhis  titular  verschieden  sind  und  die  cassio- 
dorische  Formel  wie  überhaupt  so  namentlich  in  der  Titulatur  nur 
auf  den  ersteren  passt,  zweitens  weil  der  vicarius  des  praefectus  urhi 
lediglich  in  der  diocletianischen  Uebergangszeit  vorkommt  und  nach 
dem  Ausweis  der  Notitia  dign.  wie  nach  allen  anderen  Quellen 
späterhin  ein  solches  Amt  nicht  mehr  bestanden  hat^.  —  Die  An- 
nahme, dass  die  Competenz  des  vicarius  urhis  Romae  im  Laufe 
dieser  Periode  eine  andere  geworden  sei,  habe  ich  früher  vertreten* 
und  Diehl  (S.  161)  wie  Hartmann  (S.  144)  haben  mir  darin  beigestimmt; 
doch  lässt  sich  dafür  ein  genügender  Beweis  nicht  erbringen.  Nach 
den  diocletianisch-constantinischen  Ordnungen  hat  der  vicarius  urhis 
Romae  eine  zweifache  Competenz:  er  hat  theils,  als  den  praefecti 
urhi  neben-,  aber  nicht  untergeordnet,  die  secunda  iudicia  in  der 
Stadt  Rom,  theils  ist  er  Oberinstanz  für  die  zehn  süditalischen  Pro- 
vinzen. Beides  ist  wahrscheinlich  geblieben.  Wenn  er  nach  Cassiodors 
Angabe  intra  quadragesimum  sacratissimae  urhis  iura  custodit,  so 
kann  diese  sonst  nicht  bekannte  *  Competenzgrenze  füglich  auf  seine 


1)  Var.  3, 16. 

2)  Dies  ist  in  den  Memorie  dell'  instituto  2,  308  fg.  gezeigt  worden.  Die 
Verschiedenheit  des  bei  Vacanz  des  Amtes  oder  Abwesenheit  des  Beamten  ein- 
tretenden agens  vices  praefecti  urhis  von  dem  ständigen  vicarius  praefecturae  urhis 
habe  ich  dort  ebenfalls  entwickelt. 

3)  Rom.  Feldmesser  2,  203  [Ges.  Sehr.  V  190].  Dagegen  Bethmann-HoUweg 
Civilprozess  3,  63. 

4)  Hartmann  S.  144  macht  indess  aufmerksam  auf  die  Stelle  bei  Gregorius 


398  Ostgothische  Studien. 

städtische  Function  bezogen  werden  und  dafür  schon  vor  der  gothischen 
Zeit  bestanden  haben,  während  andererseits  es  sich  nicht  erweisen 
lässt,  dass  er  in  gothischer  Zeit  nicht  auch  noch  in  gewissen  Be- 
ziehungen als  Oberinstanz  für  Süditalien  fungirt  hat,  obwohl  aller- 
dings davon  geradezu  nichts  zum  Vorschein  kommt  und  deren*)  Vor- 
steher namentlich  in  Steuersachen  direct  vom  praefectus  praetorio 
ressortiren. 

Ich  muss  also  dabei  bleiben,  dass  in  Rom  es  auch  jetzt  noch 
wie  früher  drei  kaiserliche  Stellen  ersten  Ranges  gab,  den  agens 
183  vices  praefedi  praetorio^,  seit  dieser  selbst  in  Ravenna  residirte,  den 
praefecfus  urbi  und  den  vicarius  urbis  Romae^.  Bei  Vacanz  des 
Amtes  oder  Behinderung  der  Beamten  tritt  für  die  beiden  letzten 
ein  agens  vices  ein^.) 

Der  praefecti  praetorio  giebt  es  unter  Odovacar  und  in  der  ersten 
Hälfte  der  Regierung  Theoderichs  nur  einen;  denn  damals  ging  das 
Herrschaftsgebiet  über  die  ehemalige  Diöcese  des  ^^raefectus  j^raetorio 
Italiae,  Illyrici  et  Africae  nicht  hinaus,  ja  umfasste  dieselbe  bei 
weitem  nicht  ganz.     Nach  dem  fränkischen  Krieg  tritt  diesem  Prä- 


dial.  3,  18:  fuit  quidam  in  Campaniae  partibus  intra  quadragesimum  Eomana» 
urbis  miliarium  nomine  Bmedictus  .  .  .  Totilae  regis  tempoi'e. 
*)  [D.  h.  der  zehn  süditaliscben  Provinzen.] 

1)  Ostgoth.  Stud.  S.  463.  491  [unten  S.  399.  431].  Zu  dieser  Kategorie  gehört 
wohl  der  Johannes  vir  magnificus  in  hac  urbe  locum  pi'aefectorum  servans  be; 
Gregor  dial.  3,  10.  4,  52;  desgleichen  der  Dulcitius,  den  als  agens  vices  des  p'oe 
positus  (oder  vielmehr  praefeetus  praetorio:  Jaffe - Kaltenbrunner  1775)  ItaliU' 
Johannes  derselbe  Gregorius  ep.  10,  21  [X,  8]  erwähnt  und  der  ohne  Namennennunt 
noch  bei  ihm  10,  52  vorkommt:  ut  cautiones  agentium  vices  lohannis  pn'aefect 
simul  et  Palatini  hitc  transmittere  debeat.  Wenn  Diehl  S.  160  A.  11  darüber  be 
merkt,  que  le  titre  de  praefeetus  simul  et  palatinus  est  peu  clair,  so  ist  überseher 
dass  das  letzte  Wort  hier  nicht  Standesbezeichnung,  sondern  der  10,  51  genannt 
Palatinus  patricius  gemeint  [dagegen  Hartmann  zu  Gregor,  ep.  IX,  5]  und  hie 
von  dessen  Vertreter  und  dem  des  Präfecten  Johannes  die  Rede  ist.  Ei 
gleichnamiger  Mann  wird  erwähnt  in  der  Veroneser  Biographie  des  Papstf 
Symmachus  (Duchesne  liber  pontif.  p.  46).  Noch  weniger  durfte  Diehl  de 
loJmnnes  vir  clarissimus  palatinus  des  Briefes  10,  26,  einen  Steuerbeamten  d( 
dritten  Rangklasse,  mit  jenem  praefeetus  praetorio  identificiren.  j 

2)  Dass  man  den  Crescentius,  den  Papst  Gregor  ep.  10,  46  [IX,  182]  als  vicarin 
noster  bezeichnet,  zu  einem  Reichsbeamten  dieser  Benennung  zu  machen  pfleg! 
während  vicarii  der  Bischöfe  oft  genug  vorkommen,  hat  viel  Verwirrung  gestift 
(vgl.  jedoch  Hartmann  zu  Gregor,  ep.  IX,  182]. 

3)  Ein  solcher  des  Vicars  ist  Georgius  comes  et  agens  vices  Marcellini  vicai\ 
in  dem  Briefe  Papst  Pelagius  I.  von  558/560  (Jaffa' -  Kaltenbrunner  reg.  u.  10!j 
mit  dem  Nachtrag  von  Löwenfeld;  Ewald  in  diesem  Archiv  5,  555). 


Ostgothische  Studien.  399 

fücten  (Lßr  wiederhergestellte  praefectus  praetorio  Galliarum  an  die 
Seite  ^  Hinzugetreten  ist  zu  der  Competenz  des  Präfecten  die  Leitung 
der  Waffenfabriken  2.  die  nach  der  früheren  in  der  Notitia  befolgten 
Ordnung  dem  magister  ofßciorum  obliegt  und  im  Orient  diesem  immer 
geblieben  ist^.  Es  ist  dies  wahrscheinlich  geschehen,  weil  die  hiebei 
wünschenswerthe  Centralisirung  in  dem  damaligen  Westreich  aucli 
auf  jenem  Wege  erreicht  werden  konnte.  —  Die  Stellung  des  Prä- 
fecten als  Alter  Ego  des  Kaisers  in  allen  Civilangelegenheiten  scheint 
formell  unverändert  geblieben  zu  sein;  doch  ist  von  dem  vicekaiser- 
lichen  Consistorium  und  den  dazu  gehörigen  tribuni  et  notarii^  in 
dieser  Epoche  nicht  die  Rede. 

Der  magister  ofßciorum  bleibt  ebenfalls  an  der  Spitze  theils  der 
sämmtlichen  kaiserlichen  Leibwachen,  deren  scholae  auch  jetzt  noch 
römisch  sind,  aber  in  Folge  der  Uebertragung  der  militia  armata 
auf  die  Gothen  zu  dieser  nicht  mehr  gezählt  werden^,  theils  der 
zum  Hofe  gehörigen  Subalternbeamten,  während  über  die  eigent- 
liche Dienerschaft  der  später  (S.  453)  zu  erwähnende  casirensis 
gesetzt  ist. 

Neu  ist  in  Beziehung  auf  diese  beiden  Oberbeamten,   dass  sie  463 
jetzt,  in  Ravenna  residirend,  in  Rom  durch  einen  agens  vices  vertreten 
werden;  aber  die  Neuerung  wird  nicht  von  den  Germanen  herrühren, 
sondern    bei    der  Verlegung    des  Regierungssitzes  eingetreten  sein. 
Der  Vertreter  des  Präfecten  gehört  der  höchsten  Rangklasse  an  wie 

1)  So  lieisst  Liberias  bei  Cassiodor  (var.  8,  6.  11,  1  [§  16])  und  er  unterzeichnet 
auf  der  Synode  von  Arausio  im  J.  529  also:  Petrus  Marcellinus  Felix  Liberius 
r.  c.  et  inl.  praefectus  jyraetOTio  Galliarum  atque  patricius  (concil.  Gall.  1,  946).  Auch 
in  seiner  Grabschrift  (C.  I.  L.  XI,  382)  heisst  es:  7'extt  Bomtileos  fasces,  cwrentibus 
annis  successu  parili  Gallica  iura  tenens.  Wahrscheinlich  hat  das  Edict  Theo- 
derichs auch  in  dem  von  ihm  mit  Italien  vereinigten  Theile  Galliens  Geltung 
gehabt  (Brunner  Rechtsgeschichte  1,367  [2.  Aufl.  S.  528]). 

2)  Var.  7,  19  vgl.  18. 

3)  Theodosius  IL  nov.  6.     Zeno  cod.  lust.  11,  6,  7.     lustinian  nov.  85. 

4)  Wo  Cassiodor  von  der  Beförderung  des  aus  dem  Officium  des  praef. 
jjiaet.  ausscheidenden  cornicularius  (11,  18)  und  primiscrinius  (11,  20)  zu  tribuni 
et  notarii  redet,  können,  da  diese  den  Kaiser  adoriren,  nur  die  kaiserlichen  ge- 
meint sein,  nicht  die  des  Präfecten.  Auf  die  letzteren  beziehen  sich  C.  Th.  6,  10,  3. 
Cod.  lust.  2,  7,  25,  1.  12,  33,  8.  C.  L  L.  VI,  1730.  1761  [=  Dessau  1277.  1285]. 
Das  Auftreten  der  notarii  bei  dem  Präfecten  in  Verbindung  mit  dem  primieei'ius 
notariorum  des  römischen  Bischofs  und  der  Aeusserung  Ammians  (28,  4,  13),  dass 
in  einem  grossen  römischen  Privathaus  bis  zu  dreissig  Notarien  thätig  seien, 
zeigen,  dass  die  notarii  mehr  als  die  meisten  sonstigen  Institutionen  des  Kaiser- 
hofs der  Privatverwaltung  angehören  Und  aus  dieser  in  die  kaiserliche  Haus- 
ordnung übergegangen  sind. 

5)  Cassiodor  var.  6,  6.     Prokop  bist.  arc.  26. 


400  Ostgothische  Studien. 

der  Präfect  selbst^;  dem  des  Magister  werden  wir  weiterhin  (S,  408) 
als  dem  agens  vices  des  princeps  der  agentes  in  rebus  begegnen.  In 
den  cassiodorischen  Formeln  fehlen  beide,  ohne  Zweifel  weil  sie 
nicht  vom  Kaiser,  sondern  von  ihren  nächsten  Vorgesetzten  ernannt 
wurden. 

Von  der  Quaestur  des  Palastes  ist  besonders  (S.  387  f.)  gehandelt 
und  gezeigt  worden,  dass  sie  von  den  dafür  durch  die  Kaiser  auf- 
gestellten Normen  sich  nicht  wesentlich  entfernt. 

Hinsichtlich  der  Finanzverwaltung  gilt  nicht  dasselbe.  Zwar 
die  eigentliche  Reichshauptkasse,  in  welche  die  Steuern  flössen  und 
aus  der  die  Beamten  und  die  Soldaten  ihre  Bezüge  empfingen,  die 
arca  des  praefedus  praetorio  functionirt  unter  den  Königen  ebenso 
wie  unter  den  Kaisem  2.  Aber  hinsichtlich  der  unmittelbar  kaiser- 
lichen Hauptkassen  sind  Modificationen  eingetreten,  die  eine  Erörterung 
fordern. 

Nach  der  Formel  der  comitiva  sacrarum  largitionum  ist  dieses 
Amt  ständig  verbunden  mit  einem  primiceriatus ,  welcher  mit  der 
Beamtenernennung  zu  thun  hat^.  Damit  muss  einer  derjenigen  beiden 
Primiceriate  gemeint  sein,  welche  aus  ihrer  ursprünglichen  subalternen 
Stellung  in  hohe  Reichsämter  übergegangen  waren ;  und  da  von  diesen 
beiden,  dem  der  notarii  und  dem  des  sacrum  cubiculum,  der  erstere 
anderweitig  in  der  Formelsammlung  vertreten  ist*,  so  kann  nur  an 
den  zweiten  gedacht  werden.  Diesem  entsprechend  findet  sich,  ich 
weiss  nicht  seit  wann  ^,  aber  sicher  unter  Justinian  bei  der  Beamten- 
464  ernennung  das  sacrum  cubiculum  betheiligt:  neben  den  kaiserlichen 
notarii  und    dem  praefedus  praetorio  participirt   an  den  dafür  von 

1)  An  seinen  vices  agens  v.  ill.  in  Rom  richtet  Cassiodor  die  Schreiben  11,4 
(absens  adhaere  nostro  lateri).  11,5.  12,25;  erwähnt  wird  er  auch  4,47.  Dei 
functus  vicibus  praefectorum  9,  7  [§  2]  ist  wohl  der  vicarius  urbis  Bomae. 

2)  Unter  dem  Präfecten  stehen  zwei  arcarü  mit  dem  Rang  des  Clarissimati| 
(Cassiodor  12,  20;  vgl.  1,  10.  12,  7.  8.  10.  23.  27). 

3)  Var.  6,  7  [§  4]:  huic  . . .  dignitati  . . .  locum  quoque  primiceriatus  adiungimus 
ut  per  te  demus  honores,  per  quem  et  nostrae  pecuniae  conferirmis  largitates  un( 
weiterhin  [§  9] :  comiiivae  sacrarum  et  primiceriatus  tibi  conferimus  dignitates  .  . 
duarum  dignitatum  gloriosa  quidem  cura,  sed  et  laboriosa  custodia  est. 

4)  Var.  6,  16. 

5)  Belege  aus  vorjustinianischer  Zeit  habe  ich  nicht  gefunden.  Gewissi 
Domänen,  insbesondere  die  kappadokischen  Gestüte,  gehörten  seit  langem  zuij 
cubiculum  und  deshalb  wird  bei  dem  Erlass  der  restirenden  Steuern  dasselbe  m;| 
genannt  (C.  Th.  11,  28,  9;  nov.  Marciani  2);  aber  welcher  Kaiser  die  eiger; 
Betheiligung  an  den  Emennungstrinkgeldern  eingeführt  hat,  weiss  ich  nicl 
zu  sagen. 


i  j 


Ostgothische  Studien.  4Q1 

den  Civilbeamten  geforderten  Sportein  damals  auch  dieses  ^  Wahr- 
scheinlich sind  diese  Zahlungen  von  dem  zweithöchsten  Beamten  des 
Cubiculum,  dem  primicerius  in  Empfang  genommen  und  ist  aus  diesem 
Grunde  dieses  Amt  von  Theoderich  mit  dem  des  comes  sacrarum  lar- 
(/Itionum  combinirt  worden.  Dass  die  besondere  Rechnungsführung 
geblieben  ist,  wird  daraus  geschlossen  werden  dürfen,  dass  der  König 
Zahlungen  auf  sein  cuhiculum  anweist^. 

Neben  der  comitiva  sacrarum  largitionum  steht  bekanntlich  als 
die  andere  kaiserliche  Hauptkasse  die  der  Domanialverwaltung,  die 
comitiva  verum  xyrivatarum,  zu  welcher  seit  Anastasius  ^  die  comitiva 
patrimonii  hinzutritt*.  Dies  gilt  auch  für  den  Westen;  aber  mit 
dem  letztgenannten  Amt  hat  es  hier  eine  besondere  ßewandtniss. 
In  Odovacars  Zeit  stehen  die  kaiserlichen  Domänen  unter  einem  Be- 
amten mit  der  Titulatur  comes  et  vicedomimis,  anscheinend  gothischer 


1)  Nach  lustinians  achter  Novelle  vom  J.  535  (wo  c.  1  fin.  entsprechend 
zu  ergänzen  ist)  zahlt  zum  Beispiel  der  comes  Orientis  an  den  primicerius  notario- 
rum,  resp.  dessen  adiutor,  und  an  die  vier  scrinia  des  latercuUim  53;  an  das 
Officium  des  praefectus  praetorio  80;  au  das  sacrum  cubiculum  63  oder  an  jeden 
der  drei  chartularii  vv.  spectabiles  desselben  (vgl.  das.  c.  7)  21  solidi.  Nach  den 
Bestimmungen  Athalarichs  ([var.]  9,  15)  sollen  bei  der  Ernennung  des  römischen 
Papstes  die  unvermögenden  (denn  minus  ist  in  den  Text  hineininterpolirt)  kaiser- 
lichen Officialen  (dies  sind  die  suggerentes  nobis)  3000,  bei  Ernennung  eines 
Patriarchen  2000  solidi  als  Papiergelder  (p)-o  eollectione  chartarum)  erhalten,  bei 
der  Ernennung  von  Bischöfen  wie  es  scheint  die  unvermögenden  Officialen  des 
Statthalters  500. 

2)  Var.  4,  51  [§  12]:  expensas  vobis  de  nostro  cuhiculo  curavimus  destinare. 
Ebenso  11,  15  [§  ij;  vgl.  5,  44  [§  3].  Es  gab  dort  Normalgewichte  für  die 
Goldzahlung  nach  var.  5,  39  [§  5] :  ad  libram  cubiculi  nostri,  quae  vobis  in  praesenti 
data  est ,  nniversas  functiones  publicas  iubemus  inferri.  Nach  diesem  Brief  und 
nach  5,  14  mögen  auch  die  spanischen  Tribute  und  andere  Zahlungen  in  das 
cubiculum  geflossen  sein.  Praktisch  kann  bei  der  Combinirung  der  beiden  Aemter 
der  Unterschied  damals  nicht  viel  bedeutet  haben. 

3)  Der  der  Rangklasse  der  illustres  angehörige  Beamte  Fiavius  Peregrinus 
Saturninus,  welcher  in  seiner  Inschrift  (C.  I.  L.  "VI,  1727  [=  Dessau  1275])  be- 
zeichnet wird  als  moderans  inlustron  sacri  patrimonii  comitivam,  in  einer  Ver- 
ordnung vom  J.  399  (C.  Th.  9,  42,  16)  als  comes  et  procurator  domus  divinae,  ist, 
wie  die  letztere  zeigt,  ausserordentlicher  Weise  für  die  Verwaltung  von  Gildos 
Vermögen  eingesetzt,  nicht  identisch  mit  dem  coities  Gildoniaci  patrimonii,  den 
einige  Jahre  später  die  Notitia  Dign.  Occ.  12,  5  nennt,  da  dieser  als  Unter- 
beamter des  comes  rerum  privatarum  nicht  der  ersten  Rangklasse  angehört  haben 
kann,  aber  dessen  Vorgänger  vermuthlich  mit  weiterer  Competenz,  auf  jeden 
Fall  ein  ausserordentlicher  Beamter  [vgl.  Hirschfeld,  Die  kaiserl.  Verwaltungs- 
beamten, 2.  Aufl.  S.  47  A.  4]. 

4)  Cod.  Tust.  1,  34;  Lydus  de  mag.  2, 27;  glossae  iuris  bei  Otto  thes.  3, 1776. 

MOMMSEN,    SCHR.  VI.  26 


402  Ostgothische  Studien. 

465  Nationalität^;  und  unter  Theoderich  führen  unter  sämmtlichen  Civil- 
beamten  allein  die  comites  patrimonii  zum  Theil  germanische  Namen  ^. 
Also  hat  der  Ausschluss  der  Germanen  von  den  Civilämtern  auf  diese 
Stelle  sich  nicht  erstreckt,  wie  denn  auch  die  vicedomini  niederen 
Ranges,  die  Verwalter  der  einzelnen  königlichen  Domänen,  ebenfalls 
Gothen  sind  3,  Vermuthlich  wurde  diese  Stellung  nicht  als  eigent- 
liches Staatsamt  aufgefasst.  Der  unter  Odovacar,  das  heisst  unter 
Zeno  auftretende  vicedommus  des  Westens  ist  wahrscheinlich  gar 
nicht  nach  römischem  Muster  gestaltet*,  vielleicht  sogar  für  den  von 
Anastasius  eingeführten  comes  patrimonii  das  Vorbild  gewesen.  Odo- 
vacar hatte  guten  Grund  dem  comes  reruni  privatarum^  welcher  die 
Verwaltung  des  Kaiserguts  wenigstens  nominell  und  reell  die  sonst 
damit  verbundene  Competenz  behielt,  einen  eigenen  Verwalter  des 
Königsguts  an  die  Seite  zu  setzen;  im  Ostreich  dagegen  scheinen 
die  Domänen  zwischen  dem  comes  privatarum  und  dem  comes  patri- 
monii rein  äusserlich  getheilt  gewesen  zu  sein^  und  steht  insofern 
die  Competenz  mit  der  ungleichen  Benennung  in  einem  gewissen 
Widerspruch,  welcher  minder  auffällt,  wenn  der  Anstoss  zu  dieser 
Einrichtung  von  aussen  kam.    Auf  jeden  Fall  macht  die  Gleichstellung 


1)  Der  Schenkungsbrief  Odovacars  vom  J.  489  (Marini  pap.  n.  82)  erwähnt 
den  Bericht  viri  sublimis  comitis  et  vicedomini  nostri  Ardori  über  Vergebung  von 
königlichen  Grundstücken  intra  p(rovinciam)  S(iciliam)  Syrouiusano  territorio  und 
in  provincia  Dalmatiarum. 

2)  Genannt  werden  als  comites  patrimonii  lulianus  [var.]  1, 16;  Senarius  in  dem 
Briefe  4,  3  [§  2].  4  [§  2]  (in  den  Adressen  mehrfach  irrig  als  comes  privatarum 
bezeichnet)  und  in  der  Grabschrift  Burmann  anth.  2,  133  [vgl.  Mommsen  Index  zu 
Cassiodors  Variae  S.  499];  Wilia  5,  18.  19.  9,  13;  Bergantinus  8,  23.  9,  3.  Die 
beiden  letzten  scheinen  Gothen;  die  beiden  ersten  waren  es  nicht,  Senarius 
auch  Patricier. 

3)  Als  Gothen  erscheinen  sie  var.  5, 14  [§  8]  (S.  443  A.  5)  und  können  so  gefassl 
werden  in  Theoderichs  Edict  c.  155:  s*  forsitan  persona  potentior  aut  eins  pro 
curator  vel  vicedominus  ipsius  aut  certe  conductor  seu  barbari  seu  Homani  in  aliqui 
genere  eausae  praesentia  non  permiserint  edicta  servare.  Dass  die  Bezeichnung 
vicedominus  bei  Gregorius  Magnus,  in  dem  Pontificalbuch,  bei  Agnellus  und  sons 
von  den  oeconomi  der  Kirchen  von  Rom  und  Ravenna  und  einzeln  auch  vcij 
den  Verwaltern  von  grossen  Privatgütern  gebraucht  wird,  weist  Marini  pa^ 
p.  306  nach. 

4)  Es  kann  freilich  der  praefectus  fundorum  patrimonialium  zu  Grund  | 
liegen,  welcher  nach  der  Not.  Occ.  2,  42  unter  dem  praef.  pi'aetorio  von  Italie 
fungirt. 

5)  Böckings  Ausführung  über  die  Competenz  der  beiden  Aemter  (not.  digij 
Occ.   p.  374 ff.)  befriedigt  nicht.     Eine  principielle   Unterscheidung  von  Fiscal 
und  Krongut  ist  für  diese  Epoche  unmöglich;  und  die  Verordnung  C.  Tust.  1,  34, 
führt  vielmehr  auf  völlige  Gleichartigkeit  beider  Aemter." 


Ostgothische  Studien.  403 

der  Aemter,  welche  in  dem  Wechselverhältniss  der  beiden  Reichs- 
hälften ein  wesentliches  Element  ist,  auch  noch  in  diesem  jüngsten 
aller  römischen  Reichsämter  sich  geltend. 

Die  comitiva  domesticorum  scheint  unter  Theoderich  nicht  mehr 
effectiv  vergeben  worden  zu  sein.  Es  kann  nicht  Zufall  sein,  dass 
unter  den  Schematen  Cassiodors  diese  Würde  nur  als  titulare  (vacans) 
aufgeführt  wird^;  die  dahin  gehörigen  Ernennungsschreiben,  die  sich  466 
anderswo  bei  ihm  finden  2,  hindert  nichts  ebenfalls  in  diesem  Sinne 
zu  fassen.  Es  ist  begreiflich,  dass  unter  einem  Regiment,  das  den 
Römern  verbot  auch  nur  Messer  zu  führen,  diese  equites  et  pedites, 
wie  scheinhaft  ihr  Wehrdienst  immer  sein  mochte,  ebenso  wie  die 
scholares  des  Magister  zu  Pensionären  ^  und  ihr  Vorsteher  zum  Titular- 
offizier  wurde;  liess  doch  Theoderich  regelmässig  diese  sogenannten 
Besoldungen  sogar  auf  die  Erben  der  Inhaber  übergehen*.  Die 
nachdrückliche  Wiederaufnahme  dieser  Stellung  nach  Theoderichs 
Tode^  zugleich    mit   der  Einführung  des  weiterhin    zu   erörternden 

1)  Var.  6, 11. 

2)  Var.  2,  15.  16.  11,  31  wird  ein  ausgedienter  Beamter  des  Bureaus  des 
Präfecten  inter  domesticos  et  protectwes  aufgenommen  und  dem  Kaiser  vorgestellt. 
Ein  comes  domesticorum  Odovacars  Pierius  Anon.  Vales.  53;  er  wird  derselbe 
sein,  den  der  Papyrus  Marinis  n.  82  v.  %.,  Eugippius  vita  Sev.  44,  5  comes  nennen. 
Auch  der  Cousul  des  J.  494  Asterius  nennt  sich  in  der  Subscription  des  Florentiner 
Virgil  ex  comite  dornest,  protect.  und  der  im  J.  519  verstorbene  lulius  Felix 
Valentinianus  v.  c.  et  [inl.]  com.  dorn.  (Rossi  inscr.  ehr.  I  n.  968  [C.  I.  L.  VI,  32003]). 

3)  Var.  1,  10  [§  2]  führen  die  domestici  partis  equitum  et  peditum,  qui  nostrae 
aulae  videntur  iugiter  excvbare,  Beschwerde  über  Verkürzung  ihrer  Bezüge. 

4)  Prokop  hist.  arc.  26:  Osvdegixog  .  .  rovs  sv  tw  'Pcöftrjg  naXaxico  orgarevo- 
jxsvovg  avtov  Eiaasv,  o^cog  xi  diaacöCono  TioXixEia?  rfj?  jtaXaiäg  i^vog ,  /niav  dnoXiTicDV 
ovvxa^iv  ig  rjfxsQav  sxdaxcp'  fjoav  de  ovxoi  JiafA.TiXrjd'EXg  äyav  oi' xs  yaQ  oiXsvxiäQioi 
Hodovfisvot  xai  dofieaxixoi  xal  axoXdgtoc  iv  avxoTg  rjaav,  oJg  drj  äXXo  ovdev  vjisXiXsi^izo 
1}  TO  xijg  argaxsiag  ovofia  fiövov  xal  ^  avvxa^ig  avxT]  ig  x6  ouioCfjv  äjioxQÖHaa  fiöXtg 
avxoTg,  cbisg  s'g  re  JiaTdag  xal  ä:no}'6vovg  Osvdsgixog  avxovg  nagaTiifjUiEtv  ixiXsvae. 

5)  Var.  8, 12  [§  1] :  perfectionem  necessariarum  rerum  cotnpletam  esse  iudicamus,  si 
quemadmodum  eligendo  .  .  .  patricium  (Tuluin,  dessen  Ernennung  zum  patricius 
praesentalis  die  vorhergehenden  Schreiben  betreffen)  armatae  rei  publieae  parti 
providitnus,  ita  et  de  sociando  ei  litterarum  peritissimo  consulamus.  Dass  diese 
Truppe  nicht  eigentlich  Kriegsdienste  thun  soll,  wird  allerdings  auch  hier  so 
deutlich  wie  möglich  gesagt;  aber  wohl  mag  der  Paradedienst  der  Nobelgarde 
unter  Theoderich  geruht  und  mit  diesem  Erlass  wieder  begonnen  haben. 
(Nachtrag.*)    Was  hier   über  die  Reactivirung  des  com^  domesticorum  nach   IS3 

'  Theoderichs  Tode  bemerkt  ist,  beruht  auf  einer  Interpolation  des  Briefes  8,  12, 
auf  die  ich  erst  später  aufmerksam  geworden  bin.  Derselbe  giebt  die  Amts- 
st'Cllung  des  Adressaten  Arator  v.  i.  in  der  Aufschrift  nicht  an;  sie  wurde  ge- 
folgert aus  den  Worten  des  Textes  [§  8] :  te  comitivae  domesticorum  illustratum  honore 

*)  [Neues  Archiv  15,  S.  183—184.1 

26* 


4Q4  Ostgothische  Studien, 

commandirenden  Patriciats  ist  sicher  eben  wie  dieses  eine  Concession 
des  schwankenden  Gothenreichs  an  die  römische  Aristokratie. 

Grössere  Schwierigkeit  als  die  durchgängig  wohlbekannten  Civil- 
ämter  bereiten  die  unter  den  germanischen  Königen  Italiens  begegnen- 
den Subalternen  derselben.  Diese  selbst,  die  officia  sind  nicht  der 
am  wenigsten  merkwürdige  Bestandtheil  der  diocletianisch-constanti- 
467  nischen  Staatsordnung  ^.  Den  Subalternenbegriff  hat  die  republikanische 
Epoche  als  apparifio  der  Magistrate  aufgestellt  und  diese  Subalternen 
der  Republik,  die  Lictoren  und  die  übrigen  decuriales  urbis  Romae, 
haben  wesentlich  als  Staatspensionäre,  bis  in  die  späteste  Zeit  fort- 
bestanden. Aber  den  Magistraten  der  caesarisch-augustischen  Staats- 
ordnung sind  formell  Subalternbeamte  nicht  beigegeben;  praktisch 
treten  an  deren  Stelle  einerseits  das  Gesinde,  die  eigenen  Sclavenjj 
und  Freigelassenen  des  Beamten  und  darunter  vor  allem  die  deffl 
Kaisers,   andererseits   die  zum  Dienst  bei  den  Beamten  abcomman-l 


decoramus,  die  trotz  ihrer  verwirrten  Fassung  nicht  wohl  anders  verstanden 
werden  konnten.  Aber  diese  Fassung  findet  sich  nur  in  den  geringeren  Hand- 
schriften; die  beste,  die  Brüsseler,  zum  Theil  unterstützt  durch  die  Londoner, 
liest:  te  comitiis  domesticorum  ülustratum  isto  honore  decoramus;  wonach  also 
Arator,  nachdem  er  vorher  durch  die  comitia  (das  heisst  die  comitiva)  domesticorum 
zum  Illustrat  gelangt  war,  jetzt  nach  Theoderichs  Tode  ein  anderes  Amt  empfängt. 
Welches  dies  ist,  spricht  Cassiodor  nicht  aus;  es  muss  eines  der  minderen  der 
ersten  Klasse  gewesen  sein,  da  Arator  dieser  bereits  angehört,  aber  in  dem 
Briefe  nur  von  seinem  Vater  und  von  der  Vorstufe  der  Beamtenlaufbahn,  der 
Advocatur  die  Rede  ist,  auch  am  Schluss  ihm  bei  fernerem  Wohl  verhalten 
höhere  Stellungen  verheissen  werden.  Aber  was  der  Brief  verschweigt,  sagt  uns 
die  Subscription  des  von  demselben  Mann  verfassten  und  dem  Papst  Vigilius  im 
J.  544  überreichten  Poems  de  actibus  apostolorum ;  es  heisst  hier:  oblatus  hie  codex 
184  ab  Aratore  inlustri  excomite  domesticorum  excomite  privatarum  viro  religioso  sub- 
diacono  sanctae  ecclesiae  Romanae"^.  Also  ist  die  comitiva  privatarum  gemeint 
und  hat  Arator  diese  im  J.  526  von  Athalarich  erhalten,  worauf  er  dann  in  den 
geistlichen  Stand  übertrat  und  achtzehn  Jahre  später  in  Rom  als  Subdiaconus 
thätig  war.) 

1)  Der  sogenannte  epitomirte  Victor  führt  dieses  System  vielmehr  auf 
Hadrian  zurück,  denn  die  officia  publica  et  militiae  in  den  S.  405  A.  3  angeführten 
Worten  sind  die  der  Civil-  und  Militärbeamten  im  Gegensatz  zu  den  officia 
palatina,  den  kaiserlichen  später  unter  dem  magister  officiorum  stehenden  Subal- 
ternen. Aber  dies  wird  nicht  ohne  weiteres  angenommen  werden  können,  da 
die  vordiocletianischen  Inschriften,  zum  Beispiel  die  karthagischen  Gesammt-j 
gräber  der  Officialen  des  Procurator,  keineswegs  mit  den  Officialen  der  Notitia 
stimmen.  ! 


2)  Diese  vollständige  Fassung  giebt  Sirmond  (zum  Ennodius  p.  349  deij 
Vogelschen  Ausgabe)  nacn  einer  Handschrift  von  Reims;  in  anderen,  zum  Beispie)' 
der  Berner  von  Hümer,  Wiener  Stud.  2,  79  angeführten,  steht  bloss  ab  Araton 
subdiacono. 


Osfgothische  Studien.  "405 

dirten  Soldaten.  Aus  diesen  beiden  Elementen  ist  das  officium  der 
späteren  Epoche  hervorgegangen,  aber  in  der  Weise,  dass  diese  den 
Civil-  wie  den  Militärämtern  nach  einem  festen,  im  wesentlichen 
beiden  gemeinsamen  Schema  zugeordneten  Officialen  weder  zum 
Gesinde  gehören  noch  zu  den  Soldaten^,  sondern  es  sind  diese  Stellen 
nach  der  Redeweise  dieser  Epoche  wie  die  Oberämter  dignitates^. 
Dem  Gesinde  entnommen  ist  der  Begriff  des  officium  selbst^  und 
von  den  einzelnen  Stellen  sowohl  die  des  princeps  (A.  3)  wie  die  für 
die  cura  epistularum  bestimmten,  die  der  exceptores  und  die  zahl- 
reichen übrigen  der  Schreiber.  Dagegen  sind  den  principales  der 
alten  Legion  entlehnt  die  cornicularii,  die  commentarienses,  die  singu- 
lares.  Die  Stellung  des  Herrschers  unterscheidet  sich  in  Betreff  der  468 
Officialen  von  derjenigen  der  übrigen  Beamten  theils  dadurch,  dass 
von  den  für  eigentlich  subalterne  Geschäfte  ihm  zugeordneten  Unter- 
beamten diejenigen  höheren  Ranges,  die  magistri  scrinii  und  die 
notarii,  unter  die  Oberämter  eingereiht  werden,  theils  dadurch,  dass 

1)  Bekanntlich  scheiden  die  späteren  Ordnungen  die  Officialen  auch  der 
Militärbeamten  streng  von  den  Soldaten,  der  militia  armata.  Dass  im  weiteren 
Sinne  alle  Beamten  jetzt  als  Soldaten  betrachtet  werden,  erstreckt  sich  natürlich 
auch  auf  die  Officialen. 

2 )  In  der  Not.  Dign.  wird  das  Officium  der  niagistri  militum  eingeführt  mit 
den  Worten:  habet  dignitates  infra  scriptas. 

3)  Einen  xtrincefs  officii  imper  .  .  .  nennt  eine  Inschrift  aus  neronischer  Zeit 
C.  I.  L.  VI,  1921.  Die  Abtheilungen  des  Gesindes  werden  auf  den  Inschriften 
als  solche  selten  benannt;  die  üblichen  Bezeichnungen  ihrer  Vorsteher  prae- 
positus  cocorum,  supi'a  stahularios  u.  dgl.  sind  anders  gewendet.  Hauptsächlich 
aber  hat  wohl  die  in  der  früheren  Kaiserzeit  vorherrschende  quasi -municipale 
Gliederung  des  Gesindes  mit  Quasi- Magistraten  und  Quasi -Decurionen  bewirkt» 
dass  von  den  Gesinde- Officien  in  den  Inschriften  so  wenig  die  Rede  ist.  Bei  den 
Schriftstellern  finden  sie  sich.  Suetou.  Vesp.  14  spricht  von  dem  kaiserlichen 
officium  admissionum  und  auch  bei  den  breviaria  omnium  officiarum  das.  21  werden 
die  Abtheilungen  der  kaiserlichen  Dienerschaft  zu  verstehen  sein.  Ebenso 
brauchen  die  Kaiserbiographien  das  Wort.  Als  Vorstände  des  Hofgesindes 
nennen  sie  bald  principes,  bald  magistri  (principes  aut  magistri:  vita  Alex.  32,1; 
principes:  vita  Marci  8,  10;  magistri:  vita  Nigri  12,  7;  Elagabali  20,  2;  Gallieni 
17,  8).  Die  Zurückführung  der  späteren  Ordnung  des  Beamtenwesens  auf  Hadriau 
(vita  10,  3:  ordinatis  et  offidis  et  impendiis;  Victor  ep.  14:  officia  publica  et 
pdlatina  nee  non  militiae  in  eam  foitnam  statuit,  quae  paucis  per  Constantinum 
immutatis  hodie  perseverat)  schliesst  wohl  auch  diese  Subalternen  ein  (S.  404  A.  1). 
Auf  die  den  Dienst  bei  den  Beamten  versehenden  Soldaten  scheint  das  Wort 
erst  später,  jedoch  schon  vor  Diocletian  (z.  B.  Paulus  sent.  1,  6a,  4;  vgl.  Lactan- 
tius  de  mort.  persec.  7:  muUi  praesides  et  plura  officia)  übertragen  zu  werden. 
[Es  erscheint  in  dieser  Bedeutung  bereits  unter  Hadrian:  C.  I.  L.  VIII,  18042 
Ab  3  {officium  pr[ocon]sulis);  andere  inschriftliche  Belege  bei  v.  Domaszewski, 
Rangordnung  des  röm.  Heeres  (1908),  S.  5  BANG.] 


406  Ostgothische  Studien. 

jedem  der  übrigen  Oberbeamten  ein  Officium  zugeordnet  ist,  dem 
Kaiser  aber  seit  Constantin  ein  eigener  Oberbeamter  als  Vorsteher 
der  sämmtlichen  unmittelbar  kaiserlichen  Subalternbeamten,  der 
magister  officiorum. 

Die  Subalternbeamten  der  gothischen  Epoche  sollen  hier  zunächst 
nach  den  einzelnen  Oberämtern  gesondert  und  weiter  für  die  wich- 
tigsten Kategorien  die  specielle  Titulirung  und  ihr  Platz  in  der  Reihe 
untersucht  werden. 

Die  Sonderung  der  Subalternen  nach  den  Aemtern  ergiebt  sich 
grösstentheils  von  selbst;  abgesehen  von  einzelnen  allzu  vag  gefassten 
Erwähnungen  macht  es  keine  Schwierigkeit  bei  Cassiodor  die  Officien 
des  praefectus  praetorio,  der  oberen  Finanzbeamten,  der  Vicare,  der 
Provinzialstatthalter  und  so  ferner  von  einander  zu  scheiden.  Nur 
in  Betreff  der  Bezeichnung  officium  nostrum  in  Beziehung  auf  den 
König  und  in  Betreff  der  Benennung  comitiacus  bedarf  es  einer  Er- 
örterung, an  welches  Oberamt  dabei  gedacht  ist. 

Dem  officium  nostrum,  das  in  den  königlichen  Erlassen  mehrfach 
genannt  wird^,  werden  die  Officialen  des  praef.  praet.  ausdrücklich 
gegenübergestellt  2.  Auch  in  den  Verordnungen  werden  diejenigen 
der  Finanzbeamten  nie  an  die  Person  des  Kaisers  geknüpft,  die 
scrinia  derselben  ausdrücklich  den  sacra  scrinia  gegenübergestellt^, 
welchen  in  den  königlichen  diesen  Ausdruck  vermeidenden  Erlassen 
die  scrinia  nostra  entsprechen.  Insofern  der  König,  wie  weiterhin 
gezeigt  werden  soll,  zugleich  den  Platz  des  magister  militum  einnimmt, 
469  könnte  dabei  an  dessen  Officialen  gedacht  werden;  allein  die  in  der 
Beigabe  des  Officium  deutlich  zu  Tage  tretende  Beamteneigenschaft 

1)  2,  28:  Stephano  v.  s.  comiti  primi  ordinis  et  ex  principe  offidi  nostri,  wo 
nachher  [§  4]  scholae  tuae  exprincipes  erwähnt  werden.  3,  30  wird  der  praef.  urbi 
angewiesen  dem  mit  der  Aufsicht  über  einen  Bau  beauftragten  v.  sp.  offkii 
nostri  [nach  den  massgebenden  Hs.  vestri,  d.  i.  des  praef.  urbi]  sölacia  (=  Bezüge) 
anzuweisen.  4, 40  [§  3]  wird  per  officium  nostrae  sedis  eine  Partei  vor  das  Königs- 
gericht geladen.  6,3  [§5]:  (praefectus  praetorio)  milites  suos  Ulis  exaequat,  qui 
inter  pi'oceres  mixti  nostris  conspectibus  obsecundant.  6,  13  an  den  ausscheidenden 
comitiacus  [§  7]:  nostri  nominis  .  .  .  tuitione  vallaris,  ut  officium,  quod  nostris 
iussionibus  speciali  solUcitudine  famulatum  est,  amplius  aliquid  a  inilitibus  ceteris 
promereri  potuisse  videatur.  7,  21.  22  beaufsichtigen  scriniarii  officii  nostri  ini 
der  Provinz  die  Hebung  einer  Steuer.  7,  25  (vgl.  24):  ex  officio  nostro  werden! 
zwei  principes  an  den  comes  von  Dalmatien  geschickt  (vgl.  S.  443  A.  8).  7,  42 
[§  2]  stellt,  wer  einen  Saio  erbittet,  die  erforderliche  Caution  offixdo  nostro.  9,  18,  ? 
werden  Urkunden  edirt  de  nostris  scriniis.  Edict  Theoderichs  c.  10:  relationen. 
ad  scrinia  nostra  transmittant.  2)  Var.  6,  3  (A.  1), 

3)  C.  Th.  6,  30,  3:  primicerii  scriniorum  .  . .  iuxta  instar  sacrorum  scriniorum 
ähnlich  daselbst  1.  19. 


i 


Ostgothische  Studien.  407 

des  Magister  wird  bei  den  germanischen  Königen  vielmehr  versteckt. 
Es  bleibt  also  für  dies  officium  nichts  übrig  als  die  Gesammtheit 
der  dem  magister  officiorum  unterstellten  Subalternen;  diese  Officialen 
werden,  wie  schon  die  Benennung  ihres  Vorstehers  zeigt,  überhaupt 
als  unmittelbare  Subalterne  des  Kaisers  gedacht  ^  Auch  ist  unter  den 
einzelnen  Anwendungen  keine,  die  dieser  Determination  widerspricht; 
und  wir  werden  weiterhin  finden,  dass  mehrere  derselben  sie  fordern, 
lieber  den  comitiacus  fehlt  es  in  unserer  Ueberlieferung  an  einer 
Erklärung;  wir  müssen  den  Begriff  aus  den  einzelnen  Erwähnungen 
erschliessen,  welche  ich  zunächst  zusammenstelle.  In  einer  Inschrift 
aus  Aquae  Statiellae^  vom  J.  432  wird  ein  Disideritis  comitiacos 
genannt;  in  einer  stadtrömischen  ^  vom  J.  487  F[l.  Va]lens  v{ir)  d(e- 
votus)  comit{iacus) ;  in  einer  Urkunde*  vom  J.  557  Constantinus  v{ir) 
d{evotus)  comitiacus,  in  einer  andern^  vom  J.  572  Moderatus  v{ir) 
d{evotus)  comitiacus.  Unter  Cassiodors  Briefen  sind  adressirt  2,10 
Specioso  viro  devoto  comitiaco;  4,5  Ämahili  viro  devoto  comitiaco  (nach 
den  Handschriften  freilich  comiti);  5,6  Stdbulario  comitiaco;  8,27 
Dumerit  saioni  et  Florentiano  viro  devoto  comitiaco.*)  Aus  derselben 
Sammlung  ist  zu  entnehmen,  dass  die  comitiaci  nicht  bloss  zum 
officium  nostrum  gehören,  sondern  auch  ihr  princeps  cardinalis  am 
Hofe  verweilt  und,  da  die  potestas  comitiaci  officii  auch  in  Rom 
nicht  entbehrt  werden  kann,  daselbst  ein  Vicarius  ihn  vertritt®;  endlich 
dass  dem  comitiacus  bei  seinem  Ausscheiden  nach  vollendeter  Dienst- 
zeit in  Gemässheit  der  kaiserlichen  Verordnungen  die  Titularwürde 
des  magister  scrinii  mit  der  Spectabilität  und  die  comitiva  primi 
ordinis  verliehen  wird''.  Alle  Erwähnungen  gehören  dem  Occident 
an;  dem  Orient  kann  das  Institut  selbst  nicht  fremd  sein,  das  lange 
vor  der  Gothenzeit  auf  Inschriften  erscheint  und  durch  kaiserliche 
Regulative  geordnet  ist,  die  Benennung  aber  wird  dort  nicht  gefunden. 
Mit  diesen  Erwähnungen  ist  zusammenzuhalten,  dass  die  ebenso  zahl-^ 

1)  Auch  der  Hofbeamte  Theoderichs  silentiarius  sacri  palatii  (S.  462  A.  6) 
stand  als  solcher  unter  dem  magister  officiorum  (S.  417  A.  3). 

2)  C.  I.  L.  V,  7530.  3)  Rossi  iuscr.  ehr.  1  n.  887  [C.  L  L.  VI,  32966]. 
4)  Marini  pap.  n.  79  v.  105.  106.  5)  Daselbst  n.  120  v.  72.  93. 

*)  [Vielmehr,  wie  überliefert  ist,  coniitiano;  s.  unten  S.  408  A.  4.] 

6)  Var.  7,  31.  7)  Var.  6, 13. 

8)  Julian,  sagt  Libanius  {^igog  rovg  ßagvv  avtov  xaJJoavza;  1  p.  190  Reiske 
[1  p.  257  Foerster]),  begnügte  sich  mit  vier  Schreibern  {vjio'yQaq>ETg)  und  siebzehn 
Boten  (rö?  dyyeUag  oi  (pigowEg);  jetzt  sind  jener  520,  dieser  über  10000.  Die  Ver- 
ordnung Theodosius  IL  (cod.  Theod.  6,  27,  23)  setzt  die  Stellenzahl  der  Matrikel 
auf  1174  fest;  nach  derjenigen  Leos  cod.  lust.  12,  20,  3  bestehen  die  agentes  in 
rebus  nach  ihren  fünf  Klassen  aus  48  ducenarii,  200  centenarii,  250  biarchi, 
300  circitores  und  450  equites  zusammen  also  aus  1248  immatriculirten  Officialen. 


4Ö8  Ostgothische  Studien.  i 

470  wie  einflussreichen  agentes  in  rebus  auch  unter  Theoderich  dieselbe 
Rolle  spielten  wie  unter  der  eigentlichen  Caesarenherrschaft  ^.  Aber 
dass  Cassiodor  unter  diesem  Namen  ihrer  nur  an  einer  einzigen 
Stelle  gedenkt  und  andererseits  die  in  der  eigentlich  legalen  Nomen- 
clatur  nicht  auftretenden  comifiaci  so  häufig  bei  ihm  begegnen,  legt 
es  schon  an  sich  nahe  beide  Bezeichnungen  zu  identificiren.  Alle 
Kriterien  stimmen.  Die  agentes  in  rebus  stehen  unter  dem  magister 
officiorum  und  gehören  also  nach  Cassiodors  Redeweise  zum  officium 
des  Königs.  Der  comitiacus,  welcher  den  princeps  cardinalis  in  Rom 
vertritt,  ist  ohne  Zweifel  identisch  mit  dem  oben  (S.  400)  erwähnten, 
seit  der  Verlegung  des  Hofes  nach  Ravenna  in  Rom  auftretenden 
Vertreter  des  magister  officiorum.  Das  Prädicat  vir  devotissimus  ist 
für  den  agens  in  rebus  geläufig^  und  dem  nach  vollendetem  Dienst 
ausscheidenden  Agenten  wird  die  comitiva  primi  ordinis  zu  TheiP. 
Die  Benennung  comitiacus,   welche  sprachlich   eben  wie  comitianus^ 

1)  Var.  11,  35:  cur  agentum  in  rebus  miles  offieii  post  tot  laboris  incerta 
aliquid  patiatur  ambiguum  (d.  h.  es  dürfen  die  für  den  vollendeten  Dienst  ihm 
zukommenden  Bezüge  ihm  nicht  vorenthalten  werden),  qtii  crebris  actionibus 
excubando  ideo  principis  nomen  habere  promeruit,  quia  militiae  saa'amentis  eeteros 
antecellit?  observavit  (nicht  observabif)  enim  iugiier  imperialibus  iussis  {observare 
alicui  =  purere  alicui,  ebenso  12, 1  [§  1])  et  ut  reverentiam  praetwianae  sedis  extoller  et. 
tunc  ad  eius  venit  obsequiurn,  quando  vocabulum  coepit  habere  praecipuiim.  lieber 
die  hier  zu  Grunde  liegende  Besetzung  der  ersten  Stelle  im  Officium  des  praef. 
praet.  aus  der  sehola  agentium  in  rebus  wird  weiterhin  gesprochen  werden. 
Römische  Inschrift  eines  agens  in  rebus  vom  J.  454  oder  525  Rossi  inscr.  ehr.  1 
n.  997  [C.  I.  L.  VI,  32874;  vgl.  Hirschfeld,  Sitz.-Ber.  d.  Berl.  Akad.  1893  S.  421  ff.]. 

2)  Leo  und  Zeno  sprechen  von  der  sehola  devotissima  oder  devotissimorum 
ajentium  in  rebus  (C.  lust.  12,  21,  7.  8). 

3)  Nach  der  Verordnung  Theodosius  II.  cod.  lust.  12,  21,  6. 

4)  Die  Beziehung  des  comitianus  der  orientalischen  Verordnung  vom  J.  394 
C.  Th.  8,  4,  18:  ex  his  qiii  de  numero  comitianorum  rel  ex  apparitione  culminis 
vestri  (des  praef.  praet.)  consulari  officio  deputati  sunt  nullus  ambiendi  vel  trans- 
fugiendi  in  alterius  militiae  ordinem  habet  facultatem  ist  unsicher.  Wenn  Lydus 
de  mag.  2,  7:  xai  xo/xmavovs  rovg  dsvreQoargarrj^.ariavovs  rj  naXaiÖTtjg  oI8e  aus- 
nahmsweise recht  berichtet,  so  haben  die  Officialen  des  comes  et  magister  militum 
diese  Benennung  geführt,  und  es  kann  die  angeführte  Verordnung  also  verstanden 
werden ;  aber  mit  grösserer  "Wahrscheinlichkeit  denkt  Gothofredus  an  den  comet 
Orientis.  Dagegen  scheint  bei  dem  comitianum  officium  in  der  Verordnung  von 
416  (C.  lust.  1,  46,  2)  allerdings  das  des  comes  et  magister  militum  verstanderi 
werden  zu  müssen.  Ausserdem  findet  sich  die  Bezeichnung  für  die  Officialen  den 
comes  domus  divinae  per  Cappadociam,  welchen  Titel  lustinian  auf  einige  andeni 
kleinasiatische  Provinzen  erstreckt  hat  (nov.  8,  3.  5.  nov.  30,  1).  Das  Epigramn^ 
auf  den  nach  dem  Heermeisteramt  strebenden  Bordellwirth  (4  p.  300  Bähren: 
[=  Anthol.  Lat.  ed.  Riese  P  p.  137  n.  128])  ist  wohl  erst  von  späterer  Hand  mi 
der  unpassenden  Ueberschrift  versehen  worden  ad  lenonem  comitianum  ode 
nach  der  zweiten  Hand  comitiacum  [s.  oben  S.  407*]. 


Ostgothische  Studien.  409 

mit  ducicus^  und  ducianus  zusammenzustellen  ist  und  nur  den  471 
Apparitor  eines  conies  bezeichnen  kann,  ist  allerdings  auffallend,  da 
für  die  Apparitoren  dieses  Oberbeamten  vielmehr  magistrimms  an- 
gezeigt ist  und  auch  oft  von  ihnen  gefunden  wird;  indess  kann  die 
oifenbar  vulgäre  Bezeichnung  in  der  Epoche  aufgekommen  sein,  wo 
dieser  Beamte  comes  et  magister  officiorum  genannt  und  mit  dem 
ersteren  Titel  angeredet  ward  2.  Endlich  stimmt  die  Competenz. 
Die  Thätigkeit  des  comitiacus,  wofür  auch  executor  gesetzt  wird^, 
besteht  ohne  Ausnahme  darin,  dass  er  einen  kaiserlichen  Immediat- 
befehl  dem,  den  er  angeht,  überbringt  und  dessen  Ausführung  an 
Ort  und  Stelle  betreibt*.  Dies  aber  ist  genau  das  Geschäft  der 
agentes  in  rebus  ^  und  eben  dadurch  sind  sie  recht  eigentlich  das 
.  Werkzeug  der  unbedingten  kaiserlichen  Machtvollkommenheit  und 
der  personalen  Allmacht  des  Herrschers.  Wie  Theoderich  diese  Auf- 
fassung der  Herrschergewalt  dem  römischen  Staatsrecht  theoretisch 
entlehnte,  hat  er  in  den  agentes  in  rebus  auch  das  dazu  gehörige 
Organ  übernommen.  —  Also  ist  der  diesen  comitiaci  angehörende 
princeps  cardinalis,  der  gleich  den  grossen  Beamten  in  der  unmittel- 
baren Umgebung  des  Kaisers  auftritt,  der  Vormann  der  schola  agen- 
tium   in   rebus.     Dieser   auch   in    einer  occidentalischen  Verordnung: 


1)  DucicHS  kann  ich  aus  lateinischen  Texten  nicht  belegen,  aber  dovxixö^ 
findet  sich  in  dem  Regulativ  des  Auastasius  für  die  Pentapolis  und  bei  den 
späteren  Byzantinern  oft. 

2)  Ammian  18,  8,  5.  Ebenso  wird  der  comes  et  magister  equitum  mit  dem 
Rangprädicat  angeredet  (Ammian  29,  3,  6.  c.  5,  46). 

3)  Die  beiden  Schreiben  var.  4,  5  Amabili  viro  devoto  comiti[acö]  und  1,  8 
Ämabili  executori  mit  der  Anrede  devotio  tua  sind  ohne  Zweifel  an  dieselbe  Person 
gerichtet.  Auch  die  allgemeine  Bezeichnung  apparitor  wird  so  verwendet: 
Triwilae  saioni  et  Ferrocincto  apparitori  lautet  die  Adresse  3,  20,  lohanni  appari- 
tori  mit  der  Anrede  devotio  tua  2,  21. 

4)  Dies  liegt  den  Phrasen  der  Formel  6, 13  [§  2]  zu  Grunde:  contumaces  adparen- 
dum  eogunt,  latentes  vestigant  und  so  weiter.  Eben  darauf  laufen  die  an  comitiaci 
gerichteten  Schreiben  (oben  S.  407;  auch  1,  8  und  1,  27,  gerichtet  an  die  anderswo 
als  comitiaci  bezeichneten  Personen  Amabilis  und  Speciosus)  sämmtlich  hinaus. 
Der  Inhalt  des  Befehls  ist  gleichgültig;  wie  das  königliche  Befehlsrecht  ist 
auch  die  Executive  des  agens  in  rebus  rechtlich  unbeschränkt. 

5)  Charakteristisch  ist  insbesondere  das  Betreiben  der  Vollstreckung:  te 
instante  (1,  27  [§3]),  vobis  imminentibus  (8,  20  [§2]);  wie  sich  dies  gleichmässig  oft 
von  dem  agens  in  rebus  findet.  Ein  Beispiel  giebt  Ambrosius  de  offidis  2,  29,  150 : 
interpellante  eo  qui  sibi  illud  (ein  dem  Clerus  von  Pavia  gegebenes  Depositum) 
imperiali  rescripto  vindicare  cupiebat  cle^ici  non  tenebant  auctoritatem:  honorati  (die 
Notablen  der  Stadt)  quoque  et  intercessores  dati  non  posse  praeceptis  imperatoris 
obüiari  ferebant:  legebatur  rescripti  forma  directior,  magistri  officiorum  statuta: 
agens  in  rebus  imminebat,  quid  pluraf  traditum  erat. 


410  Ostgothische  Studien.  '! 

472  vom  J.  410^  princeps  genannte  Subalterne  ist  wohl  zu  unterscheiden 
von  den  weiterhin  erwähnten  aus  der  ersten  Klasse  der  agentes  her- 
vorgehenden principes  der  Ober-  und  Mittelbeamten,  welche  diesen 
Titel  nur  in  Beziehung  auf  das  Officium  führen,  dem  sie  beigeordnet 
werden,  während  sie  in  Beziehung  auf  die  schola  agentium  nichts 
sind  als  ducenarii,  das  heisst  Agenten  erster  Klasse.  Dies  bezeichnet 
eben  der  Beisatz :  in  der  technischen  Sprache  dieser  Zeit  heissen  die 
dem  eigenen  Officium  des  Oberbeamten  angehörigen  Subalternen, 
im  Gegensatz  der  von  anderen  Stellen  ressortirenden,  cardindles. 
Yon  den  fünf  magistri  militum  des  Orients  haben  im  Gegensatz  zu 
den  dreien,  deren  Officium  aus  abcommandirten  Mannschaften  zu- 
sammengesetzt wird,  die  beiden  andern  einen  eigenen  Princeps  und 
so  weiter,  ein  officium  cardinale^.  Die  dem  eigenen  Sprengel  an- 
gehörigen Geistlichen  werden  von  denen  anderer  Sprengel  durch 
dasselbe  Beiwort  unterschieden,  in  Beziehung  auf  den  römischen 
Bischof  zum  Beispiel  die  Geistlichen  der  römischen  Kirchen  pres- 
hyteri  cardinales  und  diaconi  cardindles  genannt^. 

Theoderich  hat  aber  den  römischen  agens  in  rebus  nicht  bloss 
sich  angeeignet,  sondern  die  Institution  auch  auf  die  Gothen  erstreckt. 
Der  comitiacus  seiner  Erlasse  zwar  ist  immer  ein  Römer;  aber  zu- 
weilen daneben  und  dann  an  erster  Stelle*,  häufiger  allein  tritt  ein 
anderer  Subalternbeamter  auf,  gothisch  bezeichnet  als  saio  und  ohne] 
Ausnahme  gothischer  Nationalität.  Welche  germanische  Institution 
dabei  zu  Grunde  liegt,  muss  dahingestellt  bleiben;  wie  uns  dieser 
Saio  entgegentritt,  ist  er  einfach  der  agens  in  rebus  gegenüber  den 
Unterthanen  gothischen  Rechts^.  Wie  die  Soldateneigenschaft  bei 
dem  agens  in  rebus  schon  durch  die  Nationalität  ausgeschlossen  wird, 
so  kommt  sie  auch  dem  Saio  nicht  zu^;   aber   der  Sache  nach  triti 


1)  C.  Th.  6,  28,  7  =  C.  lust.  12,  21,  3  vom  J.  410:  proconsularis 
tatis  adiectione  principes  agentes  {agentum  der  just.  Codex)   in  rebus  praecipimu 
decwari.    Die  zum  Principat  Deputirten  können  hier  nicht  gemeint  sein,  wei 
diese   erst   im    J.  426   statt   des   consularischen   den  Rang  der  vicarii  erhieltei 
(C.  Th.  6,  28,  20.  21.  22),  welche  den  Proconsuln  nachstehen. 

2)  Die  Not.  Dign.  drückt  den  Gegensatz  in  der  Weise  aus,  dass  das  officiw 
magisteriae  potestatis  dort  cardinale  habetur,  hier  in  numeris  militat  et  in  officii     j 
deputatur.  3)  Gothofred  zum  C.  Th.  12,  6,  7.    Ewald  zu  Gregors  Brief  1,  7'      ^ 

4)  In  den  schon  angeführten  Schreiben  8,  27:  Dumerit  saioni  et  Florentiaml  ^ 
viro  devoto  comitiaco  [s.  jedoch  oben  S.  407*]  und  3,  20:  Triwilae  saioni  et  Ferrocinct\  \^, 
apparitori, 

5)  Damit  ist  nicht  im  Widerspruch,  dass  der  Saio  auch  gegen  Römer  \e\  ^ 
wendet  werden  kann  (var.  2,  13.  8,  24).  i      i^u 

6)  9,  2  [§  3]:  circa  saionum  et  militantum  molestias.   Dass  dem  Saio  für  pflich 
widriges  Verhalten  die  Entziehung   des  Donativs  gedroht  wird  (7,  42),   berul 


^ 


Ostgothische  Studien.  411 

der  agens  wesentlich  als  Soldat  auf^  und  dasselbe  gilt  ebenso  sehr,  473 
wenn  nicht  noch  in  höherem  Grade  von  dem  Saio.  Auch  seine 
Thätigkeit  besteht  in  der  Uebermittelung  der  königlichen  Befehle 
jeglichen  Inhalts  an  den  oder  die  davon  betroffenen  Personen  und 
der  Ueberwachung  ihrer  Ausführung  2;  bezeichnend  für  seine  Stellung 
ist  es,  dass  er  da  verwendet  wird,  wo  die  Execution  der  Localbe- 
hörden  nicht  ausreicht^,  und  dass  bei  Ladungen  vor  Gericht  ihm  der 
doppelte  Betrag  dessen  zukommt,  was  nach  der  von  Theoderich  auf- 
gestellten Taxe  dem  Executor  der  Provinzialbehörde  an  Sportein  zu 
zahlen  ist^.  Mit  dem  Nebeneinanderstehen  des  agens  in  rebus  und 
des  saio  wird  zusammenhängen,  dass  allgemeine  jurisdictionelle  An- 
zeigen und  Anordnungen,  zum  Beispiel  die  Anzeige  der  Uebernahme 
einer  Person  in  die  specielle  königliche  Tuition  ^  und  die  Anweisung 
zur  Ergreifung  flüchtiger  Yerbrecher'*  regelmässig  an  die  gothischen 


darauf,  dass  dies  jeder  dienstföhige  Gothe  erhält;    als  Aufgebot  zum  effectiven 
Dienst  ist  die  Anstellung  als  Saio  schwerlich  betrachtet  worden. 

1)  Deutlicher  als   die  Verordnung   C.  Th.  6,  35,  3   und    dazu   Gothofredus 

zeigt  dies  die  den  militärischen  Ordnungen  dieser  Epoche  völlig  entsprechende 

j  Gliederung  des  Körpers  der  Agenten  (S.  407  A.  8).    Daher  hat  auch  der  princeps 

1  der  agentes  in  rebus  das  Recht  einen  domesticus  zu  halten  (C.  Th.  6,  28,  8). 

i  2)  Erwähnt  werden  die  Saionen  bei  Cassiodor  ausser  in  den  hier  besonders 

■  angeführten  Stellen  1,  24  [§  2].  2,  4.  13.  20.  3,  48  [§  1]   (eins  instantia).    4,  14  (ut 

Gothi   .  .  .  te  imminente   cogantur  exsolvere  debitas    functiones).      27.  32   (cor am 

\partihus    positis   te  imminente  soll  der  Consular   von  Campanien    einen  Process 

I  entscheiden^.    [34J.  39  [§  4]  (imminente  Duda  saione  nostro).    47.  5,  5.  10  (te  custode 

\  atque  mediante  bei  dem  Austausch  der  Zugthierej.    19.  20.  23.  27.  8,  24  [§  2],  12,  3 

(imiversis  saionibus  qui  sunt  eancellariis  deputati).    Der  König  konnte  also  auch 

den  einzelnen  Beamten  saiones  beigeben.    Die  einzelnen  Befehle  sind  ein  wichtiges 

Element  für   das  Eingreifen  der  Centralstelle  in  die  Administration  überhaupt; 

für  die  Competenz  des  Saio  bedarf  es  der  Analyse  derselben  nicht. 

j  3)  Var.  9,  18,  1 :  si  quis  . . .  iuri  puhlico  parere  neglexerit  viribusque  praepotens 

\deuinati   officii  (des  iudex,  d.  h.  des  Provinzialstatthalters)  spreverit  paucitatem, 

\relatione  iudicis  nostris  auribus  notabilis  ingeratur,  ut  indulta  executione  saionum 

idtionem  sentiat  vigoris  regii,   qui  oboedire  noluit  cognitori.     Bei  dem  Executions- 

ibefehl    werden    Stufen    unterschieden    (4,32    [§2]:   moderata  exsecutio;    4,34 

§  2] :  moderata  iussio). 

4)  Var.  9,  14  [§  4]:  si  nostra  (nicht  vestra)  conveniunt  decreta  pulsatos,  tantum 
\c(mmodi  percipiat  executor,  quantum  gloriosus  domnus  amis  noster  pro  honorihus 
personarum  (die  Ladungsgebühr  richtet  sich  theilweise  nach  dem  Rang  des  Ge- 
ladenen; Bethmann- Hollweg  Civilprocess  3,201)  debere  saiones  accipere  expressa 
quantitate  constituit  . .  .  [%  5]  Si  rero  tua  iussione  (des  comes  Syracusanae  civitatis) 
Iconventio  destinatur  .  .  .  mediam  portionem  executor  accipiat,  quam  de  praeceptis 
Iregiia  sumere  potuisset. 

I         5)  Var.  7,  39.     Vgl.  2,  29  [§  2] :   a  quoquam  cuiuslibd  nationis  homine. 
6)  Var.  2,  19. 


412  Ostgothische  Studien, 

wie  an  die  römischen  Behörden  gerichtet  werden.  —  Für  die  Ge-- 
sammtauffassung  der  germanischen  Reichsverweserschaft  ist  das  In^ 
stitut  dieser  saiones  in  hohem  Grade  belehrend.  Wer  sich  dem  Augen- 
schein nicht  verschliesst,  muss  erkennen,  dass  so,  wie  Theoderich  es 
gestaltet  hat,  es  ebenso  der  praktische  Ausdruck  der  personalen 
Omnipotenz  des  Herrschers  ist  wie  das  der  agentes  in  rebus  und  also  1 
das  Regiment  Theoderichs  über  die  Gothen  eben  dasselbe  war,  | 
474  welches  der  Kaiser  des  Westreichs  über  die  in  seinem  Dienst  stehen- 
den Ausländer  übte  oder  doch  üben  sollte. 

Nach  Erörterung  der  Gruppen  der  Subalternen  wenden  wir  uns 
zu  derjenigen  der  Einzelstellen.    Ein  jedes  Officium  besteht  aus  einer 
geschlossenen  Zahl  von  Officialen,  welche  theils  nach  ihrer  Rangfolge, 
theils    nach    ihrer    speciellen    Bestimmung    benannt    sind.     Aus    dei 
gothischen  Epoche  sind  namentlich  durch  Cassiodor  zahlreiche  dahin 
gehörige  Benennungen  und  Anordnungen  aufbehalten,  welche  in  der » 
Einzelheiten  klar  zu  legen  grossentheils  nicht  möglich  ist  und  aucl: 
so  weit  es  möglich  ist,  nicht  überall  dem  Zweck  dieser  Auseinander 
Setzungen  entsprechen  würde.    Aber  mit  den  principes  und  den  can 
cellarii  muss  sich  bekannt  machen,  wer  mit  diesen  Studien  sich  bp 
schäftigt. 

Wie  durchaus  die  Institution  der  officia  aus  einem  Gusse  is' 
zeigt  sich  am  deutlichsten  in  dem  gleichmässig  in  ihnen  allen  auf 
tretenden  Bureauchef,  dem  princeps.  Begriff  und  Benennung  sin 
nicht  neu,  sondern  der  Organisation  des  kaiserlichen  Gesindes  ent 
lehnt  1;  aber  neu  ist  das  durchgreifende  Auftreten  des  Amtes  un 
der  Benennung  bei  allen  Civil-  wie  bei  allen  Militärbeamten  und  di 
weiterhin  noch  zu  entwickelnde  Tendenz  den  Beamten  durch  de 
ihm  zugeordneten,  aber  von  ihm  möglichst  unabhängig  gestellte 
Bureauchef  zu  controliren  und  von  der  höchsten  Stelle  in  Abhängig 
keit  zu  erhalten. 

Die  Bezeichnungen  princeps  und  primicerius  sind  dem  Begr 
nach  nicht  verschieden;  im  Gebrauch  fallen  sie  auseinander.  Pri 
ceps  wird  überwiegend  von  dem  Chef  des  Gesammtbureaus  gebrauch 
die  schon  erörterte  (S.  409)  Abweichung,  dass  die  scJiola  agentiu 
in  rebus  einen  princeps  als  Yormann  hat,    rechtfertigt   sich  dadurc 


1)  Die  Belege  S.  405  A.  3.  Die  Bemerkung  des  Scholiasten  zu  den  Verric 
1.  1,  28,  71  p.  179  Orelli  in  Betreff  der  Ausdrücke  princeps,  commentariensis,  c 
nicularius:  haec  nomina  de  legionaria  militia  sumpta  sunt  bestätigt  nur  se"  ■ 
Unwissenheit.  Die  principes  der  alten  Legion ,  an  die  er  wohl  gedacht  h . 
gehören  gar  nicht  hierher;  und  die  principales  der  späteren  Legion,  die  chi- 
girten  Gemeinen,  haben  ebenso  wenig  mit  dem  princeps  des  Officium  etwas  gem«  • 


Ostgothische  Studien,  413 

dass  der  Bureauchef  des  magister  officiorum  ausnahmsweise  nicht 
jmnceps  heisst,  sondern  den  Titel  adiutor  führt  ^.  Primicerius  da- 
gegen wird  theilä  für  die  obersten  Spitzen  des  Bureaus  der  Finanz- 
beamten und  für  den  Vormann  der  notarii  \evyfandt^,  theils  für  den 
Vormann  einer  Unterabtheilung  des  Gesammtbureaus,  wie  zum  Bei- 
spiel in  dem  Bureau  des  comes  sacrarum  neben  dem  primicerius  475 
totius  ofßcii  der  primicerius  exceptorum  steht,  zugleich  secundocerius 
des  ganzen  Officium.  Dieser  Verschiedenheit  der  Titulatur  mögen 
wohl  Verschiedenheiten  der  Competenz  entsprochen  haben,  nament- 
lich die  dem  2^*''^f^ce2)s  eingeräumte  weitgehende  Gewalt  über  die 
übrigen  Subalternen  nicht  im  gleichen  Umfang  dem  primicerius  zu- 
gekommen sein. 

Nach  dem  im  Allgemeinen  bei  den  Subalternen  streng  einge- 
haltenen Anciennetätsavancement  sollte  der  Bureauchef  aus  dem 
Bureau  selbst  hervorgehen.  Indess  ist  für  den  Princeps  des  Civil- 
beamten  dieses  Aufrücken  mindestens  seit  dem  Anfang  des  fünften 
Jahrhunderts^,  vielleicht  schon  seit  der  Einrichtung  dieser  Bureau- 
vorstandschaft selbst  auf  die  Aemter  dritter  Ordnung,  insbesondere 
die  Provinzialstatthalterposten  beschränkt*;  die  Bureauchefs  der 
Mittel-  und  ebenso  die  der  Oberinstanzen  gehen  vielmehr  hervor  aus 
dem  Bureau  der  agentes  in  rebus,  jedoch  nicht  in  gleicher  Weise. 
Den  civilen  Mittelbeamten  von  der  Klasse  der  spectabiles  wird  der 
Bureauchef  aus  den  agentes  in  rebus  in  der  Weise  geschickt,  dass 
er  als  'deputirt'  nicht  unter  dem  Beamten  steht,  dem  er  zugegeben 
ist,  sondern  auch  ferner  unter  dem  magister  officiorum  als  dem  Vor- 


1)  Auch  bei  Cassiodor  var.  6 ,  6  [§  8].  Aehnlich  findet  sich  bei  dem 
Marstall,  der  unter  dem  comes  verum  privatarum  steht,  da  dessen  Bureau chef 
primicerius  heisst,  ein  princeps  stabuli  dominici  (C.  V,  1880). 

2)  Auch  bei  den  africanischen  Ducaten  Justinians  findet  er  sich  in  dieser 
Geltung  (C.  lust.  1,  27,  2). 

3)  lohannes  Lydus  de  mag.  2,  10.  3,  23.  40  führt  mit  Berufung  auf  ein  nach 
seiner  Angabe  im  theodosischen  Codex  stehendes,  im  justinianischen  weggelassenes 
Gesetz  die  Einschiebung  des  princeps  auf  Arcadius  und  speciell  auf  Rufinus 
zurück.  Das  Gesetz  findet  sich  nicht  und  die  Angabe  ist  nicht  bloss  bedenklich, 
wie  alles  Historische  bei  diesem  Schriftsteller,  sondern  auch  insofern  seltsam, 

'  als  Rufinus  unter  Arcadius  selber  Präfect  war  und  damit  seine  eigene  Competenz 
geschwächt  haben  würde.  Auf  keinen  Fall  kann  bis  dahin  der  cornicularius  der 
Bureauchef  des  Präfecten  gewesen  und  der^winceps  erst  damals  hinzugekommen  sein. 

4)  Nach  der  Notitia  haben  eigenen  Bureauchef  im  Orient  sämmtliche  civile 
ünterinstanzen  und  von  den  Mittelinstanzen  der  Proconsul  von  Asia,  im 
Occident  nur  die  beiden  niederen  Grade  der  Unterinstanzen,  die  correctores  und 
die  praesides,  wogegen  den  consulares  der  praefectus  praetorio  den  Bureauchef 
schickt. 


1; 


414  Ostgothische  Studien. 

gesetzten  der  agentes.     Dagegen   die  Bureauchefs   der  Oberbeamten 
vom  Range   des  Illustrats  und  insonderheit   des  praefectus  2^'rci,ßtorio 
werden  wohl  auch  aus  den  agentes  in  rebus  genommen^,   scheiden 
aber  durch  ihre  Ernennung  zum  princeps    aus  dem  Verbände  der- 
476  selben   aus   und  stehen  unter  dem  Beamten,    dem   sie    beigegeben 
sind 2;  wie   es  denn  offenbar  unmöglich  gewesen  wäre   den  princeps 
des  praefectus  praetorio  einer  niedrigeren  Stelle  unterzuordnen.    "Wem 
in  diesem  Fall  die  Auswahl  zusteht,    wird  nicht  gemeldet;    wahr- 
scheinlich hat  eine  solche   gar  nicht  stattgefunden,  sondern  ist  die 
Anciennetät  oder  eine  ähnliche  Ordnung  dabei  massgebend  gewesen. 
Dass  es  dem  Oberbeamten  freigestanden  habe  aus  den  Agenten  die 
ihm  beliebige  Person  sich  auszuwählen,  verträgt  sich  mit  dem  "Wesen 
der  Einrichtung  nicht;  der  Ausschluss  der  oberamtlichen  Ernennung 
wird  mit  derselben  Nothwendigkeit  für  diesen  Bureauchef  gefordert 
wie  für  die  Bindung  des  republikanischen  Consulats  durch  die  Quästur 
die  comitiale  Ernennung  der  Quästoren.    Es  kommt  hinzu,  dass  unter  »f 
den  vom  praef.  praet.  zu  vollziehenden  Ernennungen,  welche  Cassio- 
dor  in  den  beiden  letzten  Büchern  in  ähnlicher  Weise  vorführt  wie 
in  den  früheren  die  königlichen,  eben  der  erste  der  Bureaubeamten,, 
der  princeps    fehlt.    —    Da    die    in  die  Provinzen   abcommandirten 
Agenten  ausschliesslich  und  vermuthlich  wenigstens  der  Regel  nachi 
auch   die  principes  der  Oberbeamten  aus   der   ersten  Kategorie  deij 
Agenten,    den  ducenarii  genommen  werden,   deren  nach  Leos  "Ver- 
ordnung nicht  mehr  als  48  sind,   so  gelangen  diese  Agenten,   wem 
sie  ihre  Laufbahn  vollenden,  regelmässig  nicht  bloss  zum  Ducenariat 
sondern  auch  zum  Principat  und  werden  die   dem  nach  vollendete: 
Laufbahn   ausscheidenden  Agenten  zugesicherten  Emolumente  nich 
an  den  Ducenariat,  sondern  an  den  Prmcipat  geknüpft,  welcher  frei 

1)  Verordnung  Valentinians  III,  vom  J.  449  (nov.  Val.  26):  (princeps)  e\ 
eadem  schola  (agentium  in  rebus)  ad  dbsequia  praefecturae  praetorianae  post  infin 
disci'imina  et  consumpta  aetatis  parte  meliore  convenit.  Lydus  de  mag.  3, 1<| 
o  jiQiyxixp  .  .  .  ovös  juegog  Tfjg  xa^ecog  (des  praef.  praet.)  iari  xal  avxög ,  avrd$  i\ 
rcöv  fiayiatQiavcöv  xarä  ßa^fiov  Tiagayivstai  im  rä  fj.syiotd  jioxe  öixaar^Qia ;  c.  23  (vgf 
S,  413  A.  3);  c.  40:  jiQiyxiJia  avxov  arjfiegov  rov  fiayiargov  xaksTad-ai  ovftßaivn 
—  Auch  der  Bureauchef  des  magister  officiorum  selbst,  der  nicht  piinceps  heissl 
sondern  adiutor,  wird  aus  den  agentes  in  rebus  genommen  (C.  I.  L.  VIII,  989  [p.  978| 
Fl.  Ärpagio  .  .  .  ex  agente  in  rebus  v.  c,  ex  adiut.  inl.  viri  mag.  offieior.  v.  spectabi 

2)  Die  Notitia  unterscheidet  sorgfältig  die  principes  ex  eodem  officio  odl 
de  eodem  corpore  der  Unterbeamten,  die  principes  de  schola  agentium  in  re 
ducenarii  der  Mittelinstanzen  und  die  principes  schlechtweg  der  Oberbeamtcl 
Dass  auch  die  letztgenannten  aus  den  agentes  in  rebus  genommen  worden,  ste^Wju 
anderweitig  fest  (A.  1);  der  Gegensatz  der  zweiten  und  der  dritten  Kategorie  mi!     r*««! 
also  darin  bestehen,  dass  die  letzteren  aus  der  schola  agentium  in  rebus  ausscheidit     ('«»n 


Ostgothiscbe  Studien.  415 

lieh  unter  Umständen  auch  titular  verliehen  werden  kann  ^  Dass 
der  Yormann  der  Agenten  selbst,  ebenfalls  princeps  genannt,  mit 
dieser  Kategorie  nicht  verwechselt  werden  darf,  ist  schon  erinnert 
worden  (S.  409). 

Die  hier  geschilderte  Ordnung  ist  auf  die  germanischen  Reichs- 
verwalter übergegangen  2;  insbesondere  ist  es  auch  für  diese  bezeugt, 
dass  der  Bureauchef  des  ^rae/ec^MS /jrae^oWo  aus  Aqxx  agentes  in  rebus 
hervorgeht  und  den  Titel  princeps  führt*.  Unzweifelhaft  hat  dieser 
in  älterer  Zeit  neben  dem  einen  oder  den  mehreren  Beisitzern  a  477 
consiliis  gestanden*;  noch  Cassiodor  selbst  hat  seine  Stellung 
als  consiliarius  der  Präfectur  unter  seinem  Vater  begonnen^  und 
noch  er  bezeugt  einerseits,  wie  gesagt,  die  Fortdauer  des  aus  den 
Agenten  hervorgehenden  Principats  und  nennt  andererseits  mehrfach 
den  consiliarius  des  Präfecten  als  dessen  hauptsächlichen  allen  Sub- 
alternbeamten   übergeordneten   Gehülfen  **.      Dennoch    erheben    sich 


1)  C.  Th.  6,  27, 16.  19.  6,  28,  8. 

2)  Das  schon  (S.  406  A.  1)  erwähnte  Schreiben  2,  28  ist  adressirt  Stephano 
f.  8.  comiti  primi  ordinis  et  ex  principe  officii  nostri  und  erwähnt  [§  4]  scholae  ttiae 
exprincipes.  Die  comitiva  primi  ordinis  wird  bei  dem  als  princeps  ausscheidenden 
agens  in  rebus  ausdrücklich  sonst  nicht  erwähnt,  aber  sie  stimmt  zu  dem  seit 
dem  J.  426  ihm  zukommenden  Rang  des  lyicarius  (C.  Th.  6,  27,  20.  21.  22). 

3)  6)  6  [§  7]:  officium  eius  (des  magisten-  offidorum)  tanta  genii  praerogativa 
decoratur,  ut  militiae  perfunctus  munerihus  ornetur  nomine  principatus  miroque  modo 
inter  praetoi'ianas  cohortes  et  urhanae  praefecturae  milites  videantur  invenisse  pri- 
matum,  a  quibus  tibi  (dem  mug.  off.)  humile  solvebatur  obsequium.  Auch  11,  35  (vgl. 
S.  408  A.  1)  spricht  von  dem  Uebertritt  des  agens  in  rebus  in  das  Officium  des 
}n-(ief.  pi'aet.  als  dessen  princeps. 

4)  Die  Verordnung  von  444  cod.  lust.  1,  51,  11  nennt  die  consiliarii  virorum 
ilhistrium  pi'aefectorum  tam  praetorio  quam  .  .  .  urbis.  Lydus  de  mag.  3,  11  lässt 
in  früherer  Zeit  rovg  owsSgevorzag  xrj  dg/jj  ävÖQas  vofiixcoxdjovg  dem  Präfecten 
den  Urtheilsentwurf  {periculum,  wie  für  gexivor  zu  emeudiren  ist  [gexiTärov 
Wuensch])  aufsetzen.  Vgl.  Bethmann-Hollweg  Civilprocess  3, 130.  —  Der  adhibit(us) 
in  consil(ium)  praef(ectis)  praet(oi-io)  item  urb(i)  Henzen  6519  [C.  I.  L.  XI,  6337  = 
Pessau  n.  1422]  ist  vordiocletiauisch. 

5)  Anecd.  Holderi:  dum  patris  Cassiodori  patricii  et  praefecti  praetorii  con- 
iiirius  fieret. 

6)  Nach  6,  12  [§  2]  erhalten  die  comitiva  primi  ordinis  unter  Anderen  die  con- 
siliarii praefectorum  conscientia  clari,  dictatione  pi'aecipui,  qui  in  illo  actu  amplissi- 
mae  praefecturae  sie  videntur  exercere  facundiam,  ut  .  .  .  alteram  credas  esse  quae- 
sturam:  unde  frequenter  et  nos  iudices  adsumimus.  8,  81  [§  1] :  cum  te  (Severus  v.  sp.) 
praefectorum  cotisiliis  laudabiliter  irihaerentem  omnia  didicisse  credamus,  qua£  ad 
rei  publicae  statum  pertinent  componendum.  11  praef.  [§4]:  ne  quis  forsitan  possit 
offendi,  quod  in  praetoriano  ciilmine  constitutus  sie  omnimodis  aetioso  pauca  dicta- 
verim,  accipiat  viri  prudentissimi  Felicis  praesumptione  factum,  cuius  participatus 
mm  in  otnni  causa  consilium,  dessen  Lob  dann  weiter  ausgeführt  wird. 


416  Ostgothische  Studien. 

gegen  das  dauernde  Nebeneinanderstehen  des  consüiarius  und  des 
princeps  ernstliche  Bedenken.  Wenn  bei  Cassiodor  Ernennungs- 
schreiben weder  für  den  princeps  noch  für  den  consüiarius  sich  vor- 
finden und  dasselbe  für  den  letzteren  offenbar  absichtlich  durch  die 
ehrenvolle  Erwähnung  in  der  Vorrede  des  elften  Buchs  ersetzt  wird, 
so  lässt  für  jenen  sich  dies  in  der  schon  angegebenen  Weise  erklären, 
ist  aber  für  diesen  im  hoh^n  Grade  befremdend  und  legt  die  Frage 
nahe,  ob  Cassiodors  consüiarius  nicht  zugleich  sein  princeps  gewesen 
ist.  Dafür  spricht  weiter,  dass  nirgends  sonst  in  den  beiden  letzten 
Büchern  Cassiodors  dieser  princeps  hervortritt.  Noch  auffallender 
ist  es,  dass  in  den  kurz  nachher ,  für  Africa  von  Justinian  aufgestellten 
Matrikeln  sowohl  bei  dem  praefectus  praetorio  wie  bei  den  duces 
478  der  princeps  fehlt  ^,  der  doch  in  den  Verordnungen  selbst  genannt 
wird  2,  dagegen  vor  dem  officium  dort  der  consiliarius ,  hier  der 
adsessor  aufgeführt  wird.  Es  ist  dafür  schwerlich  eine  andere  Er- 
klärung zu  finden,  als  dass  unter  lustinian  beide  Stellungen  zusammen- 
gefallen sind  und  der  princeps  selbst  der  consiliarius  gewesen  oder 
auch  mit  Rücksicht  auf  dessen  Aufnahme  in  die  Matrikel  aus  der- 
selben gestrichen  worden  ist,  eben  wie  wir  später  bei  den  Militär- 
behörden eine  ähnliche  Umwandlung  des  princeps  in  den  domesticus 
finden  werden.  Der  erste  Subalternbeamte  musste,  zumal  bei  den 
weitgehenden  Befugnissen,  welche  die  römischen  Einrichtungen  ihm 
einräumten,  nothwendig  gewissermassen  zum  Gehülfen  des  Ober- 
beamten werden  und  seine  Stellung  der  des  berathenden  Beisitzers 
sich  nähern;  dass  die  Laufbahn  des  consiliarius  einer-  und  desi 
princeps  andererseits  nicht  allzuweit  auseinanderlagen,  beweist  die 
Beförderung  des  einen  ^  und  des  andern  *  zur  Provinzialstatthalterschaft. 


1)  Cod.  lust.  1,  27,  1.  Bei  der  .schlechten  üeberlieferung  ist  auf  den  Plural| 
{pii'O  annonis  consiliariorum  auri  libras  viginti)  kein  Gewicht  zu  legen,  sonde 
mit  Krüger  der  Singular  herzustellen,  zumal  da  nach  der  ganzen  Anlage  de 
Schemas  sonst  eine  feste  Zahl  und  die  Vertheilungsnorm  nicht  fehlen  könnten! 
Die  ersten  vier  scrinia  gehören,  wie  die  Benennung  des  Vormanns  zeigt,  dei| 
numerarii  und  können  den  princeps  nicht  enthalten  haben.  Dass  auch  der  cornii 
cularius  fehlt,  ist  weniger  auffallend,  da  dieser  zwar  bei  allen  Civilämtern  d&\ 
zweiten  Platz  unter  den  Subalternen  einnimmt,  aber  den  Militärbeamten  durcbj 
gängig  fehlt   und   der  Kaiser   also   für   dessen  Beseitigung   ein  Vorbild  hattfi 

2)  Cod.  lust.  1,  27,  2,  11:  periculo  viri  spectabiUs  ducis  ac  tribuni  et  princij 

3)  Var.  6,  12  (S.  415  A.  6). 

4)  C.  Th.  6,  28,  1  vom  J.  380 :  agentes  in  rebus,  si  prindpatus  sorte  depos 
forsitan  provinciae  gubernacula  non  mertierint,  par  erit  salutationis  loco  Ms  .  i\ 
qui  praesidatum  gesserint  cedere.     Demnach  ist  auch  nichts  im  Wege  den  Sa 
Duda  4, 32.  34  [39, 4]  und  den  gleichnamigen  eomes  v.  sp.  4,  27  [§  5].  28  zu  identificiraj 


Ostgothische  Studien.  417 

Der  cancellarius^,  zu  dem  wir  uns  jetzt  wenden,  ist  niemals, 
wie  vielfach  geglaubt  wird,  ein  Thürsteher  gewesen 2.  Vielmehr 
liegt  es  ihm  ob,  den  durch  Gitter  (cancelli)  abgeschlossenen  Raum, 
in  dem  der  amtirende  Beamte  sich  befindet,  das  secretum,  vor  un- 
berufenem Zutritt  zu  bewahren  und  was  dem  Oberbeamten  während 
seiner  Function  vorzulegen  ist,  von  den  ausserhalb  Stehenden  ent- 
gegenzunehmen und  dem  Beamten  zu  überreichen.  In  dem  Officium 
des  Kaisers  oder,  was  dasselbe  ist,  in  dem  des  magister  ofßciorum 
tritt  derselbe  gewöhnlich  unter  dem  Namen  des  silentiarius  auf, 
den  wir  ebenfalls  als  Hofbeamten  Theoderichs  nachweisen  können*.  479 
Unter  den  übrigen  Ober-  und  Mittelbehörden,  die  wahrscheinlich 
sämmtlich  einen  solchen  Subalternen  gehabt  haben,  ist  der  cancellarius 
nachweisbar  bei  dem  praefectus  urhi^  und  bei  den  duces^;  am  meisten 
ist  von  ihm  die  Rede  in  Beziehung  auf  den  praefecttis praetorio'^ .  Wor- 
auf die  Sonderstellung  beruht,  welche  er  hier  einnimmt,  lehrt  uns 
Cassiodor:  er  ist  der  einzige  unter  den  Subalternbeamten,  welcher  nicht 
nach  der  Anciennetät  aufrückt,  sondern  von  dem  jedesmaligen  Prä- 


1)  Vgl.  über  diesen  P.  Krüger  Kritik  des  just.  Codex  S.  163. 

2)  Dass  die  kaiserlichen  ostiarii  auch  cancellarii  genannt  worden  sind,  pflegt 
man  zu  folgern  aus  der  vita  Carini  16:  praefectum  urbi  unum  ex  cancellariis  suis 
fecit;  aber  die  beste  Handschrift  hat  calcellariis,  was  wohl  aus  ealceolariis  oder 
(nach  Hirschfelds  Vorschlag)  aus  tabellarüs  verdorben  ist  [der  Palatinus,  die 
Vorlage  des  Bambergensis,  hat  cancellariis]. 

3)  Kaiserliche,  das  heisst  dem  tnag.  off.  untergeordnete  cancellarii  kommen 
nur  vor  in  der  Not.  dign.  Occ.  9,  14.  15:  admissionales  cancellarii,  welche  beide 
Kategorien  dem  officium  admissionum  Not.  dign.  Or.  11,  17  entsprechen.  Dass 
der  admissionalis  mit  dem  silentiarius  zusammenfällt,  sagt  Lydus  de  mag.  2,  17; 
es  wird  dies  auch  auf  die  davon  nicht  oder  wenig  verschiedenen  cancellarii  sich 
erstrecken. 

4)  Theoderichs  sileniiarii  erwähnt  Prokop  bist.  arc.  26;  ein  silentiarius  sacri 
paiatii  am  Hofe  Theoderichs  ist  S.  462  A.  6  angeführt. 

5)  Den  cancellarius  des  Stadtpräfecten  nennt  das  Edict  des  Apronianus 
362/4  (C.  I.  L.  VI,  1770),  was  wohl  die  früheste  Erwähnung  dieses  Officialen  ist. 
Ein  anderer  cancel(larius)  inl(ustris)  urb(anae)  s[e]d{is)  Rossi  1  n.  1122  [C.  I.  L.  VI, 
8401]. 

6)  In  der  Matrikel,  welche  Kaiser  Anastasius  für  den  Dux  der  Pentapolis 
aufstellte,   steht  der  cancellarius  an  dritter  Stelle  hinter   dem  adsessor  und  dem 

\domesticus  (S.  418  A.  3).    Da  er  in  den  justinianischen  Matrikeln  der  africanischen 

\duees  (cod.  lust.  1,  27,  2)  sich  nicht  vorfindet,  so  muss  ihnen  der  cancellarius  entweder 

von  dem   mag.  mil.   gesandt   worden    sein  wie   den   Provinzialstatthaltern    des 

^ccidents  vom  praef.  praetorio,  oder  sie  haben  ihn  in  der  Weise  selber  ernannt, 

le  Cassiodor  dies  für  den  praef.  praetorio  schildert. 

7)  Er  ist  auch  gemeint  var.  1,  35  [§  2].    Ein  cancell(arius)  pre(fecti)  Longini 
einer  Ravennatischen  Inschrift  vom  J.  574  C.  I.  L.  XI,  317. 

MOMMSEN,    SCHR.  VI.  27 


4X8  Ostgothische  Studien. 

fecten,  allerdings  aus  dem  Kreis  der  Subalternen^,  nach  eigenem 
Ermessen  ausgewählt  wird  2.  Wenn  wir  also  im  germanischen  West- 
reich den  cancellarius  zwar  ausserhalb  der  Matrikel  und  in  einer 
besondern  Vertrauensstellung,  aber  doch  noch  innerhalb  des  Officium 
finden,  so  erscheint  er  in  den  gleichzeitigen  Ordnungen  der  Kaiser 
des  Ostens  schon  ausserhalb  des  Officium  neben  und  nach  dem  con- 
480  siliarius^  und  auch  im  Gehalt  vor  den  Officialen  ansehnlich  bevor- 
zugt*. —  Was  die  Unterbeamten  anlangt,  so  giebt  es  im  Westreich 
wenigstens  unter  Theoderich  einen  cancellarius  in  jeder  Provinz^; 
diesen  aber  ernennt  nicht  der  Statthalter,  sondern  der  Präfect*^  und^ 
es  ist  also  die  Institution,  welche  in  Honorius  Zeit  nur  für  die  Statt- 

1)  Nach  dem  Lyder  3,  36  gehen  die  cancellarii  hervor  aus  den  Augustales, 
welche  unter  den  Abtheilungen  der  officiales  liüerati  den  höchsten  Platz  ein- 
nehmen und  auch  bei  Cassiodor  var.  11,  30  auftreten.  Ist  diese  Angabe  richtig 
und  allgemein  gültig,  so  war  die  Auswahl  des  Präfecten  noch  weiter  beschränkt. 

2)  Dies  zeigt  die  Vergleichung  des  die  freie  Wahl  betonenden  Ernennungs- 
schreibens des  cancellarius  Johannes  11,  6:  quamvis  statutis  gradibus  omnis  militia 
peragatur  .  . .  tuus  honor  cognoscitur  sollemni  ordine  non  teneri,  qui  suis  primatibus 
meruit  anteponi,  und  der  übrigen  itixta  mairiculae  seriem  (11,  17  [§  2])  vollzogenen 
Aufrückungsdecrete  11,  19 — 32,  unter  denen  c.  27  jener  Johannes,  qui  nostro 
iudicio  cancellorum  olim  sumpsit  officium,  in  der  keineswegs  hohen  Stellung  als 
praerogativarius  wiederkehrt.  Es  kann  also  der  Cancellariat  mit  einer  Matricular- 
stelle  combinirt  werden. 

3)  Die  Matrikel  des  Anastasius  für  den  Dux  der  libyschen  Pentapolis  und 
die  Justinians  für  den  pr'aef.  praet.  Africae  nennen  vor  dem  officium  jene  den 
adsessor,  den  domestieus  und  den  cancellarius,  diese  den  cmisiliarius  und  den 
cancellarius. 

4)  Nach  der  Matrikel  Justinians  bezieht  der  africanische  cancellarius  ein 
Gehalt  von  588  solidi,  der  höchstbesoldete  Officiale  nur  von  etwa  40,  wobei 
freilich  die  Sportein  dort  wie  hier  nicht  eingerechnet  sind.  Nach  Lydus  3,  36 
bezieht  der  cancellarius  einen  Solidus  täglich.  In  der  Matrikel  des  Anastasius 
sind  die  Zahlenverhältnisse  nicht  klar, 

5)  TJniversis  oder  ^universis  oder'  ist  zu  streichen]  diversis  cancellariis  pi'ovincia- 
rum  singularum.  12,  1. 10;  speciell  genannt  wird  der  cancellarius  von  Lucanien 
11,  (39!)  12,  12.  14.  15;  Campanien  11,  37  und  wohl  auch  11,  10;  Samnium  11,  36; 

I  Ligurien  11,  14.  Zu  vergleichen  sind  auch  die  Worte  des  vielleicht  dieser  Epoche 
angehörigen  Edicts  von  Buca  in  Samnium  C.  I.  L.  IX,  2826  :  cancellarii  nostri  auCr 
[toritat  e]. 

6)  Var.  12,  1.  Darum  heisst  dem  Präfecten  cancellarius  noster  auch  der 
provinciale  (12,  3  [§  2]).  Nach  den  drei  ungefähr  gleichlautenden  Rundschreiben, 
durch  welche  Cassiodor  als  praef.  praet.  die  Provinzialstatthalter  anweist  die 
Jahressteuern  zu  erheben  (11,  7.  12,  2.  16),  sendet  der  Präfect  ständig  zwei  milites 
nostrae  sedis  zur  üeberwachung  dieses  Geschäfts;  der  eine  davon  ist  sicher  der 
cancellarius,  in  dessen  Händen  das  Rechnungswesen  der  Provinz  liegt,  der  zweite 
wahrscheinlich  der  canonicarius  (var.  11,  38.  12,4  [7];  vgl.  nov.  Maioriani  2,2; 
cod.  lust.  10,  19,  9). 


^i 


Ostgothische  Studien.  419 

halter  von  Consularrang  bestand,  dass  der  Präfect  ihnen  den  Bureau- 
chef sendet  ^,  jetzt  mit  Uebertragung  auf  den  Cancellariat  auf  alle 
Provinzialvorsteher  erstreckt.  Im  Orient  scheint  nicht  das  Gleiche 
geschehen  und  der  provinziale  Cancellariat  nur  missbräuchlich  vor- 
gekommen zu  sein  ^.  —  Im  Occident  giebt  es  bei  jedem  Bureau  nur 
einen  cancellarius  und  dies  wird  auch  im  Orient  die  Grundform 
gewesen  sein^.  —  Ein  Rangprädicat  habe  ich  für  den  eigenen  can- 
cellarius des  Präfecten  nicht  gefunden;  dem  provinzialen  wird  der 
Clarissimat  gegeben*.  —  In  welcher  Weise  dieser  vornehme  Sub- 
alterne der  römischen  Ordnung  in  die  wirklich  germanische  über- 
gegangen ist,  liegt  ausserhalb  des  Kreises  dieser  Untersuchung^. 


Der    kaiserliche    Staatsrath,    und    der    Patriciat    gehören    nicht  481 
eigentlich  zu  den  römischen  Civilämtern;  aber  das  Wenige,  was  über 
sie  zu  bemerken  ist,   wird  am  zweckmässigsten  hier  angeschlossen.. 

Der  kaiserliche  Staatsrath,  das  consisforium  sacrum,  wird  bekannt- 
lich aus  den  vier  oder  später  fünf  obersten  Hofbeamten,  dem  magister 
ofßciorum,  dem  Quästor  und  den  zwei,  später  den  drei  Directoren 
der  Finanzen,  ferner  aus  denjenigen  Personen  zusammengesetzt, 
welchen  der  Kaiser  die  comitiva  ersten  Grades  und  damit  das  Recht 
ertheilte  an  den  Staatsrathssitzungen  theilzunehmen  ^.    Diese  letztere 

1)  S.  413  A.  4.  Wegen  der  Verordnung  von  394  C,  Th.  8,  4,  18  vgl. 
S.  408  A.  4. 

2)  Die  orientalische  Verordnung  vom  J.  423  (C.  Th.  1,  35  [34],  3)  verbietet  dem 
Provinzialstatthalter  jemand  mitzunehmen,  cui  domestici  (vgl.  S.  448  A.  2)  vd 
cancellarii  nomen  imponat,  lässt  aber  dann  die  Ernennimg  von  cancdlarii  zu 
periculo  primatum  officü  sub  fide  gestarum,  also  durch  den  Statthalter,  aber  mit 
Zuziehung  der  Spitzen  seines  Officium,  das  für  etwaige  Malversationen  aufzu- 
kommen hat,  und  unter  Aufnahme  eines  entsprechenden  Protokolls.  Der  Lyder 
lohannes  klagt  3,  37,  dass  die  Dirigenten  der  Provinzialhebungen  {ot  sv  rouff 
hcaQxio-i?  xaXxoloyovvrsg)  sich  diesen  ansehnlichen  Namen  (ro  xavx£)laQicov  d^icofia) 
anmassen. 

3)  Zu  Lydus  Zeit  gab  es  in  dem  Bureau  des  praef.  pi'ad.  Oricntis  zwei 
rechtmässige  cancellarii;  dass  dies  von  jeher  so  gewesen  sei,  kann  sein  Zeugniss 
nicht  erhärten.    Ueber  den  Plural  cod.  lust.  1,  27,  1  vgl.  S.  416  A.  1. 

4)  11,  10.  37.  39.  12,  3.  15. 

5)  Erwähnt  mag  werden,  dass  sie  in  der  Einleitung  des  burgundischen 
Gesetzbuchs  c.  4  also  auftreten:  sciant  itaque  optimates,  comites,  consiliarii,  dome- 
stici  et  maiores  domus  nostrae,  cancellarii  etiam,  Burgundiones  quoque  et  Botnani 
civitatum  aut  pagm'iim  comites  vel  iudices  deputati. 

6)  Dass  der  comes  primi  ordinis  als  solcher  in  das  consistorium  den  Eintritt 
hat,  spricht  Cassiodorvar.  6, 12  [§  4]  bestimmt  aus.  Allerdings  wird  die  Bezeichnung 
&»nes  consistorianus  nicht  allen  comites  der  ersten  Classe  beigelegt,  sondern  nur 
denen,  die  keine  andere  Competenz  daneben  haben  (vgl.  nov.  Valent.  III.  6,  3, 1 : 

27* 


420  Ostgothische  Studien. 

Auszeichnung  wird  wie  die  eigentlichen  Aemter  auch  titular  ver- 
liehen ^.  Noch  in  der  gothischen  Epoche  wird  die  comitiva  für  das 
Consistorium  vom  König  nicht  lediglich  als  Titularehre  vergeben  ^ 
und  die  Einführung  in  das  Consistorium  liegt  auch  jetzt  dem  magister 
officiorum  ob^.  Auch  der  bei  diesem  Consistorium  beschäftigten 
tribuni  et  notarii  und  ihres  primicerius*  sowie  des  dabei  ebenfalls 
fungirenden  süentiarius  (S.  417  A.  4)  wird  in  dieser  Zeit  gedacht. 
—  Aber  diejenige  Bedeutung,  wie  sie  den  Staatsrathssitzungen  in 
Constantinopel  zukommt,  können  die  ravennatischen  nicht  gehabt 
haben.  In  dem  einen  der  beiden  merkwürdigen  König  Theoderichs 
persönliches  Verhalten  bei  der  Entscheidung  der  an  ihn  gelangenden 
482  Sachen  lebendig  schildernden  Schreiben  wird  das  Verfahren  vor  dem 
Consistorium  als  antiquirt  bezeichnet^  und  dies  wird  dadurch  be- 
stätigt, dass  die  kaiserlichen  notarii,  welche  unter  der  später  üblichen 
Bezeichnung  a  secretis  bei  den  Byzantinern  eine  gewisse  Rolle  spielen  ^, 


comites  consistorianos  vel  primi  ordinis);  aber  es  ist  keine  Ursache  zu  bezweifeln, 
dass  zum  Beispiel  der  comes  Orientis  auch  Sitz  im  Consistorium  gehabt  hat. 

1)  C.  Th.  6,  22,  8,  1.  Wenn  der  comes  ordinis  primi  schlechtweg  unter- 
schieden wird  von  dem  comes  ordinis  primi  intra  palatium  (C.  I.  L.  VI,  1690 
[=  Dessau  1240])  oder  dem  comes  intra  consistorium  ordinis  primi  (C.  I.  L.  VI, 
1741  [=  Dessau  1243]  vgl.  1739.  1740.  1742;  ähnlich  C.  VI,  1764  [=-  Dessau  1255]) 
oder  dem  comes  sacri  consistorii  (C.  I.  L.  VI,  1725  [=  Dessau  1284]),  so  kann  der 
erstere  der  bloss  titulare  comes  sein,  obwohl  wer  beide  comitivae  primi  ordinis 
erlangt,  dies  als  Iteration  bezeichnet  (C.  I.  L.  VI,  1690  [=  Dessau  1240].  1739. 
1740.  1757  [=  Dessau  1232]). 

2)  Die  Formel  dafür  var.  6,  12.  Ein  ex  com(ite)  consistorii  in  der  Inschrift 
vom  J.  519  Rossi  inscr.  ehr.  1,  968  [C.  I.  L.  VI,  32003]. 

3)  Var.  6,  6  [§2]:  donator  aulici  consistorii  [vielmehr  collocutionis  nostrae 
.  .  .  donator,  aulici  consistorii  quasi  quidam  lueifer], 

4)  Die  Formel  dafür  var.  6,  16.  Als  titular  wird  diese  Stellung  zu  Theil 
dem  aus  dem  Officium  des  praef.  praet.  ausscheidenden  cornicularius  und  primi- 
scrinius  (S.  399  A.  4),  wobei  sie  zur  Audienz  bei  dem  Kaiser  zugelassen  werden 
(adoranf).  Bei  gleicher  Verabschiedung  wurde  diese  Ehre  auch  lohannes  dem 
Lyder  zu  Theil  (de  mag.  3,  30). 

5)  5,  41  [§  3] :  obtinuit  ille  saepius  in  vectationibus  nostris,  quod  in  consistoriis 
agi  solebat  antiquis. 

6)  Diese  Benennung  findet  sich  bei  Prokop  hist.  arc.  14,  bell.  Pers.  2,  7  und 
bei  Lydus  de  mag.  3,  28;  notarius  secretorum  in  der  Biographie  Aurelians  c.  36; 
griechisch  6  xiäv  s^üy&ev  tpegofiivcov  anoxQioewv  ^rjvvxrjg  Zosim.  1,  62.  Auch  die 
Wendungen  bei  Cassiodor  var.  1,  4.  6,  16  weisen  darauf  hin.  Dagegen  ist  var. 
4,  3  [§  3].  4  [§  3]  das  excipere  (usus  es  sub  exceptionis  officio  eloquentis  ingenio  .  .  . 
nunc  ad  colloquia  dignus,  nunc  ad  exceptiones  aptissimus)  wohl  auf  den  referenda- 
rius  zu  beziehen,  da  diese  Thätigkeit  zu  der  herabgekommenen  Stellung  des 
tribunus  et  notarius  nicht  passt  und  die  Beförderung  von  derselben  zum  comes  largi- 
tionum  ebenfalls  auf  den  referendarius  hinweist. 


Ostgothische  Studieu.  421 

tan  dem  gothischen  Hofe  ganz  untergeordnet  sind  ^,  ebenso  der  bei 
ler  Sitzung  des  consistorium ,  dem  secretum  gleichfalls  betheiligte 
iilentiarius  ausdrücklich  bezeichnet  wird  als  inactiver  Pensionär 
403  A.  4).  Das  in  Constantinopel  neben  der  Verhandlung 
Staatsrath  hergehende  Verfahren ,  dass  der  Quästor  und  die 
tagistri  scriniorum  einzeln  dem  Herrscher  Vortrag  halten,  herrscht 
in  Ravenna  jetzt  allein.  Insbesondere  die  magistri,  jetzt  gewöhnlich 
)ezeichnet  als  referendarii^  oder  ävnyQaq)eig'^,  junge  den  Staatsdienst  483 

plamit  beginnende  Leute,  haben  die  schwierige  Aufgabe,  oft  während 
ler  königlichen  Spazierritte,  dem  alten  Kriegsmann  die  Sachen  bündig 
rorzutragen  (S.  389)  und  seine  nicht  selten  in  heftigen  Worten  ge- 
gebenen Entscheidungen  entgegenzunehmen*.   —   Es  hat  dies  nicht 

1)  Wo  Cassiodor  von  der  Ertheilung  dieser  Stellung  an  seinen  Grossvater 
spricht  var.  1,  4  [§  10],  setzt  er  hinzu:  honor  qui  tunc  dabatur  egregiis. 

2)  Die  magistri  scriniorum  kommen  bei  Cassiodor  nur  insofern  vor,  als  der 
mit  dem  Principat  ausscheidende  ctgens  in  rebus  diese  Würde  titular  erhält 
(6,  13  oben  S.  407  A.  7).  Die  Formel  für  die  referendarii  var.  6,  17;  es  heissen 
so  Cyprianus  (8,  21  [§4]  und  anon.  Vales.  85)  und  Johannes  (8,  25).  Dieselbe  Benen- 
nung findet  sich  auch  im  Orient  in  dem  Protokoll  vom  J.  427  cod.  lust.  1,50,2: 
mandata  impp.  Theodosii  et  Valentiniani  Attgg.  tnissa  ad  Antioehum  j)(raefectum) 
p(raetorio)  per  referendarium  und  in  der  Verordnung  Leos  vom  J.  473  cod.  Just. 
4,  59,  1,  sodann  ständig  in  der  justinianischen  Zeit  (Prokopius  bell.  Pers.  2,  23 ; 
hist.  arc.  14;  nov.  lust.  10.  113.  124).  Ausdrücklich  werden  sie  mit  den  magistri 
scriniorum  nicht  identificirt;  aber  das  Geschäft  des  referendarius ,  dem  Kaiser 
die  eingehenden  Anliegen  vorzutragen  und  dessen  oft  mündlich  ertheilten  Bescheid 
den  Parteien  mitzutheilen  (Cassiodor  a.  a.  0. ;  Prokop  a.  a.  0. ;  nov.  133  c.  1)  deckt 
sich  völlig  mit  dem  jener  magistri.  Wie  diese  stehen  die  referendarii  unter  dem  mag. 
off.  (Inscription  der  Nov.  10)  und  wie  diese  (Zeno  cod.  lust.  1,  23,  7)  haben  sie  die 
Spectabilität;  denn  diese  fordert  die  der  Formel  6,  17  angewiesene  Stelle  und 
auch  dem  Johannes  wird  8,  25  in  den  Handschriften  diese  beigelegt,  nicht  der 
lUustrat.  In  älterer  Zeit  giebt  es  vier  Magistri ;  lustinian  (nov.  10)  schreibt  vor 
die  auf  dreizehn  gestiegene  Zahl  der  Referendarien  auf  acht  zu  reduciren.  Unter 
ihnen  stehen  wie  unter  den  magistri  eine  Anzahl  adiutoi'es  (nov.  124  c.  4).  Die 
bis  dahin  wohl  nur  in  der  Umgangssprache  gebräuchliche  Bezeichnung  ist  unter 
lustinian  die  officielle. 

3)  Petrus  Patricius  fr.  14  Müll.:  avxiyQacpsvg  rfjg  nvrjurjg.  Suidas  unter 
'AdQiavöi;:  ävriygaipsvg  töv  ijnorokwv.  Den  Gegenkaiser  des  Theodosius  Eugenius 
nennt  Philostorgius  11,  2  magister,  Theophanes  zum  J.  5882  äviiygafpivg.  Vgl. 
Reiske  zu  Const.  Porph.  de  caerim.  2  p.  287  Bonn.  Auch  der  antigraphus  bei 
Gregorius  ep.  1,  28  ist  wohl  ein  Referendarius.  Wahrscheinlich  ist  referendarius 
Uebersetzung  von  dvnyQafpsvg,  obwohl  jener  Ausdruck  früher  auftritt  als  dieser 
und  gewöhnlich  von  den  Griechen  beibehalten  wird;  dass  für  den  im  Griechischen 
schwer  wiederzugebenden  Vorschlag  re  hier  dvzi  gesetzt  ist,  kann  nicht  ver- 
wimdern. 

4)  Beide  Schreiben,  das  bei  Lebzeilen  Theoderichs  aufgesetzte  5,  41  (vgl.  40) 
und  das  später  abgefasste  8,  21  betreft'en  das   Referendariat  Cyprians   und  sind 


422  Ostgothische  Studien. 

anders  sein  können.  In  dem  Reiche  Theoderichs  war  der  Gothe 
wie  für  die  Reichsämter  und  für  den  Senat  disqualificirt,  so  auch 
nicht  fähig  im  Consistorium  zu  sitzen;  und  der  Beherrscher  'der 
Gothen  und  der  Römer'  konnte  wohl  von  römischen  Referendarien 
sich  über  Regierungsangelegenheiten  Yortrag  halten  lassen,  aber 
einem  Staatsrath,  aus  dem  die  Gothen  ausgeschlossen  waren,  unmög- 
lich mehr  als  jene  nominelle  Existenz  gestatten,  welche  das  Ab- 
kommen mit  Byzanz  forderte. 


Der  Patriciat  ist  bekanntlich  eine  Schöpfung  Constantins  oder 
richtiger  gesagt,  Constantin  hat  den  erblichen  Briefadel,  wie  ihn  auf 
den  Spuren  Caesars  und  Augusts  die  frühere  Kaiserzeit  entwickelt 
hatte,  in  einen  personalen  umgewandelt.  Auch  jetzt  ist  der  Patriciat 
wesentlich  ein  Ehrentitel  ^  Dennoch  sind  die  Gothen  von  demselben 
nicht  minder  ausgeschlossen  wie  von  den  Aemtern^  und  mussten  es 
schon  darum  sein,  weil  nach  den  derzeit  bestehenden  kaiserlichen 
484  Ordnungen  der  Patriciat  nur  nach  Bekleidung  eines  zur  ersten 
Rangklasse  gehörenden  Staatsamts  verliehen  werden  konnte^.  Die 
Verleihung  steht  bei  der  Regierung  und  ist  wie  die  Amtsernennung 
auf  die  germanischen  Könige  übergegangen*;  sie  erfolgt  immer  auf 
Lebenszeit^.     Irgend  welche  Competenz  ist  damit  in  dieser  Epoche 

auch  insofern  merkwürdig,  als  das  Verfahren  gegen  Boethius,  das  eben  dieser 
Cyprianus  herbeiführte,  wahrscheinlich  in  dieser  Weise  eingeleitet  worden  ist. 
Der  erste  Brief  schildert  die  von  dem  König  in  Begleitung  Cyprians  unter- 
nommenen Spazierritte  und  die  während  derselben  von  diesem  gehaltenen  Vor- 
träge {relationes,  suggestiones)  und  lobt  dessen  unerschrockenes  Verhalten  gegen 
den  König  ([§  2]  regiis  intrepidus  militavit  affatihus  ...  [§  4]  impetum  nostri  animi 
frequenter  sustinuit);  das  zweite  Schreiben  hebt  [§  4]  noch  nachdrücklicher  hervor, 
dass  unter  diesem  alten  Kriegsmann  auch  der  Friedensdienst  ein  militärisches 
Wesen  an  sich  gehabt  habe  (fuerunt  apud  illum  virtutum  omnium  vir  um  exerci- 
tualia  vel  pacata  servitia)  und  dass  ihm  in  der  Discussion  Stand  zu  halten  mehr 
Sicherheit  und  mehr  Muth  gefordert  habe  als  dem  Feind  ins  Auge  zu  sehen  {qui 
tantam  firmitatem  animi  semper  exegit,  tantam  verhorum  in  adserenda  veritate  constan- 
tiam,  ut  nierito  se  vicisse  diceret  hostem,  qui  illo  praesente  vitare  valuisset  errorem). 

1)  Unter  und  nach  Justinian  wird  er  auch  Frauen  verliehen  (Prokop  hist. 
arc.  9.  16;  Gregorius  ep.  1,  33  und  sonst). 

2)  Alle  in  gothischer  Zeit  begegnende  Patricier  sind  Römer  mit  Ausnahmt 
Theoderichs  selbst  und  unter  Athalarich  des  Tuluin,  von  dem  bei  den  Militär- 
ämtern  gesprochen  werden  wird  (S.  447). 

3)  Zeno  cod.  lust.  12,  3,  3.     lustinian  uov.  62. 

4)  Cassiodors  Königsschreiben  geben  dafür  zahlreiche  Belege. 

5)  Die  damit  wenigstens  formell  in  Widerspruch  stehende  Bezeichnunj 
expatrieiiis  ist  ein  seltsames  Räthsel.  Sie  findet  sich  an  zwei  Stellen.  In  de 
Präsenzliste  für  das  Concil  von  Kalchedou  451  (Mansi  6,  563  if.)  werden  zunächs 


Ostgothische  Studien.  423 

nicht  verbunden^,  wohl  aber  ein  bevorzugtes  Stimmrecht  im  Senat, 
auf  das  wir  bei  diesem  zurückkommen  (S.  425). 

IV.  485 

Der  römische  Senat  und  die  Verwaltung  von  Rom  und 

Ravenna. 
Keine  der  öffentlichen  Einrichtungen  des  theodericischen  Römer- 
staats entfernt  von  den  aus  der  vordiocletianischen  Zeit  uns  geläufigen 
Anschauungen  sich  so  weit  wie  der  Senat.  Allerdings  sind  es 
schwerlich  die  germanischen  Könige  gewesen,  welche  diese  Aende- 
rungen  herbeigeführt  haben;  fehlten  uns  nicht  mit  dem  Anfang  des 
sechsten  Buches  der  theodosischen  Sammlung  die  wichtigsten  in 
dieser  Beziehung  ergangenen  Kaisergesetze,  so  würden  wir  sicher 
die  neuen  Normen  theils  auf  die  Umgestaltung  der  Staatsordnung 
durch  Diocletian  und  Constantin,  theils  auf  die  Verlegung  des  Re- 
gierungssitzes nach  Ravenna  zurückführen  können. 

Der  senatorische  Erbadel,  oder  nach  dem  technischen  Ausdruck 
dieser  Epoche  der  Clarissimat,  hat  unverändert  fortbestanden.  Er  ist 
namentlich  in  steuerlicher  Hinsicht  von  Wichtigkeit,  insofern  der  ex- 
ceptionellen  Belastung  der  Senatoren  auch  die  Kinder  und  die  Frauen 
senatorischen  Ranges  unterlagen^.    Von  dem  geborenen  clarissimus^ 

die  fungirenden  Beamten  aufgezählt,  darunter  der  orgaTrjkäzrjg  y.ai  ano  vTidicov 
jiaTQixiog  Anatolius,  alsdann  eine  Anzahl  Senatoren,  zuerst  Florentius  ojid  ijidgxcov 
xal  vTiäxcov  (Consul  429)  xal  jiargtxiojv  und  mehrere  andere  analog  charakterisirte, 
womit  der  lateinische  Text  stimmt.  Aber  derselbe  Florentius  heisst  in  einem 
zu  den  Acten  desselben  Concils  gehörenden  Schreiben  vom  J.  448  (Hänel  coqj. 
leg.  p.  249)  patricms.  Ferner  stellt  die  Verordnung  Zenos  cod.  lust.  3,  24.  3  den 
patricius  und  den  expatricius  neben  einander  und  beide  an  die  Spitze  der  illustres. 
Auf  Inschriften  ist  mir  nichts  Aehuliches  begegnet;  patriciae  famüiae  vir  (C.  I.  L. 
VI,  1725  [=  Dessau  1284])  fordert  nur  die  factische  Verleihung  des  Patriciats 
durch  mehrere  Generationen.  Eine  Erklärung  finde  ich  nicht,  aber  ein  Rang- 
unterschied zwischen  dempatricius  und  dem  expatricius  kann  nicht  bestanden  haben. 

1)  lucorrect  spricht  die  stadtrömische  Inschrift  vom  J.  450  (Rossi  inscr. 
ehr.  1,  751  [C.  I.  L.  VI,  8406])  von  einem  seriniarius  inl.  patriciae  sedis.  Gemeint 
ist  die  Stadtpräfectur,  da  in  dieser  Zeit  der  praef.  praet.  in  Ravenna  residirte; 
der  damalige  praef.  urbi  muss  den  Patriciat  gehabt  haben.  Die  Umwandlung  des 
praef.  jyraetorio  Africae  oder  Italiae  et  patricius  in  einen  patricius  Africae  oder 
Italiae  ist  nachjustinianisch.  —  Ueber  den  patricius  praesentalis  bei  den  Militär- 
ämtern S.  448.  2)  C.  Th.  6,  4,  17  und  dazu  Gothofredus. 

3)  Cassiodor  var.  8,  17  [§  7] :  secundo  ad  vestram  curiam  venit,  qui  et  ex  senatore 
natus  est  (Erwerbung  des  Standesrechts)  et  aulicis  dignitatibus  probaiur  honoratus 
(Erwerbung  des  Stimmrechts).  8,  19  [§  2]  an  den  Senat:  licet  apud  vos  seminarium 
sit  senatiis,  tarnen  et  de  nostra  itidulgentia  nascitur  qui  vestris  coetibus  applicetu/r. 
Dasselbe  stand  wohl  auch  in  der  defecten  Verordnung  C.  Th.  6,  2,  7. 


424  Ostgothische  Studien. 

wird  der  Senator  unterschieden^  und  diese  letztere  Eigenschaft 
wahrscheinlich  auch  jetzt  noch  entweder  durch  die  Bekleidung  eines 
stadtrömischen  Amtes  erworben  oder  durch  kaiserliche  Adlection. 

Von  den  stadtrömischen  Aemtern  kommt,  wie  in  früherer  Zeit, 
wesentlich  nur  die  Quästur  in  Betracht,  da  Prätur  und  Consulat 
486  nicht  leicht  anders  als  nach  Erwerbung  der  Senatoreneigenschaft 
bekleidet  werden  konnten^.  Dass  die  römische  Quästur,  welche 
mit  den  daran  geknüpften  Spielen  bis  in  die  Mitte  des  fünften  Jahr- 
hunderts nachweislich  fortbestand^,  so  lange  sie  dauerte,  die  Senatoren- 
qualität verlieh,  wird  nirgends  ausdrücklich  gesagt;  aber  es  steht 
dieser  Annahme  nicht  blos  nichts  entgegen,  sondern  sie  wird  durch 
den  Zusammenhang  mit  x^othwendigkeit  gefordert*. 

Die  kaiserliche  Ernennung  zum  Senator  hat  sich  verglichen  mit 
der  älteren  in  zwiefacher  Weise  geändert.  Einmal  giebt  es,  während 
die  vorconstantinische  Epoche  eine  Adlection  in  die  erste  Rangklasse 
so  gut  wie  nicht  kennt  ^,  jetzt  keine  andere  als  die  inter  consulares; 
80  viel  wir  wissen,  ist  der  Rang  als  praetorius  oder  quaestorius  in 
dieser  Epoche  von  der  Regierung  nicht  mehr  verliehen  worden. 
Zweitens  wird  die  Senatorenqualität,  und  zwar  wie  gesagt  in  der 
Form  der  Consularität ,  regelmässig  jetzt  nicht  wie  früher  durch 
personale  Verfügung  verliehen,  sondern  sie  ist  an  gewisse  Aemter 
ein  für  allemal  geknüpft,  und  zwar  entweder  an  deren  Ue  bernahme 
oder  an  deren  Mederlegung.  Auf  der  Verknüpfung  mit  der  Amts- 
übernahme beruht  der  Amtstitel  consularis.  In  der  früheren  Kaiser- 
zeit bezeichnet  dies  den  gewesenen  Consul  und  nur  in  der  vulgären 
Ausdrucksweise  tritt  diese  die  hohe  Rangklasse  hervorhebende  Be-, 
Zeichnung  zu  dem  Amtstitel  hinzu  oder  gar  für  ihn  ein;  der  Statt-* 
halter  von  Syrien  heisst  officiell  legatus  pro  praetore,  aber  da  er  aus 
den  consularischen  Senatoren  genommen  wird,  in  gewöhnlicher  Rede 
auch  legatus  consularis  und  häufig  selbst  consularis  schlechtweg. 
Späterhin  verschwindet  bei  denjenigen  Statthalterschaften,  die  nur  an 
gewesene  Consuln  oder  auch  mit  dem  Titularconsulat  zugleich  vergeben 

1)  C.  Th.  16,  5,  52  vom  J.  412:  poenae  nomine  .  .  .  cogantur  inferre  spectabiles 
auri  pondo  XL,  senatores  auri  pondo  XXX,  clarissimi  auri  pondo  XX. 

2)  Ob  der  Yolkstribunat  in  dieser  Zeit  fortbestand,  ist  zweifelhaft  (Staats- 
recht 2'  S.  330),  obwohl  er  in  den  Adressen  noch  unter  Anastasius  erscheint 
(Thiel  epist.  pont.  1  p.  765).  3)  Staatsrecht  2»  S.  534. 

4)  Die  oft  erwähnte  Adlection  inter  consulares  fordert  die  Existenz  nicht- 
consularischer  Senatoren,  also  das  Fortbestehen  der  praetorii  und  der  quaestorii; 
und  diese  können  nur  aus  den  stadtrömischen  Aemtern  hervorgegangen  sein,  da ' 
die  Adlection  dieser  Epoche  sich  auf  praetorii  und  quaestorii  nicht  erstreckte. 

5)  Staatsrecht  2'  S.  942. 


Ostgothische  Studien.  425 

werden,  der  eigentliche  Amtstitel  vor  der  Rangbezeichnung  und  wird 
der  Rang  so  völlig  zum  Amtstitel,  dass  dem  gewesenen  Statthalter 
dieser  Kategorie  ganz  gewöhnlich  die  Bezeichnung  ex  consulari  ge- 
geben wird.  Folgerichtig  wird  dieser  Amtstitel  jetzt  auch  ohne 
wirkliche  Bekleidung  einer  hohen  Provinzialstatthalterschaft  lediglich 
titular  verliehen,  die  Exconsularität  dem  nach  vollendeter  Dienstzeit 
ausscheidenden  agens  in  rebus  und  zahlreichen  anderen  Kategorien 
der  Subalternbeamten  als  Abschiedsvergünstigung  beigelegte  Alle  487 
diese  sei  es  durch  die  Uebernahme  eines  Administrativamts,  sei  es 
im  Wege  der  Gratification  zur  Consularität  gelangenden  Personen 
sind  damit  Senatoren  2.  Sie  sind  also  allen  Pflichten  und  Lasten 
dieses  Standes  unterworfen,  wenn  sie  nicht,  was  allerdings  häufig 
geschieht,  davon  besonders  befreit  werden^,  werden  aber  auch  zu 
den  Ehren  und  Rechten  desselben  zugelassen,  zum  Beispiel  zu  den 
criminalprozessualischen  Privilegien  und  zum  Senatorensitz  bei  den 
öffentlichen  Festlichkeiten  *. 

Nach  der  älteren  Ordnung  gilt  der  letztere  Satz  auch  von  dem 
Stimmrecht  in  der  Curie;  es  hat  dies  jeder  Senator.  Jetzt  aber, 
wir  wissen  nicht  seit  wann,  vielleicht  schon  nach  Anordnungen  Dio- 
cletians  oder  Constantins,  stimmen  nur  die  Senatoren  der  ersten 
Rangklasse,  die  illustres'^  und  zwar  nach  den  drei  Klassen*^  der 
Patricier,   der  gewesenen  Consuln '  und   der  übrigen  zu  einem  Amt  488 

1)  C.  Th.  6,  27,  5  vom  J.  386:  agentibus  in  rebus  huiusmodi  praestitimus 
cudicülos,  ut  post  2^i'>^cipatum  in  ampUsmno  ordine  inter  adlectos  considares 
habeanttir.    Gleichartig  C.  Th.  6,  24,  8.  9.  10.  6,  25,  1.  6,  26,  7.  8.  6,  30,  19. 

2)  C.  Th.  6,  27,  6  vom  J.  370:  qui  ex  agente  in  rebus  princeps  ftierit  .  .  .  sit 
Senator  et  merito  consularibus  aggregetur.    Aehnliches  findet  sich  oft. 

3)  C.  Th.  6,  27,  6  fährt  fort:  sed  ut  eum  functio  ulla  non  teneat,  collatio  non 
'^"fraudet. 

4)  Nov.  lust.  62, 1 :  et  in  Itidis  circensibus  et  quando  conventus  fuerit  nuntiatus 
mlüo  mare  et  senatores  colligi  necesse  est  et  suum  officium  exercere.  Der  conventus 
bezieht  sich  freilich  nur  auf  die  stimmberechtigten  Senatoren  (vgl.  Constantinus 
Porph.  de  caer.  1,  92:  6r^>e  idödtj  rä  fidvdaia  oiUvtiov  xal  xo/iisvzov  u.  a.  St.  m.); 
aber  das  Recht  auf  den  Sondersitz  im  Circus  werden  wohl  alle  gehabt  haben. 

5)  Ulpian  oder  vielmehr  Tribonian  Dig.  1,  9,  12,  2:  'senatores^  accipiendum 
est  eos,  qui  a  patriciis  et  consulibus  usque  ad  omnes  illustres  viros  descendunt,  quia 
et  hi  soll  in  senatu  sententiam  dicere  possunt. 

6)  Die  Klassen  definirt  genau  lustinian  nov.  62.  Die  Grundzüge  schon  in 
den  Verordnungen  Gratians  C.  Th.  6,  6,  1  und  Valentinians  III.  nov.  11. 

7)  Die  in  der  Curie  sitzenden  Consulare  werden  zuweilen  metonymisch  für  die 
stimmberechtigten  Senatoren  überhaupt  gesetzt  ([var.]  6, 4  [§  3]  an  den  Stadtpräfec- 
ten:  eonsides  supra  omnes  seilicet  consulares;  5,  22  [§  5]  vom  rector  decuriarum:  intro- 
ducat  vestrae  curiae  consulares).  "Wahrscheinlich  war  die  neue  Ordnung  in  der  Form 
eingeführt  worden,   dass  von  den  alten   Rangklassen  des  Senats  (Staatsrecht  3 


426  Ostgothische  Studien. 

erster  Klasse  gelangten  Personen,  einerlei  ob  dieselben  wirklich 
fungirt  oder  das  Amt  nur  als  titulares  empfangen  haben.  Dem  ent- 
sprechend erscheint  bei  Cassiodor  der  Eintritt  in  die  Curie  abhängig 
von  der  Bekleidung  eines  der  grossen  Hofämter  ^,  in  welcher  Hinsicht 

S.  852.  966 ff.),   den  minderen   das  Stimmrecht  entzogen  ward   und  insofern  der 
Senat  von  jetzt   an   aufgefasst  werden    konnte    als    die    Klasse    der   consulares. 
üebrigens  ist  terminologisch  nicht  zu  übersehen,   dass  es  zwei  Kategorien  der 
consulares  giebt,  die  gewesenen  oder  titularen  Consuln  vom  Range  des  Illustrats, 
welche  Sitz  und  Stimme  im  Senat  haben,  und   die  wirklichen   oder  titularen 
Provinzialstatthalter  erster  Ordnung,  bei  welchem  Amtstitel  jetzt  an  den  Consul- 
rang  nicht  mehr  gedacht  wird  und  denen  nur  der  Clarissimat  und  keineswegs 
der   Sitz   im   Senat  zukommt.     Die  Zweideutigkeit  der  Titulatur  kann  nur  im 
einzelnen  Fall  durch  den  Zusammenhang  gehoben  werden.     (Nachtrag.*)    Es 
hätte    hier    darauf    hingewiesen    werden    sollen,    dass    Gregorius'  (bist.  Franc. 
2,  38)   Bericht  über  Chlodovechs  Consulat  wesentlich   correct   ist:   ab  Anastasio 
imperatore  codicillos  de  eonsulatu  accepit  et  in  basilica  beati  Martini  tunica  blattea 
indutus  et  chlamyde,  itnponens  vertiee  diadema.   Der  Versuch  dem  Frankenkönig  einen r 
Platz  in  den  Fasten  zu  verschaffen,  der  noch  kürzlich  gemacht  worden  ist,  wäre 
allerdings  besser  unterblieben  (vgl.  Krusch  in  dieser  Zeitschrift  [N.  Archiv]  12,  299) 
aber  neben  den  jetzt  wieder  das  ganze  Jahr  hindurch  fungirenden  und  in  dei 
Datirung  ausschliesslich  verwendeten  consides  ordinarii  (Staatsrecht  2  *,  93)  stehet 
in  dieser  Epoche  die  titularen  sowohl  in  den  Erlassen  des  Ostreichs  (cod.  lust 
10,  32,  67,  1.  12,  3,  3.  4),    wie  auch  bei  Cassiodor  (var.  6,  10  und  sonst)   und  ii 
zahlreichen  bis  in  späte  Zeit  hinabreichenden  byzantinischen  Bleisiegeln.    Das; 
an  diese  hier  zu  denken  ist,  beweist  die  dafür  technische  Erwähnung  der  codi 
diu.     ungenau  ist   allein    die    Nennung  des   Diadems,    das  Chlodovech  nur  al 
König,  nicht  als  Cousul  getragen  haben  kann.    Ebenso  hat  Gregor  in  den  folger 
den  Worten:  ab  ea  die  tamquam  consul  aut  Augustus  est  vocitatus  den  Augustu 
mit  Unrecht  hereingezogen.    Der  Titel,  der  dem  Honorarconsul  zukommt,  ist  e 
consule^  und  in  diesem  Sinne  muss  Gregors  tamquam  consul  aufgefasst  werdei 
Proconsul,  wie    in  einem  Theil  der   Handschriften   der   lex   Salica  Chlodovee 
genannt  wird,   kann  weder  mit  v.  Sybel    (Rhein.  Jahrb.  4,  86;  histor.  Zeitschri: 
56,  399)  von  einem  durch   den  Kaiser  des  Ostens  dem  fränkischen  König  übe 
tragenen   Froconsulat  über  Gallien   verstanden ,    noch   mit  Waitz  (Verf.  Gescl 
2,  P,  47)  auf  das  Honorarconsulat  bezogen  werden;  wenigstens  wird  dies  tituli 
185  nie  also  bezeichnet.    Es  ist  doch  wohl  nichts  als  Schreiberversehen  für  das  alle: 
in  den  Zusammenhang  passende  praecelsus.) 

1)  Formel  de  referendis  in  senatu  6,  14  [§  3]:  senatui  praedestinatus  est  cui  n 
contulimus  laticlaviam  dignitatem.  8,  17  (S.  423  A.  3)  19  (S.  423  A.  3).  Wenn  d 
praefectus  urbi  aufgefordert  wird  hinsichtlich  einer  für  die  Aufnahme  geeigneti 
Person  das  Geeignete  zu  veranlassen  (1,  41 :  magnificentia  tua  Fausto  .  .  .  decern 
attribui,  quae  circa  referendos  curiae  pi'iscus  ordo  dictavit;  ähnlich  3,  33  [§  1].  4,!; 

*)  [Neues  Archiv  15,  S.  184—185.] 

*)  So  heissen  in  justinianischer  Zeit  Narses  (C.  VI,  1199  [=  Dessau  835| 
und  Solomou  (C.  VIII,  1863  [=  Dessau  831].  4677),  die  beide  nur  das  Hononl 
consulat  bekleidet  haben  können.  Die  wirklich  in  Function  gewesenen  Oodsu 
dagegen  nennen  sich  ex  conside  ordinario,  wie  z.  B.  Decius  486  (C.  X,  68 
[=  Dessau  827]),  Boethius  Consul  522  in  der  Subscription  einer  seiner  Schrift« 
Mavortius  Consul  527  in  derjenigen  der  horazischen  Epoden  und  Cassiodor  selb 


Ostgothische  Studien.  427 

die  hohen  Finanzämter  ^  und  die  Hofquästur^  als  die  niedrigsten 
unter  den  Illustraten  besonders  hervortreten.  Es  ist  dies  Vorrecht 
ausserdem  auf  zwei  der  höchsten  Stellen  der  zweiten  Rangklasse 
erstreckt  worden,  den  prhnicerius  notariorum  ^  und  den  vicarius  urhis 
Romae*.  Auch  der  magister  census  scheint  unter  Umständen  mit- 
gestimmt zu  haben  ^.  Da  diese  Aemter  alle  vom  Kaiser,  resp.  vom 
König  vergeben  wurden,  so  werden  die  stimmberechtigten  Senatoren 
sämmtlich  von  der  Regierung  ernannt  und  diese  Ernennung  dem 
Senat  nur  zur  Kenntniss  gebracht,  damit  er  die  Einführung  des  neuen 
Mitglieds  bewirke.  Dass  die  Regierung  dafür  die  Einwilligung  des 
Senats  erbittet,  ist  eine  höfliche  Form;  ein  effectives  Cooptationsrecht 
hat  der  Senat  nicht  gehabt  •*,  wenn  auch  er  und  sein  Vorsitzender 
in  der  Lage  sind  die  Einführung  zu  verzögern'.  —  Den  Gothen  489 
bleibt  selbstfolglich  der  Senat  verschlossen^. 

[§  3] :  maf/nificentia  tua  Petrum  .  .  .  in  album  sacri  ordinis  secundum  priscam 
consueUidinem  curet  referri),  so  ist  dabei  vorausgesetzt,  dass  denselben  das  er- 
forderliche Amt  wirklich  oder  titular  verliehen  war. 

1)  So  gelangt  der  comes  sacrarum  in  die  Curie  honorum  lege  (5,  41  vgl. 
40.  8,  17  vgl.  16);  ebenso  der  comes  j/rivatarum  (8,  14  a.  E.  vgl.  13)  und  der  comes 
patrimonn  (4,  4),  vielleicht  aber  nur  wenn  er  Römer  war  (S.  402  A.  2). 

2)  5,  4.  8,  19. 

o)  In  der  Formel  6, 16  [§  3]  heisst  dieser  Primiceriat  honor  qui  efficit  senatorem, 

cui  patrum  cmla  reseratur.    Auch  in  den  weiteren  Angaben  Cassiodors  über  dessen 

Rang  und  anderswo  (C.  Th.  6,  10,  2;  Nov.  Theod.  25,  6)  wird  diese  Stellung  dem 

niustrat  genähert   und  die  Interpolation  der  Not.  Dign.  Or.  18:   suh  dispositione 

■i  inlustris  spectdbilis  primicerü  notariorum  zeugt  von  Sachkunde. 

4)  Var.  6,  15  [§  2] :  dignitatem  sencdoris  adquiris  et  illa  tibi  pandimtiir  atria 
quae  smnmatibus  pröbantur  esse  conlata. 

5)  Var.  5,  21  [§  3] :  maioris  etiam  natu  tUere,  cum  fuerit  necesse,  sententia,  (actus 
tot  patribus  senior,  tantis  tacentibus  vox  senatus.  22  [§  5] :  Capuanum  . . .  maioris  etiam 
ndtii  auctoritate  siibvehimus.  Anderweitige  Aufklärung  fehlt;  es  sieht  so  aus,  als 
sei  der  magister  census,  wenn  niemand  sonst  dazu  bereit  war,  gehalten  gewesen 
einen  Beschluss  vorzuschlagen. 

6)  Dies  zeigt  sich  am  deutlichsten  darin,  dass  die  Ernennungen  der  schon 
im  Senat  sitzenden  Personen  zu  höheren  Würden,  wie  zum  Beispiel  des  gewesenen 
comes  privatarum  zum  Quästor  (8,  13.  14)  und  eines  Senators  zum  Patricius  (1,  4) 
in  ganz  ähnlicher  Form  dem  Senat  mitgetheilt  werden  und  auch  hier  von  dessen 
consensus  die  Rede  ist. 

7)  Symmachus  ep.  9, 118:  Jiospitem  tuum  Faustinum  senatus  amplissimus  in 
societatem  rece^nt  .  .  .  tibi  .  .  .  acceptum  (erat  Studium  totius  ordinis:  nam  ut  bene- 
ficio  sacro  debet  dignitatis  impetrationem ,  ita  tuo  decreti  nostri  celeritatem.  Bei 
Cassiodor  var.  4,  29  ertheilt  der  König  dem  Stadtpräfecten  einen  scharfen  Ver- 
weis dafür,  dass  er  den  Armentarius,  dessen  Aufnahme  in  den  Senat  der  König 
3, 13  befohlen  hat,  noch  nicht  eingeführt  habe. 

8)  Ueber  die  Ausnahme  zu  Gunsten  Tuluins  ist  bei  den  Militärämtern 
gesprochen. 


428  Ostgothische  Studien. 

Die  Competenz  des  Senats  bleibt  in  ihren  Grundzügen  unvei 
ändert.  Gleichstellung  des  Senats  und  des  Herrschers  als  der  beider 
Träger  der  souveränen  Gewalt  gehört  zum  "Wesen  auch  des  nach- 
diocletianischen  Senats.  Er  hat  die  Reichseinheit  länger  und  volle! 
vertreten  als  das  Kaiserthum.  Die  diocletianische  Reichstheilunj 
hat  den  römischen  Senat  nicht  berührt.  Als  Constantin  die  novi 
Borna  schuf,  gab  er  zwar  auch  ihr  statt  der  curia  einen  senatum 
aber  zunächst  mit  untergeordneten  Rechten^  und  erst  Kaiser  luliai 
hat  den  Senat  seiner  Vaterstadt  dem  römischen  in  Rechten  un« 
Ehren  gleichgestellt^.  Die  formale  Souveränetät  verknüpft  noch  i; 
der  germanischen  Epoche  sich  mit  dem  Begriff  des  Senats^.  Ein 
wesentliche  Neuerung  besteht  in  der  Constituirung  eines  der  stimm 
berechtigten  Senatoren  zum  Tormann  und  zum  Haupt  des  Senatf 
Caput  oder  prior  senatus^.  Die  Senatsordnung  der  Kaiserzeit  kenn 
eine  derartige  Einrichtung  nicht:  der  princeps  senatus  der  Republi 
ist  verschwunden  und  die  Vorstimme  hat  dasjenige  Mitglied  de 
490  ersten  Klasse,  w^elches  im  einzelnen  Fall  der  Vorsitzende  zuerj 
befragt.    Allem  Anschein  nach  hat  diese  Ordnung  noch  am  Ausgan 

1)  Auon.  Vales.  30:  ibi  etiam  senatum  constituit  secundi  ordinis:  claros  vocavi 
Vgl.  Staatsrecht  3,  1260  A.  2. 

2)  Zosimus  3,  11:  sdcoxs  fxev  rf]  nolsi  ysQovoiav  eysiv  mojisq  xfj  'Pw[ai].  Libanii 
tiqÖi;  Oeodöaiov  uieqI  rfjg  ardoscog  1  p.  633  Reiske:  rov  'lovhavov  .  .  .  tov  avTii^sv; 
zj)  '^Pwfi.aioiv  ßovXf]  zi]v  vsav  (die  folgenden  Worte  sind  ausgefallen)  [7zö).ei  fi 
ßovXfj  vermutet  Förster  ed.  Libanius  II  p.  393]. 

3)  Var.  2,  24  [§  3]:  parem  nöbiscum  rei  publicae  debetis  adnisum.  Das.  6,  4  [§ 
wird  das  iura  condere  wie  dem  Princeps  (S.  462  A.  4),  so  auch  dem  Senat  beigeleg 
der  Senat  kann  Gesetze  machen  {leges  constituei'e)  wie  der  Princeps  und  d 
Senator  unterscheidet  sich  von  diesem  nur  insofern,  als  er,  und  der  Priucej 
nicht,  unter  dem  Gesetz  steht  (S.  462  A.  4).  Vgl.  cod.  lust.  1,  16,  1  vom  J.  38 
quamvis  senatus  consultum  perj^etuam  2)er  se  obtineat  firmitatem,  tarnen  etiam  nostt 
legibus  idem  prosequmiur  adicientes  u.  s.  w.  Vgl.  Staatsrecht  3,  1238  und  in  diese 
Archiv  10,  582  [s.  weiter  unten  in  diesem  Bande]. 

4)  Caput  senati  heissen  Festus  Consul  472  bei  dem  Anon.  Vales.  53  ui 
in  der  Biographie  des  Papstes  Symmachus  c.  5;  Symmachus  Consul  522  bei  jene 
c.  92;  primus  Senator  in  Beziehung  auf  das  Ostreich  Basiliscus  bei  dem  Anc 
Vales.  41.  Cassiodor  nennt  den  Festus  senatus  piHor  1, 15  [§  1]  und  spricht  anders\ 
9,  21  [§  5]  vom  pi-imus  wdinis.  Bei  Procop  b.  Goth.  3,  13  unter  dem  J.  545  heis 
Cethegus  Consul  504  jiQwrog  Tfjg  'Pcofiaicov  ßovXrjg;  doch  ist  dies  vielleicht  nie 
im  technischen  Sinne  zu  verstehen.  (Nachtrag.*)  Aus  Versehen  ist  Symmach 
hier  als  Consul  des  J.  522  bezeichnet  und  nicht  als  Consul  des  J.  485.    Dana 

.  dürfte  Caput  senatus  nicht  einen  von  dem  Herrscher  bestellten  Vormann  des  Sem 
bezeichnen,  sondern  einfach  den  nach  der  senatorischen  Rangordnung   au  cj 

Spitze  stehenden  Senator.) 

_f i 

*)  [Neues  Archiv  15,  S.  185.] 


Ostgothische  Studien.      '  429 

des  4.  Jahrhunderts  n.  Chr.  bestanden  ^  Man  wird  ihre  Abänderung 
mit  Wahrscheinlichkeit  an  die  Verlegung  des  Regierungssitzes  von 
Rom  anknüpfen  können;  obwohl  der  praefectus  urhi  in  Rom 
blieb,  konnte  dies  Veranlassung  dazu  geben  den  Senat  mehr  als 
eigentliche  Verwaltungsbehörde  zu  gestalten.  Der  Vormann  des 
Senats  ist  wohl  immer  Patricier,  aber  nicht  gerade  weder  das  älteste 
noch  das  im  Rang  am  höchsten  stehende  Mitglied  dieser  ersten 
Klasse  2,  also  wahrscheinlich  vom  König  ernannt  ^  und  allem  Anschein 
nach  ernannt  ohne  Endtermin,  so  dass  er  lebenslänglich  im  Amt 
verblieb  oder  doch  verbleiben  konnte.  Die  Verwaltungsgeschäfte, 
die  dem  Senat  schon  früher  oblagen,  zum  Beispiel  die  Anstellung 
der  öffentlichen  Lehrer  werden  vorzugsweise  durch  ihn  beschafft 
worden  sein*;  sicher  beaufsichtigt  er  die  in  Rom  Studirenden  und 
wird  die  Erlaubniss  sich  zu  diesem  Zweck  in  Rom  aufzuhalten  zu- 
nächst ihm  zur  Kenntniss  gebrachte  Aber  er  muss  eine  weiter 
gehende  Aufsicht  geführt  haben;  er  wird  angewiesen  das  Haus  eines 
in  Staatsgeschäften  Abwesenden  unter  seinen  besonderen  Schutz  zu 
nehmen  ^.    Wenn  in  dieser  Epoche  der  Senat  veranlasst  wird  wegen 


1)  Staatsrecht  3,  976.    Wenn  noch  Symmachus,  nicht  eponymer  Consul  im 
jj.  376,  zuerst  im  Senat  gefragt  zu  werden  pflegte  [C  I.  L.  VI,  1698  =  Dessau  1257], 
ISO  kann  es  damals  nicht  wohl  ein  förmliches  Senatshaupt  gegeben  haben. 
j         2)  Der  vornehmste  Senator  ist  nach  den  S.  425  A.  6  angeführten  Regulativen, 
jwer  in  der  Klasse   der  Patricier  am  frühesten   das  Consulat  verwaltet  hat;   in 

•  tlieser  Stellung  kann  Symmachus  Consul  522  [vielmehr  485 ;  s.  oben  S.  428  A.  4 
Nachtrag]  selbst  bei  seinem  Tode  nicht  gewesen  sein,  geschweige  denn  als  der 
iBrief  var.  4,  6  geschrieben  ward,  in  dem  er  schon  als  Vormann  des  Senats  auftritt. 

3)  Daher  auch  1,  15  [§  1]:  senatus  prior  esse  meruisti. 

4)  Diese  Anstellungen  erfolgen  primi  ordinis  vestri  ac  reliqui  senatus  amplis- 
»:  kirnt  audoritate  (var.  9,  21  [§  5]). 

^  I        5)  Der  Provinziale,  der  an  dem  Unterricht  in  Rom  theilnehmen  will,  bedarf 

•  laflir  der  Erlaubniss  seines  Statthalters  und  hat,  wenn  er  das  zwanzigste  Lebens- 
«  Jahr  erreicht  hat,   Rom   zu  verlassen  (C.  Th.  14,  9,  1).     Die  beiden  wesentlich 

leichlautenden  Schreiben  1,  39.  4,  6,  königliche  an  die  Stelle  dieser  statthalter- 
ichen  tretende  Erlaubnissbriefe,  zeigen  weiter,  dass  die  jungen  Leute,  so  lange 
ie  mit  ihrem  Vater  oder  einem  Anverwandten  in  Rom  verweilen,  besonderer 
erlaubniss  nicht  bedürfen.  Daher  wird  das  Gesuch  hinsichtlich  der  Theilnahme 
.n  dem  Unterricht  in  der  Hauptstadt  zunächst  darauf  gerichtet,  dass  es  dem 
^ater  oder  dem  Oheim  gestattet  werden  möge,  sich  in  seine  Heimath  zurück- 
ubegeben  unter  Belassung  der  Söhne  oder  Neffen  in  Rom.  In  dem  Schreiben 
,  22  scheint  derartigen  Studenten  wegen  des  Todes  des  Vaters  die  Rückkehr 
i  ihre  Heimath  vor  vollendeter  Studienzeit  gestattet  zu  werden.  Für  uns 
ommt  in  Betracht,  dass  diese  drei  Schreiben  nicht  an  den  Stadtpräfecten, 
ondem  an  den  Vormann  des  Senats  gerichtet  sind.  —  Den  Urlaub  für  Beamte 
nd  Senatoren  ertheilt  immer  der  König  (var.  3,  21.  4,  48.  7,  36). 
6)  Var.  1,  15  [§  2]. 


430  •     Ostgothische  Studien. 

eines  Auflaufs  gegen  die  Juden  Untersuchung  anzustellen  und  Be- 
491  strafung  herbeizuführen  ^  und  wenn  er  in  Folge  des  Schismas  vom 
J.  530  ein  Verbot  die  Wahl  des  neuen  Papstes  bei  Lebzeiten  des 
alten  vorzunehmen  so  wie  allgemeine  Bestimmungen  hinsichtlich  der 
bei  der  Anstellung  von  Geistlichen  zulässigen  Sportein  erlässt^,  so 
konnten  dergleichen  Angelegenheiten  freilich  auch  in  früherer  Zeit 
an  den  Senat  gebracht  und  von  i"hm  regulirt  werden.  Wahrscheinlich 
indess  ist  die  Betheiligung  jetzt  eine  directere  gewesen  und  hat 
dabei  der  Yormann  des  Senats  eine  hervorragende  Rolle  gespielt; 
vielleicht  ist  die  Publication  der  letzterwähnten  Bestimmungen  durch 
ihn  erfolgt^.  Wie  die  erste  Stelle,  die  dem  Stadtpräfecten  im  Senal 
auch  jetzt  beigelegt  wird*,  sich  zu  der  Stellung  des  caput  senatu. 
verhalten  hat,  lässt  sich  nicht  ermitteln. 

Ueber  die  speciell  hauptstädtischen  Beamten  ist  wenig  zu  be 
merken.  Prätur  und  Quästur  sind  durch  die  diocletianisch-constan- 
tinische  Ordnung  aus  Reichsämtern  in  municipale  verwandelt  wordei 
und  als  solche,  wie  von  dieser  schon  bemerkt  ward,  bis  in  die  Mitt» 
des  fünften  Jahrhunderts  nachweisbar^,  aber  meines  Wissens  nich 
aus  der  Periode  der  germanischen  Könige.  Dass  der  municipal 
Leiter  der  Volkslustbarkeiten,  der  tribunus  voluptatum,  wie  bei  der 
Municipalwesen  nachgewiesen  werden  wird  (S.  434),  jetzt  ebenso  i 
Rom  auftritt  wie  in  Mailand,  legt  die  Frage  nahe,  ob  nicht  di 
prätorischen  und  quästorischen  Spiele  selbst  damals  weggefallen  sine 
Die  Aemter  selbst  können  darum  immer  noch  fortbestanden  haber 
dass  Cassiodor  ihrer  nicht  gedenkt,  kann  Zufall  sein,  da  ein  besonde 
rer  Anlass  dazu  nicht  vorlag. 

1)  Var.  4,  43. 

2)  Der  kürzlich  aufgefundene  Act  des  Senats  ist  abgedruckt  in  diese 
Archiv  11,  368;  erwähnt  wird  er  bei  Cassiodor  9,  15.  16. 

3)  Die  seltsame  Fassung  des  eben  genannten  Beschlusses,  dass  unter  d 
TJeberschrift  senatus  amplissimus  presbyteris,  diaconis  et  universo  clero  ein  dritt 
zu  diesen  im  Namen  des  Senats  spricht  (in  sanctitatis  vestrae  notitiam  duxim 
perferendum  senatum  amplissimum  decrevisse),  erklärt  sich  eher,  wenn  der  A 
vom  prior  senatus  als  wenn  er  vom  pi'aef.  urbi  ausgeht. 

4)  Cassiodor  var.  1,  42  [§  3].  6,  4  [§  3].  9,  7  [§  4].  Nov;  Just.  62.  Dass  in  d 
Sitzung  des  J.  438,  in  welcher  der  theodosische  Codex  publicirt  wird,  der  pra 
praet.  Faustus  den  Vorsitz  führt  und  nicht  der  anwesende  Stadtpräfect ,  ha 
ich  in  diesem  Archiv  10,  584  [s.  weiter  unten  in  diesem  Bande]  dadurch  zu  i 
klären  versucht,  dass  der  Vorsitz  dem  höchsten  anwesenden  Beamten  zukasj 
und  dies  scheint  mir  immer  noch  besser  als  den  Faustus  zum  Senatshaupt  i 

machen. 

I 

5)  Staatsrecht  2»,  238.  534.  ' 


Ostgothische  Studien.  431 

Dass,  nachdem  der  Hof  und  die  Hofämter  nach  Ravenna  über- 
gesiedelt waren,  in  Rom  ein  agens  vices  des  praefedus  praetorio  vom 
JRang  des  Illustrats  (S.  399)  und  als  Vertreter  des  magisfer  ofßciorum 
ein  vicarius  principis  agentium  in  rebus  (S.  408)  fungirtcn,  ist  bereits 
ausgeführt  worden.  Wenn  die  Kaiser,  so  lange  sie  in  Rom  residirten, 
den  Bürgern  die  Spenden  selber  zu  vertheilen  pflegten,  finden  wir 
jetzt  daselbst  einen  dafür  vom  praef.  praet.  bestellten  Beamten,  den  492 
erogator  opsoniorum  vom  Rang  des  Clarissimats  ^.  Die  beiden  hohen 
Localbeamten,  der  praefedus  urhi  und  der  vicarius  urbis  Bomae  (S.  395) 
bUeben  am  Orte.  Von  den  Unterbeamten  des  ersteren,  die  aber  nicht 
von  ihm,  sondern  von  der  Regierung  creirt  wurden,  finden  wir  die 
meisten  und  wichtigsten  der  von  der  Notitia  dignitatum  aufgezählten  bei 
Cassiodor  wieder:  den  praefedus  annonae^;  den  praef edus  vigilum^ ; 

1)  Var.  12,  11. 

2)  Var.  6,  18.  12,  9.  Erwähnung  verdient  das  Verfügungsrecht  desselben 
über  den  der  stadtrömischen  Bäckerzunft  zustehenden  Grundbesitz  (fundi  dotales: 
C.  Th.  14,  3,  7. 13. 19),  welches  die  Formel  6, 18  [§  4]  erwähnt:  dignitati  tuaepistorum 
iura  famulata  sunt,  quae  per  diversas  mundi  partes  possessione  latissima  tendebantur 

,  und  wovon   das  Schreiben  des  p)'aef.  praet.  an  den  praef.   annonae  12,  9  eine 
bisher  nicht  beachtete  geschichtlich  merkwürdige  Anwendung  enthält.    Durch 
I  Verordnung  vom  J.  451  wurde   ein  Theil  der  durch  die  Vandalen  vertriebenen 
I  africanischen  Grundbesitzer  auf  diesen  Bäckergütern  angesiedelt  (nov.  Valent.  III. 
I  33,  4:    de  p^'aediis  pistorns   stattio,  quoniam   his   quos  harbaries  afflixe>'at  et  ob 
I  almonia  ante  fuerant  lege  concessa,  ut  ad  eos  tantum  debeant  pervenire,  quos  ab. 
'  hostibus  certum  est  faeultates  captivitatis  infortunio  perdidisse).    Das  Eigenthum  blieb 
!  der  Zunft  oder  vielmehr  der  Stadt  Rom,  aber  die  Africaner  erhielten  den  Besitz 
j  {penes  quos  salvo  urbis  Bomae  privilegio  haee  htimanitas  permancbit,  donec  melim-e 
;  augurio  ubertas  rcriim  Africae  continget)  mit  dem  Recht  der  Vererbung  auf  die 
j  Söhne;  in  Ermangelung  solcher  soll  der  Provinzialstatthalter  zu  Gunsten  der  am 
j  schwersten  Betroffenen  darüber  verfügen.    Durch  den  Brief  Cassiodors  wird  der 
t  praefectus  annonae  angewiesen    den  aus   Africa   herübergekommenen  Fremden, 
j  der  peregrina  gens,  den  advenae,  die  nur  die  Sprachgemeinschaft  verbindet  {sola 
fides  generis  est  patrios  sonore  sermones),   in  ihrer  Gesammtheit  {univei'sa  natio 
qitantum  ad  successionis  beneficium  una  familia  est)  die  Besitzungen  zu  überweisen, 
welche  der  zu  ihnen  gehörende  kinderlos  Verstorbene  nicht  als  Eigenthümer  im 
Rechtssinn  und  ohne  das  Recht  der  Veräusserung,  aber  als  steuerpflichtigen  Be- 
sitz innegehabt  hat.     Dieses   Schreiben  kann  sich  nur  auf  praedia  pistoria  in 
Italien   oder  Sicilien  beziehen.     Allem  Anschein  nach  ist  diejenige   Siedelung, 
mit  der  es  sich  beschäftigt,   nicht  die  einzelner  vertriebener  Römer,  sondern 
emes  nicht  lateinisch  redenden  africanischen   Stammes  (gens,  natio).    Die  felix 
captivitas  dieser  Africaner  bei  Cassiodor  knüpft  an  das  captivitatis  infortunium 
der  Verordnung  an;    ob  damit  mehr  gemeint  ist  als  die  blosse  Vertreibung  aus 
dem  Besitze,  weiss  ich  nicht  zu  sagen. 

3)  Var.  7,  7.  Daraus,  dass  Cassiodor  ihn  dem  eomes  formarum  nachstellt, 
wird  nicht  mit  Sicherheit  geschlossen  werden  dürfen,  dass  die  Rangstellung  sich 
nach  der  Zeit  der  Notitia  verschoben  hat. 


432  Ostgothische  Studien. 

den  comes  formarum^;  die  beiden  Hafenbeamten,  jetzt  bezeichnet 
493  als  comes  Porfus  urhis  Bomae  und  vicarius  Portus^;  den  magister 
census^;  den  curator  statuarum  unter  der  wohl  unvollständigen  Be- 
zeichnung comes  urhis  JRomae^;  wogegen  der  architectus  puhlicorum^ 
und  der  praepositus  calcis^  sich  nicht  mit  Sicherheit  an  die  ältere 
Hierarchie  anknüpfen  lassen. 

Ueber  die  gleichzeitig  in  Ravenna  bestehenden  Einrichtungen 
erfahren  wir  wenig''  und  dies  Wenige  fast  nur  durch  Cassiodor. 
Der  praefectus  classis  Pavennatium  cum  curis  eiusdem  civitatis, 
den  die  vor  der  Verlegung  des  Regierungssitzes  aufgesetzte  Notitia 

1)  Var,  7,  6.  Der  consularis  aquarum,  den  die  Notitia  daneben  stellt, 
kommt  bei  Cassiodor  nicht  vor;  ebensowenig  wenigstens  in  den  Formeln  der 
comes  riparum  et  alvei  Tiberis  et  cloacarum  der  Notitia,  obwohl  ein  v.  sp.  Johannes 
zur  Instandsetzung  der  formae  und  der  cloacae,  man  sieht  nicht  ob  als  ordent- 
licher Beamter  oder  mit  ausserordentlicher  Competenz,  3,  30.  31  auftritt, 

2)  Formeln  7,  9.  23.  Den  comes  Partus  nennen  auch  die  Inschrift  C.  X,  6441 
[=  Dessau  1250]  (vor  370,  da  sie  Tuscia  und  Umbrien  noch  als  correctorischß 
Provinz  kennt)  und  die  Notitia;  der  vicarius  Portus  ist  wahrscheinlich  der 
centenarius  Portus  der  Notitia.  —  Der  comes  siliquatariorum  et  curas  portus  agens, 
an  den  var.  2,  12  gerichtet  ist,  bezieht  sich  wohl  ebenso  wie  die  Adresse  2,  19 
qui  portibus  . .  praesunt  auf  die  Hafenbeamten  überhaupt,  da  mit  der  Hafett 
aufsieht  damals  die  Erhebung  der  nur  im  Occident  begegnenden  Abgabe  von 
V24  des  Preises  bei  jedem  Kaufgeschäft  verbunden  war.  Vgl.  über  die  custodia 
litorum  C.  Th.  7, 16.  10,  19,  9. 

3)  Dass  der  5,  21  [§  2].  22  [§  5]  vielleicht  nicht  titular  als  reetor  decuriarum 
bezeichnete  Capuanus  v.  sp.  eben  der  magister  census  ist,  habe  ich  Staatsrecht 
P,  370  ausgeführt.  Unter  ihm  steht  das  Archiv  (scrinia)  des  Senats  mit  den 
darin  niedergelegten  Testamenten  und  sonstigen  Documenten;  er  bestellt  die 
Decurialen  und  führt  die  neuen  Mitglieder  in  den  Senat  ein. 

4)  Formel  7, 13.  Der  curator  statuarum  erscheint  in  der  Inschrift  C.  VI,  170J 
[=  Dessau  1222]  aus  constantinischer  Zeit  und  in  der  Notitia. 

5)  Statt  der  Emennungsformel  findet  sich  7,  15  die  königliche  Anzeige  de: 
vollzogenen  Ernennung  an  den  Stadtpräfecten.  Mit  dem  tribunus  rerum  nitentiun 
der  Notitia  wird  er  schwerlich  identificirt  werden  dürfen. 

6)  Formel  7, 17.  Vgl.  den  Titel  C.  Th.  14,  6  de  calcis  coctorüms  urhis  Borna 
et  ConstantinopoUs. 

7)  Dass  der  ünterbeamte  des  italischen  praefectus  praetorio,  der  praefectu 
annonae  Africae  (Not.  occ.  2,  41  und  dazu  Böcking  p.  150),  welcher  seinen  Sit 
schwerlich  in  Karthago,  sondern  wohl  in  Rom  gehabt  hat,  mit  jenem  nach  Bai 
venna  übergesiedelt  ist,  lässt  die  von  Fl.  Felix  ex  pi-ae(fecto)  ann(onae)  Afr(kai\ 
pr(ovinciae?)  (oder,  nach  Hirschfelds  Vorschlag,  proconsularis)  seinem  siebe; 
jährigen  Sohne  in  Ravenna  gesetzte  Grabschrift  (C.  I.  L.  XI,  323)  vermuthffl 
welche  ich  eben  deshalb  nicht  mit  Rossi  (Bullett.  crist.  1879,  100  flf.)  dem  vierte» 
sondern  dem  fünften  Jahrhundert  zuweisen  möchte.  Aber  die  Fortdauer  diestf  i 
Amtes  in  gothischer  Zeit  ist  nicht  zu  erweisen  und  nicht  wahrscheinlich,  c 
Africa  damals  nicht  zum  Reich  gehörte. 


Ostgothische  Studien.  433 

nennt  ^,  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  dem  cassiodorischen  comes 
Bavennae,  da  dieser  hauptsächlich  mit  der  Flotte,  aber  auch  mit  der 
Stadtverwaltung  zu  thun  hat  2.  Der  praefectus  vigilum  urbis  Eaven- 
natis^  ist  offenbar  dem  stadtrömischen  nachgebildet,  scheint  aber  eine 
weiter  gehende  jurisdictionelle  Competenz  besessen  zu  haben,  da  in 
Ravenna  die  Appellationsinstanz  des  Stadtpräfecten  wegfiel.  —  Noch 
kommt  ein  Beamter  vor  zur  Ueberwachung  des  Kaufs  und  Verkaufs 
der  nach  damaligem  Gebrauch  unter  freiem  Himmel  angelegten 
Grabstätten  *. 

V. 

Das  Municipalwesen. 

Die  municipale  Organisation  ist  unter  den  germanischen  Fürsten 
geblieben  wie  sie  war  und  dient  auch  jetzt  neben  den  eigentlich 
städtischen  Zwecken  namentlich  der  Hebung  der  Staatssteuern. 

Die  Bürgerschaft  tritt,  wie  schon  lange  vorher,  auf  unter  der 
Benennung  der  possessores^^  so  dass  die  nicht  grundsässige  Bevölke- 
rung ignorirt  wird.  Besonders  ausgezeichnet  werden  darunter,  wie 
dies  ebenfalls  seit  langem  hergebracht  ist,  die  zu  einem  wirklichen 
oder  titularen  Staatsamt  gelangten  Municipalen,  die  lionorati. 

Die  Curie  bleibt  in  ihrer  bisherigen  Stellung;  die  ihr  angehörigen 
Municipalen  heissen  nicht  mehr  decuriones,  sondern  gewöhnlich 
curiales. 

An  der  Spitze  der  einzelnen  Stadt  stehen  auch  jetzt  noch  die 
Duumvirn  oder  Quinquennalen  ^,  ohne  Zweifel  wie  bisher  von  dem 
Gemeinderath  ernannt.  Daneben  fungiren  als  vom  König  ernannte 
oder  vielmehr  bestätigte  Beamte  der  curator  und  der  defensor.    Jener 

1)  Occ.  42,  7.  Ob  in  der  Inschrift  des  Gudila  S.  455  A.  1  [ciira\tor  r(ei) 
rfH)b(licae)  richtig  ergänzt  ist,  bleibt  zweifelhaft. 

2)  Var.  7,  14.  3)  Var.  7,  8.  4)  Var.  3,  19. 

5)  Daneben  var.  8,  33  [§  2].  12,  5  [§  5]  die  conductores  tnassarum.  Vergl. 
Marini  pap.  n.  73;  C.  I.  L.  X,  8076. 

6)  Nach  dem  Ediet  Theoderichs  c.  52.  53  sind  bei  Schenkungen  zuzuziehen 
tres  curiales  et  (Handschr.  aut)  magistratus,  aut  pro  magistratu  defensor  civitatis 
cum  tribus  eurialihus,  aut  duuniviri  aut  quinquennalis  oder  wie  es  nachher  heisst, 
magistratus,  defensor,  duumviri  aut  quinquennalis.  Diese  an  C.  Th.  8,  12,  8  an- 
knüpfende Redaction  scheint  insofern  verwirrt,  als  der  magistratus  wohl  nicht 
der  curator  ist,  sondern  die  munidpaUs  dieser  Verordnung,  also  eben  die  duumviri 
aut  quinquennahs.  Savignys  jetzt  recipirte  Streichung  des  aut  vor  quinquennalis 
ist  verfehlt,  da  der  Vorsteher  des  Municipiums  bekanntlich  entweder  den 
Duumvir-  oder  den  Quinquennalentitel  führte.  Die  Ravennatischen  Urkunden 
nennen  gewöhnlich  magistratus,  das  heisst  Duumvirn,  einzeln  auch  Quinquennalen 
(Marini  pap.  p.  250). 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  28 


494 


434  Ostgothische  Studien. 

kann  kein  anderer  sein  als  der  seit  Traian  begegnende  damals  für 
die  finanzielle  Controle  der  Municipalverwaltung  bestimmte  kaiser- 
liche Commissarius ;  dass  ihm  in  dieser  Zeit  die  Ueberwachung  des 
Marktverkehrs  insbesondere  mit  Rücksicht  auf  die  ständigen  Maximal- 
495  tarife  oblag,  erfahren  wir  aus  Cassiodor.  Sonst  kommt  in  der  letzten 
Kaiserzeit  dies  Amt  fast  nur  bei  der  Beglaubigung  öffentlicher  Auf- 
nahmen vor,  und  zwar  auch  da  nur  bei  untergeordneten  Acten  ^;  es 
spielt  in  der  ostgothischen  Periode  die  gleiche  unansehnliche  Rolle  2. 
Die  eigentliche  Stadtverwaltung  liegt  in  der  Hand  des  defensor, 
welcher,  obwohl  hervorgehend  aus  der  Wahl  der  Mitbürger^,  in 
dieser  Epoche  vom  Kaiser*  und  daher  auch  von  dem  gothischen_ 
König  bestätigt  wird  ^.  Ausser  diesen  regelmässigen  Aemtern  fungii 
in  den  ansehnlichsten  Städten  der  seit  dem  Anfang  des  5.  Jahrhl 
nachweisbare  trihunus  voluptatum,  ein  mit  der  Aufsicht  über  di^ 
öffentlichen  Festlichkeiten,  wenigstens  zuweilen  auf  Lebenszeit,  vom 
Kaiser  ernannter  Beamter,  der  Agonothet^.  Dass  in  der  gothischen 
Zeit  auch  Rom  einen  solchen  gehabt  haf^,  ist  schon  erwähnt  worden 

1)  In  der  oben  angeführten  Verordnung  C.  Th.  8,  12,  8  wird  die  Beglaubigung 
der  Schenkungsacte  den  Duumvirn  und  den  Defensoren  aufgegeben  und  hinzu- 
gefügt: curatores  enim  civitatum  ab  huiusmodi  negotio  temperare  debebunt,  ne  tanta 
res  eorum  concidat  vüitate. 

2j  Ausser  in  der  Formel  7, 12  erscheint  dieser  Beamte  nirgends  bei  Cassiodor, 
auch  nicht  in   den  Adressen  der  an    die  Stadtgemeinden  gerichteten  Schreiben. 

3)  Cod,  Th.  1,  29,  6;  cod.  lust.  1,  55,  8,  11:  episcopm'um  nee  non  clericorum 
et  honoratorum  ac  possessorum  et  curialium  decreto. 

4)  Der  Erlass  vom  J.  409  cod.  lust.  1,  55,  8  und  Justinians  nov.  15  (vgl, 
nov.  75  =  104),  auch  die  Sportelordnung  der  Nov.  8  (c.  1  und  not.  49)  geben  die 
Bestätigung  dem  praef.  praet.,  die  dritte  Novelle  Maioriaus  vom  J.  458  dem 
Kaiser.  Den  herabgekommeuen  Zustand  auch  des  Defensor  schildert  Justinians 
nov.  35  sehr  drastisch. 

5)  Var.  7,  11.  Er  wird  regelmässig  in  den  Adressen  der  an  eine  Stadt- 
gemeinde gerichteten  Schreiben  aufgeführt.  Ungenau  wird  dabei  die  Mehrzahl 
gesetzt  (var.  2,  17.  3,  9.  49.  9,  10).  —  Der  praefectus  urbis  Ticini  Eusebius 
(Anon.  Vales.  87),  schwerlich  ein  Gothe,  dürfte  der  Defensor  der  Stadt  sein,  der 
freilich  mit  dem  gewöhnlichen  Titel  var.  4,  45  vorkommt. 

6)  Nachzuweisen  ist  er  für  Karthago  in  der  VO.  vom  J.  413  C.  Th.  15,  7,  3; 
femer  für  Mediolanum  und  zwar  auf  Lebenszeit  bei  Cassiodor  var.  5,  25,  wo  der 
Adressat  Bacauda  nicht  wegen  seines  keltischen  Namens  zum  Gothen  gemacht 
werden  darf.  Auch  die  orientalische  Verordnung  vom  J.  426  C.  Th.  8,  7,  21  == 
C.  Tust.  12,  49,  7,  schärft  für  die  (Curatoren)  equorum  curulium  civitatum  diver- 
sarum  die  kaiserliche  Bestätigung  ein.  Die  Formel  7,  10  erweist  ebenfalls  diesen 
trihunus  als  Municipalbeamten,  da  sogleich  der  defense»'  und  der  curator  folgen. 

7)  Dies  beweisen  die  beiden  stadtrömischen  Inschriften  vom  J.  523  (Rossi. 
inscr.  ehr.  1  n.  989)  und  526  (das.  n.  1005),  ferner  der  Titel  des  C.  Th.  1,  19 
von  dem  nur  die  Ueberschrift  erhalten  ist,  sowie  die  Wendungen  bei  Cassiodoi 
var.  1,  43  [§  3].  6,  19  [§  3].  j 


Ostgothische  Studien.  435 

(S.  430).  Die  Benennung  wird  daraus  hervorgegangen  sein,  dass 
mit  der  Ernennung  zu  diesem  Amt  der  Kaiser  die  Ertheilung  des 
Offiziertitels  zu  verbinden  pflegte,  eben  vrie  die  notarii  des  Kaisers 
und  des  praefectus  praetorio  auf  dem  gleichen  Wege  zu  dem  Tribunen- 
titel gelangt  sind.  —  Wenn  alle  diese  Einrichtungen  bloss  beibehalten 
sind,  so  hängt  es  dagegen  sicher  mit  den  veränderten  militärischen  496 
Yerhältnissen  zusammen,  dass  auch  der  städtische  Thorwart  aus 
königlicher  Ernennung  hervorgeht^. 

Den  nach  dem  Muster  der  municipalen  geordneten  Provinzial- 
verbänden  gehört  wahrscheinlich  der  unter  diesem  Titel  allein  bei 
Cassiodor  erscheinende  tribunus  provinciae  an  2.  Es  wird  für  dieses 
Amt  die  frühere  Bekleidung  eines  Staatsamts,  also  die  Eigenschaft 
des  Jionorahis,  ferner  ein  gewisses  Lebensalter  und  königliche  Er- 
nennung oder  Bestätigung  gefordert^;  er  führt  den  Yorsitz  in  dem 
Concilium  der  Provinz  und  hat  wenigstens  insofern  Anspruch  auf 
Gehorsam.  Allem  Anschein  nach  ist  dies  nichts  als  der  alte  Flaminat 
der  Provinz,  mit  Rücksicht  auf  die  christliche  Ordnung  umgenannt 
und  mit  dem  titularen  Tribunat  in  ähnlicher  Weise  verbunden,  wie 
dies  bei  dem  tribunus  voluptatum  geschehen  ist, 

VI.  497 

Die  Militärämter. 
Die  römische  Militärordnung  der  spätesten  Epoche  ruht  auf  dem 
Gegensatz  der  vordiocletianischen  Grenz-  und  der  diocletianisch- 
constantinischen  Kaisertruppen;  jene  stehen,  in  fest  begrenzte  Com- 
maados  geschieden,  unter  den  einzelnen  comites  rei  militaris  oder 
duces,  diese,  geschieden  in  die  Garde  (palatini)  und  das  übrige  Kaiser- 
heer (comitatenses),  unter  den  magistri  militum^.  Die  einzelnen  ent- 
weder den  Grenztruppen  oder  dem  Kaiserheer  angehörigen  Truppen- 
körper werden  von  ihren  meistens  als  tribuni  bezeichneten  Offizieren 
H^efehligt.  In  dem  occidentalischen  Reiche  Theoderichs  haben  die 
Verengerung   der  Grenzen   und   die   gänzlich  veränderte  militärische 


1)  Die  Formel  für  den  custos  portarum  civitatis  7,  29. 

2)  Die  Formel  7,  30.  Die  12,  24  in  Beziehung  auf  den  Transport  zur  See 
der  aus  Istrien  nach  Ravenna  bestimmten  Wein-  und  Oelsendungen  erwähnten 
tribuni  mariUmorum  sind  wohl  die  der  beiden  Küstenprovinzen  Flaminia  und 
Venetiae. 

3)  Dies  gilt  auch  von  dem  flamen  provinciae  (C.  Th.  12,  1,  21  a.  E.). 

4)  Die  schwierigen  Fragen  über  die  Zahl  der  magistri  militum  und  die  Ver- 
theilung  der  milites  Palatini  und  comitatenses  unter  dieselben  [vgl.  oben  S.  267  flf,] 
kommen  für  die  gothische  Periode  nicht  in  Betracht. 

28* 


436  Ostgothische  Studien. 

Stellung  Italiens  diese  Grundverhältnisse  nicht  in  dem  Grade  ver- 
schoben, dass  sie  nicht  auch  hier  sich  wiederfänden. 

Wie  in  dem  Staate  Theoderichs  nur  der  Gothe  Soldat  sein  kann, 
kann  auch  er  allein  Offizier  sein  ^.  Dem  Ausschluss  der  Gothen  von 
den  civilen  Magistraturen  steht  der  Ausschluss  der  Römer  von  den 
Militärbeamten  gegenüber  2. 

Die  einzelnen  Truppenkörper  werden  in  Italien  durch  die  in 
dem  betreffenden  Stadtbezirk  angesiedelten  Gothen  gebildet.  In 
Folge  der  Confiscation  des  dritten  Theiles  des  Grundbesitzes  daselbst 
zu  Gunsten  der  germanischen  Dienstpflichtigen  hätte  jedes  Territorium 
eine  solche  grundsässige  Besatzung  haben  sollen;  indess  ist  die 
germanische  Ansiedelung  offenbar  sehr  ungleichmässig  durchgeführt 
498  worden  und  hat  namentlich  im  Süden  der  Halbinsel  nicht  viel  be- 
deutet. Es  kann  dabei  die  Absicht  mitgewirkt  haben  die  Mann- 
schaften nicht  allzusehr  zu  zersplittern  und  hauptsächlich  in  einer 
relativ  massigen  Zahl  von  Ortschaften  zusammenzuhalten.  Nachweis- 
lich befanden  sich  derartige  sesshafte  Besatzungen  in  NeapeP,  Reate, 
Nursia*,  Ticinum^,  Dertona^.  Die  Mannschaften  erhalten  ausser 
ihrer  Hufe  regelmässig  Jahr  für  Jahr  ein  Donativum  in  Geld''  und, 


1)  Dass  die  Breonea  in  Raetia  genannt  werden  militaribus  officiis  adsueti 
(var.  1,  11  [§  2]),  macht  sie  keineswegs  zu  Soldaten;  es  mag  dabei  an  die 
private  Dienstnahme  der  bucellarii  [oben  S.  241  ff.]  gedacht  sein. 

2)  Römische  Benennung  führt  allerdings  zwar  nicht  der  Commandant  der 
sirmischen  Provinz  Colossaeus,  dessen  Name  trotz  der  etymologischen  Spielerei 
3,  24  sicher  unrömisch  ist,  aber  wohl  der  dux  Itaetiae  Servatus  1, 11.  Indes» 
unbedingt  sicher  ist  der  Schluss  von  römischer  Benennung  auf  römische  Natio- 
nalität keineswegs  (Dahn  3,  60). 

3)  Formula  comitivae  NeapoKtanae  6,  23,  wozu  die  Schreiben  6,  24  honwatis, 
possessoribus  et  eurialibus  civitatis  Neapolitanae  und  6,  25  de  comite  (so  die  Hand- 
schriften verdorben)  principis  militum  de  comitiva  supra  scripta  als  Empfehlung 
des  comes  theils  an  die  Stadtgemeinde,  theils  an  sein  Officium  Beilagen  sind.  In 
verschiedener  Redaction  (vgl.  S.  438  A.  4)  noch  einmal  7,26:  formula  comitivae 
diversarum  civitatum  —  27 :  formula  honoratis  possessorihus  et  eurialibus  de  comitim 
supra  scripta  —  28:  formula  principis  (principibus  der  Pal.)  militum  comitivae 
su/pra  scriptae. 

4)  8,  26  wird  Quidila  Sibiae  f.  zum  prior  für  die  Gothen  dieser  beiden 
Städte  ernannt;  die  Adresse  universis  Beatinis  et  Nursinis  ist  ungenau,  da  das 
Schreiben  ausdrücklich  an  die  Gothen  sich  richtet  [§  4]:  vobis  proficit,  quod 
Bomani  quieti  sunt,  qui  dum  aeraria  nostra  ditant,  vestra  donativa  multiplicant. 

5)  10,  29  Wisibado  comiti  [§  1] :  ut  tibi  urbem  Ticinum,  quam  per  bella  defen- 
deras,  gubernandam  pace  crederemus.  4,45:  comitibus  defensoribus  et  eurialibus 
Ticinensis  civitatis. 

6)  1,  17:  universis  Gothis  et  Romanis  Dertona  consistentihus. 

7)  Var.  5,  26.  27.  86.  7,  42.  8,  26.    Nach  der  Gewinnung  Spaniens  verwendet 


Ostgothische  Studien.  437 

wenn  sie  mobilisirt  sind,  Verpflegung  (annonae)  oder  Verpflegungs- 
gelder ^. 

Eine  gewisse  Gliederung  für  das  Aufgebot  kann  nicht  gefehlt 
haben.  Die  condonia,  welche  zwar  nicht  die  Drucke,  aber  wohl  die 
Handschriften  Cassiodors  uns  etwa  in  dem  Werth  der  Hufe  zeigen^, 
mag  dabei  zu  Grunde  gelegt  worden  sein,  so  dass  jedes  mit  Gothen  499 
belegte  Territorium  nach  der  Zahl  der  gothischen  Hufen  Mannschaften 
zu  stellen  hatte.  Ueber  die  Organisation  des  Heerbannes  selbst 
erfahren  wir  nichts.  Der  örtliche  Offizier,  welchen  die  Ansässigkeit 
der  Truppen  fordert,  führt  das  Commando  der  Regel  nach  über  die 
Gothen  eines  städtischen  Territoriums^.  Zuweilen  sind  aber  auch 
mehrere  benachbarte  Städte  unter  einem  Commando  zusammengefasst 
worden  (S.  436  A.  4)  und  in  kleineren  oder  nicht  stark  mit  Gothen 
belegten  Provinzen  mag  dies  selbst  für  die  ganze  Landschaft  ge- 
schehen  sein*;    aber  eine   Zusammenfassung   der   italischen   Gothen 


Theoderich  die  von  da  eingehenden  Gelder  für  das  Swqov  etiexeiov  der  dortigen 
und  der  italischen  Gothen  (Prokop  b.  G.  1,  12). 

1)  Den  zur  Küstenvertheidigung  aufgebotenen  Gothen  {deputati  Gothi) 
schuldet  der  Fiscus  Verpflegung  (9,  25  [§  9]).  Der  nach  Rom  gesandten  gothischen 
Besatzung  annonas  fecimus  seeundum  forum  rernm  venalium  comparari  (10, 18  [§  2]), 
d.  h.  sie  erhalten  die  in  Scheffeln  festgesetzte  Annona  nach  den  auf  dem  römischen 
Kornmarkt  notirten  Getreidepreisen  in  Geld  ausgezahlt  (C.  Th.  7,  4,  32;  vgl.  meine 
Ausführung  Eph.  epigr.  5  p.  644  [observat.  epigraph.  n.  XL]).  Auch  die  60  Mann, 
die  den  Pass  von  Aosta  bewachen  (var.  2,  5)  und  überhaupt  die  Soldaten  der- 
jenigen, qui  portibus  vel  clusuris  2^'>'ci^unt  (var.  2,  19),  müssen  als  mobilisirte 
Mannschaften  betrachtet  werden ;  wenn  über  das  Anrecht  jener  Leute  auf  die 
annonae  Zweifel  bestanden,  so  wurden  dazu  wohl  die  im  Territorium  ansässigen 
Gothen  befehligt,  und  bei  diesen  ist  ein  solches  Bedenken  begreiflich. 

2)  Nach  5,  10.  11  sollen  den  durch  Venetien  und  Ligurien  nach  Gallien 
ziehenden  Gepiden  per  unamquamque  eondomam  drei  solidi  Verpflegungsgelder 
gezahlt  werden.  Dies  [oder  condamam]  haben  alle  massgebenden  Handschriften : 
hebäornadam  ist  Interpolation  einer  einzigen  Handschrift  ohne  Autorität  und  aller 
Ausgaben  von  Accursius  an  [in  seiner  Ausgabe  des  Cassiodor  hat  Mommsen  sich 
für  condamam  entschieden].  Ducange  weist  das  Wort  weiter  nach  namentlich  aus 
Gregors  Briefen,  z.  B.  11,  20:  tit  ...  unam  Uli  de  iure  ecclesiae  deputare  condumam 
debuisses:  sed  quia  conduma  ipsa  vineolam  parvam  iuris  eiusdem  ecclesiae  nostrae 
teuere  didtur,  et  ipsam  sibi  pariter  vineolam  petit  debere  locari.    Vgl.  12,  11. 

3)  Es  würde  nicht  befremden  in  wichtigeren  Plätzen  mehreren  gothischen 
Offizieren  zu  begegnen ,  wo  dann  einer  dem  anderen  übergeordnet  zu  denken 
wäre;  aber  durch  var.  4,  45  (S.  436  A.  5)  wird  dies  für  den  comes  ebenso  wenig 
bewiesen  wie  für  den  defensor  (S.  434  A.  5). 

4)  Bei  Prokop  b.  Goth.  2,  28  stehen  die  cpQovQia  avyvd  in  der  Provinz  der 
cottischen  Alpen,  welche  För^oi  ix  nalaiov  nokXoi  rs  xal  ägiazoi  ^vv  re  yvvai^l 
xal  jiacal  roTg  avrcöv  bewohnen,  unter  dem  Gesammtbefehl  des  Gothen  Sisigis, 
und  es  erscheint  dies  nicht  als  ein  blosses  Kriegscommando. 


438  Ostgothische  Studien. 

nach  den  damaligen  Provinzen  hat  als  allgemeine  militärische 
Organisation  sicher  nicht  bestanden^.  Die  städtischen  Befehlsführer 
treten  bei  den  Gothen  nicht  auf  unter  der  für  die  niedrigste  Stufe 
der  römischen  Militärhierarchie  technischen  und  auch  bei  den  Yandalen 
500  recipirten  ^  Bezeichnung  tribunus,  sondern  theils  unter  der  Benennung 
prior  (S.  436  A.  4),  theils  ohne  Amtstitulatur  mit  dem  blossen  Rang- 
titel eines  königlichen  comes.  Dass  dieselben  der  Regel  nach  der 
zweiten  Klasse  der  comites  angehören^,  weist  auf  verhältnissmässig 
untergeordnete  Stellung;  aber  wie  es  die  elastische  Natur  dieser 
Bezeichnung  verstattet,  werden  je  nach  der  Stärke  der  Besatzung 
und  der  "Wichtigkeit  des  Platzes  einzelne  derselben,  insbesondere 
die  Platzcommandanten  von  Neapel  und  Ticinum,  höheren  Rang  und 
grössere  Bedeutung  gehabt  haben*.  Es  mag  auch  wohl  die  Compe- 
tenz   eine   qualitativ  ungleiche  gewesen  sein,   der  von  Neapel  mehr 

1)  Die  universi  Goihi  per  Pieenum  et  Samnmm  constituti,  welche  5,  26  zur 
Entgegennahme  des  jährigen  Donati vs  nach  Ravenna  berufen  und  5,  27  als 
millenarii  provinciae  Piceni  et  Samnii  bezeichnet  werden,  sind  einfach  die  pos- 
sessores;  niiUena  ist  hier  wie  anderswo  (nov.  Maioriani  7,  16:  binos  per  iugum  vel 
millenas  solidos;  Justinians  VO.  pro  pet.  Vigilii  26 :  possessoribus  .  .  .  superindietieium 
titulum  impositum  esse  pro  unaquaque  millena;  Marquardt  Staats verw.  II  *  230) 
und  auch  bei  Cassiodor  selbst  var.  2,  37  die  Steuerhufe.  Dass  die  Gothen  wie 
die  Römer  grundsteuerpflichtig  waren,  worüber  gestritten  worden  ist,  zeigen 
var.  1,  19.  4,  14.  Auch  bei  Victor  Vitensis  1,  10,  30:  fuit  hie  Wandalus  de  Ulis 
quos  miUenarios  vocant  kann  das  Wort  den  Inhaber  der  sors  Wandalica  bezeichnen, 
obwohl  in  Beziehung  auf  Africa  millena  als  Hufe  sonst  nicht  vorkommt. 

2)  Als  König  Geiserich  Africa  unter  ähnlichen  Verhältnissen  besetzte  wie 
Theoderich  Italien,  legte  er  bei  der  Ordnung  seiner  Mannschaften  den  damaligen 
römischen  numerus  von  1000  Mann  unter  einem  tribunus  zu  Grunde.  Denn  dies 
meint  Prokopius  b.  Vand.  1,  5  (vgl.  2,  8  p.  421,  4  Bonn.)  mit  den  Worten:  loyayovs 
avtoTs  insarrjosv  ovy  rjooov  i]  oydorjxovra,  ovojisq  xi^iaQXOVQ  exäksoe,  döxrjaiv  nagsxov 
d«rc6  Ol  /iivQiddag  avvievai  röv  xwv  orgaTSVo/Lisvcov  Iecov.  Hätte  Prokop  eine  die 
Tausendziffer  geradezu  ausdrückende  Bezeichnung  im  Sinn  gehabt,  so  würd0 
er  diese  gesetzt  oder  doch  umschrieben  haben;  wer  seine  Weise  kennt,  wird 
nicht  zweifeln,  dass  xiXiaQioi  ihm  hier  wie  überall  der  tribunus  ist.  Geiserich 
benennt  die  Führer  seiner  80  Truppenkörper  mit  dem  römischen  Titel  tribunus 
und  giebt  sich  dadurch  den  Anschein  einer  Truppenmacht  von  80000  Mann. 
Dass  der  römische  numerus  dieser  Zeit  regelmässig  1000  Mann  zählt  und  regel- 
mässig von  einem  tribunus  geführt  wird,  soll  in  anderem  Zusammenhang  ent- 
wickelt werden  [s.  oben  S.  261]. 

3)  Var.  7,  26 :  per  indiciionem  illam  in  illa  civitate  comitivae  honorem  secundi 
ordinis  tibi  .  .  .  largimur. 

4)  Wenigstens  scheint  bei  Cassiodor  ein  gewisser  Gegensatz  zu  bestehen 
zwischen  den  Formeln  für  den  Comes  von  Neapel  6,23  —  25  und  der  formula 
comitivae  Gothorum  per  singulas  civitates  7,  3,  während  allerdings  in  der  zweiten 
Redaction,  der  formula  comitivae  diversarum  civitatum  7,  26  nebst  den  Beilagen 
27.  28  der  Gegensatz  von  Neapel  und  den  übrigen  Städten  ignorirt  wird. 


Ostgothische  Studien.  439 

in  die  städtische  Verwaltung  eingegriffen  haben  als  derjenige  von 
Dertona^,  obwohl  die  ganze  Anlage  dieser  Einrichtungen  strenge 
Competenzgrenzen  ausschliesst  und  die  gothischen  Befehlshaber  der 
einzelnen  Städte  sicher  vom  König  mit  Geschäften  jeder  Art  speciell 
oder  allgemein  beauftragt  worden  sind. 

Die  hier  geschilderte  theodericianische  Militärordnung  Italiens 
ist  nicht  erst  unter  den  germanischen  Königen  entstanden.  Yon 
den  Truppenkörpern,  welche  die  unter  Honorius  geschriebene  Notitia 
Bkjnitatum  Occidentis  aufführt,  sind  die  aus  der  reichsländischen 
Aushebung  hervorgehenden  in  der  germanischen  Epoche  in  Folge 
des  Ausschlusses  der  Römer  vom  Heerdienst  verschwunden.  Aber 
ausserdem  verzeichnet  sie  —  der  Orient  hat  nichts  Aehnliches  und 
der  Abschnitt  ist  offenbar  ein  am  Schluss  der  occidentalischen  Militär- 
ordnungen eingeschalteter  Nachtrag  —  unter  der  Uebcrschrift  prae- 
positurae  magistri  militum  praesentaUs  a  parte  peditum  neben  reichs- 
ländischen eine  beträchtliche  Anzahl  in  Italien  sesshaft  gemachter 
barbarischer  Truppenkörper,  meistens  mit  Angabe  der  Stadt,  zum 
Beispiel  Cremonae,  Taurinis,  Aquis  sive  Dertona,  einzeln  mit  Nennung 
der  Landschaft,  Apuliae  et  Calahriae,  per  Brittios  et  Lucaniam, 
regionis  Samnifis^;  jede  solche  Abtheilung  steht  unter  einem  prae-  501 
fectus.  Sie  bezeichnet  diese  Truppenkörper  als  Sarmaten.  Weiter 
erfahren  wir  über  diese  Anordnungen  nichts^;  aber  deutlich  zeigt 
sich  bereits  in  ihnen  die  Ordnung  der  Gothenzeit.  Es  werden  in 
diesen  Standlagern  die  Sarmaten  durch  Odovacars,  diese  durch 
Theoderichs  ausländische  Mannschaften  abgelöst  worden  sein;  der 
praefediis  heisst  jetzt  prior  oder  comes;  die  den  Fremden  zustehenden 
Rechte  sind  sicher  später  gesteigert  worden;  aber  die  Grundlage  ist 
die   gleiche*  und   selbst   das  Ueberwiegen  Norditaliens    tritt    schon 


1)  Cassiodors  Phrasen  geben  dafür  einen  gewissen  Anhalt,  dass  in  die 
Polizei  und  den  Handelsverkehr  der  gothische  Commandant  in  dem  grossen 
Emporium  anders  eingriff  als  die  Platzcommandanten  in  den  Landstädten.  Man 
kann  sogar  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  der  comes  von  Neapel  ebenso  als 
Militärcommandant  von  Campanien  aufgefasst  werden  muss  wie  der  comes  von 
Syrakus  als  solcher  von  Sicilien. 

2)  Die  von  Seeck  vorgeschlagene  Aenderung  Begio  [in  Sattinitis]  ist  sprach- 
lich wie  sachlich  unzulässig,  die  überlieferte  Lesung  unbedenklich. 

3)  Auf  die  Sarmatenkriege  Constantins  gehen  sie  schwerlich  zurück;  die 
»n  diesem  in  den  Provinzen  und  auch  in  Italien  (anon.  Vales.  32)  angesiedelten 
.irmaten  sind  wohl  einfache  Colonen,  nicht  Militärcolonisten. 

4)  Selbst  in  der  Benennung  entsprechen  den  Sarmatae  gentiles  der  Notitia 
■jci  Cassiodor  die  var.  8,  17  [§  6]  den  Itomani  entgegengesetzten  gentiles,  wie  sonst 
Gothi  und  Eomani  oder  barbari  und  Itomani  sich  einander  entgegengesetzt  werden. 


440  Ostgothische  Studien. 

hier  deutlich  hervor,  wie  denn  auch  diese  Ansiedelungen  nur  hervor- 
gegangen sein  können  aus  den  Schutzmassregeln  gegen  die  Einfälle 
der  Barbaren  und  sie  also  vorzugsvreise  in  die  nördlichen  Land- 
schaften gelegt  werden  mussten.  —  Auch  die  für  diese  Truppen 
getroffenen  finanziellen  Einrichtungen  lassen  sich  weiter  zurückver- 
folgen. In  öffentlichen  Rechnungen  vom  J.  444  wird  einer  von  einem 
sicilischen  Domanialgut  harharico  fisco  geleisteten  Lieferung  gedacht^; 
aus  der  Epoche,  wo  Theoderich  im  Orient  verweilte,  eines  dortigen 
Beamten  rov  Fox'&ixov  xa/biiag'^.  Dieser  fiscus  harbaricus  oder  xb 
Foxd^ixov  muss  die  Kasse  sein,  aus  welcher  die  den  fremden  Soldaten 
bewilligten  Yerpflegungs-  und  Soldgelder  ^  gezahlt  wurden,  wie  zu 
Beispiel  Zeno  einem  anderen  gothischen  Feldhauptmann  solche  fi 
1 3000  seiner  Leute  vertragsmässig  zugesichert  hat.  Sicher  sind  jene 
jährlich  von  Theoderich  seinen  Gothen  geleisteten,  der  römischen 
Militärordnung  unbekannten  ständigen  sogenannten  Donative  eben 
jene  'Geschenke'  an  die  barbarischen  Föderaten,  in  welchen  die 
Vergewaltigung  des  römischen  Reichs  durch  die  ausländische  Solda- 
tesca  in  greller  Weise  zu  Tage  tritt. 
502  Aehnlich   sind   vermuthlich    auch    die    ausseritalischen    Truppen 

von  Theoderich  organisiert  worden;  indess  ist  über  dieselben  wenig 
bekannt.    Der  Satz,  dass  die  Gothen  oder  überhaupt  die  Nichtrömer* 


t 


1)  Marini  pap.  n.  73:  [Fund^us  Anniana  sire  Myrtus  per  s(uprc()  s(criptos) 
sol(idos)  n(umero)  C XL  VII  et  [rati]one  tritici  sive  hordei,  quod  ante  barbarico 
fisco  praest(abatur),  sol(idos)  n(umero)  LXXV.    Missverstanden  von  Marini  S.  285. 

2)  Malchus  fr.  18  p.  128  Müll. 

3)  Malchus  fr.  17:  owrd^sig  xs  xai  rqocprjv  {==  annonam).  Die  den  foederati 
gewährten  dona  erwähnt  häufig  lordanes  (vgl.  meinen  Index  dazu  p.  186).  Die 
römischen  Ordnungen  dieser  Zeit  unterscheiden  zwar  den  Sold  und  die  Verpfle- 
gung, aber  jener  ist  unständig  und  immer  freie  Gabe.  Nur  bei  Gelegenheit  der 
Quinquennalien  hatten  die  Soldaten  ein  Anrecht  auf  ein  festbemessenes  soge- 
nanntes Geschenk.  Nöfiog  fjv ,  berichtet  Prokop  bist.  arc.  24,  avä  nEVTaETi]olba 
Exdarr}v  rov  ßaoüJa  xcöv  oigaticoriov  sxaoTOv  dcogsTa^ai  XQ^o^V  Taxzw,  nehmlich  mit  i 
5  Goldstücken.  Dieser  Gebrauch  ist  schon  älter;  Macrinus  (vita  Diad.  2)  sagt: 
dabimus  per  cuncta  quinquennia  hoc  quod  hodie  putavimus. 

4)  In  den  Douaulandschaften  ist  die  Zahl  der  Gothen  wohl  eine  geringe  j^  JJ 
gewesen.  Die  Adressen  3,  24  universis  barbaris  et  Romanis  per  Pannoniam  com- 
stitutis  und  4,49:  universis  provincialibus  et  capillatis,  defensoribus  et  curialibus 
Siscia  vel  Suavia  consistentibus  vermeiden  wohl  nicht  ohne  Absicht  die  Nennung 
der  Gothen.  Eben  dahin  führen  die  an  einen  für  die  Savia  ernannten  Beamten 
gerichteten  dunklen  Worte  5, 14  [§  6] :  antiqui  barbari,  qui  Romanis  nmlieribus  elege- 
runt  nuptiali  foeden'e  soeiari,  quolibet  titulo  praedia  quaesivetunt ,  fiscum  possessi 
cespitis  persohere  ac  superindicticiis  oneribus  parere  cogantur.  Danach  könnten  hier, 
anders  als  in  Italien  (S.  438  A.  1),  die  wehrpflichtigen  Barbaren  steuerfrei  gewesen 


»21 


Is 


Ostgothische  Studien.  441 

ausschliesslich  dienstpflichtig  sind,  hat  ohne  Zweifel  auch  hier  ge- 
golten; und  die  dortigen  Truppen,  so  weit  sie  nicht  zu  den  mobi- 
lisirten  gehören,  werden  ebenfalls  in  den  einzelnen  Territorien 
ansässig  gewesen  seinK  Die  östlichen  Befehlshaber  heissen  hier 
allgemein  praepositi  ^  und  werden  speciell,  zum  Beispiel  für  Massilia*, 
für  Avennio  *,  für  die  dalmatische  Insel  Curicta  ^  als  comites  bezeich- 
net; es  ist  keine  Ursache  vorhanden  sie  anders  aufzufassen  als  die 
italischen. 

Ueber  diesen  örtlichen  Commandanten  stehen  ausserhalb  Italiens 
die  der  Grenzbezirke,  sowohl  dem  Princip  nach  wie  in  der  Titulatur 
denen  des  römischen  Reiches  gleichartig.  Die  vornehmeren  dieser 
Befehlshaber  nennen  sich  comites  mit  Hinzusetzung  des  Commando- 
bezirks,  also  mit  einer  wahrscheinlich,  wie  bei  den  römischen  comites 
rei  militaris,  zum  Amtstitel  gew^ordenen  Rangbezeichnung '^,  die 
geringeren  duces.  Nach  römischer  Ordnung  gehören  beide  Kategorien 
zu  der  zweiten  Rangklasse  der  sp>ectabiles;  in  den  Schreiben  Theo- 
derichs wird  diesen  comites  das  Prädicat  der  ersten  gegeben"^,  den 
duces  das  der  zweiten^.  Dass  neben  diesen  Militärcommandanten,  503 
sei  es  mit  gleichem,  sei  es  mit  engerem  Sprengel,  Civilbeamte  stehen, 
steht  fest  für  Dalmatien^  und  Savia^"  und  kann  auch  für  die  übrigen 

Tind  die.s  Vorrecht  durch  Heirath  mit  einer  Römerin  (vgl.  C.  Th.  3, 14,  1)  ihnen 
verloren  gegangen  sein. 

1)  Die  Salonitani  milites  1,  40  sind  offenbar  Gotheu.  Die  von  Theoderich 
nach  Spanien  geschickten  Gothen  scheinen  von  den  Bürgern  ihres  Wohnorts 
Frohnden  gefordert  zu  haben  (var.  5,  39  [§15]:  servitia  quae  Gothis  in  cidtaie 
positis  superfliie  praestahantur,  dec&rnimus  amoveri:  non  enim  decet  ab  ingenuis  famu- 
latu7n  quaerere  quos  ynisimus  pro  libertate  pugnare). 

2)  Nach  der  Besetzung  des  südöstlichen  Galliens  nimmt  Theoderich  dem 
Lande  die  Verpflegung  der  dort  stehenden  Truppen  ab  und  sendet  dueibus  ac 
jpraepositis  die  erforderlichen  Summen,  um  dieselbe  zu  bestreiten  (3,  42).  Hier 
handelt  es  sich  allerdings  um  mobilisirte  Mannschaften. 

3)  Var.  3,  34.  4,  12.  46.     Er  ist  vir  illustris. 

4)  Var.  3,  38.  5)  Var.  7,  16. 

6)  Comes  rei  militaris  finde  ich  freilich  in  gothischen'^ Quellen  nicht,  aber 
iafür  comes  pi-ovindae  7,  1. 

7)  Dies  Prädicat  führen  Colossaeus  comes  Pannoniae  Sirmiensis  (3,  23.  24. 
l,  13)  und  Oswin  zweimal  comes  Dalmatiae  et  Suaviae  (1,  40  3,  26.  4,  9.  9,  8.  9). 
jildila  comes  Syracusanae  civitatis  heisst  vir  sublimis  (9,  11.  14). 

8)  7,  4  [§  1]. 

9)  Der  comes  provinciae  des  Schemas  7,  1  ist  nach  dem  zugehörigen  Schreiben 
,  24  zunächst  comes  Dalmatiarum.  Der  consularis  pi'ovinciae  Dalmatiae  findet 
ich  5,  24. 

10)  5,  14  [§  7.  8]  werden  der  comes  Gothorum  und  der  iudex  Bomanoriim  der 
l'rovinz  neben  einander  genannt. 


442  Ostgothische  Studien. 

Militärbezirke  gegolten  haben  ^,  obwohl  es  auch  nicht  auffallen 
würde,  wenn  in  einzelnen  derselben,  wie  wir  dies  im  Orient  für 
Isaurien  und  Arabien  finden.  Civil-  und  Militärgewalt  in  eine  Hand 
gelegt  worden  ist.  —  Die  Commandobezirke  sind  allerdings,  wie  es 
nicht  anders  sein  konnte,  völlig  verändert.  —  Sicilien,  früher  eine 
befriedete  Provinz,  steht  jetzt  unter  dem  comes  Syracusanae  civitatis, 
welcher,  wie  es  scheint,  mit  dem  Platzcommando  der  Hauptstadt 
den  Oberbefehl  auf  der  ganzen  Insel  verbindet  2.  —  Im  Norden  und 
Nordosten  ist  der  Militärbezirk  der  beiden  Raetien  geblieben,  wie 
ihn  uns  die  Notitia  zeigt ^.  Ueber  Noricum,  dessen  Donauufer  zu- 
sammen mit  dem  angrenzenden  pannonischen  früher  ein  zweites 
Commando  bildete,  erfahren  wir  nichts;  es  ist  sogar  zweifelhaft,  ob 
diese  Landschaften  unter  Theoderichs  Herrschaft  gestanden  haben*. 
Yon  grosser  Wichtigkeit  dagegen  waren  die  beiden  bald  getrennt  || 
verwalteten,  bald  unter  ein  Commando  gestellten  Provinzen  Savia, 
mit  der  Hauptstadt  Siscia,  und  Dalmatien^.  Die  erst  im  J.  508 
hinzugewonnene  Provinz  Pannonia  oder  Sirmium  hat  wenigstens  zu 
Anfang  ein  Commando  für  sich  gebildet  (S.  441  A.  7).  —  Ueber  die 
von  Theoderich  in  den  noch  später  gewonnenen  gallischen  Land- 
schaften getroffenen  militärischen  Einrichtungen  fehlt  jede  Kunde; 
die  duces,  die  genannt  werden,  sind  schwerlich  im  Sinn  der  Beamten- 
hierarchie zu  verstehen^. 
504  Diesem  hohen    gothischen  Militärbeamten    steht  wie   dem   ent- 

sprechenden römischen  ein  adsessor  zur  Seite'',   welcher   aber  nach 


1)  Auch  Justinian  stellte  Sicilien  nach  der  Eroberung  unter  einen  dux  und 
einen  praetor  (nov.  75  =  104). 

2)  6,  22.  9,  11.  14.  Dies  hängt  oflfenbar  damit  zusammen,  dass  Theoderich 
auf  Bitte  der  Römer  nur  eine  geringe  Zahl  Gothen  nach  der  Insel  schickte 
(Prokop  b.  G.  3,  16);  die  Tertiation  hat  sich  auf  Sicilien  nicht  erstreckt  und 
man  kann  fragen,  ob  die  hier  befindlichen  Gothen  nicht  lediglich  als  mobilisirte 
Soldaten  zu  betrachten  sind.  3)  1,  11.  7,  4. 

4)  Dass  Justinian    'die  Stadt  Noricum    und    die    germanischen    [vielme 
pannonischen]  Festungen'  an  die  Langobarden  förmlich  abtrat  (Prokop  b.  Goth. 
3,  33),  beweist  dies  keineswegs. 

5)  Savia  allein  unter  Fridibadus:  4,  49  vgl.  5,  14.  Dalmatien  allein  (wii 
es  scheint):  7,  25.  Beide  vereinigt:  9,  8.  Die  Umwandlung  Dalmatiens  in  ein« 
Militärprovinz  beginnt  mit  dem  magister  militum  per  Dalmutias  Nepos  im  J.  473j 
(cod.  lust.  6f  61,  5),  offenbar  demselben,  der  kurz  darauf  zum  Kaiser  des  Westens 
ausgerufen  ward.  . 

6)  Dies  gilt  sicher  von  dem  dux  Ibba  vir  sublimis  (S.  455  A.  1)  und  wahrj 
scheinlich  von  den  .3,  42  erwähnten  (S.  441  A.  2).  j 

7)  Der  adsessor  des  römischen  dux  tritt  am  bestimmtesten  auf  in  dei 
Matrikeln  für  die  von  Justinian  in  Africa  eingerichteten  Ducate  (cod.  lust.  1 ,  27, 2) 


r...f 


Ostgothische  Studien.  443 

dem  theodericianischen  System  Römer  sein  muss^.  Ebenso  sind 
die  Officialen  des  gothischen  Coraes  oder  Dux  nach  Cassiodors  aus- 
drücklichem Zeugniss  nach  römischer  Weise  geordnet  2.  Damit  über- 
einstimmend werden  dem  comes  von  Dalmatien  aus  dem  kaiserlichen 
Officium  zwei  principes  zugesendet  ^ ;  denn  nach  der  damaligen  römi- 
schen Ordnung  empfangen  der  comes  und  der  dux  ihren  Bureauchef 
aus  der  dem  magister  officiorum  unterstellten  scliola  der  agentes  in 
rebus  ^  und  die  Subalternen  des  magister  officiorum  sind  eben  das 
kaiserliche  Officium  (S.  406).  Nur  für  die  Sendung  zweier  principes 
findet  sich  keine  genügende  Erklärung,  wenn  nicht  etwa,  da  es  sich 
lediglich  um  die  Einführung  des  neu  ernannten  Comes  bei  dem 
Officium  handelt,  hier  in  incorrecter  Weise  neben  dessen  eigenem 
princeps  auf  den  des  Civilstatthalters  mit  Rücksicht  genommen  worden 
ist.  —  Die  domestici  dieser  Militärstatthalter,  welche  einflussreiche 
Stellen  bekleiden  und  ein  Gehalt  von  200  oder  nach  einer  Verfügung 
Athalarichs  von  250  Solidi  und  iO  annonae  beziehen^,  werden  eben- 
falls aus  den  römischen  Einrichtungen  erklärt  werden  müssen  und 
kehren  in  diesen  auch  wieder:  in  gleichzeitigen  Erlassen  des  Ostreichs  505 


1)  Dies  wird  geschlossen  werden  dürfen  theils  daraus,  dass  der  gothische 
Commandant  der  einzelnen  Stadt,  wo  Römer  betheiligt  sind,  nur  sprechen  darf 
adhibito  sibi  prudente  Romano  (var.  7,  3  [§  1]),  theils  aus  dem  römischen  Charakter 
der  Officialen.  Der  adsessor  des  dux  oder  comes  kommt  selbst  bei  Cas.siodor 
nicht  vor.     Vgl.  S.  470. 

2)  7,  25 :  nostra  laus  est,  si  vos  (den  gothischen  comes)  militia  Bomana  comi- 
tetur.  Die  weitere  Ausführung  dreht  sich  darum,  dass  diese  den  priscae  sandiones 
entsprechende  Bureaugestaltung  ein  besonderer  Vorzug  des  bestehenden  Regiments 
sei  und  das  gesetzliche  Verhältniss  der  Gothen  zu  den  Römern  beweise  und 
verbürge. 

3)  In  der  formula  epistulae  qiiae  ad  commendandos  principes  comiti  {DaJma- 
tiarum  nach  7,  24)  destinahir  (7,  25)  heisst  es  ex  officio  nostro  (d.  h.  aus  den 
Officialen  des  maxister  officiorum  S.  407)  illum  atque  illum  ad  vos  credidimus  esse 
äirigendos.  Wenn  in  dem  vorhergehenden  an  den  princeps  Dalmatiarum  ge- 
richteten Ernennungsschreiben  der  Singular  gebraucht  wird,  so  kann  dies  an 
neden  der  zwei  gleichlautend  erlassen  sein. 

4)  Zu  Theoderichs  Zeit  bestand  diese  Einrichtung  im  Orient.  Dass  im 
Jt-cident  früher  die  magistri  militum  praesentales  den  Commandanten  der  Grenz- 
truppen den  Bureauchef  zuschickten ,  kommt  hiebei  nicht  in  Betracht ;  die  ger- 
manischeu Fürsten  verfuhren  hierin  nach  dem  Schema  des  Ostreichs,  da  sie  ihr 
Amt  von  da  her  empfingen. 

5)  Var.  5, 14  [§  8] :  domestici  comitis  Gotliorum  nee  non  et  vicedomini  aliqua  dicwn- 
r  provincialihus  concinnatis  terroribus  abstiilisse.  9, 18 :  comperimus  de  domesticorum 

'jccessibus,  qui  destinatis  comitibus  obsequuntur,  provinciales  damnis  plurimis  ingra- 
'atos  .  . .  praecijnmus,  ut  supra  ducentos  soUdos  et  decem  annonaSf  quas  hactenus 
icceperunt,  .  .  .  qiiinquaginta  eis  solidos  annuos  facialis  .  .  adiungi. 


444  Ostgothische  Studien. 

wird  dem  dux  als  Bureauvorsteher  bald  ein  domesticus  mit  ähnlichen 
Emolumenten  zugeordnet^,  bald  ein  primicerius^;  was  beides,  wie 
weiterhin  sich  bestätigen  wird,  nichts  ist  als  andere  Bezeichnung 
des  princeps. 

Aber  mit  der  obersten  Stufe  der  Kriegsgewalt  hat  es  -eine 
besondere  Bewandtniss.  Magistri  militum  des  Königs  Odovacar  sind 
gut,  wenn  auch  nicht  urkundHch  bezeugt^  und  dass  dieses  höchste 
Militäramt  auch  unter  Theoderich  nicht  weggefallen  ist,  geht  hervor 
aus  der  Angabe  Cassiodors  über  die  Privilegien  seiner  Officialen*. 
Nichtsdestoweniger  wird  nirgends  aus  der  Zeit  der  Gothenherrschaft 
eines  solchen  Beamten  gedacht  und  werden  selbst  diejenigen  Feld- 
herrn, die  im  Auftrage  Theoderichs  selbständig  Expeditionen  geführt 
haben,  wie  Pitzia  und  Ibba,  nie  mit  diesem  Amtstitel  belegt;  jas 
sogar  in  der  Sammlung  der  formulae  wird  dieses  Amt  nicht  gefunden,- 
was  unmöglich  durch  Vergessen  und  Versehen  erklärt  werden  kann. 
Ohne  Zweifel  liegt  zu  Grrunde,  dass  Theoderich  selbst  das  Magisterium 
bekleidete  und  auch  als  Verweser  des  Westreichs  in  dieser  Stellung 
blieb.  Wie  andere  germanische  Fürsten  dieser  Epoche  ^  hat  er  das- 
selbe von  dem  Kaiser  des  Ostens  empfangen  und  als  magister  militum 


1)  Im  Eliasse  des  Anastasius  (Z.  v.  Lingenthal  Monatsber.  der  Beii.  Acad* 
1879  S.  134  fg.)  werden  die  ersten  sieben  der  40  Officialen  des  eomes  et  dux  da? 
libyschen  Pentapolis  also  aufgeführt:  adsessar  {ovvxd&sdQos)  —  domesticus  —  can- 
cellarius  —  decanus  —  suhsenbendarius  —  spatharius  —  bucinator.  Die  Emolur 
mente  betragen  ausser  dem  Antheil  an  dem  eigentlichen  Gehalt  (40  annonm 
und  40  capitus,  zusammen  etwa  360  solidi  für  die  40  Personen)  für  den  domesticv^'^ 
126  (oder  123)  solidi. 

2)  In  den  Officien  der  von  Justinian  eingerichteten  africanischen  Ducat||| 
(cod.  lust.  1,  27,  2)  stehen  an  der  Spitze  der  adsessor  und  der  primicerius. 

3)  Sowohl  Tufa  wie  Livila  werden  in  den  ravennatischen  Quellen  (anoä.ij 
Vales.  51.  54;  chron.  Rav.  zum  J.  493  [chron.  min.  I  p.  320],  wo  Tufanem  zu  leseoi 
ist)  als  mag.  mil.  bezeichnet;  von  jenem  heisst  es:  quem  ordinaverat  Odoacar  cwmi 
optimatibus  suis  k.  Apfr.  und  er  heisst  so  auch  nach  seinem  üebertritt  zu  Theoderich. 

4)  Var.  6,  3:  nullus  ei  (dem  praef.  praet.)  miles  de  fm'i  sui  auctoritate  pi-aescriUti 
eoccepto  offidali  magistri  militum.  Dies  bestimmen  auch  die  römischen  Ordnungen 
(C.  Th.  1,  7,  4;  nov.  Theod.  7,  4;  cod.  lust.  12,  54,  5). 

5)  Der  Franke  Chilperich  um  das  J.  474 :  Sidonius  ep.  5,  6.  Der  Burgunder 
könig  Sigismund  schreibt  durch  Avitus  (ep.  93  Peiper)  an  Kaiser  Anastasius 
traxit  illud  a  pi'oavis  genei'is  mei  apud  vos  decessoresque  vestros  , .  .  Romana  devotio 
ut  illa  nobis  magis  claritas  putaretur  quam  vestra  per  militiae  titulos  porrigeba 
celsitudo  cunctisque  auetoribus  meis  semper  magis  habitum  est  quod  a  principihn 
sumerent  quMm  quod  a  patribus  attulissent.  Entsprechend  nennt  Papst  Hilaru: 
(ep.  9,  p.  146  Thiel)  im  J.  463  den  Gundiocus  vir  illustris  magister  militum.  Vgl 
Binding  S,  66. 

i 


Ostgothische  Studien.  445 


praesentalis  des  Ostreichs  ist  er  in  Italien  eingerückt  \  hat  er  den 
König  Odovacar^  überwältigt  und  das  Land  sich  unterworfen.  Es  506 
ist  begreiflich,  dass  er  als  Herrscher  Italiens  sich  des  -Titels  enthielt, 
da  die  jetzt  ihm  zustehende  Machtvollkommenheit  über  die  selbst 
des  höchstgestellten  magister  milHum  weit  hinausging;  aber  daraus 
folgt  keineswegs,  dass  er  dieses  Amt  abgegeben  hat.  Jene  gothischen 
Besatzungen  in  den  einzelnen  italienischen  Städten  standen,  so  viel 
wir  sehen,  unter  keinem  anderen  Oberbefehl  als  dem  des  Königs 
selbst :  wie  sie  in  Honorius  Zeit  praepositurae  magistri  militum  prae- 
sentalis  heissen,  werden  sie  auch  in  der  Gothenzeit  officiell  in  gleicher 
Weise  aufgefasst  worden  sein.  Es  lassen  sich  davon  noch  weitere 
Spuren  erkennen,  f)  

t)  (Nachtrag.*)  Die  richtige  Auffassung  der  Stellung  Theoderichs  185 
bestätigt  sich  weiter  durch  den  aus  derselben  entwickelten  Exarchat, 
dessen  Entstehung  übrigens  Hartmann  in  der  oben  [S.  396  A.  5]  an- 
geführten Schrift  in  allem  Wesentlichen  richtig  dargelegt  hat.    Wenn 
der  Gothenkönig  als  ständiger  magister  militum  in  Italia  für  Byzanz 
jfunctionirt  hatte,  so  musste  nach  dem  Sturz  der  Gothenmacht  dieses 
jAmt  wieder  in  der  durch  das  byzantinische  Schema  gegebenen  Form 
besetzt,  für  den  neu  gewonnenen  Reichstheil  ein  oberster  Militärchef 
ohne  Lebenslänglichkeit  und  Erblichkeit  bestellt  werden.     Auch  in 
Africa,  das  freilich  formell  vom  Reiche  getrennt  gewesen  war,  lagen 
nach  dessen  Wiedereroberung  die  Verhältnisse  ganz  ähnlich.     Der 
iSache  nach  ist  dies  auch  dort  wie  hier  geschehen ;  Belisar,  Solomon, 
jJohannes  in  Africa,  Belisar,  Narses,  Smaragdus  in  Italien  sind  wesent- 
lich die  in  Thracien  wie  im  Orient  als  magistri  militum  bezeichneten 
pbercommandanten.     Was  sie  von   diesen  unterscheidet,   ist  haupt- 
ächlich  die  Titulatur.    Zwar  für  Africa  gilt  nicht  einmal  dies,  insofern 
lort  die  Inschriften  namentlich  den  Solomon  einfach  magister  militum 
lennen  und  diese  Benennung  hier  erst  nach  längerer  Zeit  abgekommen 


1)  Marcellinus  zum  J.  483:  Theodericus  rex  Gothorum  Zenonis  Augusti 
lunificentia  paene  pacatus  magisterque  praesentis  militiae  fadus,  eonsul  quoque 
esignatus.  Die  Rivalitäten  der  beiden  Theoderich  um  die  Machtstellung  am 
iyzantinischen  Hof,  die  Malchus  ausführlich  berichtet,  drehen  sich  wesentlich 
m  die  Verleihung  dieses  obersten  Commandos. 

2)  Dass  dieser  eine  solche  Feldherrnschaft  übernommen  hat,  wird  nicht 
erichtet  und  es  mag  damit  zusammenhängen,  dass  von  ihm  ernannte  magistri 
lilitum  vorkommen.  Auch  den  Patriciat  hat  wohl  Theoderich,  aber  nicht  Odo- 
acar  erhalten;  Zeno  verspricht  ihm  denselben,  falls  er  ihn  nicht  von  Nepos 
rhalten  werde,  und  nennt  ihn  vorläufig  so  (Malchus  fr.  10),  aber  von  Ertheilung 
t  nirgends  die  Rede. 

*)  [Neues  Archiv  15,  S.  185— 186.] 


446  Ostgothische  Studien. 

ist^.  Aber  im  byzantinischen  Italien  erscheint  der  Magistertitel  in 
solchem  officiellen  Gebrauche  nicht,  wahrscheinlich  weil  er,  nach 
Ausweis  der  Briefe  Gregors,  dort  häufig  an  Offiziere  niederen  Ranges 
vergeben  ward  und  daher  den  Oberfeldherrn  nicht  hinreichend 
charakterisirte.  Hier  hat  einige  Zeit  das  Amt  bestanden  ohne 
officielle  Titulatur  —  wenigstens  können  wir  für  Belisar  keine  nach- 
weisen und  legt  Narses,  von  dem  wir  Inschriften  besitzen 2,  sich  nur 
Rangtitel  (vir  gloriosissimus,  vir  excellentissimus,  jicbtricius)  bei;  insofern 
unrichtig,  obwohl  sachlich  zutreffend  betrachten  die  späteren  Byzan- 
J86  tiner  schon  ihn  als  Exarchen.  Das  Wort  exarchus,  welches  dies^ 
Lücke  ausfüllt,  bezeichnet  in  der  reinen  Graecität  den  Anhebe: 
insbesondere  den  Yorsänger  und  hat  in  besserer  Zeit  keine  militärische 
Färbung;  dagegen  in  einem  Erlass  Justinians  vom  J.  545  ^  spricht 
der  Kaiser  von  'unseren  Exarchen'  in  der  Weise,  dass  diese  Be- 
nennung, wie  in  älterer  Zeit  das  lateinische  dux,  den  zeitigen  Com*.  ||. 
mandoführer  ohne  Rücksicht  auf  dessen  Rangstellung  bezeichnet; 
und  wie  dies  der  Grundbedeutung  des  Wortes  wohl  entspricht,  so 
wird  enuntiativ  das  italische  Obercommando  correct  und  genügend 
dadurch  charakterisirt.  Sicher  als  Titel  begegnet  das  Wort  zuerst 
in  der  vor  kurzem  von  Rossi  ans  Licht  gezogenen  Inschrift  des 
Julianus  s^agxog  'I[TaUag]  vom  J.  589*  und  von  da  an  ständig;  es 
muss  zuerst  diesem  oder  einem  seiner  nächsten  Vorgänger  officiell 
beigelegt  worden  sein.  Es  ist  wohl  richtig,  was  Hartmann  (S.  30)  \  ■ 
sagt,  dass  die  Macht  des  Exarchats  ausging  von  dem  Specialmandat  |  f 
für  die  Führung  des  Gothenkrieges,  aber  der  Exarch  ist  kein  ausser-  1  i 
ordentlicher  Weise  bestellter  Befehlshaber,  sondern  der  ordentliche 
Militärcommandant  des  byzantinischen  Italiens.  Civilcompetenz  liegt 
an  sich  in  dem  Amte  nicht;  es  wird  dies  schon  dadurch  gefordert, 
dass  dem  Exarchen  wenigstens  das  ganze  sechste  Jahrhundert  hin? 
durch  der  praefectus  praetorio  Italiae  zur  Seite  steht.  Aber  das 
Uebergreifen  der  Militärbehörden  in  die  Civilverwaltung  wird  dureli 
das  Wesen    des   damaligen   Regierungssystems    gewissermassen    ge- 

■  ÜiCt 

1)  Die  in  Karthago  zum  Vorschein  gekommene  Inschrift  des  Exarchen  vorij  ,  jDj 
Italien  Smaragdus  (C.  VIII,  10529),  welche  sowohl  Diehl  (S.  171)  wie  Hartmanrj  ivjj, 
(S.  114)  anführen,  ist  nach  Reinachs  Zeugniss,  der  den  Stein  gesehen  hat,  einf|  ,  \]^ 
in  Rom  angefertigte  und  nach  Tunis  exportirte  Copie  derjenigen  der  Phokassäuld  ..^^^ 
(Eph.  ep.  V  p.  538).  ]>^, 

2)  C,  I.  L.  VI,  1199  [=  Dessau  832],   X,  8045,  14.                                          I  i .:., 

3)  Nov.  130.                                                                                                        j  ■.1 

4)  Rossi  inscr.  christ.  2  p.  455;  Hartmann  S.  111.     Das  älteste  Schriftstüclij 
in  dem  das  Wort  auf  das  italische  Obercommando  angewandt   wird,    ist 
Schreiben  des  Papstes  Pelagius  II.  vom  J.  584  (JafFe-Kaltenbrunner  n.  1052). 


Ostgothische  Studien.  447 

fordert;  und  wenn  in  Africa  der  magister  militum  Solomon  zu- 
gleich sich  praefectus  praetorio  nennt  und  für  ihn  also  die  oberste 
Militär-  und  die  oberste  Civilverwaltung  formell  combinirt  worden 
sind,  so  haben  seine  titellosen  oder  betitelten  italischen  Amtsgenossen, 
ohne  Zweifel  durch  Specialmandat,  sachlich  häufig,  vielleicht  regel- 
mässig eine  analoge  Stellung  erhalten  und  den  iwaefectus  praetorio 
mehr  als  Unterbeamten  denn  als  Collegen  behandelt.  Insofern  sagt 
Hartmann  weiter  nicht  unrichtig,  dass  der  Exarch  bald  der  Träger 
der  kaiserlichen  Central  Verwaltung  in  Italien  geworden  ist^;  aber 
es  ist  doch  nicht  zu  übersehen,  dass  der  für  die  gesammte  römische 
Spätzeit  massgebende  Grundgedanke  der  Scheidung  der  civilen  und 
der  militärischen  Competenzen  principiell  auch  diese  Institution 
beherrscht  hat.)  

Die  unleugbare  Unterlassung  der  Verleihung  der  Heermeister- 
würde kann  nicht  daraus  erklärt  werden,  dass  Theoderich  römische 
Aemter  nicht  an  Gothen  verliehen  hat;  denn  mit  den  Grenzcom- 
mandos  ist  dies  geschehen  und  die  Incapacität  der  Gothen  beschränkt 
sich  überhaupt  auf  die  Civilämter.  Wenn  dagegen  Theoderich  selber 
magister  tnüitum  war  und  blieb,  obwohl  er  sich  nicht  so  nannte,  so 
ist  es  begreiflich,  dass  er  keinem  seiner  Feldherrn  die  Bezeichnung 
j^ewährte  ^.  In  ganz  ähnlicher  Weise  haben  die  römischen  Herrscher 
iie  Führung  des  Imperatortitels  früher  den  Privaten  untersagt  als 
hn  selber  angenommen. 

Hieraus  erklärt  sich  ferner  das  Verhalten  der  gothischen  Re- 
gierung nach  Theoderichs  Abscheiden.  Der  liederliche  Knabe  Atha- 
arich  war  als  König  erbärmlich,  als  Heermeister  lächerlich.  Dies 
ührte  die  Creirung  eines  neuen  und  eigenartigen  Amtes  herbei. 
Is  wurden  theils  der  alte  gothische  Kriegsmann  Tuluin^,  theils  der 
lamalige  iwaefectus  praetorio  von  Gallien,  der  Römer  Liberius*  von 


1)  Schärfer  noch  und  also  noch  minder  zutreffend  ist  die  gleiche  Auffassunof 
Diehl  (S.  15fg.)  entwickelt;  nach  ihm  ist  das  Exarchat  zwischen  572  und 
als  combinirte  militärisch  -  civile  Centralstelle  eingerichtet  worden. 

2)  Dass  Theoderich  in  Folge  der  Abmachungen  mit  Byzanz  die  Befugniss 
eoes  Amt  zu  verleihen  gefehlt  hat,  ist  möglich,  aber  nicht  wahrscheinlich. 

3)  Var.  8,  9.  10.  11.  12.  Man  muss  die  merkwürdigen  Schreiben  nachlesen, 
m  sich  die  Schärfe  der  Gegensätze  zu  verdeutlichen,  die  hier  versöhnt  werden 
)llten,  wie  die  Steigerung  des  Ansehens  des  Patriciats  und  des  Senats  bei  den 
othen  durch  den  Eintritt  eines  ihrer  Vormänner,  die  Sicherung  der  Wehrhaftig- 
iit  des  Staats  durch  die  Verleihung  des  Patriciats  an  einen  Kriegsmann  darin 
hofft  wird. 

4)  Var.  11,  1  [§  16].  Auch  hier  beachte  man  die  prägnante  Bezeichnung  des 
ömers  als  eines  Kriegsmanns  {exercitualis  vir).     Seine  Grabschrift  (C.  I.  L.  XI, 


448  Ostgothische  Studien. 

507  der  Königin  Amalasuntha  zu  pafricii  praesentales  ernannt,  mit  doppel- 
ter Ueberschreitung  der  bisher  geltenden  Normen.  Der  Gothe  war 
als  solcher  nicht  fähig  zum  Patriciat  (S.  422),  der  Römer  als  solcher 
unfähig  ein  Commando  zu  führen.  Der  Sache  und  zum  Theil  dem 
Namen  nach  ist  dieser  patricius  praesentalis  nichts  als  der  magister 
praesentalis  militum;  um  so  deutlicher  aber  erkennt  man,  warum 
lieber  mit  dem  lediglich  titularen  Patriciat  der  Competenzbegriff 
verknüpft  und  eine  neue  Benennung  erfunden  als  die  alte  mit  dem 
Königthum  thatsächlich  verschmolzene  wieder  aufgenommen  ward. 

Diese  Auffassung  der  Stellung  Theoderichs  löst  vielleicht  noch 
ein  anderes  Räthsel.  König  Theodahathus  verleiht  einem  Mann  der 
ersten  Rangklasse,  dem  Patricier  und  Consularen  Maximus  den. 
primiceriatus ,  qui  et  domesticatus  nominatur^.  Es  ist  im  hob 
Grade  befremdend,  dass  die  Stellung  eines  primicerius  einem  Mai 
wie  Maximus  gegeben  wird,  auch  wenn  man  in  Rechnung  zieht,  d 
der  König  selbst  das  Missverhältniss  zwischen  dem  Amt  und  d 
Rangstellung  des  Beamten  hervorhebt  und  entschuldigt.  Welchi 
Primiceriat  hier  gemeint  ist,  wird  nicht  gesagt.  An  die  beiden  v^ 
nehmen  Primiceriate  des  Cubiculum  und  der  Notare  wird  nicht 
denken  sein,  da  in  dem  Cubiculum  der  Primicerius  nur  der  zweite 
Beamte  ist  und  die  Stellung  des  primicerius  notariorum  in  keiner 
Hinsicht  als  besonderer  Vertrauensposten  erscheint.  Gegen  beide 
spricht  überdies,  dass  die  Bezeichnung  domesticus  so  gut  wie  aus- 
schliesslich von  Subalternen  der  Offiziere  gebraucht  wird''^.  Unter 
den  Subalternen  darf  auf  keinen  Fall  an  den  Bureauchef  im  Officium 
des  magister  officiorum  gedacht  werden,  nicht  blos  weil  dieser  den 
Titel  adiutor  führt,  sondern  vor  allen  Dingen,  weil  Maximus  unmög- 
lich der  Subalterne  eines  Andern  als  des  Königs  selbst  gewesen  sein 
kann^.     Es  giebt  nur  ein  einziges  Officium,  das  diesen  Bedingungen 

382)  lässt  ihn  die  zwiefache  Präfectur  von  Italien  und  von  Gallien  gewinnen  j 
non  imbelli  pretio  und  führt  dies  weiter  aus :  Äusoniae  populis  gentiles  rite  cohories  I 
disposuit,  sanxit  foedera,  iura  dedit,  das  heisst  er  ordnete  die  Stellung  der  gothi-  i 
scheu  foederati  zu  den  Römern,  nicht  als  Offizier,  aber  als  römischer  Civilbeamter, 

1)  10,  11.  12. 

2)  Dass  auch  der  princeps  der  agentes  in  rebus  das  Recht  hat  einen  c?<Mne-l 
stiem  zu  wählen,  ist  nur  eine  Bestätigung  mehr  (S.  411  A.  1).  Wenn  die  Ver-j 
Ordnung  C.  Th.  1,  35,  3  den  Provinzialstatthaltern  untersagt  domestici  vel  caneellariii 
zu  ernennen,  so  wird  hier  (vgl.  S.  419  A.  1)  lediglich  ein  Missbrauch  abgestellti 
Wo  sonst  domestici  bei  Civilbeamten  vorkommen,  sind  deren  Hausleute  gemeintj 

3)  Dies  spricht  entscheidend  gegen  die  sonst  nahe  liegende  Annahme, 
der  Primiceriat  des  Maximus  die  oben  (S.  410)   erörterte  Stellung  des  prir 
cardinalis,  des  Vormanns  der  agentes  in  rebus  sei.    Auch  werden  die  Benennung8i| 
primicerius  und  domesticus  auf  denselben  nirgends  angewendet. 


Ostgothische  Studien.  449 

genügt:  dies  ist  das  des  magister  militum,  wofern  eben  der  König  508 
selbst  der  Magister  war.  Also  wird  es  auch  erklärlich,  warum 
Theodahathus  in  seiner  unsicheren  Königsstellung  diesen  Posten  dem 
ihm  durch  Familienbande  verknüpften  Consular  verlieh.  Die  Stellung 
konnte  von  Rechtswegen  einem  Gothen  nicht  gegeben  werden,  da 
der  Officiale  des  Offiziers  nicht  Soldat  ist,  sondern  Subalternbeamter. 
Es  ist  ferner  schon  bei  anderer  Gelegenheit  hervorgehoben  worden  ^, 
welche  hervorragende  Stellung  in  den  Kriegen  dieser  Zeit  insbeson- 
dere bei  den  magistri  militum,  wie  zum  Beispiel  bei  Silvanus^, 
Aspar^,  Belisar*,  der  domesticus  einnimmt,  der  emxQOJiog  desselben 
und  xoivoivbg  xcbv  änoggi^rcov  ^.  Was  ich  damals  vergeblich  zu  er- 
mitteln versuchte,  die  Stellung  desselben  in  der  Beamtenhierarchie, 
wird  jetzt  klar.  Der  oberste  Subalternbeamte  eines  jeden  Offiziers, 
der  princeps  nach  der  älteren  Nomenclatur,  führt  späterhin  die  Be- 
nennung ■primicerius  oder  gewöhnlicher  domesticus.  Wie  wir  diesen 
bei  dem  dux  fanden,  finden  wir  ihn  nun  gleichmässig,  aber  in  einer 
dem  Range  seines  Vorgesetzten  entsprechenden  Steigerung,  bei  dem 
römischen  magister  militum,  dem  König  der  Gothen.  Deutlich  tritt 
in  Beziehung  auf  die  germanischen  Könige  es  hier  zu  Tage,  dass 
sie  als  magistri  militum  des  Römerstaats  regiert  haben.  Wenn 
Theoderich  die  Beamtenstellung  nicfit  allzu  scharf  in  den  Officialen 
zum  Ausdruck  kommen  Hess,  so  hat  Theodahathus  auf  diesem  Wege 
einen  vornehmen  Römer  in  eine  etwa  unserem  Generalstabchef  ver- 
igleichbare  Stellung  gebracht;  worin  nicht  weniger  eine  Capitulation 
enthalten  ist  wie  in  dem  Act,  den  er  mit  den  Gesandten  Justinians 
ibschloss. 

YII. 

Die  Rangklassen.*) 
Die  Rangklassen  der  römischen  Kaiserzeit  ruhen  auf  dem  Staats- 
imt;  die  Grenzen  haben  in  dieser  Hinsicht  vielfach  gewechselt,  das 
Princip  aber  ist  immer  dasselbe  geblieben.  Allerdings  wird  dasselbe 
delfach  umgangen  durch  die  titulare  Amtsverleihung,  welche  in 
;wiefacher   Form   vorkommt:    es    giebt  neben    den   illustres  u.  s.  w. 


509 


1)  Ephem.  epigr.  5, 140.  648  [Observat.  epigr.  XXXV  Schluß]. 

2)  Ammian  15,  6,  1. 

3)  Procopius  bell.  Vand.  1,  4.  4)  Procopius  a.  a.  0.  1,  11. 
5)  Diese  domestici  sind  es  auch,  die  die  gothischen  Feldherren  bei  Malchus 

c.  16  mit  einem  gehässigen  Ausdruck  als  die  Geldschneider  (eigentlich  Geld- 
lappler,  TtQoayoiyia?  twv  Irjfi/iiäzcov,  entlehnt  aus  Dio  46,  6),  nehmlich  der  Feld- 
erren nennen. 

*)  [Vgl.  Hirschfeld  'die  Rangtitel  der  röm.  Kaiserzeit'  in  Sitz.-Ber.  d.  Berl. 
-kad.  1901  S.  579  ff.] 

-MOMMSEN,   SCHB.  VI.  29 


450  Ostgothische  Studien. 

administratores  einerseits  illustres  u.  s,  w.  vacantes,  welche  das  Amts- 
abzeichen (cingulum)  und  den  Titel,  andererseits  illustres  u.  s.  w. 
honorarii,  welche  bloss  den  Titel  zu  führen  berechtigt  sind  ^.  Dies 
gilt  auch  für  die  von  Cassiodor  wiedergegebene  Ordnung.  Ins- 
besondere für  die  erste  Klasse  der  illustres  ist  die  titulare  Verleihung 
bei  ihm  durchaus  an  ein  bestimmtes  Amt  geknüpft^  und  auch  für 
die  Spectabilität  und  den  Clarissimat  wird  dasselbe  gelten^,  während 
die  niederen  Klassen  des  Perfectissimats  und  des  Egregiats  in  dieser 
Epoche  durch  andere  minder  feste  Titulaturen  ersetzt  werden*.  — 
510  Da  die  Gothen  die  römischen  Civilämter  nicht  bekleiden  durften, 
so  müssen  ihnen  consequenter  Weise  dieselben  als  titulare  gleichfallftr, 
verschlossen  gewesen  sein;  auch  findet  sich  kein  Beispiel  einer  der-^* 
artigen  Verleihung  an  einen  Gothen.  Dass  sie  zu  den  Militärämtertf? 
zugelassen  werden,  kann  dazu  benutzt  worden  sein  ihnen  die  Rang- 
klassen zu  öffnend  Geschehen  ist  dies  auf  jeden  Fall.  Theoderich 
hat  die  römischen  honorati  und  seine  germanischen  Unterthanen 
hinsichtlich  der  Rangklassen  zusammengeworfen  und  diese  römischen 
Kategorien  auch  auf  die  letzteren  erstreckt^. 


1)  Diese  Ordnungen  fasst  kurz  zusammen  die  Verordnung  Theodosius  II. 
im  cod.  lust.  12,  8,  2;  die  weiteren  Unterscheidungen,  insbesondere  je  nachdem 
das  Titularamt  vom  Kaiser  persönlich  oder  nur  durch  kaiserliches  Schreiben 
verliehen  ist,  so  wie  die  Rangverschiedenheiten  innerhalb  der  Kategorien  könne^j 
hier  übergangen  werden.  Auch  der  Unterschied  der  vacantes  und  der  honorarii 
tritt  bei  Cassiodor  nicht  hervor;  er  nennt  nur  die  codicilli  vacantes. 

2)  Die  Ueberschriften  der  Schemata  6,  10:  formula  qua  per  codicillos  vacamb^ 
jproce/res  fiant  und  11:  formula  iUustratus  vacantis  sind  ungenau  wie  manche 
andere;  dem  Text  nach  bezieht  sich  die  erstere  auf  die  höheren  Kategorien  — 
genannt  werden  Consulat,  Präfectur  und  Quästur  — ,  die  zweite  auf  den  iUu- 
stratus vacans  comitivae  domesticorum. 

3)  Die  formulae  speetabüitatis  7,  37  und  clarissimatus  7,  38  sind  ohne  Zweifel 
so  zu  verstehen,  dass  das  Titularamt  je  nach  dem  einzelnen  Fall  hinzutritt;  wie 
denn  2,  28.  6,  13  der  ausscheidende  princeps  neben  dem  Rang  der  Spectabilität 
das  titulare  magisterium  scrinii  erhält. 

4)  Vir  devotus  wird  bei  Cassiodor  häufig  den  Apparitoren  gegeben;  die  ihnen 
gleichstehenden  sm'ones  werden  auch  mit  devotio  tua  angeredet  (5, 10  [§  2].  12, 3  [§  2]). 
aber  in  der  Adresse  fehlt  vir  devotus  immer,  selbst  wo  es  dem  ihm  gleichstehen- 
den Apparitor  gegeben  wird  (8,  27).  Es  findet  sich  bei  Cassiodor  auch  vir  stre- 
nuus  (12,  26)  und  vir  experientissimus  (12,  18.  23).  Dieselben  Titulaturen,  sowie 
die  ähnlichen  vir  honestissimus,  vir  latidabilis  weisen  die  gleichzeitigen  Urkunden 
und  Inschriften  auf.  ■ 

5)  Allerdings  sieht  man  nicht,  wie  auf  diesem  Wege  zum  Illustrat  gelangt, 
werden  konnte;  es  giebt  kein  Militäramt  dieses  Ranges  als  das  des  magistei, 
militum  und  dies  ist  schwerlich  auch  nur  titular  von  Theoderich  vergeben  worden  j 

6)  Viri  illustres  heissen  Arigernus,  Marabadus,  Osuin,  Sigismer,  Suna;  liri 


Ostgothische  Studien.  451 

Nichts  als  eine  zweite  Rangklassenordnung  ist  an  sich  die  Gliede- 
rung des  kaiserlichen  Gefolges,  das  System  der  comites  nach  den 
altherkömmlichen  drei  Graden  und  den  daran  anknüpfenden  weiteren 
Abstufungen.  In  der  Epoche  indess,  welche  uns  hier  beschäftigt, 
finden  wir  die  Comes- Titel  in  Verbindung  mit  gewissen  Deter- 
minativen vielfach  in  Amtstitel  umgewandelt.  Es  ist  damit  völlig 
ebenso  gegangen  wie  mit  unserem  sehr  ähnlichen  Rathstitel.  Die 
spätere  Beamtenhierarchie  ist  grösstentheils  aus  dem  Hofpersonal 
hervorgegangen  und  die  Berufung  zum  Amt  mit  der  Ertheilung  einer 
Comitiva  höheren  oder  niederen  Grades  verknüpft  worden.  Dies 
führt  zunächst  zu  Doppeltitulaturen  mit  combinirter  Rang-  und  Amts- 
bezeichnung, wie  zum  Beispiel  comes  et  magister  militum,  comes  et 
magister  officiorum,  comes  et  quaestor^,  comes  et  dux^,  comes  et  cor- 
rector^,  comes  et  trihunus^.  Der  niedere  Grad  wird  im  titularen 
Gebrauch  hier  wie  überall  regelmässig  unterdrückt,  weil  er  mehr 
die  Zurücksetzung  als  die  Auszeichnung  markirt  und  auch  der  höhere 
nicht  häufig  ausgesprochen,  weil  er  aus  der  hinzugefügten  Amts- 
stellung sich  meistentheils  von  selber  ergiebt.  Die  Beilegung  des 
Comes-Titels  ist  an  sich  personale  Auszeichnung  und  ist  dies  insofern 
immer  geblieben,  als  er  einem  Nichtbeamten  oder  auch  einem  Be- 
amten als  Vorzug  vor  seinen  Collegen  verliehen  wird^  Aber  früh  511 
und  häufig  hat  sich  mit  einer  bestimmten  Amtsstellung  eine  graduirte 
Comitiva  in  der  Weise  verknüpft,  dass  jene  nicht  ohne  diese  ver- 
liehen wird.  In  diesem  Fall  wird  regelmässig  der  Doppeltitel  ver- 
einfacht, entweder  durch  Abwerfung  der  selbstverständlichen  Rang- 
bezeichnung, wie  bei  dem  magister  militum,  dem  magister  officiorum, 
dem  quaestor  dies  späterhin  ständig  geschieht,  oder  indem  die  Amts- 
competenz  an  den  Rangtitel  angeschlossen  wird,  wie  die  obersten 
Finanzbeamten  und  die  Vorsteher  der  domestici  et  protectores  auf- 
treten als  comites  largitionum,  rerum  privatarum,  domcsticorum,   die 


spectabües  Adila  (2,  29),  Anna  (4,  18),  Duda  (4,28).  Für  gothischen  Clarissimat 
finde  ich  keinen  Beleg.    Wegen  vir  devotus  s.  S.  450  A.  4. 

1)  C.  Th.  1,  8,  2  vom  J.  424. 

2)  So  heisst  der  Dux  der  libyschen  Pentapolis  Daniel  in  dem  Erlasse  des 
Anastasius. 

3)  C.  I.  L.  V,  4327.  4328.  4)  C.  I.  L.  V,  7798  vom  J.  568. 
5)  C.  Th.  6,  21,  1:  grammaticos  Graecos  Hdladium  d  Syrianum  .  .  .  placuit 

honorari  codicillis  comitivae  ordinis  pi'itni  .  .  .  ita  ut  eorum  qui  sunt  ex  vicariis 
dignitate  potiantur,  wo  der  in  der  Klasse  der  spectabües  stehende  Vicariat  den  Rang 
genauer  präcisirt.  Die  so  häufige  Verleihung  der  Comitiva  niederen  Grades  an 
ausscheidende  Subalterne  (z.  B.  Theod.  6,  27,  17)  ist  nicht  immer  mit  der  Ver- 
leihung eines  Titularamts  combinirt. 

29* 


452  Ostgothische  Studien. 

nicht  durch  ein  anderes  Amt,  sondern  aus  besonderem  Vertrauen 
in  den  Staatsrath  berufenen  als  consistoriani,  diejenigen  duces,  welche 
die  Comitiva  ersten  Grades  erhalten,  als  comites  rei  militaris.  — 
Zwischen  den  drei  Graden  der  Comitiva  und  den  eigentlichen  Rang- 
klassen besteht  ein  festes  Yerhältniss  nicht.  Wirkliche  und  Titular- 
beamte  der  ersten  Rangklasse  sind,  wenn  zugleich  comites,  immer 
comites  ersten  Grades.  Aber  unter  den  comites  ordinis  primi  gehören 
nicht  wenige  der  mit  fester  Competenz  ausgestatteten  in  die  Rang- 
klasse der  spectdbiles,  wie  die  comites  consistoriani  und  die  comites 
rei  militaris.  Bei  personaler  Yerleihung  der  comitiva  wird  neben 
dem  Grad  auch  wohl  der  Platz  in  der  Rangklasse  ausdrücklich  fest- 
gesetzt (S.  451  A.  5),  —  Wie  die  Rangklassen  hat  Theoderich  auch 
die  comitiva  ebenso  an  Römer  wie  an  Gothen  verliehen  und  die 
Ungleichheit  der  mit  der  comitiva  verbundenen  Rangklasse  beweist, 
dass  dieselbe  Ungleichheit  zwischen  seinen  gothischen  comites  be- 
standen hat  wie  zwischen  seinen  römischen^.  Wenn  es  unter  den 
für  uns  unbenannten  gothischen  Beamten  bestimmte  höher  gestellte 
Kategorien  gegeben  hat,  so  mag  er  mit  diesen  die  Comitiva  ersten 
Ranges  in  ähnlicher  Weise  verbunden  haben,  wie  dies  bei  den 
höheren  römischen  Aemtem  geschah;  es  kann  aber  auch  der  Titel 
für  den  Gothen  blos  persönliche  Auszeichnung  gewesen  sein.  Auf 
jeden  Fall  kann  die  römische  Bezeichnung  eines  bestimmten  gothi- 
schen Amtes  nur  derjenige  in  dem  comes  suchen,  der  den  technischen] 
Werth  der  römischen  Bezeichnung  ebenso  wenig  kennt  wie  Theo- 
derichs  Verhalten  zu  den  römischen  Titulaturen. 

512  vni. 

Die  Hofdienerschaft  und  das  Gefolge. 
Der  alte  Gegensatz  zwischen  den  amtlichen  Verrichtungen,  welch 
von  freigeborenen  Bürgern  geleistet  worden,  und  den  persönlich« 
Diensten  der  Sclaven  und  der  Freigelassenen  hat  in  der  letztep 
Phase  des  römischen  Staates  im  Laufe  der  monarchischen  Eni 
Wickelung  sich  mehr  und  mehr  verwischt  und  die  Beseitigung  jene 
Princips  gewissermassen  ihren  Abschluss  gefunden  durch  die  ii 
J.  422  von  Theodosius  II.  verfügte  Aufnahme  des  praepositus  saci 
cuhiculi  unter  die  Beamten  der  ersten  Rangklasse.  Wie  weit  Thec 
derich    in    dieser    Hinsicht    germanische    Einrichtungen    beibehalte 


1)  Die  S,  450  A.  6  angeführten  viri  illustres  und  spectabiles  heissen  gleic 
massig  comites.  Dass  ein  gothischer  comes  der  dritten  Klasse  sich  nicht  find« 
ist  wohl  nur  Zufall. 


IW'l'ki 


Ostgothische  Studien.  453 

oder  die  der  byzantinischen  Kaiser  angenommen  hat,  lässt  sich  nur 
in  geringem  Grade  ermitteln.  Dass  die  Ausschliessung  der  Gothen 
von  den  Civilämtern  sich  auf  die  Hof  bedienten  nicht  erstreckt,  ver- 
steht sich  von  selbst. 

Unter  der  Hofbedienung  nehmen  nach  der  damaligen  byzantini- 
schen Ordnung  den  ersten  Platz  die  cubicularii  ein,  deren  eben 
genannter  Vorsteher  dem  magister  officiorum  im  Rang  vorgeht. 
Theoderich  scheint  es  damit  ebenso  gehalten  zu  haben;  der  in  den 
Formeln  fehlende  praepositus  cuhiculi  am  ostgothischen  Hofe,  der 
Nationalität  nach  ein  Gothe,  ist  ein  einflussreicher  Beamter  ^  und  die 
cubicularii  auch  Theoderichs  sind  verschnitten 2.  Den  Primiceriat 
des  königlichen  cubiculum  fanden  wir  mit  der  comitiva  largitionum 
combinirt  (S.  400). 

Abgesehen  von  den  cuhic^darii  stand  nach  den  Ordnungen  des 
Ostreichs  die  gesammte  Hofdienerschaft,  so  weit  sie  nicht  als  Sub- 
alternbeamte von  dem  magister  officiorum  abhingen,  unter  dem  Yor- 
steher  des  kaiserlichen  Hauses,  dem  zur  zweiten  Rangklasse  ge- 
hörenden castrensis  sacri  palatii.  Unter  diesem  Namen  findet  dies 
alte  und  wichtige  Hofamt  bei  Cassiodor  sich  nicht;  aber  der  Titel  513 
\cura  jmlatii,  welchen  die  Notitia  geringeren  dem  Castrensis  unter- 
Igeordneten  Beamten,  wie  es  scheint  den  Hausmeistern  der  einzelnen 
Ikaiserlichen  Paläste  beilegt^,  ist  wahrscheinlich  wie  anderswo*  so 
iauch  bei  Cassiodor^  an  die  Stelle  der  eigentlich  officiellen  Titulatur 
\castrensis  sacri  palatii  getreten.  —  Ueber  die  einzelnen  Ministerialen 
erfahren  wir  so  viel  wie  nichts^.    —   Dass   der  Schwertträger    des 


1)  Anon.  Vales.  82:  agente  Trhvane  praeposito  eubieuU.  Derselbe  ist  wohl 
Trij/guilla  regiae  praepositus  domns  bei  Boethius  consol.  1,  4  (vgl.  Triggua  bei 
liunodius  n.  445  =  ep.  9,  21  [und  Triwila  saio  var.  3,  20]). 

2)  Ravenuatisehe  Inschrift  vom  J.  541  (C.  I.  L.  XI,  310):  vir  s(u)bl(imis)  Seda 
^gnucus  et  cubicularius  regis  Tlieoderid;  bei  Theoderichs  Tode  war  er  25  Jahr 
ilt.    Die  Titulatur  nöthigt  nicht  ihn  als  praepositus  zu  fassen  (vgl.  S.  455  A.  1). 

8)  Or.  17,  5.  Occ.  15,  6.  Verwendung  des  Wortes  in  gleicher  Bedeutung 
;anu  ich  sonst  nicht  nachweisen. 

4)  Ammian  22,  3,  7:  Saturninus  ex  cura  palatii.  C.  Th.  6,  13,  1.  11,  18,  1 
om  J.  409:  iion  viros  spectabiles  comites  archiatrortim ,  nmi  comites  stabuli,  cura 
mlatii.  Renatus  Frigeridus  bei  Gregorius  Turon.  h.  Fr.  2,  9 :  Aeiius  ex  comite 
lomesticorum  et  Johannes  cura  palatii.  Die  gleichbenannten  Beamten  der  eigent- 
ifh  byzantinischen  Epoche  sind  bekannt. 

5)  Var.  7,  5. 

6)  Es  findet  sich  ein  Florentinus  v(ir)  c(larissimus)  ex  p(rae)p(osit)o  pistoi'um 
1  der  ravennatischen  Urkunde  Marini  pap.  n.  121  v.  40.  64,  wonach  der  nicht 
ichere  Text  der  ravennatischen  Inschrift  C.  I.  L.  XI,  317  vom  J.  548:  Floi-entius 
ater  pistorum  regis   Theoderici  wohl  corrigirt  werden  muss.     Die  cursoi'es  und 


454  Ostgothische  Studien. 

Königs,  immer  ein  Gothe,  eine  hervorragende  Stelle  im  Gefolge  des 
Königs  einnimmt  ^,  kann  nur  auf  germanische  Ordnungen  zurückgehen. 
Der  spatharius  kommt  zwar  als  unfreier  Mann  früh  im  römischen 
Hauswesen  vor  2,  aber  unter  den  kaiserlichen  Officialen  erscheint  er 
nicht  ^  und  wo  wir  ihn  in  spätester  Zeit  im  Officium  der  hohen  römi- 
schen Offiziere  finden*,  dürfte  er  eher  von  den  germanischen  Feld- 
hauptleuten  entlehnt  sein.  —  Der  königliche  Leibarzt  begegnet  in 
ähnlicher  hoher  Rangstellung  wie  der  kaiserliche".  —  Diejenigen 
514  chartarii,  welche  nach  Cassiodor  von  ihrem  fribunus  dem  König  in 
Vorschlag  gebracht  werden^,  dürften  die  des  Castrensis  sein. 

Neben  dieser  im  Allgemeinen  wenigstens  nach  byzantinischem 
Muster  geordneten  Hofdienerschaft  umgiebt  den  König  ein  gothisches 
Gefolge.    Gefolgsleute  in  dem  Sinne,  wie  sie  Tacitus  schildert,  mögen 

die  dromonarii  gehören  nicht  hieher,  sondern   zu  den  Officialen   des  Präfecten 
oder  des  Magister. 

1)  Nach  lordanes  sind  Theudes,  der  Vicekönig  Theoderichs  in  Spanien 
(c.  58,  302  vgl.  Prokop  b.  Goth.  1,  12),  und  Vitiges,  der  Nachfolger  des  Theoda- 
hathus  (c.  60,  309)  königliche  spatharii.  Directive  über  das  Verhalten  des  gegen 
die  Franken  gesandten  Heeres  werden  an  den  Spatharius  Unigis  adressirt  (var. 
3,  43),  was  vielleicht  für  Vitiges  verschrieben  ist.  Riggo  Spatharius  des  Königs 
Totila  bei  Gregorius  dial.  2,  14. 

2)  Ein  unfreier  spatarius  aus  der  frühen  Kaiserzeit  C.  I.  L.  VI,  9043.  Ein 
anderer  in  der  Inschrift  von  Salona  Arch.  Epigr.  Mitth.  aus  Oesterreich  9,  14 
[C.  III  S.  n.  8759],    Auch  die  armigeri  (C.  VI,  9191)  sind  davon  kaum  verschieden.: 

3)  Nach  Lydus  de  mag.  2,  11.  3,  41  hat  Theodosius  I.  gesetzlich  festgestellt, 
dass  der  römische  Kaiser  nicht  ins  Feld  ziehen  dürfe;  und  vielleicht  ist  dies 
wahr.  Die  in  jeder  Hinsicht  vortreffliche  Rede,  in  welcher  Synesius  den  er- 
bärmlichen Arcadius  zu  militärischer  Haltung  und  militärischem  Umgang 
ermahnt,  spornt  ihn  mit  keinem  Wort  zu  der  Theilnahme  am  Krieg. 

4)  Der  S.  444  A.  1  angeführte  Erlass  des  Anastasius  nennt  unter  denj 
Officialen  des  dux  der  Pentapolis  nicht  eben  an  hoher  Stelle  den  spatharim.^ 
Emalac  spatarius  domni  patricii  Bilisarn  C.  I.  L.  VI .  9898.  Ueber  die  hier  ein- 
greifenden bewaffneten  Dienerschaften,  welche  in  dieser  Epoche  in  grossem j 
Umfang  auftreten,  werde  ich  anderswo  handeln  [vgl.  oben  S.  241  ff.]. 

5)  Var.  4,  41.  6,  19.     Vgl.  besonders  C.  Th.  6,  16.  11,  18,  1. 

6)  Chartarii  oder  chartularii  giebt  es  in  allen  Officien;  aber  in  der  Notitia 
wird  nur  Or.  17,  10.  Occ.  15,  11  unter  dem  Officium  des  castrensis  ein  chartulariu 
et  scrinium  ipsius  aufgeführt.  Diese  werden  also  zum  Hofpersonal  gehört  undl 
mehr  bedeutet  haben  als  die  übrigen  chartarii;  und  schon  darum  dürfte  Cassio-i 
dors  probatoria  chartariorum  7,  43  sich  auf  sie  beziehen,  zumal  da  das  Officiunl 
darin  mit  den  patrimonia  domus  divinae  zusammengestellt  wird.  Aber  es  isil 
auch  geradezu  ausgesprochen,  dass  die  vom  Castrensis  angestellten  Officialeil 
kaiserlicher  Bestätigung  bedürfen  (C.  Th.  6,  30, 12).  Der  tribunus  ist  ohne  Zweifel 
als  ein  dem  chartarius  der  Notitia  verliehenes  Ehrenprädicat  aufzufassen,  ähnlicll 
wie  bei  Ammian  31,  13,  18  zwei  tribuni  vacantes  erwähnt  werden,  quorum  oÄcJ 
stäbulum,  alter  curabat  palatium. 


Ostgüthische  Studien.  465 

in  demselben  enthalten  gewesen  sein;  aber  jedenfalls  geht  der  Ej-eis 
weit  darüber  hinaus.  "Wir  finden  an  seinem  Hofe  oder  auch  in 
seinem  Auftrag  vom  Hofe  entsendet  eine  Anzahl  angesehener  Gothen, 
zum  kleineren  Theil  mit  der  Comitiva  oder  einem  römischen  Rang- 
titel ausgestattet,  nicht  selten  mit  der  nicht  römisch  titularen,  aber 
den  Rangprädicaten  nachgeahmten  Ehrenbezeichnung  vir  sublimis^, 
häufig  ohne  jede  Titulatur,  aber  in  einigen  Fällen  und  selbst  in  offi- 
ciellen  Actenstücken  bezeichnet  mit  dem  nicht  römischen  Prädicat 
als  maiores  domus  regiae^,  welche  Benennung  nicht  einem  Einzelnen  515 
vorzugsweise  zukommt,  sondern,  wie  etwa  patricius  und  Senator,  einer 
Kategorie  ^.  Ihre  militärische  und  politische  Thätigkeit  lässt  sich 
bei  einzelnen  einigermassen  bestimmen.  Tuluin,  von  vornehmer 
gothischer  Abkunft,  kommt  noch  als  Knabe  an  den  Hof,  macht  dann 
herangewachsen  im    Jahre   504   die  Expedition    nach  Sirmium    mit, 

1)  Diese  Titulatur  erhalten  in  den  A.  2  angeführten  Actenstücken  Gudila 
und  Bedeulfus,  der  erstere  auch  in  dem  Fragment  einer  ravennatischen  Inschrift 
C.  I.  L.  XI,  268:  [Theoderico  fort]issimo  et  clementissi[ino  rege  iubente]  vir  subl(imis) 
Gudila  com.  .  .  .  [curajt&r  r(ei)  p(u)h(licae);  ebenso  Ibba,  der  Feldherr  Theoderichs 
in  der  Expedition  gegen  die  Franken  in  der  Adresse  var.  4,  17.  Indess  wird 
auch  dem  in  die  einzelne  Stadt  geschickten  gothischen  Beamten  derselbe 
Titel  beigelegt  (allgemein  var.  7,  3  [§  1] ;  dem  comes  Tancila,  der  bei  Cassiodor  var. 
2,  36  die  Spectabilität  hat  und  wahrscheinlich  der  comes  von  Comum  ist,  bei 
Ennodius  60  =  ep.  2,  33)  und  muss  er  also  ziemlich  so  weit  gereicht  haben 
wie  der  römische  comes.    Vgl.  S.  453  A.  2. 

2)  Schreiben  Theoderichs  an  die  römische  Synode  27.  Aug.  501  (Thiel  epist. 
pontif.  1  p.  672  [in  der  Mommsenschen  Ausgabe  des  Cassiodor  p.  420])  über- 
schrieben: praeceptio  regis  quarta  missa  ad  synhodum  per  maiorem  domus  regis; 
im  Text  (das.  p.  675  [ed.  Mommsen  p.  422]) :  Gudila  et  Bedeulfus  sublimes  viri 
(überliefert  ist  Gudilam  et  Bedeulfum  sublimes  viros),  maiores  domus  nostrae,  quos 
[rws  Mommsen  in  s.  Ausg.]  de  praesente  (=  vom  Hoflager)  misimus  cum  inl(ustri) 
v(iro)  eomßte)  Arigerno,  .  .  .  sax^ramenta  praestabunt.  Antwortschreiben  der  Synode 
(das.  p.  675  [ed.  Mommsen  p.  422]) :  praeceptis  ad  nos  moderatissimis  per  maiores 
domus  Gudilam  et  Bedeulfum  sublimes  mros  missis.  Acten  der  Synode  vom  23.  Oct. 
501  (das.  p.  662  [ed.  Mommsen  p.  429]):  ut  .  .  .  recentium  adhiic  vestigia  vulnerum 
illustris  vir  comes  Arigernus  et  sublimes  viri  Gudila  et  Bedeulfus  maiores  domus 
regiac  perspexissent.  Relation  der  Bischöfe  an  den  König  (das.  p.  676  [ed. 
Mommsen  p.  423]):  episcopos  cum  maiore  domus  vestrae  illustri  viro  Arigerno 
'lireximus.  Schreiben  des  Königs  an  die  Synode  (das.  p.  681  [ed.  Mommsen  p.  425]): 
:<i  roluerint  discutere  causam,  ut  securus  egrediatur,  Arigernus,  Gtidila  et  Bedeulfus 
sacramenta  ei  praestabunt.  Wie  man  sieht,  wird  dem  Arigernus,  da  er  comes 
und  vir  illustris  ist,  vorzugsweise  diese  römische  Titulatur  gegeben,  aber  den- 
noch zählt  auch  er  zu  den  maiores  domus.  —  Theodahathus  an  den  Senat  bei 
Cassiodor  var.  10,  18  [§  2]:  his  (den  zur  Vertheidigung  Roms  aufgebotenen  Trup- 
pen) praefecimus  maiofem  domus  nostrae  Vuaceenem. 

S)  Wenigstens  treten  in  den  Acten  der  Synode  von  501  drei  maiores  domus 
;t'  und  es  sieht  nicht  so  aus,  als  ob  sie  die  einzigen  seien. 


i 


456  Ostgothische  Studien. 

wird  zurückgekehrt  unter  den  maiores  domus  verwendet  ^  und  beräth 
den  König  in  militärischen  und  civilen  Sachen,  namentlich  auch  bei 
der  Ernennung  der  römischen  Beamten  ^,  betheiligt  sich  weiter  als 
Commandoführer  (^infer  diices)  sowohl  an  dem  ersten  Feldzug  gegen 
die  Franken  510  wie  an  einer  späteren  Expedition  nach  Gallien 
523/4  und  wird  endlich  nach  Theoderichs  Tode  von  Amalasuntha 
zum  patricius  praesenfaneus  und  damit  zum  Senator  ernannt  (S.  448). 
—  Dem  Arigernus,  der  'beinahe  ein  Römer'  ist^,  wird  geradezu  das 
Regiment  über  die  Stadt  Rom  anvertraut*;  in  dieser  Stellung  ist 
er  thätig  sowohl  bei  der  Schlichtung  des  Schisma  im  J.  501  wie  auch, 
nachdem  er  inzwischen  den  fränkischen  Krieg  mitgemacht  hat,  ein 
Decennium  später  während  der  Quästur  Cassiodors;  in  den  damals 
geschriebenen  Briefen  spielt  er  völlig  die  Rolle  des  Stadtpräfecten  ^. 
Ob  diesen  maiores  eine  Anzahl  jüngerer  in  der  königlichen  Haus- 
gemeinschaft sich  vorschulender  Adlicher  geordnet  zur  Seite  stand; 
516  ob  es  bestimmt  geschiedene  Klassen  innerhalb  des  gothischen  Ge- 
folges und  eine  feste  Hofstellung  für  dieselben  gegeben  hat'',  ist 
nicht  zu  erkennen.  Die  gothischen  maiores  domus  regiae  aber  füllen 
ungefähr  die  Stelle  aus,  welche  in  dem  eigentlichen  Kaiserregiment 
das    Consistorium    einnimmt.      König    Theoderich    legte    mancherlei 

1)  Nach  var.  8,  10  [§  5]  vertraut  Theoderich  dem  Tuluin  nach  dessen  Rückkehr 
aus  dem  Felde  sein  Haus  an :  rigwem  Uli  regiae  domus  virtutis  contemplatione  com- 
misit,  wo  offenbar  der  technische  Ausdruck  in  Cassiodors  Manier  umschrieben  wird. 

2)  Var.  8,  9.  10.  11,  besonders  10  [§  5] :  ut  quem  ingeniosum  bella  prohaveratit, 
fortissimi  regis  consiliis  misceretur  .  .  .  cum  ipso  proelia,  cum  ipso  negotiorum 
aequabilia  disponebat  und  in  Tuluins  eigenem  Brief  11  [§  3] :  saepe  consules, 
saepe  paMcios,  saepe  praefectos  hahita  intercessione  promovi. 

3)  Var.  4,  16  [§  1]:  civem  paene  restrum. 

4)  Var.  4,  16  [§  2]  an  den  Senat  bei  dem  Wiedereintritt  des  Arigernus  in 
seine  Stellung:  disciplinae  se  praefati  viri  Bomanus  ordo  restituat  ...  [§  3] 
pareatur  ergo  viro  mtiltis  temporihus  iam  pi'obato.  4,  23 :  quamvis  opoi'teat  commissam 
tibi  disciplinam  Eomanae  civitatis  in  Omnibus  custodiri. 

5)  Sehr  anschaulich  tritt  dies  hervor  in  den  königlichen  Schreiben  var. 
3,  36.  45.  4, 16.  22.  23.  43.  Er  wird  angewiesen  in  Rom  zu  führende  Processe 
zu  beaufsichtigen  oder  auch  vornehme  Römer  zu  veranlassen  sich  vor  dem  [j 
Königsgericht  in  Ravenna  zu  stellen;  bei  ihm  werden  die  Juden  von  der  römischen 
Kirche  wegen  entfremdeter  Grundstücke  verklagt  und  klagen  die  Juden  wegen 
erlittener  Vergewaltigung. 

6)  Was  Prokop  b.  Goth.  3,  1  von  dem  Gothenkönig  sagt:  dgiazcijvza  tov 
ßaoiksa  noXXovg  xe  älXovg  xal  xovg  doQv<p6Qovg  jiaQiotao&ai  vöfiog ,  gilt  ebenfalls 
von  jedem  römischen  höhern  Militär;  vgl.  bell.  Vand.  2,  28:  aQxövzcov  satt(ofx.sv(ov 
omo&Ev  sardvai  xovg  öoQVfpÖQovg  vö/zog.  Ob  Aetius  und  Belisar  ihr  Gefolge  nach 
dem  der  Barbarenkönige  geordnet  oder  diese  als  römische  Feldherren  sich  jene 
Generale  zum  Muster  genommen  haben,  ist  hier  zu  untersuchen  nicht  der  Ort; 
das  Ergebniss  ist  in  beiden  Fällen  dasselbe. 


Ostgothische  Studien.  457 

Angelegenheiten  den  Spitzen  seiner  Umgebung  zur  Erörterung  vor^ 
Dass  das  eigentliche  Consistorium,  indem  es  die  Gothen  ausschloss, 
für  diese  Thätigkeit  nicht  geeignet  war,  ist  schon  (S.  422)  ausein- 
andergesetzt worden.  Es  blieb  nichts  übrig  als  neben  dem  durch 
die  bestehende  Verfassung  gegebenen  formalen  Staatsrath  einen 
affectiven  von  der  Titulatur  absehenden  einzurichten,  in  welchem 
der  König  ohne  Rücksicht  auf  Qualification  fragte  und  beauftragte, 
wen  er  wollte  und  wie  er  wollte.  Es  können  an  diesen  Sitzungen, 
namentlich  wo  es  sich  um  nicht  militärische  Angelegenheiten  handelte, 
auch  Römer  theilgenommen  haben,  namentlich  die  am  Hof  anwesenden 
hohen  Beamten  und  allenfalls  die  comites  consistoriani;  vorwiegend 
waren  darin  ohne  Zweifel  die  Gothen.  Dass  wir  für  deren  derartige 
Functionen  eine  formulirte  Ordnung  nicht  zu  erkennen  vermögen,  ist 
schwerlich  Schuld  der  Ueberlieferung.  Der  Organisation  der  römi- 
schen Bureaukratie,  durch  welche  die  principiell  feststehende  kaiser- 
liche Vollgewalt  praktisch  begrenzt  war,  stand  in  dem  Staate  Theo- 
derichs das  aus  eben  jenem  Vollgewaltsbegriff  entwickelte  Belieben 
des  germanischen  Königs  ohne  gleichartige  formale  Beschränkung 
gegenüber. 

IX. 
Die  Gesetzgebung. 
Die  Gesetzgebung  ist  auch  nach  der  Trennung  des  Gesammt- 
reichs  ebenso  wie  das  Consulat  den  Theilen  gemeinschaftlich  ge- 
blieben. Wie  bei  diesem  neben  der  im  Rechtssinn  gemeinschaft- 
lichen Ernennung  die  von  Rechtswegen  getheilte  Publication  steht, 
konnte  auch  die  Mittheilung  des  neuen  Gesetzes  an  die  beikommen- 
iden  Oberbeamten,  welches  die  regelmässige  Form  aller  officiellen 
Publication  war,  nicht  anders  als  durch  die  eigene  Regierung  er- 
Ifolgen,   der  Kaiser  des  Ostens  seine  Verfügung  dem  Proconsul  von 

1)  In  den  Schreiben,  welche  Theoderich  in  Veranlassung  des  Schisma  an 

die  römische  Synode  richtet,  bemerkt  er  den  Bischöfen  mehrmals  (p.  678.  680 

Thiel  [Cassiodorus  var.  ed.  Mommsen  p.  424.  425]),  dass  er  mit  seinen  Berathern 

len  ärgerlichen  Handel  selber  hätte  schlichten  können,   es  aber  —  als  Arianer 

vorziehe  die  katholischen  Bischöfe  ihn   selber  erledigen   zu  lassen:  si  tws  de 

lesenti  (|von  ßavenna  aus)  ante  voluissemus  iudieare  negotium  [negotio  Mommsen 

II  s.  Ausg.],  habito  cum  proceribus  nostris  de  inquirenda  veritate  tractatu,  viam 

.  .  potuissemus  invenire  iustitiae  und  nachher:   causam,    quae   agitur ,  si   mihi 

<m  fuisset  aut  iustitiam  habuisset,  ut  ego  debuissem  audire  cum  procei'ibus  palatii 

II ti,  potueram   tractare    et   iudieare,    quomodo    et   deo   placuisset    et   posterüati 

ngratum  non  fuisset.    Die  Cassiodor  geläufige  Bezeichnung  proceres  schliesst  die 

lömer  wie   die  Gothen  ein;   vgl.  u.  A.  4,  3.  5,  6.  7.  8,  2.  15.  9,  7.  17.  21.  23.  24. 

)ahn  3,  36. 


517 


458  Ostgothische  Studien. 

Africa  unmittelbar  nicht  zur  Kenntnis»  bringen^.  Freilich  ist  das 
Institut  der  Publication  als  Bedingung  der  Rechtsgültigkeit  der 
gesetzlichen  Vorschrift  im  römischen  Staat  überhaupt  schwach  ent- 
wickelt; im  gerichtlichen  Verfahren  wurde  bei  den  kaiserlichen 
Erlassen  wohl  nach  der  Echtheit  gefragt,  aber  nicht  nach  der  ord- 
nungsmässigen  Publication.  Insofern  war  es  eine  Neuerung,  dass 
Theodosius  II.  im  J.  429  vorschrieb  die  aus  dem  anderen  Reichstheil 
herrührenden  Erlasse  nicht  anders  zur  Anwendung  zu  bringen  als 
nach  Uebersendung  derselben  und  Billigung  durch  die  eigene  Re- 
gierung 2,  welcher  das  Recht  solche  Erlasse  zu  modificiren  oder  zu' 
unterdrücken  ausdrücklich  gewahrt  ward  3.  Es  sind  in  Gemässheit' 
dieser  Anordnungen  die  von  den  oströmischen  Herrschern  Theodosius 
und  Marcianus  und  selbst  noch  die  von  Leo  468  erlassenen  Yerordnungenr 
nach  Rom  gesandt  und  dort  veröffentlicht  worden.  Occidentalische? 
Verordnungen  aber  scheinen  in  dieser  Periode  nicht  nach  Con-- 
518  stantinopel  geschickt  und  also  dort  auch  keine  publicirt  zu  sein*;  der 
Verfall  der  administrativen  Ordnung  macht  wie  bei  dem  Consulat  so 
auch  bei  der  Gesetzgebung  früher  im  Westen  sich  geltend  als  im  Osten. 
Dass  in  Italien,  nachdem  dort  das  Regiment  deutscher  Heer- 
fürsten an  die  Stelle  desjenigen  der  Kaiser  des  Westens  getreten 
war,  die  bis  dahin  von  den  Kaisern  des  Ostens  wie  des  Westens 
erlassenen  Gesetze  in  Kraft  blieben,  versteht  sich  von  selbst  und 
gilt  in  gleicher  Weise  auch  für  die  ehemals  zum  Reiche  gehörigen, 
aber  damals  bereits  vollständig  davon  abgelösten  Staaten.  Es  bleibt 
zu  untersuchen  einmal,  ob  die  zu  Odovacars  und  Theoderichs  Zeit 
ergangenen  oströmischen  Gesetze  auch  auf  Italien  Anwendung  ge- 
funden haben,    zweitens    ob    bei    der    Handhabung   der    Legislative 

1)  Diocletian  freilich  rescribirte   an  den  Proconsul  von  Africa  (meine  Ab- 
handlung über  die  Zeitfolge  der  Constitutionen  Diocletians  in  den  Schriften  der 
Berliner  Akademie  1860  S.  418  [Ges.  Sehr.  2  S.  264] ;  P.  Krüger  Gesch.  der  Rechts- 1 
quellen  S.  283) ;  aber  aus  späterer  Zeit  findet  sich  nichts  Aehnliches.  | 

2)  C.  Th.  1,  1,  5:  in  futurum  si  quid  promulgari  placuerit,  ita  in  . . .  parte  alia  | 
valebit  imperii ,  ut  non  fide  dubia  nee  privata  adsertione  nitatur,  sed  ex  qua  parte 
fuerit  constitutum,  cum  saeris  transmittatur  affatibus  in  alterius  quoque  recipiendum : 
scriniis  et  cum  edictorum  sollemnitate  vulgandum.     Wiederholt  nov.  Theod.  1,  5. 

3)  A.  a.  0.:  missum  enim  suscipi  et  indubitanter  obtinere  conveniet,  emendanc^^ 
vel  revocandi  potestate  nostrae  clementiae  reservata. 

4)  Darauf,  dass  die  Gesetzsammlungen  des  Orients  vom  J.  438  ab  keine 
occidentalischen  Erlass  aufweisen,  hat  P.  Krüger  a.  a.  0.  S.  292  aufmerksam! 
gemacht.  Es  kann  sich  dies  nur  daraus  erklären,  dass  einerseits  nach  dem  ebeDl 
angeführten  in  diesem  Jahre  ergangenen  Gesetz  in  den  Gerichten  des  Ostreichij 
ein  nicht  daselbst  republicirter  occidentalischer  Erlass  nicht  berücksichtigt  werdeij 
durfte,  andererseits  die  von  Theodosius  angeordnete  Uebersendung  im  Westreicll 
unterblieb. 


Ostgothische  Studien.  459 

durch   die  Könige   des  Westens   sich  Rücksichtnahme   auf  das  Ost- 
reich zeigt. 

Dass  ein  von  der  constantinopolitanischen  Regierung  in  dieser 
Epoche  erlassenes  Gesetz  in  Italien  publicirt  worden  ist,  lässt  sich 
nicht  nachweisen,  und  wie,  vielleicht  mehr  durch  Nachlässigkeit  als 
im  Wege  der  Opposition,  die  im  Osten  creirten  Consuln  zur  regel- 
mässigen Publication  im  Westen  nicht  mehr  gelangten,  mag  man 
auch  die  neuen  Verordnungen  des  Ostens,  wenn  man  sie  überhaupt 
erhielt,  dort  ignorirt  haben.  Daher  bestehen  in  dieser  Epoche  die 
wesentlichsten  Verschiedenheiten  zwischen  den  Ordnungen  des  Ostens 
und  des  Westens.  Vor  allem  in  dem  Abgabensystem  ist  die  schwere 
Besteuerung  des  Handelsverkehrs  durch  die  Auflage  des  Vierund- 
zwanzigstels von  jeder  Kaufsumme,  welche  im  Westreich  während 
der  Agonie  desselben  eingeführt  wurde,  auf  das  Ostreich  nicht  er- 
streckt worden  1,  ebenso  die  Beseitigung  der  Monopolien  durch  Leo 
und  des  Chrysargyrum  durch  Anastasius  auf  das  Ostreich  beschränkt 
geblieben,  so  dass  dessen  finanzielle  Lage  verglichen  mit  derjenigen 
des  Occidents  eine  erträglichere  gewesen  sein  muss.  Aber  dass  die 
GHeichsetzung  staatlicher  Einrichtungen  in  den  beiden  Reichshälften 
sich  auf  die  neu  hinzutretenden  erstrecken  sollte,  beweist  die  erst 
unter  Anastasius  eingerichtete  und  im  Westen  wie  im  Osten  wenig- 
stens gleich  benannte  comitiva  patrimonü  (S.  401). 

Es  bleibt  zu  untersuchen,  in  welchem  Umfang  die  germanischen  519 
Könige  die  Legislative  in  Anspruch  genommen  haben.  Dass  von 
jder  Mittheilung  ihrer  Erlasse  an  die  Herrscher  des  Ostens  keine 
jSpur  begegnet  und  dass  in  den  oströmischen  Rechtssammlungen 
dergleichen  nicht  anzutreffen  sind,  beweist  nicht,  dass  nach  byzan- 
jtinischer  Auffassung  Odovacar  und  Theoderich  das  Recht  Gesetze 
zu  erlassen  gefehlt  hat;  es  kann  dies  nichts  sein  als  die  Fortsetzung 
jdes  schon  früher  nachweisbaren  negativen  Verhaltens  der  West- 
regierung. Aber  bei  Prokopius  erklären  die  Vertreter  der  Gothen 
bei  der  Rechtfertigung  ihres  Verhaltens  gegen  Byzanz  dem  Belisar, 
dass  keiner  der  gothischen  Könige  jemals  ein  Gesetz  erlassen  habe  2; 
aach   diesem  Zeugniss    eines  unparteiischen  Zeitgenossen^  ist   auch 

1)  Die  am  Schluss  der  Novellen  Theodosius  II.  stehende  herrenlose  Ver- 
ordnung gehört  sicher  dem  Westen  [sie  steht  jetzt  unter  Valentinians  III.  Novellen 
h.  XV,  in  Paul  Meyers  Ausgabe  S.  99]. 

2)  Bell.  Goth.  2,  6:  &EvdsQixov  fisv  fj  aXXov  otovovv  dtads^afisvov  x6  Föf&cov 
kgäro?  vöfxo?  xb  Jiagdjtav  ovöslg  ovx  iv  YQdfJ-iuaaiv,  ovx  äyQaqpo?  iori. 

3)  Prokopius  steht  nicht  in  derjenigen  Achtung,  auf  die  er  gerechten 
Anspruch  hat.  Sprachlich  und  litterarisch  wird  ihn  niemand  vertheidigen  wollen; 
liber  er  war  wie  wenige  in  der  Lage  wahrhaft  zu  berichten,   und   er  hat  dies 


460  Ostgothische  Studien. 

vom  gothischen  Standpunkt  aus  die  Reichsgesetzgebung  als  Präro- 
gative der  Kaisergewalt  aufgefasst  worden. 

Eben  dahin  führt  die  Betrachtung  des  gothischen  Regiments 
sowohl  von  der  formellen  wie  von  der  materiellen  Seite.  Die  tradi- 
tionelle Auffassung  des  grossen  Gotheufürsten  als  des  Begründers 
einer  neuen  germanisch-römischen  Staatsordnung  stimmt  damit  freilich 
nicht.  Man  kann  es  Gibbon  verzeihen,  dass  er  jenen  Ausspruch  auf 
die  Gesetzgebung  in  gothischer  Sprache  beschränkt  wissen  wollte; 
die  bessere  Einsicht  in  die  Verhältnisse  hat  Theoderichs  Festhalten 
an  dem  einigen  römischen  Reiche  längst  anerkannt^.  Aber  dass 
dieser  Germanenfürst  hierin  radical  von  den  übrigen  sich  unter- 
scheidet, dürfte  in  vollem  Umfange  noch  nicht  zur  Geltung  gelangt  sein. 
Von  formaler  Seite  wird  vor  allen  Dingen  bei  der  Gesetzgebung 
520  auf  den  Gebrauch  des  "Wortes  lex  Gewicht  zu  legen  sein  2.  Für 
diese  Epoche,  in  der  die  Gesetzgebung  principiell  dem  Kaiser  zustand, 
ist  die  Verwendung  jenes  sacrosancten  Wortes  ein  kaiserliches 
Reservatrecht;  niemals  wird  die  von  einer  anderen  Stelle  ausgehende 
Verfügung  mit  demselben  bezeichnet.  Dies  gilt  aber  von  sämmt- 
lichen  Erlassen  Theoderichs.  Me  findet  sich  dafür  lex  edictalis  oder 
eine  gleichwerthige  Bezeichnung^;    sie  nennen  sich  ohne  Ausnahme 

gethan,  so  weit  dies  von  zeitgenössischer  Geschichtschreibung  unter  einem  in 
jeder  Beziehung  erbärmlichen  Regiment  billiger  Weise  gefordert  werden  kann. 
Der  postume  Nachtrag,  den  ihm  abzusprechen  thöricht  ist,  verstösst  allerdings 
in  der  Wiedergäbe  des  Hofklatsches  arg  gegen  die  Würde  der  Geschichte  und 
den  guten  Geschmack;  aber  Wahrhaftigkeit,  so  weit  sie  in  solchen  Dingen 
überhaupt  möglich  ist,  herrscht  auch  in  ihm  und  bestätigt  er  lediglich  in  weiterer 
Ausführung  und  in  Anwendung  auf  die  innere  Verwaltung  dasjenige  vernichtende 
ürtheil  über  das  damalige  Missregiment,  welches  die  vom  Verfasser  heraus- 
gegebenen Schriften  nicht  aussprechen,  aber  ergeben. 

1)  ßrunner  Rechtsgeschichte  1,  52.  53  [2.  Aufl.  1  S.  66  f.]  bezeichnet  zu- 
treffend als  das  politische  Princip  Theoderichs  die  Festhaltung  der  Reichseinheit 
und  weist  dafür  namentlich  hin  auf  die  vom  Kaiser  Anastasius  erbetene  Aner- 
kennung des  von  dem  König  ernaimten  Consuls. 

2)  Gaudenzi  {Fopera  di  Cassiodoro  p.  73  fg.)  hat  mit  Recht  darauf  hinge- 
wiesen, dass  die  ostgothischen  Anordnungen  niemals  als  leges  auftreten,  sondern 
als  edicta,  und  dass  diesen  Königen  die  legislative  Gewalt  mangelt. 

3)  Die  dem  Schreiben  Theoderichs  an  den  Senat  Pervenit  ad  nos  (MG.  LL. 
5,  169  [jetzt  in  Mommsens  Ausgabe  der  Variae  Cassiodors  S.  392])  vorgesetzte 
Ueberschrift  incipit  praeceptum,  immo  lex  data  a  gloriosissimo  rege  Theoderieo  be- 
weist  nur,  dass  der  Abschreiber  an  dem  echten  praeceptum  Anstoss  nahm. 
Die  in  einem  Erlass  Odovacars  (Thiel  ep.  pontif.  1  p.  686)  vorkommenden  Worte: 
omnia  quae  ad  fiduri  antistitis  electionem  respiciunt  religiosa  moderatione  servemiM 
Jianc  legem  specialiter  praeferentes  quam  nobis  heredibusque  nostris  Christianafi 
mentes  devotione  sancimus  brauchen  lex  in  dem  Sinn,  wie  es  auch  jeder  Private 

verwenden  kann.  i'' 

f. 


i 


Ostgothische  Studien.  461 


edictum^.  Aber  ein  edictum  kann  jeder  Beamte  erlassen;  nach  der 
rein  formalen  Seite  hin  bestätigen  also  die  Urkimden  die  Aeusserung 
Prokops.  Den  principiellen  Gegensatz  des  theodericianischen  Regi- 
ments zu  dem  der  vom  Ostreich  unabhängigen  Staaten,  selbst  des 
gleichzeitigen  und  ihm  am  nächsten  stehenden  burgundischen,  be- 
zeichnen, gegenüber  den  ostgothischen  Edicten,  des  Königs  Gundo- 
bad  mansurae  in  aevum  leges. 

Wenn  sich  der  Gegensatz  zwischen  dem  den  Osten  regierenden 
Kaiser  und  dem  Italien  verwaltenden  König  darauf  beschränkt  hätte, 
dass  der  letztere  seine  Anordnungen  nicht  mit  der  Benennung  lex 
versehen  durfte,  so  wäre  dies  zwar  nicht  gleichgültig,  da  in  politischen 
Fragen  auch  die  Formalien  eine  reale  Bedeutung  haben,  aber  aller- 
dings von  untergeordnetem  Belang.  Unzweifelhaft  nun  hat  Theode- 
rich Gesetze  erlassen,  wenn  man  das  Gesetz  fasst  als  die  generelle 
Verfügung  im  Gegensatz  zu  der  auf  der  gleichen  Machtvollkommen- 
heit ruhenden  Anordnung  für  den  einzelnen  Fall 2.  Bestimmungen 
wie  die,  dass  alle  für  öffentliche  Bauten  brauchbaren  unverwendeten  52J 
"Werksteine  dem  Eigenthümer  genommen  werden  können  ^  oder  dass 
gewisse  Vergehen  mit  bestimmten  Strafen  geahndet  werden  sollen*, 

})  Es  ist  überflüssig  Belege  dafür  anzuführen,  dass  edictum  oder  edictale 
progi'amma  die  technische  Bezeichnung  für  die  Legislative  des  Gothenkönigs  ist. 
Aber  auch  die  an  einzelne  Beamte  adressirten  Schreiben  werden  oft  in  gleicher 
Weise  bekannt  gemacht  worden  sein;  in  dem  Erlass  an  die  Bewohner  der  Provinz 
Savia  5,  15  [§  3]  bezieht  sich  der  König  auf  das  zugleich  an  den  dorthin  gesandten 
Steuerrevisor  gerichtete  und  zu  publicirende  Schreiben  5,  14  {oracula  nostra  .  .  . 
vulgata  declarabunt)  und  die  anteriora  edicta  5,  5  [§  4]  scheinen  nichts  zu  sein  als 
der  an  einen  Saio  gerichtete  Erlass  4,  47. 

2)  Anders  kann  der  Begriff  nach  der  Verordnung  Theodosius  IL  cod.  lust. 
1,  14,  3  und  überhaupt  der  Ueberlieferung  nicht  aufgefasst  werden.  Die  als 
allgemein  anwendbar  vom  Kaiser  hingestellte  "Verfügung  ist  lex  generalis  oder 
lex  schlechtweg;  die  im  Senat  verlesene  oder  durch  kaiserliches  Edict  dem 
Publicum  mitgetheilte  Anordnung  fällt  nur  darum  nothwendig  unter  diesen 
Begriff,  weil  aus  beiden  Mittheilungsformen  diese  Absicht  hervorgeht.  Für  die 
personale  und  die  trausitorische  kaiserliche  Verfügung  giebt  es  einen  technischen 
Ausdruck  nicht,  wenn  nicht  etwa  die  pragmatica  sanetio  in  diesem  Sinne  zu 
fassen  ist.  Für  diese  Auffassung  spricht  insbesondere,  dass  lustinian,  indem  er 
nov.  113  die  Processe  nach  den  allgemeinen  Gesetzen  und  nicht  nach  den  kaiser- 
lichen Einzelentschliessungen  entschieden  wissen  will,  an  die  Spitze  der  letzteren 
den  ysvixol  vöfioi  entgegengesetzten  den  ngayfiarixog  xvnog  stellt.  Dass  im  Sprach- 
gebrauch wie  sachlich  beide  Kategorien  in  einander  laufen,  ist  freilich  unleugbar. 

3)  Var.  1,  28:  universis  Gothis  et  Romanis. 

4)  Var.  9,  2  [§  2] :  edictali  programmate  definimtis,  ut  si  quis  versatus  fuerit  in 
iniuria  .  .  .  curialis  vel  aliquid  ei  pi'aeterquam  iussum  fuerit  a  nobis  vel  ab  auiicis 
quorum  interest  potestatibus  imponere  fortasse  praesumpserit,  axit  decem  librarum 
auri  dispendio  feriatur  .  .  .  aut  .  .  .  per  fustuaria  supplicia  laeeretur. 


4(32  Ostgothische  Studien. 

würden,  von  einem  Kaiser  erlassen,  zweifellos  als  Gesetze  betrachtet 
worden  sein,  wie  sie  denn  auch  ausdrücklich  eäicta  generalia  genannt 
werden^.  Auch  in  der  Geltungszeit  besteht  kein  Unterschied.  Der 
für  die  republikanische  Epoche  und  noch  für  die  des  Principats 
massgebende  Gegensatz  des  ohne  Zeitgrenze  erlassenen  Gesetzes 
und  der  auf  die  Amtsdauer  des  Magistrats  erlassenen  Verordnung 
ist  dieser  Epoche  überhaupt  fremd;  die  königlichen  Edicte  werden 
wie  die  Kaisergesetze  auf  alle  Zeit  erlassen  ^  und  diejenigen  Theo- 
derichs gelten  von  Rechtswegen  auch  unter  seinen  Nachfolgern^. 
Unbedenklich  also  kann  dem  Reichsverweser  des  Westens  in  diesem 
Sinn  die  Legislative  beigelegt  werden.  Aber  keineswegs  ist  die 
königliche  Legislative  qualitativ  der  kaiserlichen  gleich.  Freilich 
wird  die  principielle  Grundlage  der  Staatsordnung  dieser  Zeit,  der 
Satz,  dass  der  Kaiser  über  dem  Gesetz  steht  und  seine  Willens- 
meinung, generell  geäussert  schlechthin,  speciell  ausgesprochen  für 
den  einzelnen  Fall  massgebend  ist,  bei  Cassiodor  auch  auf  den  König 
522  bezogen*.  Aber  es  verhält  sich  damit  wie  mit  dem  Augustustitel, 
den  ihm  einer  seiner  Grossen  beilegt^,  während  er  selbst  der  Be- 
zeichnungen Kaiser  und  kaiserlich   {sacer^)  sich   enthält.     Praktisch 

1)  Var.  9,  18:  provide  decrevit  antiquitas  universitatem  edictis  generalibus  ad- 
moneri.  Mit  diesen  Worten  leitet  Athalarich  sein  bekanntes  grösseres  Edict 
ein.  von  dem  er  in  dem  Begleitschreiben  an  den  Senat  [9,  19]  sagt:  necessaria  quae- 
dam  Eomanae  quieti  edietali  pi'ogrammate  duodecim  capitihus,  sieut  ius  civile  legüm 
institutum,  in  aevum  servanda  conscripsimus. 

2)  in  aevum  servanda  (A.  1). 

3)  Var.  9,  14  [§  6] :  edicta  gloriosi  domni  avi  nostri  vel  universa  praecepta  qtme 
ad  Siciliam  pro  commonendis  universorum  morihus  destinavit  .  .  .  volumus  .  .  .  custo-. 
diri.     Aehnlich  9,  19  a.  E. 

4)  Var.  6,  4  [§  2] :   (leges)  ah  ipsis  (den  Senatoren)  sciuntur  posse  [die  Mehr- 
zahl der  Hs.  potuisse]  constitui:  quae  res  pro  paiie  nobis  absolute  communis  est, 
sed  hac  sola  ratione  disereti  (besser  disci'etis),  quod  alteri  subdi  non  possumus,  qui 
iudices  nos  habemus.    Ebenso  8,  13  [§  7]  an  den  Quästor:  vox  legum  diceris,  dum 
nos  iwa  condamus.  10,  4  [§  4]  schreibt  Theodahathus :  non  duhitaint  (Amalasuntha' 
par entern,  prius  iuri  publico  suhdere,  qv^em  paulo  post  voluit  ipsis  quoque  legibui 
anteferri  [die  Hs.  antefe^-re].   Schroffer  ist  die  souveräne  Gewalt  von  Gottes  Gnader 
wohl  nie  formulirt  worden  als  von  diesem  Rhetor:  potestati  nostrae,  heisst  es 
1,  12  [§  1],   subiaceat  omne  quod  volumus,  anderswo  (10,  16  [§  1]):  cum  deo  prae 
stante  possimus  omnia,   sola  nöbis  credimus  licere  laudanda.    Auch  das  logischi      ^. 
CoroUar  dieser  Omnipotenz,  das  Eigenthumsrecht  an  allem  innerhalb  der  Reichs 
grenzen  befindlichen  Gut  wird  nicht  vermisst  (10,  5  [§  2] :  domum  exceptam  non  habe 
princeps,   sed  quicquid  divino   auxilio  regimus  nostrum  proprie   confitemur),    uni 
servire  oder  famulari  als  Bezeichnung  der  öffentlichen  Thätigkeit  giebt  dazu  dij 
geeignete  Ergänzung.  5)  C.  I.  L.  X,  6850  [=  Dessau  827].  i 

6)  Dahn  3,  236  behauptet  das  Gegen theil;  und  es  finden  sich  allerding! 
einige  entgegenstehende  Stellen  im  Edict  (c.  55:  sacer  cognitor)  wie  bei  Cassiodcj 


'.   t 


Ostgothische  Studien.  463 

hat  er  das  Kaiserrecht  der  Gesetzgebung  sich  ebensowenig  ange- 
eignet wie  das  kaiserliche  Münzrecht;  seine  Legislative  ist  die  der 
hohen  Beamten,  welchen  allen  und  insbesondere  dem  ]yrci,efectus 
praetorio  in  dieser  Zeit  sowohl  in  der  Theorie  ^  wie  in  zahlreichen 
praktischen  Anwendungen  ^  eine  eigene,  aber  der  kaiserlichen  nicht 
gleichstehende  legislative  Befugniss  beigelegt  wird.  Es  mag  ein-  523 
geräumt  werden,  dass  zwischen  der  kaiserlichen  und  der  magistrati- 
schen Legislative  eine  qualitative  Verschiedenheit  mit  begrifflicher 
Schärfe  nicht  gefunden  werden  kann ;  wenn  dem  praefecttis  praetorio 
die  Erlassung  einer  forma  generalis  insoweit  eingeräumt  wird,  als 
diese  den  bestehenden  gesetzlichen  Vorschriften  nicht  zuwiderläuft 
(A.  1),  so  ist  ein  an  den  geltenden  Ordnungen  nichts  änderndes 
Gesetz  streng  genommen  ein  Widerspruch  im  Beisatz.  Aber  praktisch 
ist  der  Gegensatz  ebenso  bedeutend  wie  zweifellos.  Der  Beamte 
kann  mit  seinen  edicta  generalia  oder  formae  generales  die  bestehenden 
Ordnungen    wohl    in    untergeordneten    Punkten    verschärfend    oder 

{sacrae  largüiones  häufig;  Sacra  vestis  1,  2  [§  1].  6,  7  [§  6] ;  sacrum  cubiailum  8,  10 
[§  3];  comitatus  sacratissimus  8,  32  [§  1]),  ja  in  einer  Grabschrift  vom  J.  519  (Rossi 
n.  968  [C.  I.  L.  VI,  32003])  ex  silentiario  sacri  palatii.  Aber  es  sind  dies  meistens 
«tändige  Formeln  und  die  ausserordentliche  Seltenheit  des  der  späteren  Kaiser- 
terminologie so  geläufigen  Wortes  in  Beziehung  auf  den  König  bei  einem 
■Schriftsteller  wie  Cassiodor  lehrt  darum  nicht  weniger  deutlich,  dass  der  officielle 
Sprachgebrauch  der  germanischen  Könige  es  ausschloss.  Charakteristischer  Weise 
wird  es  mehr  von  Athalarich  gefunden  als  von  Theoderich,  eben  wie  auf  den 
Münzen  nur  jener  dominus  noster  genannt  wird. 

1)  Schon  Alexander  rescribirt  cod.  lust.  1,  26,  2:  fwmam  a  praefecto  praetorio 
(latam,  etsi  generalis  sit,  minime  legibus  vel  constitutionibus  contrariam,  si  nihil 
jiostea  ex  auctoritate  mea  innovatum  est,  servari  aequum  est.     Es  ist  hier  deutlich 

-agt,  dass   eine  solche  forma  auch  nach  dem  Rücktritt  des  erlassenden  Prä- 

<  ten  und  überhaupt,  wie  das  Gesetz,  bis  zur  Wiederaufhebung  in  Kraft  bleibt. 

Wenn  Cassiodor  var.  6,  3  [§  3]  von  dem  praefectus  praetoiio  sagt:  paene  est,  ut 

'''•'/es  possit  condere,  quando  .  .  .  sine  appellatione  potest  negotia  terminare,  so  wird 

■r  ganz  richtig  die  Inappellabilität  der  von  ihm  im  einzelnen  Fall  erlassenen 

Kntscheidung   und  das  Recht  generelle   Edicte  zu  erlassen  mit  der  MachtvoU- 

!  kommenheit  des  Kaisers  in  Parallele  gestellt. 

2)  So  droht  ein  Stadtpräfect  (C.  I.  L.  VI,  1711)   den  Müllern:   deprehensus 
multae   subiaceat   et  fustiario  supplicio  noverit  se  esse  subdendum.     Cassiodor 

lilsst  als  pr.  pr.  nicht  blos  für  Kaufund  Verkauf  Maximaltarife  (var.  11,  11.  12), 
ndern  setzt  auch  auf  deren  Uebertretung  Geld-  oder  Leibesstrafe  [11,  11,  2]:  si 
(S  vendentium  rwn  servaverit  quae  praesentis  edicti  tenor  eloquitur,  per  singulos 
■essus  sex  solidorum  multam  a  se  noverit  exigendam  et  fustuario  jjosse  subiacei'e 
l'plicio.  Ebenso  heisst  es  12,  13  [§  3]  in  Betreff  der  Subalternen,  welche  die  Kirchen 
traudiren:  edictali  programmate  definimus,  ut  qui  in  hac  fuerit  ulterius  fraude 
rsatus,  et  militia  careat  et  compendium  propriae  facultatis  aviittat  und  ruft  er  12,  1 
;  4]  seinem  Bureau  zu :  edicta  nostra  tu  primus  observa. 


464  Ostgothische  Studien. 

mildernd  modificiren,  nicht  aber  eigentlich  neue  Institutionen  schaffen. 
Wie  die  Quasi-Legislative  der  praefecti  praetorio  durchaus  in  dieser 
Beschränkung  gehandhabt  worden  ist,  so  haben  auch  die  germanischen 
Könige  Italiens  sich  in  dieser  Hinsicht  in  den  Grenzen  gehalten,  in 
welchen  die  Legislative  dem  hohen  römischen  Beamten  von  Rechts- 
wegen zukommt.  Man  braucht  dafür  nur  die  königlichen  von  Cassio- 
dor  concipirten  Erlasse  mit  denen  Cassiodors  als  praefectus  praetorio 
(S.  463  A.  2)  zu  vergleichen;  das  Uebergreifen  in  die  Legislative  ist 
diesen  wie  jenen  ebenso  gemein  wie  die  Beschränkung  desselben 
auf  eine  frei  schaltende  Executive. 

Nichts  tritt  überhaupt  in  Theoderichs  Regiment  deutlicher  hervor 
als  die  Tendenz  die  bestehenden  Ordnungen  zu  conserviren  und  der 
Neuerungen  sich  zu  enthalten.  Bei  seinem  Erscheinen  in  Rom  gelobt 
er  öffentlich  das  geltende  Kaiserrecht  unverbrüchlich  zu  halten^. 
Dasselbe  hebt  Prokopius  an  zwei  Stellen  von  ihm  hervor  2.  Aehnliche 
Wendungen  sind  Cassiodor  geläufig^.  Als  Einschärfung  der  be- 
stehenden Yorschriften  und  Bestärkung  derselben  durch  die  etwa 
angeordneten  Modificationen  kündigen  die  königlichen  Erlasse  regel- 
524  massig  sich  an  und  vor  allem  thut  dies  das  dem  Gesetzbuch  sich 
nähernde  selbständige  Edict  Theoderichs*  sowie  eine  einigermassen 
ähnliche  zusammenfassende  Verordnung  seines  Nachfolgers^.  Auch 
halten  sie  durchgängig  was   sie  versprechen:    zum  weitaus  grössten 


1)  Anon.  Vales.  66 :  ad  Palmam  populum  adlocutus  se  omnia  deo  iuvante  quod 
retro  p^'incipes  JRotnani  ordinaverunt  imnolabiliter  servaturum  promittit.  Der  Eid, 
den  Athalarich  bei  Antritt  der  Regierung  in  Rom  leisten  Hess  (var.  8,  2.  3), 
erstreckt  sich  auch  hierauf  {var.  9,  18  a.  E.). 

2)  Bell.  Goth.  1,  1 :  rovg  vöjuovs  ev  tö)  ßeßaioi  Sisocöoaxo.  2,  6  erklären  die  Ver- 
treter der  Gothen  dem  Belisar :  JiagaXaßövzeg  ztjv  xfjg  'ItaXiag  aQxrjv  rovg  xe  vo/nove 
xal  rrjv  nohreiav  öiEOCooäfie&a  twv  7iw:!zots  ßeßaadsvxörcov  ovSsvog  ■^aoov. 

3)  Var.  11,  8  [§  1] :  priscorum  mos  fuit  nova  iura  decernere,  ut  succedenti  popula\ 
aliquid  quod  omissum  videbatur  adiungerent ;  nunc  autem  sufficiens  satis  conscientiais 
veterum  decreta  servare.  3,  43  [§  1] :  delectamur  iure  Romano  vivere  quos  armis 
cupimus  vindicare.  4,  22  [§3]:  nos  qui  nescimus  a  legibus  discrepare.  Aehnliches 
oft  (Dahn  2,  129).  Beachtenswerth  ist  auch,  dass  Kaiser  Anastasius  den  König 
oft  ermahnte  leges  principum  amplecti  (1,  1  [§  3]). 

4)  Dasselbe  enthält  nach  dem  Epilog  quae  ex  novellis  legibus  ac  veterii 
iuris  sanctimonia  collegimus;  es  wird  dem  Prolog  zufolge  erlassen  salva  iwii 
publici  reverentia  et  legibus  omnibus  cunctorum  devotione  servandis. 

5)  Var.  9,  18  [§  12] :  sed  ne  pauca  tangentes  reliqua  credamur  noluisse  sern 
omnia  edida  tarn  nostra  quam  domni  avi  nostri  .  .  .  et  usualia  iura  pubh 
.  .  .  censemus  .  . .  custodiri  .  .  .  quid  per  multa  discurrimus?  legum  usualis  regithl 
et  praeceptorum  nostrorum  probitas  ubique  servetur.  Begleitschreiben  dazu  9, 1! 
[§  2]:  quae  custodita  residuum  ius  non  debilitare,  sed  potius  corroborare  videantw 


Ostgothische  Studien.  465 

Theil  können  noch  wir  die  einzelnen  Sätze  dieser  Erlasse  in  den 
uns  vorliegenden  älteren  römischen  Rechtsquellen  nachweisen,  und 
wo  Neuerungen  hinzutreten,  tragen  dieselben  einen  dem  bestehenden 
Recht  homogenen  Charakter^. 

Somit  hat  König  Theoderich  nebst  seinen  Nachfolgern  und 
ebenso  vor  ihm  König  Odovacar  das  formale  Recht  eine  lex  zu 
erlassen  überhaupt  nicht  in  Anspi-uch  genommen,  sondern  dies  als 
Reservatrecht  des  Reichsherrschers  anerkannt,  das  Recht  aber  gene- 
relle und  dauernde  Verordnungen  zu  erlassen  allerdings,  aber  nur 
in  derjenigen  secundären  Geltung  sich  vindicirt,  wie  dasselbe  auch 
anderen  hohen  Reichsbeamten,  insbesondere  dem  praefectus  praetorio 
nach  römischer  Ordnung  zukommt. 

X.  525 

Die  Rechtsstellung  der  Gothen  in  Italien. 

Die  Rechtsstellung  der  Gothen  in  Italien  hängt  ab  von  den 
allgemeinen  Normen,  welche  der  römische  Staat  für  die  Anwendung 
seiner  Gesetze  und  Ordnungen  aufstellt. 

Seit  früher  Zeit,  man  möchte  sagen  von  jeher   besteht   für  die 

römischen  Rechtsordnungen  ein  doppelter  Kreis  der  Anwendbarkeit, 

unterscheiden  sich   die  personale  und    die    territoriale   Satzung.     Es 

genügt  hier   an   bekannte   Sätze   zu  erinnern.      Die  strafrechtlichen 

Bestimmungen  gehören   der  Regel  nach   zu  der  zweiten  Kategorie  ^ 

und  nicht  minder  die  den  Verkehr  regelnden  3;  in  der  Epoche,  welche 

uns  hier  beschäftigt,  wird  im  Criminal-  wie  im  Civilverfahren  weder 

hinsichtlich    des  Rechtsschutzes  noch  hinsichtlich   der  Verantwortung 

nach   dem  Personalrecht   der  betreffenden  Person   gefragt  und.  mit 

1  Ausnahme  der  Angehörigen  der  mit  Rom  factisch  im  Kriege  stehen- 

I  den  Staaten,  auf  alle  innerhalb  der  römischen  Grenzen  verweilenden 

Ausländer    die    Verkehrsgemeinschaft    erstreckt*.       Zu    der    ersten 

1)  Vgl.  besonders  Dahn  Könige  der  Germanen  4,  45  ff.  und  Bluhme  MG. 
iLL.  5,  148.  Beispielsweise  räth  das  Edict  Theoderichs  c.  51.  52  zwar  des  Beweises 
jwegeu  Schriftlichkeit  allgemein  an,  fordert  aber  die  Urkunde  nur  bei  Schenkung 

von  Immobilien,  welche  Unterscheidung  dem  theodosischen  Gesetzbuch  geradezu 
^\  enigstens  nicht  entnommen  werden  konnte  (Brunner  zur  Geschichte  der  Urkunde 
>.  129).  Die  meisten  Abweichungen  laufen  hinaus  auf  Umwandlung  der  Strafen, 
zum  Beispiel  bei  Schadenersatz  auf  Substituirung  des  Naturalersatzes  für  die 
Schätzung  in  Geld.  Ebenso  wird  var.  3,  20  ein  zu  Unrecht  entzogenes  Grund- 
'  ick  CMtn  alio  eiiisdem  meriti  restituirt. 

2)  Staatsrecht  3,  599  A.  1.  3)  Daselbst  B,  605. 

4)  Der  alte  Satz,  dass  jeder  mit  Rom  nicht  im  Vertrag  stehende  Staat  mit 
ilim  rechtlich  im  Kriegsverhältniss  sich  befinde,  steht  noch  in  Justinians  Gesetz- 

MOMMSEN,    SCHR.  VI.  30 


466  Ostgothische  Studien. 

Kategorie  dagegen  gehören  insbesondere  diejenigen  privatrechtlichen 
Institutionen,  welche  nicht  dem  eigentlichen  Geschäftsverkehr  dienen, 
namentlich  das  Ehe-  und  das  Erbrecht.  Wie  in  früherer  Zeit,  so  J 
noch  im  sechsten  Jahrhundert  können  Eheschliessung  ^  und  Beerbung ^  ! 
nur  stattfinden  auf  der  Grundlage  des  römischen  Personalrechts. 
Eine  Verschiebung  ist  in  dieser  Hinsicht  nur  insofern  eingetreten, 
526  als  das  römische  Personalrecht  der  republikanischen  und  der  früheren 
Kaiserzeit  nicht  mit  dem  römischen  Bürgerrecht  zusammenfiel,  sondern 
jedes  dem  römischen  Staat  incorporirte  mehr  oder  minder  autonome 
Gemeinwesen  sein  eigenes  von  dem  eigentlich  römischen  verschiedenes, 
aber  im  römischen  Staat  ebenfalls  anerkanntes  Personalrecht  besass; 
es  konnte  also  der  Athener  und  der  Ephesier  auch  nach  römischer 
Auffassung  auf  Grund  seines  Gemeinderechts  eine  gültige  Ehe  ein- 
gehen und  die  Erbfolge  bei  ihm  eintreten^.  Dagegen  ist  in  der 
diocletianisch-constantinischen  Rechtsordnung  der  Kreis  des  römischen 
Bürgerrechts  so  weit  gezogen  worden  wie  die  Gemeindeangehörigkeit 
des  Reiches;  unter  den  Städten  desselben  werden  nicht  mehr  wie 
früher  bürgerliche  und  latinische  oder  peregrinische  unterschieden,, 
sondern  wer  einer  städtisch  geordneten  Reichsgemeinde  angehört, 
ist  auch  römischer  Bürger*.  Demzufolge  gelten  die  römischen  Ge- 
setze über  Ehe  und  Erbschaft  jetzt  für  alle  Reichsgemeinden  und 
innerhalb  dieses  Kreises  scheinen  selbst  die  Ortsstatuten  zwar  nirgends 

buch  (a.a.O.  S.  590  A.  2);  aber  die  Freundschaftsverträge  gingen  ungefähr  so 
weit  wie  der  politische  Horizont  der  Römer  und  die  formale  Ausnahme  ist 
praktisch  die  Regel. 

1)  lustinian  inst.  1,  10  pr.:  iustas  nuptias  inter  se  cives  Romani  eontrahtmty 
qui  secundum  praecepta  legum  coeunt.  Gaius  1,55  =  Dig.  1,  6,  4:  in  potestate 
nostra  sunt  liberi  nostri  qiios  ex  iustis  nuptiis  pi'ocreavimus ,  quod  ius  proprium 
civium  Umnanorum  est. 

2)  Ulpian  Dig.  28,  5,  6,  2 :  solemus  dicere  media  tempora  non  nocere,  ut  puta^ 
civis  Bomanus  heres  seriptus  vivo  testatore  factus  peregrinm  mox  civitatem  Roma- 
nam  [recuperavit]:  media  tempora  non  nocent. 

3)  Staatsrecht  3,  692.  745. 

4)  Wie  auch   die  viel  besprochenen  Worte  Ulpians  Dig.  1,  5,  17:   in  ort 
Romano  qui  sunt,  ex  constitutione  imp.  Antonini  cives  Romani  effecti  sunt  Ursprung' 
lieh  gefasst   und  gedacht  gewesen  sein  mögen  (vgl.  Staatsrecht  3,  699) ,  als  Bi 
standtheil   der  justinianischen  Gesetzgebung  sind  sie  sicher   in   dem  oben  be-j 
zeichneten  Sinn  auszulegen.    [In  einem  Gießener  Papyrus  (n.  15),  der  demnächst 
von  Paul  M.  Meyer  im  2.  Heft  der  Gießener  Papyri  veröffentlicht  werden  wird 
ist  der  Wortlaut  der  Constitutio  Antoniniana  erhalten  (vgl.  die  Ergänzung  Meyen 
in  der  Zeitschrift  der  Savignystiftung  R.  A.  1908  S.  473  f. :  8i8<afii  xot[g  a\vvanä{ 
toTs  xaTOixovoiv  xrj\v  oixoviJ,sv[t]]v  ji[ohz]siav  'Pa>/j,ai(ov.]    Beachtenswerth  ist  daneb 
die  Beseitigung  der  beiden  des  Bürgerrechts  entbehrenden  Kategorien  der  Frei 
gelassenen  lateinischen  und  dediticischen  Rechts  durch  Justinian. 


Ostgothische  Studien.  467 

gefehlt,  aber  in  das  Personalrecht  wenig  eingegriffen  zu  habend  — 
Indess  ist  der  alte  Begriff  der  reichsangehörigen  Peregrinität  auch 
in  dieser  Epoche  keineswegs  verschwunden,  wenn  gleich  die  Be- 
nennung gewechselt  und  der  Kreis  sich  verengert  hat.  Die  reichs- 
angehörigen barbari  oder  gentües  einer  Anzahl  von  Grenzdistricten 
sind  wie  die  ehemaligen  reichsangehörigen  peregrini  vom  römischen 
Personalrecht  ausgeschlossen  und  es  gelten  für  sie  die  engeren  für 
diesen  Kreis  von  den  Römern  anerkannten  Rechtsordnungen  2,  Wie  527 
wenigstens  späterhin  in  den  aus  dem  römischen  Reich  entwickelten 
Staaten  jede  diesem  Staate  angehörige  Person  nach  dem  Recht  eines 
bestimmten  Stammes  lebt,  so  verhält  es  sich  auch  in  dem  Staat  der 
Römer;  nur  deshalb  tritt  diese  Rechtsanschauung  hier  nicht  so  bestimmt 
hervor  wie  dort,  weil  die  Mischung  von  Bürgern  und  Nichtbürgern  in 
dem  römischen  Reich  ebenso  secundär  ist  wie  primär  in  seinen  Splittern. 
Auch  die  Stellung  der  nicht  reichsangehörigen  innerhalb  der  römi- 
schen Grenzen  verweilenden  Personen  hat  sich  nicht  geändert.  Es  gelten 
für  sie  die  Regeln  des  römischen  Territorialrechts;  das  römische 
Personalrecht  aber  mangelt  ihnen  mit  allen  seinen  rechtlichen  Conse- 
quenzen,  wie  dies  unsere  Rechtsbücher  in  Betreff  der  Gefangenen  und 
der  Geiseln  näher  ausführen  ^.  Eine  Consequenz  dieser  Auffassung,  dass 
das  Vermögen  des  innerhalb  der  römischen  Grenzen  sterbenden  Pere- 
grinen  als  herrenloses  Gut  an  den  Staat  fällt,  spricht  auch  Cassiodor  aus  *. 

1)  Das  in  Armenien  geltende  Vorzugsrecht  der  Söhne  bei  der  Erbfolge 
schafft  Justinian  (edict.  3)  ab  als  ein  'barbarisches'  und  für  'Römer'  unschick- 
liches Gesetz:  8ia  rovzo  8rj  xai  xovg  ■^/nersgovg  ixsToe  xazejcs/ii^/afiev  vö/iiovg,  iva  stg 
avtovg  äfpoQiövzeg  oihco  noXitsvoi.vxo. 

2)  In  einer  merkwürdigen  Ausführung  aus  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrh. 
(Theodoret  'E}.X.  naßrjfi.  d^sQanEvnxij  tract.  9  p.  337  ff.  Gaisf.  [p.  223  ed.  Raeder]) 
wird  die  von  den  Römern  im  Allgemeinen  innerhalb  ihrer  Grenzen  durchgeführte 
Rechtseinheit  geschildert,  insbesondere  bemerkt,  dass  damals  auch  Athener  und 
Lakedämonier  nach  römischen  Gesetzen  leben  (xazä  xovg  'P(Ofiai(ov  noXixevovxai 
vöfiovg) ;  aber  eine  Anzahl  der  Grenzvölker :  die  Aethiopen,  die  Saracenen,  die  Lazen, 

I  die   Sanner,   die  Abasger  (alle  drei  am  Kaukasus),  überhaupt  die  den  Römern 

gehorchenden  Barbaren  'machen  ihre  Verträge  nicht  nach  römischem  Recht'  {ovxs 

■o  Al&iOTiEg   Ol    Qrjßcöv  xä>v  AtyvMxltov   öfioxEQfxoveg ,   ovxs  xä  nifinoXXa   q)vXa  xov 

■  uar]X,  ov  Äd^oi,  ov  2ävvoi,  ovx  'Aßaayoi,  ovx  01  äXXoi  ßd^ßagoi  0001  xrjv  'Po>fiaicov 

näl^ovxai  deanoxEiav  xaxä  xovg  'Po>fMaia>v  vöfxovg  xd  TiQog  dXXrjXovg  jioiovvxai  ^vfißö- 

«(«).     Aehnlich   stellt  Themistios   im  J.  383  (xagiaxi^gtov  vjisg  Saxogvlvov  p.  257 

!  >ind.)  die  ehemals  barbarischen  Galater,  welche  jetzt  nicht  mehr  Barbaren  sind, 

ndem  ganz  Römer  und  denselben  Gesetzen  gehorchen,   in  Vergleich  mit  den 

len  eingewanderten  Gothen,  die  bald  auch  mit  den  Römern  steuern  und  dienen 

Tden.  3)  Staatsrecht  3,  605  A.  3. 

4)  Var.  9, 14  [§  3]  an  den  Comes  von  Syrakus:  quorundani  etiam  substantias 
ortnortim  .  .  .  fisei  nomine  caduci  te  perhibent  titulo  nhidicare,  cum  tibi  hoc  tantum 

30* 


468  Ostgothische  Studien. 

Zu  diesem  Kreis  gehören  die  im  Ausland  angeworbenen  Soldaten. 
Die  vordiocletianische  Zeit  hat  solche  nicht  gekannt  und  die  römi- 
schen Rechtsgelehrten  also  keine  Veranlassung  gehabt  sich  mit  ihnen 
zu  beschäftigen.  Als  dieselben  dann  zu  einem  mehr  oder  minder 
ständigen  Bestandtheil  der  römischen  Streitkräfte  wurden,  müssen 
sie  unter  die  eben  bezeichneten  Normen  gezogen  worden  sein  ^  Der 
persische  Kaufmann,  die  sarmatische  Geisel,  der  fränkische  Söldner 
waren  gleichmässig  im  römischen  Reich  verweilende  und  unter  nor- 
malen Verhältnissen  in  die  Heimath  zurückkehrende  Ausländer  und 
528  ihre  Rechtsstellung  principiell  dadurch  gegeben.  Allerdings  ist  von 
dieser  Rechtsconsequenz  wohl  häufig  durch  personale  oder  generelle 
Anordnung  abgegangen  worden.  Wie  derartiger/  Verfügungen  zu 
Gunsten  der  Geiseln  mehrfach  gedacht  wird,  so  sind  wahrscheinlich 
auch  zu  Gunsten  der  angeworbenen  Mannschaften  Ausnahmebestim- 
mungen ergangen;  das  Testirrecht  des  römischen  Soldaten  mag  auf 
sie  erstreckt,  das  subsidiäre  Intestaterbrecht  der  Truppenkörper  eben 
mit  Rücksicht  auf  sie  von  Constantius  II.  eingeführt  worden  sein'-*. 
Die  Stellung  der  bei  den  Römern  Dienst  nehmenden  Fremden 
verschob  sich  thatsächlich ,  als  diese  nicht  mehr  kamen,  um  wieder 
zu  gehen,  sondern  ihr  Dienstverhältniss  bleibend  und  erblich  wurde. 
In  welchen  Formen  dies  im  Orient  sich  vollzogen  hat,  entzieht  sich 
so  gut  wie  ganz  unserer  Kunde  und  soll  hier  nicht  erörtert  werden. 
Dass  im  Occident  dergleichen  Ansiedlungen  bereits  im  Anfang  des 
fünften  Jahrhunderts  begegnen,  ist  schon  dargelegt  worden  (S.  439); 
indess  über  die  Rechtsstellung  der  Sarmaten  der  Notitia  wissen  wir 
ebenfalls  nichts.  Vielleicht  sind  sie  als  einquartierte  Soldaten  be- 
trachtet und  ist  auf  sie  die  römische  Vorschrift  angewendet  worden, 
dass  ein  solcher  Anspruch  hat  auf  den  dritten  Theil  der  Behausung  ^. 
Zu  Grundbesitzern  aber  hat  erst  Odovacar   seine  Mannschaften  ge- 

de  2^eregrinis  videatur  esse  commissum,  quibus  nullus  her  es  aut  testamentarms 
legitimus  invenitur.  Der  Eelativsatz  kann  nur  die  Rechtsstellung  der  Peregrinen 
überhaupt  definiren,  da  ein  Römer  auch  dieser  Zeit  nicht  vom  heres  testamentarius 
aut  legitimus  eines  Peregrinen  sprechen  kann,  auch,  wenn  der  Fall  der  Erb-j 
losigkeit  (bona  vacantia)  bezeichnet  werden  sollte,  dieser  bei  dem  Bürger  so  gut] 
wie  bei  dem  Peregrinen  eintreten  konnte. 

1)  Der  auswärtige  Söldner  steht  strafrechtlich  unter  römischem  Gesetz. 
Nach  diesem  wird  ein  Hunne  in  Belisars  Heer  wegen  eines  begangenen  Todt- 
schlags  bestraft;  vergeblich  verlangen  seine  Kameraden,  dass  er  nach  seinem 
Landrecht  gerichtet  werde  (Prokop  b.  Vand.  1,  12).  Ebenso  verfährt  Narses  gegeL 
einen  Eruier,  der  den  römischen  Bestimmungen  zuwider  das  Recht  seinen  Sclaver 
zu  tödten  in  Anspruch  nimmt  (Agathias  2,  7). 

2)  C.  Th.  5,  4,  1. 

3)  C.  Th.  7.  8,  5  =  C.  lust.  12,  40,  2  und  sonst.     Vgl.  Dahn  2,  43. 

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fl 


Ostgothische  Studien.  469 

macht;  darüber,  dass  die  römischen  Machthaber  sich  weigerten  diese 
Forderung  des  germanischen  Condottiere  zu  erfüllen,  ist  das  Westreich 
zusammengebrochen;  die  Söldner  setzten  dann  sich  selber  in  Besitz. 
Theoderich  hat  im  Wesentlichen  nichts  anderes  gethan  als  an  die 
Stelle  der  Leute  Odovacars  die  seinigen  gesetzt.  Erst  in  Beziehung 
auf  die  letzteren  kann  die  Frage,  welche  Rechtsstellung  sie  einnahmen, 
vielleicht  eine  Antwort  finden. 

Auch  als  ansässige  und  tributpflichtige  Leute  sind  die  Gothen, 
vom  römischen  Standpunkt  aus  betrachtet,  Ausländer  geblieben  ^ 
Selbst  die  Gewalt  des  italischen  Königs  war,  wie  es  scheint,  hierin 
der  kaiserlichen  ungleich  und  durch  diese  nationalen  Schranken  ge- 
bunden; weder  konnte  er  den  Römer  zum  Gothen  noch  den  Gothen 
zum  Römer  machen,  da  auf  diesem  Gegensatz  die  gesammte  Ordnung 
der  Dinge  in  Italien  beruhte^.  Wie  Alexanders  Makedonier  neben 
den  Asiaten,  wie  die  cives  Romani  in  Cirta  und  Kyzikos  neben  den  529 
Stadtbürgern,  so  stehen  in  Italien  die  Gothi  neben  den  Romani, 
immer  vor,  aber  vor  allem  immer  neben  diesen.  Einen  römisch 
i:('l)ildeten  Gothen  nennt  König  Theoderich  in  einem  Schreiben  an 
den  Senat  civis  paene  vester  (S.  456  A.  2).  Sie  sind  unfähig  ein 
ithnisches  bürgerliches  Amt  zu  bekleiden  und  im  römischen  Senat  zu 
<itzen.  Sie  gehören  keiner  Reichsgemeinde  an;  die  Gothi  Dertonae 
ronsistentes  sind  nicht  cives  Dertonenses^  und  nicht  einmal  incolae^;  von 
den  municipalen  Aemtern  sind  sie  nicht  minder  ausgeschlossen  wie  von 
I Ionen  des  Staats.  —  Sie  gelten  ferner,  auch  als  Angesiedelte,  sämmtlich 
als  Soldaten.  Es  liegt  im  Wesen  der  sesshaften  Soldatesca,  dass  jeder 
Dienstfähige  angesehen  wird  als  dienend;  aber  auch  auf  Frauen,  Kinder, 
Greise  muss  diese  Auffassung  sich  erstreckt  haben.  —  Yon  diesem  Aus- 
gangspunkt, dass  sie  sämmtlich  Ausländerund  sämmtlich  Soldaten  sind, 
sind  die  Fragen  zu  beantworten,  welchen  Gerichten  sie  unterworfen 
sind  und  welche  Rechtsnormen  für  sie  zur  Anwendung  kommen. 

1)  Die  Gotheu  trügen  Bedenken  sich  den  Franken  zu  unterwerfen,  weil  sie 
Lchten  alsdann  ihr  eigenes  Recht  (die  Jtdrgia  v6f.uf.ia)  zu  verlieren  (Agathias  1,  20). 

2)  Dies  lehrt  namentlich  die  Ertheiluug  des  Consulats  an  Eutharich  durch 
u  Kaiser  (oben  S.  381).    Als  kaiserliche  kommt  die  Verleihung  eines  römischen 

I  Amts  an   einen  Ausländer,   welche  die  des  römischen   Bürgerrechts  voraussetzt 
1  »der  einschliesst,  häufig  genug  vor, 

3)  Consistere  ist  bekanntlich  technisch  für  das  blosse  Domicil  im  Gegensatz 
jÄüiu  Bürgerrecht  [vgl.  oben  S.  156.  186]  und  steht  bei  Cassiodor  meistens  in  diesem 
ISinn;   incorrect  3,  9:    possessoiibus  defensoribiis  et  curialibus  Estunis   ['vielleicht 

•<fini'  Mo.  in  s.  Ausg.]  consistentibus. 

4)  Der  Incolat   mit   seinen  Rechten   und   Pflichten    (Staatsrecht  3,  803  iF.) 
lerte  wahrscheinlich  das  Reichsbürgerrecht.    Der  in  Capua  wohnhafte  Puteo- 

!ier  ist  ineola,  aber  schwerlich  der  dort  wohnhafte  Perser. 


470  Ostgothische  Studien. 

Die  Competenzfrage  ist  wesentlich   entschieden  durch  die   Sol- 
datenqualität ^.    In  dieser  Epoche  gilt  für  den  Römerstaat  die  Regel, 
dass  der  Soldat  sowohl  im  Criminal-  wie  im  Civilv erfahren  nur  vor 
das  Militärgericht  gestellt  werden  kann  2;  und  diese  liegt  auch  den 
Ordnungen  Theoderichs  zu  Grunde.     Indess  sind   dieselben  insofern 
weiter  gegangen,  als  danach  alle  zwischen  einem  Gothen  und  einem 
Römer  geführten  Processe,    auch   wenn  jener  Kläger  ist,    vor  das 
Militärgericht  gehörten,   nur  dass  dem  betreffenden  Offizier  die  bei 
allen    Civil-    und    Militärgerichten    längst    übliche    Zuziehung    eines 
rechtskundigen  Römers  für  diese  Fälle  zur  Pflicht  gemacht  wurdet. 
530  Dies  ist  ein  Uebergriff  des  Föderatenregiments  und  sicher  mehr  aU 
jeder    andere    von    den    Römern    als    unbillig    und    gemeinschädlich 
empfunden  worden;  es  hat  denn  auch  Justinian  nach  der  Eroberui 
sofort  die  Competenz  der  Militärgerichte  wieder  auf  das  alte  relat 
erträgliche    Mass    beschränkt*.    —  An  welche   Stellen    hienach    die 
Klagen  zu  bringen  sind,  ergiebt  sich  im  Allgemeinen  aus  der  früher 
über  die  Militärbehörden  gegebenen  Ausführung.     In   Italien    ging 
ein  solcher  Prozess  zunächst  an  den  einzelnen  Stadtcommandanten  ^j 
in   den  Provinzen  entweder  an  diesen  oder  an  den  dort  den  Befel^l 
führenden  Dux  oder  Comes  ^ ;  in  welchem  Yerhältniss  in  dem  letztere^ 

1)  Die  hier  versuchte  Wiederaufnahme  der  bekannten  Glödenschen  Auf- 
fassung weicht  von  dieser  darin  wesentlich  ab,  dass  die  gothische  Nationalität 
auch  für  den  richtenden  Offizier  gefordert  wird  und  dürfte  damit  den  gegen 
diese  mit  Recht  erhobenen  Bedenken  nicht  ausgesetzt  sein. 

2)  Theodosius IL  nov.  4;  Marcianus  nov.  1,  7;  Anastasius  cod.  lust.  12,  35,  18 pr. 

3)  Var.  7,  3  [§  1]  in  der  Formel  der  comitiva  GotJiornm  per  singulas  civitates: 
(comes)  secundum  edicta  nostra  inter  duos  Gothos  litem  debeat  amputare;  si  quod 
etiam  inter  Gotlium  et  Romanum  natum  fuerit  fortasse  negotium,  adhibito  sibi  pru- 
dente  Romano  certamen  possit  aequabili  ratione  discingere:  inter  duos  autem  Ro- 
manos Romani  audiant  quos  per  provincias  dirigimus  cognitores.  9,  14  [§  7]  an  | 
Gildila,  den  comes  Syracusanae  civitatis:  dum  um  negotia  Romanorum  etiam  Im  invitis 
adtuum  diceris  vocare  iudicium;  quae  . . .  ulterius  non  praesumas,  ne,  dum  vis  iudicium 
incompetenter  quaerere,  reatum  potius  videaris  invenire.  Memm'  enim  .  .  debes  esse 
edicti  .  .  .  Ordinariis  iudicibus  administrationum  sua7-um  potestas  inlibata  servetur. 
Vgl.  S.  443  A.  1.  Mit  vollem  Recht  hat  Glöden  in  diesem  iuris  prudens  denj 
römischen  Adsessor  erkannt;  die  bei  dem  gothischen  Comes  eintretende  Besonder- 1 
heit  besteht  nur  darin,  dass  der  römische  richtende  Beamte  diesen  zuziehen 
kann,  der  gothische  ihn  zuziehen  muss.  Mehr  als  gutachtliche  Autorität  kommt 
auch  hier  ihm  sicher  nicht  zu. 

4)  Justinian  pro  pet.  Vigilii  23 :   Utes  inter  duos  procedentes  Romanos  vel  ubi 
Romana  persona  pulsatur,  per  civiles  iudices  exercere  iubemus,  cum  talibus  negotiü  J^ '' 
vel  causis  iudices  militares  immiscere  se  ordo  non  patitur. 

5)  Auf  diese  bezieht  sich  die  Formel  7,  3. 

6)  Dies  zeigt  namentlich  der  Erlass  an  den  Statthalter  von  Sicilien  9, 14  [•| 
Diejenigen  an   den   Comes  der  Provinz  Sirmium  3,  23.  24  beweisen  wohl,  daaj 

4 


Ostgothische  Studien.  471 

Falle  die  Militärgerichte  zu  einander  standen,  wissen  wir  nicht. 
Ebenso  wenig  lässt  sich  ermitteln,  wie  diese  Militärgerichte  geordnet 
waren  und  ob  etwa  der  Umstand  dabei  mitgewirkt  hat^. 

Es  bleibt  das  Königsgericht.  Dasselbe  ruht  in  den  Ordnungen 
Theoderichs  völHg  wie  in  den  byzantinischen  auf  der  formulirten 
personalen  Allmacht  des  Herrschers;  er  kann  jeden  Prozess  sowohl 
anstatt  des  competenten  Gerichts  wie  unter  Cassirung  des  von  diesem 
gefällten  Urtheils^  an  sich  ziehen  und  entweder  selber  entscheiden^ 
oder  auch  zur  Entscheidung  an  beliebig  von  ihm  ausgewählte  Special-  531 
delegirte  weisen  *.  Eine  Unterscheidung  zwischen  den  vor  die  Militär- 
und  den  vor  die  Civilgerichte  gehörenden  Streitigkeiten  oder,  was 
dasselbe  ist,  zwischen  Gothen  und  Römern  ist  theoretisch  wie  praktisch 
bei  dem  Königsgericht  nicht  wohl  denkbar  und  es  zeigt  sich  davon 
auch  nirgends  eine  Spur:  die  eigenthümlichen  Rücksichten,  welche 
iin  Ostreich  auf  die  Einschränkung  des  Kaisergerichts  im  Militär- 
process  hinwirkten  ^,  bestehen  im  italischen  Westen  nicht.  Principiell 
fällt  das  theodericianische  Königsgericht  schlechthin  mit  dem  römi- 
schen Kaisergericht  zusammen   und  tritt  nur,  den   engeren  Verhält- 

(li'iselbe  auch  über  Römer  Jurisdiction  hat,  schliessen  aber  nicht  aus,  dass 
auch  hier  die  Prozesse  zwischen  Römern  an  den  Statthalter  gingen. 

1)  Den  capillatorum  conventtis  erwähnt  das  Edict  145.  Der  König  schreibt 
auch  wohl  vor,  dass  die  Parteien  sich  über  die  Richter  vereinbaren  sollen  (var. 
4,  14.  46). 

2)  Var.  4,  46  cassirt  der  König  den  von  einem  Gothengrafen  gefällten  Spruch 
und  ordnet  abermalige  Instruction  der  Sache  an.  Ob  ein  geordnetes  Appellations- 
verfahren in  den  vor  das  Gothengericht  gehörigen  Sachen  bestand,  ist  sehr 
zweifelhaft.  Dass  ein  gothischer  Dux  angewiesen  wird  einen  Gothen  nicht  zu 
Unrecht  als  unfrei  zu  behandeln  (var.  5,  30),  gehört  kaum  hieher.  Dass  in  den 
Prozessen  der  Römer  die  Appellation  namentlich  an  den  praef.  praetorio  und  den 
praef.  urbi  fortbestand,  ist  bekannt. 

3)  Var.  5, 15  [§  1]:  cundis  labwantihus  comitatus  noster  coticedit  iustitiam.  Dies 
ist  nostra  audientia  (3,  37  [§  2]),  nostra  mdida  (5,  40  [§  4]),  in  welchen  die  dabei 
I  lotheiligten  jungen  Männer  für  ihren  künftigen  richterlichen  Beruf  sich  schulen. 
'  Me  vorgeforderten  Personen  werden  unter  Umständen  gebunden  vor  den  König 

führt  (var.  3,  20  [§  3]). 

4)  Ein  solches  Commissorium  erhalten  für  einzelne  Processe  Sona  und  Theo- 
»lahathus  (var.  3,  15).  Var.  3,  13  wird  Sunhivadus  v.  sp.  beauftragt,  die  in  Sam- 
nium  zwischen  Gothen  und  Römern,  wohl  wegen  der  Bodentheilung,  entstandenen 
Streitigkeiten  zu  schlichten.  In  anderen  Fällen  weist  der  König  den  beikommen- 
den Richter  an,  seine  Schuldigkeit  zu  thun  (var.  8,  28). 

5)  Die  S.  470  A.  2  angeführten  Verordnungen  von  Theodosius  IL  und 
Marcianus  beschränken  die  Berufung  der  Militärpersouen  an  das  Kaisergericht 
mit  Rücksicht  theils  auf  die  gi-ossen  Dimensionen  des  Reiches,  theils  wohl  auch 
auf  das  unkriegerische  Verhalten  der  Herrscher  des  Ostreichs.  Bei  Theoderich 
fielen  beide  Rücksichten  weg. 


^-^2  Ostgothiache  Studien. 

nissen    und    der    Individualität    des    Herrschers    entsprechend,    mit 
stärkerer  Intensität  auf. 

In  diese  Verbindung  gehört  die  Tuition.  Nach  den  römischen 
Ordnungen  des  sinkenden  Reiches  kann,  wer  sich  in  seiner  persön- 
lichen Sicherheit  bedroht  fühlt,  von  dem  Gericht  besonderen  Schutz 
erbitten  und  ihm  einer  der  Officialen  desselben  zugewiesen  werden 
mit  dem  Auftrag,  dem  Petenten  Beistand  zu  gewähren  i.  Untersagt 
532  ist  die  Zutheilung  eines  Soldaten  anstatt  des  Apparitor^.  Nach  der 
rechtlichen  Consequenz  muss  diese  Befugniss  wie  jedem  anderen 
Grericht  so  auch  dem  Kaiser  zugestanden  haben;  indess  findet  sich 
unter  den  wenigen  Nachrichten,  die  uns  über  die  Tuition  unter  dem 
Kaiserregiment  zugekommen  sind,  von  Gewährung  derselben  durch 
die  höchste  Stelle  kein  Beleg.  Umgekehrt  erscheint  dies  Instituij 
in  den  aus  der  theodericianischen  Epoche  vorliegenden  Nachrichtei 
nicht  ausschliesslich  3,  aber  überwiegend  als  Königsschutz,  regelmässig 


1)  Erwähnt  wird  die  Tuition  in  Verordnungen  von  393  C.  Th.  1,  21,  1  (A.  2) 
von  412  C.  Th.  13,  6,  36:  si  quis  cuiusKbet  dignitatis  iudicum.  vel  militantutiki 
.  .  .  aditus  negaverit  petitum  a  se  tuitionis  praesidium  und  von  413  cod.  lust.  1,  33,  3: 
si  quis  iudicum  vir  illustris  vel  praefectus  urbi  cognitionem  comitivae  privatarum 
examini  debitam  sibimet  vindicandam  censuerit  vel  tuitionem  contra  eiusdem , 
sedis  statuta  praestiterit ;  vgl.  auch  C.  Th.  4,  15,  1.  Deutlicher  als  in  den  Gesetzen^ 
tritt  uns  das  Institut  entgegen  bei  Symmachus  ep.  9,  24  [22]:  hominum  tuorum 
cura  summota  est,  quos  et  praesentia  mea  et  iudiciaria  tuitio  defendit  und  vor  allem 
rel.  23.  Hier  erhält  ein  unbotmässiger  Advocat  des  bei  der  Stadtpräfectur 
thätigen  Barreaus  gegen  den  praefectus  annonae,  dessen  Officialen  er  in  einer 
nach  seiner  Meinung  berechtigten  Weise  abgewehrt  hat,  und  gegen  den  Stadt- 
präfecten  selbst,  dem  er  parteiische  Behandlung  eines  ihn  persönlich  berührenden 
Processes  zur  Last  legt,  Schutz  von  dem  zweiten  kaiserlichen  Oberrichter  in 
Rom,  dem  Vicarius  {tuitionem  postulavit  —  auxilium  impetravit),  worüber  sich  der 
Stadtpräfect  namentlich  insofern  beschwert,  als  der  Vicarius  im  Rang  unter  ihm 
steht.  Nachher  verlangt  ein  gewisser  Felix,  auf  dessen  Zeugniss  es  ankommt 
und  der  deswegen  festgehalten  wird,  von  dem  Stadtpräfecten  tuitionis  auxilium 
und  dieser  giebt  ihm  einen  seiner  Nomenciatoren  bei  ut  in  urbe  pacata;  dennoch 
bemächtigen  sich  die  Gegner  seiner  mit  Gewalt  und  führen  ihn  in  ein  Privat- 
haus ab. 

2)  C.  Th.  1,  21,  1  =  lust.  1,  46,  1:  numquam  omnino  negotiis  privatorum  vel 
tuitio  militis  vel  executio  tribuatur.    Daher  civilis  tuitio  var.  1,  36  [§  2]. 

3)  Der  Senatsvorsteher  wird  aufgefordert  einem  von  Rom  Abwesenden 
Tuition  zu  gewähren  (var.  1,  15),  ebenso  wahrscheinlich  Provinzialstatthalter 
hülfsbedürftigen  Personen  (var.  1,  36.  2,  29).  Nicht  gleichartig  ist,  trotz  de« 
gleichen  Ausdrucks,  var.  4,  41  [§  3] :  ne  euiusquam  . . .  temeritas  in  te  Impetus  reparare 
possit  audaciae,  patricii  Albini  .  .  .  tuitio  te  deputata  communiet,  da  Albinus  Pri- 
vater zu  sein  scheint;  dies  dürfte  eher  mit  dem  Patrocinium  zusammenzustellen 
sein,  das  über  die  Grünen  des  Circus  zu  übernehmen  der  König  zwei  Patricier 
auffordert  (1,  20  [§  3]). 


Ostgothische  Studien.  473 

bewirkt  durch  Zuordnung  eines  der  Agenten  in  rebus,  respective 
eines  Saio  S  welche,  wie  wir  sahen  (S.  410  A.  6),  formell  den  civilen 
Officialen  zuzuzählen  sind.  Principiell  besteht  kein  Unterschied 
zwischen  der  Tuition  unter  Theodosius  1.  und  derjenigen  unter  Theo- 
derich ;  thatsächlich  tritt  das  Selbstregiment  des  germanischen  Fürsten 
hier,  wie  überhaupt  in  der  Rechtspflege,  mit  einer  Wuchtigkeit  auf, 
zu  welcher  kein  Kaiser,  auch  Justinian  nicht  die  Parallele  bietet 
und  welche  allerdings,  geschichtlich  betrachtet,  als  eine  tiefgreifende 
Umgestaltung  der  Staatsordnung  angesehen  werden  muss. 

Die  weitere  Frage,  welche  Rechtsnormen  auf  die  Gothen  An- 
wendung finden,  wird  vom  römischen  Standpunkt  aus  dahin  beant- 
wortet werden  müssen,  dass  darüber  zunächst  die  ausgesprochene 
oder  aus  den  Umständen  hervorgehende  Absicht  des  römischen  533 
Gesetzgebers  entscheidet,  wo  aber  kein  Specialgesetz  vorUegt,  alle 
territorialen  Gesetzvorschriften,  aber  auch  nur  diese  auf  den  Gothen 
Anwendung  finden.  Dem  entspricht  der  Thatbestand.  Die  criminelle 
Legislation  so  wie  die  den  Verkehr  betreffende  civile  ist  einheitlich 
und  bleibt  dies  auch,  nachdem  die  Germanen  in  Italien  angesiedelt 
sind;  an  zahlreichen  Stellen  ist  es  bezeugt,  dass  die  Kaisergesetze 
unter  Theoderich  ebenso  für  Gothen  wie  für  Römer  gelten  und  die 
IVerfügungen  des  Königs  selbst  wenden  sich  gleichmässig  an  alle  ihm 
jium   Gehorsam  Verpflichtete  2.     Auch  konnte   der  Gothe,   nachdem 


1)  Nach  der  formula  tuitionis  7,  39  wird  dieselbe  gewährt  durch  eine 
loppelte  iussio,  die  eine  gegen  die  Gothen,  die  andere  gegen  die  Römer  ge- 
lichtet; es  wird  dies  zu  verstehen  sein  von  der  Beauftragung  eines  einzehien 
'iaio  und  eines  einzelnen  Agenten  in  rebus  mit  der  entsprechenden  Beschützung. 

-  die  Tuition  in  der  Zuordnung  eines  speciell  bezeichneten  Apparitor  {auxilium 

III  4,  27  [§3])  besteht,  in  dem  defensionis  praesentis  commodum  (1,  06  [§  2])  zeigt 

ieli  insonderheit  1,  37:  contra  incivilium  impetus  Candacis  (vgl.  lordanes  Get.50, 265) 

fuitionem  sub  aequabili  defensione  praestamns ,  ut  nee  legibus  te  subtrahat  nee 

'in  contra  iura  publica  laboi'are  permittat,  ferner  4,  27.  28.  7,  42  vgl.  5,  39  a.  E. 

Xerkwürdig  ist  die  Gewährung  des  Königsschutzes  an  den  Statthalter  von  Cam- 

'anien  gegen  seinen  Vorgesetzten,  den  praefectus  praetorio   (3,  27);   doch  kann 

freilich  derselbe   im  allgemeineren  Sinne  verstanden   sein,   wie   anderswo 

;i7.  6,  13.  8,  1)  sicher.    Scharfe  Abgrenzung  dieser  Form  der  Verwendung  der 

pparitoren  gegenüber  dem  allgemeinen  Königsmandat   (S.  411)   darf  sachlich 

)enso  wenig  erwartet  werden,  wie  strenge  Terminologie  bei  Cassiodor. 

2)  Var.  0,  13  [§  2]:  nee  permittimus  discreto  (so,  nicht  indiscreto  die  Hs.)  iure 
vere,  quos  uno  voto  volumus  vindicare.   Wenn  8,  3  [§  4]  der  König  gelobt  iustitiam 

custodire  et  Goihis  Romanisque  apiul  nos  ius  esse  commune,  so  ist  wohl  gleiche 
jrechtigkeit,  nicht  gerade  gleiches  Recht  gemeint.  Theoderichs  Edicte  wenden 
"h  bekanntlich  bald  ausdrücklich,  bald  stillschweigend  immer  an  Gothen  und 
)mer   zugleich.      Dass    die    Gothen    sich    der   Rechtsgleichheit    nicht   immer 


474  Ostgothische  Studien. 

er  vömischev  2JOSsessor  geworden  war  und  die  römischen  Grundabgaben 
entrichtete,  unmöglich  in  diesen  wesentlichen  Beziehungen  bei  seinem 
nationalen  Verkehrsrecht  bleiben.  Liesse  es  sich  nachweisen,  dass 
Theoderich  gothische  Rechtssätze  in  seine  allgemeinen  Erlasse  auf- 
genommen hat,  so  wären  diese  Sätze  eben  dadurch  zu  römischen 
geworden.  Aber  schwerlich  hat  er  in  diesem  Sinne  verfügt;  nicht 
bloss  weil  er  überhaupt,  wie  bemerkt  ward  (S.  464),  sich  enthielt 
die  bestehenden  Rechtssätze  zu  ändern,  sondern  weil  das  römische 
Princip  der  Gleichförmigkeit  des  Territorialrechts  ohne  Zweifel  auch 
von  ihm  aufgenommen  und  festgehalten  ward.  Jene  Bestimmung 
hinsichtlich  der  nothwendigen  Zuziehung  eines  des  römischen  Recht« 
kundigen  Beiraths  bei  den  Processen  zwischen  Gothen  und  Römejj 
wird  füglich  dahin  ausgelegt  werden  dürfen,  dass  der  Militärricht 
in  diesem  Fall  gehalten  war,  nach  römischem  Rechte  zu  entscheide 
Wo  dagegen  bloss  Gothen  betheiligt  w^aren,  wird  daraus,  dass  aj 
dann  der  gothische  Richter  einen  römischen  Juristen  nicht  zuzuziehdl 
hatte,  weiter  gefolgert  werden  dürfen,  dass  er  in  solchen  Fällen  di| 
heimischen  Rechtsordnungen  zur  Anwendung  bringen  sollte.  Dim 
ist  die  nothwendige  Consequenz  der  Aufnahme  ausländischer  Stämmf: 
in  den  Territorialverband;  es  kann  den  Gothen  des  Westens  nichi' 
versagt  worden  sein,  was  der  Osten  den  Lazen  und  den  SaraceneÄ 
gewährte  (S.  467  A.  1).  Einer  Völkerschaft,  die  dem  römischöit 
Reich,  aber  nicht  dem  römischen  Bürgerverband  angehörte,  könnt 
534  man  für  den  inneren  Verkehr  die  herkömmlichen  Geschäftsform« 
nicht  füglich  untersagen,  am  wenigsten  wenn  diese  Völkerscha 
mehr  noch  herrschte  als  diente. 

In  noch  höherem  Grade  gilt  dies  von  dem  Personalrecht.    Dem  i 
Ausländer    ist   dasselbe    in    seiner    römischen    Gestaltung    principielll 
verschlossen;   um   es  ihm   in  anderer  Form  zu  ermöglichen,   bedarf! 
es  vom   römischen  Standpunct  aus    eines   legislatorischen  Acts  oderi 
doch  einer  diesen  vertretenden  Observanz.     Solche  Acte  oder  solche i 
Observanzen  können  hier  nicht  ausgeblieben  sein.     Es  muss  für  die 
innerhalb    der  Reichsgrenzen   angesiedelten   gothischen   Soldaten  einj 
Ehe-  und  ein  Erbrecht  gegeben  haben,  also  ihnen  entweder  ihr  bis-' 
heriges  Landrecht    als  römisches   Statutarrecht  geblieben    oder    eiii 
solches  neu  verliehen  sein.    Wie  weit  dies  sich  erstreckt  hat,  bleib, 
unbestimmt  1   und  selbst  über  Ehe  und  Erbschaft  erfahren  wir  nich 


willig  unterwarfen,  ist  begreiflich;  Wendungen  wie  var.  2,  29  [§  2]:  a  qHoquat. 
cuiuslibet  nationis  homine  und  5,  39  [§  6] :  conductcyres  domus  regiae,  quacumqu, 
gente  sint  editi  sprechen  deutlich. 

1)  Die  civilrechtliche  Majorennität  ist  wohl  auch  als  Personalinstitution  z| 


Ostgothische  Studien.  475 

viel.  Dass  die  Ehe  zwischen  einem  Gothen  und  einer  Gothin^  in 
der  gothischen  Form  abgeschlossen  als  gothische  anzusehen  ist 
und  aus  ihr  rechte  Erben  nach  gothrscher  Ordnung  hervorgehen, 
versteht  sich  von  selbst;  ob  die  Form  des  Eheschlusses  eine  eigen- 
thümliche  war  oder  die  römische  Consensualehe  auf  die  Föderaten 
erstreckt  ward,  wissen  wir  nicht.  Nach  Kaiserrecht  war  die  Ehe 
sowohl  des  Römers  mit  einer  Ausländerin  wie  des  Ausländers  mit 
einer  Römerin  nicht  bloss  nichtig,  sondern  auch  criminell  strafbar^; 
auch  in  dem  Herrschaftsgebiet  Theoderichs  kann  eine  solche  Ver- 
bindung nicht  wohl  rechtsgültig  gewesen  sein^.  Hinsichtlich  des 
Erbrechts  hat  Theoderich  die  Anwendbarkeit  der  römischen  Be- 
stimmungen über  das  Militärtestament  auf  die  Gothen  gemäss  ihrer 
Soldatenstellung  edictalisch  festgestellt*.  Nach  welchen  Regeln  die  535 
Intestaterbschaft  des  Gothen  regulirt  ward,  erfahren  wir  nicht.  Mag 
die  königliche  Legislative  auch  in  dieser  Hinsicht  manche  Verschieden- 
heiten zwischen  Römern  und  Gothen  ausgeglichen  haben,  andere 
Hess  sie  sicher  bestehen. 

Während  also  der  römische  Bürger  personell  nach  römischem, 
lebte  der  neben  ihm  wohnende  italische  Gothe  nach  seinem  eigenen 
davon  verschiedenen  Personalrecht.  Dafür  gewährt  eine  zwar  späte, 
aber  schlagende  Bestätigung  ein  im  J.  769  in  Brescia  aufgenommener 

ii.juachten  und  man  kann  aus  var.  1,  38  [§  2]  herauslesen,  dass  die  Waffenfähigkeit 
Idem  Gothen  die  aetas  legitima  giebt;   aber  es  kann  auch  eine  Vergünstigung  für 

leii  einzelnen  Fall  gemeint   sein.     Bei   der  formula  aetatis  veniae  7,  41   scheint 

lur  an  Römer  gedacht  zu  sein. 

1)  Aber  nicht  einmal  unter  den  Gothen  Theoderichs  hat  allgemein  Conu- 
Mum  bestanden.     Prokop  b.  G.  3,  2  (vgl.  S.  479  A.  2). 

2)  Valentinian  I.  bedrohte  dergleichen  Mischehen  mit  Capitalstrafe  (C.  Th. 
i3,  14,  1).  Der  Gothe  Fravitta  erhielt  von  Theodosius  I.  ausnahmsweise  Erlaub- 
liss,  eine  solche  Ehe  einzugehen  (Eunapius  fr.  60:   ywalxa  fjrrjos  'Pcof^iaiav  svdvg 

.  .  xai  6  ßaoü.svg  ijiszQsys  xov  yd^ov). 

3)  Die  allerdings  nicht  klare  Stelle  var.  5,  14  [§  6]  (S.  440  A.  4)  zeigt,  dass  für 
jlen  bfirburus  wenigstens  in  Pannonien  an  die  Heirath  mit  einer  Römerin  sich 
lechtsnachtheile  knüpften.  Die  aus  einer  derartigen  Verbindung  entsprossenen 
Cinder  folgten  nach  römischer  Ordnung  dem  Recht  der  Mutter.  Ob  aber  in 
lerjenigen  Epoche,  wo  die  Gothen  mehr  galten  als  die  Römer,  das  von  einer 
iothin  mit  einem  Römer  erzeugte  Kind  als  gothisch  galt,  ist  mindestens 
weifelhaft. 

4)  Edict32:  barbari,  quos  certum  est  rei  publieae  militare,  quomodo  rolueiint 
t  potuerint  faciendi  darnus  licentiam  testamenti,  sive  domi  sive  in  castris  fuerint 
onstituti.  Auch  dies  ist  nicht  eigentlich  Codification,  sondern  Interpretation, 
'eiche  zugleich  anerkennt,  dass  der  Gothe  auch  nicht  mobilisirt  dennoch  Soldat 
it.  Ein  civilrechtliches  Testament  können  nach  demselben  Edict  28  nur  die 
rrichten,  quos  testari  leges  permittunt. 


476  Ostgothische  Studien. 

Rechtsact  eines  Stavila  civis  Brixianus  vivens  legem  Gothorum  ^.  Die 
italischen  Gothen  sind  durch  Justinian  wohl  unterworfen,  aber  nicht 
ausgerottet  worden;  sie  verloren  die  jährlichen  Donative  und  ihren 
privilegirten  Gerichtsstand,  aber  nicht  ihren  Grundbesitz.  Wie  Justi- 
nian in  seinem  Regulativ  für  die  neue  Präfectur  die  Verfügungen 
aller  gothischen  Könige  mit  Ausnahme  derjenigen  des  'Tyrannen' 
Totila  bestätigte,  so  werden  zahlreiche  Gothen  in  ihrer  alten  Pere- 
grinenstellung  im  Reich  verblieben  sein,  und  von  dem  Nachkommen 
eines  derselben  ist  jene  Urkunde  ausgestellt  worden.  ;'Mm 

536  XI. 

Gesammtergebniss. 
Fassen  wir  zusammen,   was  bisher  im  Einzelnen  erörtert  ward. 
Die  germanischen  Könige,  welche  das  Westreich  verwalten,  sind 
für  ihre  Person   römische   Bürger.       Den   kaiserlichen   Geschlechts- 
namen der   Flavier^  führen   sowohl    Odovacar^  wie   Theoderich*  iff; 

1)  Cod.  dipl.  Langob.  n.  38  col.  72,  angeführt  von  Bruuner  Rechtsgeschichte 
1,  271  [2.  Aufl.  S.  396].  Dass  für  das  correcte  consistens  Brixiae  hier  civis  Brixianus 
sich  eingestellt  hat,  ist  begreiflich.  —  Die  ecclesia  legis  Gothorum  und  die  ähn- 
lichen Formeln  der  ravennatischen  Urkunden  beziehen  sich  auf  die  arianische 
Coufession. 

2)  Bekanntlich  ist  Flavius  der  angeborene  Geschlechtsname  Constantius  L, 
wozu  er  dann  den  seines  Adoptivvaters  Valerius  fügte.  Jener  ging  nicht  blos 
auf  seine  gesammte  Descendenz  über,  sondern  auch  nach  deren  Erlöschen  auf 
die  sämmtlichen  späteren  Kaiser  (Eckhel  8,  500).  Die  Erbmonarchie  ist  zwar 
wie  der  vordiocletianischen  (Staatsrecht  2,  1135),  so  aucb  der  späteren  Staats- 
ordnung genau  genommen  fremd ;  wohl  aber  wird  die  Nachfolge  immer  als 
Erbfolge  gedacht,  ja  diese  Anschauung  sogar  auf  die  vordiocletianischen  Herr- 
scher übertragen  (a.  a.  0.  S.  1144-).  Dass  das  templum  gentis  Flaviae  auf  dem 
Quirinal,  eine  Anlage  Domitians  (Becker  Topogr.  S.  586),  von  Claudius  'futurm'tm 
memor''  ausgebaut  wird  (vita  3,  6  vgl.  trig.  tyr.  33,  6) ,  gehört  zu  dessen  fictiver 
Verknüpfung  mit  dem  constantischen  Hause  .  die  ihm  auch  in  der  gefälschten 
Urkunde  vita  Aurel.  17  den  Namen  Flavius  Claudius  verschafft  hat.  Die  im 
4.  Jahrh.  jenem  Gebäude  gegebene  seltsame  Bezeichnung  Flaviae  gentes  wird  auf 
die  Hinzuziehung  des  constantischen  Hauses  zu  dem  vespasianischen  bezogen 
werden  dürfen.  Von  dem  Flaviercult  in  Africa  spricht  Victor  Caes.  40,  28,  v<m 
dem  in  Italien  die  hispellatische  Inschrift  Henzen  5580  [C.  I.  L.  XI,  5265  = 
Dessau  705;  vgl.  ebd.  n.  5283  =  Dessau  6623],  bei  deren  Rettung,  als  diese  noch 
nöthig  war,  ich  in  den  Berichten  der  sächs.  Gesellschaft  1850  S.  199  ff.  weiteres 
über  den  Flaviercult  zusammengestellt  habe. 

3)  Auf  den  Münzen  nennt  er  sich  Fl(avius)  Odovac(ar).  Rossi  inscr.  ehr.  1 
p.  390;  Friediänder  Münzen  der  Vandalen  S.  58. 

4)  So  nennt  er  sich  in  den  Schreiben  an  die  römische  Synode  Thiel  epist. 
pontif.  1  p.  672.  678  [Cassiodorus  ed.  Mommsen  p.  420.  424]  und  an  den  römischen 
Senat  MG.  LL.  5,  169.  Cassiodor  hat  diese  Benennung  nicht,  ohne  Zweifel  nur, 
weil  er  consequent  die  Einnamigkeit  durchführt. 


r 

i 


Ostgothische  Studien.  477 

Folge  der  kaiserlichen  Bürgerrochtsverleihung  ^.  Sie  sind  befugt,  die 
römische  Tracht  zu  tragen,  und  wenigstens  Theoderich  hat  dies  537 
späterhin  gethan  (A.  2).  Sie  sind  fähig,  römische  Aemter  und  Ehren  zu 
empfangen,  wie  denn  insbesondere  Theoderich  als  magister  militum, 
als  Consul  und  als  patricius  fungirt  hat.  Ihre  Stellung  an  der  Spitze 
des  "Westens,  so  weit  er  damals  noch  zum  Reiche  gehörte,  —  Spanien 
ist,  auch  als  es  unter  Theoderich  stand,  von  ihm  als  selbständiges 
Königthum  beherrscht  worden  (S.  378^)  —  setzt  sich  aus  einem  zwie- 
fachen Element  zusammen:  sie  sind  einerseits  römische  Beamte, 
andererseits  Stammfürsten  der  im  römischen  Reich  angesiedelten, 
aber  des  römischen  Bürgerrechts  entbehrenden  Barbaren. 

Die  erstere  Stellung  ist  das  magisterium  militum  praesentale  mit 
erweiterter  Competenz,  insonderheit  durch  das  schon  dem  Odovacar 
beigelegte  Recht,  die  übrigen  nach  römischer  Ordnung  für  das  West- 
n  i(!h  erforderlichen  Beamten  zu  ernennen  und  durch  die  erst  unter 
Theoderich  hinzutretende  Befugniss,  das  Purpurgewand  ^  und  was 
sonst  die  kaiserliche  Hofhaltung  von  der  privaten  unterschied^,  gleich 

1)  Die  seit  dem  4.  Jahrh.  häufigen  vornehmen  Flavier  werden  zum  kleineren 

Theil  den  auch  in  vordiocletianischer  Zeit  nicht  seltenen  Häusern  dieses  Namens 

ioder  einer  der  beiden  flavisschen  Kaiserfamilien  entsprossen  sein;  bei  weitem  die 

(meisten  werden  denselben  führen   in  Folge   der  Schenkung  des  Bürgerrechts  an 

den  Begründer  des  betreifenden  Hauses  in   constantinischer  oder  nachconstanti- 

inischer  Zeit.     Nach   dem  früheren  Herkommen    (Staatsrecht  3,  64   A.  1)    giebt 

diese  dem  Neubürger  den  kaiserlichen  Geschlechtsnamen   und  wir  haben  keine 

lürsache,    weder    an    der  Fortdauer    dieses  Gebrauchs    zu  zweifeln,    noch   nach 

janderen  Gründen  zu  suchen.     Die  von  R.  Scholl  (bei  Nöldeke  die  ghassanischen 

|Färsten  S.  15)   zweifelnd   geäusserte  Vermuthung,   dass  der  Name  den  Patricier 

[bezeichne,  ist  auf  jeden  Fall  unstatthaft,  da  der  Patriciat  persönlich,  der  Name 

erblich  ist.     Es  sind  auch  keineswegs  gerade  die  vornehmsten  Geschlechter,  bei 

welchen  der  Flaviername  sich  einstellt,  viel  eher  die  fremden,  wie  zum  Beispiel 

oei  Stilicho    und  Merobaudes,    ebenso  den   saracenischen  Phylarchen   und   den 

germanischen   Königen.     Die    massenhafte  Einführung   germanischen    und    über- 

laupt    ausländischen    Blutes    in    die    römische    Aristokratie,    welche    mit    dem 

^ermanophilen   Constantin    beginnt,   spiegelt   sich    in    den   vornehmen  Flaviern 

lieser  Jahrhunderte  ebenso  deutlich,  wie  die  Einführung  der  inländischen  Nicht- 

•ömer  in   den  römischen  Heerdienst  in  den  Aeliern  und  Aureliern  des  zweiten 

md  des  dritten  Jahrhunderts. 

2)  Cassiodor  chron.  zum  J.  476:  nomen  regis  Odovacar  adsumpsit,  cum  tarnen 
xfc  purp^cra  nee  regalibus  uteretur  insignihus.  Anon.Vales.  53:  mittens  legationem 
Cheodericus  .  .  .  ad  Zenmiem  imperatorem  et  ab  eodem  sperans  vestem  se  induere 
egiam.  Jordan  es  Get.  57,  295:  Theodsricus  .  .  .  Zenone  imp.  consulto  pi-ivattim 
abitum  suaeque  gentis  vestitum  seponens  insigne  regio  amictu  quasi  iam  GotJwrum 
lomanormnque  regtiator  adsumit.  Dass  er  den  Purpur  trug  wie  der  Kaiser, 
estätigt  Cassiodor  var.  1,  2  [§  2]. 

8)  Die  regalia  insignia,  auf  welche  Odovacar  nicht  Anspruch  machte  (A.  2) 


478  Ostgothische  Studien. 

dem  Kaiser  zu  führen.  Trotz  dieser  weitgehenden  Befugniss  blieben 
sie  römische  Beamte.  Es  ist  nicht  weit  von  Stilicho  zu  Odovacar 
538  und  Theoderich.  Wären  die  Präliminarien  zur  Ausführung  gelangt, 
welche  zwischen  den  Abgesandten  Justinians  und  dem  Nachfolger 
Theoderichs  vereinbart  wurden  und  in  denen  dieser  auf  das  Recht 
der  Beamtenernennung  und  ohne  Zweifel  auch  auf  den  Purpur  ver- 
zichtete, so  wäre  zwischen  dem  also  beschränkten  Gothenkönig  und 
dem  römischen  magister  militum  kaum  eine  Yerschiedenheit  übrig 
geblieben.  Aber  auch  die  volle  Herrschergewalt,  wie  sie  nach  dem 
Abkommen  mit  Anastasius  König  Theoderich  bis  zu  seinem  Ableben 
unbestritten  ausgeübt  hat,  ist  die  eines  römischen  Beamten.  Er 
vermied  freilich  sich  magister  militum  zu  tituliren,  da  er  mehr  war, 
aber  er  nannte  sich  auch  nicht  Augustus  und  was  ihn  betraf  war 
nicht  sacrum;  er  besass  das  Münzrecht  nicht  oder  doch  nur  in  unter- 
geordneter Weise ;  die  Gesetzgebung  übte  er  nur  in  der  Beschränkung 
wie  andere  hohe  Reichsbeamte  auch;  das  Recht  dem  Nichtrömer  das 
Bürgerrecht  zu  verleihen  und  also  Gothen  in  die  römischen  Aemter 
und  den  römischen  Senat  zu  bringen  hat  ihm  ebenfalls  gefehlt. 
Theoderich  hat  die  weitgezogenen,  aber  dennoch  seine  Stellung  von 
der  der  Könige  der  Burgunder  und  der  Westgothen  scharf  scheiden- 
den Schranken  nach  der  formalen  Seite  hin  streng  eingehalten  und 
nie  aufgehört  den  Westen  als  Beamter  des  Kaisers  zu  regieren^,  v 
Daneben  war  der  römische  magister  militum  zugleich  König 
derjenigen  im  römischen  Reich  angesiedelten,  aber  nicht  zu  den 
Reichsbürgern  zählenden  Germanen,  denen  er  durch  seine  Geburt 
angehörte.  Wie  weit  dieser  Kreis  zu  ziehen  ist,  lässt  sich  direct 
aus  den  römischen  Quellen  nicht  entscheiden;  aber  es  wird  kein 
Verständiger  daran  zweifeln,  dass  der  Gothenkönig  Theoderich  zu-  j 
nächst  nicht  viel  mehr  gewesen  ist  als  jene  Könige  der  Alamannen, 
mit  deren  sieben  Julian  bei  Strassburg  schlug,  dass  er,  wie  es  jetzt 
ausgedrückt  zu  werden  pflegt,  nicht  als  Volkskönig  der  Gothen  seine 
Laufbahn  begann,   sondern  einer  ihrer  Gaukönige   war.     Erweitert! 

und  die  ornamenta  palatü,  welche  derselbe  nach  Constantinopel  sandte  und  die 
dann  Anastasius  an  Theoderich  zurückschickte  (anon.  Vales.  64),  fallen  wesentlich 
zusammen;  neben  dem  abstracten  Recht,  das  rothe  Gewand  anzulegen,  kam  in 
Betracht  die  kaiserliche  Garderobe  selbst,  das  Diadem  und  die  sonstigen  Juwelen, j 
das  goldene  Tafelgeschirr  und  was  dessen  mehr  ist  (Friedländer  Sittengesch. 
1«,  168). 

1)  Die  Aeusserung  Prokops  bell.  Goth.  1,1,  dass  er  sich  die  Kaisergewalt 
angemasst  und  in  der  That  als  vortrefflicher  Kaiser  regiert  habe  ßSyto  /"f' 
zvgavvog,  sgyco  8k  ßaodsvg  äkrj&rji;  zcöv  iv  ravxrj  rrj  ri/Lifj  .  .  .  rjvdoxifxrjxöxoiv  ovösvoi 
rioaov),  ist  natürlich  politisch  gemeint  und  insofern  vollkommen  richtig. 


I 


Ostgothische  Studien.  479 

hat  sich  diese  seine  Hausmacht,  so  zu  sagen,  bei  oder  kurz  nach 
der  Eroberung  Italiens  dadurch,  dass  die  daselbst  ansässigen  Ger- 
manen, soweit  sie  nicht  von  ihm  ausgerottet  oder  ausgetrieben 
wurden,  ihn  sämmtlich  als  ihren  Stammfürsten  anerkannten^,  wie 
dies  nachweislich  die  Rügen  gethan  haben  2.  Die  'Gothen',  als  deren  539 
Fürst  er  seines  römischen  Amtes  waltet,  sind  in  der  That  eine  durch 
Sammteid  unter  sich  geeinigte  und  an  ihn  geknüpfte  Conföderation 
germanischer  selbst  königloser  Gaue  ^.  Insofern  wird  man  ihn  aller- 
dings als  Yolksfürsten  auffassen  müssen,  nur  dass  seine  Gothen  mit 
dem  ethnologisch  also  bezeichneten  Kreis  sich  keineswegs  decken. 
Von  seiner  germanischen  Fürstenstellung  entnimmt  Theoderich  seinen 
lateinischen,  aber  nicht  römischen  Amtstitel.  Aber  er  nennt  sich 
weder  rex  Gothorum  noch  rex  Romanonim  —  jenes  nicht,  weil  er 
damit  seine  Yorstandschaft  über  die  Römer  ausschliessen  würde, 
dieses  nicht,  weil  er  es  nicht  ist  und  es  überhaupt  einen  rex  Roma- 
norum nicht  giebt.  Expressa  nocent.  Er  nennt  sich  rex  schlechthin 
und  überlässt  es  dem  Publicum,  in  diese  Benennung  seine  Doppel- 
stellung hineinzulegen*.     Mit  dieser    seiner  Fürstenstellung    ist    das 


1)  Diesen  Act  hat  der  Chronist  (anon.  Vales.  57)  im  Sinn  bei  den  Worten: 
uf  .  .  .  oecidit  Odovacrem ,  Gothi  sibi  confirmaverunt  Theoderieum  regem,  non  ex- 
pectantes  hissionem  nov/i  pi'incipis  (des  Anastasius).  Einerseits  ist  damit  anerkannt, 
dass  Theoderichs  Königsstellung  in  Italien  mit  seinem  angestammten  Königthum 
nicht  identificirt  werden  kann,  andererseits,  dass  jene  byzantinischer  Genehmigung 
nicht  unterlag.  Bei  den  föderirten  Königen  kommt  freilich  römische  Belehnung 
vor,  aber  keineswegs  ist  sie  allen  gemein,  und  dass  sie  auf  die  Gotheukönige 
niemals  Anwendung  gefunden  hat,  beweist  unwiderleglich  das  Schweigen  der 
Byzantiner. 

2)  Pi'okop  b.  G.  3,  2  nennt  die  Rügen  einen  früher  unabhängigen  gothischen 
Stamm  (e-&vog):  OsvdsQi^ov  de  avzovg  x6  xav^  dgxag  JZQoaetaigcaafisvov  ^vv  äXXoig 
tioiv  e^vEOiv  eg  xe  t6  yevog  anoxexQivxo  xal  ^vv  avxoTg  ig  xovg  noXsixiovg  curavxa 
•nQaoaov  yvvai^l  fievxoi  d>g  ^xioxa  snifiiyvvfisvoi  dXXoxQiaig  dxQai<pvioc  Jiaiöcov  8ia- 
^oxaig  x6  xov  k'&vovg  ovofia  iv  0(pioiv  avxoTg  dceacoaavxo. 

3)  Darum  erfolgt  die  Kriegserklärung  der  Gothen  cum  coniuratis  nobis  gentibus 
3,  2  [§  3] ;  ebenso  3, 1  [§  3] :  obiciamus  cum  nostris  coniuratis  —  vielmehr  coniuratas 
—  eximias  gentes),  Theoderichs  Gothen  sind  also  ein  Bund  mehrerer  demselben 
iönig  gehorchender  Stämme,  die  ihre  Sonderstellung  bis  zu  einem  gewissen 
jrrade  gewahrt  haben.  Durch  die  Gewinnung  Spaniens  tritt  Ehegemeinschaft 
;wischen  den  dortigen  und  den  italischen  Gothen  ein  (Prokop  b.  G.  1,  12).  Un- 
gefähr nach  demselben  Schema  entstand  in  Africa  das  Königthum  der  'Vandalen 
ind  Alanen'  nach  der  officiellen  Bezeichnung  (vgl.  in  diesem  Archiv  8,  853 
Ges.  Sehr.  4,  565].  11,630;  Prokop  b.  Vand.  1,  24) ,  während  gewöhnlich,  wie 
'rokop  b.  Vand.  1,  5  sagt,  rä  xwv  'Akavcöv  xal  xcöv  äXlcov  ßagßaQCov  ovöfiaxa  Jilijv 
^avQOvaicov  ig  xo  xcöv  BavdiXcov  änavxa  djisxgi&t]. 

4)  Bei  Prokop  b.  Pers.  2, 1;  b.  Vand.  1,  13  heissen  er  und  seine  Nachfolger 


4g0  Ostgothische  Studien. 


\ 


römische  Magisterium  nicht  bloss  personal  verknüpft,  sondern  die 
Lebenslänglichkeit  der  ersteren  ist  auf  das  römische  Amt  übertragen. 
Selbst  die  Jahrzählung  knüpft  bei  ihm  nicht  an  das  Amt  an,  sondern 
an  das  Gaukönigthum ;  die  Tricennalien,  welche  Theoderich  im  J,  500 
in  Rom  feierlich  begeht,  können  nur  auf  das  letztere  bezogen  werden  ^. 
540  Auch  die  Nachfolge  ist  principiell  nicht  magistratisch,  sondern  monar- 
chisch gedacht  und  geordnet,  aber  merkwürdiger  Weise  monarchisch 
nicht  im  germanischen,  sondern  im  byzantinischen  Sinn.  König 
Theoderich  verfügt  auf  dem  Todbette  über  seine  Herrschaft  zv^ 
Gunsten  seiner  Tochter  und  seines  Tochtersohns;  nach  dessen  Tode 
ernennt  die  Tochter  den  Theodahathus  zum  Mitherrscher;  diesen 
setzen  die  Gothen  ab  und  machen  an  seiner  Stelle  den  Witiges  zum 
König.  Dies  alles  ist  wenig  germanisch,  aber  gut  byzantinisch.  In 
der  Regel  wird  in  der  nachdiocletianischen  Epoche  die  eigentlich* 
Nachfolge  im  Regiment  durch  die  Herbeiführung  der  Mitherrschal 
vermieden;  selbst  bei  getheiltem  Reich  geht  die  in  der  einen  Reichj 
hälfte  erledigte  Herrschaft  von  Rechtswegen  auf  den  Herrscher  del 
andern  über.  Aber  das  Kaiserthum  dieser  Epoche  ist  auch  hin- 
sichtlich der  Nachfolge  eine  auf  sich  selbst  gestellte  Autokratie. 
Der  Herrscher  verfügt  darüber  nicht  bloss  durch  einen  bei  seinen 
Lebzeiten  in  Kraft  tretenden  Act,  wie  die  Ernennung  zum  mit- 
herrschenden Augustus  ist,  sondern  auch  durch  letztwillige  Bestim- 
mung, wie  denn  Constantin  L  in  dieser  Weise  die  Nachfolge  ordnete 
und  Kaiser  Arcadius  testamentarisch  den  König  der  Perser  zum 
Vormund  seines  unmündigen  Sohnes  bestellte.  In  Ermangelung 
einer    derartigen  Anordnung    tritt   nicht    etwa    Intestaterbfolge    ein. 

Könige  der  Gothen  und  der  Italiker;  auch  dies  ist  nicht  titular,  sondern  sachlich 
zu  verstehen  und  insofern  richtig. 

1)  Die  Feier  der  Tricennalien  Theoderichs  erwähnt  Anon.  Vales.  67 ;  sein 
Bericht  kann  nur  auf  das  Jahr  500  bezogen  werden  und  diese  Datirung  wird 
auch  durch  Marius  von  Aventicum  gestützt,  während  die  Kopenhagener  Fort- 
setzung des  Prosper  die  gleichen  Vorgänge  dem  J.  504  zutheilt.  Indem  die 
Unvereinbarkeit  der  officiellen  Zählung  italischer  Regierungsjahre  Theoderichs 
mit  dessen  sonstigem  Verhalten  übersehen  ward,  versuchte  man  jene  Angabe 
durch  halsbrechende  ICmendation  darauf  zu  beziehen.  Der  Beziehung  der  über- 
lieferten Tricennalien  auf  das  gothische  Königthum  steht  kein  wesentliches 
Hinderniss  entgegen.  Der  Bericht  des  lordanes,  der  einzige,  der  auf  seinen 
Eintritt  in  dasselbe  eingeht,  führt  allerdings  ungefähr  auf  474  statt  auf  471: 
aber  bei  lordanes  Chronologie  will  eine  Differenz  dieser  Art  wenig  bedeuten. 
—  Damit  besteht  es,  dass  derselbe  Annalist,  der  die  Tricennalien  erwähnt,  dem 
König  33  Regierungsjahre  beilegt  (c.  58:  regnavit  annos  XXXIIl);  in  der  Er- 
zählung behandelt  er  ihn  als  das,  was  er  war,  als  König  von  Italien  und  rechnet  i 
diese  HeiTschaft  vom  Tode  Odovacars. 


Ostgothische  Studien.  481 

sondern  besetzt  den  Thron  die  Gesammtheit  der  Offiziere,  wie  dies 
nach  dem  Tode  Julians  und  Jovians  geschehen  ist;  selbst  die  revo- 
lutionären militärischen  Kaisercreationen  werden  nach  dem  Staats- 
recht auch  dieser  Epoche,  ebenso  wie  nach  dem  älteren,  dadurch 
legitimirt,  dass  sie  gelingen.  Diesem  Muster  sind  die  Gothen  gefolgt 
und  zeigen  sich  damit  recht  deutlich  als  das,  was  sie  sind,  Soldaten 
und  Offiziere  des  römischen  Kaiserreichs^.  Wenn  Justinian  den  von 
Athalarich  ernannten  Consul  ohne  weiteres  ebenso  proclamirt  wie 
die  von  Theoderich  creirten  und  dann  nach  dem  Siege  alle  Gothen- 
könige,  auch  den  Witiges  als  legitime  anerkennt  und  ihnen  den 
'Tyrannen'  Baduila  gegenüberstellt  (S.  476),  so  hat  freihch  dabei  die  541 
Rücksicht  auf  die  mit  Witiges  abgeschlossene  Capitulation  eingewirkt; 
aber  er  spricht  damit  doch  nur  aus,  was  dem  bestehenden  Staatsrecht 
entsprach.  Allerdings  aber  offenbart  sich  hier  ebenfalls,  dass  das  mit 
der  Einwilligung  des  Herrschers  von  Constantinopel  eingerichtete 
germanische  Königthum  von  Italien  nicht  als  personale  Massregel 
gedacht  war,  sondern  als  dauernde  Reichsverweserschaft.  Es  ist  das 
lauch  vollkommen  begreiflich.  Auf  die  efiFective  Reichseinheit  hatte 
iman  längst  verzichtet  und  für  den  griechischen  Kaiser  war  die  Er- 
setzung des  occidentalischen  durch  einen  König- Reichsverweser  eine 
Steigerung  wenn  nicht  seiner  Macht-  doch  seiner  Ehrenstellung. 
Justinians  Versuch  die  Reichseinheit  zu  erneuem  hat  nach  ephemeren 
Erfolgen  nur  bewirkt,  dass  der  Westen  auf  immer  vom  Reiche  sich 
löste. 

Trotz  dieser  Doppelstellung  der  germanischen  Könige  in  Italien 
ist  das  Regiment  derselben  theoretisch  wie  praktisch  wesentlich  die 
IPortsetzung  des  bisherigen  kaiserlichen :  die  Germanen  derselben  sind 
nichts  als  in  römischen  Dienst  getretene  ausländische  Soldaten,  Theo- 
iderichs  Gewalt  über  dieselben  nicht  die  des  germanischen  Königs 
über  seine  Waffengefährten,  sondern  die  des  römischen  magister 
\nilitum  über  seine  foederati.  Darum  unterwarfen  sich  die  Gothen 
iem  römischen  Feldherrn  Belisar,  als  sie  sich  überzeugt  hielten, 
'lass  er  sich  zum  Kaiser  des  Occidents  werde  ausrufen  lassen;  sie 
vürden,  wäre  dies  geschehen,  lediglich  in  ihrer  bisherigen  Stellung 
erblieben  sein  und  nur  den  Commandoträger  gewechselt  haben. 

Vielleicht  werden  die  Mitforscher  sich  dieser  Auffassung  eher 
nschliessen,  wenn  eine  derartige  Doppelstellung  in  den  römischen 
xrenzdistricten  auch   sonst  nachgewiesen  wird.     In  der  That  unter- 


1)  In  scharfem  Gegensatz  dazu  hat  das  Königthum  der  Vandalen,  das  als 
jnabhängig  von  Zeno  anerkannt  ward  (Prokop  b.  Vand.  1,  7),  seine  eigene  nach 
jermanischen  Grundsätzen  geregelte  Erbfolgeordnung  (a,  a.  0.). 

MOMMSEN,   SCHR.  VI.  31 


482'  Ostgothische  Studien. 

scheiden  sich,  die  Gothen  Theoderichs  und  Athalarichs  von  den 
ungefähr  gleichzeitigen  Saracenen  Alhiraths  und  Almundhirs  nur 
durch  die  grösseren  Verhältnisse^.  Auch  diese  Saracenen  sind 
Flavier  und  Patricier.  Auch  sie  gelten  den  byzantinischen  Histo- 
rikern als  Könige,  obwohl,  da  ßaodevg  nur  dem  Kaiser  zukommt, 
in  der  officiellen  griechischen  Titulatur  der  dem  rex  entsprechende 
cpvXaQxog  eintritt.  Auch  sie  sind  über  sämmtliche  in  der  Provinz 
Arabien  den  Römern  gehorchende  arabische  Stammfürsten  gesetzt, 
eben  wie  Theoderich  König  ist  nicht  bloss  über  seinen  Erbgau, 
542  sondern  auch  über  andere  conföderirte  germanische  Haufen.  Auch 
sie  führen,  gleichsam  als  Ober-Phylarchen,  neben  dem  Civilstatthalter 
und  dem  römischen  Befehlshaber  (dem  dux)  ein  Avahrscheinlich  von 
dem  des  letzteren  örtlich  abgegrenztes  Commando,  welches  der  Sache 
nach  dem  römischen  Ducat  ebenso  entspricht  wie  das  Commando 
Theoderichs  dem  des  magister  miliium.  Auch  dieses  Commando  ist 
mit  dem  Stammfürstenthum  so  fest  verknüpft,  dass  die  Zeitbegrenzung 
der  römischen  Magistratur  dabei  cessirt  und  der  Yater  den  Sohn 
ohne  weiteres  dem  Kaiser  als  Nachfolger  präsentirt.  Diese  Ord- 
nungen sind  in  der  Hauptsache  nicht  erst  damals  entstanden,  sondern 
die  althergebrachten  der  römischen  Clientelstaaten;  die  für  die  zum 
Reiche  gehörigen,  aber  'barbarischen'  Grenzdistricte  ausgebildeten 
festen  Formen  haben  mit  geringen  Modificationen  auf  die  Germanen 
des  Westreichs  wie  auf  •  die  römischen  Grenzhüter  der  arabischen 
Wüste  Anwendung  gefunden. 

Die  Einsicht  in  die  Stellung  der  Germanen  in  Italien  giebt 
weiter  den  Schlüssel  für  die  in  Gallien,  Spanien,  Africa  gebildeten 
Germanenreiche,  überhaupt  für  die  aus  dem  römischen  Föderaten- 
wesen  hervorgegangenen  Kleinstaaten,  wie  dies  Sybel  in  seiner  vor- 
trefflichen Erörterung  über  das  deutsche  Königthum  längst  klar 
entwickelt  hat.  Dass  Theoderichs  römisches  Regiment  nicht  das 
kaiserliche,  sondern  das  des  kaiserlichen  Beamten,  dass  seinYertrag 
mit  Kaiser  Anastasius  staatsrechtlich  vielmehr  die  Erwirkung  seiner 
Anstellung  als  Vertreters  des  Kaisers  im  Westreich  ist,  dass  ihm  die 
Benennung  des  Herrschers  ebenso  mangelt  wie  die  eigentlichen 
Prärogative    des  Herrscherthums,    das  Münzrecht    und    die    Gesetz- 


1)  Alles  was  folgt  ist  ausgezogen  aus  der  schönen  Abhandlung  Nöldekes 
über  die  ghassanischen  Fürsten  aus  dem  Hause  Gafna's  (Abhandlungen  der  ! 
Berliner  Akademie  1887).  Ich  führe  nur  die  beiden  Inschriften  an  Waddington  ■ 
2562  c:  0X.  'J}.a/j.ovv&aQ[o]g  [6]  jiavEVCprjfio?  natQUiiog)  xai  tpvlagxos  und  2110  vom  j 
J.  578:  im  rov  7iavev(p{riixov)  'Jla/Mvvddgov  naxQixiov  sv  eii  voy  rfjg  inagxi^KK)  ' 
ivd{ixnciiJvog)  la  . 


y 


Ostgothische  Studien.  483 

gebung,   dies  unterscheidet  ihn  von  den  gleichzeitigen  Königreichen 
der  Burgunder,   der  Westgothen  und  der  Vandalen,   und  nur  um  so 
schärfer,   weil   er   eine  Reihe  von  Jahren  hindurch   zugleich  Italien 
als  römischer  Reichsverweser  und  Spanien   als  unabhängiger  König 
regiert  hat.     Aber   alle  jene   selbständigen  Germanenstaaten  haben 
dieselbe  Vorstufe  durchgemacht,  auf  welcher  wir  Italien  unter  Odo- 
vacar  und  Theoderich  finden;  ihre  Stifter  begannen  alle  als  römische 
Generale  germanischer  Föderaten.     Wenn  die  italischen   Germanen 
über  diese  Stufe  nicht  hinausgelangt  sind,  so  beruht  dies  theils  darauf, 
dass  das  römische  Element  in  Italien  eine  stärkere  "Widerstandskraft 
gegen  die  Fremden  entwickelte  als  die  romanisirten  Provinzen,  theils 
in  zufälligen  Umständen,  Theoderichs  Abgang  ohne  einen  ebenbürtigen 
Nachfolger  und  die  in  treuloser  Zeit  dem  Herrscher  bewahrte  Treue 
eines  byzantinischen  Generals.     Man   sollte  diese  Epoche  nicht  als 
die  Bildung  römisch -germanischer  Königreiche  bezeichnen,   sondern 
als  die  Zersplitterung  des  römischen  Reiches  in  Theilstaaten,  als  die  543 
Vollendung  derjenigen   staatlichen  Entwickelung,    deren  Vorfrühling 
das  gallische  Kaiserthum   des  Postumus   und  des  Tetricus    ist,    die 
dann  in  dem  Auseinanderfallen  der  lateinischen  und  der  griechischen 
Reichshälfte  principiell   sich   entscheidet    und    in   der  Zersplitterung 
des  Westreichs  in  kleine  Kaiserthümer  ihren  letzten  Ausdruck  findet. 
[Allerdings  führt  dieselbe  wohl  im  ersten  Stadium  nur  zur  territorialen 
'rBeschränkung    der    einzelnen   Herrschaftsgebiete,    aber   im    zweiten 
[weiter  zur  Auflösung  der  politischen  Institutionen  Roms;    und  auch 
pafür  ist  die  theodericianische  Organisation  lehrreich.    Die  römischen 
Einrichtungen,   nicht  bloss  die  bürgerlichen,   sondern  auch  die  mili- 
tärischen stehen    in  ihrer  ganzen   völlig   bureaukratischen,    aber  in 
hrer   Art    bewundernswerthen    Durchbildung    noch    wesentlich    alle 
lufrecht ;  formell  erscheint  nichts  verändert,  als  dass  die  militärischen 
\.emter   mit    den    im   Reiche    angesiedelten   Soldaten    ausländischer 
lerkunft  besetzt  werden.    Aber  das  königliche  Selbstregiment  greift 
11  alle  Zweige  der  staatlichen  Thätigkeit  mit  einer  Energie  ein,  wie 
lie  in  dem  diocletianischen-constantinischen  Regiment  wohl  principiell 
nthalten  war,  aber  schon  wegen  der  örtlichen  Ausdehnung  des  Reiches 
•raktisch  nie  mit  einiger  Dauer  sich  hat  realisiren  können;    es  ist 
in  Ausfluss  dieses  Selbstregiments,  dass  die  amtlosen  maiores  domus 
egiac   in    königlichem    Specialauftrag    bei    weitem    stärker    an    den 
legierungsgeschäften  betheiligt  sind,  als  die  mit  römischen  Aemtem 
usgestatteten  Römer  und  Gothen.     In   der  weiteren  Entwickelung 
ätte  dies   nothwendig  zu  denselben  Zuständen  führen  müssen,   wie 
ie  Provinzialstaaten  des  Westens  sie  aufweisen:  neben  desorganisirten 

31* 


484  Ostgothische  Studien. 

Resten  der  römischen  Organisation,  den  defensores,  den  cancellarii, 
den  comites  eine  aus  dem  absoluten  Kaiserthum  sich  ableitende 
Herrschergewalt.  Diese  Bastardstaaten  hatten  denn  auch,  wie  bilhg, 
kaum  rechte  Zukunft.  Die  Neubildung  der  germanischen  Staaten 
hat  sich  nicht  bei  ihnen  vollzogen,  sondern  bei  den  Langobarden 
und  vor  allem  bei  den  Franken,  die  wohl  auch  mit  den  Resten  der 
römischen  Civilisation  sich  auseinanderzusetzen  hatten,  aber  keines- 
wegs als  Trümmer   des  Kaiserreichs  ihre  neuen  Bahnen  begannen. 


Nach  Abschluss  des  Druckes  geht  mir  von  Herrn  Augusto 
Gaudenzi,  Professor  der  Rechte  in  Bologna,  eine  Schrift  zu  s\ 
rapporti  tra  VItalia  e  Vimpero  cf  Oriente  fra  gli  anni  476  e  554  d. 
(Bologna  1888.  pp.  232).  Dieselbe  entwickelt  zunächst  mit  Sachl 
künde  und  Scharfsinn,  freilich  zum  Theil  mit  allzu  starker  Kn* 
Wendung  des  conjecturalen  Pragmatismus,  die  wechselnden  politisch! 
Yerhältnisse  zwischen  Constantinopel  und  Ravenna,  berührt  aber,  wi^ 
544  selbstverständlich,  vielfach  die  hier  erörterten  Yerhältnisse  und  icl^ 
freue  mich,  in  den  meisten  Fällen  mit  dem  jungen  viel  versprechen^ 
den  italienischen  Gelehrten  zusammenzutreffen.  "Wo  dies  nicht  der 
Fall  ist,  werden  die  Mitforscher  prüfen.  Hier  nachträglich  möchte 
ich  nur  zur  Sprache  bringen,  dass  Gaudenzi  S.  152  die  Einführung 
des  comes  sacri  pafrimonii  durch  Anastasius  meines  Erachtens  mit 
Unrecht  anficht.  Indem  ich  im  Uebrigen  auf  die  oben  S.  401  ge- 
gebene Ausführung  verweisen  kann,  habe  ich  nur  hinzuzufügen,  dass 
die  in  der  Verordnung  des  Glycerius  vom  J.  473  (Hänel  corpus  legum 
p.  260)  vorkommenden  Worte :  eiusdem  .  .  anni  quo  sacerdos  vocatur 
comes  nostri  patrimonii  ecclesiasticae  suhstantiae  moderetur  impensas 
nichts  hindert  auf  den  comes  rerum  privatarum  zu  beziehen,  da  die 
res  privatae  oft  genug  Patrimonium  des  Kaisers  heissen  und  die  Be- 
zeichnung in  der  Verordnung  weder  titular  noch  gegensätzlich  auf-  j 
tritt.  Diese  Stelle  berechtigt  also  keineswegs,  eine  durch  zwei  von 
einander  unabhängige  byzantinische  Quellen  berichtete  und  durch  die 
Beschaffenheit  des  entsprechenden  Titels  in  Justinians  Gesetzsamm- 
lung beglaubigte  Nachricht  für  falsch  zu  erklären. 


I 

I 


XXI. 

Die  Quellen  der  Langobardengeschichte 
des  Paulus  Diaconus.*) 

Paulus  Diaconus  Geschichte  Italiens  von  der  Gründung  Roms  53 
bis  zum  Beginn  der  Karolingerzeit  ist  recht  eigentlich  der  Schritt- 
stein von  der  alten  zu  der  modernen  Cultur,  die  Wende  bezeichnend 
und  beide  verbindend.  Dass  die  Langobarden,  den  Spuren  des 
grossen  Theodorich  folgend,  bei  ihrer  Uebersiedelung  nach  Italien 
nicht  blos  die  eigene  Sprache  verhältnissmässig  rasch  mit  der  der  neuen 
Heimath  vertauschten,  sondern  auch  die  Erinnerungen  und  die  Vor- 
geschichte Roms,  ohne  die  eigenen  Ahnen  fallen  zu  lassen,  ebenfalls 
rückwärts  adoptirten,  das  hat  zum  guten  Theil^die  neue  Welt  in 
die  Bahn  gewiesen,  in  der  sie  heute  noch  sich  bewegt;  und  keiner 
hat  das  lebendiger  empfunden,  keiner  durch  seine  Schriften  so  viel 
dazu  beigetragen  römischer  und  germanischer  Tradition  zu  gleich- 
berechtigtem Besitzstand  zu  verhelfen  wie  dieser  Benedictinermönch, 
als  er  nach  dem  Untergang  seines  Stammstaats  dessen  Geschichte 
als  einen  Theil  der  italischen  schrieb.  Dass  dem  Schriftsteller  Paulus 
seiner  Persönlichkeit  nach  ein  Platz  in  erster  Reihe  zukomme,  soll 
damit  nicht  behauptet  werden.  Es  ist  schwer  über  die  geistige 
Begabung  derjenigen  Männer  zu  urtheilen,  welche  in  den  Incunabeln 
der  Historie  gearbeitet  haben;  so  schwer,  wie  nach  den  Werken 
der  primitiven  Bildhauer  und  Maler  über  die  künstlerische  Befähigung 
Ides  Meisters  ein  sicheres  Urtheil  zu  fällen.  Aber  ohne  Zweifel 
nimmt  Paulus  insofern  eine  litterarische  Sonderstellung  ein,  als  die 
römische  Bildung  bei  ihm   sich  bis    zu    einem    Grade    verinnerlicht 


*)  [Neues  Archiv   der  Gesellschaft   fßr   ältere  deutsche  Geschichtskunde  5 
1880)  S.  53—103  mit  einer  Karte  (s.  unten  S.  527).  —  Vgl.  Waitz  ebenda  S.  415  ff. 
P.  del  Giudice,  Lo  storico   dei  Langobardi  e  la  critica  moderna  (Milano  1880). 
Neff,  Neues  Archiv  17  (1892)  S.  204  ff.] 


486         Diß  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 


hatte,  wie  sie  in  dieser  Epoche  geradezu  ohne  Beispiel  ist.  Wohl 
schrieb  er  das  Latein  seiner  Zeit  und  scheint  auch,  während  seine 
Verse,  namentlich  die  Hexameter  und  die  Distichen,  relativ  correct 
sind,  in  der  Prosa  sich  der  damals  üblichen  unklassischen  Rede- 
formen, zum  Beispiel  des  absoluten  Accusativs  und  ganz  vereinzelt 
des  substantivirten  Particips  nicht  durchaus  enthalten  zu  haben. 
Aber  wer  auch  nur  einigermassen  die  stammelnden  und  stümper- 
haften Schriftstücke  kennt,  wie  sie  in  jener  Zeit  verfertigt  wurden^, 
54  der  betrachtet  mit  Verwunderung  und  zuweilen  mit  Bewunderung 
dies  durchaus  klare,  meistens  bequeme  Latein,  diese  verständige  und 
doch  aller  Affectirung  fern  stehende  Wortfügung,  diese  Fähigkeit 
zu  gestalten  und  zu  stilisiren.  Ganz  abgesehen  von  dem  Inhalt 
seiner  Mittheilungen  ist  es  der  Mühe  werth  sich  zu  vergegenwärtigeq|ti 

1)  Ich  kann  es  mir  nicht  versagen  an  einem  Beispiel  zu  zeigen,  wie  hoch 
Paulus  als  Stilist  sogar  über  dem  ihm  noch  am  nächsten  kommenden,  in  anderer 
Hinsicht  im  Ganzen  vorzüglicheren  Gregor  von  Tours  steht.  Ich  wähle  den 
Bericht  über  die  Schlacht  zwischen  den  Pranken  und  den  Langobarden,  den 
Paulus  3,  29  ausdrücklich  aus  der  Historia  Francorum  anführt  als  hisdem  ipsis 
paene  verbis  exarata: 


Gregorius  9,  25: 
(Childebertus)  legationem  ad  impera- 
torem  direxit,  ut,  quod  prius  non  fecerat, 
nunc  contra  Langobardorum  gentem 
debell  ans  cum  eius  consilio  eos  ab 
Italia  removeret  [removerit  Arndt  in  s. 
Ausg.].  Nihilominus  et  exercitum 
suum  ad  regionem  ipsam  capessen- 
dam  direxit.  Commotis  ducibus 
cum  exercitu  illuc  [exercitum  illic 
Arndt]  abeuntibus  confligunt  pariter. 
Sed  nostris  valde  caesis  multi  prostrati, 
nonnulli  capti,  plurimi  etiam  per  fugam 
lapsi  vix  in  patriam  [patriae  Arndt] 
redierunt;  tantaqiie  ibi  fuit  strages  de 
Francm'um  exercitu,  ut  olim  similis 
[simiU  Arndt]  non  recolatur. 


Paulus  3,29: 
(Childepertus)  legationem  ad  impera- 
torem  Mauricium  direxit  mandans 
ei,  tit,  quod  prius  non  fecerat,  nunc 
contra  Langobardorum  gentem  bellum 
susciperet  atque  cum  eius  consilio 
eos  ab  Italia  removeret.  Qui  nihil 
moratus  exercitum  suum  ad  Lango- 
bardorum debellationem  in  Italiam 
direxit.  Cui  Authari  rex  et  Lango- 
bardorum acies  non  segniter  ob- 
viam  pergunt  proque  libertatis 
statu  fortiter  confligunt.  In  ea 
pugna  Langobardi  victoriam  ca 
piunt:  Franci  vehementer  caesi, 
nonnulli  capti,  plurimi  etiam  per  fugam 
elapsi  vix  ad  patriam  revertuntur 
tantaque  ibi  strages  facta  est  de  Fran- 
corum exercitu,  quanta  usquam  alib' 


non  memoratur. 

Man  sieht,  wie  der  Langobarde  die  Satzglieder,  die  dem  Franken  in  der  Pedej  ^- 
stecken  bleiben,   durchgängig  ergänzt  und  seine  Quelle  mit  der  vollen  Ueber  iiB 
legenheit   des   darstellenden  Historikers   über   das   geschichtliche    Rohmaterial  m) 
behandelt.    Andrerseits  versteht  es  sich  von  selbst,  dass  solche  Ueberarbeitunj!  ^ 
recht  gefährlich  ist;    die   sachliche    Forschung  wird   diese   Uebertünchung  de 
Ueberlieferung  bei  Paulus  niemals  aus  den  Augen  verlieren  dürfen. 


y 


r 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  ,      487 

wie  er  sein  Geschichtswerk  aus  den  disparatesten  Quellen  mit  voller 
Herrschaft  über  den  Stil  zu  formaler  Einheit  durchgebildet  hat.  Der 
Grundstock  seiner  Arbeit  ist  bekanntlich  der  knappe,  in  seiner  Art 
elegante,  von  griechischer  Bildung  getragene  Geschichtsabriss  des 
Eutropius.  Dass  Paulus  diesen  sich  überhaupt  zum  Muster  genommen 
hat,  ist  augenscheinlich  und  zeugt  für  sein  richtiges  Gefühl ;  obwohl 
der  Umstand,  dass  er  an  diesem,  und  nur  an  diesem,  eigentlich  kein 
Wort  geändert  hat,  ohne  Zweifel  zunächst  auf  äussere  Ursachen  zu- 
rückgeht ^.  Aber  es  ist  in  der  That  merkwürdig,  wie  er  den  Kanzel-  55 
stil  des  Orosius,  die  Anekdoten  der  Exempelbücher,  die  bald 
abgerissenen,  bald  wieder  in  weites  Detail  sich  verlaufenden  Nach- 
richten der  römischen,  langobardischen  und  fränkischen  Annalen  und 
Historien,  die  rohe  Legende  der  langobardischen  Origo  leidlich  zu- 
sammengeschmolzen und  einigermassen  auf  die  Weise  des  Eutropius 
herab  oder  hinaufgestimmt  hat,  von  König  lanus  dem  ersten  von 
Italien  an,  bis  hinab  auf  König  Luitprand.  Dazu  stimmt  eine  Kunde  ^ 
und  ein  Interesse  für  die  klassische  Litteratur,  wie  sie  in  dieser 
Weite  und  Fülle  vielleicht  nicht  vor  den  Humanisten  wiederkehrt. 
Wenn  es  jetzt  als  erwiesen  anzusehen  ist,  dass  der  Auszug  des 
Festus  unserm  Paulus  gehört,  so  ist  dieses  lateinische  Wörterbuch 
der  Inbegriff  der  schweren  Sprach-  und  Sachgelehrsamkeit  der 
augustischen  Zeit  und  die  Bearbeitung  des  Paulus  geradezu  ein 
Meisterstück  von  klarem  Zweckbewusstsein  und  sicherer  Handhabung 
der  leidigen  epitomatorischen  Scheere.  Diese  Energie  der  klassisch- 
römischen Bildung  vereinigt  sich  bei  Paulus  augenscheinlich  mit 
einem  lebhaften  Nationalgefühl,  das  durch  den  Zusammenbruch  des 
Langobardenstaates  wohl   eher  noch   gesteigert  worden   ist.     Unter 

1)  Ich  habe  in  der  Droy  senschen  Ausgabe  p.  XXXVIII  daraufhingewiesen, 
dass  Paulus  sein  Werk,  soweit  der  Eutrop  reicht,  nur  in  der  Form  von  Zusätzen 
zu  dessen  Text  geschrieben  haben  kann,  und  meine,  dass  jedem,  der  Gefühl  für 
Stil  und  Individualität  der  Schriftsteller  hat,  diese  Ansicht  sich  nicht  blos  als 
möglich,  sondern  als  nothwendig  erweisen  wird.  Hätte  ein  Schriftsteller,  der 
die  Sprache  so  wie  Paulus  beherrscht,  es  unternommen  den  Abriss  der  römischen 
Geschichte  in  gewöhnlicher  Weise  aus  den  verschiedenen  Quellen  zu  redigireu, 
'^o  war  es  eine  psychologische  Unmöglichkeit,  dass  er  der  einen  mit  sclavischer 
Treue  folgte,  die  anderen  alle  nach  freiem  Belieben  umschrieb.  Darum  ist  auch 
auf  meinen  Rath  die  Hauptausgabe  der  Historia  Bomana  so  angeordnet  worden, 
wie  etwa  das  von  Paulus  mit  seinen  Zusätzen  versehene  Eutropexemplar   aus- 

esehen  haben  mag. 

2)  Beiläufig:   mögen  die  Philologen  beachten,  was  bisher  wohl  nicht  ge- 
thehen  ist,  dass  Paulus  den  Anfang  (1, 1  [?])  des  uns  unter  dem  Namen  des  Servius 

geläufigen   Vergilcommentars   2,  23   unter   dem   Namen   des    Donatus   anführt. 
Dieser  stand  sicher  in  der  Handschrift,  die  Paulus  benutzte. 


488  Di6  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

diesen  Eindrücken  hat  er  geschrieben  und  noch  heute  tragen  seine 
Blätter  jene  doppelte  Signatur  der  klassischen  Bildung  und  der 
nationalen  Empfindung. 

Es  ist  einigermassen  schwer  der  Aufgabe  gerecht  zu  werdenJ 
die  Paulus  Schriften  an  die  Geschichtsforscher  stellen.  Die  Geschichte 
Roms  ist  ziemlich  früh  in  halbe  Yergessenheit  gerathen,  zum  Theili 
durch  Zufälligkeiten,  hauptsächlich  aber  dadurch,  dass  die  Quellen| 
dieser  wenn  auch  an  sich  respectablen  Compilation  zum  weitaus 
grössten  Theil  noch  für  uns  fliessen  und  Paulus  durch  sie  als  Zeug« 
ungefähr  so  entbehrlich  wird,  wie  es  Livius  da  ist,  wo  wir  seiner 
griechischen  Gewährsmann  besitzen.  Auf  die  Langobardengeschichtel 
haben  sich  natürlich  umgekehrt  die  historischen  Studien  der  Germa- 
nisten vorzugsweise  gerichtet:  aber  was  Paulus  hier  für  die  späte 
Kaiserzeit  bringt,  vor  allen  Dingen  aber,  was  die  Kenntniss  des 
56  ganzen  Paulus  auch  denjenigen  nützt,  welche  unmittelbar  nur  für 
seine  germanischen  Nachrichten  ein  Interesse  haben,  ist  wenig  zur 
Geltung  gekommen.  Jetzt  wird  dies  hoffentlich  anders  werden.  Die 
namentlich  bei  der  Historia  Romana  für  das  kritische  Studium 
geradezu  unerlässliche  Voraussetzung,  die  durchsichtige  Auftrennung 
der  Compilation  in  ihre  einzelnen  meist  bis  in  das  Satzglied  hinein 
zu  scheidenden  Bestandtheile,  ist  durch  die  kritische  Herausgabe  der 
beiden  Werke  in  den  Monumenta  Germaniae  beschafft.  Die  beider- 
seits nicht  unbegründeten  Vorwürfe,  dass  wer  die  Historia  Romana 
studirt,  die  Historia  Langobardorum  ignorirt  und  umgekehrt^,  lassen 
der  gerechtfertigten  Hoffnung  Raum,  dass  diese  Einseitigkeit  nun 
ein  Ende  haben  wird.  Dazu  soll  diese  kleine  Arbeit  einen  Beitrag 
geben,  indem  ich  versuche  die  bei  der  Historia  Romana  gewonnenen 
Ergebnisse  auf  das  Zwillingswerk  anzuwenden,  und  zwar  haupt- 
sächlich auf  das  erste  und  einen  Th'eil  des  zweiten  Buches,  weil  für 
die  Methode  der  Behandlung  die  Erörterung  dieser  Abschnitte  aus- 
reicht und  weil  sich  hier  vorzugsweise  diejenigen  Nachrichten  finden, 
welche  meinem  Arbeitsfeld  angehören  oder  doch  nahe  stehen.  Wo 
ich  auf  Dinge  einzugehen  veranlasst  bin,  die  meinen  eigenen  Studien 
fern  liegen,  thue   ich   dies  in    der  Ueberzeugung,   dass  gerade  hier 


1)  Wie  sehr  die  Bearbeiter  der  Hist  Langob.  das  andere  Geschichtswerk 
vernachlässigt  haben,  zeigt  recht  deutlich,  dass  für  die  Angaben  1,  25:  Nam  p&r 
Belisarium  ....  super avit,  die  augenscheinlich  ein  Auszug  aus  der  Hist.  Rom. 
16,  11—19  sind,  Jacobi  in  seiner  übrigens  fleissigen  und  nützlichen  Abhandlung 
'die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus'  (Halle  1877.  8.) 
S.  31  und  ihm  folgend  Waitz  in  den  Anmerkungen  diese  nicht,  sondern  unge- 
hörige Autoren  citiren. 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.         489 

nichts  mehr  geschadet  hat  als  die  banausische  Beschränkung  der 
Arbeit  auf  die  nächsten  Handwerksgenossen,  und  dass  es  besser  ist, 
wenn  ein  Romanist  auf  germanistischem  Gebiet  einen  Fehler  macht, 
als  wenn  er  es  für  sündhaft  erachtet  sich  um  dasselbe  zu  bekümmern. 


Der  Zusammensturz  des  römischen  Weltreiches  hatte  zur  noth- 
wendigen  Folge,  dass  in  den  verschiedenen  politischen  Machtgebieten 
die  historische  Litteratur  sich  auf  sich  selber  stellte:  bald  bildeten 
sich  drei  Hauptmassen,  die  oströmische,  die  langobardische  und  die 
fränkische.  Selbstverständlich  stehen  diese  nicht  abgeschlossen  und 
unvermittelt  neben  einander;  vielmehr  hat  natürlicher  Weise  Be- 
nutzung verschiedenartiger  Quellen  neben  einander  zu  allen  Zeiten 
stattgefunden.  Aber  kein  Schriftsteller  hat  in  so  umfassender  Weise 
im  Anschluss  an  die  Geschichte  des  ungetheilten  Römerreichs  diese 
drei  Massen  in  einander  gearbeitet,  wie  dies  Paulus  versucht  hat. 
Hiedurch  wird  der  Untersuchung  die  Richtung  gegeben:  diese  drei 
Massen  sind  zunächst  zu  scheiden  und  eine  jede  auf  ihre  eigenen 
Quellen  zurückzuführen. 

Bei  weitem   am  leichtesten   ist  dies   für   die  fränkische  Ueber-  57 

lieferung,   da  Paulus  hier  für  die  ältere  Zeit  ausschliesslich  Gregors 

jvon  Tours  uns  erhaltene  Historia  Francorum  gebraucht  hat.     Deren 

frühere  Abschnitte  lässt  er   bei  Seite;   aber  von  der  Einwanderung 

der  Langobarden  in  Italien    an'^,   welche   diese   zu    Nachbaren    der 

jFranken  macht,   berücksichtigt  er  sie  namentlich  für  die  fränkisch- 

langobardischen    Beziehungen,    aber    auch    sonst    durchgängig    und 

schreibt  sie  vielfach,   wie    er  selbst   sagt  (3,  29),   ipsis  paene  verbis 

jius.     Paulus  drittes  Buch  besteht   zum  grösseren  Theil  aus  solchen 

lExcerpten  aus   Gregor.     Dazu  fügt   er  (3,  34)   eine  sicher  von  ihm 

m  Frankenland  vernommene  Legende  über  den  König  Gunthramnus, 

veil  diese,  wie    er  sagt,   in  die  Historia  Francorum   nicht    aufge- 

lommen  sei.  —  Nach  dem  J.  591,  wo  Gregor  abbricht,  begegnen  in 

betreff  des  Frankenreichs  nur  dürftige  Notizen,  deren  Herkunft  und 

/"erhältniss  zu  dem  sogenannten  Fredegar  zu  erörtern  ausserhalb  des 

Creises  dieser  Untersuchung  liegt. 


Es  bleiben  also  die  langobardischen  und  römischen  Abschnitte; 
nd  da  jene  in  der  Historia  Langobardorum  wie  billig  durchaus 
berwiegen,  so  wird  es  angemessen  sein  mit  ihnen  zu  beginnen. 


1)  Zuerst  2,  6.     Dass  schon  2,  2  Gregor  gebraucht  sei,  glaube  ich  nicht. 


490  Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

Wie  Paulus  in  der  römischen  Geschichte  anhebt  mit  der  Ein- 
wanderung des  Griechenkönigs  Saturnus  und  sodann  des  troischen 
Aeneas  nach  Italien,  so  beginnt  er  auch  seine  Erzählung  von  den 
Langobarden  mit  der  weisen  Frau  Gambara,  der  Mutter  der  Stamm- 
führer der  Langobarden  Ibor  und  Aio  und  deren  Wanderungen  von 
Scadinavia  bis  nach  Italien.  Bekanntermassen  liegt  diese  Legende 
uns  ausser  bei  Paulus  auch  in  der  Origo  gentis  Langohardorum  vor^ 
einem  Schriftstück,  welches  in  einigen  Handschriften  des  Edicts  de» 
Königs  Rothari  demselben  vorgesetzt  ist  und  welches  bereits  Paulus 
an  dieser  Stelle  gefunden  und  als  dazu  gehörig  betrachtet  hat  ^.  Das 
58  Yerhältniss  dieser  Origo  zu  Paulus  Langobardengeschichte  ist  für 
diese   der  nothwendige  Ausgangspunkt  der  Kritik  2.     Waitz  sieht  in 


1)  In  den  beiden  besten  Handschriften  von  Madrid  und  la  Cava  folgt  a' 
diese  Origo  gentis  Langobardorum  das  Gesetzbuch  des  Königs  Rothari  mit  dessffll 
prologus,  das  heisst  dem  Promulgationspatent  vom  J.  643;  in  denen  von  Modena 
und  Gotha  ist  die  Folge  zerrüttet,  obwohl  auch  hier  die  Origo  in  Verbindung 
mit  dem  Edict  auftritt.  Paulus  citirt  den  prologus  zweimal,  4,  42  für  das  Jahr 
der  Ankunft  der  Langobarden  in  Italien,  sicut  idem  rex  (Rothari)  in  sui  edicti 
testatus  est  prologo,  ferner  1,  21  zur  Bekräftigung  eines  Sieges  der  Langobarden 
über  die  Suaven:  hoc  si  quis  mendacium  et  non  rei  existimat  veritatem,  relegat 
prologum  edicti,  quem  rex  Rothari  de  Langobardorum  legibus  composuit,  et  paene 
in  Omnibus  hoc  codidbus  sie,  ut  nos  in  hac  historiola  insertiimus,  scriptum  reperiet. 
Jene  Jahrzahl  steht  allerdings  im  Prolog,  der  Suavensieg  aber  in  der  Origo. 
So  einleuchtend  es  nun  ist,  dass  Paulus  mit  dem  prologus  an  der  zweiten 
Stelle  diese  meint,  so  kann  ich  doch  nur  mich  der  jetzt  von  den  meisten  Ge- 
lehrten befolgten  Annahme  anschliessen ,  dass  die  Origo  nicht  ein  integrirender 
Theil  des  Edicts  und  überhaupt  nicht  officiell  publicirt  worden  ist,  wenn  auch 
Paulus  beides  angenommen  hat.  Einerseits  deutet  derselbe  verständlich  genug 
an,  dass  schon  damals  nicht  alle  Handschriften  des  Edicts  die  Origo  enthielten; 
andrerseits  würde  König  Rothari,  wenn  er  die  Origo  als  einen  Bestandtheil 
seines  Prologs  betrachtet  hätte,  nicht  diesem  selbst  noch  die  Königsliste  ein- 
verleibt haben,  die,  so  weit  sie  reicht,  sich  mit  der  Origo  deckt.  Allerdings 
ist  zu  erwägen,  dass  Paulus  die  Origo  in  anderer  Gestalt  gelesen  bat  als  wir 
und  darin  eine  Aeusserung  gefunden  haben  kann,  die  diese  Arbeit  mit  dem 
Rechtsbuch  in  Beziehung  setzte;  aber  wahrscheinlich  ist  diese  Combination 
keineswegs.  Vielmehr  ist  die  Origo  vermuthlich  eine  erst  im  J.  668,  mit  welchem 
die  eine  Recension  derselben  schliesst  (die  andere  reicht  bis  zum  .1.671),  als  I 
Erläuterung  der  Königsliste  des  Prologs  dem  Edict  vorgesetzte  Privatarbeit,  j 
Uebrigens  ist  für  die  Frage,  woher  ihr  Urheber  seine  Nachrichten  nahm,  die 
Controverse  über  ihr  Abfassungsjahr  und  über  ihren  officiellen  oder  Privat- 
charakter gleichgültig. 

2)  An  die  Origo  denkt  Paulus  ohne  Zweifel  auch  bei  den  den  Regierungs- 
jahren des  ersten  Königs  1, 14  beigefügten  Worten  sicut  a  maioiibus  traditur.  Dass  in 
diesem  Abschnitt  Paulus  in  wesentlicheren  Nachrichten  mündlicher  Ueberlieferung 
gefolgt  ist,  halte  ich  nicht  für  wahrscheinlich ;  da  er  mehrfach  für  recht  gering* 


Die  Quellen- der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.         491 

der  Origo,  wie  sie  jetzt  vorliegt,  die  von  Paulus  benutzte  Quelle,' 
nach  meiner  Ansicht  hatte  Paulus  dieselbe  in  weit  grösserer  Aus- 
führlichkeit vor  sich  und  lässt  sich  aus  dem  stark  verkürzten,  aber 
sonst  nicht  arg  verunstalteten  Auszug  und  aus  der  paulinischen  Ueber- 
setzung  der  rohen  Volkssage  in  gebildete  Geschichtserzählung  eine 
Recension  combiniren,  die  dem  Original  näher  steht  als  beide  er- 
haltene Traditionen.*) 

Aeusserlich  zunächst  macht  diese  Annahme  keine  Schwierigkeit. 
Schon  zu  Paulus  Zeit  gab  es  Handschriften  des  Langobardenrechts, 
welche  die  Origo  nicht  enthielten;  von  den  zahlreichen  auf  uns  ge- 
kommenen haben  nur  drei,  alle  saec.  X.  XI,  die  Origo  und  zwar  in 
zwei  verschiedenen,  aber  in  beider  Gestalt  corrumpirten  und  inter- 
polirten  Recensionen;  als  dritte  kommt  dazu  das  sog.  Chron.  Gotha- 
num,  aus  einer  einzigen  Handschrift  ebenfalls  des  11.  Jahrh.  bekannt, 
eine  noch  weiter  abweichende  Recension  desselben  Schriftstückes. 
Praktischen  Werth  hatte  dasselbe  nicht  und  gehörte  wahrscheinlich 
formell  dem  Gesetzbuch  nicht  an.  Es  ist  also  an  sich  nichts  weniger 
als  unwahrscheinlich,  dass  diese  geschichtliche  Einleitung  späterhin,  59 
auch  wo  sie  nicht  ganz  wegblieb,  doch  nur  in  verkürzter  Form  Auf- 
nahme gefunden  hat. 

Dass  Paulus  mancherlei  Quellenschriften  gebraucht  hat,  die  uns 
nicht  oder  nur  verstümmelt  vorliegen,  steht  fest.  So  hat  er  den 
vollständigen  Festus  de  significatione  verborum  gehabt,  den  wir  jetzt 
nur  in  Auszügen  oder  Bruchstücken  besitzen.  Aber  es  giebt  noch 
eine  näher  liegende  Analogie,  welche,  obwohl  sie  für  diese  Frage 
nicht  gerade  entscheidend  ist,  doch  dabei  mit  erwogen  zu  werden 
verdient:  ich  meine  die  von  mir  im  Hermes  (12,  401  [==  Ges.  Sehr. 
Vn  S.  434])  nachgewiesene  Thatsache ,  dass  dem  Paulus  die  uns 
nur  in  kürzerer  Form  und  mit  Weglassung  des  Schlusses  erhaltene 
Schrift  de  origine  gentis  Romanae  in  vollständigerer  Gestalt  zu  Gebote 
gestanden  hat.  Beispielsweise  führt  hier  der  Sohn  des  Numitor,  den 
sein  Oheim  König  Amulius  von  Alba  umbringen  lässt,  den  Namen 
Sergestus,  während  er  in  unserer  Origo  g.  R.  sowohl  wie  in  der 
sonstigen  lateinischen  Litteratur  namenlos  bleibt,  bei  mehreren  griechi- 
schen Schriftstellern  aber  Aiyeorog  genannt  wird.    Die  Verwandtschaft 


Dinge  sich  auf  Erzählungen  beruft,  zum  Beispiel  für  den  Ruhm  der  Waffen- 
schmiede aus  Alboins  Zeit  (1,27),  so  würden  dergleichen  Andeutungen  wohl  in 
den  grösseren  Erzählungen  nicht  fehlen,  wenn  von  diesen  dasselbe  gälte. 

*)  [Vgl.  dazu  die  Gegenbemerkungen  von  Waitz,  N.  Archiv  5  (1880)  S.  421 
und  ausserdem  A.  Vogeler,  Paulus  Diaconus  und  die  Origo  gentis  Langobardorum 
(Progr.  Hildesheim  1887);  L.  Schmidt,  N.  Archiv  13  (1888)  S.  391  ff.] 


492         Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

beider  Schriften    reicht  allerdings,   so    weit    wir    urtheilen    können,' 
nicht  weiter  als   bis  zu   dem  Titel  und  dem  Gegenstand  im  Allge- 
meinen;  aber  auch  dies  Zusammentreffen  kann  kaum  ein  zufälliges 
sein.     Der  ursprüngliche  Verfasser  der  langobardischen  Origo   mag 
jene  Schrift  spätester  römischer  Zeit,   wenn  nicht  auch  verfasst,  so 
doch  gekannt  und  im  Anschluss   an  die   origo   gentis  Bomanae   die 
origo  gentis  Langohardorum  zusammengestellt  haben;  eben  wie  Paulus 
selbst  seine  Historia  Romana  und  seine  Historia  Langohardorum  als 
zusammengehörige  Werke  schrieb.     Die  Recension   der   origo  gentis 
Romanae,  welche  Paulus  vorlag,  ist  für  uns  verloren,  da  die  erhaltene 
einem  durchaus  fremdartigen  und  Paulus  unbekannt  gebliebenen  Ge^ 
Schichtswerk  eingereiht  ist;  ist  es  unter  diesen  umständen  befremdend 
dass  wir  die  andere  Origo  nur  verkürzt  besitzen? 

Eine  wesentliche  Unterstützung  findet  diese  Yermuthung   noc| 
in  dem  Yerhältniss  der  Origo  zu  der  sogenannten  Gothaer  Chroni 
und  beider  zum  Paulus.    Beide  sind,  wie  gesagt,  verschiedene  Reda( 
tionen   desselben  Schriftstücks,   die   Origo  im  Ganzen    die  reicher 
und  reinere,    die   Gothaer  Chronik    vielfach    getrübt    und    entstelUj 

-      Dennoch  enthält  die  letztere  mancherlei  Angaben  allein,  die  gewiss^ 
dem  Original  angehören   und  von   denen   einzelne   auch  bei  Paulus 
sich  finden.     Wenn   nach   dem   Gothaer  Text   die  Langobarden  vor       ** 
ihrem  Abzug   aus  Pannonien  den  Avaren   ihr  dortiges  Gebiet  über-        * 
lassen,  diese  aber  sich  verpflichten  es   zu  räumen,   falls  binnen  der      \ 
nächsten  zweihundert  Jahre  die  Langobarden  wieder  aus  Italien  ver-    i  .] 

60  drängt  werden  sollten,  so  kennt  diesen  Vertrag  auch  Paulus  (1,27.   j| 
2,  7),   nur  dass  er  von   der  Frist  nicht  spricht;   in  der  Origo  aber     i'~ 
steht  davon  nichts.     Hier  ist  eine  andere  Erklärung  nicht  möglich,      .  Ij 
als   dass   die  letztere  diese   Erzählung  weggelassen  hat.     Aehnliche  j    !** 
Stellen  begegnen  mehrere;  und    es  ist  dies  Yerhältniss   der  beiden  ' 
Texte  schon  von  Jacobi  (S.  7)  richtig  erkannt  und  die  nothwendige      ^^ 
Schlussfolgerung  daraus  gezogen  worden.    Doch  soll  nicht  behauptet  \   ^^ 
werden,    dass   alles,   was   die   Gothaer   Chronik   mehr  hat,  aus  der  Ifäiitii 
gemeinschaftlichen    Quelle    herrührt,    vielmehr    haben    an    anderen 
Stellen  wahrscheinlich  fremdartige  Zusätze  sich  eingedrängt  ^  und  es 
ist  in   der  Benutzung  des  wunderlichen,  zum  Theil  kaum  verständ- 
lichen Schriftstücks  grosse  Vorsicht  geboten.  ;gj 

Ich  wende  mich  zu  der  Einzelvergleichung  der  beiden  Recen- 
sionen,  wobei  es  namentlich  darauf  ankommt,  festzustellen,  was  Paulus 


1)  Waitz  in  der  Ausgabe  p.  8.  14.  9,  21  urfcheilt  ebenso;   anders  Jacobi 
S.  13.  14. 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  493 

bei  seiner  weitreichenden  und  schwer  zu  controlirenden  Belesenheit 
anderswoher  in  die  Origo  eingelegt  hat  oder  haben  kann.  Zur  be- 
quemeren Uebersicht  stelle  ich,  soweit  es  angemessen  scheint,  den 
Text  der  Origo,  wie  wir  sie  haben,  und  die  paulinische  Redaction 
neben  einander,  indem  ich  bei  der  letzteren  besserer  Uebersicht 
wegen  mir  die  Weglassung  erwiesener  Einlagen  und  einige  Um- 
stellungen erlaube,  ohne  sonst  an  der  Fassung  zu  ändern. 


ORIGO: 

Est  insula  quae^  dicitur  Scada- 
nan^  in  partibus  Aquilonis  uhi 
multae  gentes  habitant. 


inter  quos  erat  gens  parva  quae 
Winilis  vocdbatur. 


PAYLYS: 

Intra  insulam  Scadinaviam  con- 
stituti  populi  dum  in  tantam  multi- 
tudinem  pullulassent,  ut  iam  simul 
habitare  non  valerent,  in  tres  om-  61 
nem  catervam  partes  dividentes, 
quae  ex  Ulis  pars  patriam  relin- 
quere  novasque  deberet  sedes  ex- 
quirere,  sorte  perquirunf.  Ea  pars, 
cui  sors  dederat  genitale  solum 
excedere  exteraque  arva  sectari, 
Winili  erant,  numero  perexigui, 
quippe  qui  unius  non  nimine 
amplitudinis  insulae  tertia  solum- 
modo  particula  fuerint.  Sic  ordi- 
natis    super    se    duobus   ducibus. 


1)  id  est  consuli  qui  hat  die  eine  Recension  (Handschrift  von  Madrid;  iä 
est  sub  consule  qui  die  Handschrift  von  La  Cava),  erat  insula  quae  die  zweite 
(Handschrift  von  Modena).  Waitz  liest  est  insula  qui,  mit  Unrecht,  da  das 
Masculinum  durch  die  Verderbung  von  insula  in  consuli  hervorgerufen  ist. 
üebrigens  zeigt  sich  hier  deutlich,  was  auch  von  den  Herausgebern  nicht  ver- 
kannt worden  ist,  dass  zwischen  den  beiden  Recensionen  die  Wahl  der  Lesung 
frei  ist  und  auch  die  zweite,  obwohl  etwas  mehr  entstellt  als  die  erste,  doch 
dieser  gegenüber  nicht  selten  das  Richtige  erhalten  hat.  So  wird  zum  Beispiel 
der  König,  der  bei  Paulus  heisst  Agilulf  qui  et  Ago  dietus  est,  in  der  zweiten 
Recension  richtig  Aggo,  in  der  ersten  dagegen  Aequo  genannt,  was  offenbar 
nichts  ist  als  Schreibfehler.  Von  der  Verwechselung  dagegen  des  Vaters  Agilulf 
und  des  Sohnes  Adelwald,  welche  in  der  zweiten  Recension  und  noch  mehr  in 
der  Gothaer  Chronik  herrscht,  ist  die  erste  Recension  frei  geblieben.  Dass  die 
erste  Recension  mit  671,  die  zweite  mit  668  schliesst,  also  die  letztere  insofern 
der  ursprünglichen  Form  näher  steht,  hat  schon  Waitz  hervorgehoben. 

2)  scadanan  1,  scadan  quod  interpretatur  excidia  2;  welche  Form  vorzuziehen 
sei,  kann  zweifelhaft  sein,  nicht  aber,  dass  die  nur  in  der  zweiten  Recension 
beigesetzte  Interpretation  späterer  Zusatz  und  auszuwerfen  ist. 


494  Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 


et  erat  cum  eis  mulier  nomine 
Gambara,  quae  hahehat  duos 
filios,  nomen  uni  Ybor  et  nomen 
alter i  Aio:  ipsi  cum  matre  sua 
principatum  tenehant  super  Winilis. 


Ibor  sciUcet  et  Äione  ^,  qui  et  ger- 
mani  erant  et  iuvenili  aetate  floridi 
et  ceteris  praestantiores,  ad  exqui- 
rendas  quas  possint  incolere  terras 
sedesque  statuere  valedicentes  suis 
simul  et  patriae,  iter  arripiimt. 
Horum  erat  ducum  mater  nomine 
Gambara  de  cuius  in  rebus  dubiis 
prudentia  non  minimum  confide- 
bant. 


Die  Schrift,  welche  Paulus  vorlag,  setzte  offenbar  gleich  unserer 
Origo  mit  der  Nennung  der  Insel  Scadinavia  und  der  Erwähnung 
der  vielen  in  ihr  wohnenden  Yölkerschaften  ein.  Was  bei  Paulus 
voraufgeht,  ist  aus  Isidor  etym.  14,  4,  4  entnommen;  es  wird  einer- 
seits die  terra  dives  virorum  ac  populis  numerosis  et  immanibus  fre- 
quens  amplificirt,  andererseits  die  Bemerkung  über  das  obere  und 
untere  Germanien  der  römischen  Zeit  aus  ihm  übernommen.  Auch 
die  Ansetzung  des  Tanais  als  der  Ostgrenze  Grermaniens,  verkehrt 
wie  sie  ist,  rührt  daraus  her,  dass  Isidor  diesen  Fluss  als  die  Ost- 
grenze Europas  bezeichnet  und  in  seiner  schwankenden  Darstellung 
Germanien  beinahe  als  Theil  von  Scythien  erscheint:  Isidors  Worte: 
(Scythiae)  pars  prima  Älania  est  .  .  .  post  hanc  Dada,  ubi  et  GotJiia, 
deinde  Germania  haben  Paulus  verführt  zu  schreiben,  dass  non  im- 
merito  universa  illa  regio  Tanai  tenus  usque  ad  occiduum,  licet  et 
propriis  loca  in  ea  singula  nuncupentur  nominihus,  generali  tamen 
nomine  Germania  (vocitatur).  —  Weiterhin  sind  die  Bemerkungen 
über  den  Massenverkauf  germanischer  Sclaven  in  Italien  und  über 
62  die  Verwüstung  des  'armen  Italien'  durch  die  deutschen  Horden 
natürlich  nicht  auf  geschriebene  Zeugnisse  zurückzuführen:  die  ein- 
zelnen Völker,  die  Paulus  anführt  als  nach  Italien  gelangt,  sind 
Anticipation  der  folgenden  Erzählung,  insonderheit  die  Ruger,  Heruler 
und  Turcilinger  der  Geschichte  Odoacars  (1,  19)  entlehnt.  —  Sehr 
wahrscheinlich  stand  in  der  Origo  des  Paulus  ungefähr  dasselbe,  was 
in  unserer  Recension  überliefert  ist,  so  dass  er  es  ist,  der  die  Insel 
'im  Norden'  mit  der  Germania  der  Römer  in  Verbindung  gebracht 


1)  Die  massgebenden  Handschriften  des  Paulus  haben  Aionem.  Ob  Äüy^ 
oder  Agio  zu  schreiben  ist,  lassen  die  Handschriften  der  Origo  wie  des  Paulas 
unentschieden;  doch  scheint  die  letztere  Schreibung  vorzuherrschen,  muss  auch 
p.  54,  11,  da  hier  aus  dem  Stillschweigen  geschlossen  werden  darf,  in  A  1 
stehen. 


Hk  Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  495 

und  ihren  barbarischen  Namen  lateinisch  umgeändert  hat.  Denn 
Scadinavia,  wie  Paulus  ohne  Zweifel  schrieb^,  hat  er  nach  seiner 
ausdrücklichen  Angabe  aus  Plinius  Naturgeschichte  genommen,  wo 
in  der  That  diese  Form  sich  findet '^.  Es  ist  bemerkenswerth ,  dass 
Paulus  die  Naturgeschichte  (wie  er  sie  nennt  die  Schrift  de  natura 
rerum)  des  Plinius,  von  einer  Doppel -Anekdote  abgesehen  3,  nur 
benutzt  hat  für  diese  Nachricht  über  die  Urheiraath  der  Langobarden 
und  für  den  Ursprung  von  Ticinum*;  man  sieht,  dass  ihm  diese 
Gegenstände  von  hervorragender  Wichtigkeit  gewesen  sind  und  dass  ()3 
er  seine  ganze  klassische  Kunde  aufgeboten  hat,  um  für  seine 
Heimath  die  Brücke  von  den  römischen  Zuständen  zu  denen 
der  Gegenwart  zu  schlagen.     In  letzterer  Hinsicht  bringt  er   dann 

1)  Waitz  hat   mit  Recht  diese  Form  beide  Male  in  den  Text  gesetzt;  in 
seinen  Varianten   heisst   es  zu  der  ersten  Stelle:   Scadinavia  A3c,  Dl,  Scandi- 
navia  A*    2,2,2a,  5,  6.    B  1,  2   (in  E   F  fehlen  diese  Worte),    zu  der  zweiten 
Scadinavia  F',  G*   (corr.  Scad.),   alii;    Scadanaviä  43.   62;    Scandinavia   corr. 
Scadan.  D  1.    Da  Waitz  (p.  44)  von  drei  Handschriften  (A  1,  2  F  1)  die  Varianten 
vollständig  giebt,  also  insoweit  aus  seinem  Stillschweigen  Schlüsse  gezogen  werden 
jlürfen,  so  haben  an  der  zweiten  Stelle  die  zwei  derselben,  die  sie  enthalten  (A  1 
jehlt),  und  allem  Anschein  nach  auch  sonst  die  meisten  bessern  Handschriften 
\Scadinavia;  an  der  ersten  dagegen  versagen  neben  A^  auch  F^  und  G'  und  ist  die 
Jeberlieferung  überhaupt  wenig  gesichert.     Man  wird  aber  unbedenklich  nach 
1er  zweiten  Stelle  die  erste  constituieren  dürfen;  denn  was  Waitz  meint:  fortasse 
Paulus  tie  in  hoc  quidern  verbo  scribendo  sibi  constans  fuit,  ist  nicht  wahrschein- 
ich,  da  er  das  Wort  an  beiden  Stellen  offenbar  aus  gleicher  Quelle  nimmt  oder 
ielmehr  in   der  zweiten  nur  die  erste  wiederholt  und  es  sich  hier  doch  nicht 
im   eine  bloss  orthographische  Variante  handelt.     Diese   seine  Quelle  aber  ist 
'linius,  und  dass  dessen  massgebende  Handschriften  ebenfalls  die  Form  Scadi- 
avia  aufweisen,    giebt    für    die   Schreibung    bei   Paulus  die  schliessliche  Be- 
tätigung. 

2)  Bei  Plinius  8,  15,  25  ohne  wesentliche  Variante;  an  der  anderen  Stelle 
•  !•>,  96,  die  Paulus  wahrscheinlich  meint,  schwanken  die  massgebenden  Hand- 
|Ariften  zwischen  Scadinavia  und  Scatinavia;  für  jenes  spricht  aber  das  Zeugnis« 
''icuils  (7,  22  Parthey),  das  für  sich  allein,  auch  von  dem  des  Paulus  abgesehen, 

''  Herausgeber   hätte   bestimmen  sollen  diese  Form  in  den  Text  zu  nehmen, 
candinm-ia  findet  sich  nur  in  geringen  Texten. 

3)  Zwei  Berichte  über  wundersame  Geburten  bei  Plin.  7,  3,  33.  35  sind 
iederholt  der  erste  in  der  Hist.  Lang.  1,  15,  der  zweite  in  der  Eist.  Rom.  (zu 
utrop  3,  27)  p.  50,  6  Droysen.  An  der  directen  Entlehnung  aus  Plinius  zu 
veifeln,  wie  der  Herausgeber  der  letzteren  p.  XL  thut,  war  um  so  weniger 
rund,  da  Paulus  in  dem  andern  Geschichtswerk  den  Plinius  ausdrücklich 
iführt. 

4)  Paulus  H.  R.  (zu  Eutrop  4,  1)  p.  65,  1.     Dass  Paulus  durch  nachlässige 
üutzung  seiner  Quelle  auf  Pavia  bezogen  hat,  was  Plinius  von  Lodi  berichtet, 

eilt  die  Herleitung  der  Angabe  aus  Plinius  keineswegs  in  Frage. 


496  I^ie  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

noch    eine   Schilderung    der    Insel    nach    der    Angabe    von    Augen- 
zeugen bei. 

Der  Bericht  von  der  Uebervölkerung  der  Insel,  der  Dreitheilung 
der  Bewohner  und  dem  Auszuge  des  einen  Drittels  findet  sich  nur 
bei  Paulus,  ist  aber  schon  durch  seine  sagenhafte  Form  deutlich 
gekennzeichnet  als  der  Origo  entlehnt,  in  der  freilich  jetzt  die  un- 
klaren und  offenbar  verkürzten  "Worte  inter  quos  erat  diese  Nach- 
richten vertreten.  Die  Bemerkung  des  Paulus,  dass  ausser  der 
Uebervölkerung  et  aliae  causae  egressionis  (Winilorum)  asseverentur, 
deutet  darauf  hin,  dass  die  vollständige  Origo  noch  Weiteres  hinzu- 
fügte, etwa  von  Ueberschwemmungen  oder  Misswachs  oder  ähnlichen 
Bedrängnissen  meldete.  Auch  die  Art,  wie  im  Chr.  Goth.  die  Gam- 
bara  auftritt,  lässt  wenigstens  ahnen,  dass  in  der  ursprünglichen 
vollen  "  Gestalt  die  Sage  noch  in  ganz  andern  Farben  leuchtete ,  als 
wir  sie  kennen.  Dass  die  gens  parva  auch  in  Paulus  Quelle  stand, 
zeigen  die  (aus  c.  7  herübergenommenen)  Worte  numero  perexigui  — 
fuerinf.  Das  barbarische  Winilis  oder  WinniUs  —  die  zwei  Recen- 
sionen  der  Origo  so  wie  die  besten  Handschriften  des  Paulus  schwanken 
zwischen  beiden  Formen  —  hat  sowohl  die  geringere  Recension  der 
Origo  wie  auch  Paulus  in  die  zweite  lateinische  Declination  über- 
tragen; doch  ist  beachtenswerth,  dass  bei  Paulus  in  der  für  die 
Schreibung  (namentlich  wo  A  1  fehlt)  in  erster  Reihe  massgebenden 
Handschrift  (F^  St.  Gallen  saec.  YIII/IX)  1,  10  Winilis  capiunt  sich 
gefunden  hat.  —  Da  die  epitomirte  Origo  den  Auszug  weggelassen! 
hat,  so  fehlt  ihr  auch  die  Ernennung  der  Führer.  —  Ob,  was  Paulus 
über  die  Weisheit  der  Mutter  der  Fürsten  berichtet,  geradezu  in 
der  Legende  gestanden  hat,  in  die  es  an  sich  gut  passen  würde, 
oder  Paulus  dies  aus  der  weiteren  Erzählung  folgerte,  ist  ziemlich 
gleichgültig;  ebenso  ob  die  Legende  die  Mutter  als  neben  den  Söhner 
herrschend  hat  bezeichnen  wollen,  was  Paulus  nicht  thut  und  viel 
leicht  auch  der  ungebildete  Schreiber  der  Origo  mit  seiner  Wendung 
cum  matre  sua  nicht  hat  sagen  wollen. 

Die  Auseinandersetzung  über  die  Merkwürdigkeiten  Germaniens 
die  Paulus  selbst  zu  Anfang  und  am  Schluss  deutlich  als  Einlagt 
bezeichnet,  eine  interessante  Probe  von  der  Art,  wie  derselbe  selbs 
Gesehenes  und  mündlich  Berichtetes  mit  seiner  Bücherkunde  zusammen 
arbeitet,  hat  mit  der  Origo  augenscheinlich  nichts  zu  schaffen.  Wa 
über  die  Scridifennen  gesagt  wird,  gehört  wenigstens  zum  grössere 
Theil  zu  dem  aus  Büchern  Geschöpften  und  geht  sicher  auf  eine  un 
64  dieselbe  Quelle  zurück  wie  die  bei  Prokop  b.  Goth.  2,  15,  Jordani 
Get.  3,  geogr.  Rav.  besonders  4,  12  über  sie  gegebene  Kunde.   Welch 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  497 

Verwandtschaft  aber  zwischen  diesen  Nachrichten  obwaltet,  ist  eine 
sehr  schwierige  und  wenn  überhaupt,  so  gewiss  nicht  beiläufig  zu 
erledigende  Frage. 

Es  folgt   die  Erzählung  von    der   Entstehung  des   Namens   der 
Langobarden. 


ORIGO: 


Moverunt  se  ergo  duces  Wanda- 
lorum,  id  est  Ämbri  et  Assi  cum 
exercitihus  suis  et  dicebant  ad 
Winnües:  'aut  solvite  nöbis  trihuta 
aut  praeparate  vos  ad  pugnam  et 
pugnate  nohiscum\ 

Tunc  responderunt  Yhor  et  Aio 
cum  matre  sua  Gambara:  'melius 
est  nöbis  pugnam  praeparare  quam 
Wandalis  tributa  persolvere\ 


Tunc  Ambri  et  Assi,  hoc  est  duces 
Wandalorum,  rogaverunt  Godan,  ut 
daret  eis  super  Winniles  victoriam. 
Hespondit  Godan  dicens:  'quos  sol 
surgente  antea  videro,  ipsis  dabo 
victoriam\ 

Fo  tempore  Gambara  cum  dnobus 
ßliis  suis,  id  est  Ybor  et  Aio,  qui 
principes  erant  super  Winniles, 
rogaverunt  Fream  uxorem  Godan, 
ut  ad  Winniles  esset  propitia. 
Tunc  Frea  dedit  consilium,  ut  sol 
surgente  venirent  Winniles  et  mu- 
lieres  eorum  crines  solutae  circa 
fadem  in  similitudinem  barbae  et 
cum  viris  suis  venirent. 

MOMMSEN,   SCHR.  VI. 


PAVLVS  [1,7—8]: 
Sic  in  regionem  quae  appellatur 
Scoringa  venientes  per  annos  illic 
aliquot  consederunt.  Illo  itaque 
tempore  Ambri  et  Assi  Wanda- 
lorum duces  mcinas  quasque  pro- 
vincias  bello  premebant.  Hi  iam 
multis  elati  victoriis  nuntios  ad 
Winilos  mittunt,  ut  aut  tributa 
Wandalis  persolverent  aut  se  ad 
belli  certamina  praepararent.  Tunc 
Ibor  et  Aio  adnitente  matre  Gam- 
bara dcliberant  melius  esse  armis 
libertatem  tueri  quam  tributorum 
eandem  solutione  foedare.  Man- 
dant per  legatos  Wandalis  pu- 
gnaiuros  se  potius  quam  servi- 
turos. 

Et  accedentes  Wandali  ad  Godan 
victoriam  de  Winilis  postulaverunt 
illeque  respondit  se  Ulis  victoriam 
daturum,  quos  primum  Oriente  sole 
conspexisset. 

Tunc  accessit  Gambara 


ad  Fream  uxorem  Godan  et  Win- 
nilis  victoriam  postulavit. 
Freaque  consilium  dedit,  ut  Wini- 
lorum  mulieres  solutos  crines  erga 
fadem  ad  barbae  similitudinem 
componerent  maneque  primo  cum 
viris  adessent,  seseque  Godan  vi- 
32 


498  Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diacouus. 


Tunc  luciscenfe  sol  dum  surgeret, 
65  giravit  Frea  uxor  Godan  lectum 
tibi  recumbehaf  vir  eius  et  fecit 
fadem  eius  contra  orientem  et 
excitavit  eum. 

Et  nie  aspiciens  vidit  J^inniles  et 
mulieres  ipsorum  Jiabentes  crines 
solutas  circa  faciem  et  ait:  'qui 
sunt  isti  longibarbae?^  et  dixit 
Frea  ad  Godan:  'sicut  dedisti 
nomen,  da  Ulis  et  victoriam';  et 
dedit  eis  victoriam,  ut  tibi  visum 
esset,  vindicarent  se  et  victoriam 
haberent.  Ab  illo  tempore  Winni- 
lis  Langobardi  vocati  sunt. 


dendas  pariter  e  regione,  qua  ille 
per  fenestram  orientem  versus  erat 
solitus  aspicere,  conlocarent,  atque 
ita  factum  fuit. 
Quas  cum  Godan  Oriente  sole  con- 
spiceret,  dixit:  'qui  sunt  isti  longi-> 
barbi?'  tunc  Frea  subiunxit,  ut 
quibus  nomen  tribuerat  victoriam 
condonaret.  Sicque  Winilis  Godan 
victoriam  concessit  ....  [c.  10] 
Winili  igitur  qui  et  Langobardi 
commisso  cum  Wandalis  proelio 
acriter,  utpote  pro  lihertatis  gloria, 
decertantes  victoriam  capiunt. 


Die  prächtige  Legende  über  den  Ursprung  des  späteren  IS^amens 
der  Winiler,  des  der  Langobarden  ist  glücklicher  Weise  in  beiden 
Recensionen  so  ausführlich  überliefert,  dass  wir  sie  vollständig  zu 
würdigen  im  Stande  sind.  Die  Landschaft  Scoringa,  in  welcher  nach 
Verlassen  der  Insel  Scadanan  die  Langobarden  zuerst  sassen  und 
wo  der  eingewanderte  kleine  Stamm  gegen  die  mächtigen  Yandalen 
seine  Freiheit  zu  vertheidigen  hatte,  nennt  nur  Paulus;  in  unserer 
Recension  der  Origo  ist  der  Kampf  ortlos.  Dass  dies  auf  Ver- 
kürzung beruht,  zeigt  deutlich  die  spätere  Wendung:  et  moverunt  se 
exinde  Langobardi  et  venerunt  in  Golaidam,  während  vorher  ausser 
der  Insel  Scadanan  kein  Ortsname  genannt  und  exinde  also  be- 
ziehungslos ist.  Die  weitere  Erzählung  giebt  das  beste,  vielleicht 
das  einzige  recht  lebendige  Beispiel  dafür,  wie  Paulus  die  ihm 
schriftlich  oder  mündlich  zugekommenen  historischen  Legenden  be- 
handelt hat.  Die  fast  durchgängige  Umsetzung  der  directen  Rede 
in  die  indirecte,  die  Einführung  des  armis  libertatem  tueri  und  ana- 
loger klassischer  Phrasen,  die  durchgeführte  Stilisirung  und  Histori- 
sirung  sprechen  für  sich  selbst;  aber  doch  konnte  der  Langobarde 
hier,  wo  es  sich  um  den  Ursprung  des  stolzen  Namens  handelte, 
sich  nicht  verleugnen  und  hat,  auch  wo  die  ridicula  fabula  ab  anti- 
quitate  relata  der  Historisirung  Trotz  bot,  sie  dennoch  nicht  unter- 
drückt. Freilich  hat  er  die  lehrreiche  Greschichte,  warum  man  besser 
thut  seine  Sache  auf  die  Frau  als  auf  den  Mann  zu  stellen,  in  einem 
Puncte  verdorben  oder  vielmehr  die  vermuthlich  mit  der  bei  Nieder- 
schrift von  Märchen    üblichen  Unklarheit  aufgezeichnete  Erzählung 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  499 

missverstanden.  Die  Fabel  rauss  darauf  ruhen,  dass  Gott  "Wodan 
nach  der  Stellung  seines  Bettes  beim  Aufwachen  nach  Westen  sah 
und  dass  von  den  beiden  kampfbereit  sich  gegenüber  stehenden 
Völkern  die  Vandalen  westlich,  die  Winiler  östlich  lagerten.  Der 
treuherzige  Gott  konnte  dann  seinen  vandalischen  Verehrern  den 
Sieg  wohl  in  dem  Räthselworte  versprechen,  dass  er  denen  zufallen  (H) 
solle,  auf  die  sein  Auge  am  Morgen  des  Schlachttages  zuerst  fallen 
werde.  Da  aber  seine  listige  Frau  ihm  das  Bett  umdrehte,  so  hatte 
er  damit  vielmehr  sich  und  seine  Begünstigten  gefangen.  Dies  lässt 
sich  aus  der  Origo  recht  wohl  herauslesen,  aber  auch  wohl  begreifen, 
warum  Paulus  diese  'lächerliche  und  nichtsnutzige'  {ridicida  et  pro 
nlhilo  lidbenda)  Geschichte  so  verunstaltet  hat,  dass  man  sie  ohne 
Hinzunahme  jener  Version  nicht  verstehen  kann.  Auch  so  noch 
kann  man  fragen,  was  die  zum  Bart  coiffirten  Frauenlocken  mit 
Wodans  Wahrspruch  zu  thun  haben;  doch  scheint  nichts  zu  fehlen, 
vielmehr  die  Sache  so  gedacht  zu  sein,  dass  damit  das  Erstaunen 
des  Gottes  markirt  werden  soll,  als  er  statt  der  vorausgesetzten 
Vandalenschaar  diese  seltsamen  Langbärte  erblickt,  vielleicht  sogar, 
dass  die  listige  Gattin  dem  Mann  eine  Aeusserung  ablocken  will, 
welche  es  ausser  Zweifel  stellt,  dass  an  dem  Morgen  sein  Blick  in 
der  That  zuerst  auf  die  Winiler  gefallen  ist. 

Was  Paulus  weiter  über  die  Ableitung  des  Wortes  Langobarden 
von  'lang'  und  'Bart'  vorbringt,  ist,  wie  Waitz  bemerkt,  aus  Isidor 
2,  2,  95  geschöpft.  Die  Identification  des  Wodan  oder  Godan  mit 
dem  Mercurius  ist  meines  Erachtens  entlehnt  aus  der  vita  Colum- 
bani  c.  53:  Uli  aiunt  deo  suo  Vodano,  quem  Mercurium  vocant  alii, 
s>;  velle  litare;  da  Paulus  des  Columbanus  4,  41  gedenkt,  so  wird 
ihm  dessen  Biographie  nicht  unbekannt  geblieben  sein.  Allein  bei 
Paulus  erhalten  ist  der  Bericht  über  die  Hungersnoth,  welche  die 
Langobarden  aus  Scoringa  nach  Mauringa  führt,  über  den  Widerstand, 
den  die  Assipitten  ihnen  entgegenstellen,  die  Geschichte  von  den 
mit  den  Langobarden  verbündeten  'Hundsköpfen',  wodurch  sie  die 
Assipitten  überlisten,  der  Zweikampf  des  langobardischen  Sclaven 
mit  dem  Vorkämpfer  der  Assipitten,  die  daran  geknüpfte  juristische 
Ursprungslegende  der  Freilassung  durch  den  Pfeil,  endlich  die 
Einwanderung  nach  Mauringa.  Anderweitige  eine  Controle  ge- 
währende Nachrichten  sind  für  keine  dieser  Legenden  weiter  vor- 
lianden;  dass  sie  alle  in  die  Origo  vortrefflich  passen,  wird  nicht 
bestritten  werden.  Insbesondere  die  Erzählung  in  Betreff  der 
Freilassung  durch  den  Pfeil  schickt  sich  gut  für  eine  mit  dem 
Landrecht    in    Verbindung     gesetzte    geschichtliche     Aufzeichnung, 

32* 


\ 


500 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 


wobei   es   gleichgültig  ist,    ob  in  diesem   diese  Freilassung  vorkam 
oder  fehlte. 

"Warum  die  Langobarden  auch  Mauringa  wieder  verliessen,  giebt 
keine  der  beiden  Ueberlieferungen  an;  mit  der  Einwanderung  in 
Golanda  treffen  beide  Recensionen  wieder  zusammen. 


ORIGO: 

Et  moverunt  se  exinde  Lango- 
hardi  et  venerunt  in  Golaida. 
67  et  postea  possiderunt  dldonus  An- 
thaih   et  Banaib  seu  et  Burgun- 
daib. 


PAVLYS  [1,  13]: 
Egressi  itaque  Langohardi  de 
Mauringa  applicueruntin  Golanda, 
ubi  aliquanto  tempore  commorat% 
dicuntur  post  Jiaec  Anthab  ei 
Banthaib,  pari  modo  et  Vurgundai 
per  annos  aliquot  possedisse,  qua6 
nos  arbiträr i  possumus  esse  voca- 
bula  pagorum  seu  quorumcumqi 
locorum. 

Hier  tritt  die  Yerkürzung  der  Origo  deutlich  hervor.  Dass  die  vi< 
ältesten  Heimstätten  der  Langobarden  Scadinavia,  Scoringa,  Mauringa" 
Golanda  einer  zusammenhängenden  Legende  angehören,  wird  schwer- 
lich bestritten  werden.  Aber  wie  die  Origo  jetzt  liegt,  gelangen 
die  Winiler  von  Scadanan  nach  Golanda  und  fehlen  ihr  von  jenen 
Heimstätten  die  zweite  und  die  dritte,  obwohl  in  dem  exinde,  wie 
bemerkt,  die  Spur  einer  Zwischenstation  sich  erhalten  hat.  —  Die 
juristische  Legende  über  die  Entstehung  des  Aldionats  lag  dem 
Paulus  wesentlich  in  derjenigen  Fassung  vor,  die  in  unserer  Origo 
steht;  die  Worte,  womit  er  die  ihm  selbst  nicht  mehr  verständ- 
lichen Namen  Anthaib,  Banaib  oder  Bantaib,  Burgundaib  erklärt: 
es  seien  vocabula  pagorum,  beruhen  darauf,  dass  seine  Vorlage  sie 
aldonos  nannte.  Ob  man  darunter  abhängige  Gaue  oder  was  sonst 
zu  verstehen  hat,  entzieht  sich  meiner  Competenz;  vergleichen  kann 
man  die  spätere  Erzählung  (5,  29),  dass  der  dux  der  Bulgaren  Alzeco 
erklärt  dem  König  der  Langobarden  dienstbar  sein  zu  wollen  {ei  se 
serviturum)  und  dass  er  dann  statt  des  Titels  dux  den  des  gastaldiiis 
annimmt. 

Die  Wahl   des    ersten  Königs  wird  ebenfalls  wesentlich  gleich- 
massig  berichtet: 


ORIGO: 

et  dicitur,  quia  fecerunt  sibi  regem 
nomine  Agilmund  filium  Aioni  ex 
genere  Gugingus. 


PAYLVS  [1,  14]: 
Mortuis  interea  Ibor  et  Aionc 
ducibus,  qui  Langobardos  a  Sca- 
dinavia   ediixerant    et    usque   aa 


1 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  501 

haec  tempora  rexerant,  nolentes 
iam  ultra  Langobardi  esse  suh 
ducibus  regem  sibi  ad  ceterarum 
instar  gentium  statuerunt.  Regna- 
vit  igitur  super  eos  primus  Ägel- 
mund  filius  Aionis  ex  prosapia 
ducens  originem  Gungingorum, 
quae  apud  cos  generosior  habebatur. 

Die  Worte  et  usque  ad  haec  tempora  rexerant  werden  wohl  mit  Recht 
von  Bethmann  als  Zusatz  des  Paulus  betrachtet;  aber  er  hat  damit 
nur  den  Sinn  der  Legende  richtig  aufgefasst.  Denn  wenn  der  erste  68 
König  auch  nach  der  Origo  ein  Sohn  des  einen  der  beiden  Hege- 
monen war,  so  hat  die  Legende  ohne  Zweifel  deren  Regiment  bis 
zur  Königswahl  erstreckt,  wie  dies  ja  auch  nothwendig  war,  um  die 
Continuität  der  Chronologie  herzustellen.  Geschichtlich  wird  freilich, 
auch  wer  in  jener  Wanderung  einen  wesentlich  echten  Kern  aner- 
kennt, doch  die  Anknüpfung  der  beiden  Hegemonen  an  die  Königs- 
reihe als  Piction  zu  betrachten  haben.  Uebrigens  liegt  über  die 
Dauer  der  Hegemonie  keinerlei  Andeutung  vor  und  kann  die  Sage 
dafür  ebenso  gut  Jahrhunderte  wie  Jahrzehnte  in  Rechnung  gebracht 
haben. 

Die  Erzählung  von  der  niederen  Herkunft  des  zweiten  Königs 
Lamissio,  wie  er  bei  Paulus  und  in  der  Königsliste  des  Rothari, 
Lamicho,  wie  er  in  unserer  Origo  heisst,  des  langobardischen  Servius 
Tullius,  fehlt  in  der  Origo;  aber  nicht  mit  Recht  sagt  Bethmann 
bei  Waitz,  dass  sie  ihr  widerspreche.  Die  Worte  ex  genere  Gugin- 
gus,  welche  in  der  Origo  wie  bei  Paulus  dem  ersten  König  beigesetzt 
werden,  werden  bei  dem  zweiten  nur  in  der  einen  Recension  der 
Origo  wiederholt  und  sind  eine  handgreifliche  Interpolation,  da  sonst 
keinem  späteren  König  das  Geschlecht  beigesetzt  wird  und  auch 
die  Königsliste,  die  König  Rothari  seinem  Promulgationspatent  ein- 
verleibt hat,  nur  dem  ersten  einen  solchen  Beisatz  giebt.  Wenn 
Paulus  den  Namen  davon  herleitet,  dass  lama  (Langobardorum) 
lingua  ^liscina  dicitur,  so  steht  es  philologisch  längst  fest  —  die 
Belege  sind  bei  Forcellini ,  Ducange  und  Diez  zu  finden  — ,  dass 
dies  Wort  kein  deutsches  ist,  sondern  ein  lateinisches,  das  in  den 
romanischen  Sprachen  fortlebt,  wie  denn  Ducange  es  aus  den  Statuten 
von  Modena  in  ganz  gleichem  Werthe  anführt  und  noch  Dante  es 
also  gebraucht  hat.  Wenn  Paulus  oder  vielmehr  dessen  älterer 
Gewährsmann  dasselbe  für  langobardisch  hielt,  so  wird  er  dies  nicht 


502  Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

deswegen  gethan  haben,  weil  es  bei  Festus  vorkam,  von  dem  Paulus 
doch  wusste,  das8.  dieser  deutsche  Wörter  nicht  verzeichnet,  sondern 
weil  es  ein  der  lateinischen  Gelehrsamkeit  jener  Zeit  unbekanntes, 
aber  in  Norditalien  gangbares  Bauernwort  war,  an  das  ein  alter 
lombardischer  Märchenerfinder  den  heimischen  Königsnamen  füglichl 
anknüpfen  konnte.  —  Der  Zweikampf  des  Lamissio  vor  seiner  Thron- ^ 
besteigung  mit  einer  Amazone  über  den  Durchgang  durch  deren 
Grebiet  ist  genau  nach  derselben  Schablone  gearbeitet  wie  der  oben 
erwähnte  der  Langobarden  und  der  Assipitten  und  muss  aus  der- 
selben Quelle  genommen  sein.  Paulus  Kritik:  omnibus  quihus  veteres 
69  historiae  ^  notae  sunt  —  man  hört  den  Kenner  —  patet  genteml 
Amazonum  longe  anfea,  quam  haec  fieri  potuerint,  esse  deletam  beruht 
wieder  auf  Isidor  etym.  9,  2,  64:  has  iam  non  esse  constat,  quod  .  .  . 
usque  ad  internicionem  deletae  sunt  (vgl.  Justin  2,  4,  33).  —  Wohin 
die  Langobarden  von  Golanda  und  unter  König  Agilmund  gelangen, 
sagen  weder  Paulus  noch  die  Origo^;  jener  berichtet  nur,  dass  sie 
in  der  neuen  Heimath  von  den  Bulgaren  überfallen  worden 
seien  und  dabei  König  Agilmund  sein  Ende  gefunden  habe. 
Die  Regierungsjahre  des  Agilmund  sind  nur  bei  Paulus  ange- 
geben. 

Von  dem  Bulgarensieg  des  Lamissio  berichtet  ebenfalls  nur 
Paulus.  Die  Regierungsjahre  dieses  Königs  finden  sich  weder  in 
der  Origo  noch  bei  Paulus. 


1)  Wie  die  veteres  historiae  hier  Isidors  origines  sind,  so  citirt  Paulus  sie 
H.  L.  2,  14  mit  den  Worten  in  historüs  legimus;  und  nichts  anderes  ist  auch  die 
gleich  darauf  dort  angeführte  historia  Bomana.  Bei  Eutrop  3,  7,  welche  Stelle 
Waitz  gemeint  glaubt,  steht  nichts,  woraus  man  schliessen  könnte,  dass  Histrien 
einst  weiter  gereicht  habe;  aber  aus  der  Isidorstelle  14,  4,  17,  mit  der  sich  Paulus 
eben  hier  beschäftigt,  durfte  allerdings  gefolgert  werden,  dass  Histrien  ehemals 
bis  zur  Donau  reichte,  üebrigens  citirt  er  anderswo  (2,  23)  als  Bomana  historia 
den  Eutrop  2,  16,  während  1,  15  die  historiae  veterum  Plinius  naturalis  historia 
sind.  Was  Paulus  H.  L.  2,  14  aus  den  annales  libri  über  Bergamo  anfährt, 
kehrt  nach  Waitz  treffender  Bemerkung  wieder  H.  B.  15,  1  und  ohne  Zweifel 
bezeichnet  er  damit  das  Werk,  dem  er  diese  Nachricht  entlehnt  hat.  Für  die 
schwierige  Untersuchung  über  die  Quellen  der  letzten  Bücher  ist  diese  Ursprungs- 
angabe nicht  ohne  Bedeutung. 

2)  Das  CJir.  Goth.  nennt  Pannonien,  was  aber  mit  der  weiteren  durch  die 
Uebereinstimmung  von  Paulus  und  der  Origo  gesicherten  Erzählung  in  Wider- 
spruch steht.  Auch  ist  diese  Legende  von  den  alten  Heimstätten  der  Lango- 
barden, Scadanan,  Scoringa,  Mauringa,  Golanda,  .  .  .,  Rugilanda  offenbar  natio- 
nalen Ursprungs  und  kann  das  römische  Pannonien  in  der  Lücke  nicht  gestanden 
haben.  Dies  wird  also  zu  den  Interpolationen  dieser  Version  gerechnet  werden 
müssen. 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaoonns.  503 

Von  den  beiden  folgenden  Königen  Lethuc  und  Hildeoc  wissen 
beide  Quellen  nur  die  Namen  und  von  dem  ersteren  die  ungefähre 
Regierungszeit  zu  melden. 

Unter  der  Regierung  des  Gu^eoe  berichten  dann  beide  Quellen 
die  Besiegung  der  Ruger  durch  Odoacar  und  die  Uebersiedelung 
der  Langobarden  in  das  von  diesen  verlassene  Gebiet,  Paulus  aber 
mit  Aenderungcn  und  Einlagen  theils  aus  der  vita  Severini,  theils 
aus  Jordanes.  Wenn  es  in  der  Origo  heisst:  illo  tempore  exivit  rex 
AudoacJiari  de  Ravenna  cum  exercitti  AUmonim,  so  hat  Paulus  ein- 
mal für  jenen  Namen  seiner  Gewohnheit  nach  die  Form  gesetzt,  die 
er  bei  seinen  römischen  Gewährsmännern  fand,  ferner  statt  die 
Expedition  zu  bezeichnen  als  von  Ravenna  aus  unternommen,  viel- 
mehr den  Odoacar  Herrscher  von  Italien  genannt,  was  der  Sache 
nacli  auf  dasselbe  hinauskommt  und  historisch  leichter  verständlich 
war.  Die  Alanen  sodann,  welche  die  römischen  Quellen  nicht  mit 
Odoacar  in  Verbindung  bringen  und  deren  Einfügung  an  dieser  Stelle 
ein  Fehler  der  langobardischen  Geschichtslegende  zu  sein  scheint,  70 
hat  er  beseitigt  und  als  die  Völker,  die  ihm  in  den  Feldzug  gegen 
die  Ruger  folgten,  ausser  den  Italikern  die  Turcilinger,  die  Heruler 
und  die  schon  früher  ihm  unterthänigen  Ruger  aufgeführt.  Dies 
kommt  her  aus  Jordanes,  dem  er  einmal  (Rom.  p,  239  [§  344])  heisst 
genere  Eitgus,  Torcilingorwn,  Scirontm  Herulorumque  turbis  munitus, 
anderswo  (Get.  c.  46  [§  242])  Torcüingorum  rex,  lidbens  secum  Sciros, 
Hendos  diversarumque  gentium  auxiliarios  und  wieder  (Get.  57  [§  291]) 
rex  TorcUingorum  Rugorumque,  nur  dass  Paulus  mit  Rücksicht  auf 
den  eben  gegen  den  Rugerkönig  gerichteten  Krieg  nur  einen  Theil 
dieses  Volkes  zu  den  dem  Odoakerbotmässigen  meinte  zählen  zu  dürfen. 

Weiter  heisst  es  wesentHch  übereinstimmend: 


ORIGO: 

et  venu  in  Rugilanda,  et  impu- 
gnavit  Hugos,  et  occidit  Fewane^ 
regem  Bugorum  secumque  multos 
captivos  duxit  in  Italiam.  Tunc 
exierunt  Lnngobardi  de  suis  regi- 
onihus  et  habitaverunt  in  Rugi- 
landa annos  aliquantos. 


PAVLVS  [1,  19]: 
venit  in  Rugiland piugnavitque  cum 
Rugis  ultimaque  eos  clade  conßciens 
Feletheum  (vorher  Feletheus  qui 
et  Feva  dictus  est)  insuper  eorum 
regem  extincxit,  vastataque  omni 
provincia  Italiam  repetens  copiosam 
secum    captivorum    muUitudinem 


1)  Die  Handschriften  der  Origo  haben  occidit  Theuvane,  aber  das  Chr. 
Goth.,  das  hier  einsetzt,  richtig  Fetvane.  Der  Accusativ  Fewanem  ist  regulär: 
für  die  eigenthümliche  Flexion  der  unrömischen  Mannsnamen  auf  a  in  anis, 
wie  Totilanis,  Attilanis  finden  sich  inschriftliche  Belege  C.  I.  L.  V,  6176.  7793 
vgl.  W.  Schulze,  Zur  Gesch.  lateinischer  Eigennamen  (Berlin  1904)  S.  40  A.  6]. 


504         Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 


dbduxit.  Tunc  Langöbardi  de  suis 
regionibus  egressi  venerunt  in  Rugi- 
land,  quae  Latino  eloquio  JRugorum 
patria  dicitur,  atque  in  ea,  quia 
erat  solo  fertilis,  aliquantis  commo- 
rati  sunt  annis. 


Nur  hat  Paulus  den  zweiten  Namen  des  Königs  der  Ruger  und  die 
Angaben  über  sein  Yerhältnis  zu  Severinus  aus  dem  Eugippius  ab- 
geschrieben ^,  den  er  für  Odoacars  Geschichte  auch  bist.  Rom.  15,  8.  9 
neben  Jordanes  benutzt. 

Ich  unterlasse  die  weitere  Vergleichung ,  insofern  sie  lediglich 
entweder  Uebereinstimmung  in  Namen  und  Zahlen  zu  constatiren 
hat  oder  auch  das  Fehlen  einer  Anzahl  von  Paulus  berichteter  That- 
sachen  in  der  Origo,  die,  wie  es  bei  solchen  Auszügen  zu  gehen 
pflegt,  im  Verlauf  mehr  und  mehr  sich  verkürzt.  Es  wird  genügen 
71  diejenigen  Punkte  zu  erörtern,  bei  welchen  eine  Yergleichung  der; 
sachlichen  Angaben  einigermassen  möglich  ist. 

Die  berühmte  Erzählung  von  Rosamunda  und  Alboin  bringt 
Paulus  in  aller  Yollständigkeit,  relativ  ausführlich  auch  die  Origo; 
doch  tritt  in  dieser  die  Verkürzung  wieder  meines  Erachtens  deutlich 
zu  Tage.  Dass  ein  Erzähler,  der  mit  so  liebenswürdiger  Weitläufig- 
keit berichtet,  wie  Frau  Freia  ihrem  Wodan  das  Bett  verrückt,  bei 
der  Rosamundengeschichte  den  Schädelbecher  weggelassen  haben 
soll;  dass  überhaupt  ein  so  drastischer  Zug  aus  der  ersten  recht 
früh  erfolgten  Niederschrift  der  Erzählung  ausgefallen  ist  und  erst 
Paulus,  der  den  verhängnisvollen  Becher  in  der  Hand  des  Königs 
Ratchis  sah,  ihn  wieder  hergestellt  hat,  ist  nicht  gerade  unmöglich, 
aber  wenig  glaublich.  Bei  Epitomatoren  aber  ist  alles  möglich, 
und  nicht  am  wenigsten  die  Weglassung  der  Pointe.  —  Wie  die 
Rollen  in  diesem  Trauerspiel  vertheilt  werden,  ist  in  beiden  Er- 
zählungen nicht  recht  klar;  nach  der  Origo  wird  Alboin  getödtet  ab 
Hilmichis  et  Rosemunda  uxore  sua  per  consilium  Peritheo;  bei  Paulus 
schafft  Hilmichis,  der  Waffenträger  des  Königs,  sich  den  tapferen 
Peredeo  zum  unfreiwilligen  Genossen  und  es  heisst  dann:  iuxta 
consilium  Peredeo  HelmecJiis  interfectorem  omni  bestia  crudelior  intro- 
duxit.  Es  sieht  das  ganz  so  aus,  als  habe  Paulus  seine  Vorlage 
nicht  recht  verstanden,  woran  sie  allerdings  wohl  selber  schuld  war, 
und  darum  etwas  hingeschrieben,  was  auch  keinen  klaren  Sinn  giebt. 

1)  c.  8.  46.     Dass  Noricum   nördlich  bis  zur  Donau  reiche,   ist  der  Choro-j 
graphie  Italiens  entnommen  (vgl.  3,  30  und  unten  S.  526). 


I 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  505 


In   dem  Bericht  über   die  Strafgerichte,   welche  König    Agilulf 
oder  Ago  über  die  aufständischen  Grossen  verhängte: 


ORIGO: 

Et  exivit    Aggo   dux   Turingus 
de  Taurinis 

et  iunxit  se  Theudelendae  reginae 
et  fadus  est  rex  Langöbardorum 

et  occidit  duces  rebelles  suos,  Zang- 
rolf de  Verona,  Mimulf  de  Insula 
Sancti  luliani  et  Gaidulf  de  Berga- 
mum,  et  alias  qui  rebelles  fuerunt 


et   genuit   Aggo    de    Theudelenda 
filiam  nomine  Gunperga 


PAVLYS: 

3,  30  Agilulf  dux  Taurinensium 
civitatis 

3,  35  (Theudelinda)  Agilulfum  .  .  . 
et  sihi  virum  et  Langöbardorum 
genti  regem  elegit. 

4,  3  Agilulf  rex  occidit  Mimulf  um 
ducem  de  Insula  Sancti  Iidiani 
.  .  .  Gaidulf  US  .  .  .  Pergamensis 
dux  .  .  .  rebellans  ...  in  gratia 
receptus  est. 

4,  13:  Ago  rex  rebellantem  sibi 
Zangrulf'um  Veronensium  ducem 
extinxit.  Gaidulfum  quoque  Per- 
gamensem  ducem,  cui  iam  bis  pe- 
percerat,  peremit.  Pari  etiam 
modo  et  Warnecautium  apud  Ti- 
cinum  occidit. 

vgl.  4,  47:  Gundipergam,  Agilulfi 
et  Theudelindae  sibi  filiam  in 
matrimonium  sociavit. 


tritt  das  Yerhältniss  der  beiden  Quellen  recht  deutlich  zu  Tage.  72 
Einerseits  zieht  die  Origo  die  gleichartigen,  aber  nicht  der  Zeit  nach 
zusammengehörigen  Vorgänge,  wie  die  Hinrichtung  des  Herzogs  der 
Isola  San  Giulio  (im  Lago  di  Orta)  und  die  der  Herzöge  von  Yerona 
und  Bergamo  sind,  zusammen  und  ersetzt  den  Warnecautius  durch 
das  unbestimmte  alU;  andrerseits  aber  hat  sie,  so  kurz  sie  ist,  einiges 
mehr,  so  die  Angabe  der  Heimath  des  Agilulf,  welche  die  Königs- 
liste in  Rotharis  Prolog  bestätigt,  und  die  Geburt  seiner  Tochter, 
während  Paulus  diese  Tochter  wohl  später  erwähnt,  hier  aber  nur 
die  Geburt  des  Sohnes  und  Nachfolgers  meldet. 

Dies  Yerhältniss  der  beiden  Quellen  bleibt  dasselbe  bis  zum 
Ende  der  Origo;  der  Bericht  über  die  Eroberungen  des  Königs 
Rothari  (4,  45)  und  sogar  noch  der  kurze  über  den  sicilischen  Aufent- 
halt des  byzantinischen  Kaisers  Constantinus  (gewöhnlich  bezeichnet 
als  Constans  H),  mit  dem  sie  schliesst,  kehrt  in  viel  grösserer  Aus- 


506  Die  Quellen  der  Lancrobardengeschiclite  des  Paulus  Diaconus. 

führlichkeit,  aber  soweit  die  Origo  reicht  fast  übereinstimmend,  bei 
Paulus  wieder. 

Wie  stellt  sich  nun  in  Betreff  dieser  langobardischen  Legenden 
und  Geschichte  die  Quellenfrage? 

Waitz  nimmt  für  die  langobardischen  Abschnitte  des  Paulus- 
eine dreifache  Quelle  an:  einmal  die  Origo,  zweitens  eine  altera 
narratio,  quae  prorsus  diversa  de  sedibiis  et  migratione  gentis  illius 
tradidit,  welcher  beiden  Quellen  Widersprüche  Paulus  entweder 
nicht  bemerkt  oder  doch  der  Beachtung  nicht  werth  gehalten  habe, 
endlich  die  Schrift  des  Secundus  de  Langohardorum  gcstis.  Dass 
jene  ersten  beiden  Quellen  vielmehr  zusammenfallen,  ist  in  der  bis- 
herigen Entwickelung  gezeigt  worden.  Von  Widersprüchen  sehe  ich 
nicht  bloss  nichts  —  denn  was  in  dieser  Hinsicht  über  die  Herkunft 
des  Lamissio  und  über  die  Ermordung  Alboins  bemerkt  wird,  beruht 
entweder  auf  irriger  Textconstituirung  oder  auf  irriger  Interpretation  — , 
sondern  das  Ineinanderfügen  beider  Recensionen  erscheint  mir  leicht 
ausführbar  und  durch  ihre  Beschaffenheit  geradezu  geboten. 

Anders  verhält  es  sich  nun  freilich  mit  der  Schrift  des  Secundus 
von   Trient.      Paulus    erwähnt   dieselbe   zweimal    (3,  29.   4,  40)   und 
unter   der   gleichen   Titelbezeichnung   der  gesfa   Langohardorum;   es' 
fragt  sich,   was   er  daraus  genommen  hat   und  wie   sie  sich   zu  der| 
Origo     stellt.        Jene     Frage     lässt    sich     insoweit     einigermaassen ! 
beantworten,     als,     obwohl    eigentliche     Anführungen     daraus     bei 
Paulus    gar    nicht   vorkommen,    doch    eine   Reihe   von    Nachrichten 
theils  nach  ihrer  persönlichen,  theils  nach  ihrer  örtlichen  Beziehung 
mit    völliger    Sicherheit     auf     diesen     Gewährsmann    zurückgeführt 
werden  können,  was  auch  schon  oft,  zuletzt  in  recht  befriedigende] 
W^eise   von    Jacobi    S.  65  ff.    geschehen  ist.      Die    hervorragendster 
darunter    sind    die    eben    von    diesem    Secundus    im    J.  603    voll 
73  zogene  Taufe   des   königlichen   Prinzen   (4,  27)  und  die  Localnotizei 
über  Trient  und   die   Umgegend    aus   den   J.  577   (3,  9),   590   (3,  3 
vgl.  4,  l),  wo  die  Aufzählung  der  castra  in  territorio  Tridentino  ei' 
deutliches  Ursprungszeugniss  ist\   591  (4,  2),  595?  (4,  10),  wo  der 
neuen  dux  von  Trient  gewiss    nicht  zufällig   das  Prädikat  vir  bonu 
ac  fide  catJioUcus  beigesetzt  ist.    Für  die  Beschaffenheit  des  Werke 
ist  es  ebenfalls  beweisend,    dass   Paulus   (3,  29)    bei    dem   Secundu 
einen  Bericht  über   den  nach  den    fränkischen  Annalen   im  J.  58 
über  die  Franken  erfochtenen  Sieg  der  Langobarden  zu  finden  ei 

1)  Das  castrum  Ferrugae  ist  Veruca  an  der  Etsch  (Cassiodor  var.  3,  4^ 
das  von  den  Trienter  Gelehrten  dicht  bei  Trient  gesucht  wird,  ich  weiss  nicl 
ob  mit  Recht. 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  507 

wartete  und  nicht  fand.  Endlich  ist  mit  Recht  hervorgehoben  wor- 
den, dass  Secundus  nach  Paulus  (-1,  40)  die  Thaten  der  Langobarden 
usque  (td  sua  tcmpora  beschrieben  hat  und  im  J.  612  gestorben  ist 
und  dass  von  da  ab  die  bis  dahin  reichlich  fliessende  Erzählung 
versiegt,  so  dass  zum  Beispiel  bei  König  Arioald  (626—636)  Paulus 
selber  anmerkt  (4,41):  de  cums  regis  rjestis  ad  nostram  notitiam 
illiquid  minime  pervenit.  —  Wenn  hiernach  längst  und  mit  gutem 
Grund  angenommen  ist,  dass  die  eigentlich  historischen  Nachrichten 
bei  Paulus  aus  der  Zeit  vor  612,  so  weit  sie  aus  einer  langobardi- 
schen  Quelle  herrühren,  auf  Seciuidus  zurückgehen,  so  erscheint  es 
um  so  schwieriger  das  Yerhältniss  dieser  Quelle  zu  der  Origo  zu 
bestimmen.  Es  ist  reine  Willkür,  wie  dies  zum  Beispiel  Jacobi 
thut,  die  Nachrichten,  welche  einen  sagenhaften  Charakter  tragen, 
der  Origo,  die  als  zeitgenössische  Aufzeichnungen  sich  charakteri- 
sirenden  dem  Secundus  zu  vindiciren ;  es  ist  dies  um  so  mehr  Will- 
kür, als  es  gerade  eine  Besonderheit  der  älteren  Langobarden- 
geschichte ist  auch  auf  dem  der  eigentlichen  Legende  entrückten 
Gebiet  in  der  ausgeführten  und  persönlich  gehaltenen  Erzählung, 
wie  die  von  der  Unthat  der  schönen  Rosamunde  und  von  Autharis 
Werbung  um  Theudelindens  Liebe  sind,  Wahrheit  und  Dichtung  zu 
einem  unvergleichlichen  Chiaroscuro  zu  mischen.  Denn  einerseits 
ist  es  ausser  Zweifel,  dass  die  Origo  trotz  ihres  Titels  auch  die 
spätere  Zeit  umfasst  hat,  und  da  w4r  sie  erwiesener  Maassen  nicht 
80  vollständig  lesen,  wie  sie  Paulus  vorlag,  so  ist  jede  Anwendung 
des  argumentum  a  silentio  nichts  als  L^nkritik.  Andrerseits  spricht 
nicht  blos  der  Titel  der  Schrift  dagegen,  dass  Secundus  nur  die 
Geschichte  seiner  Epoche  erzählt  hat.  Die  farbenreiche  Erzählung 
von  dem  Einfall  der  Avaren  im  J.  610  (4,  37)  gehört  sicher  dem 
Secundus;  aber  sie  ist  die  höhnische  Erfüllung  des  bei  der  Aus- 
wanderung der  Langobarden  zwischen  beiden  Yölkern  geschlossenen 
Pacts  \  und  wer  jene  niederschrieb,  hat  auch  diesen  berichtet.  Vor  74 
allen  Dingen  aber  haben  wir  oben  gesehen,  dass  auch  bei  den 
Vorgängen  unter  Agilulf  (590  —  616),  die  recht  eigentlich  in  die 
Epoche  des  Secundus  fallen,  die  enge  Verwandtschaft  zwischen  der 
Origo,  so  weit  diese  reicht,  und  Paulus  keineswegs  sich  verleugnet. 
Ueberhaupt  wird  jedem  mit  solchen  Forschungen  Vertrauten  sich  die 
Wahrnehmung  aufdrängen,  dass  die  ältere  langobardische  Ueber- 
lieferung  bei  Paulus  einen  homogenen  Charakter   an  sich  trägt  und 


1)  1,  27.  2,  7.    Das  ist  der  Sinn  der  Worte:  fallaciter  tarnen  eis  promittenUs, 
qxiod  eos,  unde  digressi  fuerant,  Pannoniae  in  finibus  collocarent.    "Vgl.  S.  492. 


508  Die  Quellen  der  Langobardengesehichte  des  Paulus  Diaconus. 

innerhalb  derselben  kaum  für  mehr  als  einen  Gewährsmann  rechter 
Raum  ist. 

Es  giebt  nur  einen  Weg,  der  aus  diesen  Verlegenheiten  ins 
Freie  führt;  aber  diesen  Weg  hindert  auch  nichts  zu  beschreiten. 
Ist  es  nicht  evident,  dass  die  origo  gentis  Langohardorum  nichts  ist 
als  ein  mit  einer  kurzen  Fortsetzung  versehener  Auszug  aus  der 
Schrift  des  Secundus  von  Trident?  Dann  erklärt  sich  alles  sehr 
einfach.  Die  Origo  ist  dem  Landrecht  der  Langobarden  möglicher 
Weise  gleich  bei  dessen  Erlassung  im  J.  643,  wahrscheinlich  erst 
im  J.  668  als  geschichtliche  Einleitung  vorgesetzt  worden.  Wie 
sollte,  wer  dies  that,  dabei  die  bis  gegen  das  J.  612  geführte  Chronik 
des  Secundus  von  Trident  ignorirt  haben?  Nichts  liegt  näher,  als 
dass  man  eben  diese  selbst  dafür  verwandte  und  sich  darauf  be- 
schränkte sie  so  gut  es  ging  bis  auf  die  Gegenwart  fortzuführen. 
Dass  Paulus  das  Buch  da,  wo  er  sich  gegen  den  Vorwurf  der  Ge- 
schichtsfälschung vertheidigen  wollte,  nach  dessen  officieller  Stellung  F 
als  prologus  edicti  des  Königs  Rothari  citirte,  sonst  aber  als  des! 
Secundus  gesta  Langohardorum,  steht  nicht  entgegen;  zugegeben 
einmal,  dass  das  Geschichtswerk  ein  integrirender  Theil  des  Rechts- 
buches war,  wofür  wenigstens  Paulus  es  gehalten  hat,  so  konnte 
gegen  beide  Bezeichnungen  nichts  eingewendet  werden^.  Es  ver- 
stärkt den  Beweis  nicht  eben,  verdient  aber  doch  bemerkt  zu  werden, 
dass  von  jenem  Langobardensieg  im  J.  588,  den  Paulus  bei  Secundus 
vergeblich  suchte,  auch  in  der  Origo  nichts  zu  finden  ist.  Ebenso 
erklärt  es  sich  in  diesem  Fall  einfach,  woher  Paulus  die  Nachrichi 
von  dem  Tode  des  Secundus  im  J.  612  genommen  hat;  wer  etw£ 
75  fünfzig  Jahre  später  dessen  Werk  fortführte,  fing  zweckmässige! 
Weise  seine  Aufzeichnungen  mit  dieser  Nachricht  an.  j 

Wenn    man    aus    der    Langobardengeschichte    des    Paulus    di( 
Nachrichten  etwa  von  610  an  so  wie  ferner  die  römisch-byzantinischeij 


1)  Man  kann  diese  Vermuthung  auch  dahin  modificiren,  dass  die  Origo  bi 
zum  J.  612  aus  dem  Secundus  ausgezogen  ist  und  dem   Paulus   sowohl   diese   - 
Auszug  wie  der  vollständige   Secundus  vorlag.    Diese  Combination  bietet   de.    f  •! 
Vortheil,   dass  die  Anführung  der  Schrift  unter  verschiedener  Bezeichnung  sie 
also  von  selbst  erklärt.    Aber  gegen  sie  würde  man  mit  Recht  geltend  machei 
dass  Paulus,   der  doch  über  das  Verhältnis  seiner  beiden  Quellen  nicht  füglic; 
im  Unklaren  sein   konnte,    da  wo  er  sich  in  ihren  Schutz  stellte,    nicht  de 
Auszug  vor  dem   Rechtsbuch,   sondern    vielmehr   den    Secundus    selbst   citire 
musste.    Darum  bleibe   ich  bei   der  einfachen  Annahme  stehen,   dass  das  dei 
Edict  vorgesetzte  Geschichtswerk  eben  nichts   war   als  das  des   Secundus  m 
entsprechender  Fortsetzung  bis   zum  J.  668  oder  671  und  dass   Paulus   für  d, 
ältere  Langobardengeschichte  nur  diese  eine  Quelle  gehabt  hat.  '"^ 


il 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  509 

tnd  die  fränkischen  Bestandtheile  ausscheidet  und  mit  dem  Rest 
die  Nachrichten  der  Origo  und  die  hieher  gehörigen  des  Chronicon 
Gothanum  combinirt,  stellt  sich  ein  langobardisches  Geschichtswerk 
von  wesentlich  einheitlichem  und  gleichartigem  Charakter  heraus, 
das  dem  wenig  älteren  fränkischen  des  Gregorius  von  Tours  an  die 
Seite  tritt.  Dasselbe  näher  zu  charakterisiren  ist  nicht  die  Aufgabe 
dieser  Untersuchung  und  kann  auch  nicht  unternommen  werden  ohne 
sachliche  und  eingehende  Prüfung  sowohl  der  legendarischen  wie 
der  mehr  oder  minder  historischen  langobardischen  Ueberlieferung, 
wozu  mir  die  Voraussetzungen  fehlen.  Nur  auf  ein  Moment  möchte 
ich  mir  noch  gestatten  die  Aufmerksamkeit  der  Mitforscher  zu 
richten:  es  ist  dies  die  auffallende  Wechselbeziehung,  in  welchem 
dieses  älteste  langobardische  Geschichtswerk  zu  den  Historikern  der 
Gothen,  dem  Jordanes  und  mittelbar  also  auch  dem  Cassiodor  steht. 
Die  beiden  correlaten  Bücher  des  Jordanes  tragen  bekanntlich 
das  eine  den  Titel  de  summa  temporum  vel  de  origine  actibusque 
gentis  Romanorum,  das  zweite  den  de  origine  actibusque  Getarum, 
Wenn  die  oben  ausgesprochenen  Vermuthungen  das  Richtige  treffen,  so 
lagen  dem  Paulus  vor  theils  die  origo  gentis  Romanae  eines  unbe- 
kannten Verfassers,  theils  des  Secundus  origo  gentis  Langobardorum, 
wie  die  Schrift  im  Auszug  betitelt  ist,  oder  gesta  Langobardorum, 
wie  Paulus  dieselbe  bezeichnet.  Der  Analogie  in  der  Gliederung 
und  der  Titulirung  der  Schriften  thut  es  keinen  Abbruch,  dass 
Secundus  die  erstere  Schrift  wahrscheinlich  nicht  verfasst,  sondern 
nur  mit  seiner  eigenen  zusammengestellt  hat.  Aber  weit  bemerkens- 
werther  ist  die  innere  Verwandtschaft  der  gothischen  und  der  lango- 
bardischen Legende.  Die  Gothen  wandern  aus  der  insula  Scandia^, 
wo  midtae  et  diversae  manent  nationes  (c.  3)  und  welche  ist  quasi 
officina  gentium  aut  certe  velut  vagina  nationum"^.  Von  da  schüfen 
sie  auf  drei  Fahrzeugen  unter  ihrem  König  Berich  nach  dem  Fest- 
land (c.  4.  17).  Ihre  Sitze  sind  nach  einander  die  Landschaft  Gothi- 
scandia,  das  Gebiet  der  Ulmerugen,  das  Land  Oium,  das  der  Spaler 
und  so  weiter;  die  Erzählung  dieser  Fahrten  spinnt  sich  an  der 
Königsliste  ab  (vgl.  besonders  c.  24).  Die  erste  Völkerschaft,  mit 
der  sie  auf  dem  Festland  handgemein  werden,  sind  die  Vandalen 
(c.  4).  Weiterhin  wird  in  die  Erzählung  die  Fabel  von  den  Ama-  75 
Zonen  hineingezogen,   indem  diese  selbst  als  skythische  Frauen  für 


1)  Scandza,  wie  Jordanes  schreibt,  ist  nur  orthographische  Variante. 

2)  Ob  es  zulässig  ist  die  unter  den  Völkern  von  Scandia  genannten  Vino- 
viloth  mit  den  Winiles  in  Verbindung  zu  bringen,  werden  die  Germanisten  ent- 
scheiden [vgl.  Müilenhoff  im  Index  der  Mommsenschen  Ausg.  p.  166]. 


5I0  I^ie  Quellen  der  Laugobardengescbichte  des  Paulus  Diaconus. 

den  gothischen  Stamm   in  Anspruch  genommen  und  ihre  Siege  den 
gothischen   Heldenthaten  zugezählt  werden.     Yon    Entlehnung    der 
einzelnen  Erzählungen  kann  gar  keine  Rede  sein;  aber  ist  es  wirk- 
lich Zufall,  dass  das  Schema  der  gothischen  und  der  langobardischen 
Origo  in  dieser  seltsamen  Weise  übereinstimmt?    Cassiodors  gothische 
Geschichte,    Jordanes    Auszug    derselben   können    dem    Tridentiner 
Oeistlichen    kaum  unbekannt  geblieben   sein;    die   Aufzeichnung  der 
Legenden  muss   einen   wesentlichen  Bestandtheil  von  jener    ausge- 
macht  haben   und   auch   der   Auszug   hat    davon  manches    bewahrt, 
wobei   die  Etymologie   eine  ganz  ähnliche  Rolle  spielt  wie   bei  der 
Langobardenlegende   —   man  erinnere   sich  der  Erzählung  von   der 
Entstehung  des  Namens  der  Gepiden^.    Es  kann  ja  sein,  dass  diese 
Erzählungen    deshalb    stimmen,    weil    sie    beide    Bruchstücke    einei 
grossen  germanischen  Gesammtursprungslegende  sind.    Es  kann  abei 
auch  sein,   dass   der  gothische  Märchenerzähler  den  langobardischen 
angeregt  hat  zu  analoger  Fabulirung.     In  der  That  sind  die  Ama- 
zonengeschichten, die,  allerdings  in  wesentlich  anderer  Wendung,  ir 
beiden  Wanderlegenden   ihren  Platz  gefunden  haben,   der  letzterei 
Auffassung  bei  weitem  günstiger.     In   die  gothische  sind  dieselbei 
erwiesener  Maassen  lediglich  auf  gelehrtem  Wege  gelangt  in  Folg< 
der  Identificirung    der  Gothen   mit   den   Skythen;    sollte   es   danacl 
nationale  Heldensage  sein,    dass  der  Langobarde  Lamissio  um  dei 
Uebergang  über  den  Fluss  mit  der  Amazone  im  Zweikampf  gestrittei 
hat?  —  Wie  die  Langobarden  in  Italien  politisch  an  den  Platz  de 
Gothen   getreten  sind,  so   mochten  auch  ihre  Historiker  wohl  siel 
angeregt  finden  ihre  Legende    nach   dem  gothischen  Muster  auszuj 
gestalten.   Auf  jeden  Fall  wird  es  zweckmässig  sein,  wenn  diejenigei 
welche  berufen    sind   dergleichen    Fragen    nicht    bloss    aufzuwerfei 
sondern  auch  zu  beantworten,  die  innere  Verwandtschaft  der  beide 
Erzählungen  im  Auge  behalten  wollen. 


Ich  wende  mich  zu  dem  anderen  Abschnitt  dieser  Untersuchun,! 
der  Ermittelung  der  römischen  Quellen,  welche  Paulus  neben  de 
fränkischen  und  langobardischen  benutzt  hat.  Es  sind  deren  zwd 
eine  Chronik  und  das  Verzeichnis  der  Provinzen,  in  welche  Italic 
als  Diöcese  des  römischen  Gesammtstaats  zerfiel. 
77  Gleich  der  fränkischen  Chronik  tritt  auch   die  römische   in  dij 

Historia  Langobardorum    vor    der    langobardischen    Quelle    zurüc 

1)  Man  möchte  wohl  etwas  mehr  wissen  von  den  fabulae  aniles  über  c 
Lösung  der  Gothen  aus  der  britannischen  Sclaverei  um  den  Preis  eines  Bosses  (c,  i 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  üiaconus.  511 

In  den  ersten  vierundzwanzig  Kapiteln  des  ersten  Buches  schöpft 
Paulus,  von  einzelnen  früher  erörterten  Einlagen  abgesehen,  die 
Erzählung  ausschliesslich  aus  der  heimischen  Quelle.  Als  er  aber 
an  die  durch  die  Gothenkriege  Justinians  herbeigeführte  und  an- 
geblich von  dessen  Feldherrn  Narses  veranlasste  Einwanderung  der 
Langobarden  in  Italien  gelangt,  giebt  er  offenbar  aus  andern  Quellen 
Mittheilungen  über  Justinians  Regiment.  Bei  diesen  ist  zunächst 
bemerkenswerth  ihre  Anknüpfung  an  den  Schluss  der  historia  Ilomana. 
Paulus  führt  diese  bis  zum  Tode  des  Totilas  552  und  schliesst  sein 
sechszehntes  Buch  mit  den  Worten:  quia  vero  restant  adhuc,  quae 
de  lustiniani  Angusti  felicitate  dicantur,  in  saquenti  .  .  .  libello  pro- 
menda  sunt.  Dieses  'folgende  Buch'  ist  nicht  vorhanden,  aber  an 
dessen  Platz  tritt  die  Langobardengeschichte.  Denn  in  dem  Bericht  über 
■Justinian  werden  zwar  die  Ereignisse,  die  in  der  römischen  ausführlicli 
erzählt  sind,  der  persische  Krieg  von  530,  die  Eroberung  Africas  534, 
die  üeberwindung  der  Gothen  in  Italien  durch  Belisar,  in  äusserster 
Kürze  zusammengefasst,  aber  dann  geht  die  Erzählung  mit  relativer 
Ausführlichkeit  über  auf  Dinge,  von  denen  in  der  hist.  Romana  nichts 
steht:  die  Besiegung  des  Maurenkönigs  Antalas  (wahrscheinlich  549), 
das  grosse  Legislationswerk,  den  Bau  der  Sophienkirche,  und  schliesst 
mit  einem  Gesammturtheil  über  den  Kaiser.  Im  folgenden  Buch 
«odann  wird  die  Erzählung  des  Gothenkrieges  eben  an  dem  Punkte 
wieder  aufgenommen,  wo  die  hist.  Rom.  abbricht,  das  heisst  mit  dem 
Kampfe  zwischen  jSfarses  und  Butelinus  im  J.  553,  nur  dass  die  noch 
bei  Totilas  Lebzeiten  erfolgte  Entsendung  der  langobardischen  Hülfs- 
truppen  zu  der  Armee  des  Narses  voraufgeschickt  wird.  Also 
schliessen  die  Stücke  so  genau  zusammen,  wie  es  nur  verlangt  wer- 
den kann,  und  hat  Paulus  seine  Geschichte  Italiens  in  der  Weise 
angelegt  oder,  wenn  man  will,  seinen  ursprünglichen  Plan  in  der 
Weise  modificirt^    dass  er  die  ersten  sechszehn  Bücher  als  historia 


1)   Dass  die  historia  Romana  vor  774   vollendet  ist,  steht  fest,   nachdem 
l^frd.  Hirsch  ('das  Herzogthum  Benevent'  Leipzig  1871,  S.  47)  erwiesen  hat,  dass 
ichis  in  diesem  Jahre   den   Titel   diix  mit  dem   Titel   princeps   vertauschte. 
dere   beachtenswerthe    Gründe    für    die   gleiche   Zeitbestimmung    hat    Dahn 
tulus  Diaconus  1875  1,  15)  beigebracht.    Die  historia  Langöbardorum  dagegen 
ist  nach  dem  Zusammensturz   des  Langobardenreiches  und  dem  dadurch  veran- 
lassten unfreivi^illigen  Aufenthalt   des  Paulus  am  fränkischen  Hofe  geschrieben. 
Es  liegt  also  zwischen  beiden  eine  geraume  Zwischenzeit  und  eine  Modification 
des  ursprünglichen  Planes  kann  um  so  weniger  befremden.     Dass  Paulus  selbst 
über  das  Verhältniss  der  späteren  Schrift  zu  der  früheren  nichts  sagt,  erklärt 
sich  wohl  daraus,  dass  jene  unvollendet  blieb  und  also  auch  ohne  Vorrede  und 
Dedication  ist.    Auffallend  bleibt  es,   dass  die  Gelehrten  des  fränkischen  Hofes, 
deren  Complimente  sonst  in  der  That  nichts  zu  wünschen  übrig  lassen: 


512  ^ie  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

78  Romana,  die  letzten  sechs  als  historia  Langohardorum  betitelte. 
Das  letztere  Werk  ist  unvollendet  geblieben  und  damit  die  Antwort 
auf  die  naheliegende  Frage  abgeschnitten,  wie  Paulus,  der  dasselbe 
nach  dem  Sturze  des  Langobardenstaates  schrieb,  sich  das  Yerhält- 
niss  seines  Werkes  zu  der  Gegenwart  gedacht  hat.  An  eine  nationale 
Opposition  des  langobardischen  Gelehrten  gegen  König  Karl  wird 
kein  Yerständiger  denken;  eher  möchte  man  im  Hinblick  auf  die 
Art,  wie  Paulus  dem  Frankenstaat  seiner  Zeit  gegenübertritt  (vgl. 
besonders  6,  16),  vermuthen,  dass  Paulus  als  dritten  Theil  der 
Geschichte  Italiens  sich  gesfa  Francorum  gedacht  hat. 

Dies  Yerhältniss  der  beiden  Werke  des  Paulus  ist  auch  für  die 
Quellenfrage  wesentlich,  insofern  hienach  die  späteren  Theile  der 
historia  Romana  und  die  römischen  Abschnitte  der  Mstoria  Lango- 
hardorum nothwendig  in  der  Untersuchung  zusammengefasst  werden 
müssen.  Da  die  Droysensche  Einleitung  nur  auf  jene  eingegangen! 
ist,  so  will  ich  hier  versuchen  kurz  darzulegen,  dass  die  dort  ge-l 
fundenen  Resultate  auch  für  diese  zutreffen  und  ihnen  in  der  That 
eine  uns  verlorene  oder  doch  nur  unvollständig  erhaltene  Chronik 
zu  Grunde  liegt. 

Wenn  wir  aus  den  ersten  vier  Büchern  —  ich  ziehe  hier  auch 
das  dritte  und  vierte  in  den  Kreis  der  Untersuchung  hinein  —  alles 
ausscheiden,  was  mit  Wahrscheinlichkeit  entweder  auf  Gregoriui- 
von  Tours  und  dessen  Fortsetzer  ^  oder  auf  Secundus  von  Trieni 
und  dessen  Fortsetzer  oder  auch  auf  die  dem  Paulus  bekannte  nichii 
chronistische  Litteratur  zurückgeführt  werden  kann,  so  bleiben  unge-| 
fähr  folgende  Stücke  übrig: 

1,  25.  Es  ist  dies  der  so  eben  erörterte  Abschnitt  über  Justiniam 
Regiment  im  Allgemeinen.  Was  Paulus  am  Schlüsse  übe: 
die  Schriftsteller  Cassiodor,  Dionysius  Exiguus,  Priscianus 
Arator  aussagt,  ist  nicht  aus  einer  Chronik  geschöpft,  sonderi 
aus  den  Titeln  und  den  Vorreden  ihrer  Werke  und  bestätig 
weiter  seine  ausgebreitete  Litteraturkunde. 


Graeca  cernei'is  Bomerus,  Latina  Virgilius, 

in  Hebraea  quoque  Philo,  Tertullus  (doch  wohl  Tertullian)  in  artibus, 

Flaccus  crederis  in  metris,  Tibullus  eloquio 
von  seiner  historischen  Schriftstellerei  gar  nichts   zu  wissen  scheinen,  währen 
doch  die  historia  Romana  damals  schon  fertig  war  und  wenigstens  ihre  Existei 
jenen  mit  Paulus  viel  verkehrenden  Gelehrten  kaum  unbekannt  bleiben  könnt i 

1)  Die  Bekehrung  der  persischen  Königin  Cesara  (4,  50)  scheint  fränkischcj 
Erzählungen  entlehnt. 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  513 

2,  1 — 5  (vgl.  3,  12)  Geschichte  des  Narses  und  Einwanderung 
der  Langobarden  in  Italien,  nach  Abzug  dessen,  was  davon 
dem  Secundus  gehören  kann. 

2,  11  Narses  Tod.  79 

3,  IL  12.  lustinus  II,  Tiberius  Constantinus,  nach  Abzug  der 
grossen  aus  Gregor  und  dem  Pontificalbuch  genommenen 
Abschnitte. 

15.  22  (?)  Mauricius,  nach  Abzug  dessen,  was  dem  Gregor  gehört. 

4,  26,  Mauricius.     Pocas. 

29.  Tod  des  Papstes  Gregorius. 

36.  Focas.     Heraclius. 

49.  Söhne  des  Heraclius.     Constantinus  (sog.  Constans  II). 

Vergleichen  wir  mit  diesen  Nachrichten  die  uns  anderweitig 
erhaltenen  annalistischen,  so  kehren  manche  derselben  darin  in  der 
Weise  wieder,  dass  die  Gemeinschaftlichkeit  der  Quelle  ausser 
Zweifel  steht.  Solche  Analogien  bieten  sich  mehrfach  zwischen 
Paulus  einerseits,  andererseits  Isidor  und  der  Kopenhagener  Fort- 
setzung des  Prosper.  Yor  allen  Dingen  aber  zeigen  sich  ungemein 
enge  Beziehungen  dieser  Abschnitte  des  Paulus  zu  der  Chronik  des 
Beda,  sogar,  was  immer  am  sichersten  führt,  Uebereinstimmung  im 
Falschen.  Dahin  gehört  die  Berechnung  der  Dauer  des  Vandalen- 
reichs  auf  96  Jahre,  welche  Paulus  auch  in  seiner  römischen  Ge- 
schichte (16,  14)  vorbringt.  95  Jahre  rechnen  dafür  lustinian  selbst^ 
und  Prokop2  und  diese  Ziffer  ist  die  officielle  und  die  richtige; 
daneben  findet  sich  die  Zahl  92  bei  Marius  von  Avenches^,  die  Zahl, 
die  Paulus  hat,  ausserdem  bei  dem  Byzantiner  Marcellinus  und  bei 
Beda*.  —  Papst  Gregor  starb  in  der  siebenten  Indiction;  Paulus 
wie  Beda  setzen  seinen  Tod  in  die  achte.  —  Die  beiden  nach  ein- 


1)  In  der  Verordnung  C.  lust.  1,  27,  1.  Ueberliefert  ist  hier  antea  centum 
et  quinque  (oder  quinquagintä)  annos  und  nicht  mit  Krüger  ante  CV,  sondern 
mit  Verwandlung  von  ^  in  X  ante  XCV  annos  herzustellen.  —  In  der  unter 
die  Anhänge  zum  Prosper  gerathenen  Notiz  bei  Roncalli  1  p.  703  [Chron.  min.  3 
S.  460]  werden  93  J.  10  M.  11  Tage  gerechnet. 

2)  Vand.  II,  3  p.  423  Bonn  [vol.  I  p.  432  (§  26)  Haury].  Die  ihn  ausschreiben- 
den Griechen  übergehe  ich. 

3)  Ihn  allein  führen  Jacobi  (S.  85)  und  Waitz  an,  mit  dem  Bemerken,  dass 
'aulus  dieselben  Fasten  wie  Marius  brauche.     Aber  an  Entlehnung  kann  doch 

Ibst  unter  dieser  Voraussetzung  nicht  gedacht  werden,  da  die  Summe   nicht 
timmt.     Droysen  nimmt  Entlehnung  aus  Beda  an,  was  wenigstens  möglich  ist. 

4)  Dazu  kommt  wohl  noch  die  Ruiuartsche  Chronik  Roncalli  2,  264  [aus 
'da,  vgl.  Chron.  min.  3  p.  232];  die  Handschrift  Brux.  1794  hat  anno  vkesimo 
xto,  und  XX  FI  wird  verdorben  sein  aus  XCVI. 

MOMMrSEN,   SCHR.  VI.  33 


514         Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diacouus. 


ander  kurze  Zeit  regierenden  Söhne  des  Heraklius,  Constantinus  und 
Herakleones,  haben  beide  in  der  gleichen  falschen  Folge. 

Zur  Yeranschaulichung  dieser  Beziehungen  setze  ich  diejenige 
Stelle  der  Langobardengeschichte,  an  welcher  dieselben  im  weitesten 
Umfang  und  in  der  grössten  Bestimmtheit  hervortreten,  hier  her  mit 
den  dazu  gehörigen  Parallelstellen: 


80  Isidorchr.llO:*) 

Huius  (Focae) 
tempore  prasini  et 
veneti  per  Ori- 
entem  vel  Aegyp- 
tum  civile  bellum 
faciunt  ac  sese 
mutua  caede  pro- 
sternunt. 

Proelia  quoque 
Persarum  gravis- 
sima  adver  sus  rem 
puhlicam  ecccitan- 
tur:  aquibus  Po- 
mani  fortiter  de- 
bellati  plurimas 
provincias  {usque 
adEuphratem)  et 
ipsam  {ut  dicunt) 
Hierosolymam  a- 
miserunt. 


Contin.  Havni- 


ensis : ' 


') 


Prasini  et  veneti 
per  Orientem  vel 
Aegyptum  civile 
bellum  faciunt  ac 
sese  mutua  caede 
prosternunf. 

Haec  dum  interius 
in  re  publica  a- 
guntur,  Persi  ad- 
versum  exterius 
eam  excitantur, 
qui  tarn  gravissime 
debellando  acce- 
dunt,  ut  innume- 
ras  vicinas  suo 
regno  provincias 
ipsamque  Aegyp- 
tum ac  ludaeam 
a  Romano  iure 
subtraherent  et 
sibi  tributarias 
facerent. 


Beda 


n 


Persae  adversus 
rem  j^ublicam  gra- 
vissima  bella  ge- 
rentes  multas  Ro- 
manorum provin- 
cias et  ipsam  Hie- 
rosolimam  aufe- 
runt. 


et  destruentes  ec- 
clesias  sancta 

quaequeprofanan- 

tes  inter  ornamen- 
ta  locorum  vel 

sanctorumvel  com- 


Paulus  4,  36: 
Huius  (Focae) 
tempore  prasini  et 
veneti   per     Ori- 
entem et  Aegyptum 
civile  bellum  fa- 
ciunt ac  sese  mu- 
tua caede  proster- 
nunf. 
Persae  quoque  ad- 
versus rem  publi- 
cam     gravissimal 
bella  gerentes  muU 
tas     Romanorun^i 
provincias  et  ip- 
sam Hierosoli- 
mam  auferunt. 


et  destruentes  cc^ 

clesias,  sancta 
quoqu£  profanav 
tes,  inter  ornameh 
ta  locorum  sancio 
rum   vel  commn 


*)  [Chron.  min.  ed.  Mommsen   vol.  II   p.  478;   die   in    (  )   gesetzten  Wort) 
sind  dort  aus  dem  Text  entfernt.] 

**)  [Ebd.  vol.  I  p.  338.]  ***)  [Ebd.  vol.  111  p.  310.] 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.         515 

muniumquaedb-nium    etiam    ve- 
stulere  etiam  ve-xillum  dominicac 
xillum  dominicae\crucis  ahducunt. 
crucis  abducunt. 

I  Contra  hunc  Fo- 
I  catem  EracUanus, 
gut  Africam  rege- 
\hat,  rebellavit  at- 
\que  cum  exercitu 
^veniens  cum  re- 
\gno  vitaque  pri-  Sl 
i  vavit,  remque  pu- 
ihlicam  Romanam 
Eraclius  eiusdeni 
'  filius  regendam 
suscepit. 

Bei  dieser  Lage  der  Sache  hat  der  Herausgeber  der  Geschichte 
der  Langobarden,  und  ähnlich  der  der  römischen,  sich  dabei  beruhigt, 
dass  Paulus  die  Chronik  des  Isidor  so  wie  die  seines  Zeitgenossen 
Beda  ausgeschrieben  habe.  Es  kann  nicht  meine  Absicht  sein  die 
weit  umfassende  Frage  in  diesem  Zusammenhang  zu  erledigen ;  nicht 
die  Lösung  selbst,  aber  den  Weg  derselben  soll  die  folgende  Dar- 
legung aufzeigen. 

Jene  Verweisungen  auf  Isidor  und  Beda  erwecken  schon  an 
sich  mancherlei  Bedenken.  "Wie  seltsam  ist  es,  wenn  man  zum 
Beispiel  die  oben  abgedruckte  Stelle  betrachtet,  dass  Paulus  aus 
Isidors  Chronik  nichts  weiter  in  die  Langobardengeschichte  auf- 
genommen haben  soll  als  die  eine  Notiz  über  den  Streit  der  Grünen 
und  Blauen M  Wie  seltsam  ferner,  dass  Paulus  diese  Nachricht 
und  die  bei  Isidor  folgende  über  die  Einnahme  Jerusalems  durch 
die  Perser  zwar  in  derselben  Folge  giebt,  wie  Isidor  sie  hat,  aber 
nur  die  erste  in  der  Fassung  Isidors,  die  zweite  in  wörtlicher  Ueber- 
einstimmung  mit  Beda!  Es  ist  ja  richtig,  dass  das  compilatorische 
\  erfahren  der  Schriftsteller  der  letzten  römischen  Zeit  und  des  be- 
ginnenden Mittelalters  seltsame  Probleme  zeigt;  wer  dem  Orosius, 
dem  Isidor  und  so  weiter  in  der  Genesis  ihrer  Schriftstellerei  nach- 
gegangen ist,  der  weiss  es,  wie  wunderliche  Fälle  theils  der  sporadi- 
^'•hen  Quellenbenutzung,  theilst  der  Contamination  —  sehr  häufig  des 

j        1)  Jacobi  a,  a.  0.  S.  31,     Dass  1,  25  nicht  geradezu  aus  Isidor  herrührt, 
wurde  S.  488  Amii.  bemerkt. 

33* 


516  Die  Quellen  der  Langobardengescliichte  des  Paulus  Diacpnus. 

Grnndwerks  mit  den  daraus  geflossenen  Auszügen  —  bei  ihnen  be- 
gegnen, oft  ohne  allen  ersichtlichen  Zweck.  Aber  wenn  man  in 
dieser  Hinsicht  das  Mögliche  und  vielleicht  selbst  das  kaum  Mögliche 
hinzunehmen  bereit  ist,  so  reichen  die  gangbaren  Aufstellungen  in- 
sofern auf  keinen  Fall  aus,  als  in  der  Langobardengeschichte  des 
Paulus  eine  Anzahl  von  Nachrichten  übrig  bleiben,  welche  augen- 
scheinlich weder  aus  der  langobardischen  Quelle  herrühren  können 
noch  bei  Isidor  oder  Beda  sich  finden.  Yielmehr  hat  Paulus,  wie 
für  die  späteren  Bücher  der  römischen  Geschichte  so  auch  für  die 
langobardische,  verlorene  im  byzantinischen  Italien  abgefasste  Annalen 
benutzt  und  die  oben  (S.  512.  513)  zusammengestellten  Nachrichten 
diesen  entnommen.  Welcher  Art  diese  Chronik  gewesen  und  von 
82  wem  sie  sonst  ausgeschrieben  ist,  lässt  sich  einigermassen  bestimmen; 
und  unter  dieser  Yoraussetzung  erklärt  sich  einfach,  was  sonst  grosse 
Schwierigkeit  macht. 

Die  Vorgänge  im  Osten  fehlten  in  der  Chronik  nicht  völlig;  es 
ist   die  Rede  von    dem  Kampf  der   Grünen  und  der  Blauen   unter 
Focas.     Aber    diese  Angaben    sind    dürftig    und    der    Horizont    des 
Verfassers  ist  nicht  der  von  Constantinopel ,   sondern   der  von  Rom 
oder  Ravenna.    Die  Chronik  führte,  wie  dies  bekanntlich  nach  Hie- 
ronymus  Vorgang    in    der    gesammten    dem    römischen    Kaiserreich 
ungehörigen  Annalistik   geschieht,   die  Kaisernamen  mit  Ordnungs- 
zahlen auf  —  Tiberius   Constantinus  heisst  bei  Paulus  Eomanorum 
regum  quinquagesimus  (3,  12)    —  und   setzte    einem  jeden  die  Re-| 
gierungsdauer  bei,  ausserdem  hie  und  da  eine  lakonische  Aeusserung 
über  Herkunft  und   frühere  Lebensstellung:    so    bei  Tiberius   Con- 
stantinus 3, 11.  12  das  Amt  des  curapalaü,  bei  Mauricius  3,  15  primus 
ex    Graecorum    genere.  —  Was  ihren  sonstigen  Inhalt   anlangt,    so 
wurde   schon   gesagt,   dass  wenigstens   ein  Theil  der  hier  in  Frage 
stehenden  Nachrichten  nicht  füglich  auf  die  langobardische  Chronik 
zurückgeführt  werden  kann,   andrerseits,   dass  es  noch  viel  wenigei 
möglich  ist  darin  Auszüge  aus  uns  erhaltenen  Chroniken  zu  erkennen 
Von  Paulus  zusammenfassender  Auseinandersetzung    über  Justiniar 
ist  bereits  (S.  511)  gesprochen  worden;   wer  sie   im  Zusammenhang 
prüft,   wird  nicht  zweifeln,   dass  sie  zu  dieser  Quellengruppe  gehör 
und  dennoch  unmöglich  auf  die  uns  sonst  daraus  erhaltenen  Stücki 
zurückgeführt  werden  kann.     Den  Maurenkönig  Antalas  kennen  wi 
recht    wohl    aus    der    Johannis    des    Corippus    und    der    Vandalen 
geschichte  Prokops;   aber  ausser  Paulus  nennt  seinen  Namen  kein 
occidentalische  Quelle  ^,  und  wie  sollte  er  in  die  gesta  Langöbardorui^ 

1)  Es  ist  ein  Irrthum  Jacobis  (S.  71),  dass  diese  Angabe  auch  in  Jordanej 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  5t 7 

des  Secundus  gerathen  sein?  Der  merkwürdige  Gesammtbericht 
über  die  Gesetzgebung  Justinians  wird,  nach  dem  Zusammenhang, 
in  welchem  er  auftritt,  aus  eben  derselben  Quelle  herrühren,  und 
es  ist  dies  nicht  ohne  Bedeutung,  da  dies  das  einzig  vorhandene 
Zeugniss  ist  für  die  Gesammtpublication  der  justinianischen  Novellen^- 
Die  den  Narses  betreffenden  Berichte,  insonderheit  die  über  den 
Gothenkrieg  des  Butelinus  und  über  die  Ueberführung  seiner  Leiche  83 
zur  Bestattung  nach  Konstantinopel,  werden  in  ihrer  Gesammtheit 
nicht  wohl  dem  Secundus  beigelegt  werden  können;  die  Erzähluhg 
steht  durchaus  auf  dem  römischen  Standpunct  und  die  meisten  hier 
berichteten  Vorgänge  gehen  die  Langobarden  gar  nichts  an'^.  — 
Diesen  oströmischen  Annalen,  nicht  den  langobardischen  entnahm 
Paulus  die  Angabe  über  die  Expedition  des  Heraklianus  zum  Sturz 
des  Phokas,  von  welcher,  so  viel  ich  weiss,  ausser  ihm  kein  lateini- 
scher Autor  etwas  meldet. 

Aus  dieser  gemeinschaftlichen  Quelle,  nicht  aber  einer  aus  dem 
andern,   haben  Isidor,  die  Kopenhagener  Fortsetzung  des  Prosper^, 

römischer  Geschichte  sich  findet ;  dieser  spricht  wohl  von  dem  Sieg  des  Johannes, 
aber  den  Antalas  nennt  er  nicht. 

1)  Ich  habe  früher  in  dieser  Zeitschrift  ([N.  Archiv]  3,  185  [=  Ges.  Sehr.  2, 
S.  431])  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  er  entweder  aus  Paulus  eigener  Kenntniss 
des  Julian  und  der  Vorrede  des  justinianischen  Codex  (schwerlich  der  Digesten) 
geflossen  ist  oder  Paulus  ihn  einem  ihm  vorliegenden  Geschichtswerk  entlehnt  bat. 
Ich  dachte  damals  an  das  des  Secundus,  in  welchem  eine  derartige  Notiz  füglich 
hat  stehen  können;  aber  nach  der  Umgebung,  in  der  sie  auftritt,  zwischen  dem 
Maurenkrieg  des  Antalas  und  der  Erbauung  der  Sophienkirche,  wird  man  sie 
vielmehr  der  römisch -byzantinischen  Quelle  zuzutheilen  haben. 

2)  Dieser  Art  sind  zum  Beispiel  die  erlesenen  Nachrichten  über  den  Franken 
Viuingus  bei  Paulus  H.  L.2,2,  über  den  wir  sonst  nur  durch  den  Byzantiner 
Menander  (fr.  8  p.  204  Müller)  Kunde  haben.  Allerdings  wird  es  kaum  möglich 
M'in  in  Betreff  dieser  italischen  Vorgänge  die  Grenze  zwischen  Secundus  und 
den  Annalen  des  Ostreichs  mit  einiger  Sicherheit  zu  ziehen,  da  zumal  letztere 
iii  wahrscheinlich  schon  dem  Secundus  vorgelegen  haben  werden  und  sehr  wohl 

•n  ihm  für  seine  Laugobardengeschichte  verwerthet  sein  können.  Ist  die 
Nachricht  des  Chr.  Goth.  über  das  Verhältniss  des  Narses.zur  Kaiserin  Sophia 
'in  ursprünglicher  Bestaudtheil  der  Origo,  so  hat  sie  Secundus  aus  den  ost- 
römischen  Annalen  in  seine  Langobardengeschichte  hineingesetzt;  dehn  die 
Identität  jener  Notiz  mit  der  isidorischen  ist  augenscheinlich  und  kann,  wenn 
-^ie  von  Haus  aus  zur  Origo  gehört,  nur  dadurch  erklärt  werden,  dass  Isidor  und 
^ecundus  aus  derselben  Quelle  geschöpft  haben.  Aber  für  diese  Aufstellung,  so 
uitthaft  sie  an  sich  ist,  giebt  eine  der  Interpolation  mehr  als  verdächtige 
Quelle  keinen  ausreichenden  Beweis;  und  ich  erkenne  darum  in  dieser  Nachricht 
vielmehr  mit  Waitz  (oben  S.  492  A.  1)  ein  späteres  Einschiebsel. 

3)  Es  macht  nichts  aus,  dass  die'  Zählung  der  Kaiser  hier  mit  der  dfes 
Paulus  niclit  ganz  stimmt:   Tiberius   ist  dem  Paulus  der  fünfzigste,  würde  aber 


518         I^iß  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

Beda  und  Paulus  geschöpft.  Es  ist  bezeichnend,  dass  die  wahrschein- 
lich falsche,  aber  von  dem  constantinopolitanischen  Hofe  entweder 
aufgebrachte  oder  doch  nicht  gemissbilligte  Erzählung  von  der  Be- 
rufung der  Langobarden  nach  Italien  durch  Narses  bei  Isidor  und 
bei  Paulus  gleichmässig  auftritt.  Dabei  verzweigen  diese  Derivationen 
sich  wieder  in  sich  selbst :  so  ist  die  Nachricht  über  den  Perserkrieg 
(S.  514)  bei  Isidor  besser  und  vollständiger  gefasst  als  bei  Beda  und 
Paulus,  die  am  engsten  zusammenstimmen  und  eine  mehr  entstellte 
Recension  der  gemeinschaftlichen  Grundlage  benutzt  haben  müssen 
als  der  ältere  Compilator. 

Eine  Reihe  anderer  Fragen  knüpfen  hier  an.  Sehr  wahrschein- 
lich ist  das  Pontificalbuch ,  welches  ja  ebenfalls  dem  byzantinischen 
Italien  angehört,  mit  diesen  oströmisch -italischen  Annalen  auf  das 
engste  verwandt ;  ja  es  kann  die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  die 
84  zahl-  und  umfangreichen  Stücke,  die  jetzt  bei  Beda  wie  bei  Paulus 
als  Excerpte  aus  dem  Pontificalbuch  gelten,  nicht  vielmehr  mit  diesen 
Annalen  zugleich  von  ihnen  übernommen  worden  sind.  Leider  ist 
bei  dem  fast  unerträglichen  Mangel  einer  kritischen  Ausgabe  desj 
Pontificalbuchs*)  und  der  Unsicherheit,  in  der  wir  uns  jetzt  gegen- 
über den  weit  aus  einander  gehenden  Recensionen  desselben  befinden, 
diese  Frage  zur  Zeit  schwerlich  zu  entscheiden.  —  Die  Verzweigung 
endlich  dieser  Chronik  weiter  hinauf  mit  den  ravennatischen  Auf- 
zeichnungen aus  der  Zeit  des  Theodorich  und  mit  den  in  Constanti- 
nopel  selbst  geschriebenen  Annalen  führt  in  einen  ganz  anderer 
Kreis  der  Untersuchung,  in  welchen  hier  einzutreten  keine  Voran 
lassung  vorliegt.  |p 

Ganz  anderer  Art  ist  das  Verzeichniss  der  italischen  Provinzen 
zu  dessen  Erörterung  ich  schliesslich  übergehe.  |  i 

Als  Kaiser  Diocletian  die  alte  der  Sache  nach  längst  beseitigt 
Scheidung  zwischen  der  regierenden  Bürgerschaft  und  den  regierte 
Unterthanen  des  Römerstaats  auch  dem  Namen  nach  aufhob  un^ 
auch  nach  dieser  Seite  die  Einheit  des  Staatsgedankens  zum  volU 
monarchischen  Ausdruck  brachte,  hat  er  den  Regierungsbezirk  Italiei 
welchen  er  aus  dem  bisher  befreiten  Mutterland  und  den  dazu  g« 
schlagenen  alten  Provinzialdistricten  des  bairisch- tirolischen  Alper j 

nach  der  Kopenhagener  Chronik  die  Nummer  51   geführt  haben.     Uebrige)p||li|, « 
benutzt  diese  daneben  auch  wieder  den  Isidor. 

*)  [Diesem  Mangel  ist  abgeholfen  worden  durch  die  ausgezeichneten  Auj' 
gaben  von  Duchesne  (Paris  1886 — 1892)  und  von  Mommsen  selbst  in  den  Mon ' 
menta  Germaniae  (Berlin  1898),  wo  in  den  Prolegomena  p.  XIX  und  CVf.  üb 
diese  Fragen  gesprochen  ist.]  W     |j 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.         519 

landes  und  der  Inseln  des  tyrrhenischen  Meeres  bildete,  wahrschein- 
lich in  die  folgenden  zwölf  Kreise  getheilt^: 

1.  Raetia. 

2.  Venetia  et  Histria. 

3.  Aemilia  et  Liguria. 

4.  Alpes  Cottiae. 

5.  Flaminia  et  Picenum. 

6.  Tuscia  et  Umhria. 

7.  Campania  et  Samnium. 

8.  Apulia  et  Calahria. 

9.  Lucania  et  Bruttii. 

10.  Corsica.  < 

11.  Sardinia. 

12.  Sicilia. 

Diese  Zahl  ist  vor  dem  Ablauf  des  vierten  Jahrhunderts  auf  85 
sechzehn  gestiegen  durch  Theilung  der  Provinzen  1  (Raetiae  duae), 
3  (Aemilia  und  Liguria),  5  (Flaminia  et  Picenum  annonarium  und 
Picenum  suburhicarium)  und  7  (Campania  und  Samnium).  Diese 
Ziffer  nennt  das  älteste  vollständige  uns  mit  dem  Kalender  des 
.Polemius  Silvius  erhaltene  Verzeichniss  der  italischen  Provinzen  2. 
Noch  vor  dem  Jahre  399  kam  durch  die  Einrichtung  der  Provinz 
Valeria  die  Gesammtzahl  auf  siebzehn,  und  so  viele  nennt  sowohl 
die  Liste  der  Notitia  digniiatum  aus  dem  Anfang  des  5.  Jahrh.  ^  wie 
auch  ein  Verzeichniss  der  gesammten  römischen  Provinzen,  das  sich 
in  zwiefacher  Ueberlieferung    erhalten  hat.     Der   eine  Text  gehört 

1)  Es  würde  hier  zu  weit  führen  die  Einzelangaben  zu  begründen.  Ich 
bemerke  in  dieser  Hinsicht,  dass  in  dem  Veroneser  Verzeichniss  aus  der  Zeit 
Diocletians  die  Nummern  1.  2,  4.  5  {Flaminia  Picenum  ist  zusammenzuziehen). 
6.  8.  9.  10  aufgeführt  werden  und  dass  der  zweifellos  defecten  Liste  wahrschein- 
lich nicht  mehr  als  vier  Namen  (3.  7.  11.  12)  fehlen,  da  guter  Grund  vorhanden 
ist  Samnium  als  anfänglich  mit  Campanien  verbunden  zu  betrachten. 

2)  In  meiner  Ausgabe  des  Polemius  Silvius  (in  den  Schriften  der  sächs. 
Gesellschaft  der  Wissenschaften  Bd.  3  S.  251  [=  Ges.  Sehr.  7  S.  652 ff.;  auch 
Chronica  minora  ed.  Mommsen  I  p.  535  ff.])  und  danach  hinter  Seecks  Not.  dign. 
p.  254.  —  Aus  diesem  Katalog  ist  dann  wieder  derjenige  hergeleitet,  der  in  manchen 
Handschriften  der  Notitia  provindarum  Galliae  mit  dieser  verbunden  ist  und  in 
Folge  dieser  Verknüpfung  fehlerhaft  die  gallische  Provinz  Alpes  Graiae  unter 
den  italischen  aufführt.  Zu  dieser  Kategorie  gehören  die  beiden  von  Schelestrate 
antiq.  eccl.  2,  643  fg.  abgedruckten  Listen ;  andere  sind  von  mir  a.  a.  0.  S.  247 
und  von  Brambach  im  Rhein.  Mus.  23,  263  verzeichnet.  Ich  erwähne  diese  Liste 
nur,  weil  sie  in  Folge  jenes  Fehlers  ebenfalls  siebzehn  italische  Provinzen  nam- 
haft macht  und  daher  leicht  mit  der  jüngeren  verwechselt  werden  kann;  in  der 
That  nennt  siö  nur  sechzehn  und  fehlt  ihr  die  Valeria. 

3)  Besonders  Occ.  c.  2. 


520  Diß  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

^u  den  Stücken,  welche  der  alte  Speierer  Codex  der  Notitia  digni- 
tatum  angehängt  hat^;  der  zweite  findet  sich  in  zwei  Handschriften, 
die  auch  die  Geschichtswerke  des  Paulus  enthalten  und  auf  deren 
Gesammtcharakter  ich  unten  zurückkomme,  der  Bamberger  III.  E.  14 
des  11.  und  der  Oxforder  Magd.  Lat.  14  des  14.  Jahrhunderts  2.  Dass 
der  Speierer  und  der  Bamberg- Oxforder  Text  wesentlich  identisch 
sind,  zeigt  eine  grosse  Anzahl  gleichmässig  begegnender  Verderb- 
86  nisse'  und  Interpolationen*;  übrigens  sind  beide  selbständig  und 
berichtigen  einer  den  andern  mehrfach  ^.  —  Dieses  Verzeichniss  der 
siebzehn  italischen  Provinzen  ist  das  jüngste,  das  wir  besitzen.  Die 
Zahl  der  Provinzen  ist  späterhin  wenigstens  noch  um  eine  vermehrt 
worden  durch  die  vor  458  erfolgte  Theilung  Tusciens;  aber  Yer- 
zeichnisse  dieser  Art  sind  nicht  auf  uns  gekommen  ^  und  damit  auch 
für  die  Entstehungszeit  des  unsrigen  eine  feste  Grenze  gegeben. 

Diese  siebzehn  Provinzen  nun  sind  es,  welche  Paulus  in  seinem 
catdlogus  provinciarum  Italiae  fand.    Wenn  er  achtzehn  aufführt,  so 

1)  In  meiner  Ausgabe  des  Polemius  Silvius  ist  dies  Verzeichniss  S.  251 
,[=  Ges.  Sehr.  7  S.  652]  nach  den  massgebenden  Handschriften  abgedruckt  [auch 
Chron.  min.  I  p.  535].  Die  Wiederholung  hinter  der  Seeckschen  Ausgabe  der  JVoi. 
Dign.  p.  254  giebt  von  dieser  jüngeren  Recension  kein  treues  Bild. 

2)  Das  Provinzialverzeichniss  der  Bamberger  Handschrift  ist  von  Waitz  im 
Archiv  9,  678  gedruckt;  die  Varianten  der  Oxforder  theilt  Pauli  mit  N.  Arch. 
1,  162  [vgl.  Chron.  min.  1  p.  524  f.].  Ich  hatte  von  Waitzs  Publication  keine  Kennt- 
niss,  als  ich  die  Herleituug  der  Liste  des  Paulus  früher  erörterte  und  bin  daher 
jetzt  im  Stande  manches  Einzelne  schärfer  als  damals  zu  bestimmen. 

3)  Dahin  gehört  zum  Beispiel,  dass  in  Gallien  die  Provinz  Maxima  Sequa- 
norum  für  zwei  gezählt  wird  und  ebenso  in  Spanien  die  Provinz  Tingitana  tran^ 
fretum;  dass  der  sehr  selten  begegnende  alte  Name  von  Byzanz,  Lygos  (wohl 
nach  Plinius  h.  n.  4,  11,  46)  erwähnt  wird;  dass,  um  bei  der  Diöcese  Illyricum 
stehen  zu  bleiben,  die  Namen  Valeria  in  Viridia,  Praevalis  in  Siribalis  oder 
Syrivalis,  Mysia  superior  in  Misia  inferior,  Haemimontus  in  Emanthus,  Scythia 
in  Scothia  oder  Scotta  gleichmässig  verdorben  sind. 

4)  Eine  sichere  Interpolation  ist  die  Zufügung  von  Alpes  Apenninae  zu 
Alpes  Cottiae;  wahrscheinlich  gehört  hieher  auch  die  britannische  Provinz  der 
Orcaden  und  anderes  mehr. 

5)  So  wird  bei  Spanien  das  sinnlose  transmittit  des  Speierer  Textes  durch 
den  Bamberger  gebessert  in  terras  intrat;  umgekehrt  bei  Constantinopel  das 
sinnlose  facta  des  Oxforder,  facta  IUI  et  des  Bamberger  durch  den  Speierer  in 
prius;  so  heisst  die  Provinz  Augustamnia  im  Speierer  Text  Augustalis,  im  Bam- 
berger Tamnis.  Am  bemerkenswerthesten  ist,  dass  bei  den  beiden  Moesien, 
wovon  superior  zu  Illyricum,  inferior  zu  Thrakien  gehört,  der  Bamberger  Text 
durch  Schreibfehler  beide  Male  inferior  hat,  der  Speierer  durch  Schlimmbesserung 
desselben  Fehlers  Obermösien  nach  Thrakien,  üntermösien  nach  Illyricum  bringt. 

6)  Die  confuse  Liste  beim  Geogr.  Rav.  4,  29  habe  ich  in  den  Leipz.  Sitz.-Ber. 
1851  S.  105  [=  Ges.  Sehr.  5  S.  308]  erörtert.  Wenn  hier  unter  Ausschluss  der  beidec 
Raetien  und   der  drei   Inseln  statt   der  also  übrig  bleibenden  zwölf  achtzehn  i 


Die  Quellen  der  Langobardengeschicbte  des  Paulus  Diaconus.         52 1 

bemht  dies  auf  einem  von  ihm  begangenen  Fehler,  dessen  Auffindung 
und  Beseitigung  er  indess  selbst  in  seiner  ehrlichen  Weise  an  die 
Hand  giebt.  Die  neunte  Provinz  sind  ihm  die  Apcnninae  Alpes. 
welche  nach  ihm  von  den  cottischen  Alpen  beginnen,  zwischen 
TuBcia  und  Umbria  einer-  und  der  Aemilia  und  Flaminia  andrer- 
seits liegen  und  die  Orte  Bobbio,  Verona,  Frignano  ^  bei  Bologna, 
Monteveglio -^  bei  Cesena  und  Urbino  umfassen.  Diese  Provinz  liegt  87 
nun  aber  in  der  Luft.  Von  denjenigen  Ortschaften,  welche  Paulus 
hier  dieser  neunten  Provinz  zuweist,  setzt  er  anderswo  Bobbio  in  die 
cottischen  Alpen  (2,  16.  4,  41),  Verona  nach  Venetien  (2,  14),  Frig- 
nano  und  Monteveglio  in  die  Aemilia  (6,  49),  widerlegt  sich  also 
-selbst  auf  das  Gründlichste,  was  übrigens  nicht  nöthig  war.  Denn 
die  Landschaften,  zwischen  denen  diese  Provinz  belegen  ist,  Tuscia, 
Umbria,  Flaminia,  Picenum,  stossen  bekanntlich  zusammen  und  es 
ist  zwischen  ihnen  gerade  so  viel  Platz  wie  zwischen  Brandenburg 
und  Pommern  ^.  Augenscheinlich  denkt  Paulus  hier  in  der  That  an 
das  Apenninengebirge  und  was  er  sagt,  kommt  ungefähr  darauf 
hinaus,  wie  wenn  jemand  Tirol,  Baiern,  das  Alpenland  und  die 
Schweiz  als  vier  Landschaften  neben  einander  zählte.  Es  ist  also 
'sehr  begreiflich,  dass  ausser  unserm  Benedictiner  kein  Alter  oder 
Neuer  von  dieser  Provinz  etwas  gemeldet  hat,  und  als  Entschuldigung 
dieses  für  einen  Langobarden  fast  unbegreiflichen  Versehens  kann 
höchstens  geltend  gemacht  werden,  dass  der  Sünder  geständig  ist. 
Denn  er  setzt  ganz  ehrlich  hinzu:  sunt  qui  Alpes  Cottias  et  Appen- 
'ninas  unam  dicunt  esse  provinciam:  sed  hos  Victoris  revincif  historia, 

j)rovinciae  famosissimae  gezählt  werden,  so  beruht  dies  wenigstens  zum  grössten 
Theil  darauf,  dass  der  mit  römischem  Material  ganz  unwissend  operirende  Ver- 
fasser jede  doppelnamige  Provinz  für  zwei  zählt,  üebrigens  ist  das  Verzeich- 
hiss  so  entstellt,  dass  eine  befriedigende  Erklärung  mir  wcjnigstens  nicht  gelungen 
ist.  Dass  auf  die  Gesammtzahl  Paulus  eingewirkt  hat,  ist  möglich,  da  die  Schrift, 
•  wie  sie  liegt,  dem  9.  Jahrh.  angehört;  auch  werden  die  Maurungani  des  Raven- 
.Daten  (1,  11)  gewöhnlich  mit  Paulus  Mauringa  zusammengestellt  und  an  Paulus 
erinnern  ebenfalls  des  Chorographen  Uni  qui  et  Atari.  Aber  es  genügt  dies  do,ch 
keineswegs,  um  die  Benutzung  des  Paulus  durch  den  Ravennaten  sicher  zu 
stellen;  man  sollte  denken,  dass  in  diesem  Fall  der  letztere  mehr  aus  jenem  über- 
i!  j  ,nommen  haben  würde. 

1)  Mons  Ferronianus  oder  castrum  Feronianum  (so  Paulus  6,  49)  haben  die 
italienischen  Gelehrten  längst  mit  Recht  auf  die  Landschaft  Frignano  zwischen 
T.ucca  und  Bologna  bezogen.  , 

2)  Montembellium,  bei  Paulus  hier  [2, 18]  und  6,  49,  ist  nicht,  wie  Waitz  erklärt. 
Montebello  (welches?),  sondern,  wie  schon  Cluver  p.  293  bemerkt  hat,'  Monte- 
veglio im  Gebiet  von  Cesena. 

.3)  Die   beiliegende  Karte   [s.  i?.  527],  d^e    ich   Kieperts    freundschaftlicher 
Hülfe  verdanke,  zeigt  dies  ad  oculos. 


522  Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

quae  Alpes  Cottias  per  se  provinciam  appellat.     Also  weil  der  buch- 
gelehrte Mann  in  dem  sogenannten  epitomirten  Victor  c.  5  las,  dass 
Nero  die  Alpes  Cottiae  zur  Provinz  gemacht  habe,    machte  er,  ab- 
weichend   von   seiner  Vorlage,    aus    der    Provinz    Alpes    Cottiae   et 
Apenninae  zwei  und  gab  darum  Italien  eine  Provinz  mehr  als  ihm 
zukam.     Streicht  man  diesen  eingeschwärzten  District,  so  entspricht 
die  Liste  des  Paulus  genau  der  oben  erwähnten  der  siebzehn  Provinzen. 
Immer  bleibt  es  wünschenswerth,  theils  an  sich,  theils  zur  Con- 
trole  der  Quellenbenutzung  des  Paulus,  dass  derjenige  Katalog  de|r 
italischen  Provinzen   nachgewiesen  wird,   welchen  Paulus  vor    sich 
gehabt  hat.    In  der  That  glaubt  Waitz  die  Vorlage  des  Paulus  in  dem 
Provinzialverzeichniss  der  Madrider  Handschrift  A.  16  des  10.  Jahrr 
hunderts  wieder  aufgefunden  zu  haben  und  hat  dieses  daher  seinen 
Ausgaben   der  Langobardengeschichte   angefügt.     Es  ist    dies  aber 
ein  Irrthum.    Das  Verhältniss  der  beiden  Verzeichnisse  ist  das  wort- 
getreuer Uebereinstimmung  in  der  Fassung  wie  in  der  Reihenfolge, 
nur  dass  das  Madrider  sich  auf  die  Nomenclatur  der  Provinzen  nebst! 
den  Grenzbestimmungen  und  den  wichtigsten  Ortschaften  beschränkt, 
während  Paulus  eine  Anzahl  von  Ortschaften  mehr  nennt  und  gewisse! 
antiquarische  Bemerkungen  giebt,  auf  die  wir  zurückkommen.   Mehr 
88  als  Paulus  hat   der  Madrider  Katalog   nur  drei  kleine  Notizen  über 
die   italischen  Inseln,    welche  alle   drei  wörtlich    aus    Isidor    abge- 
schrieben sind  ^ ;  ferner  bei  der  Provinz,  die  dem  heutigen  Calabrien 
entspricht,  die  bei  Paulus  nicht  genannte  Ortschaft  Malvitus,  das  isi 
der   kleine   Ort  Malvito    zwischen    Cosenza    und   Castrovillari.     Die  \\^ 
einzige   Abweichung    der  Texte  besteht  darin,    dass  Ligurien  nacl 
Paulus  usque  ad  Gallorum  fines  extenditur,   während   der  Verfasse) 
des  Katalogs  für  die  Gallier  die  Langobarden  nennt,  wobei  jener  at  r^^^ 
das  transalpinische  Gallien  dachte,   dieser   an   den  heutigen  Namei    j[|, 
der  Lombardei.   —  Dieser   Thatbestand   würde   nun    der   Annahmi     jjj 
von  Waitz   nicht  gerade  widersprechen;   die  Zusätze   des  Madride     ^jj 
Verzeichnisses   können  später  in  den  Text  gekommen  sein  und  da     ^^ 
Fehlen  alles  antiquarischen  Materials  legt  allerdings  jene  Annahmj   i^^ 
nahe.     Aber   bedenklich  ist  schon   die   sclavisch   genaue  Ueberein|    jja 
Stimmung  in  der  Fassung,  welche  ganz  und  gar  nicht  der  Art  gleich  I    ^ 
mit   der  Paulus    seine  Quellen  behandelt.     Ferner   sind   die  doppe] 
namigen  Provinzen   bei   Paulus   durchaus  richtig  benannt,   währen 
der  Katalog  incorrect  nur  Venetia  ohne  Histria  aufführt.     Die  Ein    \][ 

Schiebung    von    Malvito    sodann    stammt    vermuthlich    aus    Lando       2) 

■ —  '    *,  ■ 

1)  Die  Bemerkung  über  Syrakus  steht  bei  Isidor  14,  6,  32,  die  Corsica  tnult 

promunturiis  angulosa  in  demselben  Capitel  §.  42,  die  über  die  Gestalt  Sardiuie 

daselbst  §.  39.    Bei  Waitz  ist  nur  die  letzte  Stelle  nachgewiesen. 


Die  Quellen  der  Laugobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  523 

(p.  374,  5  Droysen:  civitatum  Calabriae  id  est  Regium  Malvitum 
(hnsentiam),  in  welchem  Fall  das  Madrider  Verzeichniss  jünger  sein 
würde  als  dieser.  Aber  es  ist  nicht  nöthig  über  solche  Nebenpuncte 
'/AI  controvertiren,  da  die  blosse  Zählung  die  Frage  erledigt.  Paulus 
zählt,  wie  bemerkt,  achtzehn  Provinzen,  der  Katalog  sechzehn,  beide 
mit  Einschluss  der  fictiven  Alpes  Apenninac.  Der  Unterschied  beruht 
darauf,  dass  die  beiden  Raetien  bei  Paulus  mitgezählt  sind,  wie  sie  ja 
notorisch  zu  der  Diöcese  Italien  gehört  haben,  seit  und  so  lange  es 
eine  solche  gab,  in  dem  Katalog  dagegen  diese  zwar  auch  stehen,  aber 
nicht  gezählt  werden.  Dies  erklärt  sich  einfach  aus  einem  groben  Miss- 
verständniss  der  Worte  des  Paulus,  das  der  Schreiber  des  Madrider 
Katalogs  sich  hat  zu  Schulden  kommen  lassen.  Paulus  nennt  als 
secunda  provincia  Ligurien,  schliesst  daran  die  duae  provinciae  Raetia 
prima  et  Raetia  secunda  und  zählt  dann  als  quinta  die  Alpes  Cottiae  ^. 
Der  Epitomator  schreibt  dies  alles  wörtlich  ab,  weil  aber  Paulus  die 
dritte  und  vierte  nicht,  wie  er  sonst  pflegt,  als  tertia  und  quarta, 
sondern  nur  als  duae  provinciae  bezeichnet,  so  macht  er  mechanisch 
weiter  numerirend  die  quinta  des  Paulus  zur  tertia  und  so  weiter. 
Dieses  alberne  Versehen  setzt  es  ausser  Zweifel,  dass  der  Madrider  89 
Katalog  nichts  ist  als  ein  schlechtes  Excerpt  aus  unserm  Paulus. 

Aber  wie  diese  Chorographie  Italiens,  die  älteste  mittelalter- 
liche, die  wir  besitzen,  auch  für  die  römische  Forschung  ein  werth- 
volles  Document  ist  und  seit  Cluverius  grundlegender  Arbeit  bei 
unseren  Topographen  stetige  und  gewissenhafte  Berücksichtigung 
gefunden  hat,  so  ist  auch  das  demselben  in  der  That  zu  Grunde 
liegende  antike  Provinzialverzeichniss  von  uns  bereits  nachgewiesen 
worden.  In  meinen  Untersuchungen  über  die  römischen  Provinzial- 
verzeichnisse*)  habe  ich  schon  vor  mehr  als  zwanzig  Jahren  dar- 
gethan,  dass  der  verloren  gegebene  catalogus  provinciarum  Italiae 
des  Paulus  kein  anderer  ist  als  der  betreffende  Abschnitt  des  oben 
(8.  519)  erwähnten  jüngeren  Provinzialcatalogs.  Es  erscheint  an- 
gemessen die  italische  Liste  nach  den  beiden  auf  uns  gekommenen 
Fassungen,  der  der  Speierer  Handschrift ^  so  wie  derjenigen  von 
Bamberg  und  Oxford^,  hier  neben  einander  zu  stellen. 

1)  Hier  sind  also  die  Zahlen  in  bester  Ordnung  und  Waitzs  Bemerkung: 
Paulus  nutnerorum  ordinem  turbasse  videtur  nicht  am  Platz. 

*)  [Abh.  der  Sachs.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  Bd.  3  (1857)  S.  249  f.  =  Ges. 
Sehr.  7  S.  650  f.] 

2)  Diese  selbst  ist  bekanntlich  verloren,  aber  wird  durch  eine  Anzahl  zwar 
junger,  aber  treuer  Abschriften  ersetzt.  Ich  habe  von  diesen  die  Münchener 
10291  zu  Grunde  gelegt;  die  Varianten  der  übrigen  sind  gleichgültig. 

•        3)  Ich  folge  der   letzteren,    die  wenigstens  hier   den  reinem  Text  giebt. 
Die  Varianten  der  Bamberger  mitzutheilen  verlohnt  der  Mühe  nicht. 


''524  Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 


90 


JPrima 

Secunda 


Speierer  Verzeichniss: 
Provintiae  Italiae   sunt  XVII. 
Campania,  in  qua  est  Capua. 
Tuscia  cum  Umbria,  in  qua  est  Roma. 


Quarta 

Quinta 

Sexta 

Septima 

Octava 

Nona 
Decima 
Undecima 
Duodecima 
Tertia  decima 
Quarta  decima 
Quinta  decima 
Sexta  decima 
Septima  decima 


Nursia  Valeria,  in  qua  est  Reate. 
Flammina,  in  qua  est  Ravenna. 
Ricinum,  in  qua  est  Asculis. 
Liguria,  in  qua  est  Mediölanum. 
Venetia  cum  Histria,  in  quibus  Aquüeia. 

Alpes  Cotticae  et  Appenn,  in  quibus  Genua. 

Samnium,  in  qua  est  Beneventu. 

Apulia  cum  Calabria,  in  quibus  Tarantmn. 

Rritia  cum  Lucania,  in  quibus  Regium. 

Retia  prima. 

Retia  secunda. 

Siciliae  insula  in  mari  TyrrJieno. 

Sardinia  in  mari  Tyrrheno. 

Corsica  in  mari  Tyrrheno. 


Die  ungemeine  Aehnlichkeit  dieses  Verzeichnisses  mit  Paulus 
in  der  Grundlage  sowohl  wie  in  den  Nebenbemerkungen,  zum  Beispiel 
in  der  Hervorhebung  des  tyrrhenischen  Meeres  bei  den  drei  Inseln, 
springt  in  die  Augen.  Die  Frage,  ob  Paulus  Chorographie  aus  dem 
Provinzialkatalog  geflossen  ist  oder  vielmehr  der  Katalog  aus  Paulus, 
erledigt  sich  schon  durch  die  einfache  Erwägung,  dass  dieser  Katalog 
ja  nicht  bloss  Italien  umfasst,  sondern  die  sämmtlichen  Provinzen 
des  noch  aufrecht  stehenden  römischen  Reiches  aufführt,  überhaupt 
-aber  einem  Corpus  angehört,  dessen  Zusammenstellung  weit  über 
Paulus  und  vermuthlich  bis  in  das  fünfte  Jahrhundert  zurück  reicht. 
Dies  bestätigt  sich  auch  vollständig  bei  genauer  Vergleichung,  indem 
der  Katalog  einerseits  in  Paulus  Chorographie  wohl  mit  der  diesem 
.eigenen  schriftstellerischen  Freiheit,  aber  sachlich  vollständig  repro- 
ducirt  ist,  andererseits  durchaus  den  Schlüssel  bietet  für  Paulus 
Zweifel  und  Yersehen.  Vor  allem  gilt  dies  von  den  leidigen  Alpes 
Apenninae.  Die  ächte  römische  Ueberlieferung  kennt  in  der  Diöcese 
Italien  keine  Alpenprovinz  als  die  Alpes  Cottiae;  Paulus  aber  fand, 
wie  wir  sahen^  in  seinem  Verzeichniss  diese  Provinz  als  Alpes  Cottiae 
.et  Axjenninae.     Eben   diesen  falschen  Namen,    dessen  Verkehrtheit 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus,  525 

Bamberger  und   Oxforder  Yerzeichniss:  91 

Provinciae  itaque  Italiae  sunt  sedecim. 
I.    prima  Campania,  in  qua  est  Capua. 
II.     Tuscia  cum  ümbria. 

III.  JEmilia  Nursia  Valeria. 

IV.  Flaminia,  in  qua  est  Mavenna  civitas. 
V.     Picenum. 

VI.  Liguria,  in  qua  est  Mediolanum. 

VII.  Venecia    cum   Histria,    in  qua  est   Äquileia    urbs    Venecie, 

Mantua.     Que  Gallia  Cisalpina  dicitur. 

VIII.  Alpes  Coczie  et  Alpes  Appennine. 

IX.  Samnium. 

X.  Apulia  cum  Calabria  in  qua  est  Tarantus. 

XI.  Brictia  cum  Imcania. 

XII.  Recia  prima. 

XIII.  Recia  secunda. 

XIV.  Sicilia  insula  in  mari  Tireno. 

XV.  Sardinia  in  mari  Tyreno. 

XVI.  Cursia  in  mari  Tyreno. 

und  dessen  Entstehung  ich  anderweitig  nachgewiesen  habe  ^,  führt 
die  Provinz  in  den  beiden  Fassungen;  und  auch  die  Consequenz 
dieses  Fehlers,  dass  Genua  zu  der  Alpenprovinz  statt  zu  Ligurien 
gerechnet  wird,  hat  Paulus  übernommen.  Ebenso  passt  auf  dasselbe, 
was  JPaulus  2,  20  von  der  Marsorum  regio  sagt,  dass  sie  in  catalogo 
provinciarum  Italiae  minime  ah  antiquis  descripta  est,  was  er  dann 
bedauert  und  weiterer  Forschung  vorbehält:  si  quis  autem  lianc  per 
se  provinciam  esse  vera  ratione  comprohaverit,  huius  rationabilis  sententla 
modis  erit  omnihus  tenenda.  Endlich  findet  die  Bemerkung  2,  18: 
extiterunt  quoque  qui  Aemiliam  et  Valeriam  Nursiamque  unam  pro- 
vinciam dicerent  offenbar  ihre  Erklärung  in  der  Verwirrung,  welche 
hier  in  beiden  "Verzeichnissen  herrscht  und  offenbar  aus  der  beiden 
zu  Grunde  liegenden  Urhandschrift  übernommen  ist.  Es  muss  heissen 
tertia  Aemilia:  quarta  Nursia  Valeria;  in  der  Speierer  Liste  ist  die 
erste  Provinz  ausgefallen,  die  Zahlen  aber  in  Ordnung,  in  der  Bam- 
berger dagegen  fehlt  quarta  und  ist  in  Folge  dessen  die  Zählung 
geändert.      Was    die   Paulus    vorliegende    Handschrift    gehabt    hat, 

1)  C.  I.  L.  V  p.  810. 


526  I^iß  Quelleu  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

können  wir  nicht  wissen ;  doch  ist  wahrscheinlich  die  Zahlenänderung, 
welche  die  Bamberger  und  die  Oxforder  aufweisen,  erst  auf  deren 
Rechnung  zu  stellen  ^  und  dürfte  Paulu«  gelesen  haben  tertia  Aemilia 
Nursia  Valeria:  quinta  Flaminia  und  so  weiter,  wo  es  dann  begreif- 
lich ist,  dass  er  schwankte,  ob  qtmrta  ausgefallen  sei,  was  er  freilich 
und  mit  Recht  vorzog,  oder  aber  die  Aemilia  Nursia  Valeria  eine 
92  Provinz  bilde  und  der  Fehler  in  den  folgenden  Zahlen  stecke.  Die 
Thatsache,  dass  eben  diese  Form  der  italischen  Provinzialliste  Paulus 
vorgelegen  hat,  wird  durch  die  bei  beiden  übereinstimmenden  Fehler 
ausser  Zweifel  gestellt. 

Sie  ist  insofern  von  einigem  Belang,  als  sie  uns  den  Schlüssel 
giebt  für  die  paulinische  Chorographie  Italiens  und  zugleich  einen 
genauen  Einblick  in  Paulus  Arbeitsweise  gewährt,  wie  er  sonst  in 
den  späteren  Büchern  der  römischen  und  in  der  gesammten  lango- 
bardischen  Geschichte  kaum  uns  verstattet  ist.  Es  ist  darum  der 
Mühe  werth  die  Untersuchung  hier  so  weit  zu  führen,  wie  es  uns 
möglich  ist. 

Die  Zusätze  des  Paulus  sind  zwiefacher  Art:  theils  geographische, 
theils  etymologische.  Jene  ersteren  bewegen  sich  wieder  in  doppelter 
Richtung:  während  der  Katalog  nur  die  Namen  der  Landschaften 
und  einige  der  wichtigsten  Städte  nennt,  giebt  Paulus  bei  jenen  regel- 
mässig die  Grenzen,  oft  mit  Hinzufügung  der  Himmelsrichtung  an 
und  vermehrt  die  Zahl  der  Städtenamen  ansehnlich.  Diese  Zusätze, 
zu  welchen  noch  die  gleichartige  Angabe  über  Noricum  3,  30  hinzu- 
tritt, sind  zum  grossen  Theil  sicher  nicht  der  persönlichen  Kunde 
des  Paulus  entnommen,  sondern  schriftlichen  Aufzeichnungen,  allem 
Anschein  nach  einer  Karte  von  Italien,  wie  sie  die  beiliegende  Tafel 
zu  reproduciren  versucht;  nur  von  einer  solchen  konnte  alles  dies 
füglich  abgelesen  werden.  Bei  der  Aufstellung  dieser  Karte  selbst 
ist  sicher  Plinius  benutzt  worden.  Er  allein  unter  den  lateinischen 
Autoren  bezeichnet  den  Silarus  als  Grenzfluss  zwischen  Campanien 
und  Lucanien  (3,  5,  71)  und  den  Aternus  (Pescara)  als  Grenzfluss 
zwischen  Samnium  und  Picenum  (3,  13,  110),  welche  letztere  An- 
setzung  sogar  verkehrt  ist.  Das  seltsame  'linke  Hörn'  {sinistrum 
cornu)  Italiens  von  50  Milien  Länge,  das  2,  21  in  Yerbindung  mit 
Hydruntum  genannt  wird,  beruht  gewiss  auf  Plinius  3,  11,  101: 
Brundisium  L  m.  p.  ab  Hydrunte.  Auch  die  meisten  übrigen  An- 
gaben, für  die  bei  ihrer  Allgemeinheit  eine  bestimmte  Herleitung 
nicht  erweislich   ist,  mögen  wohl  plinianisch  sein,   aber  keineswegs 

1)  Auf  die  willkürliche  Umgestaltung,  welcher  alle  in  diesen  Handschriften 
enthaltenen  Stücke  unterlegen  haben,  komme  ich  weiterhin  zurück. 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.         527 


528  ßiß  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

gehört  ihm  alles  an,  wie  denn  zum  Beispiel  Aurelia  als  Districts- 
bezeichnung  überhaupt  sehr  selten  {vita  Aureliani  7)  und  bei  Plinius 
nirgends  gefunden  wird^  Yor  allen  Dingen  aber  führen  zwar  die 
genannten  Localitäten  der  grossen  Mehrzahl  nach  die  römischen 
93  Namen 2,  aber  sowohl  die  Auswahl  wie  manche  einzelne  Angaben 
zeigen ,  dass  die.  von  Paulus  benutzte  Vorlage  nicht  gar  lange  vor 
ihm  entstanden  ist.  Abgesehen  von  den  der  mittelalterlichen  Ent- 
stellung durchgängig  sich  zuneigenden  Namensformen  wie  Isernia, 
Bergamum  u.  a.  m.  ^  begegnen  die  neuen  Namen  neben  den  alten  bei 
Ticinum  ==  Papia  und  Forum  Cornelii  =  Imolas,  ferner  die  neuen 
Namen  allein  bei  denjenigen  Orten,  die  in  römischer  Zeit  nicht  oder 
doch  ohne  Stadtrecht  gewesen  sind*:  Cassianum  (Cassano)  —  Furcona 
(Civita  di  Bagno)  —  Pescara  (Pescara,  Stadt  und  Fluss)  —  Saona 
(Savona).  In  Beziehung  auf  diese  ist  die  Chorographie  von  Wichtig- 
keit als  das  älteste  Zeugniss  ihrer  städtischen  Entwickelung. 

In  anderer  Beziehung  von  Interesse  sind  die  etymologischen  und 
quasihistorischen  Nachrichten,  die  Paulus  dem  Provinzialkatalog  in 
ziemlich  ausgedehntem  Umfang  eingefügt  hat.  Es  wird  zweckmässig 
sein,  sie  hier  übersichtlich  zusammenzustellen,  mit  Hinzufügung  der 
Quelle,  so  weit  dies  möglich  ist: 


Bamb.  zu  2,  22  (Arch.  9,  6S9): 
dixerunt  antiqui,  ut  redor  ista- 
rum  insularum  (wird  hier  be- 
zogen auf  Sardinien  und  Corsica) 
fuisset  Eolus   et    inde    fuerunt 


Isidor  14,  6,  36:  .  .  Aeoliae  insu- 
las  Siciliae  appellatae  ab  Aeolo 

quem    poetae    finxerwit       i 
regem  fuisse  ventorum.  ^ 


1)  Dass  Paulus  Venetia  und  Histria  westlich  bis  zur  Adda  erstreckt,  stimmt 
nicht  zu  Plinius,  der  vielmehr  3,  17,  124  Bergomum  zur  Transpadana  rechnet; 
aber  für  diese  Ansetzung  beruft  sich  Paulus  ausdrücklich  auf  die  annalium  libii, 
in  denen  Bergamo  civitas  Venetiarum  heisse.     Vgl.  S.  502  A.  1. 

2)  Der  lacus  Clitorius  ist  wohl  nichts  als  der  umbrische  Fluss  Clitumnus, 
den  auch  Isidor  13,  13,  6  zum  lacus  macht.  —  Eine  Stadt  Samuium  hat  es  nie 
gegeben;  was  Paulus  über  sie  sagt,  gehört  in  die  etymologische  Masse. 

3)  Zum  Theil  gehören  freilich  diese  Abwandelungen  bereits  dem  sinkenden 
Alterthume  an.  Bemerkenswerth  ist  in  der  Hinsicht  der  apulische  Ort  Aceruntia; 
neben  dieser  inschriftlich  und  sonst  belegten  Form  der  guten  Zeit  steht  Acerentini 
in  einer  paestaner  Inschrift  (Henzen  5184  [C.  I.  L.  X,  482  =  Dessau  6449])  des 
dritten  Jahrb.,  Agerentia  oder  vielmehr  Acerentia  bei  Paulus  2,  21  und  die 
heutige  Schreibung  Acerenza.     Vgl.  C.  I.  L.  IX  p.  47. 

4)  Von  dem  monasterium  JBohium    und  den   oben   erörterten  Namen  mons 
Ferronianus  und  Montembellium  sehe  ich  ab ;  sie  stehen  ohne  Zweifel  nur  in  der 
Reihe,   weil  sie  entweder  Paulus  persönlich  besonders  interessirten  oder  späterUSHii 
in  der  Erzählung  wiederkehren.  11^ 

««I 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulos  Diaconus.         529 


dicte  Eoliae,  et  ut  novit  hene  de 
ventis,  rustici  nominabant  eum 
esse  regem  ventorum. 
2,  16  Alpes  Cottiae  a  Cottio  rege, 
qui  Neronis  tempore  fuit,  ap- 
pellatae  sunt. 

18  Alpes  Appenninae  dictae  sunt 
a  Punicis,  hoc  est  Hannihale 
et  eins  exercitu,  qui  per  easdem 
Homam  tendentes  transitum  ha- 
huerunt. 

2 1  Apulia  a  perditione  nominatur: 
citius  enim  ibi  solis  fervoribus 
terrae  virentia  perduntur.  Der 
Bamberger  Text  setzt  hinzu 
(Arch.  9,  689):  ibique  nascitur 
animal  simile  lepori  et  dicitur 
per  contrarietatem  prosperum, 
et  dicunt  ut  habeat  quattuor 
pedes  cum  quibus  currit,  tres 
habet  equales,  unum  minorem  qui 
usque  ad  terram  non  pertinget. 

Bamb.  zu  2,  20  (Archiv  9,  688) : 
Atella  dicta  est  eo,  quod  atre, 
id  est  fusce,  ficus  ibi  nascuntur. 

19  Aureli(a)  Aemili(a)que  et  Fla- 
mini(a)  a  constratis  viis,  quae 
ab  urbe  Roma  veniunt,  et  ab 
eorum  vocabulis,  a  quibus  sunt 
constratae,  ialibtis  nominibus 
appella(ntur). 

Bamb.  zu  2,  21  (Archiv  9,  688): 
Barrium  civitatem  Italiae  acce- 
pit  nomen,  quia  homines,  qui 
eam  condiderunt,  fuerunt  eiecti 
de  instda  Barra,  unde  et  nati 
fuerunt. 

Bamb.  zu  2,  20  (Archiv  9,  688): 
Benevenfum  antea  nominabatur 
colonia,  Greci  vero  eam  nomi- 
nabant    Maloeton:      Diomedes 

MOMMSEN,   SCHB.  VI. 


Victor  epit.  5  (oben  S.  522). 


Isid.  14,  3,  13:  Apenninus  mons 
appellatur  quasi  Alpes  Poenicae, 
quia  Hannibal  veniens  ad  Italiam 
easdem  Alpes  aperuit. 


94 


Festus  ep.  p.  33:  Barium  urbem 
Italiae  appellarunt  conditores 
eius  expulsi  ex  insula  Barra, 
quae  non  longe  est  a  Brundisio. 


Festus  ep.  p.  34:  Beneventum  co- 
lonia cum  dedticeretur,  appellari 
coeptum     est     melioris     ominis 
causa:  namque  eam  urbem  antea 
M 


530  Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 


autem    Beneventum     et     Arpos 
condidit. 


1 7  Britfia  ita  a  reginae  quondam 
suae  nomine  appellata  est. 

Bamb.  zu  2,  21  (Archiv  9,  688): 
Brundisium  civitatem  fecerunt 
Greci,  et  quia  est  facta  qtmsi 
Caput  cervi,  ideo  eam  nomina- 
95  verunt  Brundisium:  Greca  ete- 
nim  lingua  Brundisium  cajiut 
cervi  dicitur. 
1 7  Campania  appellata  est  propter 
uherrimam,  Capuae  planitiem: 
ceterum  ex  maxima  parte  mon- 
tuosa  est. 

22  Corsica  a  duce  siio  Cor  so  no- 

minatur. 
20  Ab  Etruscorum  populo  Etru- 

ria  dicta  est. 
14    Forum    lulii    dictum,     quod 

lulius  Caesar  negotiationis  forum 

ihi  statuerat. 

Bamb.  zu  2,  23  (Arch.  9,  689): 
Galli  {galli  enim,  nicht  gallieni 
die  Hschr.)  enim  dicti  sunt  ab 
alhedine  corporis:  gala  enim 
Graece  lac  dicitur.*" 

14  Histria  ah  Histro  flumine  cog- 
nominatur:  quae  sectmdum  Bo- 
manam  historiam  amplior  quam 
nunc  est  fuisse  perhibetur. 

24  Italia  ab  Italo  Siculorum  duce, 
quieam  antiquitus  invasit,  nomen 
accepif. 


Graeci  incolentes  Maloeton  (so 
die  Handschriften)  appellarunt. 
—  Das  Folgende  kann  aus 
Servius  zu  Aen.  8,  9  geflossen 
sein,  stand  aber  wahrscheinlich 
auch  bei  Festus, 

lordanes  Get.  30  [§  156]:  Bryttip- 
rum  regio  .  .  .  nomen  quondam 
a  Bryttia  sortitus  regina. 

Isidor  15,  1,  49:  Brundisium  con- 
struxerunt  Graeci.  Brundisium 
autem  dictum  est  Graece,  quod 
brunda  caput  cervi  dicatur. 


Isidor  15,  1,  54  (Capua)  a  locis 
campestribus,  in  quibus  sita  est. 
—  Festus  ep.  p.  43:  Capuam 
...  appellatam  ferunt  .  .  .  a 
planitie  regionis. 

Isidor  14,  6,  41:  (Corsicam  appel- 
lant)  a  nomine  ducis. 

Isidor  14,  4,  22:  Etruriam  ab  E- 
trusco  principe  (vocatam)  putant. 

Festus  ep.  p.  84:  Forum  Flami- 
nium,  forum  lulium  ab  eorum 
nominibus,  qui  ea  fora  consti- 
tuenda  curarunt. 

Isidor  9,  2,  104  =  14,  4,  25: 
Galli  a  candore  corporis  nun- 
cupati  sunt:  ydXa  enim  Graece 
lac  dicitur. 

Isidor  14,  4,  17:  Isfriam  Ister 
amnis  vocavit,  qui  eius  terram 
infinit:  ipse  est  Danuvius.  Ygl. 
oben  S.  502  [A.  1]. 

Isidor  14,  4,  18:  ab  Italo  Sicuh 
rum  rege  ibi  regnante  Italia 
nuncupata  est. 


Die  Quellen  der  Langobardengeachichte  des  Paulus  Diaconus.         531 


24  Italia  dicitur,  quia  magni  in 
ea  hoves,  hoc  est  itali,  hahentur 
.  .  .  namque  .  .  .  italus  ...  vi- 

.    tulus  appellatur. 

24  Italia  Ausonia  dicitur  ah  Au- 
sono, Ulixis  fdio:primitus  tarnen 
Beneventana  regio  hoc  nomine 
appellata  est:  postea  vero  tota 
sie  coepit  Italia  vocitari. 


24  Dicitur  Latium  Italia  iwo  eo 
quod  Safurnus  lovem  suum 
fdium    fugiens    intra    eam    in- 

.    venisset  latehram. 

1 5  Liguria  a  legendis,  id  est  colli- 
gendis  leguminihus,  quorum  satis 

.    ferax  est. 

17  Lucania  nomen  a  quodam  luco 
accepit. 

Bamb.  zu  2,  14  (in  der  Ausgabe 
von  Waitz  mitgetheilt) :  Mantua 
accepit  nomen  a  fdia  Teresiae, 

-  que  hahuit  nomen  Mantua  et 
fuit  ex  genere  Thebanorum,  et 
cum  venisset  ad  Italiam,  fecit 
civitatem  in  Venecia,  quam  de 
nomine  suo  Mantuam  appel- 
lavit. 

19  (Piceni)  hahitatores  cum  a 
Säbinis  illuc  properarent,  in 
eorum  vexillo  picus  consedit, 
atque    hac    de    causa    Picenus 

.   nomen  accepit. 

20  Samnites  nomen  accepere  olim 
ah  hastis,  quas  ferre  solehant 
quasque  Graeci  oavvia  appellant. 

20  (ah  urhe  antiquitate  consumpta 
.  Samnio)  totaprovincia  nominatur. 


Festus  ep.  p.  106:  Italia  dicta, 
quod  magnos  italos,  hoc  est  hoves 
haheat;  vituli  etenim  ah  Italis 
itali  sunt  dicti. 

Festus  ep.  p.  1 8 :  Ausoniam  appel- 
lavit  Auson  Ulixis  .  .  .  filius 
eam  primam  partem  Italiae,  in 
qua  sunt  urhes  Beneventum  et 
Cales,  deinde  paulatim  tota  quo- 
que  Italia,  quae  Apennino  fmi- 
tur,  dicta  est  Ausonia. 

Isidorus  14,  4,  13:  Italia  Latium 
dicta  eo  quod  .  .  Saturnius  a 
love  sedihus  suis  pulsus  ihi 
lattierit. 


96 


Festus  ep.  p.  119:  Lucani  appel- 
lati  dicuntur  .  .  .  quod  ptrimitus 
in  luco  consederunt. 

Isidor  15,  7:  Manto  Tiresiae  filia 
post  interitum  Thebanorum 
dicitur  delata  in  Italiam  Man- 
tuam condidisse:  est  autem  in 
Venetia. 


Festus  ep.  p.  212:  Picena  regio 
.  .  .  dicta,  quod,  Sahini  cum 
Asculum  proßciscerentur ,  in 
vexillo  eorum  picus  consederit. 

Festus  ep.  p.  327:  Samnites  ah 
hastis  appellati  sunt,  quas 
Graeci  oavvia  appellant;  has 
enim  ferre  assueti  erant. 

Festus  ep.  p.  327:  Samnites  appel- 
lati sunt  .  .  .  a  coUe  Samnio, 
34* 


532         I^iö  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 


97 


22  Sardinia  a  Sarde  HercuUs 
filio  nominatur. 

23  Senogallia  a  ijrallis  Senonihus 
vocitata  est. 

22  Sicüia  de  Siculi  ducis  proprio 
nomine  nuncupatur. 

Bamb.  zu  2,  22  (Arch,  9,  689) : 
(Sicüia)  ante  a  Sicano  Sicania 
nominabatur:  in  ea  est  civitas 
Siracusana.  Haec  insula  sepa- 
ravit  mare  ah  Italia. 


Bamb.  zu  2,  21  (Archiv  9,  689): 
Tarentus  ideo  dicitur  quia  Taras 
filius  Nepfuni  eam  condidit. 

16  Tuscia  a  iure,  quod  populus 
illius  superstitiose  in  sacrificiis 
deorum  suorum  incendere  sole- 
hant. 

14  Eneti  licet  apud  Latinos  una 
littera  addatur,  Graece  lauddbiles 
dicuntur. 

16  ümhria  dicta  est,  quod  imhri- 
hus  super fuerit,  cum  aquosa 
da  des  olim  populos  devastaret. 


ubi  ex  Sabinis  adveniantes  con- 
sederunt. 
Isid.  14, 6, 39:  Sardus  Uercule  pro- 
creatus  . . .  Sardiniam  occupavit. 


Isid.  14,  6,  32  a  Siculo  Sicilia 
(cognominata). 

Isidor  a.  a.  0.:  Sicilia  a  Sicano 
rege  Sicania  cognominata  est, 
deinde  a  Siculo  .  .  .  Sicilia  .  .  . 
Principem  urbium  Syracusas 
habet  .  .  .  Italiae  coniunctam 
fuisse  Siciliam,  sed  medium 
spatium  impetu  maris  divisum. 

Isidor  15,  1,  62:  Taras  Neptuni 
ßlitts  fuit,  a  quo  Tarentum 
civitas  et  condita  et  appellata  est, 

Isid.  9,  2,  86  =  14,  4,  20  Tusci 
Italiae  gens  est  a  frequentia 
sacrorum  et  turis  vocata,  id  est 
OLTib  rov  ■&veiv. 

lordanes  Get.  29  [§  148]:  posses- 
sores,  ut  tradunt  maiores,  enetii 
[atveroi]  id  est  lauddbiles  dice- 
banfur. 

Isidor  9,  2,  87  =  14,  4,  21  (Umbri) 
historiae  perhibent  quod  tempore 
aquosae  cladis  imbribus  super- 
fuerint  et  ob  hoc  "OjußQiovg^ 
Graece  nominatos. 


Sehr  deutlich  erkennt  man  hier,  in  welchem  Umfang  Paulus 
über  das  klassische  Quellenmaterial  verfügte.  Er  hat  die  Etymologien 
der  italischen  Landschaften  mit  einer  Vollständigkeit  zusammen- 
gestellt, die  für  jene  Epoche  überrascht.  Wichtiger  ist  es,  dass  unter 
diesen  Notizen  mehrere  sind,  die  sonst  nur  bei  Festus  begegnen; 
mit  vollem  Recht  hat  Waitz  hierin  die  Entscheidung  der  alten 
Controverse  gefunden,  ob  der  Paulus,  der  dem  König  Karl  cupiens 
aliquid  vestris  bibliothecis  addere  den  Auszug  aus  dem  Festus  wid- 
mete, unser  Historiker   oder   ein  anderer  gleichnamiger  Geistlicher 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte .  des  Paulus  Diaconus.         533 

ist.  Unter  den  charakteristischen  Zügen  des  merkwürdigen  Gelehrten 
ist  es  nicht  der  am  wenigsten  interessante,  dass  er  wohl  der  einzige 
gewesen  ist,  der  sich  nicht  bloss  um  die  römischen  Historiker,  sondern 
auch  um  dies  Reallexikon  der  sprachlichen  und  sachlichen  Alter- 
thümer  Roms  gekümmert  hat.  Man  wird  wohl  noch  einen  Schritt 
weiter  gehen  und  auch  die  oben  aufgeführten  Etymologien  von 
Apulia,  Atella,  Aurelia  und  so  weiter  (vgl.  Forum  lulii).  Liguria, 
deren  Quelle  anderweitig  nicht  nachweisbar  ist,  auf  den  vollständigen 
Festus  zurückführen  dürfen.  Selbst  erfunden  hat  Paulus  sie  sicher 
nicht;  sie  fallen  alle  in  die  Abschnitte,  die  wir  aus  dem  vollständigen 
Festus  nicht  mehr  besitzen  und  passen  gut  in  denselben  hinein. 


Es  sind  in  die  oben  gegebene  Uebersicht  der  von  Paulus  zu 
dem  Provinzialverzeichniss  gemachten  Zusätze  einige  Stellen  auf- 
genommen worden,  welche  in  der  uns  vorliegenden  Langobarden- 
geschichte desselben  sich  nicht  finden,  sondern  einem  auf  diesem 
fassenden  Geschichtswerk  entlehnt  sind.  Es  schien  angemessen  die 
über  dieses  erforderliche  Untersuchung  von  der  voraufgehenden  Er- 
örterung zu  trennen. 

Die  ebenso  umfängliche  wie  schlechte  Compilation,  um  die  es 
sich  hier  handelt,  ist,  wie  es  scheint,  in  zwei  verschiedenen  Be- 
arbeitungen erhalten,  von  denen  die  eine  vertreten  wird  haupt-  98 
sächlich  durch  die  schon  mehrfach  erwähnte  Bamberger  Handschrift 
E.  ni.  14  des  11.  Jahrh.i,  die  andere  durch  die  gleich  alte  vati- 
canische  1984  2.  Alle  in  diese  Compilation  aufgenommenen  Bestand- 
theile  sind  darin  geändert  und  stark  verschlechtert;  die  vaticanische 
Recension  geht  in  dieser  Hinsicht  noch  beträchtlich  weiter  als  die 
Bamberger,  wie  es  scheint  in  Folge  abermaliger  willkürlicher  Ueber- 
arbeitung^;  aber  auch  die  relativ  bessere  ist  eine  freie  Umschreibung 
der  dem  Schreiber  vorliegenden  Texte.     Das  ist  auch  nicht  zu  ver- 

1)  Sie  ist  musterhaft  beschrieben  von  Waitz  in  dem  älteren  Archiv  9,  673 — 
703;  vgl.  das.  6,  44  —  50.  7,  328  —  337.  Umfängliche  Proben  aus  der  Histm-ia 
Romana  giebt  Droysen  p.  379—395  (vgl.  p.  XXXII).  In  Betreff  einzelner  Puncte 
hat  mir  Halm  freundlich  Auskunft  gegeben.  Gleichartig  ist  die  Oxforder 
Magdal.  Lat.  14  des  14.  Jahrb.,  beschrieben  von  Pauli  in  diesem  Archiv  1,  161 — 
168.  Ebenso  gehört  hierher  Urbin.  961  (Droysen,  Vorr.  zum  Eutrop  p.  XXXIII) 
[Chron.  min.  I  p.  524flF.]. 

2)  Beschrieben  von  Pertz  Archiv  5,  80  und  von  Papencordt,  Vandalen  S.  400; 
vergl.  Waitz  SS.  Langob.  p.  30.  Droysen  a.  a.  0.  (vergl.  p.  XXXIII)  giebt  auch 
von  dieser  Recension  umfassende  Proben. 

3)  Das  zeigt  die  Vergleichung  der  bei  Droysen  abgedruckten  Stücke,  zum 
Beispiel  gleich  zu  Anfang  die  erst  hier  begegnende  ganz  alberne  Identificirung 
der  Stadt  Satumia  in  Etrurien  mit  Sutrium. 


534'         Die  Quellen  der  Langobardeugeschichte  des  Paulus  Diaconus, 

wundern,  denn  der  Schreiber  hat  es  sich  zur  Aufgabe  gestellt  ein 
eigenes  Geschichtswerk  herzustellen,  für  welches  Paulus  eigentlich' 
nur  eine  der  Quellen  ist.  Dies  Werk  setzt,  nach  der  Einleitung  der 
Bamberger  Handschrift  und  den  sonst  vorliegenden  Daten  ^,  sich 
zusammen  aus  einer  geographischen  Einleitung  de  partihus  mündig 
au»'  einer  hauptsächlich  dem  Orosius  entlehnten  Zusammenstellung 
über  die  Urgeschichte  (Assyrer,  Amazonen,  Skythen,  Perser,  Troia)^; 
auB  der  römischen  Geschichte  des  Paulus ;  aus  einem  Auszug  der 
Gesta  Francorum,  in  der  vaticanischen  Eecension  als  17.  Buch  von 
Paulus  römischer  Geschichte  bezeichnet;  endlich  aus  dessen  Lango- 
bardengeschichte, welche  ja  der  Zeit  nach  sich  an  die  römische 
anschliesst^.  Dass  diese  unmöglich  auf  Paulus  selbst  zurückzuführen- 
99  den  Umarbeitungen  seiner  Bücher  im  10.  Jahrh.  in  oder  bei  Neapel 
entstanden  sind,  hat  Waitz*  sehr  wahrscheinlich  gemacht.  ■' 

Die  Compilation  ist,  wie  man  sieht,  im  Ganzen  genommen, 
schlechthin  werthlos.  Aber  etwas  mehr  giebt  sie  dennoch  als  blosse^; 
Umschreibung  sonst  bekannter  Texte.  Die  Bamberger  Handschrift 
ist  die  älteste,  welche  die  "Widmung  der  römischen  Geschichte  des 
Paulus  an  die  Adelberga  aufbehalten  hat;  allerdings  ist  auch  deren- 
Fassung  ganz  verändert^,  aber  da  diese  Yorrede  in  allen  uns  be- 
kannten älteren  Handschriften  fehlt,  so  muss  dem  Schreiber  des: 
10.  Jahrhunderts  nicht   bloss   eine  sehr  alte,  sondern  auch  eine  von; 

1)  Archiv  9,  677.  Danach  und  nach  der  Vergleichung  der  vaticanischen- 
Recension  scheint  es  mir  nicht  zweifelhaft,  dass'  die  Schriften  des  Jordanes,  die' 
Alexandergeschichte,  die  Epitome  des  sogen.  Victor  nicht  zu  dieser  Compilation' 
gehören,  wenn  auch  die  beiden  letzteren  in  gleicher  Art  und  vermuthlich  von 
demselben  Mann  umgearbeitet  worden  sind. 

2)  Die  Quelle  hiefür  ist,  wie  Bethmann  (Archiv  12,  721)  bemerkt,  wahr- 
scheinlich die  Handschrift  Laurent.  66,  40  aus  dem  9.  Jahrh.:  exordia  Assiriwum, 
beginnt  Ninus  res  —  exordia  Antazonum,  beginnt  apud  Exitus  —  zwei  Abschnitte,' 
beginnend  Darius  rex  und  Bellum  lulii  —  de  exordia  Exitorum,  beg.  Exiti,'' 
schliesst  Olymp,  nuncupatur  —  storia  Daretis  —  Excidium  Troie  beg.  Thetis, 
Die  Herkunft  der  Handschrift  aus  Monte  Cassino  verdient  Beachtung  [Chron.., 
min.  II  p.  308  ff.]. 

3)  Die  vaticanische  Corripilation  scheint  den  Versuch  gemacht  zu  haben 
eine  Fortsetzung  bis  auf  Karl  den  Grossen  hinzuzufügen  (S.  537  A.  3). 

4)  Archiv  9,  692;  vgl.  Bethmann  Archiv  10,  318.  Droysen  zum  Eutrop 
p.  XXXIII  hat  Wäitz's  Ausführung  übersehen.  Sie  bezieht  sich  zunächst  auf,| 
das  Alexanderbuch,  dessen  Abfassung  in  oder  bei  Neapel  um  das  J.  942  danach' 
ausser  Zweifel  scheint.  Ungefähr  aber  muss  Zeit  und  Ort  auch  für  die  sonstigen  | 
gleichartigen  üniarbeitungen  zutreffen,  die  der  Bamberger  Codex  enthält.  Za 
beachten  ist  auch,  dass  die  Bamberger  und  die  Oxforder  Handschriften  bloss] 
Abschriften  sind,  wonach  allein  schon  die  Entstehung  des  Originals  wahrschein- 
lich dem  10.  Jahrhundert  zuzuweisen  ist. 

5)  Abgedruckt  bei  Droysen  p.  379. 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.  535 

unseren  alten  Texten  sehr  abweichende  Handschrift  des  Paulus  vor- 
gelegen haben.  Durch  denselben  Compilator  ist,  so  viel  ich  weiss 
allein,  das  vorher  erörterte  von  Paulus  benutzte  Yerzeichniss  der 
römischen  Provinzen  aufbewahrt  worden ;  es  bildet  bei  ihm  den 
Schluss  der  geographischen  Einleitung.  Es  liegt  nahe  auch  dies 
darauf  zurückzuführen,  dass  ihm  ausser  den  beiden  bekannten  Ge- 
schichtswerken noch  anderes  Paulinische  zugänglich  gewesen  ist. 
Hiezu  kommt  nun  ein  drittes.  Bethmann  (Archiv  7,334)  und  be- 
sonders Waitz  (Archiv  9,  688  flg.)  theilen  eine  Anzahl  von  Stellen 
mit,  welche  die  Umarbeitung  vor  der  Langobardengeschichte  voraus 
hat  und  die  namentlich  in  das  Provinzialverzeichniss  treffen.  Beide 
betrachten  dieselben  als  Interpolationen;  und  so  weit  sie  sich  auf 
geläufige  Quellen  zurückführen  lassen,  wäre  gegen  diese  Annahme 
nichts  einzuwenden  ^  Aber  drei  derselben  sind  augenscheinlich 
entlehnt  aus  Festus.  In  dem  Artikel  Jßeneiuntum  kehrt  sogar  die- 
selbe Corruptel  von  Maleventum  wieder,  die  unsere  Festushandschriften 
zeigen.  Derjenige  über  Barium  stimmt  wörtlich  mit  Festus  Auszug 
und  steht  sonst  nirgends;  selbst  die  Insel  Barra  wird  nur  hier  ge- 
nannt. Die  Ableitung  von  Atella  endlich  ist  sonst  schlechterdings 
unbekannt,  passt  aber  vortrefflich  für  Festus.  Will  man  also  nicht 
annehmen,  dass  dem  Bearbeiter  ebenfalls  der  vollständige  Festus 
zur  Verfügung  stand,  wozu  schwerlich  jemand  geneigt  sein  wird,  so 
muss  ihm  ein  Exemplar  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  vor- 
gelegen haben,  welches  nicht  bloss  die  Dedication  enthielt,  sondern  100 
auch  entweder  Nachträge  des  Verfassers  oder,  was  vielleicht  wahr- 
scheinlicher ist,  die  für  die  Capitel  über  die  italischen  Provinzen 
von  Paulus  zusammengestellten  Materialien. 

Yon  solchen  Materialien  finden  sich  noch  weitere  Spuren.  Wir 
besitzen  eine  Handschrift  des  echten  Eutrop,  die  vaticanische  1860 
aus  dem  J.  1313,  welche  nicht  bloss  in  den  Lesungen  durchaus  mit 
dem  von  Paulus  benutzten  Eutroptext  übereinstimmt,  sondern  auch 
eine  Reihe  der  von  Paulus  zum  Eutrop  gemachten  Zusätze  einreiht^, 
während  bei  weitem  die  meisten  fehlen.  Wo  Paulus  dieser  Einlagen 
wegen  an  dem  Text  des  Eutrop  Aenderungen  vorgenommen  hat,  folgt 
die  Handschrift  in  der  Regel  dem  ursprünglichen  Text;  doch  zeigt 
sich  an  einer  Stelle,   dass  der  Schreiber  die  Aenderung  des  Paulus 


1)  Die  Angaben  über  die  Masse  Italiens  und  Sardiniens  (Archiv  9,  689)  sind 
theils  aus  Solinus  7,  23,  theils  aus  Isidor  14,  6  genommen. 

2)  Sie  sind  zusammengestellt  in  Droysens  Vorrede  p.  X ;  es  sind  darunter 
Entlehnungen  aus  Hieronymus,  Orosius,  Victor  epit.,  Jordanes  Rom.,  also  aus 
sämmtlichen  Hauptquellen  des  Paulus. 


536         I^ie  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

ebenfalls  vor  sich  gehabt  hat^.  Endlich  begegnen  an  zwei  Stellen 
Zusätze,  die  denen  des  Paulus  durchaus  gleichartig  sind,  aber  in  der 
römischen  Geschichte  nicht  erscheinen^.  Offenbar  ist,  wie  ich  dies 
schon  früher  hervorgehoben  habe,  die  Handschrift  aus  demjenigen 
Exemplar  des  Eutrop  abgeschrieben,  das  Paulus  benutzt  und  mit 
den  Zusätzen  versehen  hatte,  aus  welchen  dann  weiterhin  seine 
römische  Geschichte  erwachsen  ist. 

Daran  knüpft  wieder  eine  andere  Frage  an:  ich  meine  die 
Herkunft  derjenigen  Erweiterung  der  römischen  Geschichte,  von 
welcher  in  der  Handschrift  Yatic.  Palat.  909,  geschrieben  um  das 
J.  1000,  das  Autograph  vorliegt  und  die  sich  selber  als  'fortgeführt 
durch  Landolfus  Sagax  bis  zum  J.  806'  (vielmehr  bis  8 1 3)  bezeichnet. 
Man  hat  bisher  angenommen,  dass  der  Schreiber  oder,  wenn  man 
will,  der  Verfasser  dieser  Compilation,  jener  Landolfus,  im  Sinne  und 
nach  Art  des  Paulus  dessen  Arbeit  fortgeführt  hat  und  darauf  die  auf- 
fallende Gleichartigkeit  der  von  Paulus  selbst  und  der  von  seinem  Fort- 
101  setzer  benutzten  Quellen^  zurückgeführt.  Aber  dass  die  verlorene  Origo 
gentis  Romanae,  welche  wir  nur  durch  Paulus  und  durch  Landolfus 
kennen,  beiden  fast  zwei  Jahrhunderte  aus  einander  liegenden  Schrift- 
stellern vorgelegen  haben  soll,  ist  wenig  wahrscheinlich*.  Wenn 
Landolfus  ein  Exemplar  der  römischen  Geschichte  des  Paulus  benutzt 
hat,  welches  derselbe  mit  seinen  Zusätzen  versehen  hatte,  so  konnte 
er  auch  auf  diesem  Wege  seine  Compilation  herstellen^;  und  dafür 

1)  Es  ist  dies,  wie  ich  schon  bei  Droysen  a.  a.  0.  nachgewiesen  habe,  6,  24 
p.  110,  9  Droysen,  wo  Paulus  aus  Eutrop:  Caesar  Bomam  regressus  und  Orosius; 
quattuor  triumphis  urbem  ingressus  in  der  Hist.  R.  gemacht  hat:  Caesar  Bomam 
cum  quattuor  triumphis  ingressus,  während  die  vaticanische  Handschrift  liest: 
Caesar  Romam  quattuor  triumphis  ingressus  regressus,  also  dem  Schreiber  offenbar 
der  eutropische  Text  mit  den  darüber  geschriebenen  Worten  des  Orosius  vorlag. 
Dadurch  ist  auch  Droysens  an  sich  schon  wenig  befriedigende  Annahme  wider- 
legt, dass  die  Handschrift  aus  einer  Abschrift  des  von  Paulus  gebrauchten  Eutrop 
geflossen  sei,  in  welche  die  paulinischen  Zusätze  aus  Paulus  oder  L.andolf  hinein 
corrigirt  worden  seien. 

2)  Droysen  a.  a.  0.  führt  sie  auf;  der  erste  ist  aus  Hieronymus  entlehnt, 
wie  Droysen  dort  nachweist,  der  zweite  aus  Jordanes  Rom.  281.  Auch  das  Auf- 
treten dieser  Zusätze  schliesst  die  Annahme  aus,  dass  die  Handschrift  späterhia 
aus  Paulus  interpolirt  ist. 

3)  Sie  sind  verzeichnet  bei  Droysen  p.  LXV.  Hinzu  treten  bei  Landolf 
Nepotianus,  Rufinus,  die  Tripartita  und  vor  allem  Anastasius. 

4)  Droysen  p.  X  weist  diese  und  noch  eine  andere  weniger  auffallende 
Uebereinstimmung  der  vaticanischen  Glossen  mit  dem  Text  des  Landolfus  nach, 

5)  Natürlich  soll  nicht  behauptet  werden,  dass  Landolfus  nur  paulinische 
Materialien  benutzt  hat.  Die  den  Paulus  fortführenden  Bücher  19  —  26  sind, 
abgesehen  von  einigen  Excerpten  der  Langobardengeschichte  und  der  —  wahr- 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.         537 

sprechen  noch  andere  Spuren.  Einmal  kehrt  in  der  römischen  Ge- 
schichte 9,  6  ein  arger  Schreibfehler,  den  Paulus  Text  vermeidet, 
aber  dessen  in  die  vaticanische  Handschrift  übergegangenen  Notizen 
aufzeigen,  avarus  für  Maurus,  bei  Landolf  wieder;  welches  unver- 
kennbar darauf  hinweist,  dass  dieser  nicht  allein  den  uns  vorliegen- 
den Paulus,  sondern  daneben  eben  die  Collectaneen  benutzt  hat,  von 
denen  einiges  in  jene  Handschrift  übergegangen  ist.  —  Zweitens 
findet  sich  hier  vielleicht  die  Auflösung  der  räthselhaften  Thatsache, 
dass  jene  grossentheils  auf  dem  Paulus  beruhende  Compilation,  von 
der  vorher  die  Rede  war,  in  der  einen  der  uns  vorliegenden  Formen 
genau  dieselbe  Ueberschrift  trägt,  welche  Landolf  seinem  emendirten 
Paulus  vorgesetzt  hat^.  Beide  Werke  gehen  sich  genau  genommen 
nichts  an.  Das  unter  dem  Namen  des  Landolfus  bekannte  beschränkt 
sich  auf  das  römische  Geschichtswerk  des  Paulus  und  giebt  unter 
Beibehaltung  der  Fassung  demselben  nur  Zusätze  und  keine  Fort- 
setzung; das  andere  ist  nach  der  Absicht  des  Verfassers  ein  grosses 
allgemeines  Geschichtswerk,  worin  beide  Werke  des  Paulus  in  durch- 
aus veränderter  Fassung  Aufnahme  gefunden  haben,  der  zu  Grunde 
liegende  Text  des  römischen  aber  im  Ganzen  der  gewöhnliche  ist 
und  von  den  zahlreichen  Zusätzen  der  anderen  Compilation  nur 
geringe  Spuren  sich  finden 2.  Dennoch  berühren  sich  beide  Werke  102 
einmal  darin,  dass  der  langobardische  Theil  des  ersteren  und  ebenso 
das  zweite  Benutzung  der  Collectaneen  des  Paulus  zeigt,  zweitens, 
wie  es  scheint,  auch  darin,  dass  beide  Arbeiten  bis  zu  dem  gleichen 
Endtermin   fortgeführt  waren ^.     Gesetzt,   die  Bibliothek  von  Monte 


!  scheinlich  der  um  825  geschriebenen  Contintiatio  Romana  derselben  (p.  201  Waitz) 
I  entlehnten  —  Notiz  über  Adalgisus  (p.  376,  35  Droysen),  bekanntlich  aus  dem 
I  Anastasius  einfach  abgeschrieben  und  hören  eben  da  auf,  wo  dieser  endigt. 
Dass  Paulus  diesen  auch  nur  gekannt  hat,  ist  nicht  wahrscheinlich  und  durch- 
aus kein  Grund  vorhanden  diesen  Abschnitt  ihm  beizulegen.  Ebenso  mag  auch 
ein  Theil  der  Zusätze  der  ersten  18  den  16  des  Paulus  entsprechenden  Büchern 
auf  Landolfs  eigene  Thätigkeit  zurückgehen. 

1)  p.  227.  380  der  Droysenschen  Ausgabe. 

2)  Doch  kehrt  wenigstens  ein  Zusatz  des  Landolfus  p.  228,  21  Droysen :  a 
l'iusanio  rege  Spartan&rum  in  der  Bamberger  Compilation  p.  383,  21  Dr.  wieder. 

3)  Allerdings  ist,  nach  dem  was  mir  über  die  Handschrift  Vat.  1984  vor- 
liegt, schwer  zu  sagen,  wo  nach  der  Absicht  des  Schreibers  das  Werk  schliesst. 
Nach  Bethmann  (bei  Waitz  SS.  Lang.  p.  30)  fehlt  der  Schluss  der  Langobarden- 
geschichte und  ist  von  späterer  Hand  nicht  vollständig  ergänzt.  Nach  Pertz 
'.Archiv  5,  80)  dagegen  scheint  der  Schluss  nur  versetzt  zu  sein  und  auf  das 
Ende  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  eine  'kurze  Geschichte  der  Lango- 
barden' zu  folgen,  welche  mit  Erwähnung  von  Stephan  II  (752—757)  und  Leo  III 
rj95-816)  endigt.    Wenn  der  Schreiber  diese  als  integrirenden  Theil  des  Werkes 


538  I^iö  Quellefn  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus. 

Cassitiö  bewährte  die  autographen  Exemplare  der  beiden  Geschichts-^ 
werke  des  Paulus,  das  römische  mit  einer  Anzahl  von  Nachträgeri 
versehen,  welche  Paulus  vielleicht  bei  einer  Ueberarbeitung  de» 
Werkes  zu  benützen  gedachte^,  das  langobardische  zugleich  die  für 
den  Abschnitt  über  die  italischen  Provinzen  benutzten  Collectaneen 
enthaltend,  so  konnte  zwei  Jahrhunderte  später  in  demselben  Klostei^ 
Landolfus  der  Kluge  wohl  jene  beiden  Arbeiten  verfertigen,  zuerst 
das  allgemeinere  Geschichtswerk  unter  Beiseitelassung  der  Randnoten 
der  römischen  Geschichte,  späterhin  eine  neue  vermehrte  Auflagö 
von  dieser.  '  ' 

Wenn  ich  mit  einem  kurzen  Wort  über  die  Glaubwürdigkeit 
des  Paulus  schliesse,  so  geschieht  es  nur  um  zu  erklären,  dass,  da 
ich  in  anderer  Hinsicht  vielfach  von  Waitz  abweiche,  ich  mich  um  so' 
mehr  freue  hier  mit  ihm  im  Wesentlichen  zusammenzutreffen.  Wenn 
er  in  der  Vorrede  zur  Langobardengeschichte  sein  Urtheil  dahin' 
zusammenfasst:  eandem,  qua  in  historia  Romana  res  diversas  intef' 
se  coniunctas  videmus,  levitatem  hie  deprehendimus  und  ihm  in  deoi 
Anmerkungen  mehrfach  das  nicht  wohlklingende  Wort  fingere  an- 
103  hängt,  so  ist  das  letztere  offenbar  nicht  im  schlimmsten  Sinn  gemeint 
und  wird  das  erstere  im  Ergebniss  zugegeben  werden  müssen,  wenn' 
auch  dem  Paulus  wohl  nicht  so  sehr  Leichtfertigkeit  vorgeworfen 
werden  kann  als  vielmehr  eine  allzu  überlegte  und  daher  leicht' 
täuschende  Quellenbenutzung.  Ein  nachdenklicher  und  gewandter 
I^Tacherzähler  ist  nicht  gerade  das  Ideal  der  Geschichtsquelle;  und 
wenn  auch  die  heutige  Forschung,  die  es  in  der  Entwickelung  der 
historischen  Kritik  ja  erstaunlich  weit  gebracht  hat,  in  dieser  Hinsicht, 
auf  den  Paulus  herabsieht  wie  der  Primaner  auf  den  Quintaner,  so, 
bleibt  jenes  Lob  dennoch  relativ  ein  wohlverdientes.  Aber  ebetf 
wegen  dieses  Vorzugs  haben  wir  uns  wohl  vorzusehen  seinen  Schluss* 
aus  den  Quellen  nicht  für  ein  Zeugniss  zu  halten.     Wenn  beispiels- 

betraehtete,  so  konnte  seine  Ueberschrift  insoweit  bestehen.  —  Sollte  aber  auch 
Droysen  p.  XXXIV  mit  Recht  angenommen  haben ,  dass  diese  Ueberschrift  zu 
dem  im  Vat.  1984  erhaltenen  Geschichtswerk  in  der  That  nicht  gehört  und 
mechanisch  aus  dem  Werk  des  Landolfus  übernommen  ist,  so  würde  auch  dies  I 
immer  einen  Anhalt  dafür  geben,  dass  beide  Arbeiten  am  gleichen  Ort  entstanden 
sind. 

1)  Daraus  würde  sich  die  verschiedene  Behandlung  der  Auszüge  bei  Paulus) 
und  bei  Landolfus  erklären,  die  namentlich  bei  den  Geticis  des  Jordanes  sehr  be- 1 
stimmt  hervortritt:  Paulus  giebt  den  Inhalt  sehr  frei  wieder,  Landolf  ziemlich j 
die  Worte  selbst.  Das  erklärt  sich,  wenn  wir  dort  verarbeitete,  hier  unver-j 
arbeitete  Collectaneen  vor  uns  haben. 


Die  Quellen  der  Langobardengeschichte  des  Paulus  Diaconus.         539 

weise  Paulus  bei  seinen  Gewährsmännern  findet  oder  zu  finden 
meint,  dass  die  beiden  sich  bekriegenden  Könige  Odoacar  und  Fewa 
beide  über  die  Ruger  herrschen,  so  gleicht  er  diesen  Widerspruch 
damit  aus,  dass  er  jedem  die  Herrschaft  über  einen  Theil  des  Volkes 
zuspricht  (S.  503).  Wo  Paulus  von  der  Wanderung  der  Gallier  spricht 
(2,  23),  entnimmt  er  die  Gesammtzahl  der  dreiraalhunderttausend 
dem  Justin,  ebenso  die  Wanderziele  Italien,  Delphi  und  Kleinasien; 
aber  die  Theilung  in  drei  gleiche  Massen  berichtet  Justin  nicht, 
und  wenn  des  Paulus  Herausgeber  anmerkt:  hos  numeros  Paulus 
sihi  fmxisse  videtur,  so  kann  man  darauf  höchstens  entgegnen,  dass 
wer  irgend  einmal  Geschichte  erzählt  hat  ohne  Noten  zum  Text  zu 
schreiben,  sich  hüten  wird  wegen  einer  solchen  'Fiction'  den  Stein 
aufzuheben.  In  ähnlicher  Weise  setzt  Paulus,  wo  er  die  von  den 
Galliern  in  der  Lombardei  gegründeten  Städte  aufführt,  den  im 
Uebrigen  aus  Justinus  (20,  5,  2S)  entnommenen  Namen  die  Lango- 
bardenhauptstadt Ticinum  von  sich  aus  und  in  erster  Stelle  zu.  Aber 
Justins  Aufzählung  ist  doch  nur  Exemplification  und  legt  sogar  die 
Auffassung  nahe,  dass  die  meisten  ansehnlichen  Städte  Oberitaliens 
den  gleichen  Ursprung  gehabt  haben,  Schwerlich  hat  Paulus  eine 
Nachricht  hingeschrieben,  die  er  nicht  für  wahr  gehalten  hat;  aber 
i  zu  dieser  Ueberzeugung  ist  er  allerdings  häufig  durch  Schlüsse  ge- 
!  kommen,  die  anfechtbar  und  bedenklich  sind,  und  denen  nachzu- 
kommen nicht  immer  leicht  ist  ^ 


1)  Dass  die  Transalpiner  durch  den  Wein  und  die  Früchte  Italiens  nach 
dem  Süden  gelockt  worden  seien,  erzählt  Paulus  zweimal:  einmal  (2,23)  in  Be- 
ziehung auf  die  Gallier  und  König  Brennus,  welche  Erzählung,  abgesehen  von 
griechischen  Autoren,  nur  bei  Livius  5,  38  sich  findet;  anderswo  (2,5)  bezogen 
auf  die  Langobarden  und  Narses.  Plinius  h.  n.  12,  1,  5  hat  eine  dritte  Personal- 
besetzung: hier  ist  es  ein  in  Rom  beschäftigt  gewesener  helvetischer  Hand- 
werker Helico,  der  bei  der  Heimkehr  seinen  Landsleuten  Feigen,  Trauben,  Oel 
und  Wein  mitbringt.  Wem  Paulus  hier  folgt  oder  ob  er  hier  sich  freie  Moti- 
virung  gestattet  hat,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden.  Dass  er  den  Livius 
gekannt  hat,  ist  sehr  zweifelhaft;  eher  mag  auch  hier  eine  Nachricht  des  Festus 
benutzt  sein. 


XXII. 

Christianity  in  the  Roman  empire.*) 

Dear  Sir, 

You  have  asked  my  opinion  about  the  relation  between  the 
Christian  Church  and  the  Roman  government  of  the  pagan  epoch, 
and  especially  about  the  development  of  the  hostility  between  the 
two  powers  —  questions  never  out  of  debate,  and  recently  treated 
carefully  and  skilfully  by  my  friend  Professor  Ramsay  in  his  interes- 
ting  lectures  on  „the  Church  and  Roman  Empire  before  A.D.  170." 
I  am  well  aware  that  neither  in  theory  nor  in  arguments  there  is 
much  to  add  by  me  to  what  I  set  forth  in  my  paper  „Religionsfrevel 
nach  roemischem  Recht",  published  two  years  ago,**)  and  agreeing 
in  the  main  with  Ramsay's  views.  Nevertheless  it  may  not  be  amiss 
to  sum  up  the  case  in  the  sense  required  by  you,  and  to  state  some 
points  where  I  am  obliged  to  differ  from  him. 

The  intense  hatred  in  which  the  Christians  were  held  in  the 
Roman  empire  is  a  fact  so  well  established  and  so  well  known  that 
it  is  not  necessary  to  dwell  upon  it.  Tacitus  and  Suetonius,  Lucian 
and  Aristides,  are  there  to  attest  it,  and  still  more  fully  the  shout 
into  which  the  mob  translated  their  invectives:  Christianos  ad  leones. 
It  is  a  general  feeling  pervading  the  whole  empire,  the  aristocracy 
and  the  populace,  Italy  alike  and  the  Greek  provinces  of  higher 
civilization.  How  early  it  developed  itself  is  evident  from  the  policy 
of  Nero,  who  sought  to  avert  from  himself  the  fury  of  the  rabble 
for  a  great  disaster  by  offering  up  to  it  these  unhappy  sectaries. 
This  populär  hatred,  bitter,  universal,  lasting  —  whence  did  it 
spring? 

Certainly  the  Christians,  as  offspring  of  the  Jews,  came  in  fori 
the  same  aversion  which  this  race  has  always  met  with  in  the  whole 

*)  [The  Expositor,  4.  ser.  vol.  8  (1893)  S.  1—7  (Brief  Mommsens  an  den 
Herausgeber).] 

**)  [Historische  Zeitschrift  n.  F.  B.  28,    1890  S.  389  ff.  =  Ges.  Schriften  3 
S.  389  ff.l 


Christianity  in  the  Roman  empire.  541 

Occident  —  an  aversion  which,  though  restrained  by  a  higher  Stan- 
dard of  humanity,  still  to  the  present  day  dominates  the  canaiUe, 
titled  or  not  titled.  They  came  in  for  the  ancient  hatred,  but  not 
for  the  time-honoured  position  and  secular  privileges  of  the  followers 
of  Moses.  The  conviction  that  the  Christian  ^conventicles  were  orgies 
of  lewdness  and  receptacles  of  every  crime  got  hold  on  the  populär 
mind  with  all  the  terrible  vehemence  of  aversion  that  resists  all 
argument  and  heeds  not  refutation.  Two  of  the  best  Romans, 
Tacitus  exciising  the  emperor,  who  condemned  the  Christians  of  the 
capital  for  false  crimes  by  admitting  their  turpitudes  not  requiring 
to  be  proved,  Pliny  wondering  at  finding  the  Christian  congregations 
innocent  and  moral,  give  us  an  idea  what  their  contemporaries  of 
inferior  order  thought  of  these  sectaries. 

But  these  are  only  the  outworks.  It  must  be  acknowledged  that 
the  hatred  against  the  Christian  was  better  founded  and  better  deserved 
than  the  repulsive  feeling  against  the  Jew.  What  I  am  about  to 
say  may  be  commonplace,  but  it  cannot  be  omitted. 

The  political  order  of  the  ancient  world,  and  especially  of  the 
Roman  state,  rested  on  the  nationality  of  the  religion.  He  who 
imagines  that  the  gods  of  Rome  did  not  survive  to  the  imperial 
epoch,  may  as  well  say  that  the  Roman  res  publica  was  not  restored 
by  Augustus.  The  spread  of  doubt  and  disbelief  is,  especially  in  a 
political  view,  not  sufficient  to  abolish  an  established  religion;  the 
Roman  paganism  remained,  to  use  Ramsay's  (p.  324)  words,  the 
keystone  of  the  imperial  policy.  As  the  cives  Bomani  of  the 
imperial  epoch  were  a  different  Institution  from  those  who  conquered 
Italy,  so  the  Capitoline  Jupiter  was  adored  in  a  different  way  by 
those  who  carried  the  blocks  for  his  temple  up  the  Tarpeian  mound, 
and  by  those  who  founded  imitation  capitols  throughout  the  orbis  3 
Romanus;  but  the  national  religion  was  the  foundation  as  well  of 
Latin  Rome  as  of  the  Roma  communis  omnium  pafria,  the  spiritual 
Symbol  of  the  political  union. 

Now  this  foundation  was  sapped,  this  symbol  rejected  by  the 
Christians,  and  by  the  Christians  first  and  alone.  The  severing  of 
the  nationality  from  the  creed,  the  basing  the  religion  on  humanity 
is  the  very  essence  of  the  Christian  revolution.  The  mighty  words, 
-there  is  no  difference  between  Jew  and  Greek,  between  slave  and 
t'ieeman",  are  the  political  and  the  social  negation  of  the  established 
Order;  the  Christian  proselytism,  extinct  long  ago  in  the  Jews,  a 
systematic  warfare  against  it.  War  too  has  its  laws  and  its  outlaws. 
The  Christian  „atheism",  the  negation  of  the  national  gods,  was,  as 


m 


542  Christianity  in  the  Roman  enipire. 

I  have  shown  elsewhere  ,*)  the  contempt  of  the  dii  puhlici  populi 
Bomani,  in  itself  high  treason,  or  as  the  Christians  express  it 
(thoughts  being  free,  but  words  not),  the  mere  Christian  Name,  the 
„testimony^  of  such  atheism,  constitutes  a  crime  in  the  eye  of  the 
law.  It  is  practically  unwise  to  carry  out  this  principle  to  its  füll 
consequences;  good  politics  must  not  be  too  logical.  But  it  has 
always  to  be  borne  in  mind  that  every  follower  of  Scaevola  and 
Labeo  must  have  ranged  contempt  of  the  public  gods  among  the 
crimes  deserving  death,  and  that  it  was  a  sheer  impossibility  in 
principle  for  any  Roman  statesman  to  accord  to  those  guilty  of  it 
even  toleration.  Christianity  at  this  stage  may  well  be  compared 
with  republican  opinion  in  a  monarchical  country.  There  is  nothing 
morally  to  blame  in  it;  nothing  inconsistent  with  the  highest  views 
of  patriotism  and  public  duty;  nevertheless  even  the  most  liberal 
monarchy  cannot  acknowledge  a  republican  party.  Self-defence 
rules  the  world.  As  long  as  imperial  Rome  continued  its  stay  in 
the  eternal  city  and  maintained  the  tradition  of  national  government. 
it  regarded  the  Christian  creed  rightly  as  its  slayer, 

This    general,    and    in    a    certain    sense    lawful,    base    of  tlic 
Christian  persecutions  by  the  Roman   empire  will,   I   should  think. 
be  admitted  generally;    certainly  my  friend  Ramsay  enters  fully  in 
theae  views.     But  the  question   at  issue  lies  less   in    the   principle 
than    in  the   execution.     The  wishes    of  the  great  majority    of  the| 
Roman  public,  to  see  worked  out  that  persecution  in  füll  force,  we 
have   glanced    at;    how  far  the  Roman  government  did  or  did  not 
give  way  to  them?     I  have  stated  in  my  paper  that,   admitting  ol 
course  many  deviations  from  the  rule  occasioned  by  local  and  indi- 
vidual    influences,    generally  a   System    of  toleration  prevailed,    thf 
government  neither  risking  direct  Opposition  to  the  populär  feeling 
nor   giving  way  fully  and    completely  to    the    logical   hate    or    the 
unruly  rage   of  the  Opposition  party.     Ramsay  (p.  143)  differs  fron 
this  view.    „When  Mommsen  implies  that  the  emperors  would  gladl;^ 
have  tolerated  Christianity,  but  were  occasionally  forced  by  popula 
feeling  and  populär  clamour  to  depart  from  their  proper  policy  an( 
persecute   Christianity,    I  cannot  follow  him."      In   the   explanatioi 
that  follows  the  author  is  not  so  much  in  variance  with  my  statc 
ment  as  it  seems  here;  still,  I  shall  have  to  defend  it. 

In  the  first  place  what  I  have  averred  is,  I  should  think,  t^ 
necessary  in  itself  that  special  pleading  is  almost  superfluous.  War, 
fare  against  religious  or  political  ideas,  however  implacable  in  theorj! 


")  [Ges.  Sehr.  3  S.  395.] 


I 


Christianity  in  the  Roman  empire.  543 

18  not  easily  put  in  practice.  A  thoroughbred  monarchist,  thougli 
idesirous  to  hang  every  republican,  if  he  has  the  power  of  the  gal- 
lows,  will  find  some  difficulty  in  using  his  power.  The  most  certain 
eure  for  antisemitism ,  though  unhappily  not  of  general  application, 
Is  to  name  the  „Jew-eater"  minister;  his  huraanity  will  not  be  the 
better  for  it,  but  he  cannot  but  understand  the  dangers  of  carrying 
his  ill-will  into  execution.  The  same  fact  must  have  manifested 
itself  in  the  government  of  the  Roman  empire;  good  rule  and  policy 
prevented  even  those  Magistrates,  who  shared  the  feeling  of  aversion 
against  the  Christians,  from  giving  way  to  the  passion  of  the  mob,  5 
This  must  have  been  the  case  especially  in  the  government  of  the 
epoch  treated  by  Ramsay.  There  never  has  been  a  fanatic  at  the 
head  of  the  Roman  empire.  The  rulers  were  not  far-sighted 
Hör  did  they  aim  at  reforming  theirworld;  they  were  quite  satisfied 
;to  let  things  go  on  as  they  had  gone  before,  and  to  defend  the 
actual  State  of  society,  ignoring  its  dangerous  under-currents.  It 
is  true,  that  Christianity  ruined  the  base  of  the  existing  society: 
but  thence  it  does  not  follow  that  the  statesmen  of  the  epoch  made 
war  on  it  ä  la  russc:  Enough  of  cruelty  was  enacted  to  justify  the 
complaints  uttered  in  the  Apocalypse ;  but  stillthe  streng  wishes  of 
the  enemies  of  Christianity  were  not  appeased,  and  on  the  whole 
the  System  of  ignoring  and  of  leniency  dominated. 

Füll  details  alone  could  enlighten  us  about  the  balance  held 
between  the  two  scales,  and  reliable  facts  are  scarce  in  the  rubbish 
which  has  been  handed  down  to  us  under  the  heading  of  history  of 
imperial  Rome.  Augustus  and  Tiberius  being  out  of  the  question, 
it  is  probable  that  the  Separation  of  Jews  and  Christians  by  the 
general  public,  and  the  rise  of  animosity  against  the  latter  took  place 
under  the  second  dynasty,  as  Nero's  measures  show  it  fully  developed. 
The  double  foundation  on  which  the  persecution  rested,  the  general 
€ontempt  of  the  Roman  gods  and  the  belief  in  special  crimes  of 
lewdness  and  other  misdemeanours  attributed  to  their  conventicles, 
the  nomen  Christiani  and  the  flagitia  Christianorum ,  without  doubt 
sprang  up  together.  I  have  already  shown,  that  the  first,  innate  and 
undeniable,  was  the  necessary  consequence  of  the  juxtaposition  of 
Christian  Church  and  Roman  State;  I  cannot  understand  how 
liamsay  (p.  243n.),  on  arguments  evidently  unsolid,  attributes  this 
discovery  to  Vespasian.  That  practically  in  the  administrative  treat- 
ment  of  the  new  sectaries,  the  special  crimes  attributed  to  them 
were  much  more  urged  than  their  ideal  disrespect  to  the  Roman  G 
divinities,  is  applicable  to  every  stage   of  the  persecution;  and  it  is 


544  Christianity  in  the  Roman  empire.  I 

not  to  be  wondered  at,  that  in  the  history  of  Nero's  reign  these 
crimes  are  dwelt  upon,  though  Suetonius'  sober  statement  shows 
that  Nero's  government  did  not  confine  itself  in  its  measures  of 
repression  against  the  Christians  to  those  accused  of  arson.  "We  may 
safely  assume  that  they  began  under  Nero  partly  in  defence  of 
the  public  gods,  partly  against  the  excesses  said  (and  probably  not 
in  all  cases  unjustly)  to  reign  among  them. 

The  huge  proportions  and  the  cruel  features,  which  this  repres- 
sion assumed  in  the  worst  years  of  this  reign,  form  an  exception  to 
the  general  preponderance  of  toleration  or,  what  comes  to  the  same, 
of  moderate  persecution,  which  confirms  the  rule.  This  in  my  opi- 
nion  continued  under  the  Flavian  dynasty.  There  is,  as  Ramsay 
himself  admits  (p.  256),  no  trace  of  recrudescence  under  its  first 
two  emperors.  If  the  political  dissolution  of  the  Jewish  nation  and 
the  laying  waste  of  its  centre  were  aimed  at  the  Christians  too,  as 
Ramsay  is  inclined  to  admit,  following  Bernays,  the  imperial  govern- 
ment must  have  been  extremely  ill-informed  on  the  real  state  of 
things;  though  the  Jews  thus  lost  the  base  of  their  social  position, 
the  Christians  were  the  gainers  by  it,  being  freed  finally  from  the 
national  trammels  of  their  origin.  Be  that  as  it  may,  Ramsay  is 
wrong  in  regarding  Vespasian  as  the  true  originator  of  the  warfare ) 
against  the  Christian  creed  in  itself;  he  was  far  too  practical  for 
such  a  Crusade.  Much  better  does  it  agree  with  the  sombre  but! 
intelligent  despotism  of  Domitianus;  and  the  persecution  attributedj 
to  him  I  think  with  Ramsay  (p.  259)  founded  in  fact,  though  the  few|  ■ 
details  handed  down  to  us  point  not  so  much  to  the  abstract  defence  j 
of  the  religion  of  the  state  as  to  the  repression  of  Christian  proselytisml 
arriving  at  the  ladies  in  court  and  the  imperial  family  itself.  1 

I  have  nothing  more  to  add.  For  the  reign  of  Trajan,  Hadrian  '| 
and  Pius,  Ramsay  admits  freely,  that  the  system  of  toleration,  in  '' 
the  sense  determined  above,  prevailed;  the  evidence  of  their  letters 
preserved  to  us  is  there  to  attest  it.  Marcus  may  have  introduced 
harsher  measures,  especially  the  searching  for  believers  in  the 
Christian  creed,  though  the  tone  in  which  his  younger  contemporarj 
Tertullian  speaks  of  him  prevents  us  from  stretching  this  repressior 
too  far.  The  scanty  details  known  to  us  may  be  regarded  in  eitheij 
sense,  as  rule  or  as  exception;  I  pass  over  them  the  more  readiljj 
as  here  I  am  happy  not  to  be  at  variance  with  my  friend  anc| 
epigraphical  collaborator. 

Less  still  I   dwell   upon   the   later  epoch,   to   which    Ramsay'fj 
book  does   not  extend.      It  shows  us  the   Christians    increasing   ii 


i 


Christianity  in  the  Roman  empire. 


545 


number  and  influence,  combated  in  literary  discussion  by  pagan 
writers  of  high  standing,  and  victorious  in  the  end.  The  great  final 
result  of  the  Roman  government,  the  union  of  all  the  widely  different 
nations  under  it  in  a  uniform  body  of  cives  Romani,  required,  in 
replacement  of  their  different  creeds,  a  religion  adapted  to  the  new 
Order  of  things,  to  the  united  empire;  and  thus  the  Christian  religion 
became  the  religion  of  civilized  humanity,  the  slayer  of  the  Roman 
religion  its  Substitute  and  heir.  But  this  great  event  does  not  enter 
into  the  present  discussion,  nor  form  a  proper  part  of  my  already 
too  lengthy  answer  on  the  question  you  proposed  to  me.  The  details 
will  always  remain  disputable  and  disputed ;  but,  on  the  main  points, 
with  a  little  common  sense  and  a  little  good  will,  we  need  not 
despair  of  arriving  at  a  general  understanding. 


MOMMSEN,    SCHR.  VI, 


35 


XXIII. 

Zu  Apostelgeschichte  28,  16 
{aTQccTom^aQx^s  =  princeps  pe'regrinorum).*) 

495  Die  stadtrömischen  castra  peregrirmmm  {ist  die  Stadtbeschreibung', 
peregrina  wohl  incorrect  bei  Amtniän;  ^ie  Iilechriften  lassen  beid 
zu)  werden  in  der  litterarischen  Ueberlieferung  erwähnt  theils  in  der 
constantinischen  Stadtbeschreibung  (Jordan  Top.  2,  573),  theils  bei 
Ammian  zum  J.  357  (16,  12,  66),  sowie  in  den  stadtrömischen  In- 
schriften C.  L  L.  VI,  230.  231.  428;  Dessau  inscr.  Lat.  sei.  n.  484**) 
und  der  ostiensischen  C.  XIY,  7.  Dass  sie  auf  dem  Caelius  lagen 
(Becker  Top.  8.  509;  Preller  Reg.  S.  99  [Jordan -Hülsen  Top.  1,  3 
S.  234  ff.]),  sagt  Ammian,  und  wird  bestätigt  durch  die  Inschriften- 
funde, von  denen  einer  sogar  einen  aedilis  (=  Hausmeister)  castro- 
rum  nennt  (C.  YI,  231);  indess  gab  es  auch  in  der  Umgegend  Roms 
zu  dieser  Truppe  gehörige  Posten  (sfationes),  so  an  der  Appia 
(C.  YI,  230)  und  in  Ostia  (C.  XIY,  7).  Ausserhalb  des  hauptstädti- 
schen Kreises  begegnet  nirgends  eine  gleichartige  Einrichtung. 

Das  Commando  in  diesem  Lager  führt   der  princeps  castrorum 
peregrinorum,  wie  er  in  der  ältesten  Inschrift  (C.  I.  L.  YI,  354)  heisst, 

496  sonst  als  princeps  peregrinorum  bezeichnet,  welchen  wir  nur  aus  den 
Steinen  kennen  (CLL.  II,  484.  YI,  354.  1110.  3325.  3327.  YIII, 
7002  vergl.  p.  1067;  Dessau  n.  484).  Unter  ihm  steht  der  suhprinceps 
peregrinorum  (C.  YI,  354.  UIO.  3329.  Orelli  6747  [C.  L  L.  XI  5215 
vgl.  5216]),  mit  welchem  der  vices  agens  principis  peregrinorum 
(C.  YI,  428.  3326)  vielleicht  zusammenfällt.  Auch  ein  optio  militum 
peregrinorum  (C.  YI,  3328)  oder  optio  peregrinorum  (C.  YI,  3324 
[vgl.  32870J.    YIII,  1322  [=  14854])  wird  genannt.***) 

Die  diesen  Offizieren  unterstellten  Mannschaften,   in  den  ange- 
führten Inschriften  einmal  als  milites  peregrini,  gewöhnlich  als  pere- 

*)  [Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  1895,  S.  495 — 503.] 
**)  [Neue  stadtrömische  Texte  Notizie    degli  scavi   1905    S.  13    und   bei 
Domaszewski,  Die  Rangordnung  des  röm.  Heeres,  Bonn.  Jahrb.  117  (1908)  S.  267.] 
***)  [Vgl.  Domaszewski  a.  a.  0.  S.  28.  104.] 


Zu  Apostelgeschichte  28,  16.  547 

grini  schlechtweg  bezeichnet,  treten  unter  diesem  Namen  sonst  nirgends 
auf  und  es  ist  durch  die  schönen  Untersuchungen  Henzens  (Bullett. 
deir  Institute  1851,  IT 3  fg.  1884,  21  fg.)  vollständig  erwiesen S  dass 
sie  das  Commando  führten  über  die  hauptstädtischen  frumentarii, 
wie  denn  jene  suhprincipes,  vices  agentes  und  optiones  sich  auch  cen- 
turiones  frumentarii  (C.  VI,  428.  3326.  Orelli  6747  [C.  I.  L.  XI  5215 
vgl.  5216])  oder  exercitatores  militum  frumentariorum  (C.  VIII,  1322 
[r=  14854])  nennen  und  dem  Genius  castrorum  peregrinorum  von  den 
frumentarii  Altäre  gesetzt  werden  (C.  VI,  230.   C.  XIV,  7). 

Diese  frumentarii  sind  bekanntlich  die  zur  Vermittelung  des 
Verkehrs  zwischen  den  Legionen  in  den  Provinzen  und  dem  grossen 
Hauptquartier  in  der  Hauptstadt  in  dieser  stationirten  Legionscen- 
turionen;  sie  sind  insoweit  ständig,  dass  vielleicht  die  Personen 
wechseln,  die  Vertretung  der  Corps  aber  dauernd  ist.  Eingerichtet 
zunächst,  wie  der  Name  besagt,  für  das  Verpflegungswesen  sind  sie 
darauf  keineswegs  beschränkt,  sondern  werden  für  Meldungen  über- 
haupt und  namentlich  auch  für  Polizeizwecke  verwendet  2.  Dass  sie 
insbesondere  bei  dem  Gefängnisswesen  betheiligt  waren,  ist  begreif- 
lich und  es  finden  sich  dafür  auch  bestimmte  Indicien ;  eine  ephesische 
Inschrift  (C.  IH,  433)  nennt  einen  frumentarius  leg.  I  adiutricis  agens 
curam  carceris  und  in  den  castra  peregrinorum  auf  dem  Caelius 
endigte  nach  Ammian  a.  a.  O.  unter  Constantius  der  gefangene 
Alamannenkönig  Chnodomarius  sein  Leben. 

Wann  diese  Einrichtung  aufgekommen  ist,  ist  nicht  überliefert, 
wie  wir  denn  überhaupt  von  dieser  Truppe  nur  beiläufig  etwas  er- 
fahren. Unter  den  relativ  zahlreichen  datirten  Inschriften,  welche  497 
sie  nennen,  ist  die  älteste  (C.  I.  L.  VI,  354)  aus  der  Zeit  des  Severus, 
alle  übrigen  jünger;  Preller  (Regionen  S.  99)  hat  die  Bildung  des 
Corps  zurückgeführt  auf  die  von  diesem  Kaiser  vorgenommene  um- 
fassende Reorganisation  der  hauptstädtischen  Garnison  und  man  pflegt 

1)  Allerdings  bemerkt  Henzen  selbst,  dass  die  Inschrift  C.  VIII,  1322  [= 
U854],  indem  sie  von  einem  optio  peregrinorum  et  exercitat&r  militum  frumen- 
tariorum spricht,  einen  gewissen  Unterschied  zwischen  jenen  und  diesen  anzu- 
deuten scheint.  Dieser  könnte  etwa  darin  bestanden  haben,  dass  dem  einzelnen 
Centurio   einige  Gemeine  seiner  Legion  beigegeben  waren  und  man  also  einen 

:^eren  Kreis   der  abcommandirten   Centurionen   und   einen    weiteren    der   ab- 

ommandirten  Legionare  überhaupt  unterschied.    Indess  kann  es  auch  sein,  dass 

die  Titulatur  des  optio  und  die  des  exercitator  bloss  usuell  verschieden  formulirt 

waren  und  hier  in  dieser  usuellen  Gestalt  combinirt  auftreten,  ohne  dass  damit 

ein  Gegensatz  zwischen  peregrini  und  milites  frumentarii  gemacht  werden  soll. 

2)  Marquardt  Staatsverw.  2*,  491  fg.  [v.  Domaszewski  a.a.O.  S.  34f.  88; 
Paribeni,  Rom.  Mitt.  20  (1905)  S.  310  ff.]. 

85* 


548  ^^  Apostelgeschichte  28,  16. 

ihm  jetzt  darin  zu  folgen.  Aber  dies  ist  keineswegs  gerechtfertigt.« 
Ihren  Anfangen  nach  muss  die  Einrichtung  nothwendig  zurückgehen  ^ 
auf  die  Organisation  des  stehenden  Heeres  an  den  Reichsgrenzen 
und  des  grossen  Hauptquartiers  in  der  Hauptstadt,  das  heisst  auf 
Augustus.  Wann  die  in  Rom  verweilenden  Legionscenturionen  ein 
eigenes  Lager  und  einen  eigenen  Commandanten  erhalten  haben,  ist, 
damit  allerdings  nicht  entschieden,  Ihre  Benennung  miliies  peregrini 
kann,  wie  Henzen  (Bullett.  1884  p.  24)  richtig  sah,  nur  davon  ent- 
lehnt sein,  dass  diese  Mannschaften  eigentlich  peregre  stationirt  und 
nach  Rom  nur  abcommandirt  waren;  nach  ihrer  seltsamen  Gestalt, 
welche  zunächst  auf  eine  Nichtbürgertruppe  hinführt^,  ist  sie  sicher 
nicht  officiellen  Ursprungs,  sondern  im  gemeinen  Yerkehr  aufge- 
kommen ^  und  also  wahrscheinlich  sehr  viel  älter  als  ihre  Einführung 
in  die  Geschäftssprache.  Etwas  Aehnliches  gilt  auch  von  der  Be- 
nennung des  Commandanten.  Princeps  ist  eine  für  Offiziere  sonst 
unerhörte  Bezeichnung  und  muss  es  sein,  da  der  princeps,  wie  zum 
Beispiel  im  Senat,  den  primus  inter  pares,  den  nicht  befehlführenden 
Vormann  bezeichnet.  Unmöglich  im  Allgemeinen  in  der  Militär- 
hierarchie, passt  sie  auf  diese  Truppe  vortrefflich,  insofern  jene 
Centurionen  der  verschiedenen  Legionen  ursprünglich  wenigstens 
eine  geschlossene  Abtheilung  nicht  bilden  konnten,  wohl  aber  einer 
von  ihnen  nach  dem  Grade  und  bei  gleichem  Grade  nach  dem 
Dienstalter  an  der  Spitze  stand.  Yermuthlich  ist  auch  der  optio  in 
diesem  Sinn  zu  fassen^.  Wann  die  Truppe  diejenige  Formation  er- 
498  hielt,  in  welcher  sie  uns  seit  dem  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  entgegen- 
tritt, lässt  sich  nicht  bestimmen ;  aber  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  j 
reicht  diese  Formation  in  die  bessere  Kaiserzeit  zurück. 


1)  So  hat  Preller  sie  gefasst  und  eben  darum  ihre  Einrichtung  dem  Severus 
beigelegt. 

2)  Ich  erinnere  an  die  aquileiensische  Inschrift  C.  V,  923  eines  Praetorianer- 
centurionen,  der  seine  Hoftruppe  mit  Stolz  der  harbarica  legio  gegenüberstellt, 
und  an  die  legiones  militia  provincialis  der  Schrift  über  die  Lagerschlagung  (c.  2). 

3)  Vergl.  über  die  optiones  Cauer  Eph.  ep.  4  p.  441  fg.  Die  gewöhnliche 
Bedeutung  des  Stellvertreters  eines  Centurio  oder  eines  Decurio  passt  hier  nicht ; 
man  wird  den  optio  peregrinorum  zusammenzustellen  haben  mit  dem  optio  tri- 
bim[orum  lejgionum  quinque  der  Inschrift  C.  I.  L.  X,  135  (Cauer  a.  a.  0.  p.  451, 
wo  aber  Orelli  3514  =  C.  I.  L.  VI,  2451*  als  gefälscht  zu  beseitigen  ist).  Esj 
kann  dies  nur  der  durch  Wahl  oder  auch  durch  Anciennetät  berufene  Vormann 
der  die  Detachements  von  fünf  Legionen  führenden  Tribüne  sein.  Gleichartig' 
sind  auch  die  optiones  der  tdbellarii  (C.  VI,  9915;  Eph.  ep.  5  p.  113),  wobei  mar' 
sich  der  eastra  tabellariorum  (Curiosum  urb.  Rom.  p.  574  Jordan)  zu  erinnert 
haben  wird.  Vielleicht  ist  der  optio  der  peregrini  nicht  mit  dem  subprineeps  zi 
identificiren,  sondern  die  ältere  Benennung  des  princeps;  es  ist  möglich  die  ihn 
nennenden  Inschriften  der  Zeit  vor  Severus  zuzuweisen. 


Zu  Apostelgeschichte  28, 16.  549 

Zu  dieser  Zusammenstellung  bin  ich  veranlasst  worden  durch 
die  oben  [Sitz.-Ber.]  S,  491  in  ihren  verschiedenen  Gestalten  ab- 
gedruckte Stelle  der  Apostelgeschichte  über  die  Gefangenhaltung 
des  Apostels  Paulus  in  Rom,  in  welcher  im  griechischen  Original 
der  oTQaroTtedaQxv^'  ^^  ^^^  alten  lateinischen  Uebersetzung  der  prin- 
ceps  peregrinorum  auftritt.  Die  erstere  Bezeichnung  auf  den  }y)-ae- 
fectus  praetorio  zu  beziehen,  ist  sachlich  wie  sprachlich  nicht  möglich; 
sachlich  nicht,  weil  dieser  wohl  die  kaiserliche  Criminaljustiz  hand- 
habt^, aber  hier  nach  dem  ganzen  Zusammenhang  die  für  die 
Untersuchungshaft  beikommende  Stelle  gemeint  ist;  sprachlich  nicht, 
weil  sowohl  nach  dem  Wortsinn  wie  nach  dem  Sprachgebrauch  ^ 
die  fragliche  Bezeichnung  dem  Gardecommandanten  nicht  zukommt. 
In  der  lateinischen  Titulatur  entspricht  jener  griechischen  zunächst 
der  praef actus  castrorum,  und  in  diesem  Sinn  finden  wir  das  in 
titularem  Werth  nicht  häufig  begegnende  Wort  bei  den  Schriftstellern  ^ 


1)  Wenn  Traian  (ep.  Plin.  57  [65])  anordnet ,  dass  ein  zur  Relegation  ver- 
urtheilter,  aber  diesem  Spruch  zum  Trotz  in  der  Provinz  sich  aufhaltender 
Verbrecher  gefesselt  ad  praefectos  praetorii  mei  geschickt  werden  soll,  so  ist  hier 
natürlich  nicht  die  das  Gefängniss  beaufsichtigende,  sondern  die  Spruchbehörde 
gemeint.  —  Gleichartig  sind  die  Worte  des  Philipperbriefes  1,  12.  13;  yivwaxsiv 
ie  vfiäg  ßovXofiai,  ddekqpoi,  ozi  zä  xax  ifik  fiäXXov  sig  jiqoxotitjv  xov  evayyeUov 
IXrjXv&sv,  &öxe  xovg  dsafiovg  fxov  (pavsQOvg  kv  XQioxqt  ysvead^ai  Iv  oXco  xü>  nQaixwQiq» 
xal  xoTs  koijiotg  jtäaiv.  Als  Paulus  dies  schreibt,  sind  die  zwei  Jahre,  auf 
welche  die  Apostelgeschichte  seine  Internirung  begrenzt,  verstrichen.  Die  Ein- 
kerkerung ist  eingetreten,  der  Prozess  hat  begonnen  und  Paulus  schreibt  nicht 
ohne  Hoffnung  auf  Freisprechung,  aber  gefasst  auf  das  Todesurtheil.  Das  Prae- 
torium ist  ohne  Zweifel  die  richtende  Behörde,  die  praefecti  praetorio  mit  ihren 
zahlreichen  Gehülfen  und  Subalternen,  bei  den  'übrigen  allen'  wird  zunächst  zu 
denken  sein  an  den  Umstand  bei  den  öffentlichen  Verhören.  Dass  Paulus  auch 
in  diesen  Kreisen  Sympathie  fand,  bestätigt  der  von  ihm  den  makedonischen 
Christen  am  Schluss  des  Briefes  übermittelte  Gruss  der  Heiligen  ix  xfjg  KalaoQog 
olxiag. 

2)  Die  griechischen  Bezeichnungen  des  praefectus  praetorio  sind  Staatsrecht  2*, 
864  A.  2  zusammengestellt.  Unter  den  nicht  titularen  haben  die  herodianische 
tnaQiog  xcöv  axQaxoTiiöcov  und  die  philostratische  rjyEfiwv  x<öv  axQaxojiidcov  mit  der 
unsrigen  wohl  eine  gewisse  Verwandtschaft;  und  dasselbe  gilt  von  dem  bei 
Eusebius  de  mart.  Pal.  9,  2  neben  den  ^ys/^oveg ,  den  Provinzialstatthaltem,  ge- 
nannten xätv  axQaxojTsdcov  ägxetv  sjiixsxay/j.svog.  Aber  das  Commando  über  die 
Lager  schlechthin,  welches  dem  Gardecommandanten  als  dem  allgemeinen  Ver- 
treter des  Kriegsherrn  zukommt,  ist  doch  wesentlich  verschieden  von  dem  Com- 
mando eines  einzelnen  axQaxönedov,  und  nur  dies  kann  unter  dem  axQaxojieddßx^s 
verstanden  werden.  Darum  wird  diese  Bezeichnung  auch  regelmässig  von  Offi- 
zieren mittleren  Ranges,  nicht  von  den  höchstcommandirenden  gebraucht. 

3)  Sicher  bei  Josephus  bell.  .6,  4,  3,  über  welche  Stelle  Eph.  ep.  4  p.  576 
=  C.  I.  L.  III  S.  n.  6809  gesprochen  ist,  und  in  dem  sog.  philoxenischen  lateinisch- 


550  ^'^  Apostelgeschichte  28,  16.  | 

499  und  vielleicht  auch  auf  einer  Inschrift^  verwendet.  Einen  Offizier 
dieses  Titels  giebt  es  nun  freilich  in  Rom  nicht.  Läge  uns  bloss  | 
der  griechische  Text  vor,  so  würde  man  den  dem  Gefangenenwesen 
zunächst  vorgesetzten  Befehlshaber  verstehen,  wobei  der  2>rae/ec^«s 
prcietorio,  wie  bemerkt,  sprachlich  wie  sachlich  ausgeschlossen  ist, 
dagegen  die  Zusammenstellung  mit  dem  Gemeinen  und  dem  Centurio 
einen  höher  gestellten  Offizier  fordert.  Dass  der  Verfasser  eine 
bestimmte  titulare  Bezeichnung  im  Sinn  gehabt  hat,  ist  keineswegs 
erforderlich;  recht  wohl  könnte,  falls  die  Aufsicht  über  die  Gefangenen 


griechischen  Glossar  (corpus  gl.  Lat.  vol.  2  p.  156).    Wesentlich  identisch  ist  bei 
Dio  78,  13  die   dem  Decius  Triccianus  beigelegte   Bezeichnung  6  zov  'AXßaviov 
atQarojiedov  ägxojv ,  den  der  Biograph  des  Caracalla  c.  6  (wie  Henzen  C.  I.  L.  VI 
p.  792  sah)  praefedus  legionis  II  Parthicae  nennt;   für  den  Legionslegaten  nicht 
senatorischen  Ranges  ist  dies  die  correcte  Titulatur.     Wo  das  Wort  sonst  vor- 
kommt, hat  es  keinen  titularen  Werth  oder  ist   dieser  mindestens  zweifelhaft, 
sondern  entspricht  dasselbe  ungefähr   unserem   Befehlshaber.     So  brauchen  es 
z.  B.  Dionysius  von  Halikarnass   ant.  10,  36  und  Lucian  quomodo  hist.  conser.  sit 
22  (30).     Sehr  deutlich  erscheint  dieser  Sprachgebrauch  bei  Eusebius  hist,  ecc^ 
9,  5,  2:   azQaTOJisödQxt]?,  ov  öovpta  'Pcofiatoi  jiQoaayoQsvovaiv;    für   den  dux  der  clit^' 
cletianischen  Militärordnung  giebt  es  einen   entsprechenden  griechischen  Tit^i 
nicht.    Ebenso  kann  bei  Julian  ep.  50  der  atQarojisdägxfj?  Theophilos  nach  dem 
Zusammenhang  nur  der  dux  Thebaidos  sein.     An   einer  anderen   Stelle  in  der 
Chronik  Abr.  2317   (die  griechische  Fassung  ist  bei  Theophanes   p.  8  de  Boor 
erhalten)  spricht  Eusebius  von  einem  ozQarojiEddQxv^  Diocletians  Namens  Veturius, 
und  der  mit  gleicher  Bezeichnung,    aber   ohne  Namennennung  bei  demselben 
h.  eccl.  8,  4  erwähnte   Offizier  ist   derselbe,    wie  Tillemont   (mem.  pour  l'hist. 
eccl.  5,  9)  vermuthet   und  (nach   Harnacks   Mittheilung)  die    Glosse  der   Hand- 
schrift F^  OvezÖQiog  ovo^a  avzcp  bestätigt  hat.     Hier  sollte   man  allerdings  di€ 
Bezeichnung  einer    bestimmten   Charge  vermuthen.      Hieronymus  Uebersetzung 
(der  Armenier  und  Rufinus  versagen)  magister  müitiae  zeigt  wenigstens,  dass  ei 
bei  dem  Worte  nicht  an  den  praefectus  praetoi'io  gedacht  hat;  aber  der  titular(| 
Magister,   griechisch  axQaxr)Xäzrjg ,    ist  nachdiocletianisch.     Es  steht  nichts  in 
Wege  den  Titel  hier  ebenso  zu  verstehen,  wie  er  bei  Lucas  gefasst  werden  muss 
denn  dass  bei  Verlegung  der  Residenz  von  Rom  weg  die  milites  peregrini  den 
kaiserlichen   Hofe  gefolgt  sind,    lässt   sich  nicht  bezweifeln.     Aber  zumal  mr 
Rücksicht  auf  die  Parallelstelle  ist  doch  wohl   auch  hier  das  Wort  nicht  ^1 
technische   Chargenbezeichnung  zu   fassen.     Sicher  gilt  dies  von  einer  zweitei 
Stelle  des  Theophanes  p.  51,   da  die  Stellung  des  Jovianus,   von  der  er  hie 
spricht,  von  Sokrates  h.  eccl.  3,  22  als  Tribuuat  bezeichnet  wird.  !     *^t 

1)  Die  zweisprachige  Inschrift  von  Amastris  C.  I.  L.  III,  6984  [=  1364 1  *i 
vgl.  14187*]  scheint  praefectus  castrorum  legionis  XIII  geminae  in  dem  (nocl  ^ 
U(ngedruckten  [jetzt  unter  der  angegebenen  Nr.  des  Suppl.])  griechischen  Tex'  '^l 
also  ZV  übersetzen;  doch  ist  die  Lesung  nicht  sicher  [sie  ist  es:  [o]TQaTOJi[i  ''h 
SäQXTj{i);  vgl.  auch  die  ebenda  gefundenen  Inschriften  desselben  Offiziers  n.  1418'/ 
(lat.  =  Pessau  n.  4081)  und  14187*  (griech.)].  Andere  griechische  Inschrifte^ 
l^enne  ich  nicht. 


Zu  Apostelgeschichte  28, 16.  551 

mit  dem  Praetorianerlager  in  Beziehung  stand  ^,  einer  der  Tribüne 
des  Praetorium  hier  gemeint  sein^.  —  Nun  aber  tritt  hier  der 
lateinische  Uebersetzer  ein  mit  der  dem  praefcctus  castrorum  gleich-  500 
werthigen  und  der  hauptstädtischen  Truppenordnung  zugehörigen 
Charge  des  princeps  {castrorum)  peregrinorum.  Er  kann  allerdings 
damit  eine  Determinirung,  die  für  seine  Zeit  passte,  in  das  Original 
hineingetragen,  aber  auch  dieses  so  verstanden  haben,  wie  der  Ver- 
fasser es  verstanden  wissen  wollte.  Für  die  letztere  Annahme  spricht 
einmal,  dass  der  Uebersetzer  kaum  ein  Jahrhundert  später  schrieb 
als  der  Verfasser;  zweitens:  die  innere  Wahrscheinlichkeit,  wenn 
man  die  Dinge  in  ihrem  Zusammenhang  erwägt.  Die  inhaftirten  in 
Rom  zur  Aburtheilung  kommenden  Personen  waren  entweder  eben 
dort  in  Haft  genommen  oder  aus  den  Provinzen  dorthin  geschickt 
worden,  lieber  die  Modalitäten  der  Haft  der  ersteren  Kategorie 
verfügten  ohne  Zweifel  der  Regel  nach  die  sie  veranlassenden  Be- 
amten,   also  hauptsächlich  die  Consuln,   der  Stadtpraefect  und  der 

1)  Beweisen  lässt  sich  dies  allerdings  nicht.  Wenn  unter  den  Subalternen 
des  praef.  pract.  einer  war  ab  commentarns  custodiarum ,  was  nach  der  Inschrift 
von  Pesaro  Orelli  3206  [C.  I.  L.  XI  6343  =  Dessau  2073]  wahrscheinlich  ist 
(Hirschfeld  in  diesen  Sitzungsber.  1891  S.  859),  so  ist  dieser  wohl  zunächst  als 
Gehülfe  bei  dem  Criminalprozesse  zu  fassen  und  folgt  daraus  auf  keinen  Fall 
die  Unterstellung  der  Gefängnisse  unmittelbar  unter  die  Praefecten,  auf  welche 
sonst  schlechthin  keine  Spur  hinweist. 

2)  Das  Lagercommando  unmittelbar  wird  von  diesen  im  Turnus  geführt 
worden  sein;  gefehlt  haben  kann  eine  derartige  Ordnung  nicht,  aber  es  wird 
oichts  darüber  gemeldet.  An  den  princeps  castrmum  der  atinatischen  Inschrift 
vom  Jahre  208  (C.  X,  5064)  wird  nicht  gedacht  werden  dürfen.  Diese  steht  mit 
dieser  Titulatur  bis  jetzt  allein  (C.  VI,  216  ist  spät  und  unklar  [s.  jetzt  C.  VI,  30718], 
und  die  beiden  anderen  Eph.  4  p.  241  von  mir  angeführten  Inschriften  sind  von 
Bormann  a.  a.  O.  5, 126  als  nicht  hierher  gehörig  nachgewiesen  worden  [neuerdings 
Inschrift  bei  Perusia  gef.  C.  XI,  7093  ^  =  Not.  d.  sc.  1905  S.  196]),  und  ich  muss,  . 
im  Gegensatz  gegen  meine  früheren  Annahmen,  bezweifeln,  ob  er  auf  das  Prae- 
torium sich  bezieht,  ja  ob  überhaupt  damit  eine  bestimmte  Charge  gemeint  ist 

(s.  dagegen  v.  Domaszewski  a.  a.  0,  S.  101 ,  der  den  Titel,  wie  Mommsen  früher, 
auf  das  Praetorium  bezieht].  Gesetzt  ist  der  Stein  einem  Soldaten,  der  nach 
dem  höchsten  Praetorianercenturionat,  dem  Trecenariat  (vergl.  Eph.  ep.  4  S.  242 
[v.  Domaszewski  a,.  a.  0.  S.  99  f.])  Centurio  in  der  20.  Legion  und  —  ob  zugleich 
oder  nachher,  lässt  der  Text  offen  —  princeps  castrorum  geworden  ist.  Darauf 
lässt  sich  eine  feste  Militärstellung  dieser  Benennung  nicht  begründen,  am 
wenigsten  eine  solche  im  Pi:aetorium,  die,  wenn  sie  bestanden  hätte,  gewiss 
nicht  hier  allein  vorkommen  würde.  Eher  möchte  der  Geehrte  bezeichnet  werden 
als  der  angesehenste  Centurio  der  für  den  britannischen  Krieg,  während  dessen 
.der  Stein  gesetzt  ward  und  an  dem  die  20.  Legion  theilnahm,  zusammengezogenen 
Armee.  Dann  erklärt  sich  auch  für  ihn  die  militärisch  anomale  Bezeichnung 
jprmccps.  Das  Commando  im  hauptstädtischen  Pr?,etorium  ist  sicher  nie  von 
einem  blossen  Centurio  geführt  worden. 


552  Zu  Apostelgeschichte  28,  16. 

Praefect  der  Vigiles,  von  welchen  allen  es  sicher  oder  wahrschein- 
lich ist,  dass  ihnen  besondere  Gefängnisse  unterstellt  waren.  Dass 
dagegen  die  durch  Militärtransport  aus  den  Provinzen  eingelieferten 
Gefangenen,  zu  welchen  Paulus  gehört,  zunächst  bei  der  Militärstelle 
verblieben,  welcher  die  Direction  jener  Transporte  oblag,  liegt 
wenigstens  ausserordentlich  nahe.  Dabei  ist  nicht  zu  übersehen, 
dass,  von  den  dem  Stadtpraefecten  unterstellten  Truppen  abgesehen, 
nicht  bloss  die  praetorischen  Cohorten,  sondern  die  gesammte  haupt- 
städtische Garnison  in  den  praefecti  praetorio  ihre  unmittelbaren  Chefs 
hatte,  also  durch  die  Unterstellung  der  Inhaftirten  unter  die  frunientarii 
sie  keineswegs  derjenigen  unter  die  praefecti  praetorio  entzogen  wurden. 
Es  kommt  mir  nicht  zu,  die  Folgerungen  zu  ziehen,  die  für  die 
Zeit-  und  Ortbestimmung  der  Apostelgeschichte  selbst  und  ihrer 
lateinischen  Uebersetzung  hieraus  etwa  gezogen  werden  können;  aber 
es  ergiebt  sich  aus  diesen  Zeugnissen,  falls  sie  vorher  richtig  ge- 
würdigt worden  sind,  doch  auch  einiges  für  die  milites  peregrini  und 
für  die  uns  sehr  wenig  bekannten  Ordnungen  des  Gefängnisswesens 
501  in  der  römischen  Kaiserzeit ^.  Ist  die  Erzählung,  wie  die  Apostel- 
geschichte sie  giebt  —  dass  die  ausführlichere  Fassung  von  dem 
Yerfasser  selbst  herrührt,  scheint  mir  unzweifelhaft  —  in  ihren  Einzel- 
heiten historisch,  wie  sie  es  recht  wohl  sein  kann,  so  hat  bereits  in 
neronischer  Zeit  ein  Sammtlager  der  nach  der  Hauptstadt  deputirten 
Legionscenturionen  und,  was  daraus  nothwendig  folgt,  ein  Befehls- 
haber desselben  bestanden,  und  ich  sehe  nicht,  dass  dem  ein  Be- 
denken entgegenstände 2.  Auf  jeden  Fall  gilt  dies  für  die  Zeit,  wo 
die  Apostelgeschichte  geschrieben  ward,  und  wenn  sie  auch  eines 
der  jüngsten  Bücher  des  Kanons  ist,  wird  sie  doch  wohl  noch  dem 
l.  Jahrhundert  angehören^.  Für  die  Benennung  des  Lagers  als 
castra  peregrinorum  und  dessen  regelmässige  Verwendung  für  die 
Untersuchungshaft*  dürfte   die   lateinische  Uebersetzung   der  jigd^eis 

1)  Gehandelt  hat  darüber  vor  kurzem  0.  Hirschfeld ,  Sitzungsber.  der  Berl. 
Akad.  1891  S.  857  fg. 

2)  Dass  neben  dem  grossen  Praetorianerlager,  den  castra  schlechthin, 
specielle  castra  für  die  Stadtcohorten,  die  vigiles,  die  Flottensoldafren,  die  equites 
singulares  zum  Theil  schon  früh  angelegt  worden  sind ,  scheint  mir  zweifellos, 
wenn  auch  das  Einzelne  sich  nicht  verfolgen  lässt. 

3)  Jülicher  Einleitung  in  das  N.  T.  S.  206  [vgl.  jetzt  Harnack,  Apostel- 
geschichte (1908)  S.  217  ff  ]. 

4)  Die  allem  Anschein  nach  echten  Worte  IJw  zrjg  jtaQSfißolij;  können  nur 
auf  dies  bezogen  werden;  Paulus  erhält  von  dem  in  demselben  den  Befehl 
führenden  Offizier  die  Erlaubniss  nebst  einem  ihm  beigegebenen  Soldaten  in  der 
Stadt  eine  Miethwohnung  (act.  28,  30:  iv  I8lcp  /xco'&cöf^ari)  zu  beziehen.  Vergl.  ülpian 


I 


Zu  Apostelgeschichte  28,  16.  553 

das  älteste  und  bestimmteste  Zeugniss  sein.  Wenn  die  theologische 
Forschung  diesen  Text  dem  2.  Jahrhundert  zuweist  und  seine  Heimath 
in  Rom  sucht,  so  sind  unsere  Aufstellungen  damit  im  besten  Einklang; 
in  der  That  dürfte  ein  in  späterer  Zeit  oder  ausserhalb  Roms  Leben- 
der schwerlich  im  Stande  gewesen  sein  den  ozQazoneddQxv^  <ier 
Urschrift  so  in  sachgemässer  "Weise  zu  präcisiren.  —  Gern  ginge 
man  einen  Schritt  weiter.  Nach  unserem  Bericht  wird  Paulus,  nach- 
dem ihn  der  Statthalter  von  Judaea  in  Haft  genommen  hat,  zur 
Ueberführung  nach  Rom  behufs  der  Aburtheilung  vor  dem  Kaiser- 
gericht nebst  anderen  Gefangenen  einem  Centurio  lulius  Ix  xfjq 
oneigrjg  ^^eßaoxfjg  (act.  27,  l)  übergeben,  dem  einige  Soldaten  bei- 
gegeben sind  (act.  27,  31.  42).  Mit  jener  Cohorte  ist  nichts  anzu- 
fangen ^.  Legionscohorten  führen  niemals  eigene  Beinamen.    Auxiliar- 

Dig.  48,  3,  1  pr. :  de  custodia  reorum  procotisul  aestimare  solet,  utrum  in  carcerem 
recipienda  sit  persona  an  militi  tradenda  vel  fideiussoribus  committenda  vel  etiam  sibi. 
1)  Was  Schürer  (Gesch.  des  jüdisch.  Volkes  PS.  384)  über  die  ajisTga  Zeßaaxi] 
der  Apostelgeschichte  ausführt,  erscheint  mir  in  jeder  Hinsicht  verfehlt.  Agrippas 
Truppen  bestanden  bei  seinem  Tode,  nach  Josephus  ant.  19,  9,  2,  aus  einer  Ala  xü>v 
Kaioagicov  xal  t(öv  Seßaazr]V(öv  und  fünf  Gehörten ;  da  er  damals  den  gesammten 
Besitz  des  [Gross-]Vaters  wieder  vereinigt  hatte,  so  sind  diese  Mannschaften 
ohne  Zweifel  in  Palaestina  überhaupt  ausgehoben  worden  und  werden  die 
Caesareer  und  Sebastener  hier,  wie  in  ganz  gleicher  Weise  ant.  20,  8,  7,  nur 
genannt  als  die  beiden  wichtigsten  Städte  des  Reiches.  Da  den  Kern  der 
Truppen  die  Sebastener  bildeten  (Josephus  bell.  2,  3,  4:  tö  noXs(j.ixä>xatov  fisQog 
^sßaozTjvot  tQiaxi^ioi;  2,  4,  2:  ro  fiaxif^corarov  rcöv  2sßaaTt]v(öv) ,  so  erklärt  es  sich 
leicht,  dass  seit  der  Uebernahme  dieser  Truppen  in  die  römische  Armee  die 
Reitertruppe  auftritt  als  ala  Sebastenorum  (Josephus  ant.  20,  6,  1 ;  bell.  2,  12,  5), 
später,  nachdem  Vespasian  sie  aus  der  Heimath  weggenommen  hatte  (Josephus 
ant.  19,  9,  2),  auf  den  mauretanischen  Inschriften  entweder  mit  gleicher  Bezeich- 
nung (PJph.  ep.  V  p.  469  n.  1000  [C.  I.  L.  VHI  S.  21044] ;  aia  Sebastena  Severiana 
—  also  unter  Alexander  —  auf  einer  neugefundenen  Inschrift  von  Scherschel 
Comptes  rendus  de  l'aead.  des  inscr.  1893  p.  401  [C.  I.  L.  VIII  S.  21039  vom  J.  234]) 
oder  als  ala  gemina  Sebastenorum  (C.  I.  L.  VIII,  9358.  9359)  oder  I  Flavia  Sabaste- 
norum  (C.  VIII  S.  17900  =  Eph.  ep.  V  p.  390  n.  699).  Auch  unter  jenen  fünf 
Cohorten  werden  die  Sebastener  zahlreich  vertreten  gewesen  sein,  und  sicher 
war  eine  von  ihnen  die  cohors  I  Sabastenorum  einer  dalmatinischen  Inschrift 
(C.  III,  2916  =  9984).  Aber  von  fünf  Cohorten  der  Sebastener,  wie  sie  nach 
anderen  Gelehrten  auch  Schürer  annimmt,  wissen  unsere  Quellen  nichts.  Josephus 
ant.  20,  6,  1  sagt  nur,  dass  Cumanus  mit  der  Ala  der  Sebastener  vier  Infanterie- 
abtheilungen (jTfi^oSv  Tsaaaga  räy/xata)  ausrücken  Hess,  und  wenn  er  weiter, 
bell.  3,  4^2,  in  der  Schilderung  des  Zusammenziehens  der  vespasianischen  Armee 
in  Alexandria  berichtet,  dass  zu  den  dort  befindlichen  drei  Legionen  und  acht- 
zehn Cohorten  hinzukamen  ano  Kaiaagsiag  (o^sTgai)  jiivrs  xal  [jiJticov  TIt]  (lia, 
:iivxe  8'  ExsQai  rcöv  ojid  ZvQiai;  innecov,  so  meint  er  offenbar  mit  den  aus  Caesarea 
anlangenden  Abtheilungen  die  insgesammt  herangezogene  Besatzung  des  be- 
nachbarten Palaestina,   während  aus  dem  entfernteren  Syrien   nur   die  Reiter 


554  ^"  Apostelgeschichte  28,  16. 

502  cohorten  mit  dem  Beinamen  Augusta  giebt  es  zahlreich;  aber  soviel 
wir  wissen,  ist  keine  darunter,  die  in  eminenter  Weise  diese  bedeut- 
same Benennung  als  Hauptnamen  geführt  hätte  ^.  Es  befremdet 
weiter,  dass  ein  solcher  Centurio  mit  seinen  Leuten  nach  Rom  abr 
geht;  im  regelmässigen  Yerlauf  werden  die  Auxiliarcohorten  lediglich 

503  in  den  Provinzen  verwendet.  Man  erwartet  hier  einen  zu  den 
frumentarii  gehörenden  Legionscenturionen.  Ausgeschlossen  ist  es 
nicht,  dass  der  Verfasser  der  Apostelgeschichte,  der  von  dem 
adriatischen  Meere  bei  Kreta  und  von  den  Barbaren  auf  Malta  redet,*^) 
bei  jener  ojieXga  Zeßaar^  die  zu  einem  Truppenkörper  vereinigten 
hauptstädtischen  Legionscenturionen  im  Sinne  gehabt  hat.  Mit 
Sicherheit  aber  vermögen  wir  weder  diese  cohors  Augusta  noch  di^ 
ojieiga  'haXixr}  desselben  Verfassers  (act.  10,  2)  zu  identificiren. 


einberufen  wurden.  'Eine  zweite  dieser  fünf  Gehörten',  schrieb  ich  im  Hermef 
(19,  217  [oben  S.  101]),  'wird  die  I  Ascalonitarum  felix  sein,  eine  dritte  vielleichi 
die  I  Flavia  Canathenorum,  obgleich  Canatha  zum  Beich  des  (zweiten)  Agripp& 
gehört'.  Nach  Schürer  (a.a.O.  S.  385  A.  51)  ist  diese  Vermuthung  unmöglicl|i» 
weil  jene  fünf  Gehörten  zum  grössten  Theil  aus  Gaesareern  und  Sebastenem 
bestanden;  aber  da  die  Truppen  in  ganz  Palaestina  ausgehoben  wurden,  können  j 
dieselben  füglich  von  verschiedenen  Städten  der  Provinz  ihre  Na,men  erhaltej^ 
haben.  —  Noch  weniger  kann  ich  auf  die  Brücke  treten,  welche  Schürer  zwischeiji 
der  Gohorte  der  Sebasteuer  und  der  ojisTga  ÜEßaoxri  der  Apostelgeschichte 
schlagen  möchte.  Jener  Name  ist  örtlich  von  der  samaritanischen  Hauptstadt 
Neapolis  Sebaste  entlehnt,  dieser  einer  der  üblichen  kaiserlichen  Ehrenbeinam^n. 
Eine  Truppe  aus  Sebaste  konnte  ja  freilich  auch  Ätcgusta  genannt  werden,  aber 
nicht  mit  anderem  Recht  als  die  Truppe  aus  jeder  anderen  Stadt.  Will  ma^ 
einmal  an  eine  Auxiliarcohorte  denken,  so  sollte  man  sich  doch  eine  solche  aus- 
suchen, für  die  die  Benennung  bezeugt  ist,  wie  z.  B.  die  cohors  I  Augusta  IturaeOr 
Tum.  Zu  diesen  und  den  oben  angeführten  Erwägungen  kommt  vielleicht  nocb 
eine  weitere  hinzu:  dass  allem  Anschein  nach  die  Benennung  Augusta,  wo  sie 
einfach  auftritt  (nicht  als  Flavia  Augusta,  Augusta  Nerviana),  auf  den  erstem 
Träger  dieses  Namens  sich  bezieht  und  ihn  als  den  Stifter  der  Truppe  bezeichnet. 
Sollte  dies  sich  also  verhalten,  was  ich  freilich  durchaus  nicht  als  sicher  bezeichnen 
möchte,  so  kann  es  eine  cohors  Augusta  »SefcasieworMm  überhaupt  nicht  gegeben  haben 
[vgl.  jetzt  gegen  Mommsens  Kritik  Schürer  P  S.  461  ff.]. 

1)  Sicher  nur  incorrect  verkürzte  Titulatur  liegt  vor  bei  der  cohors  II 
Augusta  einer  germanischen  Inschrift  (Brambach  C.  I.  Rh.  1456  [C.  I.  L.  XIII  7342: 
'coh.  II  Aug.  q{uingenaria)  vel  potius  Q{urenaica)'  Domaszewski])  und  der  cohm's 
III  Augusta  einer  stadtrömischen  (C.  VI ,  3508).  Eher  könnte  die  merkwürdige 
Inschrift  Eph.  ep.  4  p.  538  =  C.  I.  L.  III  S.  6687  mit  ihrer  cohws  Augusta  I  iu 
Betracht  kommen,  besonders  da  sie  aus  augustischej:  Zeit  ist  und  nach  Syrien 
gehört;  aber  die  Titulatur  mit  der  wohl  beispiellosen  Stellung  der  Zahl  hinter 
dem  Beinamen  ist,  wie  ich  dort  ausgeführt  habe,  bedenklich  und  -«renn  nicht 
verdorbeu,  doch  unverständlich.    Zwei  Räthsel  neben  einander  sind  keine  Lösung. 

*)  [Vgl-  jedoch  Harnack  Apostelgeach.  S.  58  A.  3.] 


XXIV. 

Zweisprachige  Inschrift  aus  Arykanda.*) 

[qtiamcumque  munific]entiam  vol[eiis  pro  hoc  vestro  pio]  93 

[proposito  pet]ere  iam  nunc  ho[c  facere  et  accepisse] 
[vos  credere  U]cet  impetraturi  e[am  sine  mora  quae] 

[in  omne  aevum  t]am  nostram  iuxta  deos  i[mmortales  pie-] 
[tatem  testabi]tur  quam  vero  condigna  prae[mia  vos  es-] 

[se  a  nostra  cl]ementia  consecuios  liberis  ac  po[steris]**)         94 
[declarahii] 
[ToTg  ocoxfJQoiv]  Tiavrög  dv&QcoTtcov  edyovg  xai  yevovg 
[^eßaoxoig  KaijoaQoiv  Fakeg.  OvaXeQ.  Ma^ifieivcp  aal  (leerer  Raum) 
[K<x>voTavxeiv(x)\  xal  OvaXeg.  Äixivviavo)  Aixivvicp.        üaQa  rov 
[ÄvxioDv  xai  n]av(pvXo)v  e'&vovg  öerjoig  xal  Ixeoia.  "Egyaig  omo- 
[dedcoxoTCOv  T]a)v  '&ecöv  rcbv  öjuoyevcov  vjucöv  q)iXav&QComag 
[jiäotv,  d)  '&ei6]raT0i  ßaodeig,  olg  fj  ^grjoxeia  /uejueXhrjxai 
[avxcov  vjiEQ  xfj]g  vjucbv  ra>v  ndvxa  veixdivxoiv  öeonoxwv 

\a.loivtov  o(o]xr]Qiag,  xaXcög  e'xeiv  edoxi/xdaajuev  xaxacpvyeXv 
\7iQbg  rr]v  dd^ajvaxov  ßaodeiav  xal  derj^fjvai  xovg  ndXai 


*)  [Archäologisch -epigraphisclae  Mittheilungen  aas  Oesterreich- Ungarn  16 
(1893)  S.  93—102  und  Nachtrag  S.  108.  Die  Inschrift  —  das  Facsimüe  ist  hier 
nicht  wiedergegeben  —  jetzt  im  C.  I.  L.  III  S.  12182  vgl.  13625  b.  —  Vgl.  'Die 
Nation'  10,  Ö.  364  f.  (Zuschrift  Mommsens  an  die  Redaction):  'Vielleicht  findet 
dieser  kleine  Beitrag  zum  Humor  der  Weltgeschichte  auch  ausserhalb  des  Ge- 
lehrtenkreises verständnissvolle  Leser.  Dass  der  schlechte  Christ  ein  schlechter 
Staatsbürger  und  ein  illoyaler  Unterthan  und  bösartiger  Atheist  ist,  das  bekommen 
wir  zur  Zeit  oft  genug  in  wenig  eleganter  Mannigfaltigkeit  zu  hören  und  zu 
lesen.  Hier  kommt  nun  die  Staatsreligion,  welche  durch  die  christliche  verdrängt 
worden  ist,  und  verfolgt  eben  diesen  Christen  als  einen  schlechten  Bürger  und 
illoyalen  Unterthanen  und  vor  allem  als  notorischen  Atheisten.  Die  Hetze  der 
damaligen  Gläubigen  bedient  sich  genau  der  gleichen  Mittel  gegen  den  neuemden 
Unglauben  und  ruft  genau  die  gleiche  Staatshilfe  gegen  denselben  an,  wie  diese 
selben  Ungläubigen,  nach  dem  sie  zur  Staatskonfession  geworden  sind,  jetzt 
ihren  Widerpart  verfolgen.     So  wechseln  die  Zeiten  und  ewig  ist  nichts  als  die 

Dummheit  und  die  Bosheit,'] 
?     ? 
**)  [Hinter  consecuios  ÄlÄERIr'ACR  nach  der  Lesung  von  Szanto  (C.  I.  L. 

III  S.  13625  b).] 


ccg  Zweisprachige  Inschrift  aus  Arykanda. 

[juavixovg  XQi]oriavovg  xal  eig  devgo  rr]v  avrrjv  vooov 
[diaTtjQOVvrä]g  noxs  nenavod'm  xal  /u.rjdejuiä  oxaiä  rivi  xat- 
[vfj  d^Qr]Oxeia\  xr]v  roTg  '&eoXg  d(pedoiuevr]v  jiaqaßaivEiv. 
20       ITom    av  elg]  egyov  äcpixoiro,  ei  v/xeieQq)  '&eiq)  xal  aloivio) 
[vevfxaxi  n\äoiv  xaraozairj  aneiQrjod^ai  [xev  xal  xexwXvo^ai 
[e^ovoia\v  rrjg  x(bv  ad^ecov  anex'&ovg  En[(\xridEVOECog, 
[ndvxag  de  x]fj  xcov  ofioyEvwv  v/liöjv  ^ecöv  '&Qr]oxEia  oxoXd- 
[^Eiv  vneo]  x^g  alcoviov  xal  äcp'&aQXOv  ßaodEiag  vfxcöv,  ojteq 
25     [jihioxov  ovfi\(pEQEiv  Tiäoiv  zöig  vfiEXEQOig  äv^QCOJioig  JiQÖdrjXov 

EOXlV.-f) 


108  t)  (Nachtrag   der  Redaction   (S.  108).     Zu    der    S.  93f.  von  Th.  Mommsen 

ergänzten  und  erläuterten  Inschrift  fügen  wir  mit  seiner  Einwilligung  einen 
Ergänzungs versuch  bei,  der  die  nach  unserer  Ueberzeugung  durch  Z.  10.  16.  21 
deutlich  angezeigte  grössere  Zeilenlänge  und  die  Disposition  der  Schrift  ver- 
deutlichen soll. 

quamcumque  munific/'entiam  voi.^t*eritis  pro  hoc  vestro 
religiöse  proposito  petjere.  Iamnuncho\c  facereatqueacci- 
pere  constituite,  scili  cet  impetraturi  ea\m  sine  mora.  Quae 
data  vobis  in  aeternumt/amtiostramiuxtadeosi\mmortales  religi- 
5  osam  pietatem  testabi/tur  quam  vero  condigna  pra^^etnia  vitae 
rationis vos  a nostra cllementia  consecutos  liberis  ac  p\o s  te  ris 
vestris  declarabit 


20 


25 


ToTg  acoTTJQaiv  rov  ovfiTiavtos      dv^QcoTicov      edrovg     xal      yevov? 
GsoTg   SeßaatoTg     Kai  aoQoiv  FalsQ.  OvaXeQ.  Ma^ifi.eivq>  xal 
^X.  OvaXeQ.  KmoravTEivw  xal  OvaXsQ.AixivviavcöAixivvic^.     ITagatov 
nioxov    Ävxicov    xal    ITav(pvkcovs&vovgösr}aigxalixsoia.''EQyoigajio- 
dsdsiy (isvcov      del      zjöiv  ■&s(öv  xwv  6/Äoysvcöv  vfiöüv  cpiXavd'QCOTilag 
näoiv,     o)    enKpaveaiTaroi  ßaadsTg,  ocg  rj  ■&Qt]axsia  fiEfisXitrjxai 
anovdaicog       vtieq       rfjg    vficüv    tcöv    nävta    vsixcövrcov    deajtorcöv 
^ficüv     almviov      oco.rrjQiag,  xaXwg  k'^siv  idoxi/zdoafisv  xaraqpvyeTv 
JiQog    xi]v     vfiwv     d&d%]faxov    ßaaiXsiav    xal    dsrjd'fjvai,    xovg    ndXai 
axaaid^ovxag      Xqi  axiavovg  xal  elg  Ssvqo  xrjv  avxrfv  vooov 
6  lacp  V  Xdxx ovx d/g  noxs  nenava&ai  xal  fiTjdsf^iä  axaiä  xivi  xai- 
vovQyia     xrjv     xifj.rjih'     xrjv     xoTg     &soTg    ocpEÜMfievrjv    JiaQaßaivstv  • 
o  ÖTj  äv  fidXiaxa  slglsQyov    dcplxoixo,    sl  vfisxsQq)   -^eico   xal   alcoviq) 
VEVfxaxi  n  a  V  X  d  7i\aaiv  xaxaaxairj  djiEigfja^ai  fikv  xal  xExcoXvad'ai 
xijv      xaxovgyia  V    xrjg    xä>v    dd^scov    dnEx^ovg    ETiixrjdEvaecog, 
diaxexdx&ai     de     xfj  xätv  o^oysv&v  vfxwv   d^ewv  d'Qrjaxeia.  a^oXd- 
Ceiv  ifijLisvmg  vnsQ]  xrjg  almviov  xal  dcp&dgxov  ßaaiXsiag  vfidv,  ojxeq 
nXsToxov    oaov    avfj\qpEQEiv  jiäaiv    xoTg  vfiExigotg  dv&gcojioig  TtgödrjXov 
I  iaxiv. 


Zweisprachige  Inschrift  aus  Arykanda.  557 

Die  merkwürdige  Urkunde,  welche  bei  der  diesjährigen  Benn- 
dorfschen  Expedition  nach  Kleinasien  aufgefunden  und  mir  zur 
Veröffentlichung  in  dieser  Zeitschrift  übergeben  worden  ist,  hat 
Herr  Hula  in  der  lykischen  Stadt  Arykanda  abgeklatscht.  Sie  fand 
sich  unterhalb  des  Stadiums  auf  einer  innerhalb  der  Grundmauern 
eines  unvollendet  gebliebenen  Gebäudes  freiliegenden  Platte  von 
0-55  m.  Breite,  0-50  m.  Höhe,  0-12  m.  Dicke.  Die  Buchstaben,  in 
denen  Reste  rother  Farbe  erkennbar  waren,  sind  zwischen  vorher 
gezogenen  Zeilenlinien  fein  eingeritzt.  Die  Schrift,  die  lateinische 
wie  die  griechische,  ist  der  Epoche,  der  die  Inschrift  angehört, 
entsprechend  schlecht  und  hässlich,  die  Lesung  aber.  Dank  den 
Bemühungen  der  Wiener  Freunde,  von  einigen  gebrochenen  Buch- 
staben abgesehen,  zweifellos  festgestellt.  Es  fehlt  der  obere  Theil 
und  der  linke  Rand,  so  wie  in  den  ersten  sechs  Zeilen  auch  der 
rechte.  Die  übrigen  Zeilen  sind  am  Schluss  vollständig;  unten  fehlt 
nichts,  schwerlich  auch  Fortsetzung  auf  einer  anderen  Platte. 

Erhalten  ist  auf  der  Platte  der  Schluss  eines  kaiserlichen  Re- 
scripts  in  lateinischer  und  eine  an  die  Kaiser  gerichtete  Supplication 
in  griechischer  Sprache.  Jenes  charakterisiert  sich  als  kaiserlicher 
Erlass  durch  die  Sprache  sowohl  wie  durch  die  Worte  Z.  4  .  .  .am 
nostram;  schon  der  Stellung  nach  darf  es  angesehen  werden  als  95 
Bescheid  auf  die  ihm  angehängte  Eingabe,  ähnlich  vne  wir  beide 
in  der  Urkunde  der  Skaptoparener*)  vereinigt  finden.  Im  Uebrigen 
erschienen  mir  die  Ueberreste  so  gering,  dass  ich  davon  absah  eine 
conjecturale  Ergänzung  zu  versuchen.  Aber  als  ich  dann  die  Urkunde 
Harnack  vorlegte,  machte  dieser  aufmerksam  auf  die  auffallende 
Uebereinstimmung  dieser  lateinischen  Reste  mit  den  Schlussworten 
des  weiterhin  zu  erwähnenden  gleichartigen,  von  Eusebius  in  griechi- 
scher Uebersetzung  {avxiyQacpov  sQ/urjvEiag  ist  die  Ueberschrift)  auf- 
bewahrten Erlasses  an  die  Tyrier;  und  die  durch  Bormann  vorge- 
nommene abermalige  Untersuchung  des  Abklatsches  brachte  es  zur 
Gewissheit,  dass  diesem  Erlass  und  dem  unsrigen  an  die  Provinz 
Lykien  und  Pamphylien  die  gleiche,  nur  unbedeutend  modificierte 
liedaction  zu  Grunde  liegt.  Ich  setze  die  Schlussworte  her,  wie  sie 
bei  der  Yergleichung  sich  herausstellen,  wobei  ich  bemerke,  dass 
die  lateinischen  Ergänzungen  den  Raumverhältnissen  in  so  weit 
angepasst  sind,  als  dies  der  Sachlage  angemessen  ist.  Wo,  wie 
gewöhnlich  und  auch  hier,  die  Ergänzungen  den  Wortlaut  nicht  im 
einzelnen  herstellen  können  und  sehr  verschiedene  Wendungen  des- 


»)  [Jetzt  C.  I.  L.  III  S.  12336;  s.  oben  B.  II  S.  172  ff.] 


558  Zweisprachige  Inschrift  aus  Arykanda. 

selben  Gedankens  möglich  sind,  ist  es  angemessen  sich  auf  ungefähre 
L'ückenfüllung  und  möglichst  einfache  Herstellung  des  Gedanken- 
zisammenhangs  zu  beschränken,  zumal  da  wissenschaftlich  meistens 
recht  wenig  darauf  ankommt,  ob  diese  oder  jene  der  möglichen 
Fassungen  den  Vorzug  verdient. 

[vesfrae  devotioni  permiftimus] 
eTHtQSTiOjuev  xfj  vjuereQO,  xa'&ooKooei 

[quamcumque  munific]entiam  vol[etis  pro  hoc  vestro  pio 
proposito  pef]ere, 
onoiav    ö^äv  ßovXr]-&rjxe  fxeyakodcoQedv  ävzi   lavrrjg  vf^cöv  jrjg  q)do- 
'&eov  TiQO'&sosajg  ahrjaai 

iam  nunc  ho[c  facere  et  accepisse  vos  credere  li]cef, 
kal  rjdfj  /uev  rovxo  noieiv  xai  XaßeTv  ä^tcooars' 

impetraturi  e[am  sine  mora] 
rev^eo'&e  yaQ  avrrjg  x^Q^^  xivog  vneQ'&eoeoig 

[quae] 
rjcig 

fehlt 
TiaQaoxe^eioa  rfj  v/uszega  jioXei  ^ 

96  [in   omne  aevum    t]am  nosfram    iuxta    deos  i[mmortdles  pietatem 

tesfabi]tur 
eig  änavxa  rbv  atwva  rrp;  jieqI  zovg  ä&avdzovg  '&eovg  (piXo^eov^ 
evaeßsiag  nage^ei  juaQZVQiav 

qtiam  vero^  condigna  prae[mia  vos  esse  a  nostra  ct\etnentia  con-  Wk^ 

secutos  B>t 

z6  de^   v/uäg   ä^ioiv  end'&Xcov  Tezvx^>i£vai  Tiagd   zfjg  ^/uszegag   (pda-  »*' 

ya'&iag 


1)  Weggelassen,  weil  das  Schreiben  an  die  Provinz  gerichtet  ist. 

2)  Statt  (pdo&sov  erwartet  man  ^f^ersgag. 

3)  Diese  bei  tarn  —  quam  sprachlich  mehr  als  bedenkliche  Partikel  wird 
man  sich  gefallen  lassen  müssen.  Ein  ebenso  schlechtes  vero  bei  Jordanes 
Get.  4,  26  gibt  keine  genügende  Analogie.  Dass  der  Erlass  zunächst  griechisch 
concipiert  war  und  der  officielle  lateinische  Text  Kanzleiarbeit  ist,  kann  wohl  [4 
sein;  aber  schülerhafte  Wiedergabe  des  griechischen  ds  durch  vero  wird  man 
dem  kaiserlichen  Cabinet  doch  auch  nicht  zutrauen  dürfen.  Uebrigens  ist  auch 
der  griechische  Text  hier  nicht  ohne  Anstoss. 

4)  zov  de  die  Handschriften,  wozu  Valesius  bemerkt:   scribendum  puto  xoß 
TS  supplendo  fiaQzvQiav.    Eher  hat  wohl  rd  de  gestanden. 


Zweisprachige  Inschrift  aus  Arykanda.  559 

fehlt 
TavxYjg  vficbv  evexev  tfjg  tov  ßiov  TiQoaiQioecog 

liberis  ac  po[sferis  declafdbit]. 
vidig  re  xal  ixyövoig  vjuttegoig  ejiideix^i]oerai. 

Die  griechische  Urkunde  lässt  sich,  wenn  auch  keineswegs  im 
"Wortlaut,  doch  inhaltlich  mit  genügender  Sicherheit  ergänzen,  und 
sie  ist  merkwürdig  genug.  Die  Provinz  Lykien  und  Pamphylien 
bittet  den  Kaiser  Maximinus  ^  und  seine  Mitregenten  um  Ausrottung 
der  der  bestehenden  Religion  gefährlichen  und  gottlosen  Christen, 
Wir  kennen  den  geschichtlichen  Zusammenhang  dieses  Vorgangs. 


1)  Ich  darf  nicht   verschweigen,   dass   in  der  arg  zugerichteten  Z.  9   der 
Inschrift  auf  dem  Abklatsch  zuerst  M  A  Z  I  M I  A  N  (a)  gelesen  worden  ist,  während 
ich  M  A  E.IMGIN(jl)  erkenne;  die  Rundung  des  6   scheint  mir   unzweifelhaft 
zu  sein.     Uebrigens  würde  jene  Lesung,   ganz   abgesehen  davon,    dass  in  den 
früheren  Stadien  der  diocletianischen  Christenverfolgung  von  Petitionen  um  die- 
selbe nichts  gemeldet  wird,   in  die  grössten  Schwierigkeiten  verwickeln.    Nach 
(leu  Berichten  der  zuverlässigsten  Gewährsmänner  (Schrift  de  mort.  persec.  32; 
vgl.  Eusebius  h.  eccl.  8,  13)   hat   Galerius  Maximianus,  der  dann  hier  an  erster 
I  Stelle  stehen  würde,  den  Caesar  Maxiniinus  zwar  widerwillig,  aber  dennoch  als 
i  Augustus  anerkannt,  und  es  ist  nicht  abzusehen,  wie  in  einer  unter  seiner  Bot- 
I  mässigkeit  gesetzten  Inschrift  dieser  sein  Adoptivsohn  hätte  fehlen  und  neben 
{ihm  nur  zwei  Mitregenten,   die  doch   nur  Constantin  und  Licinius  sein  können, 
!  hätten  genannt  werden  können.     Authentische  Belege   für   die  Inscription   der 
Kaisererlasse  von   dem  Rücktritte  Diocletians  und  seines  Mitherrschers  an  bis 
tzum  Tode  des  Galerius  besitzen  wir  nicht  [vgl.  oben  S.  328  A.  4].    Die  Inscription 
des  Toleranzedicts  des  Galerius  bei  Eusebius  h.  eccl.  8,  17,  das  in  diese  Epoche 
{fällt,  wimmelt  von  Schreibfehlern  und  Verstössen  aller  Art  und  kann  keinesfalls 
dafür  geltend  gemacht  werden,  dass  im  Jahre  311  Maximinus  von  seinem  Vater 
weder  als  Augustus  noch  als  Caesar  anerkannt  worden  sei.     Ich  zweifle  nicht, 
dass  der  Text,  der  griechische  wie  der  lateinische,   indem   er   an  erster  Stelle 
[und  vor  Constantinus    und   Licinius    den   FaUgiog   Ovaksgiog  Ma^if.iTvos   (so    die 
iHandschriften)  oder   den  Galerius   Maociminus   (so  ebenfalls  die  Handschriften) 
nennt,  durch  eine  alte  Schlimmbesserung  entstellt  worden  ist,  indem  dies  gesetzt 
an  die  Stelle  des  Galerius  Valerius  Maximianus  und  des  Galerius  Valerius 
■Miximinus,   worin   der  Diaskeuast   eine  Dittographie  sah.     Für  die  Kritik  des 
m vergleichlich  wichtigen  Werkes  ist  diese  vor  der  Arbeit  des  Rufinus  liegende 
meines   Erachtens   zweifellose    und   unmöglich   dem  Autor  zuzutrauende  — 
rderbnis    von  Belang.       Von    der    Inschrift    von    Sinope    C.  I.  L.  III  S.  6979 
Dessau  660],  wenn  sie  überhaupt    dem   Galerius   Maximianus   gehört   und 
ht  dem  Galerius  Maximinus,  was  nicht  ausgemacht  ist,   ist  der  Text  eben- 
venig  festgestellt.      Es  würde   eine   Thorheit  sein    auf  dergleichen  unsicher 
erlieferte   Documente   hin  geschichtliche,    gegen    gute  Ueberlieferungen  und 
lere  Wahrscheinlichkeit  verstossende  Combinationen  aufzubauen. 


560  Zweisprachige  Inschrift  aus  Arykanda. 

Nachdem  Galerius  zu  Gunsten  der  Christen  das  Toleranzedict 
erlassen  hatte,  wies  sein  Unterherrscher  Maximinus  auch  seinerseits 
die  Behörden  an  von  der  Yerfolgung  der  Christen  abzusehen.  Aber 
als  er  nach  dem  Tode  des  Galerius  sich  zum  Herrn  von  Kleinasien 

97  bis  zum  Hellespont  gemacht  hatte  und  mit  dem  Machthaber  im  öst- 
lichen Europa  Licinius  auf  einer  Conferenz  im  Hellespont  zu  vertrags- 
mässiger  Einigung  gelangt  war,  fühlte  er  sich  sicher  und  wechselte 
sein  Verhalten  gegen  die  Christen.  Imprimis,  erzählt  der  zeit- 
genössische Verfasser  der  Schrift  de  mortihus  persecutorum  c.  36, 
indulgentiam  Christianis  communi  titulo  (?)  datam  tollit  suhornatis 
legaüonihus  civitatum,  quae  peterent,  ne  inira  civitates  suas  Christianis  jj 
conventicula  extruere  liceret,  ut  quasi  coactus  et  impulsus  facere  vide- 
retur  quod  erat  sponte  facturus,  quihus  annuens  u.  s.  w.  Ueberein- 
stimmend  berichtet  Eusebius.  Nachdem  die  höheren  Beamten  sich 
überzeugt  hatten,  wie  der  Kaiser  in  Wirklichkeit  gegen  die  neue 
Religion  gesinnt  sei,  veranlassten  sie  einen  Petitionssturm  um  Wieder- 
aufnahme der  Christenhetze,  welchem  dann  der  Kaiser  stattgab. 
UdvTeg,  sagt  Eusebius  h.  eccl.  9,  4,  rwv  iv  teXel  rag  vno  rrjv  avrtjv 
^QXW  ^oXeiq  olxovvTEQ  rf]v  öjuoiav  (bgjucijvro  xprjipov  noirjoao'&ai, 
TiQogfpiXkg  d'Elvai  rovro  ßaciXsl  t&v  xax  ETiagxiav  '^yEfxovcov  owEcoga- 
xoTCOv  xal  rovx  avxb  diajcQdiao'&ai  roig  vjirjxöoig  vjioßEßXrjxöuov ,  o)v 
ör]  xal  avTCÖv  roTg  ipfjqpiojuaoi  dt  ävziyQacprjg  dojuEVEorara  EnivEvoavrog 
Tov  xvQavvov  av'&ig  e^  vjiagxv^  ^  xa-d'"  fjucbv  ävEcpXsyExo  diayyfiös. 
Weiter  heisst  es  (9,  7):  ävd  juEoag  ys  roi  xdg  jiöXEig,  o  firjöh  äXXoxi 
710XE,  ipr](piojuaxa  tiöXecov  xad-'  rjjudjv  xal  ßaoiXixcöv  Tigög  xavxa  diaxd^Ei 
dvxiygacpal  oxrjXaig  EvxExvTtcoiJLEva  y^aXxalg  dvwgß^ovvxo ,  und  nachde 
er  als  Beleg  den  von  dem  Kaiser  an  die  Tyrier  gerichteten  Erlass 
beigebracht  hat,  schliesst  er:  xavxa  dt]  xad^  fifx&v  xazd  jiäoav  Ejcag- 
Xiav  dvEoxrjXixEvxo.  Dafür  haben  wir  in  diesem  Document  den 
urkundlichen  Beleg. 

98  Wesentlich  dieser  Petition  analog  werden  die  übrigen  von  der 
Regierung  gleichmässig  veranlassten  gelautet  haben;  mit  Recht 
macht  Harnack  geltend,  dass  der  Gedankengang  unseres  Schrift- 
stückes im  allgemeinen  übereinstimmt  mit  dem  der  tyrischen,  » 
weit  dieser  aus  der  kaiserlichen  Antwort  sich  erkennen  lässt.  *Wm| 
in  dem  tyrischen  Schriftstück  die  Vortheile  und  Segnungen,  weld 
der  pünktliche  und  ungestörte  Gottesdienst  gewährt,  in  breiter  Dar- 
stellung ausgeführt  werden,  beginnt  eben  damit  die  Eingabe  de;| 
Lykier  und  hat  wahrscheinlich  auch  damit  geschlossen.' 

Der  Zeit   nach   fällt   die  Eingabe   in  das  Jahr  311    oder  wa" 
scheinlicher  312,  wie  die  Vergleichung  mit  den  beiden  oben  ange 


Zweisprachige  Inschrift  aus  Arykanda.  561 

führten  geschichtlichen  Berichten  ergibt.  Als  sie  einlief,  war  Galerius 
todt,  welcher  im  Jahre  311  bald  nach  Erlass  des  Toleranzedictes 
Afom  30.  April  gestorben  ist,  und,  wie  die  Adresse  der  Urkunde  zeigt, 
die  Einigung  zwischen  Maximinus,  Licinius  und  Constantin,  welche 
ohne  Zweifel  noch  in  demselben  Jahre  abgeschlossen  ward,  einer- 
seits erfolgt,  andererseits  noch  nicht  gebrochen,  welcher  Bruch  nach 
der  Vermählung  des  Licinius  mit  der  Schwester  Constantins  im 
Winter  312/13  eintrat.  Dies  führt  auf  die  oben  gegebene  Ansetzung. 
Zwischen  dem  letzten,  den  Christen  wiederum  günstigen  Religions- 
edict  Maximins  (Eusebius  h.  e.  9,  10),  das  seiner  Katastrophe  Ende 
313  nicht  lange  vorhergegangen  sein  kann,  und  seinen  gegen  die 
Christen  gerichteten  Erlassen,  welche  durch  diese  und  die  analogen 
Eingaben  hervorgerufen  wurden,  liegt  nach  Eusebius  9,  10,  12  weniger 
als  ein  Jahr:  amai  xov  rvQavvov  (pcoval  ovS*  okov  iviavrov  rcbv  xazd 
XgioTiavcüv  ev  oxijXaig  ävare^eijuevcov  avxcb  öiaxay fxdxoiv  voxeg^oaoai. 
Diese  Angabe  ist  nicht  schlechthin  unvereinbar  mit  der  Ansetzung 
unserer  Urkunde  in  311,  passt  aber  besser  für  das  Folgejahr. 

Die  damals  nach  Galerius  Tod  regierenden  Herrscher  sind,  wie 
xhon  aus  dem  Gesagten  erhellt,  Constantinus,  Licinius  und  Maxi- 
minus. Dies  war  die  von  Galerius  vorgeschriebene  Reihenfolge  (de 
in  ort.  persec.  32.  43)  und  sie  entspricht  der  Epoche  der  Ernennungen: 
(.'onstantinus  war  schon  306  nach  dem  Tode  des  Vaters  zum  Augustus 
ausgerufen,  neben  ihm  Licinius  im  Jahre  307  auf  dem  Congress  in 
Carnuntum  anerkannt  worden,  während  Maximinus  erst  nach  diesem 
Congress   zuerst  von  seinen  Truppen  dazu  gemacht,  dann  auch  von 

•  ialerius  als  solcher  anerkannt  wurde  (de  mort.  persec.  32).  Aber 
zum  Caesar  war  Maximinus  allerdings  schon  im  Jahre  305  ausgerufen 
worden  (de  mort.  persec.  32:  praescriptione  tenipmis  pugnat  se  prior em 
'sse  dehere  qui  prior  sumpserit  purpiiram)^  und  daher  nennt  ihn  auch 
(in  in  Aegypten,  also  in  seinem  alten  Machtbereich  gefundener 
Meilenstein   (C.  I.  L.  III   S.  6633   [=  Dessau  657J)    als    solchen   vor 

•  'onstantin.  In  der  That  setzte  er  in  dem  hellespontischen  Vertrag  99 
-  durch,  dass  ihm  unter  den  drei  Herrschern  die  erste  Stelle  ein- 
geräumt ward,  wie  dies  sowohl  die  Schriftsteller  berichten  (de  mort. 
nersec.  44:  primi  nominis  titulum  .  .  .  sibi  Maximinus  vindicabat, 
Kusebius  h.  eccl.  9,  10  [§  Ij:  xaxd  rcbv  xrjg  ßaotXeiag  xoivcovcöv  ....  xokjuäv 
')Q/iir]xo  .  .  .  TiQcöxov  iavxöv  xäig  xijualg  ärayogeveiv)^  wie  auch  die 
nschriften  bestätigen,  nicht  bloss  des  Orients  (Meilenstein  von  EUes 

'.  I.  L.  III  S.  7174),  sondern  auch  des  Occidents  (Inschrift  von 
'rutting  in  Noricum  C,  I.  L.  III  5565  [mit  add.  n.  11771  =  Dessau 
64],  gesetzt   zur  Feier   eines  am  27.  Juni   310   erfochtenen  Sieges 

JIOMMSEN,   SCHB.  VI.  36 


562  Zweisprachige  Inschrift  aus  Arykanda.  ■ 

nach  Galerius  Tod,  wahrscheinlich  im  Jahre  311).  Wenn  also 
unsere  Urkunde  an  erster  Stelle  ihn,  an  dritter  den  Licinius  nennt, 
so  ist  dies  hiemit  in  Einklang  und  kann  der  dazwischen  fehlende 
Name  nur  derjenige  Constantins  sein. 

Dass  Z.  11  die  petitionirende  Provinz  nicht  bloss  als  pamphy- 
lische,  sondern  als  lykische  und  pamphylische  bezeichnet  gewesen 
sein  muss,  folgt  aus  der  Auffindung  der  Inschrift  im  Herzen  der 
lykischen  Landschaft.  Damit  stimmt  überein  (wie  Marquardt  Staats- 
verwaltung P,  379  mit  Recht  bemerkt),  dass  die  Veroneser  Provinzial- 
liste  aus  diocletianischer  Zeit  nur  Pamphylien,  nicht  aber  Lykien 
aufführt,  und  dass  eine  kaiserliche  Verordnung  vom  1.  Juni  313 
(C.  Th.  13,  10,  10  =  C.  lust.  11,  49,  1)  gerichtet  ist  ad  Eusebium 
V.  p.  praesidem  Lyciae  et  Pamphyliae. 

Die  Antisemiten  —  Christus  war  ja  auch  ein  Semit  —  hatten 
es  also  vor  anderthalb  Jahrtausenden  weiter  gebracht  als  ihre 
heutigen  Gesinnungsgenossen.  Unsere  offenbaren  Antisemiten  haben 
bis  jetzt  noch  nicht  erreicht,  dass  ihre  Petitionen  um  Semitenhetze 
von  Regierungswegen  in  jeder  kleinen  Landstadt  öffentlich  ange- 
schlagen werden,  und  die  hochgestellten  Krypto- Antisemiten,  die 
eigentlichen  Schuldigen,  stehen  nicht  minder  weit  zurück  hinter  der 
Leistung  des  Kaisers  Maximinus.  Einen  Fortschritt  der  Cultur  auf 
diesem  Gebiet  wird  der  Menschenfreund  also  gern  registriren. 


Im   einzelnen  finde    ich    zu   dem   Text  noch  folgendes    zu  be- 
merken. 

Für    die    Bestimmung   der  Lückengrösse    sind    die    beiden   mit 
Sicherheit   zu  ergänzenden   Zeilen   10   und  11  massgebend.     In  der 
ersten  fehlt,  da  für  den  Geschlechtsnamen  am  Ende  von  Z.  9  Raum 
gelassen  ist  (s.  unten),  das  Wort  Kco(v)oTavx{s)ivq).     In   der  zweiter 
lässt  sich  die  Ergänzung  Ävxicov  xai   II  ebenfalls   nicht  verlängern. 
denn  die  administrativ  fest  combinierten  Landschaften  werden,  ihrei 
inneren    Selbständigkeit    unbeschadet,    immer     als     einfacher   Ver 
waltungsbezirk,  prowmcia  oder  ed'vog  gefasst;  es  gibt  nur  eine  provincü 
Ponti  et  Bithyniae  (C.  V  5262,  IX  4965,  XIV  2925),  Inaqyda  Höv 
100  Tov   xal  Bf&vviag  (C.  I.  G.  1813  &),   nicht  provinciae  oder  ETvaQxeiail 
Man  kann  also  nicht  etwa  nach  xal  noch  tov  einschieben.     Ebens 
hindert,  wie  Benndorf  mit  Recht  erinnert,    der  Sprachgebrauch  da 
Einschalten  des  Artikels  vor  den  beiden  Völkernamen.     Also  fehle 
in  Z.  10  zehn  bis  zwölf,   in  Z.  11    zehn  Buchstaben,   wovon  indess 
da  der  Bruch  nicht  ganz  gleichmässig  verläuft,   in  Z.  21 — 25  einig 


Zweisprachige  Inschrift  aus  Arykauda.  5()3 

abgehen.  Danach  müssen  die  übrigen  der  Fassung  nach  unsicheren 
Ergänzungen  sich  richten.  Es  soll  nicht  in  Abrede  gestellt  werden, 
dass  die  also  gebotene  Kürze  mehrfach  zu  Härten  führt;  die  in 
Vorschlag  gebrachten  Ergänzungen  Z.  7  [vestris  declarahit]  —  Z.  8 
[xöig  ocozfJQoiv  Tov  avfjL\7iavTog  äv&Qcojicov  E'&vovg  xal  yhovg  ('nach 
Analogie  von  Reisen  II  n.  78.  79  und  einer  neuen  Inschrift  von 
Andraki'  Benndorf)  —  Z.  16  [ngog  rr]v  vjucöv  d^djvarov  ßaodeiav  — 
Z.  21  aicoviqy  [vevjuari  7iavrd7i]aoiv  sind  ohne  Frage  an  sich  besser 
als  was  oben  gesetzt  ist;  aber  ich  kann  dieser  Glätte  eine  jene 
sicheren  Ergänzungen  überwiegende  Beweiskraft  nicht  zugestehen. 
Dass  bei  Annahme  dieser  Lückengrösse  das  in  der  Schlusszeile  frei- 
gestellte Wort  nicht  genau  in  die  Mitte  zu  stehen  kommt,  wie  es 
bei  sorgfältiger  Schreibung  erfordert  würde,  kann  bei  einem  Document 
dieser  Art  nicht  entscheiden.  Genaue  Raumberechnung  ist  bei  der 
Beschaffenheit  der  Schrift  überhaupt  ausgeschlossen. 

9.  Nach  KAI  ist  auf  dem  Stein,  wie  die  Zeichnung  es  zeigt,  ein 
leerer  zur  Aufnahme  von  5  bis  6  Buchstaben  genügender  Raum.  Ich 
hatte  denselben  auf  dem  mir  eingesandten  Abklatsch  für  Rasur  ge- 
halten; allein  ich  habe  mich  in  dieser  Annahme  geirrt.  'Wir  haben,' 
schreibt  mir  Benndorf,  'alle  drei  Abklatsche  genau  geprüft;  der 
Sachverhalt  kann  nicht  zweifelhaft  sein.  Der  Name  Maximins  hat 
eine  Reihe  kleiner  "Verletzungen  erlitten,  die  ihn  undeutlich  machen, 
aber  es  sind  solche,  die  anderwärts  in  der  Inschrift  auch,  nament- 
lich in  der  ersten  griechischen  Zeile  vorkommen,  ohne  irgend  den 
Eindruck  von  Absichtlichkeit  zu  geben.  Die  auf  ihn  folgende  leere 
Stelle  am  Ende  der  zweiten  griechischen  Zeile  ist  dagegen  gänzlich 
unverletzt  und  glatt:  läge  hier  eine  Rasur  vor,  so  würde  sich  nicht 
nur  die  vollkommene  Glätte  nicht  erklären,  sondern  auch  unbegreif- 
lich bleiben,  dass  diese  Fläche  sich  jetzt  über  die  begrenzenden 
Linien,  welche  ganz  intact  sind,  als  Relief  erhebt.'  Ich  habe  geglaubt 
dies  wiedergeben  zu  sollen ;  denn  die  Annahme  einer  Namenstilgung 
liegt  nicht  bloss  äusserlich  nahe,  sondern  es  würde  sich  auch  die 
Ausmeisselung  des  Namens  des  Constantinus  bei  unverletztem  Licinius 
geschichtlich  wohl  rechtfertigen  lassen.  Da  nun  aber  an  diesen  Ausweg 
nicht  gedacht  werden  kann,  so  lässt  sich  das  Fehlen  von  <l>AAOY  oder 
auch  <1>A  OYAA,  für  welches  der  Platz  vollständig  ausreichte, 
meines  Erachtens  nur  darauf  zurückführen,  dass  der  Concipient  wohl  IUI 
die  Namen  des  östlichen  Kaisers  so  wie  die  seines  nächsten  Nachbars 
kannte,  nicht  aber  diejenigen  Constantins;  wer  sich  an  die  unglaub- 
liche Yerwirrung  erinnert,  in  welcher  die  innerasiatischen  Denk- 
mäler des  3.  und   4.  Jahrh.   uns   die    Kaisernamen   vorführen,   wird 

36* 


i 


5(54  Zweisprachige  Inschrift  aus  Arykanda. 

diesen  Ausweg,   meines  Erachtens   den  einzigen   offenen,   nicht  als 
unzulässig  ansehen.*) 

11 — 15  (wo  der  Stein  tHPIAC  hat)  nach  den  Vorschlägen  von 
Wilamowitz.    Die  Motive  gehen  vorher:  'die  Götter  haben  bewiesen, 
dass   sie  diejenigen  segnen,  welche  ihnen  im  Interesse   des  Reiche» 
huldigen/    Diese  Wendung  hat  hier  ihre  besonderen  Gründe;  auch 
in  dem  Erlass  Maximins  an  die  Tyrier,    den  in  griechischer  Ueber- 
setzung  Eusebius  h.  eccl.  9,  7    aufbewahrt  hat,   wird   der  Segen  im 
Ackerbau  und   sonst  weitläufig   ausgeführt.     'Ojuoyevetg   heissen  die 
Götter  eben  dieser  Kaiser  als  der  lovii  und  HercuUi  oAev  nach  de 
Inschriften  mit  einer  —  allerdings  schon  bei  Seneca  (consol.  ad  Mar 
15,  1)  begegnenden  Phrase  —  diis  geniti  et  deorum  creatores  (C 
L.  III  710;  Staatsrecht  2^,  760).    Die  Götter  muss  man  ehren,  we; 
die  Kaiser  ja  auch  Götter  sind,  was  allerdings  die  Christen  bestreite! 
(Tertullian  ad  Scap.  2 :  colimus  ....  imperatorem  . .  .  uf  hominem  a  dt 
secundum  .  .  .  et  solo  deo  minorem).     Die  Loyalität  geht   stark  m; 
der  Frömmigkeit  durch.    Maiore  formidine,  sagt  mit  Recht  Tertulli 
(apol.  28),  et  callidiore  timiditate  Caesarem  ohservatis  quam  ipsum 
Olympo  lovem. 

15.  Aehnlich  Maximinus  in  dem  tyrischen  Edict  c.^-.fj  v/ueregä 
jcohg  .  .  .  ore  ndXiv  fjo^ero  rovg  rrjg  ijtaQdrov  juaraiorrjrog  yeyovoxag 
EQTiEiv  ägxso^ai,  .  .  .  ev^ecog  JiQog  rrjv  ^juersgav  evoeßeiav  ....  xare- 
(pvyev. 

16  eher  ilATON  alsJTATON;  ergänzt  nach  den  Vorschlägen 
von  Harnack  und  S.  Reinach.  Jener  vergleicht  aus  unserer  Inschrift 
Z.  24:  rrjg  almviov  xai  ä(p'&dQxov  ßaodeiag,  weiter  für  den  Gebrauch 
von  ä'&dvarog  concil.  Calched.  p.  1537  C  Colet. :  77  ^«'«  >«at  ad^dvaxog 
xoQvcprj  (vom  Kaiser  gesagt)  und  daselbst  p.  828  A:  öcpeikofxEv  yaQ 
rfj  ä'&avdrq)  noXei  vsfxeiv  ev  jtäoi  rä  JiQayrela  (ähnlich  Dionys.  ant.  R. 
1,  69  am  Ende). 

1 7  [xavixovg  nach  dem  Vorschlag  Gebhardts,  um  schon  in  diesem 
ersten  Glied  auf  das  folgende  vdaog  vorzubereiten.  Auch  die  Tyrier 
erbitten  vom  Kaiser  Yaöiv  riva  xai  ßorj^eiav  (Euseb.  9,  7,  6).  'Die 
Unterscheidung,''  bemerkt  Harnack,  'von  ndXai  —  eig  devQO  spielt  in 
den  Toleranz-  resp.  Verfolgungsedicten  jener  Jahre  überhaupt  eine 
Rolle.' 

18.  20  sind  die  Ergänzungen  zum  Theil  nach  den  Vorschlägen 
von  Harnack  und  Gebhardt  gestaltet. 
102  19.  Aehnlich  werden  in  dem  Erlass  an  die  Tyrier  c.  7  dieselben 

gelobt,     weil    sie    sich    entschlossen    haben    juerd    rov    öcpedojuevov 

*)  [S.  jedoch  die  oben  S.  556  abgedruckte  Restitution.] 


Zweisprachige  Inschrift  aus  Ärykanda.  565 

ceßdojuarog  xfj  ■&Qr}oxeia  xal  räig  ieQoß^Qi]oxecaig  rcöv  ä^avdrcov  '&ecbv 
TiQooievai,  und  c.  12  die  Hoffnung  ausgesprochen,  dass  nach  Aus- 
treibung der  Christen  die  Stadt  juexd  rov  öcpedojuEvov  oeßdojuarog  raig 
x(7)v  ä&avdzcDv  '&ecbv  legovQyiaig  sich  widmen  werde.  Auch  in  dem 
Schreiben  des  praef.  praetorio  an  die  Statthalter  (Euseb.  9,  1,  3) 
wird  die  Fürsorge  der  Kaiser  gepriesen  dafür,  dass  xal  oi  aXXoTQia 
*P(Ofxaia>v  ovvt]'&eia  dxoXov^Eiv  doxovvxeg  rag  d(peiXofAivag  '&Qi]oxeiag 
Tolg  dd^avdroig  ■&eoig  sjicTeXoiev. 

22.  'Es  handelt  sich  um  die  Zurücknahme  der  den  Christen 
gewährten  Erlaubnis  zu  freiem  Gottesdienst.  Die  letztere  wird  in 
dem  Toleranzedict  des  Galerius  zweimal  (Euseb.  8,  17,  9.  10)  mit 
cvyx(OQi]oig  bezeichnet,  in  dem  constantinischen  mehrmals  (das.  10,  5, 
2.  3.  7.  8)  mit  e^ovoia.  Das  letztere  von  Gebhardt  vorgeschlagene 
kürzere  Wort  dürfte  hier  gestanden  haben.'  Harnack.  —  Dass  die 
Christen  den  Gegnern  ständig  als  ä^soi  gelten,  ist  bekannt  (vgl. 
meine  Ausführung  in  Sybels  histor.  Zeitschrift  Bd.  64  (1890)  8.  407 
[Ges.  Sehr.  3  S.  404]).  Eusebius  9,  10,  12:  jiag  m  ye  (bei  Maximinus) 
fUXQcb  TZQOo^ev  dvooeßetg  idoxovjuev  xal  ä^eot  xal  Jiavzög  öXe&goi 
tov  ßiov. 

23.  24  nach  dem  Vorschlag  von  Wilamowitz.  Die  Hinweisung 
auf  den  obligatorischen  Kaisercultus  ist  deutlich. 

25.  ovfi(pEQEiv  nach  Harnacks  Vorschlag.  Vgl.  Maximinus  bei 
Eusebius  9,  10,  9 :  diord^eiv  rovg  '^jueregovg  äv&QConovg  tieqI  rd  jigoa- 
Tay/uara  td  rj/uhega. 


XXV. 

Papianisches.*) 

156  Zu  Corssens  belehrender  Untersuchung  über  den  Verfasser  des 

vierten  Evangeliums  (in  dieser  Zeitschrift  2,  202  fg.)  gestatte  ich  mir 
einige  Bemerkungen  vorzutragen. 

Der  Sitz  der  Johannes  -  Controverse  ist  Eusebius  Bericht  über 
den  Papias,  jhist.  eccl.  3,  39.  Derselbe  setzt  ein  mit  einem  Citat 
aus  Irenaeus,  welcher  den  Papias  als  'Icodvvov  äxovor^g  bezeichnet, 
ohne  Zweifel  dabei  an  den  Zebedaiden  denkend.  Dies  widerlegt 
in  seiner  gründlichen  Weise  Eusebius,  indem  er  aus  der  Vorrede 
des  Papias  dessen  Quellenangaben  beibringt.  Danach  verschmäht 
es  Papias  nach  Büchern  {ex  rcov  ßißXoyv)  zu  berichten  und  erklärt 
sich  auf  Mitteilungen  zu  beschränken,  welche  ihm  aus  mündlicher 
Mitteilung  [nagä  C(oor]g  (pcovrjg)  zugekommen  seien.  Diese  zerfallen 
in  zwei  Gruppen. 

1.  Äusserungen  der  Apostel,  welche  die  Schüler  und  Nachfolger 
derselben,  die  kleinasiatischen  nQEoßvxEQoi  der  Epoche  des  Papias 
(schrieb  um  140 — 160)  im  Gedächtnis  behalten  und  Papias  aus  dem 
Munde  ihrer  Begleiter  vernommen  und  als  Collectaneen  für  sein 
"Werk  aufgezeichnet  hat.  Es  scheint  in  denselben  jedesmal  der 
Apostel  namhaft  gemacht  zu  sein,  der  die  Äusserung  gethan  habe, 
und,  wie  bei  einer  kleinasiatischen  Arbeit  begreiflich,  Johannes  stark 
überwogen  zu  haben.  Der  Presbyter,  dem  der  Apostel  sie  mitgeteilt 
hat,  und  ebenso  dessen  Begleiter,  dem  Papias  sie  entnahm,  werden 
nicht  mit  Namen  genannt,  wohl  aber  dies  gesamte  Material  den 
TiQeaßvxEQoi  beigelegt.      Gewiss  mit  Kecht  hat  Harnack   die   unter  ! 


*)  [Zeitschrift  f.  d.  neutest.  Wissenschaft  3  (1902)  S.  156  —  159.  —  Dagegen 
CorsseH  das.  S.  242—244.  Vergl.  auch  Schwartz  über  den  Tod  der  Söhne  Zebedaei, 
ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  Johannesevangeliums  (Abh.  der  Gott.  Gesellsch.  d. 
Wiss.  VII  5,  1904)  S.  9  und  in  seiner  Ausgabe  von  Eusebius  Kirchengeschichte  i 
Einl.  (Th.  3)  S.  CXIX.] 


Papianisches.  567 

solcher  allgemeinen  Bezeichnung  von  Irenaeus  mitgeteilten  Äusse- 
rungen des  Apostels  Johannes  auf  diese  Collectaneen  und  die  Schrift 
des  Papias  zurückgeführt. 

2.  Mündliche  Mitteilungen  des  Aristion  und  des  Presbyters 
Johannes,  von  denen  jene  die  Reden  Christi  erläutern,  dieser  unter 
anderem  über  die  Entstehung  der  beiden  ersten  Evangelien  sich  157 
äussert.  Beide  Personen  sind  nicht  Referenten  apostolischer  Worte, 
sondern  selbständige  christliche  Autoritäten.  Wie  der  zweite  im 
Gegensatz  zu  dem  vorher  genannten  Apostel  Johannes  jigeoßvreQog 
lieisst,  so  dürfte  auch  Aristion  die  gleiche  Stellung  eingenommen 
haben,  wie  denn  auch  der  Presbyter  Aristion  in  einer  armenischen 
Notiz  (Harnack,  Chronol.  S.  697)  wohl  mit  ihm  zu  identificieren 
sein  wird. 

Mit  dieser  Darlegung  beabsichtigt  Eusebius,  wie  gesagt,  den 
Nachweis  zu  führen,  dass  Papias  nicht,  wie  Irenaeus  angegeben 
hatte,  unmittelbar  von  den  Aposteln  abhänge  (dxQoarrjv  juev  xal 
avrömrjv  ovdajuöjg  eavrov  yevso'&ai  rwv  legöjv  änooxoXoiv  ijLKpaivei). 
Hinsichtlich  der  den  Aposteln  zugeschriebenen  Äusserungen  geschieht 
dies  in  völlig  befriedigender  Weise.  Aber  wie  reimt  sich  damit, 
dass  Papias  bei  der  secundären  Quelle  Aristion  und  den  Presbyter 
Johannes  bezeichnet  als  oi  xov  xvqiov  ^ad^rjrai,  nachdem  er  unmittel- 
bar vorher  gesagt  hat,  dass  die  Äusserungen  von  sieben  namentlich 
aufgeführten  Aposteln  ^'  ng  eregog  rcov  xov  xvq'lov  jua^rjxcöv  auf  in- 
directem  Weg  ihm  zugekommen  seien?  Harnacks  Versuch  (Chronol. 
S.  660),  der  Bezeichnung  des  Herrnschülers  einen  doppelten  Wert 
beizulegen,  ist  sicher  verfehlt;  sie  kommt  nur  den  unmittelbaren 
Jüngern  Jesu  zu  und  kann  am  wenigsten  in  derselben  Periode  in 
doppeltem,  ja  entgegengesetztem  Wert  aufgefasst  werden.  Es  kommt 
hinzu,  dass  Eusebius  weiterhin  ausdrücklich  sagt,  dass  Papias  die 
apostolischen  Äusserungen  auf  indirectem  Wege  erhalten  {IJamag 
Tovg  juev  r(hv  anooxoXoov  "koyovg  naQO.  xcöv  avxdlg  TTaqrjXoXov&rjxoxcov 
öfxoXoyei  jiaQedtjcpevai),  dagegen  die  des  Aristion  und  des  Presbyter 
Johannes,  die  er  häufig  namentlich  anführte,  selber  gehört  habe 
CAgiozicovog  de  xal  xov  ngeoßvxeQov  'Icodvvov  avxtjxoov  eavxov  (pi]ot 
yevso'&ai'  övojuaoxl  yovv  nokXdxig  avxcbv  juvrjfxovevoag  ev  xoig  avxov 
avyyQa/ufxaoi,  xi§r)otv  avxcbv  Tiagadöoeig).  Dies  ist  schlechthin  unver- 
einbar mit  der  Bezeichnung  dieser  Männer  als  oi  xov  xvqiov  /ua&rjxai. 
Auch  Corssen  ist  diese  Unvereinbarkeit  klar  geworden;  aber  seine 
Aushilfe  ist  mehr  als  unbefriedigend.  „Wenn  Eusebius  sagt,"  heisst 
es  S.  208,  „Papias  behaupte  Aristion  und  den  Presbyter  Johannes 
selbst  gehört  zu  haben,  so  meint  er  dies  doch  nicht  so,   als  wenn 


568  Papianisches. 

Papias  dies  irgendwo  ausdrücklich  erkläre,  sondern  er  schliesst  ea 
nur  daraus,  dass  er  diese  beiden  oft  namentlich  nennt".  Einem 
Schriftsteller  wie  Eusebius  wird  man  es  eben  glauben  müssen,  daea 
die  Mitteilungen  des  Aristion  und  des  Johannes  Presbyter  der  Art 
der  Anführung  nach  von  Papias  selbst  gehört  waren.  Und  wenn 
diese  Mitteilungen  mündliche  waren,  wie  Papias  ausdrücklich  sagt, 
158  so  ist  damit  gegeben,  dass  er  sie  gehört  hat.  Es  ist  nicht  anders; 
die  fraglichen  Worte  sind  interpoliert.  Der  griechische  Text  zeigt 
keine  Variante;  die  lateinische  Wiedergabe  bei  Hieronymus  (v.  ill.  18) 
stimmt  mit  demselben  überein.  Rufinus  giebt  die  fragliche  Stelle 
also  wieder:  quid  Johannes  auf  quid  Matthaeus  vel  alius  quis 
discipidis  domini,  quaeve  Aristion  vel  Johannes  presbyter  ceteriqt 
discipuli  dicehant,  wo  offenbar  die  ceteri  discipuU  auf  dieselbe  Text 
lesung  zurückgehen.  Dagegen  ist  es  von  Gewicht,  dass  die  frag^ 
liehen  Worte  in  dem  uralten  syrischen  Text  fehlen.  Preuschei 
(Antilegomena  p.  55)  hat  weiter  darauf  aufmerksam  gemacht,  das 
auch  Nicephorus  Callisti  2,  46  sie  ignoriert.  Indess  nicht  diese 
Weglassungen  der  fraglichen  Worte  sind  entscheidend,  sondern  die 
absolute  auch  von  neueren  Gelehrten  ^  mehrfach  anerkannte  Unmög- 
lichkeit, dieselben  mit  der  klaren  Erörterung  des  Eusebius  in  Einklang 
zu  bringen,  die  jedem  einigermassen  nachdenkenden  Abschreiber 
oder  Epitomator  sich  aufdrängen  musste  und  die  auch  den  Syrer 
und  den  Griechen  zur  Weglassung  bestimmt  haben  kann.  Lässt 
man  diese  Worte  weg,  so  kommt  der  ganze  Bericht  in  Ordnung. 

1.  Bei  der  Quellenangabe  werden  die  beiden  Glieder,  das 
primäre  der  apostolischen  Äusserungen  und  das  secundäre  der  nicht 
auf  die  Apostel  zurückgehenden  scharf  und  klar  geschieden.  | 

2.  Eusebius'  Auseinandersetzung  über  die  doppelte  Nennung  des 
Johannes  bekommt  durch  diese  Bereicherung  erst  Sinn  und  Halt. 
An  erster  Stelle  bei  der  Nennung  der  sieben  Apostel,  sagt  er,  kann 
nur  der  Zebedaide  gemeint  sein;  für  die  zweite  gilt  dies  nicht,  da 
hier  der  Johannes  naQa  röv  rcov  änoorolcov  aQi&juov  steht,  also  an 
jeden  beliebigen  Mann  des  Namens  gedacht  werden  kann.  Nie 
hätte  er  so  schreiben  können,  wenn  diesem  zweiten  das  Prädicat 
Tov  xvQiov  ixad-rjxrjq  beigesetzt  gewesen  wäre;  mindestens  hätte  er 
sich  über  dasselbe  äussern  müssen.  Es  dürfen  daher  diese  Worte 
auch  nicht  geändert,  sondern  sie  müssen  gestrichen  werden. 

1)  Harnack  schreibt  mir:  „Renan  schlug  schon  im  J.  1873  (l'Antichrist 
p.  345)  vor:  ol  zov  xvqiov  {fia§t]T(ov]  (A.a'&rjraL  Abbot  1895  (Expositor  p.  383  fg.), 
Ohne  Renans  Vorschlag  zu  kennen :  ot  t&v  rov  xvqiov  [fia&rjxöiv]  f^a&rjtai;  Bacon 
1899  (Journal  of  biblical  literature  p.  176)  oi  rovrcov  fia&rjxai "" .  "  : 


I 


Papianisches. 


569 


3.  Dass  zwei  sonst  gänzlich  unbekannte  Persönlichkeiten,  von 
denen  die  eine  Christi  Reden,  die  andere  die  Entstehung  der  beiden 
ersten  Evangelien  erörtert  hat,  hier  als  Christusjünger  figurieren,  ist 
an  sich  widersinnig. 

4.  Dass  Papias  den  Johannes  gehört  hat,  sagen  einstimmig  die 
beiden  besten  Zeugen,  die  wir  über  ihn  besitzen,  Irenaeus  und  159 
Eusebius.  Der  erstere  bezieht  dies  auf  den  Apostel,  der  zweite  auf 
den  Presbyter  Johannes;  dennoch  stützen  beide  Meldungen  sich 
gegenseitig  in  der  Weise,  dass  Irenaeus  nicht  in  der  Angabe  selbst 
irrt,  sondern  nur  sie  falsch  bezieht. 

Wenn  diese  Athetese  das  richtige  trifft,  so  ist  das  wichtigste 
Ergebnis  der  Nachweis  von  schweren  in  Eusebius  Kirchengeschichte 
schon  in  vorhieronymischer  Zeit  eingedrungenen  Interpolationen, 
oder,  da  für  eine  Fälschung  hier  kein  rechter  Anlass  vorliegt,  min- 
destens von  uralten  argen  Schreibfehlern  in  unserem  Text. 


XXVI. 

Die  römischen  Bischöfe  Liberius  und  Fehx  IL*) 

167  Zu  den  schwierigsten  Fragen  der  Kirchengeschichte  des  4.  Jahrj 
hunderts  gehört  das  sogenannte  Schisma  der  römischen  BischöfJ 
Liberius  und  Felix  11.  So  oft  sie  auch  verhandelt  ist,  scheint  eini 
weitere  Erörterung  nicht  überflüssig. 

Das  officielle  Verzeichnis  der  römischen  Bischöfe  kennt  keinj 
Schismen.  Gestaltet  nach  dem  Muster  der  Kaiserliste,  ist  ununter- 
brochene monarchische  Succession  sein  Wesen  und  wohl  auch  sein 
Zweck.  Bei  faktisch  eintretender  Spaltung,  wie  bei  den  Gegen- 
wahlen von  Damasus  und  Ursicinus,  von  Symmachus  und  Laurentius, 
wird  späterhin  nur  der  obsiegende  Konkurrent  in  der  Liste  geführt. 
Das  von  einem  Gegner  des  Symmachus  geschriebene  Papstbuch, 
dessen  Schluss  eine  Yeroneser  Handschrift  aufbewahrt  hat,  kennt 
den  Laurentius  nur  in  der  Erzählung  und  führt  den  Symmachus  auf 
als  zweiundfünfzigsten  römischen  Bischof. 

Dass  Felix  IL  nicht  Prätendent  auf  den  römischen  Bischofssitz, 
sondern  legitimer  Bischof  gewesen  ist,  beweist  in  erster  Reihe  seine 
Aufführung  im  Pontificalbuch ,  das  in  dieser  Hinsicht  geradezu  als 
officielle  Urkunde  angesehen  werden  darf^.  Bekanntlich  erscheint, 
und  zwar  schon  in  der  älteren  Recension,  Felix  darin  zwiefach :  ein- 
mal als  Coepiscopus  des  Liberius,  der  nach  Liberius  eintritt  und  vor 

168  Liberius  stirbt,  in  Folge  dessen  omnes  anni  Felicis  in  huius  (des 
Liberius)  ordine  dinumerantur,  zweitens  als  Nachfolger  des  Liberius 
mit  der  üblichen  Sedisvakanz  nach  seinem  Märtyrertod.  Der  zweite 
Bericht  trägt  den  Stempel  der  Fälschung  an  der  Stirn;  aber  auch 
nach  dem  anderen  ist  Felix  ebenso  rechtmässiger  Bischof  wie  Liberius. 

*)  [Deutsche  Zeitschr.  f.  Öeschichtswissenschaft  N.  F.  I  (1896/7)  S.  167—179. 
—  Vergl.  über  die  Liberius-Frage  überhaupt  jetzt  Duchesne  Libere  et  Fortunatien, 
in  den  Melanges  de  l'Ecole  fran9aise  de  Rome  28,  1908  S.  31  fF.] 

1)  Dass  die  Bilderreihe  auf  der  Südseite  von  St.  Paul  den  Felix  an  seiner  ; 
Stelle  aufführt,  kommt  allerdings  nicht  weiter  in  Betracht,  da  sie  dem  Papst- 
buch entnommen  ist. 


Die  römischen  Bischöfe  Liberius  und  Felix  II.  57  t 

Mit  dem  ersteren  Bericht  stimmt  vollständig  das  alte  Bischofs- 
verzeichnis überein,  das  zu  den  Quellen  des  Pontificalbuches  gehört 
und  nachweislich  bis  in  die  ersten  Decennien  des  6.  Jahrhunderts 
zurückreicht,  wahrscheinlich  beträchtlich  älter  ist,  vielleicht  schon 
für  das  4.  Jahrhundert  auf  gleichzeitiger  Fortführung  beruht.  In 
allen  uns  erhaltenen  Exemplaren  erscheint  Felix  nach  Liberius^, 
aber  in  allen  irgend  in  Betracht  kommenden  ohne  Zeitangabe ;  womit 
offenbar  dasselbe  ausgedrückt  werden  soll,  was  in  den  oben  ange- 
führten Worten  das  Pontificalbuch  aussagt:  er  galt  dem  Schreiber 
als  Kollege  des  Liberius,  nicht  als  Nachfolger,  und  das  Spatium  bei 
ihm  hätte  die  Folgerechnung  nur  vervdrrt. 

Dieselbe  Auffassung  tritt  weiter  hervor  in  der  im  Jahre  518 
abgefassten  Chronik  Marcellins.  Anschliessend  an  Hieronymus,  der 
den  letzten  von  ihm  genannten  römischen  Bischof,  Damasus  als  den 
35.  bezeichnet,  sagt  er  von  diesem:  Damasus  Boniatiae  ecclesiae 
exceptis  Liberio  et  Feiice  fricesimus  quintus  episcopus  anno  ponti- 
ficatus  sui  octavo  decimo  in  domino  requievit.  Die  Worte  exceptis 
Liberio  et  Feiice  sind  nicht  korrekt,  da  Liberius  unmöglich  von  der 
Zählung  ausgeschlossen  werden  kann,  lassen  aber  doch  deutlich 
erkennen,  dass  nach  Marcellinus  der  von  Hieronymus  bei  Liberius 
genannte  Felix  mit  gleichem  Recht  wie  Liberius  in  dieselbe  ein- 
gezogen werden  kann.  Ihm  oder  seinem  Gewährsmann  lag  offenbar 
diejenige  Auffassung  vor,  die  das  Pontificalbuch  vorträgt  und  welche 
die  Ausschliessung  des  Felix  aus  der  Reihe  der  Spatien,  aber  nicht 
der  Namen  motiviert. 

Wenn  an  der  Einreihung  Felix  II.  unter  die  späterhin  als  legitim 
betrachteten  römischen  Bischöfe  meines  Erachtens  nicht  gezweifelt 
werden  kann,  so  ist  damit  freilich  noch  nicht  erwiesen,  dass  ihm 
diese  Stellung  auch  in  Wirklichkeit  zukam.  Sehr  wahrscheinlich 
hat  es  einen  älteren,  von  dem  Bischof  verschiedenen,  als  Märtyrer  169 
verehrten  Felix  gegeben  und  ist  dieser  späterhin  mit  dem  Bischof 
oonftmdiert  worden.  Dass  diese  Confusion  früh  genug  stattgefunden 
hat,  um  in  die  Papstliste  des  4.  Jahrhunderts  einen  falschen 
Namen  einzuschwärzen,  einen  Prätendenten  zum  legitimen  Bischof 
umzuwandeln,  ist  recht  unwahrscheinlich,  aber  nicht  unmöglich.  Die 
Prüfung  der  über  Felix  II.  vorliegenden  Berichte  wird  zeigen ,  dass 
er  unter  den  römischen  Bischöfen  zu  Recht  aufgeführt  wird. 

Der  dogmatische  Streit  über  die  Göttlichkeit  oder  die  blosse 
öottähnlichkeit  Christi  war  unter  Constantin  I.  auf  dem  Concil  von 


1)  Dasjenige  der  Handschrift  von  Laon   (Duchesne  n.  5)  gehört  zu  dieser 
Reihe  nicht,  sondern  scheint  griechischen  Ursprungs. 


572  I^iß  römischen  Bischöfe  Liberius  und  Felix  II. 

Mcäa  zu  Gunsten  der  ersteren  Auffassung  entschieden  worden.  Unter 
seinen  Söhnen  entbrannte  der  Streit  aufs  neue  und  nahm  insofern 
einen  politischen  Charakter  an,  als  die  über  das  Heidentum  sieg- 
reiche Kirche  damals  dazu  vorschritt,  der  Staatsgewalt  selbstherrlich 
gegenüber  zu  treten,  und  mit  Athanasius  von  Alexandrien  der  erste 
Streiter  für  das  Erdenreich  der  Diener  Gottes  auf  den  Kampfplatz 
trat.  Constantius  konnte  nicht  vergessen,  dass  die  Kriegsdrohungen 
des  Bruders  ihn  gezwungen  hatten,  den  abgesetzten  Prälaten  zurück- 
zurufen. Als  er  einige  Jahre  später  durch  unerhörte  Waffenerfolgi 
das  gesamrate  Reich  in  seine  Gewalt  gebracht  hatte,  trat  das  alte| 
Zerwürfnis  wieder  hervor  in  der  Form,  dass  der  Kaiser  ein  von  de: 
nicänischen  abweichendes  Glaubensbekenntnis  aufstellte  und  dessen 
Anerkennung  von  den  Bischöfen  des  Reiches  forderte,  was  die  Ab- 
setzung der  an  der  nicänischen  Formel  festhaltenden  in  sich  schlosi 
und  insofern  gegen  Athanasius  gerichtet  war.  Dieser  Akt,  der  füi 
den  Occident  auf  dem  Concil  von  Mailand  im  Jahre  355  vollzogen! 
ward,  fand  allgemeine  Missbilligung \  wie  denn  die  Umgestaltung f 
der  officiellen  Orthodoxie  durch  die  Regierung  nicht  anders  aufge- 
nommen werden  konnte,  Widerstand  aber  bei  den  Bischöfen  selbst 
nur  ausnahmsweise.  Unter  den  wenigen,  die  die  Annahme  der 
neuen  Formel  und  das  Abbrechen  der  Gemeinschaft  mit  Athanasius 
verweigerten,  befand  sich  der  Bischof  Liberius  von  Rom.  Yergeblich 
170  entsandte  der  Kaiser  einen  Vertrauten  an  ihn,  um  ihn  umzustimmen; 
schroff  abgewiesen  und  erzürnt  kehrte  derselbe  nach  Mailand  zurück. 
Es  folgte  die  Vorladung  vor  das  kaiserliche  Gericht.  Liberius  leistete 
ihr  Folge;  dass  die  Verbannung  seiner  warte,  verstand  sich  von  selbst 
und  somit  auch,  dass  die  römische  Gemeinde  demnächst  veranlasst 
werden  würde,  einen  andern  Bischof  zu  wählen.  Im  Hinblick  darauf 
schwuren  sämtliche  Geistliche  Roms  vor  versammelter  Gemeinde  bei 
Lebzeiten  des  Liberius  keinen  anderen  Bischof  anerkennen  zu  wollen 
als  diesen  Gottesmann  ^. 


1)  Der  unparteiische  Animian  15,  7,  10  bezeugt  es,  dass  in  diesen  Händeln 
die  öffentliche  Meinung  entschieden  dem  Kaiser  entgegen  war:  die  Bevölkerung 
der  Hauptstadt,  sagt  er,  nahm  leidenschaftlich  Partei  für  Liberius  {dus  arnore 
flagrabat);  und  das  bestätigt  die  weitere  Entwicklung  durchaus. 

2)  Der  wohl  noch  dem  4.  Jahrhundert  angehörige  Verfasser  der  Einleitung 
zu  der  Eingabe  der  Presbyter  Marcellinus  und  Faustinus  sagt  c.  2:  eo  die,  quo 
Liberius  ad  exilium  proficiscebatur  (vermutlich  nicht  an  dem  Tage,  an  welchem 
er  Mailand  verliess,  sondern  an  dem,  an  welchem  er  von  Rom  weggebracht 
wurde  —  cum  magna  difficulfate  noctis  medio,  sagt  Ammian),  clerus  omnis,  id  est 
presbyteri  et  archidiaconus  Felix  et  ipse  Damasus  diacomis  et  cuncta  ecclesiae 
offida  omnes  pariter  praesente  populo  Romano  sub  iu/reiurando  firmarunt,  se  vivente 


Die  römischen  Bischöfe  Liberius  und  Felix  II.  573 

Die  vorhergesehenen  Folgen  traten  ein.  Liberius  blieb  fest  und 
wurde  als  Häretiker  vom  Kaiser  in  der  Stadt  Beroe  in  Thrakien 
interniert.  Seitdem  das  Christentum  im  römischen  Reich  anerkannt 
worden  war,  ist  die  Orthodoxie  ein  staatlicher  Begriff:  „was  ich 
■will,  ist  kanonisch",  hatte  Constantius  in  Mailand  den  Opponenten 
erwidert,  und  er  hatte  nicht  bloss  die  Macht,  sondern  auch  das 
Recht  dies  zu  sagen.  Geradezu  absetzen  konnte  der  Kaiser  den 
häretischen  Bischof  allerdings  nicht,  und  auch  die  römische  Gemeinde 
war  dazu  nicht  befugt,  um  so  weniger,  als  sie  in  Voraussicht  dieser 
Complication  sich  eidlich  anheischig  gemacht  hatte,  dem  Liberius, 
so  lange  er  lebe,  Treue  zu  halten.  Aber  der  Klerus  erfüllte  nicht, 
was  er  seinem  Oberhaupt  zugesagt  hatte;  die  Wahl  eines  andern 
Bischofs  wurde  trotz  jenes  Schwurs  von  den  Agenten  des  Kaisers 
durchgedrückt.  Da  gegen  diese  Neuwahl  keine  anderen  rechtlichen 
Bedenken  geltend  gemacht,  sondern  die  Gegner  des  römischen  Klerus 
nur  des  Eidbruchs  wegen  getadelt  werden  ^,  so  muss  diese  in  regu- 
lärer Weise  vollzogen  worden  sein.  Sie  fiel  auf  den  angesehensten 
der  Diakonen,  Felix  2.  Auch  für  die  Weihung,  welche  mit  Rücksicht  171 
auf  die  Stimmung  der  Menge  nicht  in  einer  Kirche,  sondern  im 
kaiserlichen  Palast  vor  wenigen  Anwesenden  vollzogen  ward,  fanden 
•sich  die  erforderlichen  drei  Bischöfe'. 

Aber  zur  Ruhe  kamen  die  Zustände  in  Rom  nicht.  Die  Ge- 
meinde hielt  von  dem  neu  gewählten  Vorsteher  sich  zurück  und  als 
der  Kaiser  am  28.  April  357  in  Rom  erschien,  bat  eine  Abordnung 
von  vornehmen  Damen  um  die  Rücksendung  des  geliebten  Bischofs*. 
Auch  aus  der  Menge  empfing  den  Kaiser  der  Ruf  um  Wiederein- 
setzung des  Liberius.  Der  Kaiser  schlug  die  Bitte  nicht  gerade  ab; 
Liberius,  antwortete  er,  werde  gebessert  zurückkommen'^.    Er  hatte 

Liberio  pontificetnalterum  nullatenus  habituros.  Ebenso  der  Zeitgenosse  Hieronjrmus 
<;hr.  Abr.  2366 :  clerici  iuraverunt,  ut  nulluni  alium  acciperent. 

1)  Angeführte  Einleitung  2:  clerus  .  .  .  cum  summo  periurii  scdere  Felicem 
ardiidiaconum  ordinatum  in  loco  Liberii  episcopum  susceperunt. 

2)  Diaconus  heisst  er  bei  Rufinus  10,  23,  archidiaconus  (diese  Bezeichnung 
liegegnet  hier  zuerst)  bei  dem  Verfasser  jener  Einleitung;  im  Papstbuch  irrig 
/yresbyter. 

3)  Athanasius  hist.  Arianorum  ad  monachos  c.  75:  ^vdyxaas  rgsTg  xaxo^i^eis 
y.araoxonovg  (ou  ya.Q  av  xig  sjitaxonovg  scjiot)  xajaozfjaai  dfj{^ev  smaxonov  iv  r&> 
lalatUo  ^rjXixd  riva  ä^iov  savrwv.    Hieronymus  v.  ill.  98:  Acacitis  .  . .  Caesariensis 

cclesiae   in   Palaestina   episcopus   .  .  .   in  tantum  .  . .  sub  Canstantio   imperatore 
laruit,  ut  in  Liberii  locum  Romae  Felicem  episcopum  constitueret. 

4)  Theodoret  h.  e.  2,  17. 

5)  Einleitung  zum  libellus  preaim:  annuens  ait:  habetis  (wohl  habdntis) 
Uberium,  qui  qualis  a  vobis  profectus  est  mdior  revertetur.     Aehnlich  Sozomenos 


574  Die  römischen  Bischöfe  Liberius  und  Felix  IL 

die  Verhandlungen  im  Sinne,  welche  mit  dem  Verbannten  fortgeführt 
wurden.  Aber  den  Bischof  Felix  liess  er  darum  nicht  fallen;  ein 
kaiserlicher  Erlass  aus  Mailand  vom  6,  December  357  ist  an  ihn 
und  an  ihn  allein  gerichtet  ^ 

Die  Verhandlungen  führten  zum  Ziel.  Liberius  fügte  sich;  wie 
172  weit  und  in  welcher  Form,  ist  hier  nicht  zu  untersuchen 2.  In  Folge 
dessen  wurde  ihm  nach  dreijähriger  Verbannung  die  Rückkehr  nach 
Rom  und  der  Wiedereintritt  in  sein  Amt  mit  der  Massgabe  gestattet, 
dass  er  Felix  als  gleichberechtigten  Kollegen  anzuerkennen  habe^ 
Dadurch  ward  die  Sachlage  eine  andere.  Felix  war  nicänisch 
und  anti-arianisch  gesinnt  wie  der  ganze  übrige  römische  Klerus; 
es  ist  dies  ebenso  selbstverständlich  wie  bestimmt  bezeugt*.  Es  ist 
sogar  glaublich,  wenn  auch  nur  durch  geringe  Autorität  beglaubigt, 
dass  er  nach  der  Verbannung  des  Liberius  auf  einer  römischen 
Synode  entschlossen  für  die  bisherige  Orthodoxie  eintrat^;  wodurch 


4,  11.  Nach  Theodoret  a.  a.  0.  antwortete  der  Kaiser  den  Damen  zunächst,  dass 
Felix  dem  Amt  genüge;  als  ihm  erwidert  wird,  dass  die  Gemeinde  zu  diesem 
nicht  gehe,  meint  er,  dass  beide  gemeinschaftlich  fungieren  könnten. 

1)  Cod.  Theod.  16,  2,  14:  Felici  episcopo.  Es  kann  nicht  wohl  ein  anderer 
gemeint  sein. 

2)  Dass  Liberius  in  den  Verhandlungen  mit  Constantius  von  der  nicänischeu 
Orthodoxie  abfiel,  steht  durch  die  Zeugnisse  der  Zeitgenossen,  auch  der  ihm 
geneigten,  des  Athanasius  und  des  Hieronymus  unbedingt  fest;  wie  weit  seine 
haeretica  pravitas  (Hieronymus)  gegangen  sei,  ist  hier  nicht  zu  untersuchen.  Die 
Schrift  von  C.  de  Feis  (storia  di  Liberio  papa,  Rom  1894)  hat  zunächst  dei 
Zweck,  den  Liberius  von  dem  Vorwurf  der  Heterodoxie  rein  zu  waschen. 

3)  Ausdrücklich  sagen  dies  Theodoret  a.  a.  0.  und  Sozomenos  h.  eccl.  4, 15  I 
die  übrigen  Berichte  schweigen,  ohne  zu  widersprechen.    Es  wird  dies  Ergebni.'l 
auch  durch  die  Sachlage  fast  notwendig  gefordert.    Nach  Philostorgios  4,  3  wiri 
Liberius  wieder  eingesetzt:    ^^h^  ö  sv  rä»  //.sta^v  xqövco   xfjg  'PÖ}(ji.i]i;    stiioxotto 
xaraoxag   elg  eavTov  otii^si,   tö   fisv   d^icofj,a  xfjg  eniaxojcfji;  cpsQOOv,    ov   firjv  ys  tivo 
sxxXriaiag  ngoiardfievog. 

4)  Theodoret  h.  e.  2,  17:  xal  yuQ  exsy^EiQoxövrjxo  fiexä  xov  fieyav  Aißsgcov  rw 
diaxövcov  xig  räiv  exeIvov  ,  ^fjXi^  rjv  ovojxa  xovzco,  og  xtjv  fihv  ixxiß^sTaav  sv  Nixaü 
moxiv  aavXov  discpvXaxxs.  Sozomenos  4,  11:  ov  (den  Felix)  ofiocpQova  cpaol  öiafisTvo 
xaxa  xtjv  niaxiv  xoXg  iv  Nixaiq  övvsXrjXv&öaiv  xai  navxeXwg  d'Qrjoxeiag  evsxa  dvs) 
xXfjxov.  Rufinus  10,  28  und  nach  ihm  Sokrates  h.  eccl.  2,  37  machen  zwar  de 
Felix  zum  Arianer,  setzen  aber  hinzu,  jener:  (Felix)  non  tarn  sectae  diversita 
quam  communionis  et  ordinationis  coniventia  maculatur ;  dieser:  etal  de  oi  Xeyovn 
oxc  ov  nQoae&sxo  jusv  xfj  'AQeiavfj  86^7],  ßia  8s  xai  dvayxrj  xsxstQOXOvrjxo. 

5)  Papstbuch  [I  p.  77  ed.  M.] :  fedt  concilium  Felix  et  invenit  duos  pr* 
teros  consentientes  Constantio  Augusto  Ariano  nomine  Ursacium  et  Valentem  et  ereg 
(=  damnavit)  eos  in  concilio  XL  VIII  episcoporum.  Die  führenden  Hofbischö: 
sind  hier  durch  die  Unwissenheit  des  Schreibers  zu  Presbytern  geworden.  D 
durch  soll  der  Kaiser  zur  Rückberufung  des  Liberius  bestimmt  worden  sein. 


Die  römischen  Bischöfe  Liberius  und  Felix  II.  575 

freilich  nicht  ausgeschlossen  wird,  dass  er  die  religiöse  Gemeinschaft 
mit  den  Anhängern  der  Hofbischöfe  nicht  abbrach  und  dass  die 
eigentlichen  Intransigenten  ihn  darum  mieden  ^.  Nun  aber  war 
Liberius  in  dieser  Nachgiebigkeit  sehr  viel  weiter  gegangen  als  Felix. 
Jeder  der  beiden  Bischöfe  war  vom  orthodoxen  Standpunkt  aus  mit  173 
einer  Makel  behaftet:  Felix  hatte  die  Würde  erlangt  unter  Ver- 
letzung des  von  ihm  selbst  mit  geleisteten  Eides  durch  ihn  wie  durch 
«eine  Wähler  und  der  Regierung  gegenüber  sich  nachgiebig  ver- 
halten, Liberius  die  nicänische  Formel  mehr  oder  minder  aufgegeben. 
—  Die  Legitimitätsfrage  kam  hinzu.  Nach  der  officiellen  Anordnung 
stand  die  römische  Christengemeinde  unter  einem  Doppelregiment, 
das  dem  monarchischen  Wesen  des  Episkopats  zuwider  lief;  als  der 
kaiserliche  Erlass  im  Circus  verlesen  ward,  antwortete  ihm  der  Ruf 
der  Menge:  ein  Gott,  ein  Kaiser,  ein  Bischof^!  Aber  wer  von  den 
beiden  war  der  rechte  Bischof?  Felix  war  durch  einen  Wahlakt 
in  sein  Amt  eingesetzt  worden,  der  kanonisch  anfechtbar,  aber  von 
der  Regierung  veranlasst  und  von  dem  römischen  Klerus  in  üblicher 
Form  vollzogen  worden  war;  wenn  dieser  Akt  als  rechtbeständig 
.angesehen  ward,  so  hatte  Liberius  damit  sein  Amt  verloren  und 
beruhte  sein  Wiedereintritt  in  dasselbe  lediglich  auf  dem  kaiserlichen 
Machtwort.  Zunächst  scheint  dies  thatsächlich  durchgedrungen  zu  sein; 
aber  es  führte  notwendigerweise  zum  Schisma.  Die  Gemeinde  muss 
sich  gespalten  haben.  Die  strengere  Partei  hat  sich  wahrscheinlich 
ÄU  Felix  angeschlossen,  dessen  Eifer  für  die  alte  Orthodoxie  der 
aufgedrungene  heterodoxe  Kollege  nicht  gemindert  haben  wird.  Dass 
die  Regierung  auf  Seite  des  Liberius  stand,  folgt  daraus  von  selbst, 
dass  dieser  in  dem  konfessionellen  Streit  ihr  zu  Willen  gewesen  und 
daraufhin  von  ihr  in  sein  Amt  eingesetzt  worden  war.  Dies  wird 
.-entschieden  haben.  Nachdem  es  zwischen  den  beiden  Kollegen  — 
den  nächsten  Anlass  erfahren  wir  nicht  —  zum  offenen  Bruch  ge- 
kommen war,  wurde  Felix  vom  Senat,  das  heisst  von  den  Behörden, 
aus  der  Stadt  ausgewiesen^.    Daraus  entwickelte  sich  ein  Aufstand: 


1)  Theodoret  fährt  nach  den  S,  574  A.  4  angeführten  Worten  fort:  xoXg  de  yt 
hiacp^tiQovoi  xamtjv  (die  nicänische  Orthodoxie)  adswi;  ixoivcövsi  und  fügt  hinzu, 
dass  darum  niemand  zu  ihm  in  die  Kirche  gegangen  sei.  Ebenso  Sozomenos 
a.  a.  0. :  rovri  dk  ftövov  iyxaXsTod'ai,  Sri  ys  tiqo  xEtQoroviag  xai  xocvcovias  hsQodo^cov 
€n>dQcov  rjvsaxsto.    Dies  ist  die  communionis  coniventia  bei  Rufinus  (S.  574  A.  4). 

2)  Theodoret  a.  a.  0. 

3)  Nach  der  Einleitung  zum  libdlus  precum  wird  Felix  exiliert  a  senatu 
vel  populo.  Hieronymus  in  der  Chronik:  plurimi  peieraverunt  et  post  annum 
(ungenau)  cum  Feiice  eiecti  sunt.    Auch  das  Papstbuch  sagt:  (Constcmtim)  eregü 


576  Die  römischen  Bischöfe  Liberias  und  Felix  II. 

die  Anhänger  des  Felix  versuchen,  ihn  mit  Gewalt  wieder  in  sein 
Amt  einzusetzen,  unterliegen  aber  schliesslich,  und  Felix  wird  aber- 
174  mals  entfernt.  Die  Märtyrerakten  des  Presbyters  Eusebius^  und  das 
Papstbuch  knüpfen  hieran  eine  schlimme  Christenverfolgung;  die 
Einzelheiten  sind  alle  fraglich  und  zum  Teil  sicher  irrig,  aber  die 
Grundlage  dieser  wenig  beglaubigten  Berichte  ist  geschichtlich. 

Wie  bei  den  weiteren  Vorgängen  sich  der  römische  Klerus 
verhalten  hat,  erfahren  wir  nicht.  Die  grosse  Versammlung  der 
occidentalischen  Bischöfe  in  Ariminum  im  Jahre  359  entschied  sich 
für  die  nicänische  Orthodoxie.  Ihre  Abgesandten  aber  liessen  durch  die 
persönliche  Einwirkung  des  Kaisers  sich  umstimmen;  die  Arianer  ge- 
wannen die  Oberhand  und  nutzten  ihren  Sieg  in  schroffster  Weise  aus. 
Liberius,  welcher  damals  allein  als  Bischof  in  Rom  fungierte,  hat 
sich  allem  Anschein  nach  aktiv  an  diesen  Vorgängen  nicht  beteiligt; 
er  wird  weder  unter  den  Vertretern  der  nicänischen  Orthodoxie 
genannt,  noch  unter  den  Verfechtern  des  kaiserlichen  Bekenntnisses. 
Der  Nachfolger  des  Liberius  sagt  nur,  dass  weder  der  römische 
Bischof,  auf  dessen  Ansicht  es  doch  vor  allem  angekommen  sei,  noch 
Vincentius  von  Capua  noch  andere  occidentalische  Bischöfe  den  aus 
den  ariminensischen  Verhandlungen  hervorgegangenen  Abänderungen 
des  nicänischen  Glaubensbekenntnisses  zugestimmt  hätten^.  Dies 
konnte  gesagt  werden,  auch  wenn  Liberius  dem'Concil  fern  geblieben 
war  und  dem  Kaiser,  nicht  ausdrücklich  Opposition  gemacht  hatte. 
Allem  Anschein  nach  hat  er  es  verstanden,  ohne  geradezu  mit  den 
Nicänern  zu  brechen,  sich  einer  abermaligen  Verbannung  zu  ent- 
ziehen, zumal  da  Constantius  bald  darauf  (3.  November  361)  starb. 
Mit  Constantius  Tode  war  der  Sturz  der  kaiserlichen  Orthodoxie 
von  selber  gegeben.  Als  unter  Julian  zunächst  der  Glaube  frei- 
gegeben ward  und  die  aus  religiösen  Gründen  verbannten  Bischöfe 
zurückkehrten,  hat  dies  auf  Fehx  sich  nicht  erstreckt,  vielleicht  weil  L 
er  als  Unruhestifter   aus    der  Stadt  gewiesen   war;    er    ist    in    der 


Felicem  de  episcopatu,  qui  erat  catholicus.  Die  Verbannung  ist  wohl  so  zu  ver- 
stehen wie  in  den  ähnlichen  bei  Sulpicius  Severus  hist.  eccl.  [gemeint  sind 
wohl  die  chronica]  2,  47  und  const.  Sinn,  2  =  C.  Th.  16,  2,  35  erwähnten  Fällen, 
Ausweisung  aus  Rom  und  dem  Umkreis  bis  zum  100.  Meilenstein. 

1)  Bei  Baluze  misc.  2  (1679)  p.  141.  Die  Erzählung  lautet  im  ganzen  recht 
glaublich.  Felix,  der  episcopus  catholicus,  durch  Liberius  vertrieben,  in  praedioh 
sno  orationibus  vaeat.  Wenn  indes  Constantius  bei  diesem  Prozess  redend  ein- 
geführt wird,  so  geht  das  nicht  an,  da  er  nach  355  nicht  nach  Rom  zurück- 
gekommen ist.    Ebenso  irrt  das  Papstbuch. 

2)  Damasus  bei  Theodoret  h.  e.  2,  22.  A 

J' 
k 


Die  römischen  Bischöfe  Liberias  und  Felix  II.  577 

"Verbannung  am  22.  November  365  gestorben ^  Liberius  ist  faktisch 
im  Alleinbesitz  des  bischöflichen  Stuhles  geblieben.  Zweifellos  hat  175 
er  die  ihm  aufgedrungene  Heterodoxie  mit  dem  Wegfall  des  Zwangs 
sofort  fallen  lassen  und  fortan,  da  es  keine  Gefahr  mehr  hatte  und 
die  öffentliche  Meinung  entschieden  für  die  alte  Orthodoxie  war,  sich 
als  Nicäner  bekannt  2.  Zu  den  intransigenten  Eiferern  hat  er  nicht 
gehört,  vielmehr  versucht,  die  bestehenden  Gegensätze  zu  be- 
schwichtigen, insbesondere  versucht,  nach  Felix  Tode  die  diesem 
treu  gebliebenen  Kleriker  durch  Rückgabe  ihrer  Pfründen  zu  ge- 
winnen^. Aber  der  Gegensatz  der  strengen  Orthodoxen,  der  Luci- 
ferianer,  wie  sie  jetzt  genannt  werden,  zu  den  lauen  führte  bei 
seinem  Tode  zu  einem  wirklichen  Schisma :  jene  wählten  den  Ursi- 
cinus  zum  Nachfolger,  diese  den  Damasus*,  und  die  letztere  Partei, 
die  wohl  die  Regierung  für  sich  haben  mochte,  hat  schliesslich  die 
Oberhand  behalten.  Dem  Liberius  aber  ist  in  Anbetracht  der 
Orthodoxie  seiner  letzten  Jahre  der  Abfall  vom  rechten  Glauben 
nicht  bloss  verziehen  und  überschwiegen  worden,  sondern  der  fromme 
Geschichtsverbesserer  Rufinus^  hat  seinen  Widerstand  gegen  den 
Kaiser  und  seine  Verbannung  nach  Thrakien  aus  dem  Jahre  355  in  176 
die  Zeit  nach  dem  ariminensischen  Concil  versetzt,  wo  sie  zwar 
nicht    stattgefunden   hatten,    aber    hätten    stattfinden    sollen.     Dazu 


1)  Einleitung  zum  libeUus  precum  3. 

2)  Sokrates  h.  e.  4, 12. 

3)  Einleitung  zum  libellus  precum  c.  4:  Liberitis  misericordiam  fecit  in  dericos 
qui  peieraverant  eosque  locis  propriis  suscepit. 

4)  Die  nicänischen  Intransigenten,  die  Lueiferianer,  sind  eigentlich  keine 
Häretiker,  sondern  nur  durch  die  schroife  Ablehnung  jeder  religiösen  Gemein- 
schaft mit  den  vom  Arianismus  berührten  Personen  faktisch  zur  Sekte  geworden. 
Anhänger  dieser  Partei  sind  die  Verfasser  des  libellus  precum  Marcellinus  und 
Faustinus,  und  die  vorgesetzte  Einleitung  ist  zwar  wohl  nicht  von  diesen  ge- 
schrieben, gehört  aber  durchaus  dazu.  Dass  sie  zu  Felix  hielten,  ist  wahrschein- 
lich, sicher  aber,  dass  sie  Gegner  des  Liberius  und  vor  allem  des  Damasns 
waren.  Der  letztere  ist  der  Hauptvertreter  der  lauen  Orthodoxie,  und  wie  gegen 
diese  selbst  die  Schrift  sich  richtet,  so  die  Einleitung  gegen  deren  führenden 
Bischof.  Jene  Verfasser,  die  zwar  in  Constantinopel,  aber  lateinisch  schrieben, 
gehören,  wie  die  Einleitung  sagt,  zu  den  infolge  der  Wahl  des  Damasus  und 
der  dadurch  hervorgerufenen  Unruhen  ausgewiesenen  Geistlichen  (exinde  pres- 
bjfteri  diversis  modis  afflidi  per  exilia  et  peregrina  loca  dispcrsi  sunt).  Warum 
Günther  (Avellana-Studien  1,  8)  diesem  Zeugnis  des  offenbar  der  Zeit  nicht  fem 
stehenden  Verfassers  der  Einleitung  und  dem  bestätigenden  des  Gennadins  (c.  16) 
den  Glauben  versagt,  sehe  ich  nicht  ein. 

5)  A.  a.  0.  Ihm  folgt  Sokrates  a.  a.  0.;  diesen  Irrtum  seines  Vorgängers 
hat  er  nicht  berichtigt.  Rufinus  Bemerkung,  dass  er  über  diese  Dinge  wenig 
unterrichtet  sei  (10,  28)  zeigt  vielleicht,  dass  er  recht  gut  wusste,  was  er  that. 

MOMMSEN,    SCHB.  VI.  37 


578  ^^^  römischen  Bischöfe  Liberius  uud  Felix  II. 

passt  es  denn,  dass  der  Bischof  Liberius  als  Verfechter  des  reinen 
Glaubens  in  ehrendem  Andenken  geblieben  ist  und  an  seinem  Todes- 
tag die  Kirche  sein  Gedächtnis  feiert  ^ 

Diese  Ausführung  kann  nicht  abgeschlossen  werden  ohne  Be- 
rücksichtigung der  von  G.  B.  de  Rossi  aus  einer  Petersburger  Hand- 
schrift ans  Licht  gezogenen,  infolge  des  verstümmelten  Anhangs 
anonymen  Papstgrabschrift,  welche  Rossi  dem  Papst  Liberius  bei- 
gelegt hat 2.  Die  in  den  vielen  und  schlechten  T^ersen  enthaltenen 
thatsächlichen  Momente,  aus  denen  die  Zugehörigkeit  zu  entnehmen 
ist,  sind  die  folgenden: 

L  Der  Verstorbene  hat  die  Laufbahn  des  Klerikers  durchmessen, 
vom  Kindesalter  an  der  Kirche  gedient  als  Lector  und  sodann  als 
Diakon  (5  —  21),  schliesslich  als  Bischof  {summus  sacerdos:  25; 
papa:  26). 

2.  Der  Verstorbene  hat  auf  einer  Synode  das  nicänische  Be- 
kenntnis vertreten  (30.  31:  in  synodo  cunctis  superatis  victor  insignis 
sacrilegis  Nicaena  fides  electa  triumphaf),  mit  beharrlicher  Festigkeit 
(36 :  mentis  consfantia  ßrnia)  als  einzelner  gegen  die  vielen  kämpfend 
für  den  katholischen  Glauben  (32.  33:  contra  quam  plures  certamen 
sumpseris  unus,  catholica  praecincte  fide  possederis  [?J  omnes). 

3.  Der  Verstorbene,  geschlagen  und  gehetzt  und  ausgetrieben 
(37 :  discerpfus  tracfusque  profugatusque)  und  von  vielen  Leiden 
heimgesucht  (41:  en  tibi  discriinen  vehemens  non  sufficit  unum)^,  hat 
schliesslich  in  der  Verbannung  sein  Leben  beschlossen  (42:  insuper 
exilio  decedis).  Wegen  dieser  für  den  Glauben  erduldeten  Leiden 
heisst  er  confessor  (2)  und  martyr  (42). 

177  Wer  ist  gemeint? 

Dass  der  Bischof  ein  römischer  gewesen  sei,  wird  nicht  aus- 
drücklich gesagt,  aber  kann  nach  der  Umgebung,  in  der  die  Grab- 
schrift auftritt,  nicht  füglich  bezweifelt  werden.  Die  vorconstantini- 
schen  Bischöfe  schliesst  die  fides  Nicaena  aus.  Von  den  nach- 
constantinischen  sind  drei  ins  Exil  gegangen :  Liberius,  Felix  IL  und' 

1)  Die  kirchliche  Feier  seines  Todestages  zeigt  das  Martyrol.  Hieron.  Villi 
k.  Sept. :  depositio  Liberii  episcopi  oder  nach  anderen  Handschriften  sancti  UberU 
episcopi.  Dieselbe  Angabe  wiederholt  sich  XVI  k.  lun.  =  17.  Mai,  welches,  wie 
Duchesne  pref.  I  p.  CCL  mit  Wahrscheinlichkeit  vermutet,  wohl  der  Ordinations- 
tag  des  Bischofs  ist. 

2)  Bullettino  di  arch.  crist.  1883,  p.  5-52;  inscr.  vol.  2,  p.  83  n.  26  =  p.85 
n.  31  a  [jetzt  auch  Bücheier  carm.  epigr.  n.  787] ;  Duchesne  (I  p.  209  [und  neuer- 
dings Melanges  de  Vecole  Fr.  de  Borne  28,  1908  S.  74])  und  C.  de  Feis  (S.  40) 
haben  ihm  zugestimmt. 

3)  üeber liefert  ist  annum;  annus  unmöglich. 


Die  römischen  Bischöfe  Liberias  und  Felix  II.  570 

Martin  I.  (649 — 653);  einem  von  diesen  dreien  muss  die  Grabschrift 
gesetzt  sein^. 

Liberius  ist  wohl  in  die  Verbannung  geschickt  worden,  aber 
nicht  im  Exil  gestorben.  Rossis  Versuch,  ihm  dennoch  die  Grabschrift 
beizulegen,  hat  deshalb  Friedrich  ^  mit  Recht  als  schlechthin  unmög- 
lich bezeichnet. 

Martin  I.  ist  von  Funk  ^  in  Vorschlag  gebracht  worden.  Aber 
schon  Rossi  hat  in  befriedigender  Weise  entwickelt,  dass  die  Vor- 
geschichte des  Todten  und  die  Sprache  der  Inschrift  auf  das  7.  Jahr- 
hundert nicht  passen  und  dass  die  Nicaena  ßdes  ebenfalls  nicht  auf 
die  monotheletischen  Händel  dieser  Epoche,  sondern  auf  die  Glaubens- 
fitreitigkeiten  des  4.  Jahrhunderts  hinweist.  Auch  könnte,  da  Martin 
in  Cherson  starb,  ein  Hinweis  auf  den  Tod  fern  von  Rom  in  einer 
ihm  gesetzten  Grabschrift  nicht  wohl  fehlen. 

Es  bleibt  Felix  H.  Prüfen  wir,  inwiefern  die  bezeichneten 
Momente  auf  ihn  passen. 

1,  Felix  ist  vom  römischen  Diakon  zum  römischen  Bischof  auf- 
gestiegen; die  klerikale  Laufbahn  ist  bezeugt. 

2.  Das  Bild,  welches  man  sich  von  Felix  zu  machen  pflegt, 
passt  allerdings  ganz  und  gar  nicht  zu  dem  Epitaphium.  „Dass 
Felix,"  sagt  Döllinger*,  „kein  rechtmässiger  römischer  Bischof  ge- 
^wesen,  sondern  ein  Werkzeug  der  Arianer  und  'ein  von  dem  Volk 
^zurückgestossener  Eindringling,  haben  alle  besseren  Kirchenhistoriker 
„erkannt".  Aehnlich  Duchesne^:  De  Felix,  le  populaire  ne  pouvait 
avoir  conserve  qu^un  mauvais  souvenir;  tons  les  partis  intransigeants 

. .  .  Vavaient  unanimement  en  horreur  ...  Le  populaire  orthodoxe,  178 
rdllie  autour  de  Damase,  avait  gar  de  son  enthousiasme  pour  Libere 
et  reprouve  energiquement  Vattitude  de  Felix.  Auch  Rossi  ^  betrachtet, 
wenngleich  vorsichtiger,  den  Felix  als  Creatur  des  Constantius  und 
wenigstens  nicht  offenen  Gegner  der  Arianer,  der  unmöglich  das 
habe  ausführen  können,  was  das  Epitaphium  aussagt.  —  Wie  wenig 
diese  Aufstellungen  begründet  sind,  haben  wir  gesehen.  Dass  Felix 
als  legitimer  römischer  Bischof  betrachtet  und  stets  in  der  officiellen 
Liste  geführt  worden  ist,  steht  fest.  Creatur  des  Constantius  war  er 
freilich  und  so  lange  Liberius  fest  blieb,  seiner  Gemeinde  durchaus 

1)  Vigilius  ist  wohl  fern  von  Rom,  aber  nicht  in  der  Verbannung  gestorben. 
Auch  sonst  passen  die  Thatsachen  auf  ihn  in  keiner  Weise. 

2)  Zu  Döllingers  Papstfabeln,  2.  Ausg.,  S.  126. 

3)  Historisches  Jahrbuch  5  (München  1884)  S.  424—36  [s,  jetzt  auch  seine 
Kirchengesch.  Abhandlungen  1,  1897  S.  415  ff.]. 

4)  A.  a.  0.  S.  145.  5)  I  p.  CXXIII.  6)  A.  a.  0.  S.  34. 

37* 


580  I^ic  römischen  Bischöfe  Liberius  und  Felix  II. 

nicht  genehm;    aber   darum  war   er  keineswegs   Arianer,     Bei   der 
Parteistellung  des  römischen  Klerus  konnte  die  Neuwahl  nach  Liberius 
Verbannung  gar  auf  einen  solchen  nicht  fallen ;  so  nahe  die  Umstände 
es  legten,  ihn  zum  Gesinnungsgenossen  der  Hof  bischöfe  zu  machen^ 
sagen   doch   die  Zeugen  entweder   das  Gegenteil  oder  äussern  sich, 
wo  die  Rücksicht  auf  Liberius  dies  verbietet,  wenigstens  schwankend. 
Die  von  Felix'  Anhängern  herrührenden    Darstellungen,    die  Akten 
des  Presbyters  Eusebius  und  das  Pontificalbuch ,  sind  freilich  legen- 
darisch gefärbt,  aber  es  ist  doch  von  Gewicht,  dass  sie  ihn  als  ent- 
schiedenen Gegner  der  Arianer  behandeln,  und  vielleicht  von  noch 
grösserem  Gewicht,  dass  auch  von  den  Gegnern  weder  seine  Recht- 
gläubigkeit   noch    sein    Charakter    bemängelt    werden.       Denn    die 
Aeusserung  des  Athanasius,  dass  Felix  nicht  besser  gewesen  sei  al» 
seine  Ordinatoren,  will  nicht  viel  bedeuten.     Wenn  das  Epitaphium 
von  einer  Synode  spricht,  auf  der  der  fragliche  Bischof  die  nicänische 
Orthodoxie  vertreten  habe,   so   kann  nicht  bestritten  werden,   dass 
während  Liberius'  Verbannung  der  römische  Klerus,   wenn  er  auch 
in  der  Bischofswahl  sich  gefügt  hatte,  recht  wohl  einen  solchen  Be- 
schluss  hat  fassen  können;    und  auch  wenn    kein    anderes    Zeugnis 
darüber  vorläge,  würde  dies  nicht  berechtigen,  die  Grabschrift  dem 
Felix  abzusprechen.    Ein  solches  Zeugnis  liegt  aber,  wie  wir  sahen^ 
vor  in  dem  Papstbuch.     Gewiss  macht  dies  keinen  vollgültigen  Be- 
weis; aber  unleugbar  hat  dessen  Verfasser  im  Leben  des  Liberius 
eine    gute    historische  Quelle,    nach    meiner    Ansicht    die    italische 
Chronik,*)  benutzt  und  wie  vieles   auch  im  einzelnen    entstellt  und 
verdorben  ist,  der  ganze  Bericht  ist  keineswegs  Erfindung. 
179  3.   Der  Tod  des  Felix  im  Exil,  in  praediolo  suo,  wie  die  Akten 

des  Eusebius  und  das  Papstbuch  sagen,  stimmt  mit  der  Grabschrift 
überein.  Auch  die  vorher  erduldeten  Leiden  passen  dazu,  wenn 
wir  auch  von  den  Umständen,  die  seiner  doppelten  Ausweisung 
aus  der  Stadt  vorangingen,  nicht  genug  erfahren,  um  sie  im 
einzelnen  belegen  zu  können.  Vielleicht  sind  die  Worte  23  fg.:^ 
dignus  qui  .  .  .  inlihatus  iure  perennis  .  .  .  immaculatus  papa  sederes 
geradezu  darauf  zu  beziehen,  dass  ihm  die  bischöfliche  Gewalt  nicht 
dauernd  verblieb.  Wie  er  späterhin  zu  der  Gemeinde  gestanden 
und  wie  sein  Andenken  sich  gestaltet  hat,  bleibt  fraglich.  Der 
Enthusiasmus  für  Liberius  müsste  sehr  sonderbarer  Art  gewesen  sein,, 
wenn  er  nach  dessen  Abfall  von  der  Orthodoxie  unvermindert  fort* 
bestanden  hätte;    und   die   Auflehnung    des   Felix   giebt    dazu    den 


')  [Vgl.  oben  S.  518.] 


Die  römischen  Bischöfe  Liberius  und  Felix  II.  581 

Commentar.  Es  mag  sein,  dass  die  Intransigenten  vom  reinen  Wasser 
von  beiden  nichts  wissen  wollten;  aber  dass  Felix  seinen  Anhang 
behielt,  zeigt  der  Versuch  desselben,  ihn  in  gewaltsamer  Weise  zu- 
rückzuführen, und  nicht  minder  das  Bestreben  des  Liberius,  nach 
Pelix'  Tode  sich  mit  dessen  Anhängern  zu  verständigen.  Sein  Todes- 
tag ist  begreiflicherweise  nicht  kirchlich  gefeiert  worden^;  aber 
seinen  Anhängern  musste  er  als  confessor  und  martyr  gelten,  und 
aus  diesem  Kreise  ist  die  Grabschrift  hervorgegangen.  Aus  der 
Bischofsliste  hat  ihn  auch  weder  der  Gegner  noch  dessen  Nachfolger 
gestrichen. 


1)  Unter  den  verschiedenen  Daten,  welche  das  Pontificalbuch  als  Todes- 
oder Begräbnistage  Felix'  II.  nennt,  befindet  der  wirkliche  Todestag  (22.  Nov.) 
sich  nicht.  Diese  Tage,  sowie  die  Erzählung  von  der  Hinrichtung  des  Felix, 
die  das  Pontificalbuch  neben  der  mehr  historischen  gibt,  gehören,  wie  schon 
gesagt  ward,  einem  gleichnamigen  Märtyrer,  mit  dem  der  Bischof  späterhin 
mmengeworfen  wurde. 


I 


XXVII. 
Die  Synode  von  Turin.*) 

187  ,r,  iBei  Untersuchung  der  Handschriften  der  Notitia  Galliarum  hat 
sich  ergeben,  dass  die  Metropole  der  Lugdunensis  tertia,  das  heutige 
Totirs,  in  allen  massgebenden  Handschriften  bezeichnet  ist  als  civitas 
Torinorum.  So  lesen  die  alte  Handschrift  Sirmonds  aus  dem  6.  Jahrh. 
(Paris.  12097)  und  die  vortreffliche  Veroneser  58  aus  dem  8.,  unge- 
fähr ebenso  die  der  Sirmondschen  gleichzeitige  Kölner  212  (toreno- 
rum),  die  Berliner  Phillipps  1745  aus  dem  7.  Jahrh.  (corinorum), 
die  den  verlorenen  Spirensis  aus  dem  9.  vertretenden  Abschriften 
(tyrenorum).  Dazu  kommt  weiter  theils  die  Schreibung  Turinorum 
bei  Ammian  15,  11,  12,  welcher  hier  ein  unserer  Notitia  Galliarum 
ähnliches,  aber  etwas  älteres  Verzeichnis  ausgeschrieben  hat,  theils 
in  Prospers  Chronik  unter  dem  J.  381  die  Stelle  Martinus  episcopus 
Turinorum  Galliae  civitatis,  wo  diese  in  den  Ausgaben  beseitigte 
Form  ebenfalls  in  allen  massgebenden  Handschriften  sich  findet. 

Dass  die  correcte  Schreibung  Turoni  oder  Turones  ist,  bedarf 
der  Belege  nicht;  es  zeugen  dafür  sowohl  Inschriften  (Boissieu  inscr. 
de  Lyon  p.  267  [=  C.  I.  L.  XIII,  1703;  ausserdem  C.  XIII,  3076]) 
wie  auch  die  Handschriften  einerseits  von  Caesar,  Plinius,  Tacitus, 
andererseits  von  Gregor  und  von  Paulus,  wie  denn  auch  sowohl  in 
der  Notitia  wie  bei  Prosper  die  geringeren  Handschriften  die  ge- 
läufige Form  zurückgeführt  haben.**)  Aber  jene  drei  Zeugnisse 
aus  dem  Ende  des  4.  oder  dem  Anfang  des  5.  Jahrh.  stellen  nichts 
desto  weniger  fest,  dass  damals  auch  Turini  gesagt  ward;  und  das 
erklärt  sich.  'Für  älteres  Türoni\  schreibt  mir  auf  meine  Anfrage 
mein  Freund  Tobler,  'zeugt  der  Name  der  Provinz,  der  altfranzösisch 


*)   [Neues   Archiv   d.   Ges.  f.   ältere  deutsche  Geschichtskunde  17  (1892) 
S.  187—188.] 

**)    [Die    verschiedenen    Namensformen    sind    zusammengestellt    C.  I.  L. 
XIII 1  p.  475.] 


Die  Synode  von  Turin.  5g3 

Toroignc  (im  Reim  zu  besoigne)  oder  Toroine,  auch  Turiiine  (im 
Keim  zu  patrerauine,  Ga8cüine)  lautet,  somit  nur  aus  Turonia  ent- 
standen sein  kann,  wo  das  6  als  betontes  sich  behauptet.  Ebenso 
kann  nur  auf  Turonia  die  provenzalische  Form  Toroinna  bemhen. 
So  im  12.  Jahrh.  Wenn  im  13.  auch  Touragne  (im  Reim  zu  Aqui- 
tagne)  erscheint,  so  ist  dies  an  Bretagne,  Allemagne  angebildet. 
Turinia  hätte  Toureigne  gegeben,  wie  tinea  teigne,  und  dies  kommt 
nicht  vor.  Aber  der  Name  der  Stadt  war  proparoxyton  und  wurde 
in  GaUien  vulgär  Turni,  Acc.  Turnos,  Abi.  Turnis;  und  daraus  ist  188 
Tours  geworden,  wie  aus  furnos  foura,  aus  diurnos  jours'.  Sprach 
man  Turni,  so  ist  die  Nebenform  Turini  begreiflich,  wenn  auch 
ohne  Zweifel  fehlerhaft. 

Sollte  aber  dieser  Fehler  nicht  in  Betracht  zu  ziehen  sein  für 
die  sogenannte  Turiner  Synode? 

Wir  besitzen  die  Acten  einer  zwischen  400  und  418  abgehaltenen 
Synode  (concil.  Gall.  a.  1789  p.  302),  welche  sich  folgendermassen 
einleiten:  sancta  synodus  quae  convenit  in  urhe  Taurinatium  die 
X  k.  Od.  fratrihus  dilcctissimis  per  Gallias  et  gtiinque  provincias 
constitutis.  In  einem  Schreiben  des  Papstes  Zosimus  (das.  p.  341, 
c.  3)  ist  ebenfalls  die  Rede  von  den  in  Taurinensi  concilio  gefassten 
Beschlüssen,  und  das  Concil  von  Riez  vom  J.  439  (das.  p.  441) 
bezieht  sich  auf  die  saluberrima  Taurinatis  synodi  definitio. 

Bessere  Beglaubigung  für  den  Ort  ist  schwer  zu  finden;  aber 
ist  er  möglich?  Die  Synode  ist  notorisch  gallicanisch :  schon  die 
Ueberschrift  zeigt  es;  der  Eingang  lautet:  cum  ad  postidationem 
provinciarum  Galliae  sacerdotum  convenissemus  ad  Taurinatium  civi- 
tatem;  die  erhaltenen  Beschlüsse  betreffen  die  Streitigkeiten  um  die 
Metropolitanrechte  der  Bischöfe  von  Arles,  Vienne  und  Marseille; 
nach  dem  oben  angeführten  Schreiben  des  Zosimus  wurde  auf  dieser 
Versammlung  die  Sache  des  Briccius  verhandelt,  welcher  Bischof 
von  Tours  war.  Konnte  eine  derartige  Versammlung  auf  italischem 
Boden  stattfinden? 

Sollte  diese  Frage  von  den  beikommenden  Forschern  verneint 
werden,  wie  ich  es  für  wahrscheinlich  halte,  so  findet  die  Versetzung 
der  Synode  nach  Turin  vielleicht  eine  Erklärung  in  dem  oben  ge- 
gebenen Nachweis,  dass  um  das  J.  400  in  Gallien  für  Tours  neben 
Toroni  auch  Torini  und  Turini  im  Gebrauch  war.  Wenn  die  Synode 
in  Tours  abgehalten  ward  und  diese  Stadt  in  dem  Präscript  ebenso 
bezeichnet  war  wie  in  den  oben  angeführten  ungefähr  gleichzeitigen 
Zeugnissen,  so  wird  es  begreiflich,  dass  die  ursprüngliche,  etwa  dem 
5.  oder  6.  Jahrh.  angehörige  Redaction  der  gallischen  Concilien,  von 


584 


Die  Synode  von  Turin. 


welcher  die  uns  erhaltenen  Collectaneen  abhängig  sind,  dieses  Concil 
nach  Turin  verlegte  statt  nach  Tours.  Das  Schreiben  des  Zosimus 
stammt  allerdings  aus  den  von  jener  Conciliensammlung  nicht  ab- 
hängigen Acten  der  Kirche  von  Arles;  aber  wir  kennen  es  nur  aus 
Handschriften  des  9.  Jahrh.,  deren  Zusammensteller  ohne  Zweifel 
die  Acten  der  Synode  in  urbe  Taurinatlum  bereits  in  derselben 
Gestalt  las,  wie  sie  uns  vorliegen.  An  einfachen  Schreibfehler  kann 
selbstverständlich  nicht  gedacht  werden;  trifft  die  Combination  zu, 
so  zeigt  sie  uns  eine  lange  Kette  weit  zurückreichender  und  eine 
an  die  andere  anknüpfender  Interpolationen. 


XXVIII. 

Thessalouikische  Kaisererlasse.*) 

*So  wie  sie  liegen,    sind   beide  Stücke  formell  unmöglich.     Sie  357 
Verstössen  gegen  die  oberste  Regel  der  formalen  Gemeinschaftlichkeit  358 
der  Gesetzgebung   in   den  beiden   Reichshälften,      Sollte   der  Erlass 
über   die  illyrischen   Kirchenverhältnisse,    den  Theodosius  II.    unter 
seinem  und  seines  Mitherrschers   Honorius   Namen  am  14.  Juli  421 
publiciert  hatte   (C.  Th.  16,  2,  45   =   C.  Just.  1,  2,  6),    ausser    Kraft 
i  gesetzt  w^erden,   so  konnte  dies  nur  geschehen  durch  eine  ebenfalls 
unter  beider  Kaiser  Namen  erlassene  Verordnung,  nicht  aber  durch 
Publication   eines  Schreibens   des  Honorius  an  Theodosius,   das   die 
Aufhebung  beantragt,  und  eines  anderen  des  Theodosius  an  Honorius, 
jdas  diesem  Ersuchen   stattgiebt.     Die  Correspondenz  zwischen    den 
Kaisern  erscheint  in  unseren  Rechtsquellen  nicht,  weil  sie  ausserhalb 
der  Legislatur  liegt:    die  vielleicht  einzige,   leicht   erklärliche  Aus- 
nahme ist   das    Schreiben  Theodosius  IL   an  Valentinian  III.,    worin 
er  ihn  um  Publication  eines  für  den  Orient  ergangenen  Erlasses  im 
Occident   ersucht   (nov.  Theod.  IL  2,  1);   dagegen    trägt    selbst    die 
N  erordnung  Yalentinians  III.,    worin   er  seine  Beamten  anweist   die 
im  Ostreich    erlassenen   Verordnungen    gleichfalls    im  Westreich   zu 
publicieren  (nov.  Val.  III.  25),  im  Präscript  die  Namen  beider  Kaiser. 
Hätte   also   Honorius   ein  derartiges   Schreiben   nach   Constantinopel 
rorichtet,  so  durfte  dies  nimmermehr  publiciert  werden ;  wäre  Theo- 
losius  darauf  eingegangen,   so   war   die   Bescheidung  nicht   an  den 
Ollegen  zu  richten,  sondern  sie  hätte  durch  Edict  des  Kaisers  selbst 
»der  eines  geeigneten  Beamten  legalisiert  und  dem  Publicum  zur 
vonntnis   gebracht  werden   müssen.      Von    allen    anderen    Gründen 


*)  [Neues  Archiv  18,  1893  S.  357  —  358:  Brief  Mommsens  an  die  Redaktion 
l»er  die  Unechtheit  der  beiden  allein  in  der  sog.  Sammlung  der  Kirche  von 
"liessalonich  vorkommenden  Kaisererlasse  (in  Haenela  corpus  legum  p.  240).] 


586  Thessalonikische  Kaisererlasse. 

abgesehen  würden  diese  Erlasse  nach  ihrer  formalen  Beschaffenheit 
allein  hinreichen,  um  die  hier  begangene  Fälschung  ausser  Zweifel 
zu  setzen.  Schwerlich  kann  ihr  Urheber  bezweckt  haben  damit  der 
in  dem  justinianischen  Codex  wiederholten  Publication  des  Erlasse» 
vom  14.  Juli  421  entgegenzutreten,  da  diese  ihn  entweder  Lügen 
strafte  oder  als  Beseitigung  der  angeblichen  Aufhebung  aufgefasst 
werden  musste.  Vielmehr  gehört  die  Fälschung  wohl  einer  Epoche 
an,  wo  der  justinianische  Codex  noch  nicht  in  Italien  publiciert  oder 
noch  nicht  durchgedrungen  war,  obgleich  man  allerdings  Mühe  hat, 
ein  so  durchsichtiges  Fabrikat  auch  nur  der  justinianischen  Epoche 
zuzuschreiben'. 


XXVIIK 
Eine  Erwiederung.*) 

433  Ueber  die  beiden  nur  in  der  sogenannten  Sammlung  der  Kirche 

von    Thessalonich    erhaltenen    Kaisererlasse    (Hänel,    corpus    legum 
p.240): 

Exemplar    epistolae  piissimi    imp.  Honorii    ad    Theodosium    Äug. 

Omnibus  quidem  causis  — 
P,escripium  Theodosii  Aug.  ad  Honorium  Aug.    Omni  supplicantium\^^ 
episcoporum  per  lUyricum  subreptione  remota  — 
habe  ich  in  diesem  Archiv  18,  357  [oben  S.  585]  im  Anschluss  an  eine  vor 
Friedrich**)  über  jene  Sammlung  geführte  Untersuchung  bemerkt  un^j**"' 
kurz  begründet,   dass  sie  untergeschoben  sein  müssen.     Diese  Auf 
Stellung  hat  Duchesne  in   der   byzantinischen  Zeitschrift  1,  541   zu 
rückgewiesen,   und   es  veranlasst  mich  dies,   auf  die  Sache  zurück' 
zukommen.     '■M.  Mommsen',    sagt    er,    ''juge    avec   raison,    que   ce»'''ö 
textes  n'onf  pas  les  formules  usitees  dans   les  actes  legislatifs  et  q\ 
pour  avoir  forme  de  loi,  ils  devraient  porter  en  tete  les  noms  des  d 
Augustes.''     Darauf  antwortet  er  dann  wie  folgt: 

a.  que  personne  ne  sdit  ce  que  ces  pieces  portaient  en  tete,  vu 
leurs  suscriptions  originales  ne  nous  sont  pas  connues. 
recueil  omet  ces  suscriptions  et  les  remplace  par  des  ruhri 
qui  sont  evidemment  du  collecteur  lui  meme 

")  [Neues  Archiv  19  (1894)  S.  433— 435.]  H    * 

*f)  [Sitz.-Ber,  d.  Münch.  Akad.  1891,  S.  771  ff.] 


aÜ 


Eine  Erwiederung.  587 

Gewiss;  aber  wer  nicht  bloss  die  Ueberschriften  angesehen,  sondern 
den  Text  selbst  durchgelesen  hat,  kann  nicht  behaupten,  dass  in  der 
Ueberschrift  beide  Kaiser  genannt  gewesen  sind.  Denn  wenn  Kaiser 
Honorius  schreibt:  Vo  immer  ich  darum  ersucht  werde,  bringe  ich 
die  mir  vorgetragene  Sache  an  Dich  {apud  aures  clemsntiae  tuae), 
und  ich  ersuche  Deine  Majestät,  die  alte  Ordnung  in  Illyricum  auf- 
recht zu  erhalten  (niaiestas  tua  antiquum  ordinem  praecipiat  custo- 
diri)';  wenn  dann  der  College  aus  dem  Ostreich  antwortet:  'Deinem 
Schreiben  entsprechend  {secnndum  oraculum  perennitatis  tuae)  habe  434 
ich  die  praefecti  praetorio  von  Illyricum  beschieden',  so  ist  es  zwar 
sicher  genug,  dass  die  Inscription  nicht  so  gelautet  hat,  wie  sie  in 
der  Hs.  steht,  aber  nicht  minder  sicher,  dass  der  erste  Brief  nur 
den  Namen  des  Honorius,  der  zweite  nur  den  des  Theodosius  an 
(Itn-  Spitze  getragen  haben  kann. 

b.  Les    lettres   en   question   ne   sonf  nullement  donnees    dans    le 

rccueil  coninie  des  actes  Ugislatifs,    niais  simplement   comme 

exprimant  les  determinations  des  deiix  empereurs. 

Indem  Duchesne  hier  anerkennt,  was  er  eben  vorher  bestritten  hat, 

dass   die  Briefe  nur  als   personale   der  einzelnen  Kaiser  einen  Sinn 

haben,  vergisst  er  anzugeben,  was,  wenn  sie  publicierte  kaiserliche 

i Erlasse  nicht  sind,  sie  überhaupt  sein  sollen,  und  wie  sie  dann  dazu 

kommen   in    einer   derartigen  Sammlung    officieller  Actenstücke    zu 

figurieren.     Wenn  ein  Kaiser  den  andern  zu  Tisch  einlud  oder  ihm 

sonstige  persönliche  Mittheilungen  machte,  werden  diese  Briefe,  wie 

jjede  andere   Privatcorrespondenz ,    personale   Inscriptionen   getragen 

haben;   aber  die  Gemeinschaftlichkeit  nicht  bloss  der  Gesetzgebung, 

■sondern    sämmtlicher   Begierungserlasse    ist    bekanntermaassen    das 

l'iindament    der  trotz   der  factischen  Trennung   der  partes   Orientis 

Und    der    partes    Occidentis   festgehaltenen    formalen    Reichseinheit. 

0er  Verstoss  hiergegen  ist  es,  weshalb  meines  Erachtens  kein  Sach- 

amdiger    an   der  Unechtheit   der  Schriftstücke    zweifeln    sollte;    er 

Aird  hier  noch  erhöht  durch  die  Unschicklichkeit,   dass  ein  College 

len   andern   öffentlich   zur  Vornahme   eines  Regierungsacts  ermahnt 

md   dieser  der  Ermahnung  ebenfalls  öffentlich  Folge   giebt.     Unter 

len   zahllosen  analogen  Acten  ist  mir  nie  etwas  Aehnliches  vorge- 

:ommen,    und  wenn    Duchesne    dafür  Belege   hat,  so  waren    diese 

orzulegen. 

c.  Un  acte  Ugislatif  est  annonce  dans   le  rescrit  de    Theodose: 

mais  cet  acte  n'est  pas  dans  le  recueil.  C^est  ä  lui  quHl 
faudrait  demander  les  solennites  que  M.  Momnisen  s'etonne 
de  ne  pas  trouver  dans  notre  rescrit. 


588 


Eine  Erwiederung. 


w 


Von  fehlenden  Sollemnitäten  habe  ich  nicht  gesprochen;  das  aber 
ist  richtig,  dass,  wenn  eine  derartige  Verwendung  des  Kaisers 
Honorius  bei  dem  Collegen  stattgefunden  und  dieser  ihr  Folge  ge- 
geben hat,  was  ja  an  sich  denkbar  ist,  dann  nicht  jene  dem  Princip 
des  Zusammenhandelns  der  Theilherrscher  geradezu  ins  Gesicht 
435  schlagenden  Vorverhandlungen  vor  die  Oeffentlichkeit  gehörten, 
sondern  der  von  Honorius  erbetene  und  von  Theodosius  zugestandene 
Erlass  an  die  Behörde  von  lUyricum. 

üebrigens  erkenne  ich  bereitwillig  an,  dass  die  sehr  schwierige 
Frage  über  die  Sammlung  von  Thessalonich  damit,  dass  sie  zwei 
vielleicht  sehr  früh  gefälschte  Kaisererlasse  enthält,  auch  mir  keines- 
wegs als  erledigt  erscheint. 


■fti 

n  r  r.. 


XXIX. 

Zeitzer  Ostertafel  vom  Jahre  447.*) 

....  Geschrieben  ist  also  die  Tafel  im  Jahre  447  n.  Chr.  ^.  Be-  551 
kanntlich  wurden  in  dieser  Zeit,  zunächst  in  Folge  der  abweichenden 
Ansetzung  des  Osterfestes  444,  die  verschiedenartigen  Systeme,  wo- 
nach das  Osterfest  im  griechischen  Osten  und  im  lateinischen  Westen 
gefunden  ward,  hüben  und  drüben  lebhaft  erörtert.  Zu  den  zahl- 
reichen Schriften,  die  in  diesen  Jahren  Geistliche  in  der  fraglichen 
Angelegenheit  veröffentlichten,  gehört  auch  die  unsrige.**)  Gerichtet 
ist  sie  augenscheinlich  an  den  damaligen  Bischof  von  Rom  Leo  I. 
oder  den  Grossen  (440  —  461),  der  in  dieser  Osterfrage  sehr  thätig 
war,  und  rührt  sicher  von  einem  occidentalischen  Verfasser,  vermuth- 
lich  einem  italienischen  Geistlichen  her.  —  Der  Zweck  des  unbe- 
kannten Verfassers  stimmt  aufs  genaueste  überein  mit  demjenigen 
des  fast  gleichzeitigen  Victorius  von  Aquitanien.  Theils  der  Wunsch 
(las  Hauptfest  der  Christenheit  überall  an  dem  gleichen  Tage  gefeiert 

*)  [Philol.  und  historische  Abhandlungen  der  Königl.  Akademie  der  Wissen- 
schaften zu  Berlin  aus  dem  J.  1862  S,  539  —  566.  —  Da  Mommsen  30  Jahre  später 
die  Zeitzer  Ostertafel  zum  zweiten  Mal  in  seinen  Chronica  minora  I  p.  501  —  510 
herausgegeben  hat,  ist  es  überflüssig  den  Text  und  die  auf  die  einzige  Hand- 
schrift bezüglichen  Bemerkungen  an  dieser  Stelle  zu  wiederholen,  desgleichen  die 
n  der  neuen  Ausgabe  S.  506  im  wesentlichen  wiedergegebenen  Ausführungen  über 
lie  Consulliste  der  Tafel  (S.  555).  Hingegen  schien  es  erforderlich  die  Bemer- 
cungen  über  die  eigentliche  Ostertafel,  wenn  sie  auch  durch  die  unten  ange- 
übrten  Schriften  von  Krusch  und  von  Schwartz,  sowie  durch  Mommsens  eigene 
Bemerkungen  in  den  Chronica  minora  überholt  sind,  hier  zum  Abdruck  zu 
wringen.] 

1)  Dass  diese  Ostertafel  auch  den  orientalischen  Consul  Artabures  nennt, 
leweist  doch  wohl,  was  Rossi  inscr.  Christ.  U.  E.  I.  p.  321  in  Zweifel  zieht,  dass 
ir,  wenn  auch  erst  gegen  Ende  des  Jahres,  im  Occident  proclamirt  ward.  [S. 
ptzt  die  Zusammenstellungen  von  Mommsen  chron.  min.  IH  p.  531.] 
1  **)  [Zum  Folgenden  vergl,  B.  Krusch,  Studien  zur  christlich-mittelalterlichen 
hronologie  S.  llGfi".;  E.  Schwartz  christliche  und  jüdische  Ostertafeln  S.  70  flF.] 


590  Zeitzer  Ostertafel  vom  J.  447.  « 

zu  wissen,  theils  die  Rücksicht  auf  das  Concil  von  Nicaea,  das  hin- 
sichtlich der  Osterfrage  ausdrücklich  auf  den  Bischof  von  Alexandrien 
hingewiesen  hatte,  theils  endlich  die  unleugbare  Vorzüglichkeit  und 
Festigkeit  der  alexandrinischen  Osterberechnung,  riefen  in  der  occi- 
552  dentalischen  Geistlichkeit  das  Bestreben  hervor  auf  eine  Verbesserung 
des  occidentalischen  Systems  mittelst  des  alexandrinischen  und  auf  die 
möglichste  Ausgleichung  der  beiderseitigen  Ostersatzungen  hinzu- 
arbeiten^, lieber  die  Veränderungen,  die  zu  diesem  von  ihm  selber 
in  der  Vorrede  ausgesprochenen  Zweck  der  Verfasser  des  Zeitzer 
Fragments  an  der  84jährigen  Ostertafel  der  lateinischen  Kirche  vor- 
genommen hat,  ist  vor  kurzem  von  Rossi^  gehandelt  worden; 
Benutzung  dieser  mit  gewohntem  Scharfsinn  und  gewohnter  Klarh( 
aber  doch  nur  beiläufig  geführten  Untersuchung  soll  darüber 
Erforderliche  hier  kürzlich  dargelegt  werden. 

Das  von  dem  Ungenannten   befolgte   System  stellt,   so  weit 
vorliegt,  die  folgende  Tafel  übersichtlich  dar  und  mit  dem  des  ge- 
wöhnlichen Kanon  von  84  Jahren^  zusammen.*) 

556  Wichtiger    ist    die    eigentliche  Paschaltafel ,    hinsichtlich    deren 

folgendes  zu  bemerken  ist. 

1.  Im  Allgemeinen  liegt  das  lateinische  vierundachtzigjährige, 
nicht  das  alexandrinische  neunzehn-  oder  fünfundneunzigjährige  Schema 
der  Tafel  zu  Grunde.  Auch  im  Übrigen  schliesst  sie  sich  im  Ganzen 
genommen,  so  viel  wir  sehen,  der  lateinischen  Observanz  an  und 
giebt,  wo  Divergenzen  namhaft  gemacht  werden,  derselben  die  erste 
Stelle. 

2.  Eine  Ausnahme  macht  das  Mondalter  des  1.  Januar  oder  difti 
Epakte.     Die  unvollkommene   Anlage  des  84jährigen  Cyclus  ha 

1)  So  äussert  sich  Leo  selbst  (ep.  121  [auch  bei  Krusch  S.  258]):    studuere 
sancti  patres  occasionem   huius  erroris  auferre  omnem  hanc  curam   Alexandrh 
episcopo  delegantes,  quoniam  apud  Aegyptios  huius  supputationis  antiquitus  tro 
esse  videbatur  peritia,  per  quam  qui  annis  singulis  dies  praedictae   soUemnita 
eveniret,  sedi  apostölicae  indicaretur,  cuius  scriptis  ad  longinquiores  ecclesias  indiciv 
generale  percurreret.     [Ps.-]  Cyrillus  [vgl.  S.  591  A.  1]  prol.  (p.  481  Buch.   [Krua 
S.  338]):  sanctorum  totius  orbis  synodi  consensione  decretum  est,  ut,  quoniam  aj, 
Alexandriam   talis   esset   reperta   ecciesia,   quae  in   huius  scientia  dar  er  et,   q% 
kalendarum  vel  iduum,   quota   luna  pascha  debeat  eelebrari,   per  singulos   ant 
Bomanae  ecclesiae  litteris  intimaret,  unde  apostolica  auctoritate  universalis  eccle 
per  totum  orbem  definitum  paschae  diem  sine  ulla  disceptatione  eognoseeret. 

2)  Inscr.  Christ,  urbis  Romael  p.  XCI — XCHI;  vgl.  p.  LIX.  LX. 

3)  Für  diesen  ist  die  Tafel  Idelers  2,  249  zu  Grunde  gelegt  worden.         ••'! 
*)  [Die  Tafel,  die  hier  weggelassen  ist,  ist  durch  Krusch  S.  121—123  erset 

s.  auch  Schwartz  S.  71.] 


Zeitzer  Ostertafel  vom  J.  447.  591 

'e»  mit  sich  gebracht,  dass  derselbe  sich  allmählich  verschob  und, 
während  zu  Anfang  des  mit  382  beginnenden  Cyclus  die  Lateiner 
das  richtige  Mondalter  in  Übereinstimmung  mit  den  Alexandrinern 
gehabt  hatten,  sie  seit  394  meistens  ein  oder  zwei  Tage  mehr  zählten, 
wie  dies  auch  Cyrillus  und  Victorius  ausdrücklich  angeben^,  und 
namentlich  um  447  eine  um  zwei  Tage  zu  hohe  Epakte  ansetzten. 
Es  ist  begreiflich,  dass  in  dieser  Frage,  die  eine  rein  astronomische 
und  bei  der  die  Verkehrtheit  der  occidentalischen  Ansetzung  für 
jeden  Sachkundigen  ausser  Zweifel  war,  der  Yerfertiger  unserer 
Ostertafel  sich  den  Alexandrinern  anschloss.  Indess  that  er  dies  in 
einer  sehr  ungenügenden  Weise ;  denn  indem  er  nur  die  aufgelaufene 
Differenz  beseitigte,  den  Cyclus  selbst  aber  nicht  modificirte,  musste 
binnen  sehr  kurzer  Zeit  derselbe  wiederum  von  der  Epakte  ab- 
kommen. Dass  in  der  Yorrede  ein  Vorschlag  gemacht  worden  ist 
die  Operation  hinsichtlich  der  Monddaten  in  gewissen  Fristen  zu 
Aviederholen  und  dadurch  dem  Grundfehler  des  84jährigen  Cyclus, 
dass  84  julianische  Jahre  um  1^/4  Tag  kürzer  sind  als  die  inzwischen 
eintreffenden  1039  synodischen  Monate,  dauernd  abzuhelfen,  ist  nicht 
wahrscheinlich;  denn  damit  hätte  der  Cyclus  aufgehört  ein  Cyclus  557 
zu  sein.  Auch  sonst  ist  der  Urheber  dieser  Tafel  von  dem  Tadel 
der  Oberflächlichkeit  nicht  freizusprechen.  So  hat  er  sich  damit 
Ix^gnügt  in  dem  ihm  vorliegenden  Schema  die  Epakte  um  zwei, 
n>sp.  drei  oder  einen  Tag  zurück-  und  demnach  den  Osterneumond 
11m  ebenso  viele  Tage  vorzuschieben,  ohne  auf  die  chronologischen 
Motive  der  Ansetzung  weiter  Rücksicht  zu  nehmen,  und  hat  deswegen 
mehrfach  geirrt.  Beispielsweise  hat  er  bei  dem  J.  379,  wo  nach 
dem  älteren  Schema  Osterneumond  auf  den  2.  April  gelegt  war,  in 
Folge  der  Substituirung  der  Epakte  26  für  28  dafür  den  4.  April 
jangesetzt,  ohne  zu  bedenken ,  worauf  jener  Ansatz  beruht.  In  dem 
älteren  Schema  kamen  die  Neumonde  auf  März  4.  April  2  und 
musste,  da  der  Osterneumond  nicht  über  den  5.  März  zurückweichen 
[durfte,  der  zweite  gewählt  werden,  während  das  neuere  Schema,  in 
dem  die  Neumonde  auf  März  6.  April  4  sich  stellten,  keine  Ursache 


1)  Cyrillus  (437)  prol.  [dieser  '  Prologus  Cyrilli'  nach  Krusch  S.  89  ff.  eine 
I  iilschung,  wohl  des  7.  Jahrhunderts]  p.  483  Bucher  [S.  340  Krusch]:  Ltmam 
in  am  Uli  tertiam  ....  nuncupant,  harte  sanctus  Theophilus  pinmam  . .  .  caelo 
demonstrante  eonfirmat.  Victorius  p.  5  Buch,  (mit  Benutzung  der  Leydener 
'Handschrift,  s.  meine  Ausg.  der  Chronik  Cassiodors  S.  678  A.  [s.  jetzt  chron.  min. 
!>.  680,  11  — 13]):  in  lunae  dinumeratione  variatur,  cumque  Aegyptii  XV  in  die 
tschae  verbi  gratia  numerant,  nostri  eandem  XVI  vel  XVII  calculantur.  Das 
Vilhere  bei  van  der  Hagen  observ.  in  prologos  pasch,  p.  79  sq.;  Ideler  2,  240.  277. 


592  Zeitzer  Ostertafel  vom  J.  447. 


i 


hatte  von  dem  ersten  abzugehen  und  demnach  Ostern  auf  den 
24.  März  hätte  ansetzen  müssen.  —  Yon  den  Differenzen  im  Ostertag 
selbst,  zu  denen  diese  Veränderung  der  Epakte  gegenüber  dem 
älteren  Schema  führte,  wird  es  genügen  einige  Beispiele  zu  geben. 
Im  Jahre  387  führte  der  Osterneumond  des  älteren  Cyclus  6.  März 
auf  Sonnabend  den  20.  März  als  Ostergrenze  und  den  21.  als  Oster- 
sonntag, dagegen  der  Osterneumond  unserer  Tafel  8.  März  auf 
Montag  den  22.  März  als  Ostergrenze  und  demnach  den  28.  als 
Ostersonntag.  Im  Jahre  448  ergab  der  Osterneumond  des  älteren 
Cyclus  20.  März  als  Ostergrenze  Sonnabend  den  3.  und  als  Oster- 
sonntag den  4.  April,  dagegen  der  Osterneumond  unserer  Tafel 
22.  März  als  Ostergrenze  Montag  den  5.  und  als  Ostersonntag  den 
1 1 .  April. 

3.  Die  eben  erörterte  Änderung  der  Epakte  griff  insofern  tief 
in  das  Wesen  des  84  jährigen  Cyclus  ein,  als  derselbe,  geordnet  um 
eine  bestimmte  Zahl  Sonnenjahre  und  Mondmonate  zu  gleichen,  mit 
einem  Tage  beginnen  musste,  in  welchem  Neujahr  und  Neumond  so 
wie  ausserdem  der  Anfangstag  der  jüdischen  Woche  zusammentrafen  *; 
eben  wegen  dieser  Eigenschaften  hatte  man  den  Anfang  des  Cyclus 
auf  die  Jahre  298  und  382  fixirt.  Mit  der  Änderung  der  Epakte 
hörten  die  Neujahrstage  dieser  Jahre  auf  als  Neumonde  zu  figuriren; 
558  es  war  also  ferner  keine  Ursache  vorhanden  vorzugsweise  mit  ihnen, 
aber  freilich  auch  keine  Möglichkeit  überhaupt  mit  einem  Neumond- 
tag den  Cyclus  anzuheben.  Nach  den  Aufstellungen  unserer  Tafel 
beginnt  der  modificirte  84jährige  Cyclus  zwar  auch  wie  der  ältere 
mit  einem  Sonnabend,  lunarisch  aber  mit  dem  21.  Tage  des  Mond- 
monats, was  allerdings  mit  dem  Wesen  dieses  lunisolaren  Cyclus  in 
üblem  Missverhältniss  steht.  Statt  des  unfindbaren  astronomisch 
passenden  hat  der  Verfasser  dieses  Paschale  wenigstens  einen  histo- 
risch angemessenen  Ausgangspunkt  gewählt,  das  Jahr  der  Kreuzigung 
und  Auferstehung  Christi.*)  Dasselbe  thut,  wie  dies  bereits  Boss! 
hervorgehoben  hat,  die  der  Chronographie  von  354  anhangende 
Ravennatische  Chronik  in  der  jüngeren  Recension^,  welche  das  Ende 
der  sechs  84  jährigen  Cyclen  bei  den  Consulaten  117.  197.  280.  370. 
448.  532  verzeichnet,  also,  von  untergeordneten  Fehlern  abgesehen, 


1)  Ideler  2,  240.    Rossi  1.  c.  p.  LXXXIII. 
*)  [Vergl.  Krusch  S.  120.] 

2)  [Den  'Fasti  Vindobonenses  posteriores',  chron.  min.  I  p.  263.]    Vgl.  mei 
Ausgabe   der  Chronographie   S.  656   [s.  jetzt  chron.  min.  I   p.  256.  285.  287. 
295.  301.  332]. 


Zeitzer  Ostertafel  vom  J.  447.  593 

in   der  Hauptsache,   dem  Ausgange   vom  Jahr  der  Kreuzigung  mit 
der  Zeitzer  Tafel  übereinstimmt. 

4.  Der  84jährige  Cyclus  wurde  hinsichtlich  der  saltus  lunae, 
deren  sechs  darin  anzunehmen  waren,  in  zweifacher  Weise  construirt: 
es  wurde  entweder  nach  je  zwölf  Jahren  unter  "Weglassung  des 
Schlussjahres,  also  nach  J.  12.  24.  36.  48.  60.  72  oder  nach  je  vier- 
zehn Jahren,  also  nach  J.  14.  28.  42.  56.  70.  84  in  der  lunaren 
Computation  ein  Tag  zugelegt.  Unsere  Tafel  folgt  unstreitig  jenem 
System;  denn  sie  zählt  vom  IL  zum  13.  Jahre  —  die  zwischen- 
liegende Epakte  ist  unsicher*)  —  nicht  22,  sondern  23  Tage.  Dies 
steht  nicht  im  Einklang  mit  der  seit  van  der  Hagen  ^  gangbar 
gewordenen,  auch  von  Ideler ^  und  Rossi^  gebilligten  Annahme, 
dass  der  84jährige  Cyclus  im  fünften  Jahrhundert  nicht  mit  jenem 
ursprünglichen  zwölfjährigen,  sondern  mit  dem  vierzehnjährigen  saltus  559 
lunae  zur  Anwendung  gekommen  sei ;  denn  wie  wäre  in  diesem  Fall 
der  Verfasser  unserer  Ostertafel  zu  jener  Construction  gekommen? 
In  der  That  wird  diese  Annahme  wohl  jetzt  aufgegeben  werden 
müssen.  Es  giebt  über  die  vierzehnjährige  Mondschaltung  nur  zwei 
ausdrückliche  Zeugnisse,    des  Victorius  und   des  Cyrillus:**)  jener* 

*)  [Hier  war  auf  die  mit  derLTafel  S.  553-555  (s.  oben  S.  590  A.  *)  weg- 
gefallene Anmerkung  S.  554  (zu  J.  12.  24  des  Cyclus)  verwiesen;  sie  lautet,  so 
weit  hierher  gehörig:  'Bringt  man  in  unserer  Tafel  den  saltus  lunae,  wie  im 
gewöhnlichen    Cyclus ,   in   Rechnung  vom  je  zwölften    zum  folgenden  Jahr,    so 

bekommt  .J.  12  die  Epakte  XXII Springt  man  vom  elften  auf  das  je 

zwölfte  Jahr,  so  bekommt  J.  12  die  Epakte  XXIII In  der  Handschrift, 

wo  die  J.  12  und  24  zweimal  vorkommen,  hat  sich  vom  ersten  nur  an  einer  jetzt 
unlesbaren  Stelle  nach  Hänels  Angabe  die  Epakte  XXIII  erhalten '.] 

1)  Observ.  in  chron.  Prosp.  p.  216  sq. 

2)  Handb.  2-,  270. 

3)  Inscr.  Christ.  I  p.  XC.  Als  neues  Argument  für  van  der  Hagens  Hypo- 
these bringt  Rossi  die  Inschrift  688  bei,  die  ohne  Angabe  des  Jahres  den  10.  Mai 
als  einen  Donnerstag  und  luna  XV  bezeichnet,  welches,  wenn  das  fragliche  Jahr 
ein  gemeines  ist,  für  dessen  1.  Januar  Montag  und  luna  IV,  wenn  ein  Schaltjahr, 
Sonntag  und  luna  III  fordert;  eine  solche  Combination  aber  bietet  weder  die 
|[ewöhnliche  noch  die  Zeitzer  Ostertafel,  wogegen  der  84jährige  Cyclus  mit 
14  jährigem  saltus  lunae  sie  im  J.  423  aufzeigt.  Allein  Rossi  selbst  widerlegt 
dies  Argument,  indem  er  p.  274  sq.  nachweist,  dass  die  fragliche  Inschrift  nach 
ihrer  gesammten  sonstigen  Beschaifenheit  beträchtlich  älter  sein  muss  als  423 
und  wahrscheinlich  bei  ihr  ein  Schreib-  oder  Rechenfehler  untergelaufen  ist. 

**)  [Vergl.  S.  591  A.  1.] 

4)  p.  8  Buch,  [chron.  min.  I  p.  679,  3  —  6]:  li  qui  cyclum  annorum  LXXXIV 
tdiderunt,    XII  peractis  annis  lunam  unam  .  .  .  adiciendam  legitimo  cursui  esse 

\  praecipiunt.     Item  sunt  qui  hanc  eandem  XV  demum  incipiente  anno  magis  ad- 
numerari  definiunt. 

MOMMSEN,    SCHR.  VI.  88 


594  Zeitzer  Ostertafel  vom  J.  447. 

stellt  sie  bestimmt  hin  als  die  Sondermeinung  einzelner  Bearbeiter 
des  84jährigen  Cyclus,  während  er  die  zwölfjährige  auch  noch  für 
seine  Zeit  als  die  reguläre  voraussetzt;  und  wenn  der  Alexandriner 
Cyrillus^  die  letztere  nicht  kennt  und  jene  als  die  allgemein  gültige 
behandelt,  so  wird  dies  sich  dadurch  erklären,  dass  er  den  84  jährigen 
Cyclus  zufällig  in  einer  Tafel  vor  sich  hatte,  die  nach  jenem  ab- 
weichenden System  construirt  war.  In  der  That  ist  es  sehr  begreif- 
lich, dass,  da  in  84  =  7x12  =  6x14  Jahren  sechs  saltus  lunae 
gemacht  werden  sollten,  die  Modification  vorgeschlagen  ward  nicht 
zwölfjährig  unter  Weglassung  des  letzten  Sprunges,  sondern  vierzehn- 
jährig zu  springen  und  so  grössere  mathematische  Congruenz  in  das 
Verfahren  zu  bringen  2.  Dass  aber  die  zwölfjährige  Schaltung  noch 
in  der  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  im  allgemeinen  Gebrauch  die 
Oberhand  gehabt  hat,  wird  nach  Auffindung  der  Zeitzer  Tafel  nicht 
füglich  mehr  bestritten  werden  können. 

5.  Das  Hauptmotiv,  das  van  der  Hagen  bewogen  hat  für  die 
Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  den  84  jährigen  Cyclus  mit  vierzehn- 
jähriger Mondschaltung  der  älteren  Form  mit  zwölfjähriger  zu  sub- 
stituiren,  war  die  Wahrnehmung,  dass  von  den  Osterfesten  der  römi- 
schen Kirche,  deren  Daten  durch  unmittelbares  Zeugniss  feststehen, 
verschiedene  mit  dem  84  jährigen  Cyclus,  wie  er  gewöhnlich  construirt 
wird,  nicht  übereinstimmen.  Er  gab  in  sehr  geschickter  Weise  die 
Erklärung  der  Differenz  mittelst  der  Hypothese,  dass  hier  ein  modi- 
ficirter  Cyclus  mit  vierzehnjähriger  Mondschaltung  zu  Grunde  liege. 
Indess  nachdem  die  Ostertafel  von  447  zum  Yorschein  gekommen 
ist  und  uns  eine  auf  einem  andern  Princip  ruhende  Modification  des 
84  jährigen  Cyclus  kennen  gelehrt  hat,  wird  vor  allem  zu  untersuchen 
sein,  ob  nicht  vielmehr  diese  zu  jenen  Abweichungen  den  Schlüssel 
560  bietet.  Das  scheint  in  der  That  der  Fall.  Yersuchen  wir  zu  er- 
mitteln, ob  und  welche  historisch  beglaubigte  Mond-  und  Osterdaten^ 
der  römischen  Kirche  auf  den  modificirten  84  jährigen  Cyclus  der 
Zeitzer  Tafel  zurückgehen. 

a.  Das  Osterfest  387  ward  von  den  Lateinern  am  21.  März,  von 
den  Alexandrinern  am  25.  April  begangen  *.  Nach  der  Zeitzer  Tafel 
hätte  dasselbe  am  28.  März  gefeiert  werden  müssen,  da  Osterneumond 
in  diesem  Schema  nicht  wie  in  dem  älteren  den  6.,  sondern  den 
B.März  fällt;  der  Urheber  desselben  begleitet  seinen  Ansatz  mit  der 
folgenden  Randbemerkung:    Iheophilus  pasclia  in   XHH  hol.  Mai. 

1)  Prol.  p.  481.  483  Buch,  [bei  Krusch  S.  337.  340].     Ideler  2,  272. 

2)  Ideler  2,  271  [Schwartz  Ostertafeln  S.  43.  89  ff.].  s 

3)  Ohss.  in  Prosp.  p.  217  sq.  4)  Ideler  2,  254  fg.  •'• 


Zeitzer  Ostertafel  vom  J.  447.  595 

(18.  April)  pronuntiavlt,  quod  forte  sit  (sehr,  est)  melius;  tantum  tit 
XII  kal.  Apriles  (21.  März),  quod  Latini  elegerant,  refutetur.  Er  will 
also  das  Fest  am  28.  März  gefeiert  wissen,  lässt  sich  aber  auch  den 
18.  April  gefallen,  während  er  den  21.  März  unbedingt  verwirft.  Was 
hier  über  Theophilus  gesagt  wird,  ist  nicht  richtig;*)  denn  er  wollte 
Ostern  nicht  am  1 8.  April  gefeiert  wissen,  sondern  warnt  vor  diesem 
Irrthum  und  fordert  die  Verschiebung  der  Feier  auf  den  25.^;  aber 
4a  der  letztere  Tag  den  Occidentalen,  die  Ostern  ein  für  allemal 
nicht  nach  dem  21.  April  gefeiert  wissen  wollten,  verwerflich  erschien, 
so  scheint  unser  Verfasser  als  das  nach  alexandrinischen  Voraus- 
setzungen allein  annehmbare  Datum  den  18.  April  betrachtet  zu 
haben.  Die  Feier  des  Osterfestes  am  21.  März  verwirft  der  Verfasser 
unseres  Paschalbuches  wohl  nicht  desshalb  so  entschieden,  weil  nach 
den  Regeln  nicht  seiner,  sondern  der  alexandrinischen  Kirche  das 
Osterfest  frühestens  am  22.  März  gefeiert  werden  kann'^,  sondern  weil 
nach  seiner  Ansetzung  des  Osterneumonds  der  21.  März  luna  XIV  ist. 
Bestimmt  ergiebt  sich  aber  hieraus,  dass  die  in  der  Zeitzer  Tafel 
nachträglich  für  387  geforderte  Ordnung  in  diesem  Jahre  für  die 
lateinische  Kirche  noch  nicht  bestand. 

h.  Eine  Inschrift  vom  J.  397  ^  bezeichnet  den  25.  Febr.  als  luna 
XII,  was  mit  dem  älteren  Schema  stimmt;  nach  der  Zeitzer  Tafel 
wäre  dieser  Tag  als  luna  X  zu  bezeichnen  gewesen. 

c.  Papst  Innocenz  I.  setzte  das  Osterfest  414  auf  den  22.  März  561 
luna  XVI*.    Dies  stimmt  mit  dem  ursprünglichen  84  jährigen  Cyclus, 
wogegen  nach    der  Zeitzer  Tafel    der   22.  März  auf  luna  XV  und 
Ostersonntag,  da  Osterneumond  nach  ihr  den  8.  März  fällt,  auf  den 

29.  März  luna  XXII  sich  verschiebt.  In  diesem  Jahr  war  also  un- 
widersprechlich  noch  die  ältere  Tafel  in  Geltung. 

d.  Für  das  Osterfest  417  führen  die  beiden  lateinischen  Tafeln 
zu  demselben  Datum  des  25.  März,  das  Paschasinus ^  als  das  der 
lateinischen  Feier  bezeugt,  während  die  alexandrinische  Rechnung 
in  diesem  Jahr  auf  den  22.  April  kam. 

e.  Die  Paschaltafel  des  cod.  Vat.  Reg.  2077  [chron.  min.  I  p.  741], 
die  nach  Rossis^  Beobachtung  ursprünglich  427  aufgesetzt  ist,  folgt 


*)  [Vergl.  Krusch  S.  111;  Mommsen  chron.  min.  I  p.  505;  Schwartz  S.  54.] 

1)  Van  der  Hagen  ohss.  in.  prol.  p.  9. 

2)  Diese  Regel  der  Alexandriner  (Ideler  2,  199.  247.  259)  fand  freilich  auch 
früh  im  Occident  Eingang  (Ideler  2,  245). 

3)  Rossi  inscr.  ehr.  I  n.  443.  4)  Ideler  2,  258. 

5)  p.  76  Bucher  [Krusch  S.  249].    Vgl.  Ideler  2,  247. 

6)  p.  LVIII.  LIX.  XC  [Krusch  S.  46]. 

38* 


596  Zeitzer  Ostertafel  vom  J.  447. 

dem  älteren  System.  Dasselbe  setzt  Cyrillus  in  seinem  437  ge- 
schriebenen Paschalbrief  voraus  als  das  damalige  der  lateinischen 
Kirche  (8.  591  A.  1). 

f.  Das  Osterfest  444  sollte  nach  den  Regeln  der  lateinischen 
Kirche,  den  Angaben  des  Cyrillus  und  des  Paschasinus  ^  zufolge,  am 
26.  März  gefeiert  werden;  Leo  indess  Hess  sich  durch  die  Vorstel- 
lungen der  genannten  Bischöfe  bestimmen  es  nach  alexandrinischer 
Berechnung  auf  den  23.  April  anzusetzen.  Der  ursprüngliche 
84jährige  Cyclus  ergiebt,  da  darin  Osterneumond  auf  den  4.  März 
gesetzt  ist,  als  Ostergrenze  Sonnabend  den  18.  und  als  Ostersonntag 
den  19.  März;  nach  den  Ansetzungen  der  Zeitzer  Tafel  dagegen  kam 
Osterneumond  auf  den  6.,  die  Ostergrenze  auf  Montag  den  20., 
Ostersonntag  auf  den  26.  März.  Demnach  scheint  hier  das  letztere 
System  zu  Grunde  zu  liegen.*) 

g.  Die  Osterfeste  der  drei  Jahre  453.  454.  455  sollten  nach  den 
Regeln  der  lateinischen  Kirche,  dem  Zeugniss  des  Papstes  Leo  und 
des  Chronisten  Prosper  zufolge,  auf  die  Tage  April  12.  4.  17  fallen  2. 
Für  das  erste  Jahr  stimmen  alle  Ansetzungen  überein.  Für  454 
ergiebt  das  ältere  Schema  des  84jährigen  Cyclus  Osterneumond 
13.  März,    Ostergrenze  Sonnabend  27.  März,    Ostersonntag  28.  März, 

562  dagegen  das  der  Zeitzer  Tafel  Osterneumond  16.  März,  Ostergrenze 
Dienstag  30.  März,  Ostersonntag  4.  April;  hier  also  stimmt  die  Praxis 
der  römischen  Kirche  mit  dem  letzteren  überein.  Für  455  führt 
das  ältere  Schema  auf  den  17.  April;  das  des  Zeitzer  Fragments 
dagegen  würde  wie  das  alexandrinische  den  24.  ergeben,  wenn  nicht 
mit  Sicherheit  angenommen  werden  dürfte,  dass  das  in  der  lateinischen 
Kirche  unverbrüchlich  festgehaltene  Gesetz  das  Osterfest  nicht  später 
als  am  21.  April  zu  feiern,  hier  den  Yerfertiger  derselben  genöthigt 
hat  eine  Abweichung  von  seinem  System  zuzulassen. 

Da  es  nun  einerseits  feststeht,  dass  der  ursprüngliche  84jährige 
Cyclus  die  effectiven  Osteransetzungen  der  lateinischen  Kirche  um 
die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts,  namentlich  diejenigen  der  Jahre 
444  und  454,  nicht  erklärt,  dass  uns  dagegen  in  den  Zeitzer  Blättern 
das  Bruchstück  einer  447  geschriebenen  und  dem  römischen  Bischof 
zugeeigneten  modificirten  Ostertafel  vorliegt,  welche  jenen  Anforde- 
rungen genügt  und  insbesondere  die  Ostertage  444  und  454  befriedi- 
gend erklärt,   so  wird  man  in  derselben  nicht  mehr  eine  ephemere 

1)  p.  72.  75  Bucher  [Krusch  S.  248]. 

*)  [Vergl.  jetzt  Mommsen  chrou.  min.  1  p.  505  A.  2.] 

2)  p.  78  sq.  Bucher  [Krusch  S.  258  ff.].  Prosp.  chron.  bei  dem  J.  455  [chron. 
min.  I  p.  484]. 


Zeitzer  Ostertafel  vom  J.  447.  597 

und  zu  keiner  weiteren  Verbreitung  gelangte,  sondern  die  officielle 
Ostertafel  der  römischen  Kirche  um  die  Zeit  Leos  des  Grossen  zu 
erblicken  habend  Damit  soll  natürlich  nicht  behauptet  werden,  dass 
diese  Modification  des  84  jährigen  Cyclus  zuerst  durch  unsere  Tafel 
447  eingeführt  worden  ist;  vielmehr  ergiebt  sich  aus  dem  Gesagten, 
dass  die  römische  Kirche  diese  Modification  zwischen  437  und  444, 
also  vor  Abfassung  unserer  Tafel,  vielleicht  eben  in  Folge  des 
cyrillischen  Paschalbriefs  vom  J.  437*)  recipirt  hat.  Allerdings  ist 
dies  nicht  in  absoluter  Weise  geschehen,  sondern  es  stellten,  wie  die 
Vorreden  unseres  so  wie  des  victorischen  Paschale ^  ergeben,  die 
gebräuchlichen  Tafeln  in  zweifelhaften  Fällen  neben  dem  Vorzugs-  563 
weise  gebiUigten  Datum  der  eigenen  Kirche  noch  in  Anmerkungen 
die  Ansetzung  der  andern  auf  und  überliessen  die  Entscheidung 
in  dem  gegebenen  Fall  der  beikommenden  geistlichen  Oberbehörde, 
die  darüber  durch  Erlass  an  die  von  ihr  abhängigen  Geistlichen 
endgültig  entschied.  Von  diesen  oft  willkürlichen  Ansetzungen  des 
Osterfestes  in  dem  Sprengel  des  römischen  Bischofs  hat  aus  älterer 
Zeit  die  der  Chronographie  von  354  einverleibte  Tafel  nicht  wenige 
Spuren  bewahrt  und  noch  Leo  I.  hat  also  die  Osterfeste  444.  455 
nicht  nach  dem  von  seiner  Kirche  recipirten  Paschale,  sondern  nach 
alexandrinischer  Regel  angesetzt.  Wie  weit  das  Recht  und  die  Macht 
des  römischen  Bischofs  in  dieser  Hinsicht  in  früherer  Zeit  gereicht 
hat,   mögen  Sachkundige  ausmachen;  die  Annahme,  dass  seine  Be- 

1)  Rossi  1.  c.  p.  XCII  weist  diese  Möglichkeit  ab,  weil  aus  der  Controverse 
über  die  Osterfeier  455  hervorgehe,  dass  damals  die  Römer  und  Alexandriner 
in  der  Ansetzung  des  Mondalters  um  zwei  Tage  differirt  hätten.  Allein  dies  ist 
wohl  für  437,  aber  nicht  für  455  bezeugt  (vgl,  S.  591  A.  1);  denn  dass  Victorius 
im  J.  457  im  Allgemeinen  die  verschiedene  Ansetzung  des  Mondalters  als  eine 
der  Differenzen  zwischen  Lateinern  und  Griechen  bezeichnet,  kann  um  so  weniger 
in  Betracht  kommen,  als  ja  der  raodificirte  Cyclus  selbst  die  Differenz  nur  für 
den  Augenblick,  nicht  dauernd  beseitigte  (S.  591).  [Auch  nach  Krusch  S.  129 
war  die  Zeitzer  Tafel  eine  Zeitlang  'die  officielle  Ostertafel  der  römischen  Kirche'; 
andrer  Ansicht  war  später  Mommsen  selbst,  chron.  min.  I  p.  505,  und  Schwartz 
Ostertafeln  S.  72,] 

*)  [S.  jedoch  S.  591  A.  1.] 

2)  Victorius  p.  9  [chron.  min.  I  p.  684]:  propter  diversorurn  paschalium  con- 
dü&res  vin  in  hoc  eodem  cyclo  dies  paschae  geminata  designatione  positus  invenitur 
.  .  .  non  meo  iudicio  aliquid  definitum,  sed  pro  ecclesiarmn  pace  apostoUcae  ponti- 
ficis  electioni  servatum,  qtmtenus  nee  ego  qiwd  ad  meum  pertinebat  officium  praeter- 
irem  et  in  eins  constitueretiir  arbitrium  qui  universali  ecclesiae  praesideret,  quaenam 
potissimum  dies  in  tali  condicione  sollemnitati  praecipuae  deputetur.  Freilich  liegt 
der  Verdacht  nahe,  dass  auch  diese  Worte  durch  die  im  Interesse  der  katholi- 
.schen  Kirche  vorgenommene  Interpolation  gelitten  haben;  doch  möchte  ich  sie 
für  echt  halten. 


598 


Zeitzer  Ostertafel  vom  J.  447. 


fugniss  das  Osterfest  für  die  gesammte  Christenheit  anzusagen  bereits 
vom  Concil  von  Nicaea  datire,  wird  übrigens  wohl  sehr  grosser  Be- 
schränkung bedürfen.  Hier  soll  nur  noch  die  Frage  erörtert  werden, 
wie  lange  der  84jährige  Cyclus  Bestand  gehabt  hat  und  wann  er  im 
Gebrauch  der  römischen  Kirche  durch  einen  auf  alexandrinische 
Regeln  fussenden  ersetzt  worden  ist.  Gewöhnlich  wird  angenommen, 
dass  das  Paschale  des  Yictorius  bald  nach  seiner  Abfassung  457  die 
ältere  Tafel  verdrängt  habe;  und  dies  würde  sicher  sein,  wenn  die 
stadtrömische  Inschrift  vom  J.  463,  die  nach  Rossi^  den  Gebrauch 
des  victorischen  Schemas  voraussetzt,  in  der  That  so  verstanden 
werden  müsste.  Allein  die  Beweiskraft  dieser  Inschrift  ist  im  Voraus 
schon  durch  das  früher  Gesagte  beseitigt.  Denn  der  darin  voraus- 
gesetzte Ostertag  stimmt  sowohl  mit  dem  84jährigen  Cyclus  (und 
zwar  nicht  minder  nach  dem  älteren  als  nach  dem  Zeitzer  Schema) 
wie  mit  dem  victorischen,  dagegen  nicht  mit  dem  von  van  der  Hagen 
supponirten  und  dem  Prosper  zugeschriebenen;  nachdem  nun  aber 
gezeigt  ist,  dass  der  letztere  überhaupt  nie  existirt  hat,  ist  keine 
Ursache  mehr  vorhanden  diese  Ostersetzung  auf  Victorius  und  nicht 
vielmehr  auf  den  84  jährigen  Cyclus  zu  beziehen,  dessen  Geltung  in 
Rom  noch  im  J.  455  ausser  Zweifel  steht.  Dass  der  Papst  Hilarus 
564  (461  —  468)  die  Tafel  des  Yictorius  in  den  officiellen  Gebrauch  der 
römischen  Kirche  eingeführt  habe,  wird  man  nicht  mehr  sagen 
dürfen,  seitdem  Jaffe^  die  Unechtheit  der  beiden  dem  Prolog  vor- 
gesetzten Briefe  des  Hilarus  an  den  Victorius  und  des  Victorius  an 
den  Hilarus  erwiesen  hat;*)  obwohl  allerdings  die  Fälschung  sehr 
alt  sein  muss  und  bereits  dem  Gennadius  vorgelegen  hat^.  Auf 
Gallien,  wo  der  Verfasser  dieses  Paschale  zu  Hause  gehört,  führen 
auch  die  frühesten  Spuren  seines  Gebrauches;  schon  eine  Inschrift 
von  Vaison  vom   J.  470   [C.  I.  L.  XII    1497]  scheint   nur   nach    dem 


1)  p.  XCIII  und  zu  der  luschrift  n.  810  p.  353  sq. 

2)  In  meiner  Ausgabe  der  Chronik  Cassiodors  S.  678  A.  Rossi  1.  c.  p.  XCII 
lässt  dieselben  noch  als  echt  gelten,  vgl.  p.  356. 

*)  [Die  Briefe  sind  echt,  s.  Krusch,  Neues  Archiv  f.  ältere  deutsche  Geschichts- 
kunde, 4,  1879  S.  169  ff.,  dem  Mommsen  chron.  min.  I  p.  675  zustimmt.] 

3)  Jaffe  meint,  dass  vielmehr  Gennadius  Worte:  "invitatus  a  sancto  Hilaro 
urbis  Romae  episcopo'  die  Fälschung  veranlasst  hätten,  und  dass  Gennadius  selbst 
beim  Lesen  des  Prologs,  der  am  Schluss  der  römischen  Curie  die  letzte  Ent- 
scheidung überweist,  durch  eine  verfehlte  Berechnung  auf  Hilarus  statt  auf  Leo 
gekommen  sei.  Allein  das  giebt  statt  eines  Beschuldigten  deren  zwei.  Mir 
scheint  es  keineswegs  unglaublich,  dass  man  dem  Paschale  des  Victorius  sehr' 
früh  jene  falschen  Briefe  vorgesetzt  hat,  um  dasselbe  damit  unter  die  Aegide 
der  römischen  Curie  zu  stellen. 


Zeitzer  Ostertafel  vom  J.  447.  599 

victorischen  Kanon  erklärt  werden  zu  können^;  ebendahin  führt  die 
Erwähnung  bei  Gennadius  von  Marseille  und  bei  mehreren  Späteren  2; 
hier  sind  auch  die  Handschriften  zu  Hause.  Was  Italien  anlangt, 
80  scheint  von  dem  Gebrauch  des  victorischen  Paschalc  für  das  fünfte 
Jahrhundert  kein  stichhaltiger  Beweis  vorzuliegen;  für  das  sechste 
dagegen  ist  der  Gebrauch  des  victorischen  Paschale  daselbst  ausser 
Zweifel.  Cassiodorus  hat  dasselbe  seiner  519  bekannt  gemachten 
Chronik  zu  Grunde  gelegt,  Bischof  Victor  von  Capua  stellt  in  einem 
Briefe  von  550  der  Ansetzung  des  damals  neu  eingeführten  dionysi- 
schen Cyclus  die  des  victorischen  gegenüber  ^  Endlich  die  in  Cam- 
panien  geschriebene  Paschaltafel  464  —  614  [chron.  min.  I  p.  745  ff.] 
beruht,  wie  Rossi*  gezeigt  hat,  wesentlich  auf  derjenigen  des  Vic- 
torius.  Allerdings  sind  also  die  auf  den  84jährigen  Cyclus  basirten 
Tafeln  auch  in  Italien  durch  die  victorische  verdrängt  worden,  bevor 
diese  selber  der  dionysischen  wich;  indess  ist  dabei  ein  wichtiger 
Umstand  nicht  zu  übersehen.  Die  victorische  wie  die  dionysische 
Tafel  ruhten  zwar  beide,  mathemntisch  betrachtet,  wesentlich  auf 
dem  alexandrinischen  Schema ;  aber  die  letztere  allein  führt  dasselbe 
als  ausschliesslich  normirendes  durch ,  während  die  victorische  in  565 
vielen,  wenn  nicht  in  allen  Fällen,  wo  die  beiden  Systeme  auf  ver- 
schiedene Ansetzungen  führten,  doppelte  Ostertage  angab  und  die 
Entscheidung  der  geistlichen  Autorität  anheimstellte.  Wir  sind  freilich 
über  diese  victorischen  Geminationen  nur  unvollkommen  unterrichtet^; 
nach  der   ausdrücklichen  Angabe  des  Victor  von  Capua  aber  hatte 


1)  S.  die  schöne  Erklärung  derselben  bei  Rossi  p.  XCIV. 

2)  Vgl.  Ideler  2,  294.  3)  Ideler  2,  293. 

4)  p.  XCV,  vgl.  p.  LXIV. 

5)  Die  aus  Victorius  geflossene  Neapolitaner  Paschaltafel  (Roncalli  chron. 
I  p.  721  sq.  [chron.  min.  I  p.  745  seq.])  überliefert  eine  beträchtliche  Anzahl  solcher 
Doppeldaten,  obvi'ohl  zum  Theil  in  sehr  verdorbener  Gestalt.  Auch  die  in  dem 
Consularverzeichniss  der  J.  456  fg.  der  Handschrift  Leid.  Seal.  28  sporadisch  auf- 
geführten Ostertage  (abgedruckt  in  meiner  Ausgabe  der  Chronik  Cassiodors 
S.  690  sq.  [chron.  min.  I  p.  722  —  780,  vergl.  p.  672])  zeigen  sich  bei  genauer  Be- 
trachtung als  solche,  wo  Victorius  das  Osterfest  als  einer  zwiefachen  Ansetzung 
fähig  bezeichnet  hatte  und  der  Excerpent  desshalb  sich  die  vorangestellten 
Ansetzungen  anmerkte.  Eine  Reihe  anderer  victorischer  Geminationen  ergeben 
sich  durch  die  Vergleichung  der  beiden  Handschriften,  aus  denen  wir  das  vic- 
torische Schema  kennen,  der  von  Bucherius  benutzten  und  Leid.  Seal.  28,  indem 
diese  bei  mehreren  Jahren  im  Ostertag  abweichen;  diese  sind  zusammengestellt 
in  meinem  Cassiodor  S.  692.  —  Die  in  den  Tafeln  Buchers  angemerkten  Gemi- 
nationen sind  seiner  eignen  Aussage  (p.  13)  zufolge  nach  den  Angaben  des  Prologs 
von  ihm  restituirt.  Eine  Sammlung  und  Sichtung  jener  überlieferten  Geminatio- 
nen wäre  zu  wünschen.     [S.  jetzt  Schwartz  S.  75  ff.] 


ßOO  Zeitzer  Ostertafel  vom  J.  447. 

Victorius  bei  dem  J.  550  in  erster  Linie  den  Ostertag  nach  dem 
84jährigen  Cyclus  (17.  Apr.)  verzeichnet  und  den  alexandrinischen 
(24.  Apr.)  nur  in  der  Anmerkung  erwähnt  ^  und  was  wir  sonst  von 
seinen  Doppeldaten  erfahren,  stimmt  hiemit  wesentlich  überein. 
Folglich  lag  in  der  Einführung  des  victorischen  Paschale  noch  keines- 
wegs die  Einführung  des  alexandrinischen  Systems,  sondern  eher  das 
Festhalten,  wenigstens  in  einer  Keihe  von  Diiferenzfällen ,  an  dem 
lateinischen;  und  eben  dieser  Umstand,  dass  Yictorius  den  im  Occi- 
dent  recipirten  Daten  im  Ganzen  die  erste  Stelle  einräumte,  daneben 
aber  die  orientalischen  durchgängig  berücksichtigte,  mag  seinem 
Werke  so  rasche  und  grosse  Verbreitung  verschafft  haben.  Dass 
die  römische  Kirche  bis  weit  in  das  sechste  Jahrhundert  hinein  in 
der  Regel  nicht  nach  der  alexandrinischen,  sondern  nach  der  eigenen 
Norm,  also  materiell  nach  dem  84jährigen  Cyclus  Ostern  angesetzt 
hat,  zeigt  ausser  einer  Anzahl  einzeln  überlieferter  Osteransetzungen^ 
besonders  die  Neapolitaner  Paschaltafel ,  welche  Doppeltage  der 
Osterfeste  nicht  bloss  bis  zu  dieser  Zeit  —  zuletzt  550  —  aufführt, 
sondern  auch  diese  in  der  Art  bezeichnet,  dass  das  alexandrinische 
Osterdatum  den  Graeci,  das  andere  den  Latini  oder  Eomani  (so  bei 
566  dem  J.  501)  beigelegt  wird.  Es  kann  dies,  zumal  bei  einer  entschieden 
auf  gleichzeitige  Aufzeichnungen  zurückgehenden  Tafel,  füglich  nur 
dahin  verstanden  werden,  dass  noch  um  diese  Zeit  die  römische 
Kirche  der  eigenen  Norm  gefolgt  ist^. 

Weiter  zu  kommen  und  den  Yerfasser  der  Zeitzer  Paschaltafel 
zu  bestimmen  wird  für  jetzt  wenigstens  schwerlich  gelingen.  Schon 
van  der  Hagen  hat  die  Modification  des  84  jährigen  Cyclus,  die  unter 
Leo  L  in  Geltung  war,  auf  Prosper  von  Aquitanien  zurückgeführt, 
dessen  verlorener  Ostertafel  Gennadius  und  Isidorus  gedenken*.  Es 
liegt  nahe  in  unserem  Bruchstücke  einen  Überrest  derselben  zu 
erblicken,  wozu  die  Abfassungszeit  sehr  wohl  passt.  Aber  wer  theils 
die  gräulich  entstellte  Consularliste  der  Chronik  Prospers  mit  der 
des  Zeitzer  Fragments,  theils  die  in  beiden  nach  einem  gänzlich 
verschiedenen  Princip  angesetzten  84  jährigen  Cyclen  vergleicht,  wird 
sich  leicht  überzeugen,  dass  beide  Schriften  unmöglich  von  demselben 
Verfasser  herrühren  können.    Bemerkenswerth  bleibt  es  indess,  dass 


1)  Ideler  2,  293. 

2)  Ideler  2,  285. 

3)  Rossi  p.  XCV  stellt  eine   künstliche  und  meines  Erachtens  nicht  halt- 
bare Erklärung  hiervon  auf. 

4)  Ideler  2,  273.  ■• 


Zeitzer  Ostertafel  vom  J,  447.  60 1 

die  Ravennatische  Chronik,  die  besonders  in  ihrer  jüngeren  Recension 
mit  der  Zeitzer  Tafel  sich  in  wesentHchen  Punkten  berührt,  in  eben 
dieser  Recension  bei  dem  J.  378  den  Zusatz  hat:  Jiis  conss.  Horosius 
(vielmehr  Hieronymus)  et  Prosper  fecerunt  cronicas^,  also  der  Ver- 
muthung  Raum  giebt,  dass  dem  Schreiber  eine  von  den  uns  unter 
Prospers  Namen  überlieferten  Recensionen  wesentlich  verschiedene 
und  unserm  Paschale  sich  annähernde  vorgelegen  hat.  Eine  gründ- 
liche Untersuchung  der  verschiedenen  Umgestaltungen  der  Chronik 
Prospers,  die  in  so  vieler  Hinsicht  zu  wünschen  ist,  wird  vielleicht 
auch  hierüber  mit  der  Zeit  Licht  verbreiten. 


1)  S.  meine  Ausgabe  der  Chronographie  S.  656.  665  [chron.  min.  I  p.  296]. 


XXX. 

Das  Nonnenalter.*) 

545  Das  christliche  Gelübde   der  Ehe  zu   entsagen^  ist  seit  seinem 

Aufkommen  im  2.  Jh.  n.  Chr.  vom  sittlichen  und  religiösen  Stand- 
punkt aus  selbstverständlich  stets  als  unwiderruflich  angesehen  wor- 
den. Ebenso  selbstverständlich  aber  ist  die  priesterliche  Zulassung, 
welche  zur  Ablegung  eines  solchen  Gelübdes  durchaus  erfordert 
wird,  an  die  Altersreife  geknüpft  worden,  wobei  späterhin  zuweilen 
zwischen  dem  Eintritt  in  das  Kloster  und  der  Annahme  des  Schleiers 
unterschieden  und  erst  die  letztere  als  bindendes  Gelübde  angesehen 
wird  2.  Eine  rechtlich  feste  Altersgrenze  für  das  Gelübde  hat  in  der 
frühesten  Zeit  des  Nonnenthums  nicht  bestanden;  die  priesterliche 
Gestattung  wird  abhängig  gemacht  von  der  Individualität  des  ein- 
zelnen Falles^.  Allein  die  Gefährlichkeit  eines  derartigen  discre- 
tionären   Verfahrens  führte    nach   verschiedenen    mehr  localen   An- 


*)  [Neues  Archiv  d.  Ges.  f.  ältere  deutsche  Geschichts künde  22  (1897) 
S.  545-547.] 

1)  Ich  folge  in  dieser  Darlegung  der  Erörterung  von  Edwin  Hatch  in 
Smith  und  Cheethams  dictionary  of  Christian  antiquities  Bd.  2  S.  2021. 

2)  Mabillon  ann.  S.  Benedicti  1.  VIII  c.  47  [I  p.  232  ed.  Paris.  1703]:  veMio 
sanctimonialium  non  in  ipsa  religiosa  professione  statim  fiebat,  sed  post  multos 
prohatae  mtae  annos,  qiiod  etiam  nunc  Venetiis  observatum  vidimus. 

3)  Basilius  in  dem  Brief  an  Amphilochius  vom  J.  373  (ep.  199  =  2)  ge- 
stattet den  Eintritt  in  das  Kloster  schon  mit  dem  sechzehnten  oder  siebzehnten 
Jahre,  ohne  Zweifel  nach  besonderer  Prüfung.  Tag  6/iio?Myiag  (=  professiones) 
TÖTE  eyxQivofiev,  äcp'  ovneg  avrj  rjXixia  rrjv  xov  Xoyov  av/mtlrjQcoaiv  s'xjj  '  ov8e  yag  Tag 
jiaidixäg  (pcoväg  jrdvTcog  xvQiag  im  t&v  toiovtcov  ^yeTo-&ai  jiqoo^xev,  aX?M  Tt)v  vnsQ 
TU.  ÖExa  E^  tj  dsxa  xal  ejitu  yEvo/j,Evrjv  ety]  xvQiav  ovaav  t&v  koytoficöv.  Ambrosiu» 
(de  virg.  7)  wendet  auf  diesen  Eintritt  den  Spruch  Christi  an,  dass  den  Kindern 
nicht  gewehrt  werden  dürfe  zu  ihm  zu  kommen,  freilich  mit  dem  Beisatz 
sacerdotalis  eautionis  esse  debere,  ut  non  temere  puella  reletur. 


Das  Nonnenalter.  603 

Ordnungen^  zu  der  Festsetzung  durch  Kaisergesetz  vom  J.  458^,  546 
dass  der  Schleier  nicht  vor  dem  vollendeten  vierzigsten  Lebensjahre 
genommen  werden  darf.  Die  römische  Aristokratie  dieser  Epoche 
schickte  die  Töchter  häufig  ins  Kloster,  um  das  Hausvermögen  zu- 
sammenzuhalten und  die  Regierung  suchte  der  in  den  vornehmen 
Kreisen  überhand  nehmenden  Ehelosigkeit  und  der  dadurch  dem 
(remeinwesen  bereiteten  Schädigung  zu  steuern^. 

Diese  reichsgesetzliche  Anordnung,  welche  auf  einem  gallischen 
Concil  im  J.  506  wiederholt  ward*,  findet  sich  auch  in  dem  Ponti- 
ficalbuch  unter  Papst  Leo  I.  (440 — 461)  in  folgender  Form:  hie  con- 
'itult  monacha  non  acciperet  velnmlnis  capitis  henedictionem ,  nisi 
j'iobata  fuerit  in  virginitate  LX  annorum.  Dass  die  angebliche 
liäpstliche  Constitution  nichts  ist  als  eben  jenes  Kaisergesetz,  dem 
sie  auch  im  "Wortlaut  nahe  steht,  geht  aus  der  Gleichzeitigkeit 
beider  Anordnungen  hervor.  Um  so  auffallender  ist  die  Abweichung 
in  der  Altersgrenze.  Aber  hier  geben  die  Handschriften  Hülfe. 
Die  Cononische  Epitome  der  älteren  Recension,  welche  auch  sonst 
L^egenüber  gemeinschaftlichen  Interpolationen  der  felicianischen  und 
der  jüngeren  Recension  mehrfach  die  ursprüngliche  Form  bewahrt 
hat,*)  liest  XL  für  LX,  und  es  kann  nicht  bezweifelt  werden,  dass 
(lies  die  ursprüngliche  Lesung  ist. 

1)  Spanische  Synode  von  Caesaraugusta  im  J.  380  (Mansi  3,  635)  can.  8: 
non  velundas  esse  virgines  quae  sc  deo  voverint  nisi  quadraginta  annoi'um  probata 
aetate,  quam  sacerdos  coniprobaverit.  Karthagische  Synode  vom  .1.  397  (Mansi 
3,919)  can.  1:  ut  ante  XXV  aetatis  annos  nee  clerici  (n-dinentur  nee  virgines 
consecrentur.  Karthagische  Synode  vom  J.  418  (Mansi  3,  822  —  4,  508)  can.  126: 
i(t  quicumque  episcoporiim  necessitatc  j)criclitantis  pudieitiae  virginalis  .  .  .  velaverit 
rirginem  seu  velavit  intra  viginti  quinque  annos  aetatis,  non  ei  obsit  concilium, 
quod  de  isto  annwum  nume.ro  constitutum  est. 

2)  Maiorian  nov.  6  [c.  1]:  edictali  Iqje  sancimus  fdias,  quas  patei-  materve  .  .  . 
Christianae  fidei  servire  jyrueceptis  eontinuata  virginitate  censuerint,  in  beatae  vüae 
proposito  permanentes  non  ante  siiseepto  honxyrati  capitis  velamine  conseerari  quam 
madraginta  annos  aetatis  emensae  talibus  infulis  .  .  .  meruerint  .  .  .  decorari.     Es 

Igen  Strafbestimmungen  gegen  die  Aeltern,  resp.  die  älternlosen  Jungfrauen, 
owie  gegen  die  Geistlichen,  welche  gegen  dies  Gesetz  eine  Weihung  bewirken 
der  zulassen,  sowie  Bestimmungen  zum  Schutz  derjenigen  Jungfrauen,  die  vor 
dem  vierzigsten  .Jahre  aus  dem  Kloster  austreten  und  heirathen. 

3)  Dies  spricht  schon  Basilius  a.  a.  0.  aus  und  bestimmter  noch  Maiorianus 
|in  der  angeführten  Verordnung. 

4)  Concil  von  Agde  (Mansi  8,  328)  can.  19:  sanctinioniales  quamlibet  vita 
iram  et  mores  probati  sint,  ante  annum  aetatis  suae  XL  non  velentur.  Auf  die- 
Ibe  Bestimmung  ist  späterhin  das  Tridentinische  Concil  zurückgekommen. 

*)  [Vgl.  Mommsen  in  den  Prolegomena  zu  seiner  Ausgabe  des  Lib.  pontif. 
.0X11  ff.] 


504  D^^  Nonnenalter. 

Aber  ein  Schreibfehler  ist  dies  nicht.  Yielmehr  haben  in  Betreff 
des  Nonnenalters  in  den  pontificalen  Documenten  zwei  bemerkens- 
werthe  Interpolationen  stattgefunden. 

Der  clericale  Fälscher,  welcher  das  angeblich  von  Papst  Silvester 
abgehaltene  Concil  angefertigt  hat,  fordert  für  die  Braut  Christi 
und  die  Anlegung  dieses  Brautschleiers  das  zweiundsiebzigste  Lebens- 
547  jahr^.  Dies  ist  weiter  nichts  als  der  Einfall  eines  Geistlichen  des 
sechsten  Jahrhunderts,  dem  die  weltliche  Anordnung  nicht  genügte 
und  bei  dem  die  Frömmigkeit  für  den  Menschenverstand  eintrat. 

Das  Pontificalbuch,  das  sonst  von  dieser  Fälschung  vielfach  ab- 
hängt, hat  diese  Absurdität  auch  in  der  zweiten  Bearbeitung  nicht 
wiederholt,  sondern,  wie  bemerkt,  in  dieser  für  den  Schleier  das 
sechzigste  Lebensjahr  gefordert.  "Wahrscheinlich  ist  dies  geschehen 
im  Anschluss  an  einen  Brief  Gregors  I.  '^,  in  dem  es  heisst :  iuven- 
culas  fieri  abhatissas  vehemendssime  prohihemus;  nullum  igihir  epi- 
scopum  fraternitas  tiia  nisi  sexagenariam  virginem,  cuius  vita  hoc  atque 
mores  exegerint,  velare  ijermittat.  Freilich  hat  Gregor  wohl  nur 
sagen  wollen,  dass  die  Aebtissin  dies  Alter  haben  müsse  und  dass, 
wenn  sie  den  Schleier  nicht  früher  genommen  habe,  sie  ihn  jetzt 
zu  nehmen  habe.  Aber  wenn  er  dies  gemeint  hat,  so  ist  die  Fassung 
wenig  präcis  und  es  konnte  aus  den  Worten  heraus  oder  in  sie 
hineingelesen  werden,  dass  der  Schleier  überhaupt  nicht  vor  dem 
sechzigsten  Jahre  genommen  werden  dürfe.  In  diesem  Sinne  scheint 
das  Pontificalbuch  interpoliert  worden  zu  sein.  Es  begegnen  auch 
sonst  Spuren,  dass  dessen  Verfasser  die  Gregorbriefe  lange  vor  ihrer 
Publication  gekannt  und  benutzt  hat. 


^ 


1)  Constitutum  Silvestri  c.  10  can.  14:  nullus  etiam  episcoportmi  virginem 
saeratam  maritali  consmtio  (mit  Christus)  expeteret  benedici,  nisi  eam  probaveriti 
LXXII  annornm  esse  constitutani ;  ibi  probabitur  iudicium  (=  ixidicio)  pudidtia 
vera,  ut  in  LXXII  annos  (sehr,  anno)  requirens  virum  Christum  pudidtia  custo- 
dita  uncta  vertice  introducatur  ad  nuptias  Christi,  velamen  capitis  ferens,  non  cordis. 

2)  4,  11  vom  J.  593.  Gregor  selbst  hat  sich  dabei  leiten  lassen  durch  die 
Analogie  des  ersten  Timotheusbriefes:  vidua  eligatur  non  minus  sexaginta  anno 
rum,  quae  fuerit  unius  mariti  tixor. 


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XXXI. 

lieber  die  Acten  zum  Schisma  des  Jahres  530.*) 

lieber   die  neuerdings  aufgefundenen   das  Schisma  vom   J.  530  581 
)etreffenden  Acten  möchte  ich  zu  den  Bemerkungen  Ewalds  in  dieser 
Zeitschrift  [Neues  Archiv  10,  1885]  S.  412  einiges  nachtragen. 

Materiell  wie  formell  ist  insbesondere  das  zweite  Actenstück 
über  das  Eingreifen  des  Senats  in  die  Wirren  dieser  Papstwahl  von 
erheblichem  Interesse. 

Ucber   die   Sache  selbst  sollen  hier   nur  wenige  Worte   gesagt 
werden.     Der  Senatsbeschluss,  von  welchem  das  bezeichnete  Acten- 
stück spricht,  ist  allerdings,  wie  Ewald  bemerkt,  derselbe,  den,  als 
rar  Zeit  des  Papstes  Bonifatius  (20.  Sept.  530  —  17.  Oct.  532)  ge- 
faest,  das  Schreiben  des  Königs  Athalarich  (f  2.  Oct.  534)  an  Papst 
Johannes  (seit  31.  Dec.  532)  bei  Cassiodorius**)  Var.  9,  15  [§  3]  und 
las   dazu  gehörige   an   den    Stadtpräfecten   Salventius   das.  0,  16  er- 
wähnen.    Nur  möchte   ich   nicht  mit  Ewald  annehmen,   dass  dieser 
Beschluss  noch  vor   dem  Antritt  des  Bonifatius   in   der  letzten  Zeit 
eines  Vorgängers  Felix  IV.  erging.     Wenn  Felix  kurz  vor  seinem 
?ode  seinen  Nachfolger  bestellte,  im  Gegensatz  gegen  das  Herkommen 
ne  gegen  die  Ordnungen  der  Kirche,  so  hat  der  Senat  diesen  Miss- 
»rauch  gar  wohl  erst  nach  dem  Tode    des  Felix  und  nach  der  Er- 
lebung    des  Bonifatius  verbieten  und    gleichzeitig  dennoch    den    zu 
Jnrecht    bestellten  Papst  Bonifatius    anerkennen    können.     Sowohl 
ierin  wie   in   dem  zweiten  Theil   jener  Senatsbeschlüsse,    welchen 
ijithalarich   allein   erwähnt,    in  der  Untersagung  der  Geldgeschenke 
um  Zweck  der  Papstwahl,  scheint  mir  von  grosser  Politik  gar  nichts 
u  stecken.     Es   sind  dies  lediglich  Verfügungen  der  obersten  Auf- 


*)  [Neues  Archiv  10  (1885)  S.  581-585.] 

**)  [Besser  Cassiodorus,  welche  Form  Momrasen  selbst  später  (Prooemium 
1  s.  Ausg.  der  Variae  p.  VII  n.  2)  als  die  wahrscheinlich  allein  richtige  er- 
lesen hat.] 


606 


Ueber  die  Acten  zum  Schisma  des  Jahres  530. 


Sichtsbehörde,  welche  durch  die  bei  der  Papstwahl  im  Herbst  530 
vorgekommenen  Aergernisse  hervorgerufen  wurden  und  notorische 
üebelstände  für  die  Zukunft  abstellen  sollten;  weshalb  denn  auch 
König  Athalarich  in  Folge  der  ebenfalls  durch  Simonie  befleckten 
Wahl  des  Papstes  Johannes  II.  Ende  532  wenigstens  die  zweite 
dieser  Verordnungen  einschärfte.  —  Wenn  hiernach  das  zweite  Acten- 
582  stück  unter  Bonifatius  fällt,  so  ist  es  allerdings  wahrscheinlich  in 
den  Anfang  seines  Regiments  zu  setzen,  theils  weil  das  Einschreiten 
gegen  die  bei  seiner  Einsetzung  vorgekommenen  Unrechtlichkeiten 
auf  diese  selbst  bald  gefolgt  sein  wird ,  theils  weil  die  drei  Acten 
stücke  allem  Anschein  nach  in  chronologischer  Folge  stehen  und 
das  unsrige  den  Platz  einnimmt  zwischen  dem  Schreiben  des  sterben- 
den Papstes  Felix  lY.  vom  September  530^  und  der  Retractatior 
der  Anhänger  des  Dioscorus  vom  27.  December  desselben  Jahres. 

Materiell  bemerkenswerth  ist  das  Actenstück  für  die  Competens 
des  Senats  der  Reichshauptstädte.  In  dieser  Epoche  erscheint  ii 
unseren  Rechtsbüchern  der  Senat  mit  der  Gresetzgebung  nur  insowei 
befasst,  dass  die  allgemeinen  kaiserlichen  Gesetze  auch  jetzt  nocl 
sehr  häufig  gefasst  werden  als  schriftlich  an  den  Senat  gebracht« 
Erlasse  2;  ausserdem  wird  der  Senat  zuweilen  vorher  befragt  wegei 
zu  erlassender  Gesetze  ^.  Dass  das  Senatsconsult  als  solches  Gesetzes 
kraft  hat,  wird  für  diese  Epoche  wohl  allgemein  hingestellt*;  abe 
ich  wüsste  dafür  keinen  zweiten  Beleg  als  eben  diese  Yerfügungeu 
welche,  wie  wir  jetzt  ersehen,  dem  Contravenienten  den  Verlust  de 
halben  Vermögens  androhen^  und  deren  formale  Gültigkeit  ebe 
■dadurch  auf  das   Bestimmteste   anerkannt  wird,    dass    einige    Jahr 

1)  Ewald  a.  a.  0.  S.  415, 

2)  V.  0.  von  386  (C.  Th.  12,  11,  2):  oratio  ad  senatum  missa. 

3)  V.  0.  von  445  (C.  lust.  1,  14,  8).  Einen  Fall  der  Art,  wo  es  sich  alle) 
dings  zunächst  um  den  Senat  selbst  betreffende  Festsetzungen  handelt,  bericht« 
Symmachus  rel.  8. 

4)  V.  0.  von  384  (C.  Just.  1,  16,  1) :  quamvis  consultum  senatus  perpetuam  p< 
se  obtineat  firmitatem,  tarnen  etiam  nostris  legibus  idem  prosequimur  adieient 
u.  s.  w.  Cassiodor  Var.  6,  4  [§  2]  rühmt  von  den  Senatoren,  dass  sie  willig  b' 
dem  Präfecten  Recht  nehmen  nach  den  Gesetzen,  die  sie  selbst  zu  erlassen  h 
fugt  sind  (ut  optent  se  legibus  teneri,  quae  ab  ipsis  sciuntur  potuisse  constitu 
so  dass  sie  dem  keinen  Richter  über  sich  erkennenden  Herrscher  wohl  in  erstere 
aber  nicht  in  letzterer  Hinsicht  nachstehen.  Erst  Leo  der  Weise  um  das  J.  9( 
hob  dies  auf  und  schrieb  vor  (nov.  78)  rijv  avyxkrjrov  Tfjg  iv  roTg  vöfxoig  avfiJio/ 
reiag  diaxgivso^ai. 

5)  Cassiodorius  9,  16  [§  1]  sagt  nur:  dudum  .  .  senatus  amplissimiis  . . 
constituit,  ut  in  beatissimi  papae  consecratione  nullus  se  abominabili  cupidüc 
pollueret,  poena  etiam  constituta  qui  talia  praesumere  temptavisset. 


«in 
Iffter, 


i 


üeber  die  Acten  zum  Schisma  des  Jahres  530.  607 


nachher  König  Athalarich  sie  mit  einem  eigenen  einschärfenden 
Erlass  zugleich  an  der  Peterskirche  aufzustellen  befahl^.  Wenn 
man  sich  erinnert,  dass  das  Recht  der  Gesetzgebung  in  dieser  Epoche 
auch  den  praefecti  praetorio  zusteht,  natürlich  aber  einem  jeden  der- 
selben nur  innerhalb  seines  Sprengeis,  und  sich  ferner  erinnert,  dass 
die  beiden  Reichshauptstädte  selbständig  neben  den  Verwaltungs- 
bezirken jener  Präfecten  stehen,  so  wird  man  für  die  spätere  Reichs-  5S3 
Verfassung  daraus  ableiten  dürfen,  dass  auch  den  Beamten  und  den 
Senaten  der  beiden  Reichshauptstädte,  ebenfalls  für  ihre  Sprengel, 
das  Recht  der  Gesetzgebung  zugestanden  hat.  Es  ist  nur  folgerichtig, 
dass  die  für  die  einzelnen  Reichstheile,  die  Sprengel  wie  die  Städte, 
i  erlassenen  Gesetze  der  allgemeinen  Reichsgesetzgebung  nicht  zuge- 
zählt und  von  ihr  ignoriert  werden. 

Formell  macht  das  Actenstück  grössere  Schwierigkeit.  Ein 
Senatsbeschluss  ist  es  nicht  und  will  es  nicht  sein,  sondern  eine 
contcstatio  senatus,  wie  die  Unterschrift  lautet,  also  eine  Ansprache, 
oder  nach  der  Ueberschrift  senatus  amplissimus  presbyteris  et  diaconis 
et  universo  clero,  ein  offener  Brief  an  die  Geistlichkeit  Roms.  Dem 
entsprechend  ist  das  Actenstück  den  Adressaten  zur  Kenntnis  ge- 
bracht worden  durch  öffentlichen  Anschlagt,  und  zwar  wahrschein- 
lich, wie  der  in  der  Handschrift  voraufgehende  Erlass  des  Papstes, 
■durch  Anschlag  an  die  Thüren  der  sämmtlichen  Parochialkirchen 
Roms  ^.  Damit  steht  es  in  vollem  Einklang,  dass  die  Urheber  dieses 
Actenstückes  den  Adressaten  mittheilen,  was  der  Senat  beschlossen 


1)  a.  a.  0.  [§  3] :  tarn  deßnita  nostra  quam  senatus  consulta  tabulis  marmoreis 
■praeeipimus  decenter  incidi  et  ante  atrium  heati  Petri  apostoU  in  testimonium 
fttbUcum  collocari. 

2)  Senatus  talia  pi-oposuit.  Ewald  verwirft  diese  deutliche  und  durchaus 
luverlässige  Angabe  und  denkt  an  die  Republication  dieser  Beschlüsse  durch 
König  Athalarich.  Aber  der  Senat  muss  doch  dieselben  den  Betheiligten  schon 
vorher  zur  Kenntnis  gebracht  haben,  und  für  unser  Actenstück  kommt  nur  diese 
erste  Publication  in  Frage. 

3)  Hoc  per  omnes  propositum  est  titulos  (nach  dem  bekannten  Sprachgebrauch, 
nm  Beispiel   lector  tituli  Fasciolae  Rossi  inscr.  ehr.  1  n.  262)   Bomanos  iubente 

ipa  heato  Feiice.     Dieser  Anschlag    an  die  Kirchthüren  bei  der  Publication 

eht  im  deutlichen   Gegensatz    zu  der  Republication  auf  der  Marmortafel  in 

Peter.    Wenn  Ewald  (S.  421)  meint,   dass,  wofern  das  cassiodorische  Decret 

i^ben  das  unsrige  sei,  das  letztere  nicht  volle  drei  Jahre  zuvor  bereits  an  allen 

Kirchen  Roms  habe  angeschlagen  sein  können,  so  meine  ich  im  Gegentheil,  dass 

ne  Republication  eine  frühere  Publication  mit  Nothwendigkeit  fordert  und 
er  Anschlag  an  die  Kirchthüren   zu  der  dauernden  Aufstellung  den  richtigen 

■  egensatz  bildet. 


ßQg  Ueber  die  Acten  zum  Schisma  des  Jahres  530. 

habe  ^ ;  und  wenn  dasselbe  andrerseits  in  wenigstens  formalem  Wider- 
spruch hiermit  sich  in  der  Intitulation  als  ein  Schreiben  des  senatus 
ampKssimus  bezeichnet,  so  zeigt  auch  hier  die  Hinzufügung  des 
Ehrenprädicats,  welches  der  Senat  sich  nie  selber  giebt,  dass  auch 
hier  dritte  Personen  für  den  Senat  sprechen.  Es  hat  also  eine,  sei 
es  nun  arbiträre,  sei  es  irgendwie  zu  rechtfertigende  Verschiebung 
in  der  Ueberschriftsformel  stattgefunden,  die  uns  allerdings  der  un- 
mittelbaren Antwort  auf  die  Frage  beraubt  hat,  wer  der  wirkliche 
Aussteller  dieser  Urkunde  ist. 

In  gewissem  Sinn  ist  die  Antwort  dennoch  leicht  und  sicher. 
Der  Senat  ediciert  und  correspondiert  überall  nicht;  insofern  seine 
584  Beschlüsse  dritten  Personen  mitzutheilen  sind,  geschieht  dies  durch 
diejenigen  Magistrate,  welche  sie  bewirkt  haben.  Es  gilt  dies  so 
gut  von  dem  ältesten  bekannten  Senatsconsult  über  die  Bacchanalien 
wie  von  allen  übrigen  und  also  auch  von  diesem  jüngsten:  wie  in 
jenem  die  Consuln  den  Yorstehern  der  einzelnen  italischen  Gemeinden 
mittheilen,  was  dieselben  nach  dem  unter  ihrem  Vorsitz  gefassten 
Beschluss  des  Senats  vorzunehmen  haben;  wie  nach  der  kürzlich 
gefundenen  Urkunde  von  Oropos*)  aus  der  ciceronischen  Zeit  die 
Consuln  den  Behörden  dieser  Stadt  das  sie  angehende  Senatsconsult 
in  Abschrift  übersenden,  so  haben  ohne  Zweifel  auch  diesen  Be- 
schluss dem  römischen  Clerus  eben  diejenigen  mitgetheilt,  welche 
ihn  herbeigeführt  haben.  Auf  die  weitere  Frage  freilich,  welche 
dies  gewesen  sind,  lässt  sich  schwerlich  eine  allgemein  gültige  Ant- 
wort geben  ^;  wenigstens  kenne  ich  keine  allgemeine  unzweideutige 
Angabe  über  den  Vorsitz  in  dem  Senat  dieser  Zeit^.  Indess  giebt 
das  meines  Wissens  einzige  Actenstück  über  eine  Senatsverhandlung 
dieser  Epoche,  das  Protokoll  vom  J,  438  über  die  Einführung  des 
theodosischen  Gesetzbuches*,  wenigstens  einen  Fingerzeig.  Als 
anwesend  in  dieser  Sitzung  werden  namentlich  aufgeführt  der  praef. 
praetorio  und  consul  Ordinarius  Faustus,  der  Stadtpräfect  Paulus  und 

1)  in  sanctitatis  vestrae  notitiam  duximus  perferendum  senatum  amplissimurfi 
decrevisse. 

*)  [Ges.  Sehr.  V  S.  495  ff.] 

2)  Zachariae  von  Lingenthal  macht  mich  auf  die  sjiaQxixa.  bei  Harmeno- 
pulus  lib.  II  aufmerksam,  ßaupolizeiverordnungen  für  Konstantinopel,  die  offen' 
bar  dem  k'jiagxos  rfjg  jioXecog  zuzuschreiben  seien. 

3)  Dass  der  Stadtpräfect  als  das  eigentliche  Haupt  des  Senats  gilt  un( 
zuerst  abstimmt  (Cassiodor  var.  6,  4  [§  3] :  sententiam  primus  dicis;  lustiniai 
nov.  62 :  sancimus  praesulem  .  .  .  ampUssimi  senatus  .  .  .  urbicariam  esse  pi'aefecturan 
et  primam  sedem  ei  dedicari  [vgl.  oben  S.  430  A.  4]),  entscheidet  hierüber  nicht 

4)  Bekanntlich  diesem  vorgesetzt. 


I 


lieber  die  Acten  /Aim  Schisma  des  Jahres  530.  609 

der  Vicarius  von  Rom  Publiaiius,  ferner  ohne  Nennung  der  Namen 
procercs  amplismnusque  senatus.  Die  Verhandlung  leitet  der  zuerst 
Genannte,  in  dessen  Hause  sie  auch  stattfindet;  er  ist  es,  welcher 
die  Anträge  stellt  und  er  wird  auch  in  dem  Editionsvermerk  als 
consulcns  bezeichnete  Es  liegt  nahe,  diesen  Vorsitz  auf  das  Con- 
sulat  zu  beziehen;  aber  dem  steht  entgegen  theils,  dass  Faustus 
damals  als  solcher  schwerlich  noch  in  Function  war  2,  theils  dass  585 
nach  dem,  was  wir  sonst  wissen,  es  kaum  möglich  ist  den  herab- 
gekommenen, aber  nicht  verschwundenen  constiks  suffedi  den  gleichen 
Vorsitz  einzuräumen.  Wahrscheinlicher  dünkt  es  mir,  dass  der  Vor- 
sitz durch  die  Rangfolge  bestimmt  ward,  das  heisst  der  unter  den 
anwesenden  fungierenden  Reamten  jedesmal  höchst  stehende  den 
Vortrag  hatte  und  die  Umfrage  stellte,  in  diesem  Falle  also  der 
praefectus  praetor io  Italiae,  Africne  et  InlyricP^  während  der  Regel 
nach  dieser  Platz  wohl  dem  Stadtpräfccten  zukam.*)  Dadurch 
erklärt  sich  auch  die  Fassung  der  Ueberschrift  unserer  contestatio, 
die  bei  dem  sonst  durchaus  authentischen  Charakter  des  Actenstückes 
nicht  füglich  mit  Ewald  auf  Schreiberverderbnis  zurückgeführt  werden 
kann.  Wenn  der  Vorsitz  in  der  bezeichneten  Weise  geordnet  war, 
also  zufällig  wechselte,  so  würden  die  durch  Senatsbeschluss  hervor- 
gerufenen Ausfertigungen,  auf  den  Namen  des  jedesmal  Vorsitzenden 
gestellt,  sicherlich  Irrungen  hervorgerufen  haben:  die  Empfänger 
hätten  den  Wechsel  der  Intitulation  oftmals  nicht  verstanden.  So 
mag  es  gekommen  sein,  dass  an  deren  Stelle  die  Formel  amplissimus 
senatus  trat,  die  man  also  sich  etwa  zu  paraphrasieren  haben  wird 
mit  den  Worten:  amplissimum  senatum  qiii  consuluit. 

1)  Dieser  lautet:  et  alia  manu:  FL  Laurentiiis  exceptor  amplissimi  senatus 

edidi  sub  d.  VIII  h.  lan quantum  consulente  v.  inl.  Fausto  praef.  praetario 

nominibus  nostris  subdita  senatus  amplissimi  gesta  testantur,  wobei  angeuomuien 
werden  muss,  dass  in  der  Abschrift  selbst  diese  Beglaubigung  auf  dem  Vorblatt 
stand,  nicht,  wie  in  unserem  Text,  am  Schluss.  —  Beiläufig  mag  erwähnt 
werden,  was  meines  Wissens  noch  nicht  bemerkt  ist,  dass  von  dem  im  Schluss- 
vermerk erwähnten  Senatsschreiber,  welcher  den  Constitutionarien  die  Abschrift 
dieses  Protokolls  aushändigt  und  sie  beglaubigt,  die  Grabschrift  gefunden  ist 
(Rossi,  Bull,  crist.  1869  p.  18  [C.  I.  L.  VI  33721]):  Hie  quiescit  in  pace  Laurentius 
[s]criba  senatus  dep(ositus)  die  IUI  iduum  Mari.  Adelßo  v.  c.  cons.  P]r  wurde  also 
am  12.  März  451  beerdigt.  Hieraus  ergiebt  sich  weiter,  dass  die  Bezeichnungen 
scfiiba  senatus  und  exceptor  senatus  [ein  solcher  C.  I.  L.  XV  7174]  nicht  verschieden 
sind,  wie  Rossi  meint  (Bull,  crist.  1874,  p.  50),  sondern  sich  decken. 

2)  Die  Verhandlung  ist  ohne  Datum,    aber  die  Edition  der  Gesta  erfolgt 
am  25.  December. 

3)  So  heisst   er  in  der  Inschrift  von  Aricia   Bull,  dell'  Inst.  1857  p.  37    [C. 
I.  L.  XIV  2165].  *)  [Vgl.  oben  S.  430  A.  4.] 


MOMMSEN,    SCHR.  VI.  39 


XXXII. 

über  einen  neu  aufgefundenen  Reisebericht  nach  dem 

gelobten  Lande.*) 

357  Die  Pilgerfahrten,    welche    eine   dem  südlichen  Frankreich  an- 

gehörende vornehme  Dame,  wahrscheinlich  in  der  zweiten  Hälfte 
des  vierten  Jahrhunderts,  von  Jerusalem  aus  in  Palaestina  und  nach 
dem  Sinai  unternahm  und  in  einem  von  Constantinopel  an  ihre 
Klosterschwestern  daheim  gerichteten  buchartigen  Brief  ausführlich 
schilderte,  waren  bisher  nur  bekannt  in  den  dürftigen  Auszügen, 
welche  Petrus  Diaconus,  der  die  Handschrift  in  der  Bibliothek  seines 
Klosters  von  Monte  Cassino  benutzte,  seiner  Schrift  de  locis  sanctis 
daraus  einfügte;  sie  Hessen  weder  die  Quelle  noch  den  Werth  der- 
selben erkennen.  Der  Bibliothekar  von  Arezzo ,  Hr.  Fr.  Gamurrini, 
hat  seinen  zahlreichen  Verdiensten  um  die  Wissenschaft  und  ins- 
besondere die  Epigraphik  eine  neue  ungemein  werthvolle  Leistung 
hinzugefügt  durch  die  Auffindung  und  die  Veröffentlichung  der  Über- 
reste der  durch  wunderliche  Zufälle  in  jene  Stadtbibliothek  ver- 
schlagenen Handschrift  ^  Es  wird  dem  neuen  Funde,  der  auch 
ungedruckte  Stücke  von  Hilarius  enthält,  an  Herolden  und  Weiter- 
verkündern  nicht  fehlen.  Ich  beabsichtige  nur  kurz  mitzutheilen, 
was  speciell  für  die  Topographie  der  Sinaigegend  und  des  angrenzen- 
den Gebietes  von  Aegypten  sich  aus  diesem  Reisebericht  ergiebt. 

Die  pilgernde  Dame,  nach  des  Herausgebers  Vermuthung  Silvia 
aus  Aquitanien,**)  ging  von  Jerusalem  nach  dem  Sinai  und  auf  dem- 
selben Wege  wieder  zurück.      Erhalten  ist  uns  von    ihrem    Bericht] 

*)  [Sitzungsberichte  der  Berl.  Akad.  1887,  S.  357  — 364.  —  Vgl.  K.Meister 
'De  itiuerario  Aetheriae  abbatissae  perperam  nomini  s.  Silviae  addicto',  Rhein. 
Mus.  f.  Philol.  N.  F.  64  (1909)  S.  337  —  392.] 

1)  S.  Hilarii  tractatus  de  mysteriis  et  hymni  et  S.  Silviae  Aquitanae  pere- 
grinatio  ad  loca  sancta.  Quae  inedita  ex  codice  Arretino  deprompsit  loh.  Franc. 
Gamurrini.  Rom  1887  (Biblioteca  delF  Accademia  storico-giuridica  vol.  quarta). 
[Vgl.  jetzt  die  Ausgabe  von  P.  Geyer  in  Corp.  scr.  eccl.  Lat.  vol.  39  (Wien  1898) 
p.  35— 101.] 

**)  [Es  ist  vielmehr,  -wie  Meister   a.  a.  0.  nachgevs'iesen  hat,   der  zwischen 
533 — 540  abgefaßte  Reisebericht   der  Aebtissin  Aetheria  aus  der  Narbonensis.^ 


über  einen  neu  aufgefundenen  Reisebericht  nach  dem  gelobten  Lande.     611 

der  Schluss  der  Hinreise  von  Pharan  zinn  Sinai,  die  Beschreibung 
der  dortigen  heiligen  Stätten  und  die  ganze  Rückreise  vom  Sinai 
nach  Suez  und  weiter  nach  Pelusion,  dann  von  da  zu  Lande  nach 
Jerusalem.  Neben  manchem  anderen  interessanten  Detail  sind  von  358 
hervorragender  Wichtigkeit  die  Angaben  über  die  Strecke  von  Suez 
nordwärts,  wo  die  Pilgerin,  die  überhaupt  nur  bei  heiligen  Stätten 
verweilt,  die  in  den  Büchern  Moses  erwähnten  Orte  besucht  hat 
und  in  ihrer  Weise  beschreibt.  Selbstverständlich  gehe  ich  nicht 
darauf  ein  die  Angaben  der  französischen  Dame  mit  der  mosaischen 
Erzählung  und  den  aegyptischen  Monumenten  in  Einklang  zu  bringen; 
immer  wird  auch  für  diese  in  Betracht  kommen,  wie  etwa  in  der 
Zeit  des  ersten  Theodosius  die  Einheimischen  die  biblischen  Namen 
sei  es  traditionell,  sei  es  conjectural  fixirt  hatten. 

Von  Pharan  aus  gelangte  die  Dame  auf  der  Rückreise  am 
zweiten  Tag  an  das  rothe  Meer  und  dann  am  Strande  hin  nach 
Klysma.  [C.  6:]  Ac  sie  ergo  cum  pervenissemus  Faran,  quod  sunt  a  montc 
dei  m'dia  trkßnta  et  quinque,  necesse  nos  fait  ibi  ad  rcsumendum  hiduo 
immorari.  Ae  tertia  die  inde  maturantes  venimus  denuo  ad  mansio- 
nem,  id  est  in  desertum  Faran,  uhi  et  euntes  manseramus,  sicut  et 
superius  dixi.  Inde  denuo  alia  die  facientes  aquam  et  euntes  adhuc 
aliquantulum  inter  niontes  pervenimtis  ad  mansionem,  qnae  erat  iam 
super  mare,  id  est  in  eo  loco,  uhi  iam  de  inter  montes  exitur,  et 
incijntur  denuo  totum  iam  iuxta  mare  amhulari,  sie  tarnen  iuxta  mare, 
pt  subito  fluctus  animalihus  pedes  cedat  [sehr,  caedat],  subito  etiam  et  in 
centum  et  in  ducentos  passus,  aliquotiens  etiam  et  plus  quam  quingenios 
j[)assus  de  mari  per  heremum  ambuletur:  via  enim  illic  penitus  non 
est,  sed  totum  heremi  sunt  arenosae.  Faranite  autem,  qui  ibi  consueve- 
■runt  ambulare  cum  camelis  suis,  signa  sibi  locis  et  locis  ponent;  ad 
quae  signa  se  tendent,  et  sie  ambulant  per  diem,  nocte  autem  signa 
camcli  attendunt.  Et  quid  plura?  diligentius  et  securius  iam  in  eo 
loco  ex  consuetiidine  Faranitae  ambidant  nocte,  quam  aliqui  hominum 
ambidare  potest  in  his  locis,  ubi  via  aperta  est.  In  eo  ergo  loco  de 
inter  montes  exivimus  redeuntes,  in  quo  loco  et  euntes  inter  montes  intra- 
veramus :  ac  sie  ergo  denuo  plicavimus  nos  ad  mare.  Filii  etiam  Israel 
revertentes  ad  montem  dei  Syna  usque  ad  cum  locum,  reversi  sunt 
per  iter  quod  ierant:  id  est  usque  ad  cum  locum,  ubi  de  inter  montes 
exivimus,  et  iunximus  nos  denuo  ad  mare  rubrum,  et  inde  nos  iam 
iter  nostrum,  quo  veneramus,  reversi  sumus:  fdii  autem  Israel  de 
eodem  loco,  sicut  scriptum  est  in  libris  sancti  Moysi,  ambulaverunt 
iter  suum.  Nos  autem  eodem  itinere  et  eisdem  mansionibus,  quibus 
ieramus,  reversi  sumus  in  Clesma.     Die  in  der  Hinreise  gegebenen 

39* 


61  2     Über  einen  neu  aufgefundenen  Eeisebericht  nach  dem  gelobten  Lande. 

ausführlicheren  Nachrichten  über  Klysma  hat  Petrus  Diaconus*)  auf- 
behalten: Äntequam  vero  pervenias  at  montem  sanctum  bina,  occurrit 
castrum  Clesma  super  mare  rubrum,  tibi  filii  Israel  sicco  pede  transierunt 
mare.  Vestigia  autem  currus  Pharaonis  in  mediis  arenis  parenf  usque 
359  in  sempiternum.  Motae  autem  ipsae  inter  se  multo  plus  habent,  quam 
currus  temporis  nostri,  qui  nunc  in  Romano  imperio  fiunt.  Nam 
inter  rotam  et  rotam  viginti  et  quatuor  pedes  et  eo  amplius  fiierunt: 
orbitae  autem  ipsae  habent  binos  pedes  in  lato.  Vestigia  vero  currus 
Pharaonis  usque  ad  mare  accedunt,  tibi  autem  ingressus  est  in  mare^ 
dum  vuU  filios  Israel  comprehendere.  In  eo  autem  loco,  in  quo  in- 
gressi  sunt  filii  Israel  in  mare,  id  est,  quo  usque  Pharaonis  orbitae 
parent,  in  hodie  duo  signa  posita  sunt,  unum  in  dextro  et  aliud  in 
sinistro,  idem  ac  si  columellae  factae  sunt.  Locus  autem  ipse  non  longe 
a  Castro  est,  id  est  de  Clesma.  Clesma  autem  ipsa  in  ripa  est,  id  est  super 
mare:  nam  portus  est  ibi  clausus,  [qui  intro  Castro  ingreditur  mare,]  qui 
portus  mittit  ad  Indiam  vel  excipit  venientes  naves  de  India:  alibi  enim 
nusquam  in  Romano  solo  accessum  habent  naves  de  India  nisi  ibi.  Naves 
autem  ibi  et  multae  et  ingentes  sunt:  quare  portus  famosus  est  pro  ad- 
venientibus  ibi  mercatoribus  de  India.  Nam  et  ille  agens  in  rebus,  quem 
Logothetem^  appellant,  id  est  qui  singulis  annis  legatus  ad  Indiam 
vadit  iussu  imperatoris  Romani,  ibi  ergo  sedes  habet  et  naves  ipsius  ibi 
stant.  Hie  est  locus,  ubi  pervenerunt  filii  Israel  fugientes  a  Faraone^ 
quando  de  Egypto  profecti  sunt:  hoc  autem  castrum  postmodum  ibi 
positum  est  pro  defensione  et  disciplina  pro  incursione  Saracenorum. 
Locus  autem  ipse  talis  est,  ubi  totum  heremi  sinf,  id  est  campi  are- 
nosi,  excepto  monte  illo  uno,  qui  incumbit  in  mari,  in  cuius  montis 
latere  ex  adver  so  colligitur  marmor  porphyreticum:  nam  ex  eo  dicitur 
appellari  mare  rubrum,  quod  hie  mons,  qui  per  spatium  grande  super 
mare  rubrum  iacet,  rosseum  lapidem  häbeat  vel  porphyreticumt 
nam  et  ipse  mons  quasi  rosseo  colore  est.  Qui  tamen  mons  fuit  in 
dextro  filiis  Israel  fugientibus  de  Aegypto,  ubi  tamen  coeperunt  se  ad 
mare  appropinquare:  nam  venientibus  de  Aegypto  ad  dexteram  partem 
ipse  mons  est  erectus  valde  et  excelsus  satis,  ac  si  paries,  quem  putes 
manu  hominum  excisum  esse.  Ipse  atitem  mons  aridus  est  penitus^ 
ita  ut  nee  fruticem  in  se  habeat.  Filii  autem  Israel  exeuntes  de  Ra- 
messe ptrimum  per  medias  harenas  errando  ambulaverunt :  cum  vero 
ad  mare  rubrum  appropriaverunt ,  tunc  mons  de  dextro  Ulis  qui  ap- 
parebat,  in  proximo  (actus  est,  et  iungentes  se  ipsi  monti  perveniurU 
ad  mare:  latus  autem  montis  illius  excelsi  de  dextro  Ulis  veniebat  ei 

*)  [Pag.  115  ed.  Geyer  a.  a.  0.] 
1)  Die  Handschrift  hat  loyotetema. 


über  einen  neu  aufgefundenen  Reisebericht  nach  dem  gelobten  Lande.     (} )  3 

mare  de  sinistro.  Tunc  subito  euntihus  eis  ante  ipsos  apparuit  locus 
ipse,  uhi  mons  in  mare  iungehat,  immo  ingrediehatur,  ut  promontoria 
faciunt.  Campus  autem  ipse,  uhi  filii  Israel  nocte  illa  manserunt  cum 
Moyse,  inßnitus  est  et  planities  eius  ingens.  Distal  vero  locus,  uhi 
incumhit  mons  in  mare,  a  Castro  Clesma  passus  quingentos.  Inter  360 
castrum  autem  et  ipsum  montem  medius  est  locus  a  promontorio 
montis,  uhi  ingressi  sunt  filii  Israel  in  mare  et  Pharao  post  eos. 
Traiectus  autem,  uhi  transierunt  sicco  pede  mare  rubrum,  habet  acta 
milia  passus  in  lato. 

"Wenn  die  Identification  von  Klysma  mit  dem  heutigen  Suez 
oder  vielmehr  mit  dem  500  Schritt  nördlich  davon  liegenden  Qulzuni 
der  Araber^  noch  einer  Bestätigung  bedürfte,  so  würde  dieser  Be- 
richt sie  geben.  Merkwürdig  aber  sind  die  Angaben  über  die 
Organisation  des  späteren  römisch-indischen  Handelsverkehrs,  welche 
jetzt  sich  erweisen  als  aufgezeichnet  nicht  im  zwölften,  sondern  im 
vierten  oder  fünften  Jahrhundert.*)  Dass  in  dieser  Zeit  in  den  wichtig- 
sten Exporthäfen  kaiserliche  der  schola  agentium  in  rebus  entnommene 
Controleure  stationirt  waren  und  griechisch  koyoMxat  genannt  wurden, 
ist  meines  Wissens  sonst  nicht  überliefert,  passt  aber  wohl  zu  unserer 
anderweitigen  Kunde.**)  Die  sirenge  Überwachung  des  Exports  an 
den  Reichsgrenzen  ist  bekannt;  zum  Beispiel  ordnet  ein  Erlass  vom 
Jahre  420  für  jedes  in  das  Ausland  fahrende  Schiff*  vorher  eine 
regulirte  Ausclarirung  an  2.  Eine  Yerordnung  vom  Jahre  395  ferner 
unterstellt  das  Postwesen  in  jeder  Provinz  einem  agens  in  rebus 
und  weist  diesen  zugleich  an  die  Schiff'ahrt  nicht  widerrechtlich 
zu  belästigen^.  Diesem  Oberpostmeister  der  Provinz  ist  der  bei  den 
späteren  Byzantinern  mehrfach  genannte  Xoyo&ixrjg  rov  öqöjuov*^  sicher 
verwandt,  vermuthlich  der  den  provinzialen  vorgesetzte  Generalpost- 

1)  Dillmann  in  diesen  Sitzungsberichten  1885  S.  895  fg. 
*)  [Vgl.  Meister  a.  a.  0.  (Rh.  Mus.  1909)  S.  359.] 

**)  [Vgl.  0.  Hirschfeld,  Sitzungsber.  d.  Berl.  Akad.  1893  S.  436  if.] 

2)  C.  Th.  7,  16,  3:  decrevimus ,  ne  merces  ilUcitae  ad  nationes  harbaras  defe- 
rantur  et  quaeciimque  naves  ex  quoUbet  portu  seu  litor'e  dimittuntur ,  nullam  con- 
eussionein  vel  damna  susHneant.  Es  sollen  darum  vor  der  Abfahrt  der  revi- 
dirende  Militär  {protector  seu  ducianus  qui  dispositus  est)  und  der  Capitän  vor 
der  Ortsobrigkeit  zu  Protokoll  erklären,  wohin  das  Schiff  fahre  und  dass  die 
Revision  ordnungsraässig  vollzogen  sei,  von  welcher  Erklärung  der  Capitän  die 
Ausfertigung  bekommt,  die  Ortsobrigkeit  den  Entwurf  behält. 

3)  C.  Th.  6,  29,  8  =  C.  lust.  12,  22,  4:  ngentes  in  rebus  sing ulos  per  singulas 
pi-ovincias  mittendos  esse  censenms,  quibus  etiam  inspiciendarum  erectionum  tantum 
dd)eat  ciira  mnndari  .  ...  nee  nares  debebunt  illicita  concussione  vexare. 

4)  Z.  B.  bei  Theophanes  unter  dem  .1.  d.  W.  6251  und  iu  anderen  in  de 
Boors  Index  S.  661  aufgeführten  Stelleu. 


614     Über  einen  neu  aufgefundenen  Eeisebericht  nach  dem  gelobten  Lande. 

meister  des  Reiches.  "Weder  mit  jenem  noch  viel  weniger  mit  diesem 
wird  der  locale  Logothet  von  Klysma  identificirt  werden  dürfen; 
aber  nicht  zufällig  ist  auch  er,  wie  der  Provinzialpostmeister,  agens 
in  rebus  und  nicht  zufällig  theilt  er  den  griechischen  Namen  mit 
dem  Reichspostmeister;  er  ist  ein  Glied  desselben  Administrativ- 
systems. Yon  der  Anordnung,  dass  der  römische  Controleur  selbst 
jährlich  nach  Indien  fährt,  vermuthlich  also  die  römischen  Indien- 
fahrer Jahr  für  Jahr  zur  Flotte  vereinigt,  wie  dies  in  der  That 
schon  der  Monsun  fordert,  ist  meines  Wissens  sonst  nichts  überliefert. 
3GI  Zu  Justinians  Zeit  hat  der  directe  Handelsverkehr  zwischen  Rom 
und  Indien  aufgehört;  die  Seide,  welche  die  Römer  damals  aus  dem 
Osten  bezogen,  kauften  sie  bei  den  Aethiopiern,  welchen  durch 
diesen  Zwischenverkehr  grosser  Gewinn  erwuchs  ^ 

Klysma,  das  heutige  Suez,  erscheint  hier  als  der  Ort,  wo  die 
Israeliten  das  rothe  Meer  durchschritten  und  es  ist  die  Legende  in 
alle  Einzelheiten  ausgemalt  bis  auf  die  Maasse  der  Spur-  und  der 
Radweite  von  Pharaos  Wagen. 

Von  Klysma  nimmt  die  Dame  nicht  den  geraden  Weg  nach 
Pelusion,  sondern  wendet  sich  links,  um  die  bei  dem  Auszug  der 
Juden  aus  Aegypten  genannten  Ortlichkeiten  in  Augenschein  zu 
nehmen  und,  wie  es  ihre  Gewohnheit  ist,  an  jedem  derselben  nach 
Verlesung  des  betreffenden  Abschnitts  der  Bibel  ihre  Andacht  zu 
verrichten.  Als  das  Ziel  dieses  Abstechers  bezeichnet  sie  mehrfach 
die  civitas  oder  mansio  Arahia,  welche  ihr  gilt  als  die  terra  Gesse, 
das  Land  Gosen  der  Genesis.  Desiderii  ergo  fuit,  sagt  sie  [c.  7],  id  de 
Clesma  ad  terram  Gesse  exiremus,  id  est  ad  civitatem,  quae  api^ellatur 
Arahia,  quae  civitas  in  terra  Gesse  est:  nam  inde  ipsum  territorium 
sie  appellatiir,  id  est  terra  Arahiae,  terra  lesse,  quae  tarnen  terra 
Egypti  ^9«rs  est,  sed  melior  satis  quam  oninis  Egyptiis  est.  Sunt  ergo 
a  Clesma,  id  est  a  mare  rubro,  usque  ad  Arabiam  civitatem  mansio- 
pes  quattuor  per  heremo;  sie  tarnen  per  heremum,  ut  cata  mansiones 
monasteria  sint  cum  militibus  et  praepositis,  qui  nos  deducebant  semper 
de  Castro  ad  castrum.  In  eo  ergo  itinere  sancti,  qui  nobiscum  erant, 
hoc  est  clerici  vel  monachi,  ostendehant  nobis  singula  loca,  quae  semper 
cgo  iuxta  scripturas  requirebam.  Nam  alia  in  sinistro,  alia  in  dextro 
de  itinere  nobis  erant,  alia  etiam  longius  de  via,  alia  in  proximo. 
Und  weiter  nach  einer  Erklärung  der  Kreuz-  und  Querfahrten  der 
Israeliten:  Nam  et  Epaideum  ostensum  est  nobis,  de  contra  tamen, 
et  Magdalum  fuimus.    Nam  castrum  est  ibi  nunc  Jiabens  praepositum 

1)  Procopius  bell.  Pars.  1,  20. 


\ 


über  einen  neu  aufgefundenen  Reisebericht  nach  dem  gelobten  Lande.     615 

cum  milite,  qui  ihi  nunc  praesidet  pro  disciplina  Romana.  Nam 
et  nos  iuxta  consuetudinem  deduxerunt  inde  usque  ad  aliud  castrum, 
et  loehelsephon^  ostensum  est  nobis:  immo  in  eo  loco  f'uimus.  Nam 
ipse  est  campus  supra  mare  ruhnim,  iuxta  latus  montis,  quem  superius 
dixi,  ubi  fllii  Israel,  cum  vidissent  l'^yyptios  post  sc  venientes,  excla- 
maverunt.  Oton  etiam  ostensum  est  nobis,  quod  est  iuxta  deserta  loca, 
sicut  scriptum  est:  nee  non  etiam  et  Socchoth.  Socchoth  autem  est 
rlivus  modicus  in  media  valle,  iuxta  quem  coUiculum  fixerunt  castra  filii 
Israel:  nam  hie  est  locus,  tdd  accepta  est  lex  pasehae,  PitJwna  etiam  362 
civitas,  quam  aedifleaverunt  filii  Israel,  ostensa  est  nobis  in  ipso  itinere: 
in  eo  tamen  loco  ubi  iam  fines  Egypti  intravimus ,  relinquentes  iam 
ferras  Saracenorum:  nam  et  ipsud  nunc  Phitona  castrum  est.  Heioum 
autem  civitas,  quae  fuit  illo  tempore,  id  est  ubi  occurrit  loseph  patri  suo 
lacob  venienti,  sicut  scriptum  est  in  libro  Genesis,  nunc  est  come,  sed  gran^ 
dis,  quod  nos  dicimus  vicus.  Nam  ipse  vicus  ecclesiam  habet  et  mnrtyria 
et  monasteria  phirima  sanctorum  monachorum :  ad  quae  singtda  videnda 
necesse  nos  fuit  ibi  descendere  iuxta  consuetudinem,  quam  tenebamus, 
Nam  ipse  vicus  nunc  g,ppellatur  Uero :  quae  tamen  Hero  a  terra  lesse 
miliario  iam  sextodecimo  est,  nam  in  finibus  Egypti  est:  locus  autem 
ipse  satis  gratus  est,  nam  et  pars  quaedam  fluminis  Nili  ibi  currit. 
Ac  sie  ergo  exeuntes  de  Hero  pervenimus  ad  civitatem,  quae  appellatur 
Arabia,  quae  est  civitas  in  terra  lesse.  Unde  scriptum  est  dixisse 
Fharaonem  ad  loseph:  »In  meliori  terra  Egypti  colloca  patrem  tuum 
et  fratres  in  terra  lessen,  in  terra  Ardbiae«.  [8]  I)e  Arabia  autem 
civitate  quattuor  milia  piass^is  sunt  Ramessen.  Nos  autem,  ut  venire- 
miis  ad  mansionem  Arabiae,  per  media  Bamesse  transivimus:  quae 
liamessen  civitas  nunc  campus  est,  ita  ut  nee  unam  habitationem 
habeat. 

Nach  den  Angaben  der  Pilgerin,  dass  Taphnis^  zwei,  Klysma 
vier  Tagereisen  von  der  Stadt  Arabia,  ferner  Hero,  zwischen  Klysma 
und  Arabia  gelegen,  16  Milien  von  diesem  entfernt  sei,  kann  über 
die  Lage  von  Arabia  kein  Zweifel  sein:  es  ist  der  Ort,  welcher  in 
den  officiellen  römischen  Documenten  Thou  genannt  wird,  vermuth- 
lich  das  Thuku  der  Hieroglyphen  "^,  nach  dem  Reisebuch  von  Taph- 


1)  Vielmehr  et  inde  Belsephon  [locus  Behefon  Geyer;  i.  e.  Behephon  Purser]. 

2)  Im  Auszug  des  Petrus  p.  134  [p.  114  Geyer]  Taphnis,  im  Jtinerar  [c.  9]  p.  50 
Tathnis,  Tatnis.  'Gemeint  ist  das  bei  den  hebräischen  Propheten  als  Pharao- 
'Residenz  vorkommende  Tachphnes,  Td(fvt]  der  LXX,  Vuplino  im  Antoninischen 
'Itinerar  p.  162,  jetzt  Ruinen  Teil  Defenne.  Die  Lage  entspricht  der  directen  Strassen- 
'richtung  nach  Pelusion.'     Kiepert,     (iamurrini  sieht  darin  aus  Versehen  Tanis. 

3)  Nach  Naville  (the  store-city  of  Pithom  p.  5)  wird  in  den  hieroglyphischen 


616     Über  einen  neu  aufgefundenen  Reisebericht  nach  dem  gelobten  Lande. 

nis  32,  von  Klysma  92,  von  Hero  24  Milien  entfernte  Dass  es  in 
der  Provinz  Augustamnica  eine  Stadt  gegeben  hat,  welche  in  justiniani- 
scher Zeit  den  Namen  Arabia  trug,  wussten  wir  aus  dem  Städte- 
verzeichniss  des  Hierokles  und  anderen  Documenten  2,  und  mit  Recht 
363  hat  Wesseling  darauf  den  aegyptischen  vofibg  'Agaßiag  bezogen^. 
Die  Identification  der  nach  Angabe  unserer  Pilgerin  volkreichen 
Stadt  mit  dem  als  Kreuzpunkt  zweier  Reichsstrassen  und  Garnison 
eines  Reiterregiments  bekannten  Thou  ergiebt  sich  erst  jetzt.  Es 
ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  auf  diese  Umnennung,  die  nur  in 
Dokumenten  christlicher  Zeit  begegnet,  die  Worte  der  Genesis  46,  34 
in  der  griechischen  Fassung:  ev  yfj  reoeju  'Agaßiag  eingewirkt  haben; 
wenn  Thou  einmal  galt  als  Hauptstadt  des  Landes  Gosen,  konnte 
ihr  wohl  nach  jener  Bibelstelle  der  Name  Arabia  gegeben  werden. 
Aber  die  Bezeichnung  Arabia  kennt  für  diese  Gegend  schon  Hero- 
dot*,  welcher  das  Wasser  des  Nil  in  den  grossen  Kanal  eintreten 
lässt  xarvmod^e  oXiyov  Bovßdoriog  nohog  Tiagä  Udrovjuov  zijv  Agaßirjv 
nöXiv.  Denn  die  hier  bezeichnete  Localität  in  der  Nähe  von  Bubastis 
trifft  zu  auf  Thou  oder  Arabia  und  die  bisher  wohl  ziemlich  allgemein 
angenommene  Identification  von  Patumon  mit  Pithom  wird,  wie  so 
manche  ähnliche  auf  Gleichklang  gebaute,  aufgegeben  werden  müssen. 

Namenlisten   dem   achten    Nomos  von  Niederaegypten  als  Hauptstadt  gegeben 
bald  Pi  Tun,  bald  Thuku  oder  Thuket,  also  entweder  Pithom  bei  Hero  oder  Thou. 

1)  Itin.  Ant.  p.  170:  Clysmo  —  L  —  Serapiu  —  XVHI  —  Hero  —  XXIIII 
—  Thou  —  XII  —  vico  ludaeorum  XII  —  scenas  veteranorum;  ferner  p.  163: 
Tacasarta  —  XIIII  —  Thou  —  XXVI  —  scenas  veteranorum.  Not.  dign.  p.  60 
geeck:  cohors  I  Augusta  Pannoniorum  Tohu. 

2)  Hierokles  p.  728  Wess.  neben  Klva^a  xdozQov.  Sie  wird  auch  in  der- 
selben Provinz,  freilich  verdorben  in  'Avaßiovg,  in  dem  Bisthümerverzeichniss 
p.  81,  728  Parthey  aufgeführt,  sowie  in  dem  Städteverzeichniss  des  Julius  Honorius 
an  der  Spitze  der  Städte  des  oceanus  meridianus  als  Arabia  (nitiobres  setzen  die 
schlechteren  Handschriften  ein)  oppidum  neben  Fossa  Traiani.  Der  neueste 
Herausgeber  des  Honorius  Kubitschek  p.  22,  34  hat  nicht  wohlgethan  die  Stadt 
Arabia  für  'ganz  unmöglich'  zu  erklären. 

3)  Ptolemaeus  4,5,53  [24  Müll.]:  'Agaßiag  vo/Äog  xal  ixrjXQojioXig  ^axovoaa  (vergl. 
Strabon  17,  1,  26  p.  h05);  Plinius  h.  n.  5,  9,  49.  Vergl.  Wesseling  zum  Hierokles 
a.  a.  0.  Auch  bei  Plinius  6,  29,  165  ist  wohl  herzustellen:  sinus  quem  Arabiae 
seu  An  vocant;  die  Handschriften  haben  arabiaesean  D,  arabiaesaean  F,  arabesean 
B,  arabesaeant  F;  und  in  dem  letzten  Wort  haben  die  Aegyptologen  die  hiero- 
glyphische Bezeichnung  'Herr  von  An'  erkannt  (Naville  p.  8). 

4)  2,  158.     Die   sprachlich  wie  sachlich   unzulässige  Emendation   Navilles  ' 
hat  Dillmann  a.  a.  0.  S.  891   mit  Recht  abgewiesen ,   aber  nicht  mit  Recht  be-  ! 
stritten,  dass  Herodot  den  fraglichen  Ort  in   die  Nähe  von  Bubastis  setzt.     Er  l 
sagt  keineswegs,   was  Dillmann   ihn   sagen  lässt,  dass   der  Kanal   an   Patumoa 
vorbeiführt,  sondern  dass  bei  Patumos  das  Nilwasser  in  den  Kanal  eintritt. 


I 


über  einen  neu  aufgefundenen  Reisebericht  nach  dem  gelobten  Lande.     017 

Die  biblischen  Namen  der  Orte,  welche  die  Dame,  von  Klysma 
kommend,  besucht,  sind  das  sogenannte  Epäuleon  neben  der  Strasse^, 
auf  dieser  selbst  Magdalon  und  Belsephon^,  neben  ihr  üton^,  auf 
ihr  Socchoth,  Pithom,  Ileroonpolis,  Ramesse,  worauf  dann  die  terra 
Gcsse  oder  die  Stadt  Arabia  folgt.  Von  diesen  ist  Heroonpolis  be- 
kanntlich wenigstens  der  ungefähren  Lage  nach  festgelegt  durch 
Navilles  Entdeckungen,  einen  wahrscheinlich  von  einem  Soldaten  in 
flüchtig  eingekratzter  Schrift  mit  Ero  Castro  bezeichneten  Stein*  und 
den  neunten  Wegstein  der  Strasse  ah  Ero  in  Clusma  mit 'den  Namen  364 
der  Kaiser  Diocletian  und  Maximiane  Beide  sind  in  Tell-el-Ma- 
schuta  gefunden  worden,  der  letztere  in  den  Ruinen  des  römischen 
Castrum,  also  nicht  am  alten  Platz ;  wenn  diese  Steine  an  sich  nur 
nöthigen  die  alte  Stadt  ungefähr  in  diese  Gegend  zu  versetzen,  so 
ist  die  Thatsache,  dass  Hero,  auch  nach  dem  Zeugniss  der  Pilgerin, 
ein  ansehnlicher  Ort  war  und  in  dieser  Gegend  bedeutende  römische 
Ruinen  allein  bei  Teil -el- Maschuta  gefunden  sind,  für  die  Ansetzung 
eben  an  dieser  Stelle  entscheidend.  Der  Reisebericht  stimmt  damit 
insofern  überein,  als  er  die  Entfernung  der  Stadt  Hero  von  Klysma 
auf  vier  Tagereisen  weniger  16  Milien  ansetzt,  also  die  dafür  im 
Itinerar  angesetzten  68  Milien  durchaus  bestätigt.  Pithom  setzt  die 
Pilgerin  zwischen  Klysma  und  Hero  als  letzte  Station  vor  Hero, 
Ramesse  12  Milien  von  Hero,   4  von  Arabia.     Die  erste  dieser  An- 


1)  Exod.  14,  2:  ä.-teravn  xfjg  ijiavXscog  dvä  fieaov  Maydcokof  xai  dvä  ^leaov  xfjg 
■&aldaoT]g. 

2)  Exod.  14,  9:  djievavii  tfjg  sjiavkscog  s^Evavriag  Bsskaejiqxöv. 

3)  Exod.  13,  20:  i^dgavieg  de  oi  vlol  'Iooai]k  Ix  Soxxo^d  EatgaTOJisdevoav  Iv 
'0§ü)/.i  jiaQOL  rtjv  egrjfior. 

4)  Eph.  epigr.  V  n.  14  [C.  I.  L.  III  S.  6624  vgl.  14146],  im  Stich  bei  Naville 
Taf.  11  vergl.  p.  6.  Die  ersten  beiden  Zeilen,  von  zwei  verschiedenen  Händen 
eingekratzt,  scheinen  lo{cus)  Eröpolis  bedeuten  zu  sollen;  olis  hat  vervollständi- 
gend die  zweite  Hand  hinzugefügt,  von  der  auch  die  folgenden  Zeilen  herrühren. 

5)  Eph.  epigr.  V.  n.  18  =  1327  [C.  I.  L.  111  S.  6633].  Dass  die  hier  von 
mir  vorgeschlagene  Interpretation  der  Schlussforrael  ab  Ero  in  Clusma  mi(lia) 
Villi  verfehlt  ist,  habe  ich  schon  fi-üher  bei  Dillmann  a.  a.  0.  S.  898  ange- 
deutet. Es  ist  allerdings  wohl  ohne  Beispiel,  dass  auf  den  Meilensteinen  ausser 
dem  Ausgangsort  auch  das  Endziel  des  Weges  angegeben  wird,  und  ich  habe 
mich  dadurch  verleiten  lassen,  der  Formel  einen  anderen  Sinn  unterzulegen. 
Aber  wie  ab  Ero  m.  p.  Villi  zu  verstehen  ist  als  ab  Ero  eunti  hoc  loco  fiunt 
m.p.  Villi,  so  wird  auch,  wo  das  Ziel  hinzutritt,  die  Phrase  gefasst  werden 
müssen  als  eunti  Clusma.  Damit  fällt,  was  über  die  Existenz  eines  zweiten 
Klysma  bei  Isma'iliija  am  Timsahsee  von  Naville  und  von  mir  vermuthet  worden 
ist  und  ebenso  die  von  dem  französischen  Gelehrten  (p.  19)  vorgeschlagene  Cor- 
rectur  des  Itinerars,  dessen  Ziffern  vielmehr  jetzt  ihre  volle  Bestätigung  finden. 


618     Über  einen  neu  aufgefundenen  Reisebericlit  nach  dem  gelobten  Lande. 


Setzungen  stimmt  insofern  mit  dem  Resultat  der  Navilleschen  Aus- 
grabungen überein,  als  Pithom  nach  diesem  Zeugniss  zwar  nicht, 
wie  I^aville  dies  thut,  geradezu  mit  Hero  identificirt  wird,  aber  sehr 
wohl  in  dessen  nächster  Nachbarschaft  in  der  Richtung  auf  Suez 
angesetzt  werden  kann.  Die  Ansetzung  von  Ramesse  ist  neu  und 
verdient  die  Prüfung  der  beikommenden  Forscher.  Aufmerksamkeit 
verdient  auch  das  Bildwerk,  das  die  Pilgerin  in  Ramesse  sah,  unus 
Inpis  ingens  Thehaeus,  in  quo  sunt  duae  statuae  exclusae  inqentes,  quas 
dicunt  esse  .  .  .  Moysi  et  Aaron.  Endlich  ist  zu  beachten  die  Angabe, 
dass  die  Reisenden  bei  Pithom  in  die  fines  Acgypti  eintraten,  relin- 
quentes  terras  Saracenorum.  Also  war  damals  die  wüste  Strecke  von 
Suez  bis  zum  Kanal  in  der  Hand  der  Saracenen;  die  römische 
Herrschaft  beschränkte  sich,  wie  unsere  Pilgerin  sagt,  auf  eine  Kette 
von  Posten  und  Klöstern  ^jer  heremum,  ut  cata  mansiones  monasteria 
sint  cum  müitihus  et  praepositis. 


XXXIll. 
Die  Papstbriefe  bei  Becla.*) 

Beda  berichtet  in  der  Vorrede  zu  seiner  Geschichte  der  englischen  387 
Kirche  über  die  von  ihm  benutzten  Quellen.  Die  allgemein  zugäng- 
lichen macht  er  nicht  weiter  namhaft:  unter  den  besonderen  Gewährs- 
männern nennt  er  in  erster  Reihe  den  Albinus,  Abt  von  St.  Peter  in 
Canterbury,  welcher,  was  ihm  über  den  Sprengel  von  Kent  und  die 
benachbarten  auf  schriftlichem  oder  mündlichem  Wege  zur  Kenntnis 
i:;ekommen  war  (qiine  vel  monumcntis  litterarum  vel  seniorum  traditione 
rognovcrat) ,  ihm  durch  Nothelms  Vermittelung  mitgetheilt  habe  (ea 
<ive  litteris  mandata  sive  ipsins  Nothelmi  viva  voce  referenda  trans- 
misit).  Daneben  hebt  er  mit  Nachdruck  die  aus  dem  päpstlichen 
Archiv  mitgetheilten  Urkunden  hervor.  Auch  sie  verdankt  er  dem- 
selben Notheimus,  der,  als  Beda  schrieb  (731),  Presbyter  des  Londoner 
Sprengeis  war,  bald  nachher  (736)  Erzbischof  von  Canterbury  wurde 
Mon.  bist.  Brit,  1  p.  328.  542)  und  hi  dieser  Stellung  am  17.  Oct.  741 
starb  (a.  a.  ().  p.  329.  542).  Nothelmus  liomam  veniens  nonnullas  Hn 
lieati  Gregorii  papae,  simul  et  aliorum  pontificum  epistulas  perscrutato 
I  iusdem  sanctae  ecclesiae  liomanae  scrinio  permissu  eins  qui  nunc  ipsi 
rrdesiae  ])raeest  Gregorii  pontificis  invenit  reversusqiie  nobis  nosfrne 
liistoriae  inserendas  cum  consüio  ....  Albini  ....  attulit.  Wenn  dies 
uewöhnlich  auf  Gregor  III.  bezogen  wird,  der  am  18.  März  731  den 
päpstlichen  Stuhl  bestieg,  so  ist  es  nicht  bloss  zweifelhaft,  ob  Beda, 
als  er  diese  Yorrede  schrieb,  bereits  von  dessen  Antritt  Kunde  gehabt 
hat,  sondern  es  muss  dessen  Vorgänger  Gregor  IL  gemeint  sein,  der 
vom  17.  Mai  715  bis  zum  11.  Febr.  731  den  römischen  Bischofsstuhl 
einnahm.  Die  Vergleiclmng  von  Bedas  grösserer  Chronik  mit  der 
Kirchengeschichte  zeigt  mit  Evidenz,  dass  Beda  schon,  als  er  jene 
schrieb,  im  Besitz  dieser  Papstbriefe  war^  und  jene  Chronik  ist  im 

*)  [Neues  Archiv  17  (1892)  S.  387  — 396.] 

1)  Von  einem  dieser  Schreiben  h.  eccl.  1,  29  giebt  die  Chronik  (a.  m.  4557 
chron.  min.  ed.  Momms.  III  p.  309])  sogar  die  verkürzte  Subscription. 


620 


Die  Papstbriefe  bei  Beda. 


J.  725  abgeschlossen.  Wenn  ferner  aus  Bedas  Worten  hervorgeht, 
dass  Nothelm  diese  Urkunden  wohl  durch  den  Papst  Gregor,  aber  vor 
388  dessen  Erhebung  zur  Papstwürde  kennen  lernte,  so  findet  sich  dafür 
kein  Anhalt,  dass  der  spätere  Gregor  III.  unter  Gregor  11.  eine  dazu 
geeignete  Stellung  eingenommen  hat;  Gregor  dem  Zweiten  dagegen 
wurde  nach  Angabe  seines  Biographen  hihliothecae  cura  anvertraut, 
bevor  die  Wahl  zum  Bischof  auf  ihn  fiel.  Nothelm  hat  demnach 
jene  Auszüge  vor  dem  J.  715  gemacht. 

Die  von  Beda  in  der  Vorrede  angekündigten  päpstlichen  Schreiben 
finden  sich  in  dem  Werke  selbst  an  den  folgenden  Stellen,  wobei  die 
nur  im  Auszug  mitgetheilten  durch  vorgesetzten  Stern  bezeichnet  sind. 
Gregorius     (epp.  G,  51  [6,  50  a   ed.  Hartmann  MGH,])   servis  domini 

nostri  (an  die  zur  Bekehrung  der 
Angeln  abgesandten  Kleriker) 

1,23 
„  (epp.     6,  52  [6,  50  H.])     Aeiherio  coe2nscopo(\onLjon)  1,  24 

„         (epp.  11,  64  [1  l,  56 all.])  *Äugustino  episcopo    Cantu- 

ariorum  ^  1,27 

„         (epp-   n,  68  [11,  45  H.])    Vergiliocoepiscopo (YonArles)  1,  28 
„         (epp.   1 1,  65  [11,  39  H.])    Augustino    coepiscopo     (von 

Canterbury)  1, 

„         (epp.   1  1,  76  [l  1,  56  H.])    Mellito  abhati  (einem  der  zur 

Bekehrung  der  Angeln  Ab- 
gesandten) 1, 
(epp.   11,  28  [II,  36  H.])   '^ Atigustino     (Bischof     von 

Canterbury)  1,31 

„         (epp.   11,  66  [11,  37  H.])    Aedilberto  regt  Anglonim       1,  32 


29 


30 


Bonifatius  V. 

}} 
Honorius 

Johannes  IV.  (electus) 
Vitalianus 


7ms^  (Bischof  von  Rochester)  2,    8 
Aeduino  regi  Anglorum  2,  10 

Aedilhergae  reginae  Aeduini 
regis  2,  11 

Aeduino  regi  Anglorum         2,  17 
Honorio  (Bischof  von  Canter- 
bury) 2,  18| 
*genti  Scottorum                     2,  19] 
'^Tomiano  cet.  (an' den  irischen 
Klerus)                                    2,  \\ 
Osvio  regi  Saxonum               3,  % 


1)  Dieser  Brief  (die  interrogationes  Augustini)  wird  nur  im  Auszug  gegeben, 
ist  aber  ohne  Zweifel  zugleich  mit  dem  folgenden  an  Vergilius  gerichteten  ab- 
geschickt worden,  da  in  dem  ersten  c.  7  auf  diesen  verwiesen  wird. 


Die  Papstbriefe  bei  Beda.  621 

Diesem  Thatbestand  gegenüber  hat  Ewald  in  seinen  Studien  über 
das  Register  Gregors  des  Grossen  (in  diesem  Archiv  3,  438.  542)  die 
Behauptung  aufgestellt,  dass  IJeda  'nicht  Abschriften  aus  dem  Lateran- 
'archiv,  sondern,  soweit  es  Gregor  betriift,  Copien  der  in  England  vor- 
'handenen  Originalbriefe  aufgenommen  hat\ 

Leichtfertiger  ist  gute  Ueberlieferung  selten  misshandelt  worden.  38^ 
Zunächst  und  vor  allem  ist  Beda  ein  rechtschaffener  Mann  und 
ein  glaubwürdiger  Zeuge.  Einen  verax  historicus  nennt  er  sich  selbst 
(Hist.  eccl.  3,  17)  und  er  hat  ein  Recht  dazu;  wer  ihm  nachgegangen 
ist,  wird  ihm  bezeugen,  dass  wenige  Schriftsteller  in  thatsäch- 
hchen  Berichten  mit  gleicher  oft  peinlicher  Genauigkeit  ver- 
fahren. Was  er  über  Nothelm  und  dessen  Arbeiten  im  päpstlichen 
Archiv  berichtet,  ist  so  einfach  und  schlicht,  dass  es  sich  durch  sich 
selber  schützt.  Es  kommt  hinzu,  dass  für  eine  bewusste  Unwahrheit 
—  und  anders  kann  die  Anschuldigung  nicht  aufgefasst  ^i^erden  — 
doch  irgend  eine  Absicht  erfordert  wird,  eine  solche  aber  in  diesem 
Fall  schlechterdings  unerfindHch  ist,  wie  denn  Ewald  darüber  nicht 
einmal  eine  Vcrmuthung  zu  äussern  gewagt  hat.  Aber  weiter  spricht 
der  Thatbestand  an  und  für  sich  so  deutlich,  dass,  auch  wenn  wir 
Bedas  Vorrede  nicht  hätten,  die  Herkunft  jener  Schriftstücke  aus 
dem  päpstlichen  Archiv  nicht  minder  gewiss  wäre.  Es  sind  sämmtlich 
päpstliche  Schreiben,  die  Adressaten  aber  die  verschiedensten: 
Könige  und  Königinnen  verschiedener  englischer  Staaten,  Bischöfe 
und  Kleriker  verschiedener  englischer  und  irischer  Sprengel,  Bischöfe 
von  Lyon  und  Arles.  Diese  Mannichfaltigkeit  wird  etwas  gemindert, 
wenn  man  mit  Ewald  die  Schreiben  der  späteren  Päpste  bei  Seite 
schiebt  und  sich  nur  auf  die  gregorischen  beschränkt;  aber  wie  kann 
das,  was  für  die  alii  poniiftres  gelten  soll,  für  Gregor  nicht  gelten? 
und  selbst  in  der  Beschränkung  auf  Gregor  sind  die  Adressaten 
verschiedenartig  genug.  Alle  diese  Schreiben  müssen  in  der  römischen 
Kanzlei  sich  befunden  haben,  können  aber  nie  in  irgend  einem  eng- 
lischen Archiv  vereinigt  gewesen  sein.  Die  Verlegenheitshypothesen 
Ewalds  (S.  543),  dass  der  an  den  Bischof  Aetherius  von  Lyon 
gerichtete  Brief  wegen  ungenügender  Ortsangabe  in  den  Händen  des 
Augustinus  geblieben  sei  ^  und  dass  derselbe  von  dem  Schreiben,  das 


1)  Beda  oder  vielleicht  schon  Nothelm  hat  diesen  dem  Augustinus  mit- 
gegebenen Empfehlungsbrief,  der  in  der  Adresse  nur  den  Namen  des  Empfängers, 
nicht  den  Ort  nennt,  aus  Versehen  bezeichnet  als  gerichtet  ad  Aetherhtm  Arela- 
tensem  episcopum.  p]walds  Annahme  (S.  543),  dass  die  päpstliche  Kanzlei  den 
Brief  falsch  also  adressiert  habe,  Augustinus  ihn  deshalb  nicht  habe  abgeben 
können   und  er  darum  in  dessen  Händen  geblieben  sei,   supponiert  nicht  bloss 


622  Die  Papstbriefe  bei  Beda. 

ihn  bei  dem  Bischof  Vergilius  von  Arles  einführte,  ja  Abschrift 
390  genommen  haben  könne,  zeigen  die  Verkehrtheit  jener  Annahme  in 
ihrer  ganzen  Nacktheit;  und  auch  wenn  man  von  diesen  zwei  Briefen 
absehen  könnte,  bleibt  die  Zurückführung  der  übrigen  auf  die  'in 
England  vorhandenen  Originale',  eine  Unmöglichkeit. 

Wenn  Ewald  weiter  geltend  macht,  dass  zwei  andere  Briefe 
Gregors,  der  an  Candidus  gerichtete  presbytero  eunti  in  patrimonio 
Galliis  (6,  7  [6,  10  H.])  und  der  an  den  Eulogius,  Bischof  von 
Alexandrien  (S,  30  [8,  29  H.  |)  ebenfalls  Nachrichten  über  die 
britannischen  Missionen  enthalten  und  aus  ihrer  Nichtberücksichtigung 
bei  Beda  folgert,  dass  das  päpstliche  Archiv  für  ihn  nicht  durch- 
gesehen worden  sei,  so  genügt  die  blosse  Relation  dieses  Arguments 
für  dessen  Widerlegung.  Begreiflicher  Weise  sah  Nothelm  wesent- 
lich auf  die  Adressen  und  die  der  bezeichneten  Briefe,  in  denen  nur 
beiläufig  oder  indirect  auf  Missionen  Bezug  genommen  wird,  Hessen 
•dies  von  vornherein  nicht  vermuthen. 

Etwas  anders  verhält  es  sich  mit  dem  Schreiben  Beda  1,  27  = 
Greg.  11,  64  [11,  56a  H.  |,  einer  ausführlichen  Instruction  des  Papstes 
an  den  englischen  Missionar  über  eine  Reihe  ihm  von  diesem  vor- 
gelegter theologisch  zweifelhafter  Fragen.  Dieses  Schreiben  liess 
wenige  Jahre  nach  dem  Erscheinen  von  Bedas  Kirchengeschichte  der 
Erzbischof  von  Mainz  Bonifatius  im  römischen  Archiv  vergeblich 
suchen:  in  scrinio  Bomanar,  ecclesiae,  ut  adfirmant  scriniarU,  cum 
ceteris  exemplarihus  supra  dicfi  pontißcis  quaesita  non  inveniebatiir^. 
Daraus  haben  schon  die  englischen  Herausgeber  der  Schriften  Bedas 
gefolgert,  dass  er  dieses  Schreiben  nicht  dem  pästlichen  Archiv  ent- 
nommen habe;  und  da  es  in  der  That  eine  kleine  theologische  Ab- 
handlung darstellt,  so  wäre  seine  Verbreitung  in  Buchform  an  sich 
wohl  möglich.  Aber  wahrscheinlich  ist  der  Sachverhalt  auch  hier 
ein  anderer.  Beda  theilt  aus  diesem  Schreiben  nur  Auszüge  mit  und 
giebt  die  Subscription  desselben  nicht  an ;  die  Aufgabe  dasselbe 
ausfindig  zu  machen  war  also  schwierig,  und  wenn  die  päpstlichen 
Archivvorsteher    es    vergeblich   suchten,    so    darf  daraus    nicht    mit 


höchst  unwahrscheinliche  Dinge  —  die  Namen  der  Bischöfe  von  Arles  und  Lyon 
können  dem  Augustinus  doch  nicht  unbekannt  gewesen  sein  — ,  sondern  verstösst 
auch  gegen  die  Thatsache,  dass  die  Adresse  ganz  richtig  ist  und  nur  den  Ort 
nicht  nennt,  was  für  Augustinus  nicht  nöthig  war,  den  Nothelm  aber  leicht 
täuschen  konnte. 

1)  Jafie  Bibl.  3,  96  [Bonif.  ep.  33  ed.  Dümmler  MGH.  Ep.  III  p.  284].  Die 
Datierung  auf  das  J.  735  ist  wohl  nicht  ganz  sicher;  auf  jeden  Fall  ist  es  vor 
741  geschrieben,  in  dem  Notheimus  starb. 


Die  Papstbriefe  bei  Beda.  623 

Sicherheit  gefolgert  werden,  dass  es  nicht  zu  den  von  Nothelm  in 
diesem  Archiv  abgeschriebenen  gehört  hat.  Bonifatius  selbst  war 
ott'enbar  der  entgegengesetzten  Ansicht.  Veranlasst  war  seine  Anfrage 
ohne  Zweifel  durch  Bedas  Werk;  wenn  er  das  fragliche  dort  unvoll- 
ständig mitgeteilte  Schreiben  zunächst  in  Rom  suchen  liess  und,  als 
er  es  von  dort  nicht  erhielt,  sich  deswegen  in  dem  Schreiben,  dem 
jene  Worte  entnommen  sind,  an  den  inzwischen  zum  Erzbiscliof  von 
Canterbury  erhobenen  Nothelm  wandte,  dessen  Betheiligung  an  391 
Bedas  Werk  Bonifatius  aus  dessen  Vorrede  kennen  musste',  so  liegt 
darin  deutlich  genug  die  Voraussetzung,  dass  dieser,  dem  Beda  jene 
Urkunden  verdankte,  wohl  im  Stande  sein  werde,  die  von  ihm 
genommene  vollständige  Abschrift  dem  Stifter  der  deutschen  Kirche 
mitzutheilen. 

Ewald  schliesst  seine  Beweisführung  mit  den  Worten:  'Dass  das 
Materanensische  Register  Beda  nicht  seine  Briefe  lieferte,  lässt  sich 
^endlich  durch  die  durchgreifenden  Unterschiede  zwischen  Original- 
'brief  und  Copie  im  Lateran,  Unterschiede,  die  ebenso  zwischen 
'der  Bedaschen  Form  und  der  der  Briefe  unserer  Sammlungen 
'bestehen,  bis  zur  Gewissheit  nachweisen'.  Dies  ist  einfach  ein 
Zirkelschluss.  Beda  ist  der  einzige  Gewährsmann,  welcher  uns 
über  die  Beschaffenheit  des  päpstlichen  Archivs  in  vorkarolin- 
gischer  Zeit  Auskunft  giebt;  und  diese  Auskunft  giebt  er  dahin, 
dass  die  damals  im  päpstlichen  Archiv  aufbewahrten  Papstbriefe 
den  Originalen  völlig  entsprachen,  insonderheit  die  Inscriptionen 
und  die  Subscriptionen  ebenso  vollständig  enthielten  wie  die 
Ausfertigungen  selbst.  Ob  man  sie  als  die  Concepte  anzusehen 
hat,  die  in  der  Kanzlei  zurückblieben,  oder  als  Abschriften  der 
Reinschrift,  ist  eine  andere  Frage;  wahrscheinlich  ist  die  letztere 
Auffassung  die  richtige,  da  die  nach  Ewalds  (S.  544)  richtiger 
Bemerkung  eigenhändig  von  dem  Briefsteller  hinzugefügte  Schluss- 


1)  Dies  lehrt  die  zugleich  von  Bonifatius  [ep.  33  D.  a.  E.]  an  Nothelm  ge- 
richtete Frage,  in  quoto  anno  ab  incarnatione  Christi  praedicatores  primi  missi 
a  sancto  Gregoiio  ad  gentem  Anglcyrum  venissent.  b'ebersendung  der  Schriften 
Bedas  erbittet  Bonifatius  mehrfach  von  seineu  englischen  Correspondenten,  dem 
Erzbischof  Ecberth  von  York  und  dem  Abt  Huetbertus  von  Wearmouth  (ep.  61 
p.  178;  ep.  62  p.  180;  ep.  100  p.  249  JaflFe  [ep.  75  p.  .347;  ep.  76  p.  348;  ep.  91 
p.  376  Dümmler]).  Wie  früh  Handschriften  der  Kirchengescbichte  nach  dem 
•Continent  gelangten,  beweist  die  weitaus  beste  Cambridger  Handschrift;  sie  ist 
nach  Henry  Bradshaws  sachkundigen  Ausführungen  (zu  den  Tafeln  139.  140  der 
Londoner  paleographical  society)  von  demselben  Schreiber  wie  das  martyrologium 
Wilbrordi  (Paris  10S37)  auf  dem  Continent,  vielleicht  in  Epternach  im  J.  737 
geschrieben. 


ß24  Die  Papstbriefe  bei  Beda. 

formel  detis  te  incolumem  custodiat  in  den  von  Beda  vollständig 
niitgeth eilten  Schreiben  sich  ebenfalls  vorfindet.  Diese  muss  in  den 
Concepten  gefehlt  haben,  ging  aber  natürlich  in  die  Abschriften  über. 
Unter  dieser  Yoraussetzung  erklären  sich  auch  in  befriedigender 
Weise  die  bei  Johannes  Diaconus,  dem  Biographen  Gregors  über 
dessen  Correspondenz  sich  findenden  Angaben.  Derselbe  kannte 
bekanntlich  sowohl  die  in  Jahrbänden  zusammengestellten  Gregor- 
briefe des  päpstlichen  Archivs  wie  auch  den  unter  Papst  Hadrian 
davon  angefertigten  und  in  zwei  Bänden  veröfl'entlichten  Auszug. 
392  Nach  diesem  arbeitete  er;  aber  wenn  er  angiebt,  dass  Gregor  in 
den  Ueberschriften  seiner  Briefe  sich  ständig  bezeichnet  habe  als 
scrvus  servorum  dei  (2,  1)  und  dem  Adressaten  die  ehrenden  Bezeich- 
nungen diledissimus  filius,  resp.  dominus  und  domina  beigelegt  habe 
(4,  58),  so  entspricht  beides  dem  Auszug  nicht,  wohl  aber  den  auf 
uns  gekommenen  Originalbriefen  (Ewald  S.  544  fg.).  Dass  Johannes 
diese  Angaben  den  im  Lateran  aufbewahrten  Briefbänden  entnahm, 
ist  nicht  gerade  nothwendig,  aber  in  hohem  Grade  wahrscheinlich, 
nachdem  erwiesen  ist,  dass  diese  Kanzleicopien  hierin  den  Origi- 
nalen entsprachen;  wenigstens  findet  sich  nirgends  bei  Johannes 
eine  Hindeutung  auf  eine  andere  Quelle,  und  wenn  ihm  auch 
der  freie  Gebrauch  der  vollständigen  Sammlung  nicht  gestattet 
ward,  so  genügte  hiefür  die  allgemeine  Kenntnis  derselben,  wie  er 
sie  zeigt.  Auch  die  Art,  wie  Johannes  über  das  Verhältnis  der  im 
Archiv  aufbewahrten  Gregorbriefe  zu  dessen  Schriftstellerei  sich 
äussert  (4,  71),  ist  dieser  Annahme  günstig.  Licet  Langobardorum 
perfidia  saeviente,  heisst  es  bei  ihm,  2J0st  Esechielis  tradatus  ah  exxm- 
sitione  librorum  destiferit,  ab  exponendis  tarnen  epistulis  quamdiu 
vivere  potuit  numquam  omnino  cessavit,  quarum  videlicef  tot  libros  in 
scrinio  dereliquit,  qiwt  annos  advixit.  Hierin  muss  doch  etwas  mehr 
ausgesprochen  sein,  als  dass  Gregor  seine  Correspondenz  bis  zu 
seinem  Tode  fortgeführt  hat;  vermuthlich  haben  jene  Copialbücherj 
keineswegs  jedes  von  dem  Papst  ausgehende  Schreiben  aufgenommen, 
sondern  sind  in  dieselben  nur  diejenigen  eingezeichnet  worden,  die 
zu  bleibendem  Gedächtnis  aufbewahrt  werden  sollten  und  durfte 
insofern  die  Hingabe  der  Erlasse  zur  Eintragung  in  dieselben  einiger- 
massen  auf  die  gleiche  Linie  gestellt  werden  mit  der  Schriftstellerei.l 
Wenn  Johannes  diese  Briefe  nachher  .  bezeichnet  als  decretales,  so 
ist  dies  vermuthlich  in  demselben  Sinne  zu  verstehen,  als  Gegensatzj 
zu  derjenigen  ephemeren  Correspondenz,  wie  sie  auch  in  dem  amt- 
lichen Verkehr  nothwendig  vorkommt.  Schwerlich  ist  Gregor  deil 
erste  römische  Bischof  gewesen,  welcher  solche  Copialbücher  ange- 


I 


Die  Papstbriefe  bei  Beda.  625 

legt  hat^,  wenngleich  Nothelm,  da  es  sich  nur  um  die  englische 
Kirche  handelte,  seine  Durchsicht  derselben  selbstverständlich  mit 
Gregor  begann;  dass  die  folgenden  Päpste  in  gleicher  Weise  fort- 
fuhren,  zeigen   die  bei  Beda   erhaltenen  Erlasse   seiner  Nachfolger. 

Nachdem  die  Vollständigkeit  der  In-  und  Subscriptionen  dieser 
päpstlichen  Copialbücher  dargelegt  worden  ist,  bleibt  noch  übrig  393 
auf  deren  Behandlung  in  den  auf  uns  gekommenen  Auszügen  einen 
Blick  zu  werfen;  genaueres  Eingehen  auf  die  Einzelheiten  ist  dabei 
nicht  beabsichtigt  und  auch  für  den  Zweck  dieser  Notiz  nicht  er- 
forderlich. 

In  sehr  befriedigender  Weise  hat  Ewald  gezeigt,  dass,  von  ver- 
einzelten Stücken  abgesehen,  unsere  Kunde  der  Gregorbriefe  auf 
drei  verschiedenen  Excerptenmassen  beruht,  von  welchen  die  erste 
(Paulus  bei  Ewald)  53,  die  zweite  (C.  bei  Ewald)  200,  die  dritte 
{registrum  bei  Ewald)  686  Nummern  umfasst.  Die  älteste  Erwähnung 
dieser  Briefsammlungen  hat  er  aber  übersehen.  Bonifatius  von 
Mainz  (f  755)  schreibt  an  den  Erzbischof  von  York  Ecberth  (ep.  61 
p.  180  Jaffe,  nach  dessen  Ansetzungen  zwischen  744  und  747  [ep.  75 
p.  347  D.]):  fraternitati  tuae  direxi  exemplaria  epistularum  sancti 
Gregorii,  quas  de  scrinio  Bomanae  ecclesiae  excepi,  quae  non  rebar 
ad  Britanniam  venisse:  et  plura  Herum,  si  mandaveris,  remittam, 
quia  multas  inde  excepi.  Dies  ist  ohne  Zweifel  dieselbe  Sammlung, 
in  der  Alcuin  um  das  J.  798  (ep.  93  p.  391  Jaffe  [ep.  137  p.  215 
Dümmler])  den  Brief  1,  41  (=  43  Maur.)  vergeblich  suchte:  episto- 
lam,  quam  heati  Gregorii  de  simpla  mersione  dicunt  esse  conscriptam, 
in  epistolari  suo  libro,  qui  de  Borna  nohis  adlatus  est,  non  invenimus. 
alias  vero  omnes  perspeximus  in  eo  lihro,  quem  ad  occidentalium 
partium  ecclesias,  pontifices  vel  reges  scripserai;  denn  jener  Brief 
fehlt,  wie  Ewald  S.  442  bemerkt,  sowohl  in  der  Sammlung  der  200 
wie  in  derjenigen  der  53  Briefe.  Die  Angabe,  dass  die  gregorischen 
Schreiben  an  Bischöfe  und  Könige  des  Occidents  gerichtet  seien, 
passt  allerdings  genau  auf  keine  von  beiden;  aber  jede  enthält  der- 
artige Schreiben  in  ziemlicher  Anzahl  und  da  diese  beiden  Samm- 
lungen auch  in  den  ältesten  Alcuin  gleichzeitigen  Handschriften  ver- 
einigt auftreten,  so  wird  auch  er  wohl  eine  derartige  beide  Samm- 
lungen umschliessende  Handschrift  vor  sich  gehabt  haben. 


1)  "Vgl.  Gregorius  ep.  11,  56  [11, 40  H.]:  de  eo  quod  ecclesiae  restrae  ex  antiqua 
consuetudine  concedendum  deposcitis,  reqiiiri  in  scrinio  fecimus  et  nihil  inventum 
est.  unde  ipsas  nohis  epistulas,  quas  vos  dicitis  habere,  iransmittite,  ut  ex  eis  quod 
concedendum  est  colligamus. 

MOMMSEN,    SCHB.  VI.  40 


626  I^iß  Papstbriefe  bei  Beda. 

Auf  die  Sammlung  von  686  Nummern,  welcher  die  in  der 
Biographie  des  Johannes  zahlreich  vorkommenden  Briefauszüge  ent- 
nommen sind,  bezieht  sich  dessen  Angabe:  ex  qtiorum  miiUitudine 
(d.  h.  der  in  den  vierzehn  Jahrbänden  des  Archivs  enthaltenen  Ge- 
sammtmasse  der  Briefe)  primi  Hadriani  papae  temporihus  (772 — 795) 
quaedam  epistulae  decretales  per  singulas  indictiones  excerptae  sunt  et 
in  duobus  voluminibus,  sicut  modo  cernitur,  congregatae.  In  welchem 
Verhältnis  die  drei  Sammlungen  zu  einander  stehen,  wissen  wir 
nicht;  auch  die  beiden  erstgenannten  scheinen  wenig  älter  und  über- 
haupt die  Gregorbriefe  erst  in  den  letzten  Decennien  des  8.  Jahr- 
hunderts in  einer  ohne  Zweifel  controlierten  Auswahl  zu  allgemeiner 
Kenntnis  gelangt  zu  sein. 

Gemeinsam  ist  den  drei  Auszügen  die  Abkürzung  der  Inscrip- 
394  tionen  durch  Weglassung  des  servus  servorum  dei  bei  dem  Namen 
des  Papstes  und  des  dilectissimus  filius  oder  dominus  bei  dem  des 
Adressaten.  Eine  Instanz  gegen  die  Zurückführung  der  drei  Aus- 
züge auf  eine  und  dieselbe  mit  vollständigen  Inscriptionen  versehene 
Sammlung  wird  hierin  keiner  finden,  der  die  im  Mittelalter  ständige 
Verkürzung  der  Inscriptionen  in  den  Sammlungen  von  Erlassen  und 
Briefen  auch  nur  einigermassen  kennt. 

"Wichtiger  ist  die  Frage,  wie  die  Epitomatoren  die  chronologi- 
schen Angaben  behandelt  haben.  Das  Archivexemplar  war  chrono- 
logisch geordnet  und  jeder  Jahrband  ohne  Zweifel  am  Anfang  mit 
der  Bezeichnung  der  Indiction  versehen;  weiter  war,  wie  die  gleich 
darzulegende  Beschaffenheit  der  Auszüge  zeigt,  jeder  Jahrgang  in 
Monatsabschnitte  mit  entsprechenden  Ueberschriften  getheilt.  Ausser- 
dem hat  ein  jeder  Brief  seine  Subscription,  das  heisst,  es  findet  sich, 
wie  dies  namentlich  Bedas  Excerpte  zeigen,  am  Schluss  das  Wort 
data  mit  folgendem  Tagesdatum  nach  dem  römischen  Kalender  und 
der  Jahresangabe  nach  dem  kürzlich  in  diesem  Archiv  (16,  54)  [oben 
S.  346]  von  mir  erörterten  justinianischen  Schema,  das  heisst  nach 
dem  Jahr  des  regierenden  Kaisers,  nach  dem  consularischen  und 
nach  der  Indiction.  In  den  Auszügen  ist  diese  Datierung  in  ver- 
schiedenartiger Weise  verkürzt. 

In  dem  Registrum  ist  die  Eintheilung  der  Briefe  nach  Indictionen, 
wie  die  Bände  des  Originals  sie  darstellten,  in  der  Weise  beibehalten, 
dass  zu  Anfang  einer  jeden  Indiction  dieselbe  als  Praescript  steht. 
Die  dreifache  Jahresangabe  am  Schluss  wurde  dadurch  überflüssig 
und  ist  weggelassen,  während  das  Tagdatum  bleibt.  Ausserdem 
aber  zerfällt  hier  jede  Indiction  nach  den  Monaten  in  zwölf  durch 
die  vorgesetzten  Monatsnamen  bezeichnete  Abschnitte,  welche,  wie 


Die  Papstbriefe  bei  Beda.  627 

schon  gesagt  ward,    allem  Anschein   nach   in   dem  Archivexemplar 
ebenfalls  sich  befanden. 

In  der  Sammlung  der  200  Briefe  sind  die  chronologischen  An- 
gaben, sowohl  die  vorgesetzten  Indictionen  und  Monate  wie  auch 
die  Schlussdaten  sämmtlicli  beseitigt  mit  der  einen  Ausnahme,  dass 
vor  10,  44  [9,  143  H.]  die  Worte  mense  Mail  indictione  II  stehen- 
geblieben sind  (Ewald  S.  578),  also  eine  einzelne  der  Monatsüber- 
schriften. 

Eigenthümlich  sind  die  Daten  behandelt  in  der  kleinen  Paulus- 
Sammlung  (Ewald  S.  580).  In  der  einen  Gruppe  derselben  steht 
am  Schluss  des  Briefes  das  Tagdatum  (meistens  mit  Durchzählung 
der  Monatstage)  und  die  Indiction;  in  der  anderen  Gruppe  finden 
sich  die  gleichen  Angaben  am  Anfang  der  Briefe.  Jenes  erste  Ver- 
fahren erklärt  sich  von  selbst;  das  zweite  hängt  wohl  zusammen  mit 
der  Vorsetzung  der  Monatsabschnitte  im  Original. 

Dass  in  diesen  Auszügen  bei  den  chronologischen  Vermerken  ,{<).") 
häufig  Verwirrung  eingetreten  ist,  namentlich  da,  wo  auf  das  Schluss- 
datum eines  Briefes  das  Praescript  des  folgenden  Monats  folgt,  ist 
begreiflich;  aber  dass,  wie  Ewald  (S.  572.  595)  meint,  ausser  dem 
Datum  des  Briefes  selbst  auch  noch  das  der  Eintragung  in  das 
Copialbuch  in  dem  Archivexemplar  gestanden  haben  soll,  dafür  sehe 
ich  auch  nicht  den  Schatten  eines  Beweises  und  halte  überhaupt  in 
Beziehung  auf  Gregor  das  sogenannte  Eintragungsdatum  für  eine 
derjenigen  Hallucinationen ,  welche  die  im  Uebrigen  so  dankens- 
werthe  und  so  aufklärende  Untersuchung  Ewalds  über  diese  wichtige 
Sammlung  mehrfach  verunstalten. 


Nachdem  die  vorstehende  Notiz  abgeschlossen  war,  ist  mir  aus 
Ewalds  Nachlass  durch  Hrn.  L.  Hartmann  über  die  sogenannten 
interrogationes  Augustini  (S.  620)  eine  Mittheilung  zugekommen,  die 
mit  der  hier  erörterten  Frage  in  Zusammenhang  steht  und  deren 
mir  gestattete  Veröffentlichung  ich  nicht  unterlassen  will. 

Dass  in  der  bekannten  Handschrift  Lucca  n.  490  (Ende  8.  Jahrh.) 
am  Schluss  der  Historia  ecclesiastica  des  Eusebius-Rufinus  der  zu- 
nächst leer  gebliebene  Raum  mit  dem  fraglichen  Schreiben  (11,  64 
der  Ausg.  [11,  56  a  ed.  Hartmann  MGH.])  ausgefüllt  worden  ist,  hat 
Duchesne  in  der  sorgfältigen  Beschreibung  der  Handschrift  (lib. 
pontif.  1  p.  CLXV)  anzugeben  nicht  unterlassen.  Aber  es  wird  erst 
jetet  bekannt,  dass  in  diesem  Text  die  bei  Beda  fehlende  Einleitung 
erhalten  ist.     Dieser  Eingang  lautet: 

40* 


ß28  I^ic  Papstbriefe  bei  Beda. 

Responsum    heati    Gregorii    ad    Augusiinum    ep(iscopu)m, 
quem   Saxonie   in  predicatione  direxerat;   inter  cetera  et  ad 
locum.     Per  dilectissimos  meos  fllios  Laurentium  (Laurentius 
Hs.^   pr(es)b(yte)r(um)    et    Petrum    monachum    fraternitatis 
(fraternitati  Hs.)  tuae  scripta  suscepi,  in  quibus  me  de  multis 
capitulis  requirere  curasti.     sed  quia  praedicti  filii  podagrae 
me  invenerunt  dolorihus  adßictum   et  cum  urguerent  citius  se 
dimitti,  ita  relaxati  sunt,  ut  in  eadem  me  doloris  adflictione 
(eodem    me    dolores    adflictionem    Hs.^    relinquerent ;    singulis 
quibusque  capitulis,  ut  debui,  latius  respondere  non  valui. 
Dann  folgt  I  cap.  de  episcopis  qualiter  und  weiter  der  Text,  wie 
er  bei  Beda  steht,  nur  dass  die  interrogationes  und  responsiones   V. 
VI.  VII  fehlen.     Dass  dieser  Eingang   auch  Beda  vorgelegen   hat, 
ergiebt  sich   aus   der  gleichartigen  Nennung   der   beiden  Sendboten. 
Gregor  entschuldigt  sich   hier,   dass  in  Folge  seiner  Krankheit   und 
der  beschleunigten  Abreise    der   Sendboten    er    sich    kürzer    als    er 
gesollt  habe  fassen  müssen.     Adresse   und  Unterschrift  fehlen  und 
396  auch  die  Einleitung  scheint  als  unvollständig  bezeichnet  zu  werden; 
denn  die  Formel  inter  cetera  et  ad  locum,   die   in   der   Consultatio 
veteris  iuris  consulti  (5,  6.  6,  12.  16.  17.  18.  19.  9,  7.  13.  18  Krüger) 
und  in   den    alten   Excerpten    aus    der   römischen   Synode  von   502 
(Maassen,  Quellen  des  kanon.  Rechts  S.  583.  589)  sowie  auch  sonst 
nicht  selten  in   den  Sammlungen  dieser  Epoche  gefunden  wird,  be- 
zeichnet technisch  die  Aushebung  eines  Abschnittes  aus  einem  längeren 
Schriftstück. 

Dass  diese  Interrogationen  nichts  sind  als  ein  Schreiben  des 
Papstes  an  den  Missionar,  wird  durch  den  jetzt  bekannt  werdenden 
Eingang  bestätigt.  Die  Aufnahme  der  kurzen  schriftlich  dem  Papst 
vorgelegten  Fragen  in  das  Antwortschreiben  selbst  bedarf  keiner 
Rechtfertigung;  die  Fassung  der  Antworten,  von  denen  die  eine  (7) 
auf  ein  anderes  Schreiben  des  Papstes  Bezug  nimmt,  ist  durchaus 
die  in  den  Briefen  übliche. 

Die  Frage,  ob  dieser  Brief  von  Gregor  selbständig  publiciert 
worden  ist  oder  wir  ihn  nur  durch  das  Lateranische  Copialbuch 
kennen,  wird  durch  diesen  Fund  nicht  entschieden.  Dem  Schreiber 
unserer  Handschrift,  einem  Zeitgenossen  Papst  Hadrians  I.,  kann 
das  Copialbuch  des  Lateran  ebenso  zugänglich  gemacht  worden  sein 
wie  einige  Decennien  früher  dem  Nothelm,  und  mir  scheint  diese 
Annahme  die  einfachste  und  nächstliegende  zu  sein,  obwohl  ich  nicht 
behaupten  will,  dass  sie  die  ausschliesslich  mögliche  ist. 


XXXIV. 

Bemerkungen  zu  den  Papstbrieten  der  Britischen 

Sammlung.*) 

Jaffe-K.  631;  Löwenfeld,  Epp.  Pont.  Rom.  8.  2  n.  3;  Ewald,  187 
Neues  Archiv  V,  509  n.  3.  In  dem  Adressaten  Probus  hat  Ewald 
mit  Recht  den  episcopus  Carmeianensis  erkannt,  der  an  den  römischen 
Synoden  501,  502  theilnahm.  Gemeint  ist  der  District,  welcher  in 
der  Not.  dignitat.  occ.  c.  12,  18  also  aufgeführt  wird:  procurator  rei 
privatae  per  Apuliam  et  Calabriam  sive  saltus  Carniinianensis ,  auch 
in  der  interpolirten  Fassung  des  Über  coloniarum  (grom,  p.  261)  in 
der  Form,  dass  zu  dem  ager  CoUatinus,  den  der  bessere  Text 
zwischen  Arpanus  und  Sipontinus  \evzeich.net,  hier  zugeschrieben  ist: 
qui  et  Carmeianus.  Der  Ort  ist  wahrscheinlich  Carmignano  in  (dem 
ehemaligen)  Calabrien  zwischen  Lecce  und  Nardo.  Dass  die  Oert- 
lichkeit  als  kaiserliche  Domäne  ausserhalb  der  municipalen  Organi- 
sation stand,  zeigt  die  Notitia;  darauf  kann  der  conductor  domus 
regie  bezogen  werden,  obwohl  dessen  Pachtbezirk  nicht  nothwendig 
in  der  Diöcese  des  Probus  gesucht  werden  muss. 

JafFe-K.  648;  Löwenfeld  a.  a.  O.  S.  4  n.  7;  Ewald  a.  a.  O. 
S.  513  n.  12.  Der  episcopus  Valvensis  ist  derjenige  des  alten  Corfi- 
nium,  dessen  Sprengel  zu  Gelasius  Zeit  schwerlich  schon  mit  dem 
von  Sulmo  vereinigt  war;  Salerno  bei  Ewald  muss  Schreibfehler  sein. 
Ob  das  in  dem  Briefe  erwähnte  Potentia  die  lucanische  Stadt  ist 
(Potenza)  oder  die  picenische  (bei  Recanati),  ist  nicht  auszumachen; 
beide  liegen  von  Corfinium  weit  ab. 

Jaffe-K.  705  (vgl.  663);  Löwenfeld  a.a.O.  S.  9  n.  17;  Ewald 
a.  a.  0.  S.  517  n.  30.  Den  vicus  Cluentimcs  nennt  die  Inschrift  C. 
I.  L.  IX,  5804  [Cluenfensis],  gefunden  in  Civitanuova  in  Picenum 
zwischen  Osimo  und  Fermo;  ob  derselbe  mit  der  in  älterer  Zeit 
mehrfach  genannten  Ortschaft  Cluana  zu  identificiren  ist,  steht  dahin. 

*)  [Neues  Archiv  15  (1890)  S.  187  —  188.] 


630  Bemerkungen  zu  den  Papstbriefen  der  Britischen  Sammlung. 

Jaffe-K  713;  Löwenfeld  a.  a.  0.  S.  9  n.  18;  Ewald  a.  a.  O. 
S.  519  n.  38.  Der  aller  "Wahrscheinlichkeit  nach  mit  dem  anconi- 
tanischen  grenzende  Bisthumssprengel  der  ecdesia  Camiscana  kann 
188  wohl  kein  anderer  sein  als  der  des  südlich  nächst  angrenzenden 
Territoriums  von  Numana,  obwohl  die  Aenderung  ziemlich  weit 
abliegt. 

Jaffe-K.  981;  Löwenfeld  a.  a.  0.  S.  14  n.  25;  Ewald  a.  a.  O. 
S.  540  n.  9.  Auf  Grund  des  schon  früher  bekannten  Fragments 
dieses  Briefes  (Mansi,  Coli,  concil.  IX,  734)  haben  die  Neapolitaner 
Topographen  (zuletzt  Corcia,  Storia  delle  due  Sicilie  II,  97)  den  nur 
hier  genannten  vicus  Fenicolensis  mit  dem  vico  di  Pantano,  südöstlich 
von  Castel  Yolturno  in  Campanien  identificirt.  Jetzt,  wo  das 
Schreiben  vollständig  vorliegt,  sehen  wir,  dass  es  von  zwei  be- 
nachbarten Sprengein  handelt,  der  ecdesia  VuUurnina  vel  vici  Feni- 
eulensis  und  der  ecdesia  Pariensis  (wofür  bei  Mansi  Parisiensis  ge- 
druckt ist).  Bei  der  letzteren  kann  wohl  nur  gedacht  werden  an 
das  alte  Liternum,  jetzt  Torre  di  Patria;  ob  die  handschriftliche 
Ueberlieferung  danach  zu  ändern  oder  Patria  aus  Paria  verdorben 
ist,  weiss  ich  nicht  zu  entscheiden.  Der  vicus  Fenicolensis  muss  in 
oder  bei  Castel  Volturno  gesucht  werden;  vielleicht  hat  die  jetzt 
gangbare  Identificirung  hier  einmal  das  Richtige  getroffen. 

Jaffe-K.  966;  Löwenfeld  a.  a.  0.  S.  20  n.  39;  Ewald  a.  a.  0. 
S.  561  n.  70.  71.  Der  presbyter  Turinatis  ecdesiae,  welche  zur 
Diöcese  von  Spoleto  gehört,  kann  unmöglich  ein  Priester  von  Todi 
sein,  das  eine  eigene  Diöcese  bildet.  Aber  nachzuweisen  weiss  ich 
jene  Ortschaft  nicht. 


XXXV. 

Die  Historia  Brittonura  und  König  Lucius  von 
Britannien.*) 

Zu  den  Verdiensten,  die  der  geschichtlichen  Forschung  durch  285 
mich  erwachsen  sind,  werde  ich  immer  dasjenige  zählen,  dass  Hein- 
rich Zimmers  'Nennius  vindicatus'  (Berlin  1893)  vielleicht  nicht 
erschienen  wäre,  wenn  nicht  meine  durch  die  Arbeiten  für  die 
Monumenta  Germaniae  historica  veranlassten  Anfragen  und  Wünsche 
diesem  Werke  zum  Hebel  geworden  wären.  Mag  man  mit  den 
darin  enthaltenen  Ausführungen  mehr  oder  minder  einverstanden 
sein,  mag  man  die  Behandlungsweise  derjenigen  Männer,  für  die 
irische  und  kymrische  Texte  dermasseu  ein  siebenfach  versiegeltes 
Buch  gewesen  sind,  dass  sie  dazwischen  keinen  Unterschied  fanden, 
vielleicht  im  Bewusstsein  eigener  Unvollkommenheit  etwas  gemildert 
wünschen,  darüber  wird  kaum  eine  Meinungsverschiedenheit  bestehen, 
dass  das  Buch  uns  den  geschichtlichen  Horizont  erweitert  und  in 
dem  Kreis  derjenigen  Forschung,  die  von  dem  untergehenden  Römer- 
staat zu  den  Anfängen  der  Neuzeit  die  Brücke  finden  möchte,  die 
Zweige  des  Keltenstamms  zu  rechter  Geltung  gebracht  hat.  Aber 
dies  weiter  und  eingehender  auszuführen,  der  merkwürdigen  Spät- 
zeitigkeit  des  Urahnen  Paddys,  des  h.  Patricius  und  allerlei  anderen 
nützlichen  und  gelegentlich  scherzhaften  Dingen  auf  Zimmers  Spuren 
nachzugehen,  ist  nicht  die  Absicht  dieser  kurzen  Notiz;  meinem 
Arbeitsfelde  liegen  diese  Untersuchungen  meistentheils  nur  insoweit 
nahe,  dass  ich  daraus  belehrt  worden  bin,  und  an  Aus-  und  Gegen- 
schreibern wird  es  Zimmer  nicht  fehlen.  Ich  beabsichtige  nur  über 
eine  Hs.  der  Historia  Brittonum,  deren  Collation  Zimmer  (S.  201)  aus 
dein  ivon  mir  für  4ie  MG.  beschafften  Apparat  vorgelegen,  die  er 
aber  nach  meiner  Meinung  nicht  so,  wie  sie  es  verdient,  gewürdigt 


')  [Neues  Archiv  19  (1894)  S.  283  —  293.] 


632  J^ie  Historia  Brittonum  und  König  Lucius  von  Britannien. 

hat,  einiges  nachzuholen  und  über  eine  der  wichtigsten  Controversen, 
die  an  die  alte  Brittengeschichte  sich  knüpfen,  die  Genesis  des  ersten 
christlichen  Brittenkönigs  Lucius  eine  kurze  Bemerkung  anzuschliessen. 

Es  handelt  sich  um  die  Handschrift  von  Chartres  n.  98,  saec. 
IX/X,  kurz  beschrieben  in  dem  vortrefflichen  Katalog  der  französi- 
286  sehen  Departemental- Bibliotheken  Bd.  11  S.  51  und  für  mich,  nach- 
dem die  Hs.  nach  Paris  gesandt  war,  dort  von  meinem  Freunde 
Girard  verglichen.  Hauptsächlich  enthält  sie  Schriften  von  Isidor, 
Rabanus,  Augustinus;  die  Brittengeschichte  ist  auf,  wie  es  scheint, 
früher  freigelassenen  Blättern  f.  2'.  5'.  167  hinzugeschrieben;  der 
Text  läuft  auf  diesen  fort,  bricht  aber  ab  in  c.  37  unserer  Ausgaben 
in  den  Worten  a  me  quod  postulas,  abgeschrieben  anscheinend  aus 
einem  defecten  Original,  da  darunter  der  Plan  einer  Kirche  ge- 
zeichnet ist  und  die  Hs.  selber  vollständig  zu  sein  scheint.*) 

Die  bisher  bekannten  Texte  der  Brittengeschichte  reichen  in 
ihren  verschiedenen  Klassen  nicht  weit  zurück.  Der  ebenso  älteste 
wie  vollständigste  Text  ist  vertreten  durch  den  Londoner  Harleianus 
3859,  saec.  X,  der  demselben  keinen  Autornamen  vorsetzt.  Mcht 
aus  diesem  selbst,  aber  aus  derselben  Vorlage  stammt  die  sehr  zahl- 
reiche Klasse  der  diese  Schrift  dem  Gildas  beilegenden  Hss.,  welche 
zwar  nicht  alles  im  Harleianus  Enthaltene  bieten,  aber  so  weit  sie 
reichen,  wesentlich  mit  demselben  übereinstimmen.  Dass  dasselbe 
auch  von  den  Texten  gilt,  welche  die  Brittengeschichte  mit  dem 
Namen  des  Nennius  verknüpfen,  sowohl  den  lateinischen  wie  der 
kymrischen  Uebersetzung,  werde  ich  seiner  Zeit  rechtfertigen.  End- 
lich der  Text,  der  die  Brittengeschichte  unter  dem  Namen  des  Marcus 
anachoreta  überliefert  (hauptsächlich  Yaticanus  reginae  1964,  saec.  XI), 
bietet  manche  selbständige  und  werth volle  Lesung,  ist  aber  augen- 
scheinlich umgestaltet  und  nur  durch  schwer  begreifliche  Miss- 
schätzung über  den  Harleianus  gesetzt  worden,  mit  dem  er  übrigens, 
von  der  Variation  der  Wörter  und  der  Phrasen  abgesehen,  im  Grossen 
und  Ganzen  übereinstimmt. 

Allen  diesen  Texten  gegenüber  tritt  der  der  Hs.  von  Chartres 
nicht  bloss  als  unter  den  erhaltenen  wo  nicht  der  älteste,  doch  dem 
sonst  ältesten  Harleianischen  gleichzeitig,  sondern  auch  als  unab- 
hängig und  selbständig. 

In  der  germanischen  Völkertafel  (c.  17)  fehlt  in  der  guten  Ueber- 
lieferung  dem  dritten  Sohn  des  Alanus,  dem  Negue,  der  vierte  Sohn, 
der  Toringus  der  deutschen  Ueberlieferung,  während  bei  der  Angabe 


*)  [Vgl.  Mommsen,  Chron.  min.  III  p.  119.] 


Die  Hiatoria  Brittonum  und  König  Lucius  von  Britannien.  633 

der  von  dem  Negue  abstammenden  Völker  auch  im  brittischen  Text 
die  Taringi  sich  finden,  wegen  welcher  dann  späte  Texte  der  Britten- 
geschichte  einen  vierten  Sohn  Targus  hinzusetzen.  In  der  Hs.  von 
Chartres  fehlt  der  vierte  Sohn  des  Negue  auch,  aber  die  von  Negue 
abstammenden  vier  Völkerschaften  heissen  Bogari,  Vandali,  Saxones 
et  Turingi.  Hier  hat  die  Hs.  von  Chartres  allein  die  zweifellos  echte  ^87 
Ueberlieferung  bewahrt. 

Die  viel  besprochene  Stelle  c.  31  über  die  Ankunft  der  Sachsen 
in  Britannien,  welche  im  Harleianus  also  und  ähnlich  in  den  Marcus- 
Hss.  lautet: 

regnante  Gratiano  secundo  Equantio  Saxones  a  Guorthig&rno  stis- 
cepti  sunt  anno  CCCXL  VII  post  passionem  Christi, 

woraus   die   interpolierten  Gildas -Hss.  gemacht  haben,  offenbar  mit 
Rücksicht  auf  Beda  h.  eccl.  1,  15.  5,  24: 

regnante  Martiano  secundo,  quando  Saxones  a   Guorthigerno  sus- 
cepti  sunt  anno  CCCCXL  VII  post  passionem  Christi, 
ist  in   der  Hs.  von   Chartres,   ähnlich  wie    im    kymrischen   Nennius 
(Zimmer  S.  191  f.),  also  gefasst: 

regnante  Grano  (so)  secundo  cum  Equicio  Saxones  a  Guorthigimo 
suscepti  sunt  anno  CCCXL  VII  post  passionem  Christi. 
Wie  man  immer  über  die  Angabe  selbst  urtheilen  mag,  dass  die 
Datierung  anschliesst  an  die  Tafel  des  Victorius  Aquitanus  (chron. 
min.  1  p.  716):  anno  CCCXLVII  (a  passione)  Gratiano  III.  et 
Equitio  oder  an  dessen  Ausschreiber  Prosper  (a.  a.  0.  S.  459),  und 
dass  dieser  Quelle  die  Hs.  von  Chartres  am  nächsten  kommt,  ist 
augenfällig. 

Die  Beschaffenheit  einer  Hs.  dieser  Art  verdient  nähere  Prüfung. 

Der  Titel  lautet:  incipiunt  Exherta  fu  Urhacen  de  libro  sancti 
Germani  inventa  et  origines  et  genelogia  (so)  Britonum.  Derselbe 
steht  unter  den  Hss.  des  Werkes  ganz  allein,  wenn  man  davon  ab- 
sieht, dass  sie  alle  (die  unsrige  reicht  nicht  so  weit)  c.  47  nach 
Abschluss  des  Berichts  über  den  Guorthigirn  bemerken:  hie  est  finis 
Guortigirni,  ut  in  lihro  heati  Germani  rej>peri.  Ob  exherta  aus 
excerpta  entstellt  ist  oder  zum  Autornamen  gehört,  weiss  ich  nicht; 
den  letzteren  —  Urbacen  kommt  als  kymrischer  Personenname  auch 
sonst  vor  —  können  nur  Celtice  docti  behandeln. 

Ihrer  Stellung  nach  zu  den  übrigen  Hss,  zeigt  die  unsrige  in 
einer  Reihe  einzelner  Lesungen  wie  auch  namentlich  in  der  ziemlich 
wörtlichen  Aufnahme  des  Aeneas-Stammbaumes  {de  Romanis  et  Grecis 
trahunt  ethimologiam  u.  s.  w^,  San  Marte   zu  c.  10  und  Gunn  in  der 


ß34  I^iß  Historia  Brittonum  und  König  Lucius  von  Britannien. 

Marcus- Ausgabe)  sich  der  Marcus-Familie  verwandt,  während  zwar 
an  "Willkürlichkeiten  und  Corruptelen  auch  in  ihr  kein  Mangel  ist, 
aber  sie  doch  keineswegs  in  dem  Grade  wie  diese  sich  als  Um- 
288  Schreibung  des  überlieferten  Textes  darstellt.  Bei  genauer  Prüfung, 
die  hier  vorzulegen  nicht  erforderlich  ist,  habe  ich  gefunden,  dass 
der  Marcustext  aus  dem  von  Chartres  und  einem  interpolierten 
Gildas-Exemplar  contaminiert  ist  und  also  da,  wo  der  erstere  fehlt, 
denselben  keineswegs  ersetzt. 

Dem  Inhalt  nach  zeigt  der  Text  von  Chartres,  so  weit  er  reicht, 
von  dem  der  übrigen  im  wesentlichen  mit  einander  übereinstimmenden 
die  folgenden  Abweichungen : 

1)  Der  chronologische  Anfangsabschnitt  ist  vorhanden,  aber  von 
c.  3  (San  Marte)  springt  er  auf  c.  5  und  zeigt,  dass  die  An- 
setzung  des  Harleianus,  wonach  von  Christi  Geburt  bis  auf 
die  Abfassung  des  Werkes  831  Jahre  verstrichen  sind,  sowie 
alle  ähnlichen  der  geringeren  Recensionen  den  verschiedenen 
Schreibern  gehören  und  die  älteste  Fassung  ein  Abfassungs- 
jahr nicht  angab. 

2)  Die  Historia  Brittonum   selbst  ist   folgen dermassen  geordnet: 

p.  31,  c.  3.  Britannia  insula  .  .  .  .  p.  32,  c.  9  a.  E.  Britones 
olisti  (sehr,  olim)  impleverunt  Britamiiam  a  mari  usque  ad 
mare. 

De  genelogia  Britonum.  De  origine  Britonum  de  Romanis 
et  Grecis  ....  surrexerunt  (im  Allgemeinen,  wie  gesagt, 
entsprechend  der  Marcus-Recension). 

Casabellaunus  rex  Britannicus  .  .  .  .  a  quo  tenuerunt 
Saxones  Brüanniam  usque  ad  annum  supradictum. 

Britones  a  Briito  dicti  ....  filius  dei  vlvi  aUissimi 
(entspricht  wesentlich  dem  c.  18,  p.  40  Z.  6 — 15). 

Quando    regndbat   Br'do    ....    regndbat    apud    Latinos 
(c.  11,  p.  31   Z.  8-10). 
p.  39,  4.    Tres  filii  Noe  diviserunt   orbem  .  .  .   p.  40,  3  filii 
Adam  filii  dei  vivi. 
(p.  40,  6—15  steht  oben.) 
p.  40,  17.     Romani  autem  cum  accepissent  ...  p.  41,  14.    ab 

initio  mundi   VCCXV. 
(p.  41,  15  lulius  igitur  ...  p.  46,  8  interfectus  est  in  Gallia 

fehlen  in  dem  Chartres-Text). 
p.  46,  9.    Trihus  «;*ci7>ws  und  so  weiter  bis  zum  Schluss  ohne 
'  grössere  Abweichung, 


I 


Die  Historia  Brittonum  und  König  Lucius  von  Britannien.  635 

Der  Abschnitt  c.  1 2  post  intervallum  —  1 7  libris  veterum 
nostroriim,  die  merkwürdigen  irischen  Wandersagen  ent- 
haltend, fehlt. 

3)  Von   den   hiernach   im  Chartres-Text  zwischen  p.  32  und  39  289 
des  unsrigen  auftretenden  Stücken  ist  das  dritte  c.  18  {Brittones 

a  Bruto  —  filii  Lamcch,  welcher  Stammbaum  hier  bis  auf 
Adam  und  den  deus  vivus  altissitnus  verlängert  ist)  in  unserem 
Text  auch  vorhanden,  aber  an  anderer  Stelle.  Augen- 
scheinlich stand  dieses  Stück  in  dem  ältesten  Text  am  Rande; 
hier  haben  wir  dafür  den  unmittelbaren  Beleg,  da  es  in  die 
beiden  Hss.-Klassen  zwar  gleichmässig  übergegangen  ist,  aber 
an  verschiedenen  Stellen  steht,  welche,  wenn  man  die  den 
beiden  Texten  zu  Grunde  liegende  Ur-Hs.  ins  Auge  fasst, 
nahe  zusammen  rücken. 

4)  Dasselbe  gilt  von  dem  kurzen  vierten  Stück;  auch  dies  ist 
beiden  Klassen  gemein,  aber  an  verschiedenen  Stellen  ein- 
gelegt und  offenbar  ebenfalls  vom  Rande  in  den  Text  ge- 
kommen. 

5)  Für  den  Abschnitt  unseres  Textes,  der  die  fabelhafte  Vor- 
geschichte des  Stammvaters  der  Britten  Brutus  erzählend  ihn 
zum  Enkel  des  Aeneas  und  zum  Tödter  seines  Vaters  macht 
(p.  32  a.  E.  Aeneas  post  Troianum  ....  p.  34,  8  cuius  frater 
erat  Bruto)^  bietet  die  Chartres-Hs.  einen  Ersatz  an  derselben 
Stelle  (nach  c.  9)  in  dem  auch  in  der  Marcus-Recension  befind- 
lichen diesen  Brutus  ebenfalls  an  Aeneas  anknüpfenden  Stamm- 
baum. Er  trägt  die  Sonderüberschrift  de  genelogia  (so)  Brito^ 
num,  welche,  wie  wir  sahen,  im  Haupttitel  wiederkehrt.  Danach 
stammen  von  des  Aeneas  Sohn  Silvius  und  seiner  Gattin 
Labina  (Lavinia),  der  Tochter  des  Latinus,  drei  Brüder  ab: 
Remus,  Romulus  und  Brutus  (dieser  dritte  Bruder  ist  in  der 
Marcus-Recension  gestrichen),  Kinder  der  Prinzessin  und  Nonne 
Rea  {filii  reginae  sanctimonialis  Beae):  Brutus  consul  fuit  in 
Borna  epiromanus  (so  Chartres  und  Marcus)  quando  exjyugnavit 
Hispaniam.  Der  ursprüngliche  Text  kennt  wohl  den  Brutus 
consul  Romanus  als  Stammvater  der  Britten,  aber  knüpft  den- 
selben weder  an  Aeneas  noch  an  den  Eroberer  Spaniens 
D.  Brutus  Callaicus,  wobei  die  HieronjTuus-Notiz  a.  Abr. 
1875  unter  der  Rubrik  consulum  Bomanorum:  Brutus  Hiheriam 
usque  ad  oceanum  suhigit  als  Quelle  gedient  hat. 

6)  Für  das  ebenfalls  dem  Chartres-Text  fehlende   grosse   Stück 

c.  20  J«(?ms  — 29,  welches  im  Wesentlichen  einen  Auszug  aus  290 


^36  ^i6  Historia  Brittonum  und  König  Lucius  von  Britannien. 

der  römischen  Kaisergeschichte  von  Caesar   bis   auf  Gratian 
darstellt,  giebt  die  zweite  jener  vier  Einlagen   der  Chartrest^^ 
Hs.    auch    eine   Art    Ersatz.      Unmittelbar    anschliessend    an 
die    eben    erwähnte     Aeneas- Brutus -Fabel    folgt    ein    sonst 
unbekannter  Abschnitt,  anhebend  Casahellaimus  rex  Britanni- 
cus    et    ipse   fuit   in    ohviam    Gai   lulii    Cesaris  regis   Borne, 
dann  eine  Aufzählung  der  sieben  römischen  Kaiser,   die  nach 
Britannien  gekommen  sind,  sachlich  übereinstimmend  mit  dem 
Bericht  in  der  Brittengeschichte   c.  27  und  offenbar  die  dort 
angezogene  vetus  traditio  seniorum  nostrorum,   wonach  sieben 
römische   Kaiser  nach   Britannien  gekommen  sind;  von   dem 
achten  und  neunten,  die  der  bisher  bekannte  Text  hinzufügt: 
Bomani  autem  dicunt  novem  fuisse,  weiss  der  Chartres-Text 
nichts. 
Offenbar   liegt    uns    in    diesem    Text    die    älteste    Fassung    der 
Brittengeschichte  vor:  die  Interpolationen  c.  11  und  18  sind  da,  aber 
noch  nicht  eingereiht;  die  Aeneas-Brutus-Verklitterung  und  die  sieben 
Kaiserfahrten  von  Rom  nach  Britannien  sind  auch   da,   aber  anders 
und  noch  etwas  toller  als  in  dem  späteren  Text  gestaltet  und  eben- 
falls nicht  eingereiht.     Wirft  man   diese    vier  im  Chartres-Text  zu- 
sammenstehenden   Stücke,    sowie    die    in    demselben    ohne    Ersatz 
fehlenden  heraus,  wie  es  offenbar  geschehen  muss,  um  den  ursprüng- 
lichen Text  herzustellen,    so   schliessen  das  Ende  von  c,  9  und  der 
Anfang  von  c.  17  aneinander;  und  dass  dies  ursprünglich  der  Fall  war, 
dass    die  Uebergangsworte  c.  10  z.  A. :    si  quis    scire  voluerit,    qtw 
tempore  post    düuvium  habitata    est  Jmec   insula,    hoc  experimentum 
hifarie  invenl  und  c.  17  z.  A. :    aliud  experimentum    inveni    de    isto 
Britto  ex  veterihus  libris  veterum  nosfrorum  nur  eingesetzt   sind,   um 
den  langen   Einschub    c.  10  —  16   zu  decken,  hat   schon  Hager  (die 
Trojanersage  der  Britten.    München  1886)  unter  Zustimmung  Zimmers 
S.  55  mit  richtigem  Blick  erkannt.     Also    ist    in    der    Chartres-Hs., 
soweit  sie  reicht,  eine  ältere  Recension  der  Brittengeschichte  erhalten. 
Hägers    weiterer  Vermuthung,    dass    die    älteste    Fassung    nur    den 
germanischen,  nicht  den  römischen  Stammvater  der  Britten  gekannt 
hat,    entspricht   diese  ältere  Recension    nicht  völlig,    da  der  Brutus 
consul  Bomanus  auch   in    ihr  auftritt,    aber   er  spielt  hier   eine   so 
untergeordnete  Rolle,    dass  auch    diese    Annahme    im  Wesentlichen 
bestätigt  wird. 
291  Ich  knüpfe  daran  einige  Bemerkungen  über  die  Fabel  von  dem 

ersten  christlichen  Könige  Britanniens  Lucius  und  deren  Entstehung.! 
im  Anschluss  an  Zimmers  Ausführungen  S.  140.    Es  liegen  uns  darüber 


Die  Historia  Brittonum  und  König  Lucius  von  Britannien.  637 

drei  Berichte  vor,  und   es  ist  von  Wichtigkeit,  deren  Verhältnis  zu 
einander  zu  bestimmen.*) 

Liber  pontif.  1  p.  136  Duch.  [1  p.  17  Mo.]:  Eleuther  .  .  .  sedit  arm. 
XV.  ....  fuit  auteni  temporibus  Antonini  et  Commodi  [a  Severo 
et  Herenniano  (nach  Chr.  171)]  usque  ad  Paterno  et  Bradua 
(nach  Chr.  185).  Mc  accepit  episiula  a  Lucio  Brittanio  rege, 
ut  Christianus  efßceretur  per  eitis  mandatum.  Die  handschrift- 
liche Ueberlieferung,  die  bis  in  das  Ende  des  7.  Jahrh.  zurück- 
reicht, ist  fest. 
Hist.  Britt.  c.  22:  post  CLXVTI annos  post  adventum  Christi  Lucius 
Brittannicus  rex  cum  omnibus  regidis  totius  Brittanicae  gentis 
baptismum  suscepit  missa  legatione  ab  imperatore  Romanorum  et 
a  papa  Romano  Eucharisto.  Diese  Nachricht  gehört  zu  der  oben 
erwähnten  Kaisergeschichte  und  findet  sich  nicht  in  der  kurzen 
von  dem  Chartres-Text  dafür  substituierten  Fassung.  So  wie 
angegeben,  steht  sie  in  der  besten  Klasse,  den  anonymen  Hand- 
schriften (nur  dass  diese  zwischen  imperatore  und  imperatoribus 
schwanken),  und  selbst  in  der  besten  gildanischen  (Cotton  Calig. 
A  YIII);  andere  gildanische  und  der  Marcus- Text  hahen  Euc(h)a- 
risto  durch  Euaristo.,  noch  andere  durch  Eleuthcrio  ersetzt. 
Diese  beiden  Lesungen  sind  deutlich  Emendationen,  die  erste 
an  die  Wortform  sich  anlehnend  ohne  Rücksicht  auf  die  reci- 
pierte  Chronologie,  die  zweite  dem  Papstbuch  folgend. 
Beda  hist.  eccl.  5,  14  (vgl.  l,  15):  anno  incarnationis  dominicae 
CLXVII Eleuther  Romae  praesul  f actus  quindecim  annos  ecclesiam 
gloriosissime  rexit,  cui  litteras  rex  Brittaniae  mittens  ut  Christianus 
efßceretur  impetravit. 

Ist  diese  Fabel  —  denn  mehr  ist  es  sicher  nicht  —  von  Rom 
nach  Britannien  gelangt,  wie  man  bisher  allgemein  angenommen  hat, 
oder,  wie  jetzt  Zimmer  aufstellt,  von  Britannien  nach  Rom?  Man 
wird  ihm  einräumen  müssen,  dass  an  sich  die  eine  Annahme  ebenso 
möglich  ist  wie  die  andere,  und  er  hat  beachtenswerthe  Argumente 


*)  [Die  Frage  ist  neuerdings  behandelt  worden  von  A.  Harnack,  Sitz.-Ber. 
d.  Berl.  Akad.  1904  S.  909  ff.  Er  kommt  (S.  911)  zu  folgendem  Ergebnis:  'Begegnet 
uns  irgendwo  und  irgendwann  eine  Nachricht,  am  Ende  des  2.  Jahrhunderts 
und  zur  Zeit  des  römischen  Bischofs  Eleutherus  habe  sich  ein  König  dem 
Christenthum  genähert,  so  haben  wir  in  erster  Linie  an  den  König  Abgar  IX. 
von  Edessa  zu  denken.  —  Abgar  IX.  von  Edessa  hiess  aber  nicht  nur  Abgar 
bar  Ma'nu,  sondern  sein  voller  Name  lautete:  Lucius  Aelius  Septimius  Megas 
Abgarus  IX.  .  .  .  Er  ist  der  einzige  Abgar,  der  den  Namen  Lucius  geführt  hat. 
Damit  haben  wir  den  »König  Lucius«,  den  wir  brauchen.'] 


638  I^iö  Historia  Brittonum  und  König  Lucius  von  Britannien. 

dafür  beigebracht,  dass  die  Legende  überhaupt  nicht  allzu  hoch 
hinaufreicht.  Aber  bei  unbefangener  Erwägung  wird-  man  doch  nicht 
umhin  können,  an  der  jetzt  gangbaren  Ansicht  festzuhalten  und  den 
Bericht  in  der  Brittengeschichte  anzusehen  als  abgeleitet  aus  dem 
292  Papstbuch.  Ich  will  dafür  nicht  geltend  machen,  dass  jener  Bericht 
zu  den  in  der  ältesten  Fassung  der  Brittengeschichte  fehlenden  Ab 
schnitten  gehört;  ebenso  wenig,  dass  die  uns  vorliegenden  Hss.  des 
Papstbuches  mit  dem  Ende  des  7.,  die  der  Brittengeschichte  mit  dem 
10.  Jahrh.  beginnen;  beides  ist  nicht  entscheidend.  Aber  entscheidend 
ist  das  Verhältniss  der  beiden  ältesten  Berichte  zu  einander.  Wenn 
dem  Redacteur  der  Papstbiographie  die  Brittengeschichte  vorlag, 
so  konnte  er  freilich  den  darin  genannten  Papstnamen  nicht  auf- 
nehmen, mochte  dieser  Eucharistus  lauten  oder  (was  sehr  unwahr- 
scheinlich ist)  Euaristus ;  denn  einen  Papst  Eucharistus  giebt  es  nicht 
und  den  Papst  Euaristus  setzt  die  überlieferte  Chronologie  unter 
Nerva  und  Trajan  96 — 108.  Aber  wenn  er  den  Papstnamen  änderte, 
so  hätte  er,  da  der  Kaiser  in  dem  englischen  Bericht  nicht  genannt 
ist,  durch  das  J.  167  auf  Soter  kommen  müssen;  warum  er  den 
Eucharistus  des  Jahres  167  zum  Eleutherius  der  Jahre  171  — 185 
umwandelte,  ist  unverständlich  und  schliesst  die  Ableitung  des 
römischen  Berichts  aus  dem  brittischen  aus.  Umgekehrt  ist  die 
brittische  Kaisergeschichte,  zu  welcher  dieses  Stück  gehört,  allem 
Anschein  nach  eine  an  römische  Quellen  sich  anlehnende,  aber  von 
Fehlern  aller  Art  erfüllte,  wahrscheinlich  aus  dem  Gedächtnis  ge- 
machte Aufzeichnung;  wer  den  Carausius  zum  Caritius  oder  Carutius 
(Curacius  in  der  Hs.  von  Chartres,  Carinus  bei  Marcus),  den  Maxi- 
mus zum  Maximianus,  den  Vater  Constantins  Constantius  zu  dessen 
Sohn  machte,  kann  füglich  auch  den  Eleutherius  des  Pontificalbuches 
in  einen  Eucharistus  verwandelt  haben.  Wir  werden  also  den 
Ursprung  dieser  Erzählung  nicht  bei  den  Britten,  sondern  in  dem 
Kreise  der  römischen  Päpste  zu  suchen  haben. 

Dass  Beda  in  diesem  Berichte  hauptsächlich  dem  auch  sonst 
stetig  von  ihm  benutzten  Pontificalbuche  folgt,  ist  evident.  Aber 
die  Jahrzahl  167  steht  nicht  bloss  in  diesem  nicht,  sondern  sie  ist 
mit  demselben  in  Widerspruch  und  das  Zusammentreffen  mit  der 
Brittengeschichte  kann  nicht  zufällig  sein.  Da  in  dieser,  wie  dies 
auch  Zimmer  anerkennt,  von  Benutzung  Bedas  schlechthin  keine 
Spur  sich  findet,  vielmehr  derjenige  Redacteur,  von  dem  die  harleia-j 
nische  Recension  herrührt,  diesen  sicher  nicht  gekannt  hat,  so  bleibtj 
nichts  anderes  übrig  als  die  Annahme,  dass  Beda  unsere  Britten-I 
geschichte    vorgelegen  hat.      Zimmer   lehnt   dies    freilich    ab,    abei 


Die  Historia  Brittonum  und  König  Lucius  von  Britannien.  639 

meines  Erachtens  mit  Unrecht.  Auch  die  Namen  Vortigernus,  Hors, 
Hengistus  treten  bei  beiden  in  solcher  Gleichmässigkeit  auf,  dass 
unabhängige  populäre  Tradition  bei  beiden  schwerlich  zu  Grunde  293 
liegt,  vielmehr  die  eine  Quelle  aus  der  andern  geschöpft  haben 
muss.  Dass  der  gelehrte  Verfasser  der  sächsischen  Kirchengeschichte 
eine  so  untergeordnete  und  vermuthlich  ihm  anonym  vorliegende 
Quelle,  wenn  auch  benutzt,  so  doch  nicht  genannt  hat,  scheint  mir 
sehr  begreiflich.  Ist  dies  richtig,  so  ist  die  Brittengeschichte,  und 
zwar  nicht  in  der  ältesten  Form,  wie  sie  aus  der  Hs.  von  Chartres 
erschlossen  werden  kann,  sondern  derjenigen,  welche  der  Harleianus 
bietet,  genähert,  wenn  auch  sicher  mit  dieser  nicht  identisch,  vor 
dem  Jahre  731  abgefasst  und  wird  die  älteste  Fassung  mit  ziem- 
licher Sicherheit  dem  7.  Jahrh.  zugeschrieben  werden  dürfen.  Diese 
Zeitbestimmung  stimmt  auch  mit  Zimmers  weiteren  belehrenden 
Ausführungen  im  Allgemeinen  überein. 


XXXVI. 

Zu  den  Annales  Vedastini.*) 


430  In  den  Bibliotheken  von  Hamburg  (n.  269)  ^  und  von  Kopenhagen 

(n.  2088)  finden  sich  von  Lindenbrogs  Hand  zwei  Abschriften  einer 
Handschrift  angeblich  des  Victor  Tonnonensis,  deren  Aufbewahrungs- 
ort er  nicht  angiebt  und  die  seitdem  verschollen  ist ;  dass  es  Abschrift 
ist  und  nicht  etwa  eine  moderne  Compilation,  wird  schon  dadurch 
ausser  Zweifel  gestellt,  dass  bei  der  Notiz  unter  dem  7.  Jahre 
Alexanders  der  Schreiber  zu  den  "Worten  cehbrant  simum  dociorem 
das  Zeichen  der  Corruptel  setzt  und  am  Rande  celeberrimum  ver- 
bessert. Es  ist  in  dem  älteren  Archiv  (6,  239.  10,  160)  von  diesem 
Stück  die  Rede  gewesen,  aber  in  ungenügender  Weise;  zwar  nicht 
für  die  ältere  Zeit,  aber  wohl  litterargeschichtlich  für  die  spätere 
verdient  die  Handschrift  eine  gewisse  Beachtung. 

Die  Hamburger  Abschrift  ist  betitelt:  D.  Vidoris  episcopi 
Tonnensis  chronica:  Über  uniis  (auf  dem  Vorsetzblatt  steht  von 
späterer  Hand  chronicon  Vicforis  episcopi  Turonensis  cum  continua- 
tione)  und  beginnt  mit  den  Worten:  anno  XLII  Octaviani  Augusti 
Caesaris,  ex  quo  ante  Aegyptus  in  provinciam  redacta  est  et  Cleopatra 
cum  Antonio  victa,  XXVIII  anno,  ah  urbe  vero  condita  XLII  [sie], 
Olympiadis  CXCIII  anno  dominus  nosfer  lesus  Christus  in  Betlehem 
ludae  nascitur  transactis  ab  initio  mundi  secundum  Hebraicam  veri- 
tatem  awms  IIIDCCCCL VI,  secundum  LXX  interpretes  VCXCVIIIL 
Gleichmässig  gehen  die  Nachrichten  fort  bis  zum  Tode  Justinus  II.; 
dann  folgen  unter  der  Ueberschrift:  nunc  continuator  Victoris  Notizen 


*)  [Neues  Archiv  16  (1891)  S.  430-431.   —  Vgl.  Mommsen,  Chron.  min.  II 
p.  175.] 

1)  In  demselben  Band,   aber  wie  es  scheint  nur  durch  Anweisung  an  den 
Buchbinder  mit  der  anderen  Chronik  vereinigt,  findet  sich  eine  Abschrift  des  | 
sog,  Barbaras    Scaligeri    mit    der  Ueberschrift:    chronicon    Georgii    Ambianensi»  ^ 
episcopi  vel  sicut  alii  dicunt  Victoris  Turonensis  episcopi. 


Zu  den  Annales  Vedastini.  641 

aus  den  Regierungen  von  Tiberius  II.,  Mauricius,  Phocas,  Heraclius, 
dessen  Regierungsjahre  angegeben  werden  mit  XXVI,  alihi  XXVII; 
die  Notizen  reichen  nur  bis  zu  seinem  G.  Jahr:  Euduinus  rex  Ämjlo- 
rum  efficitur,  worauf  als  Unterschrift  folgt:  Hucusque  chronicon  Isidori 
Hispalieiisis  cpiscopi. 

Als  Quellen  haben  für  diese  Compilation  gedient  hauptsächlich 
Hieronymus,  in  dessen  Weise  die  Notizen  nach  Kaiserjahren  geordnet 
sind,  und  Beda,  aus  dem  zum  Beispiel  die  beiden  oben  angeführten 
Notizen,  die  erste  wie  die  letzte,  genommen  sind.  Ausserdem  finden  431 
sich  bei  ihm  eine  Reihe  der  auf  den  ostgothischen  Theoderich  bezüg- 
lichen Angaben,  welche  aus  Cassiodors  Chronik  in  die  jetzt  als 
chronicon  Suehicum  universale  bezeichnete  und  aus  dieser  in  die 
Hermanns  von  Reichenau  und  in  andere  spätere  übergegangen  sind. 
Benutzt  ist  ferner  Isidors  Chronik,  welcher  zum  Beispiel  die  im 
Archiv  X,  160  bezeichnete  Notiz  über  die  Ueberführung  der  Gebeine 
des  heiligen  Antonius  nach  Alexandreia  entlehnt  ist.  Isidors  Chronik 
nennt  auch  die  Schlussnotiz.  Der  Victor  Tonnonensis  dagegen  und 
die  Fortsetzung  des  Johannes  Biclariensis  ist  diesem  Compilator  so 
wenig  zugänglich  gewesen  wie  den  übrigen  Chronisten  des  Mittel- 
alters; wenn  er  den  letzten  auf  Justin  IL  folgenden  Abschnitt 
bezeichnet  als  entlehnt  dem  continuaior  Victoris,  so  beruht  dies 
lediglich  auf  der  Vorrede  Isidors,  nach  welchem  Victor  seine  Chronik 
usque  ad  consulatum  lustini  iunioris  geführt  hat.  "Wenn  der  Ver- 
fasser der  Chronik  daraus  schloss,  dass,  was  Isidor  für  die  späteren 
Regierungen  beibringt,  dem  continuator  Victoris  entlehnt  sei,  so  hat 
der  Urheber  der  Ueberschrift,  vielleicht  Lindenbrog,  daraus  weiter 
gefolgert,  dass,  was  vor  dieser  Notiz  steht,  dem  Victor  Tonnonensis 
gehört,  den  er  mit  einer  Anzahl  von  Isidorhandschriften  Tonnensis, 
der  Schreiber  des  Vorsetzblattes  mit  anderen  geringeren  Isidorhand- 
schriften Turonensis  nennt. 

Eigenthümlich  sind  dieser  Compilation,   wenn  ich  nichts  über- 
sehen habe,  lediglich  zwei  Angaben: 

am  Schluss  Justins  I. :  horum  regum,  videlicet  Anastasii  et  lustini, 
tempore    sanctus    Bemigius    Remensis   episcopus    celeberrimus 
praedicatur; 
zum  8.  Jahr  Justins  II. :   Vedastus  ohiit. 
Aber  sie   beweisen   zur  Genüge,   dass  diese  Compilation  gallischen 
Ursprungs  ist,  und  machen  es  wenigstens  wahrscheinlich,  dass  sie  in 
dem  Kloster  St.  Vaast  bei  Arras  entstanden  ist. 

Dies  wird  weiter  bestätigt  durch  das  Verhältnis  dieser  Compilation 
zu  derjenigen,  welche  Waitz  (SS.  VIII,  674  sq.)  aus  einer  Handschrift 

MOMMSEN,    SCHR.  VI.  ^^ 


Qj^2  2*^  den  Annales  Vedastini. 

von  Douay  als  chronicon  Vedastinum  herausgegeben  hat.  Dieser 
allerdings  viel  weiter  ausgedehnten  Bearbeitung  scheint  unsere  Com- 
pilation  zu  Grunde  zu  liegen  und  mag  dieselbe  vielleicht  insofern 
einer  weiteren  Durchsicht  werth  sein,  welche  meinem  Arbeitskreis 
fern  liegt. 

Aufmerksam  machen  möchte  ich  aber  noch  darauf,  dass  vielleicht 
auch  Otto  von  Freising  diese  Compilation  gebraucht  hat.  Die  Be- 
merkungen 5,  4  fin.  5  am  Schluss  von  Justinian  I. :  hucusque  Victor 
Turonum  episcopus  chronicas  suas  perduxit  und  §  9  bei  Heraclius: 
hucusque  Isidorus  episcopus  historiam  suam  perduxit  stimmen  so 
auffallend  überein,  dass,  obwohl  sich  ja  auch  anderswo  Aehnliches 
findet,  hier  vielleicht  directe  Entlehnung  stattgefunden  hat. 


t'es( 


kl 


XXXVII. 

Zur  Weltchronik  vom  J.  741.*) 

Obwohl  die  an  Bedas  Schrift  de  temporihus  sich  anlehnende  mit  548 
dem  J.  741  schliessende  Weltchronik,  deren  späteren  Teil  Waitz  zu 
Anfang    des    13.  Bandes   der  MG.  SS.   herausgegeben   hat    und    aus 
deren    früheren   Abschnitten   von   Diocletian    an    eine  Uebersicht    in 
meinen   Chronica  minora    Bd.  3,  S.  336   mitgetheilt  ist,   einen  selb- 
ständigen Werth  als  Geschichtsquelle   nicht  hat,  so  ist  sie  doch  für 
die  Entwickelung  der  Historiographie  nicht  unberücksichtigt  zu  lassen, 
wie  denn  alles,  was  wir  der  Art  aus  der  in  dieser  Hinsicht  so  dürftig 
vertretenen  vorkarolingischen  Epoche  besitzen,   schon   seines  Alters 
wegen  Aufmerksamkeit  verdient.     Aber  eben  die  Altersfrage  ist  nicht 
ausser  Zweifel.     Die  nächstliegende  Annahme,  dass  das  Schlussjahr 
die  Epoche   der  Abfassung  bestimmt,   habe  ich  a.  a.  0.  S.  239  ver- 
theidigt  und  wiederhole  die  dort  vorgetragenen  weiteren  Argumente 
hier  nicht.     Dem  entgegen  hat  Waitz  die  Abfassung  in  das  J.  800/1 
gesetzt,  weil  die  Schrift  die  in  Bedas  vorgenanntem  Werk  begegnenden, 
von  diesem   auf  das  Abfassungsjahr  725  gestellten  Beispiele  für  die 
Jahrberechnungen  auf  die  genannten  beiden  Jahre  umschreibt.    Dies 
geschieht  in  der  Leydener  Hs.  Seal.  28,  welche  hiefür  Waitz  allein 
zu  Gebote   stand,   da  die  Münchener  diese   Abschnitte  weggelassen 
hat.     Seitdem   ist  eine  zweite  vollständige  Hs.   zum  Vorschein   ge- 
kommen,   früher    im  Besitz  von    Lord    Ashburnham,   jetzt    in    der 
Pariser  Bibliothek   (nouv.  acq.  lat.  1615),  gleich   der  Leydener  aus 
dem  Anfang  des  9.  Jh.  (Chr.  min.  3,  237);   es  soll  hier  angegeben 
werden,  wie  sie  sich  hinsichtlich  dieser  Computationen  zu  Beda  und 
zu  der  Leydener  Schwesterhandschrift  verhält.     Die  Pariser  Lesungen 
hat  mir  Hr.  Vidier  mitgetheilt,  die  Leydener,  in  Ergänzung  dessen, 
was  Jaffe  zu  meiner  Ausgabe  der  Chronik  Cassiodors  aus  dieser  Hs. 


*)  [Neues  Archiv  22  (1897)  S.  548-553.] 

4r 


644 


Zur  Weltchronik  vom  J,  741. 


abgedruckt  hatte,  Herr  Dr.  S.  G.  de  Vries.  Ich  gebe  die  Texte  nach 
Beda,  indem  ich  die  von  den  Ausschreibern  geänderten  Stellen  in  (  ) 
549  einschliesse ,  und  setze  die  abgeänderten  Zahlen  der  beiden  Hss, 
daneben ;  beide  stimmen,  von  diesen  abgesehen,  bis  auf  geringfügige 
Varianten  mit  dem  Text  Bedas  überein. 


Beda  c.  49. 

Argumentum  invenien- 
di,  quota  sit  indictio. 

Hoc  autem  argumento, 
quota  sit,  anno  quocum- 
que  computare  volueris, 
indictio,  repperies.  sume 
annos  ah  incarnatione 
domini  quotquot  fuerint, 
in  praesenti  verbi  gratia 
{DCCXXV):  adde  semper 
III,  quia  quarta  indic- 
tione  secundum  Dionysium 
natus  est  dominus,  fmnt 
{BCCXXVIIl):  haecpar- 
tire  per  XV,  {quindecies 
quadrageni  sexcenti,  quin- 
decies octoni  centum  vi- 
ginti  ^:  remanent  octo): 
octava  est  indictio  .  si 
vero  nihil  remanserit, 
quinta  decima  est. 

Beda  c.  52. 

Argumentum,  quot  sint 
epactae  lunares. 

Si  autem  vis  cognoscere 
per  annos  singidos,  quot 
sint  epactae,  sume  annos 


Leydener  Hs. 


nccc 


DCCCIll 

quindecies  quinqua- 
geni  DCCL,  quin- 
quies  noveni  ^,  rema- 
nent VIII. 


Pariser  Hs.  * 


BCCCXXV, 

geändert  in 
BCCXXV 

BCCXXVIIl^ 

quindecies  {quinqua- 
geni  BCCL,  quin- 
quies noveni^ :  rema- 
nent) octo  (was  in 
(  )  eingeschlossen^ 
steht  auf  Rasur). 


1)  Die  Ausgaben  Bedas  und  wohl  auch  die  Hss,  haben  sinnlos  centumnies. 

2)  XLV  fehlt  in  der  Hs. 

3)  Die  ersten  zwei  Zeilen  stehen  von  erster  Hand  auf  Rasur:  der  Schreiber 
scheint  mit  der  Ueberschrift  sich  versehen  und  darum  diese  Tilgung  vorge-^ 
nommen  zu  haben. 

4)  C  übergeschrieben  und  später  getilgt.  5)  XLV  fehlt  auch  hier. 


Zur  Weltchronik  vom  J.  741. 


645 


Leydener  Hs. 

Villi  indictione 
DCCCI 
decies  novies  qua- 
drigeni  DCCLX,  de- 
cies novies  bini 
XXXVIII,  rema- 
nent  tres. 


DCCC 


Pariser  Hs. 

VII 11^  indictione 
DCCCXXV 
decies  novies  quadra- 
geni  DCCLX,  decies 
novies  octoni  cen  (so) 
quinquais  (so)  /  dis- 
pandius  (so)  /,  rema- 
nent  III. 


Beda  c.  52. 
domini  quot  fuerint,  ut- 
2nita  in  praesenti  {octava 
indictione  DCCXX  V:)  hos 
partire  per  XV IUI,  {de- 
€ies  novies  triceni  DLXX, 
decies  novies  octoni  cen 
quinquais  dipondius  ^ :  re- 
manent  III):  hos  item 
midtiplica  per  XI,  ßunt 
XXXIII:  tolle  XXX,  re- 
manent  III  .  tres  sunt 
epactae,  id  est  adiectiones 
hmares. 

Beda  c.  54. 

Argumentum,  quot  sint 
epactae  solis  et  quando 
hissexti  annus. 

Quoniam  vero  communis 
atque  indiscretus  epacta- 
rum,  id  est  adiectionum 
solis  cum  hissexto  cur- 
sus  est,  amhorum  pa- 
riter  qui  sit  status, 
argumento  condisce.  si 
ergo  vis  scire,  quando  bis- 
sextus  dies  sit,  sume  annos 
domini  {DCCXXV):  par- 
tire hos  per  quattuor  et 
si  nil  remanserit,  bissextus 
est,  si  vero  unum  aut  duo 
vel  tria  remanent,  primus 
aut  secundus  aut  tertius 
est  annus  a  bissexto  .  ut- 
puta  quater  centum  CCCC, 
{quater  octogeni  CCCXX, 
quater  assem  IIII^,    re- 

1)  So  die  Ausgaben;  gemeint  ist  CLII. 

2)  Das  muss  Beda  geschrieben  haben;  die  Ausgaben  quater  aase  (Giles  hat 
gar  esse)  quarta.  3)  Geändert  [VIII '^]  in  Villi. 


550 


DCCCXXV 


quinquies  octogeni 
CCCC,  faciunt 


quinquies  octogeni 
CCCC,  faciunt 


646 


Zur  Weltchronik  vom  J.  741. 


Beda  c.  54. 
manet  unum  quia  primus 
est  annus  a  hissexto.)  si 
551  vis  nosse  adiediones  solis, 
id  est  concurrentes  septi- 
manae  dies,  sume  annos 
ab  incarnatione  domini 
quot  fuerint,  utputa 
(DCCXXV)  per  indidio- 
nem  odavam  et  annorum 
qui  fuerint  quartampartem 
semper  adice,  id  est  nunc 
{CLXXXI ,  qui  fiunt  si- 
mulDCCCCVI:  his  adde 
IUI,  fiimt  DCCCCX). 
hos  partire  per  VII,  sep- 
ties  centeni  BCC,  septies 
triceni  CCX^,  et  non  re- 
manet  aliquid,  quia  Septem 
sunt  epadae  solis,  id  est 
concurrentes  septimanae 
dies. 


Beda  c.  58. 
Argumentum  quotus  sit 
annus    cycli    lunaris    vel 
decemnovennalis. 

Ipse  autem  cyclus 
lunae  si  vis  nosse  quo- 
tum  agat  annum,  sume 
annos  domini,  utputa 
{DCCXXV),  d  suUrahe 
semper     duo:     remanent 


Leydener  Hs. 
DCCC,  partire  per 
quartum,  toUeD  CCC, 
nihil  remanet,  quia 
hissextus  est. 


DCCC 


CC  qui  fiunt  mille: 
his  adde  IUI,  fiunt 
mille^. 


DCCCI 


Pariser  Hs. 
DCCC,  partire  per 
quartam,  tolleDCCC, 
nil  remanent  ^,  quia 
hissextus  est. 


DCCCXXV 


CCLXXXI  (getilgt 
und  nicht  gebessert*) 
qui  fiunt  simul  mille, 
his  adde  III ,  fiunt 
mille  ^. 


DCCCI 


1)  Die  Worte  septies  centeni  DGG  septies  triceni  GCX  kehren  wieder  in  der 
Leydener  Hs.,  und  auch  in  der  Pariser  Hs.  hat  wahrscheinlich  der  Schreiber 
dasselbe  setzen  wollen;  nach  Vidier  steht  hier  mit  Dittographie  septies  centeni 
da  (ein  Buchstabe  getilgt)  septies  centeni  da. 

2)  IUI  fehlt. 

3)  [So  die  Vorlage.] 

4)  Das  heisst  nicht  von  alter  Hand;  ein  später  Corrector  hat  hier  wie  oft 
die  bedanische  Lesung  hergestellt. 

5)  Auch  hier  fehlt  IUI.  ■ 


DC 
iiicli 
lex; 

liem 

I9x 
ki 
iimj 


Zur  Weltchronik  vom  J.  741. 


647 


Beda  c.  58. 
{DCCXXIIl).  hos  par- 
tire  per  X  et  Villi;  re- 
nianet  unum:  primus  an- 
nus  est  cycli  lunaris  .  quo- 
ties  autem  nihil  remanet, 
nonus  decimus  est .  et  quia 
decemnovennalis  circulus 
communem  cum  lunari 
viam  quamvis  ocior  currit, 
si  vis  scire  et  eins  quotus 
Sit  annus,  sume  annos 
dorn  ini  utputa  (D  CCX  X  V) 
et  unum  semper  adice: 
sunt  {DCCXXVI).  hos 
partire  per  X  et  Villi; 
remanent  {IUI:  quartus) 
est  annus  cycli  decem- 
novennalis .  quod  si  nihil 
remanserit,  ultimus  est. 


Leydener  Hs. 
BCCXC  Villi 


BCCC 
DCCCI 
III,  tertius 


Pariser  Hs. 
DCCXCVIII 


552 


DCCCXXX  corri- 
girt  in  DCCCXXV 
DCCCXXVI 

wie  Beda 


Das  Verhältnis  des  Leydener  Textes  zu  dem  Original  ist,  wie 
es  vor  Jahren  Jaffe  dargelegt,  einfach  das  der  Umsetzung  des  Textes 
vom  J.  725  auf  das  J.  800  oder  801;  mit  beiden  wechselt  der 
Schreiber,  wie  es  scheint,  um  dadurch  sich  näher  an  Bedas  Fassung 
halten  zu  können.  An  zwei  Stellen  hat  er  Zahlen  hinzuzufügen  ver- 
gessen und  den  Schluss  von  c.  54  aus  Versehen  ungeändert  über- 
nommen; im  Ganzen  aber  ist  seine  Procedur  klar. 

Aber  der  Pariser  Text  ist  ein  seltsamer  Wechselbalg.  An  zahl- 
reichen Stellen  zeigt  er  die  ursprüngliche  Lesung  Bedas,  zuweilen 
rein,  zuweilen  wenigstens  annähernd,  so  gleich  zu  Anfang  statt  Bedas 
DCCXXV  und  des  DCCC  der  Leydener  DCCCXXV.  Also  ist  er 
nicht  aus  der  Leydener  abgeschrieben,  da  in  dieser  der  ursprüngliche 
Text  so  gut  wie  ganz  beseitigt  ist. 

Andrerseits  aber  stimmt  der  Pariser  Text  wieder  vielfach  mit 
dem  Leydener  überein;  in  c.  52  zum  Beispiel  ist  die  erste  Hälfte 
19x40  =  760  dem  Leydener  Text  entnommen,  während  die  folgenden 
Ansätze  wörtlich  mit  Beda  stimmen.  Selbst  die  vergessenen  Zahlen 
sind  beiden  gemein;  wo  Beda  schreibt:  fiunt  DCCCCVI,  his  adde 
IUI,  fiunt  BCCCCX,  heisst  es  in  den  beiden  abgeleiteten  überein- 
stimmend fiunt  mille,  his  adde  IUI,  fiunt  mille. 


648  2ur  Weltchronik  vom  J.  741. 

Dafür  giebt  es  nur  eine  Erklärung.  Beide  Hss.  sind  ab- 
553  geschrieben  aus  demselben  Original,  in  dem  der  reine  Bedatext  so 
durehcorrigiert  war,  dass  er  auf  das  J.  800/1  passte.  Der  Leydener 
Schreiber  hat  dies  begriffen  und  ist  im  Wesentlichen  der  Correctur 
gefolgt;  der  Pariser  hat  beide  Fassungen  durch  einander  geworfen 
und  so  alles  verwirrt.  Wenn  in  der  Hs.  stand  DCCXXV  mit  zu- 
gefügtem C  und  getilgtem  XXV,  so  schrieb  jener  DCCC,  dieser 
DCCCXXV. 

Durch  diese  Wahrnehmung  steigt  die  Wahrscheinlichkeit,  dass 
die  Umschreibung  der  Beda-Zahlen  auf  das  J.  800/1  nicht  von  dem 
Compilator  der  Weltchronik  von  741  herrührt,  sondern  von  einem 
späteren  Abschreiber.  Unmöglich  ist  es  allerdings  nicht,  dass  die 
Hs.,  aus  welcher  unsere  beiden  geflossen  sind,  das  Autograph  des 
Compilators  war  und  dieser  selbst  nachträglich  die  Ziffern  geändert 
hat;  aber  da  auch  sonst  alle  Anzeichen  für  ein  höheres  Alter  der 
Compilation  sprechen,  ist  für  eine  derartige  gewagte  Hypothese 
schwerlich  Raum. 

Für  die  verwickelte  und  historisch  bedeutsame  Geschichte  des 
Pontificalbuchs  ist  die  Feststellung  der  Abfassungszeit  des  Chronicon 
universale  nicht  ohne  Belang.  Duchesne  hat  gezeigt,  dass  dessen 
Schreiber  die  cononische  Epitome  des  Pontificalbuches  ausgeschrieben 
hat;  für  deren  Abfassungszeit  ist  somit  ein  Termin  ante  quem  gewonnen. 
Wenn  ferner  das  Pontificalbuch  im  fränkischen  Reich  später  gebraucht 
worden  ist  als  in  Italien  und  in  England,  so  ist  die  Weltchronik, 
die  sicher  im  fränkischen  Reich  verfasst  ist,  für  diesen  Gebrauch  der 
älteste  und  wie  es  scheint  aus  vorkarolingischer  Zeit  der  einzige 
sichere  Beleg. 


XXXVIII. 
Brief  des  Bischofs  Theonas.*) 

Die  Organisation  des  Hofes  wird  ziemlich  deutlich  [in  dem  109 
Briefe]  dargelegt.  An  der  Spitze  steht  der  praepositus  cuhiculariorum 
(c.  3:  diversis  officiis  estis  adscripü,  et  omnium  tu,  Luciane,  prae- 
positus diceris,  quos  omnes  .  .  .  potens  es  et  regidare  et  instruere;  cf. 
c.  5:  principis  aut  praepositi  sui  von  dem  Garderobenverwalter),  der 
die  Bittsteller  zur  Audienz  zulässt  (c.  2  init.).     Unter  diesem  stehen 

(1)  der  Kassierer  der  privatae  pecuniae  principis  (c.  4), 

(2)  der  Garderobenmeister  (qiii  vestes  et  iniperialia  detinet  ornamenta, 
0.5), 

(3)  der  Verwalter  des  kaiserlichen  Tafelgeschirrs  (c.  6), 

(4)  der  Hausverwalter  {alia  supellex,  c.  3), 

(5)  die  Leibdiener  {qui  corpus  principis  curare  hdbent,  c.  8), 

(6)  der  Bibliothekar  (c.  7). 

Diese  Hausordnung  ist  in  schroffem  Widerspruch  mit  derjenigen 
der  späteren  römischen   Kaiserzeit.     Dass   der  praeiJOsiius  s.  c.  die  1 10 
Audienzen  vermittelt,  stimmt,  und  ebenso  die  Unterordnung  der  Leib- 
diener, alles  übrige  ist  geradezu  pervers. 

Der  praepositus  sacri  cubiculi  —  so  lautet  der  Titel  —  steht 
allerdings  schon  unter  Constantius  II.,  vielleicht  auch  schon  früher 
unter  den  Beamten  der  ersten  Rangklasse;  aber  nach  der  bestimmten 
Angabe  der  Notitia  dignitatum  ist  ausser  dem  cubiculum  ihm  nur 
das  kaiserliche  Gestüt  in  Cappadocien  unterstellt,  und  ist  es 
schlechthin  unzulässig,    ihn  als   das  Haupt  der  Hofhaltung  zu   be- 

*)  [Brief  Mommsens  an  Harnack  vom  30.  April  1894,  gedruckt  in  Harnacks 
Abhandlung  über  „den  gefälschten  Brief  des  Bischofs  Theonas  au  den  Oberkammer- 
herrn  Lucian"  (Texte  und  Untersuchungen  zur  Gesch.  d.  altchristl.  Literatur  N.  F. 
Bd.  IX  Hefts,  1903)  S.  109  —  113.  Der  Brief  des  Theonas,  zuerst  gedruckt  im 
J.  1675,  ist  von  Harnack  a.  a.  0.,  nach  dem  Vorgange  Battifols,  als  eine  Fälschung 
des  17,  Jahrhunderts  erwiesen  worden.] 


550  Brief  des  Bischofs  Theonas. 

zeichnen,   welche  Stellung  eher   dem  magister  officiorum  zukommen 
würde. 

Die  kaiserliche  Kasse  steht  unter  den  beiden  Hofbeamten  für 
die  Finanzen,  dem  comes  sacrarum  largitionum  und  dem  comes 
rerum  privatarum,  welche  niemals  dem  praepositus  s.  c.  unterstellt 
gewesen  sind,  ja  noch  unter  Gratian  (Cod.  Theod.  7,  8,  3)  ihm  voran- 
gingen. Eine  kaiserliche  Privatschatulle,  wie  sie  hier  vorausgesetzt 
wird,  kennt  die  römische  Verwaltung  nicht. 

Die  kaiserliche  Garderobe  steht  unter  einem  dem  comes  sacra- 
rum largitionum  unterstellten  Bureau  {scrinium  vestiarii  sacri). 

Die  vasa  argentea,  aurea,  chrystallina  vel  murrhina,  escaria  vel 
potoria  werden  in  derselben  Folge  in  den  Digesten  (33,  10,  3)  auf- 
gezählt; in  der  Hausverwaltung  sind  sie  nicht  in  dieser  Weise  com- 
biniert.  Wir  kennen  nur  ein  officium  ab  auro  potorio  (C.  I.  L.  YI, 
8733  [=  Dessau  1812],  8969  [=  Dessau  1829])  aus  besserer  Kaiser- 
zeit,*) späterhin  verschiedene  Bureaus  für  das  Gold  und  andere  für 
das  Silber. 

Die  Hausverwaltung  wird  im  4.  Jahrhundert  der  casfrensis  sacri 
palatii  gehabt  haben,  ein  Beamter  der  zweiten  Rangklasse,  aber  dem 
2)raepositus  s.  cub.  nicht  unterstellt. 

Am  längsten  verweilt  der  Briefschreiber  bei  dem  kaiserlichen 
Privatbibliothekar,  und  in  dieser  Beziehung  ist  auch  neuerdings  das 
Schreiben  von  Birt  (das  antike  Buchwesen  S.  113),  allerdings  nicht 
ohne  Bedenken,  benutzt  worden.  Es  wird  nicht  überflüssig  sein,  den 
Gegenstand  etwas  eingehender  zu  erörtern. 

Hinsichtlich  der  öffentlichen  BibMotheken,  deren  es  in  Kom  im 
Anfang  des  4.  Jahrhunderts  28  gab,  kann  ich  auf  Hirschfeld  (Yer- 
waltungsgesch.  I  S.  186 ff.  [2.  Aufl.  S.  298  ff.])  verweisen.  Nach  diesem 
Muster  richtete  Constantius  TL.  in  Konstantinopel  eine  öffentliche 
Bibliothek  ein  (Themistius  Orat.  4  p.  71  Dind.),  welcher  Julian 
seine  sämtlichen  Bücher  schenkte  (Zosim.  3,  11  [§  3]).  Auf  sie 
111  bezieht  sich  die  Verordnung  des  Kaisers  Valens  vom  Jahre  372  (Cod. 
Theod.  14,  9,  2),  wonach  dabei  vier  griechische  und  drei  lateinische 
Abschreiber  (antiquarii) ,  sowie  ausserdem  das  nötige  Hilfspersonal 
angestellt  werden  sollten.  Einen  zunächst  wohl  nur  finanziellen 
Oberbeamten  der  kaiserlichen  Bibliotheken  in  Rom  kennen  wir  in 
der  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  (C.  I.  L.  VI,  2132  [=  Dessau  4928],  s. 
Hirschfeld  S.  190  [2.  Aufl.  S.  304]).  In  der  nachdiokletianischen 
Zeit  wird    ein   entsprechendes   Amt    nicht  genannt;    indes    kann    es 

*)  [Außerdem  ein  solches  ab  auro  gemmato  aus  Traianischer  Zeit  (C.  I.  L. 
VI,  33764)  BANG.] 


Brief  des  Bischofs  Theonas.  651 

nicht  zweifelhaft  sein,  dass  das  Bibliothekswesen  der  beiden  Haupt- 
städte in  letzter  Stelle  unter  deren  praefecii  urbi  gestanden  hat,  wie 
denn  auch  die  Verordnung  vom  J.  372  an  einen  solchen  gerichtet 
ist.  Privatbibliotheken  werden  in  keinem  grösseren  Haushalt  gefehlt 
haben;  aber  unter  den  privaten  Offizialen,  welche  namentlich  die 
Inschriften  in  reicher  Fülle  uns  nennen,  finden  sich  Privatbibliothekare 
m.  \V.  nicht.  Es  kann  dies  wohl  nicht  anders  erklärt  werden,  als 
durch  die  Annahme,  dass  diese  Thätigkeit  in  der  römischen  Haus- 
ordnung der  Regel  nach  nicht  gesondert  auftrat.  Die  lihrarii,  die 
Schreiber,  wie  z.  B.  Nico  servus  librarius  des  bekannten  Gramma- 
tikers aus  hadrianischer  Zeit  L.  Julius  Yestinus  (C.  I.  L.  YI,  9520), 
dürften  diese  Geschäfte  mit  besorgt  haben  und  das  Bibliothekariat 
daher  nicht  nominell  hervortreten.  Bei  der  Entwickelung  des  Epi- 
skopats haben  die  dazu  gehörigen  Bibliotheken  grössere  Bedeutung 
und  späterhin  auch  eigene  Vorstände  erhalten,  wie  denn  aus  Rom 
und  Konstantinopel  von  den  bischöflichen  Bibliotheken  später  öfter 
die  Rede  ist,  indes  gehört  dies  einer  späteren  Zeit  an. 

Das  unter  dem  kaiserlichen  Personal  auftretende  Bibliotheks- 
personal bezieht  sich,  soweit  die  Stellung  näher  determiniert  wird, 
auf  die  Verwaltung  der  öffentlichen  Bibliotheken,  und,  wo  die  Deter- 
minierung fehlt,  wird  im  allgemeinen  dasselbe  gelten  (der  oft  ange- 
führte magister  a  hyhliotheca  Latina  Äpollinis,  C.  I.  L.  VI,  963*,  ist 
gefälscht).  Die  einzige  mir  bekannte  sichere  Ausnahme  macht  das 
Verzeichnis  des  kaiserlichen  Gesindes  von  Antium  (C.  I.  L.  X,  6638) 
aus  claudischer  Zeit,  welches  zwei  Freigelassene  und  zwei  Unfreie 
mit  dem  Prädikat  a  hyhliotheca  anführt.  Das  auffallende  Versagen 
gleichartiger  Zeugnisse  aus  späterer  Zeit  hängt  wahrscheinlich  zu- 
sammen mit  dem  seit  Claudius  nachweisbaren  und  vielleicht  von  ihm 
eingerichteten  Hofamt  a  studiis.  Die  Verwaltung  der  kaiserlichen 
Privatbibliothek,  welche  materiell  nicht  gefehlt  haben  kann,  lässt 
sich  von  diesem  nicht  wohl  trennen,  und  es  ist  wiederum  wohl  112 
möglich,  dass  in  diesem  Bureau  die  Bibliothekar-  und  die  übrigen 
Geschäfte  nicht  scharf  genug  geschieden  waren,  um  Sonderbenen- 
nungen anzunehmen.  Allerdings  sind  auch  kaiserliche  lihrarii  nur 
sparsam  zu  finden,  und  wo  sie  begegnen,  meistens  verschieden  be- 
zogen, wie  z.  B.  der  kaiserliche  Freigelassene  a  lihris  sacerdotalihus 
(C.  I.  L.  VI,  8878  [=  Dessau  1685])  sicher  nicht  hierher  gehört.  — 
Das  Hofamt  a  studiis  hat  nachweislich  noch  unter  Constantin  be- 
standen (1.  c.  VI,  1704  [=  Dessau  1214]);  späterhin  wird  es  nicht 
mehr  erwähnt,  ist  aber  schwerlich  untergegangen,  sondern  kehrt 
wieder  als  das  Hofamt  a  memoria.     Allerdings  tritt  das  letztere   in 


ß52  Brief  des  Bischofs  Theonas. 

Grabschriften  und  bei  Schriftstellern  schon  seit  dem  Anfang  des 
3.  Jahrhunderts  auf;  aber  es  ist  nichts  im  "Wege,  entweder  darin 
die  usuelle  Bezeichnung  neben  der  legitimen  a  studiis  zu  erkennen, 
oder  auch  anzunehmen,  dass  beide  Officien  ursprünglich  analog 
gewesen  und  späterhin  zusammengeflossen  sind.  Die  Annahme  Fried- 
länders  (Sittengesch.  I^  S.  190)  und  Hirschfelds,  dass  das  Amt  a 
studiis  einfach  verschwunden  sei,  ist  wenig  wahrscheinlich,  da  das 
Bedürfnis  mindestens  in  gleichem  Masse  fortbestand.  Auch  die 
magistri  studiorum,  welche  eine  Verordnung  von  338  (Cod.  Theod. 
12,  1,  26)  nennt,  dürften  nicht  durch  gewaltsame  Emendation  zu 
beseitigen,  sondern  von  den  drei  Scrinien  epistidarum,  lihellorum  und 
a  memoria  zu  verstehen  sein,  welche  füglich  unter  dieser  Bezeich- 
nung zusammengefasst  werden  konnten.  Bestätigend  tritt  hinzu 
die  Anordnung  Leos  (Cod.  lust.  12,  19,  10),  dass  in  dem  Bureau 
a  memoria  vier  antiquarii  sein  sollten;  denn  obwohl  diese  Bezeich- 
nung auch  allgemein  von  den  Schönschreibern  gebraucht  wurde, 
so  bezeichnet  antiquarius  technisch,  wie  bekannt,  den  für  die 
Bibliothek  thätigen  Kopisten  älterer  Schriften,  und  so  dürfte  es 
auch  hier  auf  die  kaiserliche  Privatbibliothek  sich  beziehen.  Ge- 
radezu aber  geschieht  dieser  in  zuverlässigen  Quellen  nirgends 
Erwähnung. 

Demnach  scheint  mir  das  Urteil  über  das  fragliche  Schriftstück 
festgestellt  zu  sein.  Es  wird  darin  alles,  was  wir  vom  kaiserlichen 
Haushalt  wissen,  auf  den  Kopf  gestellt.  Dagegen  passt  alles  recht 
wohl,  wenn  man  für  den  Kaiser  Constantin  Franz  H.*)  oder  Ludwig  XIY. 
an  die  Stelle  setzt.  Der  grand  chamhellan  ist  der  richtige  Vor- 
gesetzte der  Garderobe,  des  Silberzeugs,  der  Bibliothek  u.  s.  w.  im 
kaiserlichen  Hofhalt.  Ob  das  noch  genauer  sich  durchführen  lässt, 
113  videanf  rerum  peritil  Römisch  oder  römisch-griechisch  ist  es  nicht. 
Die  Albernheit  der  Instruktionen  selbst,  der  Anweisung  an  den 
Kassierer,  über  Ausgabe  und  Einnahme  getrennt  Buch  zu  führen, 
an  den  Garderobier,  die  Kleider  ohne  und  mit  Flecken  sorgfältig 
aufzuzeichnen,  an  den  Bibliothekar,  teure  Schrift  nur  auf  besonderen 
Befehl  des  Herrschers  anzuwenden,  ist  vielleicht  an  sich  kein  Grund, 
an  der  Echtheit  zu  zweifeln,  passt  aber  doch  sehr  übel  für  die  hohe 
Stellung  der  betreffenden  Beamten. 

*)  [Geraeiut  scheint  Franz  I.] 


XXXIX. 

Rezensionen.*) 

1. 

Gerlach,  F.  D.  und  J.  J.  Bachofen:    Die  Geschichte  der  Römer, 
Bandl,  1.     Basel   1851. 

Wir  bedauern  es  unumwunden  aussprechen  zu  müssen,  dass  dieses  Unter-  I3g 
nehmen  sich  von  vorn  herein  als  gänzlich  verfehlt  ankündigt.  Die  Verf.  (da 
es  aus  dem  Buche  selbst  nicht  zu  ersehen  ist,  was  jeder  der  beiden  auf  dem 
Titel  Genannten  beisteuert,  scheinen  sie  solidarisch  haften  zu  wollen;  wenn 
gleich  nach  manchen  Andeutungen  wenigstens  der  grössere  Theil  dieses  Heftes 
von  Hrn.  Bachofen  herzurühren  scheint)  tadeln  in  der  Vorrede  Niebuhrs  „geist-  139 
reichen  Skepticismus,"  als  ob  nicht  gerade  Niebuhrs  eigenster  Beruf  die  geniale 
Conibination  gewesen  wäre  und  nur  die  flachste  Auffassung  ihn  zum  Nachfolger 
Beauforts  machte!  Sie  selbst  machen  sich  allerdings  dieses  Vorwurfs  nicht 
schuldig,  denn  skeptisch  sind  sie  nicht  und  wahrhaftig  auch  nicht  geistreich. 
Man  höre:  ^Virgils  Aufgabe  gestattete  freier  Erfindung  keinen  Raum"  (S.  173); 
„kein  Ereigniss  späterer  Zeit  kann  mehr  Glauben  verdienen  als  das  albanische 
Bündniss"  (S.  229)  oder  gar:  „das  Königsgeschlecht  der  Silvier  ist  historisch 
gewiss;  es  wird  verbürgt  durch  eine  Bemerkung  der  Pontificalbücher."  Nämlich 
durch  ein  Citat  der  annales  pontificum  bei  dem  auctw  de  origine  genlis  Romanae, 
von  dem  es  historisch  gewiss  ist,  dass  er  eine  späte  und  schlechte  mit  lauter 
falschen  Citaten  aufgestutzte  Compilation  eines  historischen  Romans  ist.  Man 
wird  sich  hiernach  denken  können,  wie  in  der  gegenwärtigen  Schrift  Aboriginer 
und  Siculer,  lydische  Etrusker  und  städtebauende  Pelasger  ihr  Wesen  treiben. 
Viel  Neues  ist  uns  dabei  nicht  vorgekommen;  eine  Sichtung  des  Altnationalen 
von  den  späteren  Zusätzen,  ein  Zurückgehen  auf  das  was  wir  in  Sprache,  Sitte, 
Religion  und  Staat  wirklich  vom  ältesten  Rom  wissen  können,  ist  nirgends  mit 
Erfolg  versucht,  nirgends  mit  historischem  Tact  das  spätere  Schul-  und  Poeten- 
geschwätz von  der  einfältigen  Sage  gesondert.  Der  Stil  bewegt  sich  in  dem 
unerträglichen  Mittelzustand  zwischen  einfachem  Schreiten  und  poetischem  Flug, 


*)  [Zarnckes  Literarisches  Centralblatt  1850  Sp.  138  fg.  und  1851  Sp.  786 
(Jacobs  n.  139.  190;  vergl.  Mommsens  Brief  an  Zangemeister  aus  dem  Jahre  1889, 
bei  Jacobs  S.  VII:  'Wenn  ich  Bachofen  im  C.-Bl.  angezeigt  habe,  was  ich  nicht 
mehr  weiss,  so  wird  das  kein  Beitrag  zum  Complimentirbuch  sein').  —  Diese 
beiden,  anonym  erschienenen  Besprechungen  Mommsens  bringe  ich  hier  zum 
Abdruck,  da  sie  für  seine  Stellung  zu  der  altrömischen  Tradition,  bereits  vor 
Abfassung  seiner  Römischen  Geschichte,  von  Interesse  sind.  Die  sonstigen,  in 
derselben  Zeitschrift  oder  anderswo  erschieneneu  meist  kurzen  historischen 
Rezensionen  —  die  juristischen  sind  im  3.  Bande  der  Juristischen  Schriften 
S.  469—578,  die  Anzeige  der  Biographie  Lachmanns  von  M.  Hertz  ist  in  den 
Philologischen  Schriften  S.  814  fg.  abgedruckt  —  hier  wieder  zum  Abdruck  zu 
bringen  schien  nicht  erforderlich.  Dieselben  stammen  sämmtlich  aus  den  Jahren 
1851-1854,  vgL  Jacobs  S.  17  if.]. 


g  54  Rezensionen  —  Nachträge. 

wobei  gelegentlich  ein  ästhetisches  oder  logisches  Fiasco  nicht  ausbleibt,  z.  B.: 
„schon  mit  Ende  Maimonats  stehen  Heu  u.  Weizen  in  Reife  da"  oder  auch: 
„Eichen,  Eschen,  Ulmen  drängen  sich  Stamm  an  Stamm  gleich  den  Nadeln  eines 
Stachelschweins."  —  Dies  erste  Heft  führt  die  römische  Geschichte  bis  nahe  an 
die  Entstehung  Roms;  auf  wie  viele  Bände  das  Werk  berechnet  ist,  erfahren  wir 
nicht. 

2. 

Gerlach,   F.  D.  und  J.  J.  Bachofen:  Die  Geschichte   der  Römer, 
Band  I,  2.     Basel   1851. 

786  Die  vorliegende  Abtheilung  umfasst  die  Königszeit.    Herr  Gerlach  erzählt 

uns  zuerst  noch  einmal  die  Geschichtchen  von  den  sieben  Königen  und  erreicht 
seine  Absicht,  sich  von  allen  Ergebnissen  der  neueren  Forschung  fernzuhalten, 
mit  seltener  Vollkommenheit.  Es  ist  der  reine  Livius,  auf  den  wir  hier  zurück- 
kommen, abgesehen  von  Kleinigkeiten,  z.  B.  dass  Livius  bedeutend  kürzer  und 
besser  schreibt  als  Herr  Gerlach  und  keineswegs  hinter  jedem  Köuigsleben  über 
den  „Unverstand  und  Aberwitz"  irgend  eines  seiner  Collegen  (diesmal  besonders 
des  Hrn.  K.  W.  Nitzsch)  Staudgericht  hält.  Wir  wollen  Frieden  schliesseu  mit 
Hrn.  Gerlach;  uns  kommt  es  freilich  lustig  vor,  wenn  Hr.  Gerlach  weiss,  dass 
Romulus  durch  einen  Steinwurf  am  Kopfe  verwundet  ward,  oder  wenn  er  Be- 
trachtungen anstellt  über  die  Wandelbarkeit  des  Glückes  in  Servius  Tullius 
langem  Lebenslaufe,  aber  wer  da  glaubt,  dem  ist  nicht  zu  helfen  und  eben 
so  wenig  dem,  der  da  nicht  glaubt.  —  Von  besserer  Art  ist  der  Abschnitt: 
„die  Grundlagen  des  römischen  Staatsrechts"  von  Hrn.  Bachofen;  hier  ist 
mindestens  wissenschaftliche  Forschung  und  ein  Versuch  aus  den  wirklichen 
Quellen  zu  schöpfen.  Doch  ist  auch  hier  der  Wahn,  als  ruhe  die  römische 
Verfassung  auf  einer  wesentlich  theokratischen  Grundlage,  mit  einer  Hartnäckig- 
keit durchgeführt,  als  gälte  es  das  regium  imperium  mit  dem  Papstthum  zu 
ideutificiren.  „Die  Souveränität,  sagt  der  Verf.,  ruht  in  der  Gottheit,  nicht  im 
Volke";  und  Anathema,  wer  es  nicht  glaubt!  Sollten  wirklich  auch  in  der 
römischen  Geschichte  sich  die  Lager  nach  der  Tagespolitik  scheiden? 


Nachträge. 


Bd.  IV  S.  484  Z.  13  v.  u.  lies:  Martins  Verus  statt:  Martius  Crispus. 

Bd.  V  S.  352.  Vergl.  Th.  Burckhardt- Biedermann,  Römische  Kastelle  am  Ober- 
rhein aus  der  Zeit  Diocletians  (Westdeutsche  Zeitschrift  25,  1906  S.  129  ff.). 

Bd.  V  S.  366, 1.    Vergl.  Burckhardt -Biedermann  a.  a.  0.  S.  174  ff. 

Bd.  V  S.  561.  Prof.  Czwalina  macht  brieflich  darauf  aufmerksam ,  dass  schon 
die  beiden  Ballerini  in  der  Ausgabe  der  Werke  Leos  d.  Gr.  (Venedig  t.  2, 
1756,  S.  1015  f.)  das  Verzeichniss  eingehend  behandelt  haben. 


Inhalts verzeichniß  zu  Band  IV — VI. 


I.    Sach-  und  Namenregister. 


Abbaitae  ('AßßaiEaaiJ  IV  75,  4 
Abella,  Colonie  V  206 
Abellinum,    Colonie   V '206.   226.   229; 
Magistrate:  praetores  duoviri  V  208 
Ablabius,  praefectus  praetorio  V  546  ff. 
Abundantius,  magister  militum  IV  520. 

555,6 
Acerrae,  Stadtrecht  V  219 
Achaia,  durch  Cäsar  von  Makedonien 

getrennt  IV  173 
Acilius  Rufus,  Consulatsjahr  IV,  383 
Acro,  König  von  Caenina  IV  23.  33,  3 
actor,  privater  V  608 
Acutius  Nerva,  Consulat  IV  426, 1 
Administrativprocess  V  505  f. 
Adoption 
Namenwechsel   IV  397 f.  401.   467 f.; 

V  350 
testamentarische  IV  398 f.  402flF.  408,2 
durch  Frauen  IV  399  f. 
rechtliches  Verhältnis   zur  Adoptiv- 
mutter IV  468 
veränderter  Charakter  in  der  Kaiser- 
zeit IV  400  ff. 
Heimatberechtiguug  IV  402, 1 
ladsertor  libertatis  IV  347  ff. 
adsessor  VI  442  f. 

[Advokatur,   angesehener   und  einträg- 
licher Beruf  V  615  f. 
lAedilen,  Amtsantritt  IV  101,23 

Gleichstellung  der  plebejischen   mit 

den  curulischen  IV  101,23 
Leitung  des  Frohndenbaus  V  63, 1 


[Äedilen] 

ceriales,  Einsetzung  IV  196 
municipale,    den    curulischen   nach- 
gebildet IV  101,  23 

Aefulae  (in  Latium)  V  72,2 

Aegyptus,  römische  Herrschaft  als 
Fortsetzung  der  ptolemäischen  em- 
pfunden VI  102 

Aushebung,  Besatzung  VI  24. 102.  151 
in  der  Frovinzialeinteilung  des  4.  Jahr- 
hunderts VI  565.  571 
aegyptisches  Kaiserjahr  VI  345.  348  f. 
aegyptische  Königstafel  VI  333 

Aemilia,  als  Bezeichnung  für  die  Land- 
schaft V  274 

Aemilii  Lepidi,  Praenomina  IV  56 

M.  Aemilius  Lepidus,  Triumvir  IV  162. 
261 

L.  Aemilius  Papus,  Prätor  von  Sicilien 
IV  56 

L.  Aemilius  L.  f.  Paulus  cos.  572.  586 
Praetor  im  jenseitigen  Spanien  IV  57 

hispanisches  Dekret  IV  56  ff. 
auf  dem  Fabier-Bogen  in  Rom  V  48 
Zahl  seiner  Triumphe  V  50  f. 

L.  Aemilius  Paullus  cos.  704  IV  134. 178 

L.  Aemilius  Regillus,  Prätor  IV  56 

L.  Aemilius  Scaurus  IV  56 

aera:  Herleitung  des  Wortes  VI  361 
consulum  VI  359  ff. 
kleinasiatische,  aktische  V  529 
diocletianische  VI  349  ■ 
vandalische  VI  355.  358 


656 


Sach-  und  Namenregister. 


Aesernia,  Municipium  V  220 
Aesolani  =  Aefulani  V  72 
Aesulum  (=  Aesis)  V  72,  3 
Aethiopier,  Seidenhandel  VI  614 
Aetius  IV  531  ff. 

Bedeutung  IV  631  f.  557 

Laufbahn  IV  532  ff. 

Beziehungen  zu  den  Hunnen  IV  533. 

537 
hunnische  Söldner  IV  535 
Gefolge  IV  536;  VI  456,6 
Streit  mit  Bouifatius  IV  536 
Kämpfe  in  Gallien  IV  535.  538 
gegen  Attila  IV  542  f. 
Tod  IV  544 
Ätolischer  Bund  IV  50  f. 
Cn.  Afranius  Dexter,   Consulat  IV  379. 
382 
Tod  IV  387 
Africa,  Latifundien  V  145 
militärische  Ausnahmestellung  VI  61  f. 
militärische  Organisation  der  Grenz- 
distrikte VI  257 
dioecesis  Africae  V  585  f. 
Africanus,  Quelle  des  Eusebius  IV  498  ff. 
Agelaos,  Aetoler  IV  51 
agens  vices  praefecti  praetorio  in  Rom 

(im  5.  u.  6.  Jahrh.)  VI  398.  431 
agens  in   rebus  =  Xoyo&hr]?,  in  Suez 

VI  612  f. 
agentes   in  rebus   (der  Gothenzeit)  = 

comitiaci  VI  408  f.  413  f.  425 
ager,  Kategorien  V  88  f. 

arcifinius  V  89.  92  ff. ;  arcifinius  vecti- 

galis  V  91,1.  94  f.  104  f. 
civitati  adsignatus  V  89.  93  f. 
divisus  adsignatus  V  89  ff. 

Ausdehnung  V  153  f. 
immunis  V  91, 1 
occupatorius  V  92 
privatus  V  89 
quaestorius  V  153 
stipendiarius  V  93 
tributarius  V  93 
agrorum  adsignatio  V  86.  89 
ausschliessliche  Grundlage  des  Pri- 
vatbodeneigentums V  116.  153 
durch  den  auctor  nach  verschiede- 
nen Limitationsformen  V  178,  1 


[ager:  agrorum  adsignatio] 

nicht  notwendig  bei  Verwandlung 
eines    Municipiums    in    Colonie 
V  116 
agrorum  divisio  V  86 
s.  auch  Bodenkategorien,  Bodenrecht 
Agricola,  Laufbahn  IV  414,  7 
Agrippa,    auf  ihn  zurückgehende  An- 
gaben    der     Peutingerschen    Tafel 

IV  87 

Agrippiua  (die  ältere),  Geburtszeit  IV  272 

Schwangerschaft  IV  283  ff. 
Agrippina    (die  jüngere),    Geburtsjahr 

IV  280  f. 
ala,  Stärke  VI  262 

seit  Diocletian  VI  217  ff. 

Vocontiorum  VI  62 

alae  Phrygum  VI  61 
Alamannen,  Eindringen  in  die  Schweiz 

V  365  ff. 

Alanen,  Einfall  in  Gallien  VI  169 

Ansiedelung  bei  Orleans  IV  538.  543 
Alarich,  Einfall  in  Illyricum  IV  519.  523 

Abmachung  mit  Stilicho  IV  523  f. 

Einfälle  in  Italien  IV  525  ff. 
Alba  Longa  V  71,5.  75 
Albanus  mons,    Opfer   der  latinischen 

Städte  V  75.  79 
Alexandrea,  Besatzung  VI  178 
Alimenta,  Aufsicht  durch  die  curatores 
viarum    und    procuratores    alimen- 
torum  V  184 

schon  auf  Nerva  zurückgehend  IV  435 
Alimentationsspende  des  Plinius  IV  435 
Aliso,  Lage  IV  203, 1 

Räumung  IV  204,  3 
Allifae  V  206.  217 
Alpendistricte,  militärische  Organisation 

VI  256  f. 

Alpenstrassen  in  der  Schweiz  V  380.  382 
Ambitarvius  vicus  IV  278,  2.  279 
Ameria,  Municipium  V  220 
amici,  in  technischem  Sinne  IV  318  £ 
kaiserliche  IV  320  ff. 
Verleihung   eines   Siegelrings   durch 

Claudius  IV  320,  2 
cohors  amicorum,  Loslösung  von  der 
cohors  praetoria  VI  3  ff. 
s.  comites 


Sach-  und  Namenregister. 


657 


Amitinum,  kein  Stadtrecht  V  71 
Amphiaraos,  Göttlichkeit  V  504  f. 
Amtjahr,  Verlegung  des  Beginnes  auf 

den   1.  Januar   IV   101;    Zweck  der 

Verlegung  IV  113  f. 
Ämterlaufbahn,  Altersbestimmungen  der 

Kaiserzeit  IV  414  ff.;   Intervalle  IV 

417 
Amulius,  König  von  Alba  Longa  IV  20  f. 
Anastasius    (Kaiser)    [vergl.  auch    VII 

726  ff.],  Abkommen  mit  Theoderich 

VI  478 
Anauni,  Hauptort  IV  293;  Lage  IV  303 
Aneona,  Colouie  V  212 
Angrivarier,  Kampf  mit  Bructereru  IV 

374 
C.  Annaeus  €.  f.,  Senator  V  507 
Annales  Vedastini,   Quellen,   Ursprung 

VI  640  f. 

vielleicht  von  Otto  von  Freising  be- 
nutzt VI  642 
Annalisten  der  sullanischen  Epoche  IV43 
Annius  Gallus,  Heerführer  Othos  IV  356 
Antemnae ,  Krieg  mit   Romulus  IV  23. 

25.  27  f. 

albanische  Colonie  IV  54, 3 
Verlust  des  Stadtrechtes  V  69 
Anthemius,  weströmischer  Kaiser,  vor- 
her patricius  IV  537,  6 
uvriygarpeTg  =  referendarii  VI  421 
Antiochos  (I)  von  Kommageue  IV  84 ff.; 

Grabmal  IV  256 
Antiochos  (IV)  Epiphanes,  letzter  König 

von  Kommagene  IV  88 
Antipolis  =  laniculum  V  82 
antiquarii  VI  650.  652 
Antium  IV  54,2 
C.  Antius  A.  lulius  A.  f.  Quadratus,  Name 

IV  408.  411,  2 
Antonianer,  vielleicht  an  Assignationen 

nach  Actium  beteiligt  V  214, 1 
Antonini,   Geistlosigkeit  des  Zeitalters 

IV  469 
Antoninus  Pius,  verleiht  als  Privatmann 

Gelder  zu  niedrigem  Zins  V  612 
ephesischer  Volksbeschluss  zu  seinen 

Ehren  V  532 
Brief  an  Fronto  IV  474 
Autoninswall  V  449.  462 

MOMMSEN,   SCHK.  VI. 


Antonii,  Patronat  von   ßononia  V  214 
L.  Antonius,  Beiname  IV  176, 1 
C.  Antonius  M.  f.  cos.  691  IV  177 
M.  Antonius,  Verwandtschaft  mit  Juliern 

IV  178 
Verhalten  gegen  Cäsarmörder  IV  17G 
beantragt    Verlängerung    der    Statt- 
halterschaften im  J.  710  IV  111. 13a 
im  mutinensischen  Krieg  IV  263  f. 
Antonius    Primus,    Kampf   gegen    die 

Vitellianer  IV  362  ff. 
L.  Antonius   Saturninus,   Aufstand  IV 

450  f 
apamenische    Münzen     mit    Aufschrift 

xoivov  ^Qvyiag  IV  67 
Apolaustus,  Schauspieler,  Freigelassener 

des  Verus  IV  484 
Appianus,   Quellen  der  Libyca  IV  43; 

für    den    Bürgerkrieg  des  J.  711/43 

IV  IHl 
Briefwechsel  mit  Fronto  IV  472 
L.  Appius  [LappiusV]  Maximus  Norba- 

nus.  Besieger  des  Saturninus  IV  451 

(mit  Anm.) 
Apulum,  canabae  VI  183;    Stadtrecht 

VI  200 
Aquae    (bei  Zürich),   nicht  Lagerstadt 

von  Vindonissa  VI  182,  2 
Aquileia,  Stadtrecht  V  236 
Manius  Aquillius  IV  66 
Aquincum,  canabae  VI  184;  Stadtrecht 

VI  200 
Aquinum  V  217.  234 
Arabia,  Provinz,  im  4.  Jahrhundert  V  573 
Arabia,  Stadt  VI  614  ff. 
Arabio,  numidischer  Prinz  V  472 
Aratos  (von  Sikyon)  IV  52 
Arausio,  Flurkarte  V  108  ff. 
Arbogastes  IV  546,6.  555  f.;  V  367 
Arcadia,  Provinz  V  572 
Arcadius,   Konflikte   mit  Westrom  IV 
516  ff. 

Einfluss  der  Reich spräfektur  VI  297  f. 
Perserkönig  Vormund  seines  Sohnes 
VI  480 
architectus  publicorum  VI  432 
Archivwesen  V  339  ff. 
Ardea,  Colonie  V  206  f. 
Argentoratum,  canabae  VI  184 
42 


658 


Sach-  und  Namenregister. 


Aricia,  Municipium  V  73.  215  f. 
Arigernus,  vornehmer  Ostgothe  VI  456 
Ariminum,     Münzen     mit     Keltendar- 
stellungen V  370.  386  ff. 
als  Bürgercolonie  V  212.  226 
Ariobarzaues ,  König  von  Kappadokien 

IV  74  f. 

Ariogaesus,  Quadenkönig  IV  495 
Aristokratie,  römische,    in   der  ersten 

Kaiserzeit  V  591  f. 

standesgemäße  Liberalität  V  591 

Aristonikos,  Erhebung  in  Asien  IV  64 

dQid-/j,6g  =  numerus  (militärisch)  VI  208 

Armenia,  maior  und  minor,  prima  und 

secunda  V  575  f. 
Hilfskontingent  VI  150 
Arretium,  Colonie  V  207.  220 
ArriusAntoninus,  zweites  ConsulatIV880 
L.  Arruntius,    Consul  im  J.  6  n.  Chr., 

Adoptivvater  des  Camillus  Scribonia- 

nus  IV  466  f. 
L.  Arruntius  Camillus  Scribonianus,  s. 

Camillus  Scribonianus 
L.  Arruntius   Stella,   Consulatsjahr  IV 

455  ff. 
Arsinoitischer  Nomos,  Verzeichnis  der 

nQeoßvTSQOi  xai  aQX^ffodoi  eines  Dorfes 

V  493  f. 

Q.  Articuleius  Paetinus,  Consulate  IV 

380,4 
Asculum  Picenum,  Colonie  V  234 
Asetium,  angebliche  Triumviral-Colonie 

V  217 
Asia,  Einrichtung  der  Provinz  IV  64  f. 
politische  Organisation  IV  65  f. 
Besteuerung  IV  65  ff. 
Asianer  conspirieren  gegen  Rom  IV  65 
Einführung  eines  neuen  Kalenders  V 
518  ff. 
C.  Asinius  Gallus,   Proconsul  von  Asia 

IV  184  f.  187.  192. 
M.  Asinius  Marcellus,  Konsulatsjahr  IV 

459  ff. 
0.  Asinius  Pollio,  spanisches  Commando 
IV  162 
restauriert  das  Atrium  Libertatis  V  61 
Quelle  Appians  IV  161 
Aspar,  byzantinischer  Feldherr  IV  534 
Assignation  siehe  ager 


Asturica,  canabae  VI  182,2.  186;  Stadt- 
recht VI  201,  2 
Atelia,  Stadtrecht  V  220 
Aternum,  kein  Stadtrecht  V  220 
Ateste,  Colonie  V  213.  229,  3. 
Athalarich,  Consulernenuuug  VI  335 
Untüchtigkeit  VI  447 
Schreiben  an  Papst  Johannes  VI  605  f. 
Athanaricus,  Gothenkönig  VI  304  ff. 
T.  Atilius  Sabinus  V  327 
Attalus  III,   Senatsbeschluss  über  sein 

Vermächtnis  IV  63  ff. 
Attalus,  von  Pompeius  in  Paphlagonieu 

eingesetzt  IV  78 
Attila,  Reich  und  Hof  IV  538  ff. 
Einfälle    in    Gallien    und  Italien  IV 

542  ff. 
titulares  Heermeisteramt  IV  548,  4 
Sex.  Attius  Suburanus,  Consulatsjahr  IV 

459  ff. 
M.  Aufidius  Fronto,  Enkel  des  Fronto 

IV  480 
C.  Aufidius  Victorinus,    Schwiegersohn 
des  Fronto,    Chattenkrieg  IV  480 f. 
Augusta  Praetoria,   Colonie  V  214.  226 

Gründungsort  VI  177 
Augusta  Rauricorum,  Gründung  V  356 
Zerstörung,  Anlage  des  castrum  Raura- 

cense  V  366 
Inschriften  V  372 
Amphitheater  V  373 
Stadtrecht  V  377  f. 
Augusta  Taurinorum  V  222.  226 
Augusta  Vindelicorum  V  356.  363 
Augustini  interrogatioues  VI  627  f. 
Augustodunum,  Universität  IV  334 
Augustus,    siehe    Heer,    monumentum 
Ancyranum 
Adoption  IV  399, 1 
Vaterbezeichnung  IV  401 
Daten   der  Gefechte  bei  Mutina  IV 

263  f. 
Imperatortitel  IV  263  f. 
sicilischer  Krieg  IV  261 
Beginn  des  Principats  IV  266 
Rücksicht  auf  die  öffentliche  Meinung 

IV  166 
Sparsamkeit  IV  159 
Streben  nach  der  Erbmonarchie  I  Vl87f. 


Sach-  und  Namenregister. 


659 


[Augustus] 

Verhältnis   zu   Tiberius   IV  188.  288 
beeinflusst  durch  ägyptische  Einrich- 
tungen VI  79 
Bestimmung    über    die    Statthalter- 
schaften IV  169 
Provinzialautonomie  V  553 
Abneigung  gegen  die  Frumentationen 

VI  79 
formelle  Abschaffung   der  Gemeinde- 
souveränität IV  (iO 
Colonien  V  213  ff.  226  ff. 
Heeresorganisation   IV  158  ff.  VI  6  ff. 

20  ff 
Rechenschaftsberichte  IV  251 
göttliche    Verehrung    bei    Lebzeiten 
'   IV  267  ff. 
Augustuskult,  Verknüpfung    mit    dem 

municipalen  Pontificat  IV  270 
Aurelianus,  Einsetzung  der  correctores 

V  185 
Aurelianus,  Praefectus  praetorio,  Consul 

im  J.  400  n.  Chr.  VI  293  ff. 
M.  Aurelius  (Cotta)  cos.  680  V  507 
M,  Aurelius,  Kaiser,  Charakter  IV 490 f. 
Selbstermahnungen  IV  490 
Familie  IV  475  ft'. 
Briefwechsel  mit  Fronto  IV  479  ff. 
Imperatortitel  IV  493  ff., 
Marcomanenkrieg  IV  489  ff.  500  ff". 
Regen  wunder  IV  498  ff. 
Partherkrieg  s.  Verus 
Einsetzung  der  iuridici  V  181  f. 
Stadtrechtverleihung  VI  200 
Christenpolitik  VI  544 
Aushebung,  vgl.  auxilia,  cohortes  prae- 
toriae,  Flottensoldaten,  Legionen 
leitende  Gedanken  der  augustischen 

Ordnung  VI  70 
Recht  des  Princeps  VI  72  f. 
Aushebungsbeamte  VI  72 
örtliche  Aushebung  VI  89.  58.  102  f. 
legionare  in  den  Senatsprovinzen  VI 

66  f. 
nach  der  Rechtstellung  der  Individuen 

und  Gemeinden  VI  75  ff. 
auxiliare  und  legionare  in  Gallien  und 

Germanien  VI  82  ff. 
in  Noricum  VI  86 


[Aushebung] 

für  die  germanischeu  Legionen  VI  71 
Ausonius  =  Auxouius  VI  290  4 
Auspication,   des  Romulus  und  Remus 

IV  9  ff. 
Autonomie     der     griechischen     Städte 

Asiens  IV  65.  67  f. 
auxilia,    von    Augustus   geschaffen   VI 
20 f.;  IV  165,1 

Verwendung  in  und  ausserhalb   der 
Heimat  VI  94  ff.;  der  aegyptischen 
VI  102;  britannischen  VI  99:  daci- 
schen  VI  101 ;  dalmatischen  VI  100 ; 
germanischen  VI  97  ff.;  mösischen 
VI    100  f. ;    palaestinensischen    VI 
101  f.;  pannonischen  VI  100;   räti- 
scben  VI  99;  sardinischen  VI  97; 
der  Seealpen  VI  99 
africanische  VI  61  f. 
Benennung  nach  Völkerschaften  VI  57 
seit  Diocletiau  VI  215  ff. 
zu  den  palatini  gehörend  VI  235. 239  ff. 
Stärke  VI  261 
Auxiliarsoldaten,  Namensforra  VI  86  f. 
Heimatbezeichnung    VI    43  ff.;     mit 

städtischer  Heimat  VI  76 
mit  dem  Bürgerreclit  VI  75 
Nationalität  VI  57 
nur  aus  kaiserlichen  Provinzen  VI  61  ff. 
Auxiliaraushebung  in  Spanien  VI  63  f.; 
Gallien  VI  64;    Belgica    und   Ger- 
manien VI  64;    Britannien  VI    66; 
Illyricum  VI  64;  Syrien  VI  65;  pro- 
curatorischen     Distrikten     VI     65; 
Mauretanien  VI  66 
Aventicum  V  365  f.  377.  422 
Aventin,  Auspicationsort  des  Romulus 

oder  Remus  IV  14  f. 
Avidius  Cassius  IV  484.  496 
Q.  Axius  M.  f.  V  507  f. 

Bäckerzunft  in  Rom  VI  431,2 
Baduila  s.  Totila 
Baebius  Macer,  Consulat  IV  380 
Baebius  Massa,  Process  IV  376 
Bäcula,  Schlacht  VI  140 
Baiae,  Saison  IV  294.  297 
Baleares,  Provinz  V  585 

42* 


660 


Sach-  und  Namenregister. 


Balbi   expositio    et   ratio  omnium  for- 
marum  V  146  ff. 
Entstehungszeit  V  147 
mutmasslicher  Verfasser   u.  Adressat 

V  148 

wahrscheinlich  Einleitung  zu  den  so- 
genannten libri  coloniarum  V  172  f. 
Baibus   de   asse   wahrscheinlich   ein 
Fragment  der  expositio  V  150  f. 
Ballomarius,  Marcomanenkönig  IV  492,1 
Banadaspus,  Jazygenkönig  IV  495 
Banquiers,  obligatorischer  Grundbesitz 

in  Italien  V  595 
Barenau  s.  Varusschlacht 
Basiliscus,  Erhebung  zum  Kaiser  IV  563 
Bauto,  magister  militum  IV  555 
Beamtenlaufbahn,  Zugang  in  der  Kaiser- 
zeit erleichtert  V  616  f. 
Beda,    Papstbriefe   in    der  Kirchenge- 
schichte VI  619  ff. 
Zuverlässigkeit  VI  621 
Benutzung    der    historia    Brittonum 

VI  638  f. 

Verhältniss  z.  Langobardengeschichte 
des  Paulus  Diaconus  VI  513ff. 
Belgica,   verhältnismässig  starke  Aus- 
hebung VI  22 
Belisar,  Gefolgsleute  VI  243ff.  456,  6 
Aussicht  auf  das  weströmische  Kaiser- 
tum VI  481 
Treue  VI  483 
Benevent  V  212.  217.  222 

Gruudbesitzverteilung  V  128ff. 
Bergalei,  Streitigkeiten  m.  Comum  IV 

294 
Berufe,  angesehene  V  614 

Berufszwang,  erblicher  VI  255  f. 
Besoldung,  staatliche  V  614f. 
Bessus  in  Heimatangaben  VI  51 
Betriacum,  Namensform  IV  356, 1 
Lage  IV  356 f. 
Truppenbewegungen  vor  der  ersten 

Schlacht  IV  358 ff. 
zweite  Schlacht  IV  362  ff. 
Bibliothek,  v.  Plinius  Comum  geschenkt 
IV  434 

öffentliche  in  Konstantinopel  VI  650 
private,  bischöfliche  VI  651 
Personal  VI  651  f. 


Bithynien-Pontus,  wechselnd  senatori- 
sche u.  kaiserl.  Provinz  IV  430  f. 

Bittius    (nicht     Vettius)     Proculus    IV 
373,5 
Zeit  der  praefectura  aerarii  IV  424 

Bleda,  Bruder  des  Attila  IV  538 

Bocchus,  König  von  Mauretanien  V  472' 

Bodeneigentum,  Tendenz  z.  Individuali- 
sierung V  118 

Bodenkategorien  Frontins  V  85  ff. 

Bodennutzung  V  603 

Bodenrecht,  römisches  V  85  ff. 

ßodensee,  politische  Zugehörigkeit  der 
Ufer  V  433 

Bodenwirtschaft  der  Kaiserzeit  s.  Grund- 
besitz,  Domänen,  Wirtschaft 

Boethius,  Consulat  VI  382 

Boii,  stipendiarii  der  Häduer  IV  61,  2 

Bonif'atius,  Statthalter  von   Africa  IV 
536.  557 

Bonifatius,  Papst  VI  605 

Bonifatius,  Erzbischof  vonMainz  VI  622  f. 

Bononia,  Colonie  V  214.  229,  3 

Bovianum  ündecimanorum,  Stadtrecht 

V  232, 1.  234 

Bovianum  vetus,  Colonie  V  234 
Bovillae,  Municipium  V  216 
Brigetio,   canabae  VI  184;    Stadtrecht 

VI  200 

Brittonum    historia,    Wert    der    Hand- 
schrift von  Chartres  VI  631  ff.  636 
Angabe  über  Ankunft  d.  Sachsen  VI 

633 
Inhalt  VI  634  flF. 
Brixellum,  Stadtrecht  V  235 
Brixia,  Colonie  V  226 
Bructeri,  Teilnahme  am  Aufstand,  Ver- 
nichtung IV  209.  374.  449 
bucellarii  VI  241  ff. 
Bürgerkrieg   i.  J.  43/42,  Veranlassung 

IV  172f. 
Bürgerrecht,  der  Italiker  V  262  ff. 
der  Libertinen  V  263  f. 
Verleihung  wegen  des  Legionsdienstes. 

VI  21  f.  74 
durch  den  Feldherrn  VI  80  f. 
Verbreitung  in  den  Provinzen  VI  78. 
Umfang  der  Verleihung  durch  Cara- 
calla  V  418.  VI  466, 6 


Sach-  und  Namenregister. 


661 


[Bürgerrecht] 

seit  Diocletian  VI  466  f. 
Verleihung   au    Ausländer    in    spät- 
römischer Zeit  VI  248 

Cabenses,  latinische  Gemeinde  V  77 
Caecilius  Baibus  IV  412,2 
Q.Caecil.  Bassus,  Militärrevolte  IV  162  f. 
L.  Caecilius  L.  f.  Cilo,  Vater  d.  jüngeren 

Pliuius  IV  394 
Caecilius  Classicus,  Process  IV  376  f. 
M.  (Caecilius)  Metellus,  Consul  i.  J.  639, 

Statthalter  von  Sardinien  V  328  ff. 
<^.  (Caecilius)  Metellus,  Consul  i.  J.  674 

V  508 

<^.  Caecilius  Metellus  Creticus,  Inschrift 

V  349  ff. 

Caecilius    Secundus    nicht    =    Plinius 

IV  413,  4 
<Cn.)  Caecilius  Simplex,  Proconsul  von 

Sardinien  V  327.  329 f.  335 
C.  Caecilius  Strabo,  cos.  des.  IV  380 
Caecina  Alienus,   Führer  der  oberger- 
manischen Truppen  i.  J.  69  IV  354  ff. 
Caenina  albanische  Colonie,  von  Romu- 

lus  bekriegt  IV  23.  25.  27.  54,  3 
Caepio  Hispo,  Consulat  IV  380 
Caesar  erlässt  als  Consul  im  J.  695  eine 
lex  agraria  V  200.  210 
unterwirft  die  Helvetier  V  375.  392 
in  Conflict  mit  dem  Senat  IV  92  ff. 
hebt   Truppen   in   Transpadana   aus 

VI  32 
sendet  Trebonius  nach  Spanien  IV  174 
in  Africa  V  472 
Ordnung  der  Statthalterschaften  IV 

169  ff. 
Ordnung   des    Heerwesens   IV  160  ff. 

VI  32 
Municipalgesetz  V  64 
plant  Erweiterung  des  Forums  V  61 
ludi  Victoriae  Caesaris  IV  180 
gründet  Militärcolonien  in  den  Pro- 
vinzen V  210 
veranlas.st  Senatsbeschluss   über    die 

Juden  IV  146  ff. 
verleiht   dem  P.  Sittius  das   Gebiet 

von  Cirta  V  472.  492 
Consecratiou  IV  181 


[Caesar] 
Besonderheiten  seiner  Commentarien 

V  391 

Irrtum  über  den  Oberlauf  des  Rheins 

V  390 

Cäsarmörder,  Beratung  i.AntiumIV171  f. 
C.  u.  L.  Caesar,  Münzbildnisse  IV  184. 

188 
Caesarius,  praefectus  praetorio  VI  296  f. 
Caesennius  Paetus,  Partherkrieg  IV  329 
Caiatia,  campan.  Gemeinde  V  245,  1 
Calatia,    Colonie,   geht  in  Capua  auf 

V  210.  245, 1 

Calestrius  Tiro,  Freund  des  Plinius  IV 

370  f.  385.  388.  419  f. 
Callaecia,  Provinz  V  585 
C.  Calpetanus   Rantius   Quirinalis  Va- 

lerius  P.  f.  Pomp.  Festus,  Name  IV 

407.  409 
Calpurnius   Fabatus,   Verwandter  den 

Plinius  IV  371.  391 ;  Inschrift  IV  446 
Calpurnius  Macer,  Statthalter  v.  Unter- 

mösien  IV  390 
C.  Calpurnius  Piso,  Freigebigkeit  V  591 
Cn.  Calpurnius  Piso,  Catilinarier  V  470  f. 
L.  Calpurnius  Piso,  Statthalter  v.  Make- 
donien IV  137, 126 
Camerium,  kein  Stadtrecht  V  70 
Camillus    Scribonianus    (L.  Arruntius), 

Name  und  Adoption  IV  465 ff. 
Camiscana  ecclesia  VI  630 
Campania,  zur  urbica  dioecesis  gehörig 

V  183.  186.  283 

feriale  domnorum  V  553,  2 
Camunni,  italische  Gemeinde  mit  lati- 
nischem Recht  V  415 
Camurius  Statutus  IV  294.  301 
canaba,  Form,  Vorkommen,  Entstehung 
und  Bedeutung  des  Wortes  VI  180ff. 
canabae  legionis  VI  181  ff. 
canabenses  VI  191 
cancellarius  VI  417  ff. 
Candidas,  Heerführer  unt.  Pius  IV  492, 1 
C.  Caninius  Rebilus,  cos.  709  IV  171 
Capitulum,  Stadtrecht  V  216 
Cappadocia,  Provinz  V  574.  577 
Capua,  sullan.  Assignationen  V  177.  216 
conventus  VI  196,  2 
Colonie  V  210.  212.  222.  226 


662 


Sach-  und  Namenregister. 


Caput  oder  prior  seuatus  (der  Spätzeit)   I 

VI  428  ff. 
cardinales  (Unterbeamte)  YI  410 
Carraeianensis  episcopus  VI  629 
Carni,  von  Tergeste  abhängig  IV  61 
Carnuntum,  Stadtrecht  VI  200 
Carpilio,  Sohn  des  Aetius  IV  534 
A.  Cascelius  A.  f.,  Senator  V  508 
Casilinum,  Colonie  V  210 
Casinum,  keine  Colonie  V  260  f. 
Cassiodor  [vergl.VlI  G68]. Gesinnung  V60 

Briefsammlung  VI  390  ff. 
C.  Cassius,   Statthalterschaft  IV  170ff. 
Cassius  Dio,    Benutzung    der  späteren 
Annalisten  IV  43 

Schwächen     seiner    Geschichtschrei- 
bung IV  269, 1.  283, 1 
C.    Cas(s)ius    L.    f.    Longinus,    Senator 

V  508 

M.  eas(s)ius  M.  f.,  Senator  V  508 
Castellum  Mattiacorum  VI  202 
Castra  =  Castra  Hannibalis  V  254f. 
Castra  Regina,  kein  Stadtrecht  VI  201, 1 
Castra  Vetera,  später  Traiana,   Lager- 
stadt VI  182 
castrensis  sacri  palatii  VI  453.  650 
Castrimoenium,  Municipium  V78,2.  216 
Castrum  novum    in  Picenum ,    Colonie 

V  220 

Castrum   novum   in   Etrurien,  Colonie 

V  222 

Catali,  von  Tergeste  abhängige  Völker- 
schaft IV  61 
Catilinarier,  Rüstungen  V  470  f. 
Catonianer,  Politik  gegen  Cäsar  IV  132, 

138.  141  ff. 
Censorinus,  Datierung  nach  Regierungs- 

jahren  VI  849 
Census,  des  Augustus  V  169  f. 
allgemeiner  des  Titus  und  Vespasian 

V  276 
von  den  Municipien  vorgenommen  V 
277  f. 
centuria,    das  meusorische  Quadrat  V 

86.  97  ff 
Cermalus  mons,  in  falscher  Etymologie 

=  gerraanus  IV  7 
Ceutrones,  gallische  Völkerschaft  V  357 
Chalons,  Schlacht  IV  543 


Chamaven,  Vernichtung   der  Bructerer 

IV  374 
chartarii  VI  454 

Chatten,  schwerlich  am  Aufstand  gegen 

Varus  beteiligt  IV  209;  gegen  sie 

der   obergermanische    Limes  V  452 

Chlodovech,  Consulat  VI  425,7 

Christen  [vergl.  auch  III  393  ff.],   Hass 

und  Vorurteile  des  Volkes  VI   540  f. 

Gegensatz  zur  Staatsreligion  und  zum 

Staatsgedanken  VI  541  f. 
Toleranzpolitik    der    Regierung    VI 

542  ff. 

christenfeindliche  Petition  VI  555  ff. 

Cicero    [vergl.  auch  III  217J,    Mitglied 

eines    senatorischen    consiliums    im 

J.  681  V  510 

Verhalten  vor    dem   Bürgerkrieg  IV 

128.  139.  141 
geplante   Reactivierung    seines    Im- 
periums i.  J.  705;49  IV  124,  92 
pünktliches    Verlassen    Ciliciens    IV 

115,63.  138,130 
Brief  an  Trebonius  IV  174  ff. 
Porträtkopf  auf  Münze  von  Magnesia 

IV  184 

Cicero,  der  Sohn,  Proconsul  von  Asien 

IV  184 

Cirta,  Ansiedlung  der  Sittiauer  V  472  f. 

Geschichte  und  Namen  V  474  f. 

Duovirn  V  475 f.;  4  Cirtensische  Colo- 
nien  V  477  ff'. ;  tresviri  V  479 ;  prae- 
fectus  iure  dicundo  V  480  ff".  486  ff. ; 
Auflösung  des  Gemeindeverbandes 

V  486;  pagi  V  488 f.;  Ädilität  V 
490  f;  Gesamtbild  der  Gemeinde- 
ordnung V  491  f. 

Cispadanus,  ungebräuchliche   Bezeich- 
nung V  273 

Civilämter  unter  gothischer  Herrschaft 
VI  394  ff. 

civis  in  Heimatangaben  VI  43.  53 

civitas,  keltische  V  394.  430 
Gegensatz  zu  städtischen  Gemeinden 
hinsichtlich  der  Aushebung  VI  81  ff. 

civitates  attributae  IV  304  f. 

Clarissimat  VI  423  f. 

Clastidium,  Zugehörigkeit  zu  Placentia 

V  321  ff 


Sach-  und  Namenregister. 


66'S 


Claudian,  als  Quelle  für  die  Geschichte 

Stilichos  IV  516,  2  ff. 
Claudius,  Kaiser,  Charakter  IV  298  f.  321 
verleiht    Vorrecht,     Siegelring     mit 

Kaiserbild  zu  tragen  IV  320,2 
Rechtsverleihungen  VI  93  f. 
Bürgerrecht  der  Auauner  IV  291  ff. 
verbietet  Peregrinen    Romanisierung 

des  Namens  IV  306 
Vermehrung  der  cohortes  praetoriae 
VI  8  ff. 
L.  Claudius  L.  f.,  Senator  V  508 
M.Claudius  Fronte,  fälltimJazygenkrieg 

IV  495 
C.  Claudius    C.   f.   Glaber,    Senator  V 

50S 
Claudius  lulianus,  Proconsul  von  Asien 

IV  476 
C.  Claudius  Marcellus  cos.  704  IV  178 
M.  Claudius  Marcellus  cos.  703  IV  138 
M.  Claudius   M.  f.  Marcellus,    Senator 

im  J.  681  V  508 
Ti.  Claudius  Pompeianus,  Schwiegersohn 

des  Marcus  IV  489 
Ti.  Claudius  Sacerdos,  Consulat  IV  425 
Clientelstaaten,  Truppenstellung  VI  65 

nördlich  der  Donau  IV  491.  496 
Clinias  vielleicht  =:  Kallias  IV  4,  2 
L.   Clodius  Macer,    Legat    von  Africa, 
Eintreten  für  die  Republik  IV  339. 
345  f. 
Cloio,  Frankenfürst  IV  535 
Cluentinus  vicus  VI  629 
codex  ansatus  V  340 
Coelius   Antipater,    benutzt    Aufzeich- 
nungen karthagischer  Offiziere  IV  42. 
43,4 
cognitio  extraordinaria  V  337 

praetoria  V  337,2 
cognomina  s.  Namen 
cohors,  Stärke  VI  262 
cohortes,   seit  Diocletian  VI  215  f.  219 
batavische  VI  59.  IV  343,5 
Sebastenorum  VI  553, 1 
orae  maritimae  VI  153  f. 
cohors    praetoria,    Einrichtung    durch 
Africanus   minor  VI   2  ff. ;    der  Pro- 
vinzialstatthalter  VI,  4;  unter  Cäsar 
und  dem  Triumvirat  VI  5  f. 


cohortes     praetoriae ,     Reorganisation 
durch  Augustus  VI  6  ff. 
Vermehrung   unter  Claudius  VT  8  ff. 
Neubildung  durch  Vitellius  VI  8;  V 

407,1 
seit  Diocletian  VI  234  f. 
Feldzeichen  VI  136 
Heimat    der    Soldaten    IV  309  f.  VI 
68  ff. 
Heimatangaben  VI  41  f. 
cohortes   urbanae,   Einrichtung  VI    7; 
Zahl  und  Numerierung  VI  8  ff. ;   in 
Puteoli,  Ostia,  Lugdunum  VI  14  ff. 
Collatia,  Verlust  des  Stadtrechtes  V  69 
Colonat  V  142,2.  VI  36 
Coloniae,  albanische  V  82  ff. 
italische  Bürgercolonien  Sullas  V205  ff.; 
Caesars  V  210 f.;  der  Triumvirn  V 
211  ff.  224  f.;    coloniae  Antoniae  V 
229,1;  des  Augustus  V  213  ff.;  nach 
dem  liber   coloniarum   I  V  21.off. ; 
coloniae  luliae  V  222  ff'.;    coloniae 
Augustae  V  225 ff.;  28  Colonien  des 
Augustus  V  227  ff. ;  Verzeichnis  des 
Plinius  V  230ff.;  Übersichtstabelle 
bis  Vespa.sian  V  251  ff. 
Unterschied  vom  municipium  V  113  ff. 
Zahl    der    Bürger-    und    latinischen 

Colonien  bis  540  IV  53  f. 
Deduction  von  Freigelassenen  IV  53 
militärischer  Zweck  IV  54,  5.  VI  177 
Grösse  des  Einzelloses  bei  der  Grün- 
dung V  87 
Namengebung  V  255  f. 
Beinamen  nach  Göttern  V  206 
in  den  Provinzen,  latinisches  Recht 

V  415  ff.  VI  87  ff 

häufige  Verleihung  des  Titels  in  der 
Verfallzeit  V  217 
Columella  V  141,4.  598 
Comenses,  Streitigkeiten  mit  den  Ber- 

galeern  IV  294 
comites,   der  Statthalter  in  republika- 
nischer Zeit  IV  311  ff. 
Augusti   der  früheren  Kaiserzeit  IV 

315 ff.;  des  Tiberius  IV  312 f. 
comes   als   Rangtitel   IV  818.   546  f. 

VI  451  f. 

—  domesticorum  VI  403  f. 


664 


Sach-  und  Namenregister. 


[comites] 
comes  domesticorum  et  curator  pa- 
latii  IV  533,6 

—  formarum  VI  432 

—  sacrarum    largitionum   VI   388  f. 
400  f.  650 

—  sacri  patrimonii  VI  388  f.  401  f.  484 

—  Portus  urbis  Romae  VI  432 

—  Ravennae  VI  433 

—  rerum   privatarum  VI   388f.   401. 
650 

—  urbis  Romae  VI  432 
s.  Offiziere 

comitiaci  VI  407  fF. 

Comraodus ,    Annahme    des    Cognomen 

Felix  IV  514 
Concordia,  Colonie  V  223 
condoma,  gothische  Hufe  VI  437 
Consecration ,  verdrängt  irdische  Titel 

IV  504 

Consentia,  Stadtrecht  V  220 

consiliarius  VI  415  f. 

consilium  des  Statthalters  V  337  f. 

de  consilii  sententia  V  511  ff. 
consistere,  technischer  AusdruckVI  156  ff. 

186  f. 
consistorium,  Zusammensetzung  VI  389. 
419  f. 
Bedeutungslosigkeit   im  Gothenreich 
VI  420  f. 
consortes,  Samtbesitzer  einer  Centuria 

V  86.  88 

Constantin  I.,   Consulernennungen  von 
306-311  VI  324  ff. 
Jahr  des  Kampfes  mit  Licinius  VI  342 
erstes  Herrscherjahr  VI  338  f. 
Einrichtung    der    quaestura    palatii 
VI  387  f. 

des  magisterium  militiae  IV  547 
des  Patriciats  VI  422 
einer  Curia  in  Byzanz  VI  428 
Ordnung  der  Nachfolge  VI  480 
s.  Heerwesen 
Constantin  IL,  als  Prinz  VI  341 
Beiname  Alamannicus  V  548 
Verschwinden  des  Namens  in  Rechts- 
sammlungen VI  313 
€onstantinus,  Usurpator  in  Britannien 
IV  527 


Constantius  IL,  Kirchenpolitik  VI  341. 
572  ff. 
Einrichtung  einer  Bibliothek  in  Kon- 
stantinopel VI  650 
Constantius,  Schwager  des  Honorius  IV 

531,7.  557 
Constantius,  Schreiber  des  Attila  IV  540 
Consulare  des  Jahres  710  d.  St.  IV  176  ff. 

adlectio  inter  consulares  VI  424 
consularis  als  Rang-   und  Amtstitel  V 

186.  191  f.  VI  424  f. 
Consulat,    Intervall   zwischen   zwei  C. 
IV  125  94 
verkürzte    Dauer    in   der   Kaiserzeit 

IV  425,  5 

ordentliches,  zur  Belohnung  grosser 
Dienstleistungen  VI  341 

Übernahme  durch  Augusti  und  Cae- 
sares  VI  324;  durch  Kaiser  nach 
Justinian  VI  347; 

durch  Justinian  zu  Grunde  gerichtet 
VI  347 

Postconsulate  VI  347  f. 
Consuln,   der  Jahre  69   V  331    —  307 
VI  324  ff.    —   308  VI   330   —   323 
VI  331  f. 

Jurisdiction  IV  96 

Abgang  in  die  Provinz  während  des 
Consulats  IV  119 

Entziehung  des  militärischen  Im- 
perium IV  118  ff. 

commentarii  V  506  f. 

Designation  in  der  Kaiserzeit  IV  426  ff. 

Renuntiation  IV  429 

sämtlich   candidati  principis   IV  428 

Ernennung  nach  der  Reichsteilung 
VI  363  ff. ;  durch  germanische  Herr- 
scher Italiens  VI  334  ff.  379  ff. 

paarweise  und  successive  Publication 
VI  365  ff. 

suffecti,  in  später  Zeit  VI  609 
Consul-Datierung,  Namen  bei  förmlicher 
IV  409,1.  411,4,5 

allein  nach  dem  kaiserlichen  Consul 

V  331  f. 

nach  den  eponymen,  nicht  den  ge- 
rade fungierenden  Consuln  V  332 
des  geteilten  Reiches  VI  363  ff. 
Reihenfolge  VI  336.  370  f. 


Sach-  und  Namenregister. 


665 


[Consul  •  Datierung] 
nach  designierten  Consuln  VI  340  f. 
nach  einem  Consul  VI  33(3  f. 
Dauer  VI  347 
conventus    civium  Romanorum,  corpo- 
rative  Organisation  VI  196  ff. 
in  der  Schweiz  V  420  f. 
in  Asien  IV  68, 1 
Cora,  latinische  Colonie  IV  54,  2 
L.  Cornelius  Cinna,  Eintreten  für  Gleich- 
berechtigung der  Neubürger  V  263 
P.  Cornelius  Dolabella  cos.  710  IV  171. 
182 
testamentarische  Adoption  IV  399,  2 
Cornelius  Gallicanus,  Alimentaramt  IV 

456  f. 
Cornelius  Nepos,  Heimat  IV  396,  6 
P.   Cornelius    Scipio    Africanus    maior, 
africanischer  Feldzug  IV  42  ff. 
Schlachtordnung  am  Ebro  VI  140  ff. 
P.  Cornelius    Scipio    Africanus    minor, 
Inschrift  am  fornix  Fabianus  V  48 
cohors  praetoria  VI  2 
P.  Cornelius  Scipio    Nasica,   Gesandt- 
schaft nach  Asien  IV  64 
L.  Cornelius  Sulla,  Beiname   Epaphro- 
ditus  V  509 
Friede  von  Dardanos  IV  78 
Einrichtungen    in    Asien    IV   68.  75. 

V  514  ff.  524 
Staatsordnung  IV  121  f. 
Verhalten  gegen  die  Italiker  V  263  f. 
italische  Colonien  V  205  ff.  215  f. 
Zerstörung     latinischer     Gemeinden 

V  71  ff. 
Tempelstiftungen  V  177.  501 
Tempel  des  kapitolinischen  Juppiter 

IV  75 
Cornelius  Tacitus  s.  Tacitus 
Q.  Cornificius,    Statthalter  von   Africa 

IV  173 

Cornutus  Tertullus,  curator  viae  Aemi- 
liae  als  Consular  IV  382;  College  des 
Plinius  IV  423  ff. 
Statthalterschaft   von    Bithynien   IV 

431,2 
Inschrift  IV  446 
correctores  V  185.  190 ff.;  aus.seritalische 

V  185,4 


Cosa,  Münzen  V  231, 1;  Colonie  V  236  f. 
Cremona,    Anschluss   an    Vitellius    IV 
355,3 
Colonie  V  212 
L.   Crepereius    Madalianus,     Inschrift, 

Laufbahn  V  194,5 
Crispus,  Sohn  Constantins  VI  341 
Crustumerium ,    von  Romulus   bekriegt 

IV  23.  25.  27  f.  54,  3 
cubicularii  VI  453 
Cumae,  Stadtrecht  V  220.  223 
Cupra,  Stadtrecht  V  220 
cura  alvei  Tiberis  et  riparum  et  cloa- 

carum  urbis  IV  382.  430 
a  cura  amicorum  IV  319 
cura  aquarum  IV  430 

viarum,    ausnahmsweise   von    einem 
Consular  verwaltet  IV  382 
curator  frumenti  =  praefectus  fnimenti 
dandi  IV  193  ff. 

viarum  et  alimentorum  V  184  f. 
civium  Romanorum    conventus    Hel- 

vetici  V  377 
municipaler  VI  433  f. 
Cures,  sabinische  Hauptstadt  IV  24  ff.  32 
curiales  VI  433 
Curien,  nach  Sabinerinnen  benannt  IV 

24.  34. 
Curio     (C.  Scribonius),    Eintreten     für 

Caesar  IV  142 
custos  portarum  VI  435 
Cusuetani,  latinische  Gemeinde  V  81, 1 

Dacia,  im  4.  Jahrb.  V  579 
Dardania,  Provinz  V  579 
Dardanos,  Friede  IV  75.  78 
dasumisches  Senatsconsult.  Zeit  IV  380,4 
Dasumius,  Testament  IV  386.  437 
decimani,  Teilungslinien  V  96 
decretales  VI  624 
dediticii  VI  168 f.  208,4.  257  f. 
defensor,  städtischer  Beamter  VI  433  f. 
Delos,  Abhängigkeit  von  Athen  V  503 
Demetrios  von  Pharos  IV  52.  55 
dendrophori  =  hastiferi  VI  162 
Dertona,  Colonie  V  223 
Diana  Tifatina,   Schenkung   Sullas    V 

177.  501 
Dictatoren.  in  Fidenae  V  73 


666 


Sach-  und  Namenregister. 


Diocletianus,  Zählung  sein.  Regierungs- 
jahre in  Aegypten  VI  332 
übern,  das  Consulat  für  808  VI  330 
Dioeceseneinteilung  V  586 
diocletianisch-  constantinische    Ver- 
fassung V  361 
diocletianisch-constantinische  Heeres- 
ordnung IV  160.  VI  206  ff. 
Thermen,  Inschrift  V  57  ff. 
Dioecesen,  Einteilung  V  565  ff. 

Dioecesis  Afrieae  V  585;  Asiana  V 
577 f.;  Britanniarum  V  581 ;  Gallia- 
rum  V  581  f. ;  Hispaniarum  V  585 ; 
Italiciana  V  584;  Moesiarum  V 
578 ff;  Orientis  V  571  ff.;  Panno- 
niarum  V  580;  Pontica  V  574 ff.; 
Thraciae  V  578;  Viennensis  V582f. 
s.  Italien 
Dion  Chrysostomos,  48.  Rede  IV  383,  3 

Entfernung  aus  Rom  IV  419,  2 
Diospontus,  westlicher  Teil  von  Pontus 

V  575.  587 

Domänen,  Entstehung  V  594 

vorwiegend  in  den  Provinzen  V  596; 

bes.  in  Africa  V  599.  140, 1 
in  Italien  V  596.  1 
Verwaltung  VI  402 f. 
süditalische  Domäne  VI  629 
domestici  der  goth.  comites  VI  443  f. 
domicilium  VI  187 
Domitia  P.  f.  Lucilla,  Mutter  d.  Marcus 

IV  478  f. 
Domitianus,  praetor  urbanus  consulari 
potestate  IV  4.32,  3 
Kriege,  Chatten  V  449 
suebisch-sarmatischer  IV  447 
gegen  Antonius  Saturninus  IV  451 
Schreckensherrschaft    seiner    letzten 

Jahre  IV  418  ff'. 
Auflösung  grösserer   Commandos  IV 

164 
Assignationen  in  Italien  V  601 
Christenpolitik     [vergl.     auch     Ges. 
Sehr.  III  405]  VI  544 
Domitianus  (mensis)  VI  119 
L.  Domitius  Ahenobarbus  cos.  700  V  509 
Domitius  ApoUinaris,  Consulat  IV  372,  4 
Domitius  Celsus,  praefectus   praetorio 

VI  300 


Domitius  Corbulo,  Partherkrieg  IV 328 ff. 
Räumung  d.  rechten  Rheinufers  V  448 
T.  Domitius  Decidius,  Name  IV  405 
domo  in  Heimatangaben  VI  43.  52.  90 
Doppelgemeinde  IV  24.  31 
Doppelkönigtum  in    der  Legende    von 

Amulius  und  Numitor  IV  20  f. 
Drachme,  Verhältnis   der   ägyptischen 

zum  Denar  VI  124 f. 
Drusilla  s.  lulia  Drusilla 
Drusus,  Sohn  d.  Tiberius,   Geburtszeit 

IV  262 
Drusus,  zweiter  Sohn   des  Germanicus, 

Geburtszeit  IV  273 
Drususaltar  IV  241, 1 
Durostorum,  Stadtrecht  VI  200 
Duumvirn  und  Quinquennalen  unter  der 

gothischen  Herrschaft  VI  433 

Eburacum,  Stadtrecht  VI  201 

Ecetra,  apokryphe  Colonie  IV  54,  3 

edictum  principis ,   Formalien  und  An- 
wendung IV  297  f. 

Eleutherius,  Papst  VI  637  f. 

Ephesus,  Dedikationsinschrift  nach  dem 
ersten  Mithridatischen  Krieg  IV  73 
Ehrendekr.  f.  Antoninus  Pius  V  532 ff. 
Behörden  V  533  f. 

Ejiinikos,  Inschrift  IV  561  f. 
Laufbahn  IV  562  ff. 

Equestris,  colonia  lulia  (Nyon)  V  375. 
882.  428,  2 

Equitius,    magister    utriusque   militiae 
IV  550,3 

Erdkarten  V  303  ft\ 

erogator  opsoniorum  VI  431 

Etruria,  sacralrechtliches  Fortbestehen 
der  Conföderation  V  269.  553 
als  Provinz  V  193  f.  285 

Etrusker,  alpine  V  368  f. 

Eucharistus(?),  Papst  VI  637f. 

Eucherius,  Sohn  des  Stilicho  IV  529 

Eudoxia,  Gemahlin  des  Arcadius  IV  520 

Euganeae     gentes,    südalpine    Völker- 
schaften latinischen  Rechtes  IV  305 

Eugenius,  Kaiser  IV  519.  551,2.  555 

Eugenius  (Flavius),  Günstling  des  Con- 
stans  VI  292,  3 

Eusebius,  Zuverlässigkeit  IV  512, 1 


Sach-  und  Namenregister. 


667 


[Eusebius] 
Chronik ,   Datierun;^  n.  Kaiserjahren 
VI  358 
Eutharicus,  Consulat  VI  379.  381.  469,2 
Eutropius,    Minister    des    Arcadius    IV 

520,3.  524.  VI  295 
Eutropius,  Quelle  und  Muster  des  Paulus 

Diacouus  VI  487 
Exarchat,  Entstehung  VI  445  ff. 
Export,  Überwachung  VI  G13 
extra  clusa  V  i)0 

Africanus  Fabius  Maximus,  Proconsul 
von  Africa  IV  184.  187 

Paullus  Fabius  Maximus,  Proconsul  von 
Asien,  sein  Bild  auf  Münzen  IV  184. 
187 
Schreiben  über   die   Einführung   des 
asianischen  Kalenders  Y  519  ff. 

Q.  Fabius  Maximus  Allobrogicus,  wahr- 
scheinlich Erbauer  des  fornix  Fabia- 
nus  V  48  ff. 

Q.  Fabius  Q.  f.  Maxsumus,  Inschrift 
auf  dem  fornix  Fabianus  V  47  ff. 

Fabius  Rusticus,  im  Testament  des 
Dasumius  IV  386,  2 

Fabius  Valens,  Führer  der  unterger- 
manischen Truppen  i.  J.  69  IV  354 

Faesulae,  Colonie  V  207  f. 

Falerii,  Municipium  V  217.  237 

Falerio,  Colonie  V  215.  229,  3.  237 

Fanum,  Colonie  V  223 

Fausta,  Gemahlin  Constantins  VI  326 

Faustina,     Gemahlin   des   M.  Aurelius 
IV  474  f. 
Verleihung  des  Titels  mater  castro- 
rum  IV  503  ff. 

Faustus,  praefectus  praetorio  im  J.  438 
VI  430,  4.  608  f. 

Felix,  weströmischer  magister  militum 
IV  534  ff.  557 

Felix  II,   römischer  Bischof  VI  570  ff. 

Felix  III,  Papst  VI  334 

Felix  IV,  Papst  VI  605 

Fenicolensis  vicus  (in  Campanien)  VI  630 

Ferentinum,  Patronatsdekret  IV  455  f. 

Feroniae  lucus  V  223 

Fertor  Resius  IV  15 

Festverzeichnis  von  Cumae  IV  259  ff. 


Ficulea,  latinische  Gemeinde  V  77 

ficus  ruminalis  IV  '2,1.  16 

Fidenae,    entbehrt   des  Stadtrechts   V 

69  72  f. 
Fidenas,  als  Cognomen  V  72 
Firmum,  Colonie  V  212.  218 
fiscus,  nuntiatio  ad  f.  IV  301.  306 

barbaricus  oder  rö  /bri?txoV  VI  44C 
Flaminia,  Landschaft  \  274 
Flavia  Caesariensis,  britannische  Pro- 
vinz V  586 
Flavianus,  praef.  urb.  V  12 
Flavius,   kaiserlicher  Geschlechtsname 

VI  476  f. 
Flavius  Cassius  Herculanus,  Gatte  der 

lusta  Grata  Honoria  IV  542,  1 
L.  Flavius  Silva  Nonius  Bassus,  Name 

IV  409 
Flavius  Syntrophus,  Testament  IV  437 
Florentia,  Colonie  V  218 
Flotte,  nach  Diocletian  VI  218 
Flottensoldaten,  ursprünglich  zur  kaiser- 
lichen familia  V  407.  VI  47, 1 
militärische  Organisation  durch  Clau- 
dius V  408 
Reorganisation  vielleicht  durch   Ha- 

drian  V  408 
Heimat    V  408  f.    VI    63;     Heimat- 
angaben VI  49  f. 
Namensform  V  409  f.  VI  35 
civitas  bei  der  missio  V  410  f. 
latinisches  Recht  V  411  f. 
Sklaven  ausgeschlossen  VI  36 
Rekrutierung  aus  den  coloni  VI  36 
foedus  VI  226 

civitas  foederata  V^  422 
foederati  VI  225  ff. ;    zu  Cäsars   Zeit 
V  391  ff. 

=  bucellarii  VI  242  f. 
=  Privattruppen  VI  208,4 
Folterung  der  Freigelassenen  eines  Er- 
mordeten IV  387 
Fonteius  Capito,    Legat  von  Germania 

inferior  IV  339.  846 
formae,     in     technisch     gromatischem 

Sinne  V  151  f. 
Formiae,  Colonie  V  218.  227 
Forum  Vibii,  Gründung  V  323  f. 
Franken,  von  Attila  angegriffen  IV  542 


668 


Sach-  und  Namenregister. 


Fravitta,    Ehe    mit  einer  Römerin  VI 

168 
Treigelassene,  staatsrechtliche  Stellung 
in  Griechenland   und   Kom  IV  52  f. 
Beteiligung   an  der  Colonisation  IV 

53  f. 
Bürgerrecht  V  263  f. 
im  Heerdienst  VI  35 
Fronto ,  Familienverhältnisse  IV  479  f. 
Alter  IV  486    . 
Briefsammlung,  Anordnung  der  Bücher 

IV  469  ff. 

Reihenfolge  der  Briefe  IV  472  f. 
Empfehlungsschreiben  IV  473 
Briefwechsel  mit  Marc  Aurel  IV  481  ff. 
Briefe  an  Verus  IV  483  ff. 
Briefe  an  Beamte  Cirtas  V  485 
Frumentationeu,  wirtschaftlicher  Feh- 
ler V  603 
Fundi,  Municipium  V  220 
fundus,  Definition  V  124 

fundi  lati  V  136 
L.  FunisulanusVettonianus,  Septemvirat 
IV  379,  6 
cura  viarum  IV  882,  o 
M.  Furius  P.  f.  P.  n.  Camillus,  leiblicher 
Vater    des    Camillus    Scribonianus 
IV  466 
Furius  Victorinus,   Niederlage  IV  492 
Furtius,  Quadenköuig  IV  495 

Gabii,  Schwinden  der  Bürgerschaft  V 
73.  79,  2 
Municipium  V  216  ^ 

Gainas,  Ermordung  des  Rufinus  IV  521 

Unruhen  VI  293  ff. 
Gaius,    fünfter  Sohn   des   Germanicus, 
Liebling  des  Augustus,  Geburtszeit, 
IV  274 
Gaius  (Kaiser),  Geburtsort  IV  274  f. 
Wiedereinsetzung  von  Dynastien  IV 88 
comites  IV  315,  2 
Galater,  Verfassung  V  438  ff. 

Gaunamen  V  441,  3 
Galatia,  Provinz  V  575 
Galba,  Adoption  IV  399,  8.  406 

Anschluss  an  den  Aufstand  IV  836  ff. ; 
Erhebung  zum  Kaiser  IV  338. 344 ff.; 

V  61.  403.  429 


Galerius,  Inschrift  der  Diocletiansther- 
men  V  58 

Consulatspolitik  306—311  VI  324  ff. 
Anerkennung  Constantins  VI  340 
Kaiserjahre  VI  332 
Plan  einer  Besteuerung  Italiens  V  187 
Galillenses,  sardinische  Gemeinde  V  328 
Galla  Placidia,  Schwester  des  Honorius 

IV  529.  534.  536.  541, 3 
Gallaecia  s.  Callaecia 
Gallia  Cisalpina,  durch  Augustus  von 
Besatzung  befreit  IV  166;  wird  Bin- 
nenprovinz IV  167 
Gallia  Transpadana,  Bestehen  der  kelti- 
schen Gemeindeverfassung  V  426  f.; 
Durchführung  der  italischen  Stadt 
Verfassung  V  428.  IV  304  f. 
regio  Transpadana  V  274.  180  f. 
Galliae,  Organisation  IV  333  ff. 
römisch  -  keltische  Mischbildung   IV 

334 
Aufstände  IV  335  ff. 
Verleihung    von    Privilegien    durch 

Galba  IV  346 
Bürgerrecht  V  414.  428 
keltische  Gemeindeorganisation  V  428 
Provinziallandtag    bei    Lugdunum  V 

360 
ein  Steuerbezirk  V  359  f. 
Diöcesen  V  570 
ager  Galliens  V  273 
gallische  Waffen,   auf  Denar  zu  Ehren 

Cäsars  V  388  f. 
Garderobe,  kaiserliche  VI  650 
Gaudentius,  Vater  des  Aetius  IV  532 
Gaudentius,  Sohn  des  Aetius  IV  544 
Gefolgsleute    der    byzantinischen    Offi- 
ziere   VI    243,    des    Gothenkönigs 
454  ff. 
Geilamir,  Vandalenkönig  IV  565 
Geiseln,  ihre  Rechtsstellung  VI  467 
Geiserich,  Gliederung  seines  Heeres  VI 
261.  438,2 
Datierung  VI  355.  358 
Geldsteuer,  an  Stelle  der  Rekrutenstel- 
lung VI  254  f. 
Geldwirtschaft    der  Kaiserzeit,    grosse 
Vermögen  V  589;   ihre  periodische 
Zerschlaarung  V  593 


Sach-  und  Namenregister. 


669 


[Geldwirtschaft] 
gewerbsmässiges      Geld  verleihen     V 

611  f. 
Speculantengeschäfte  V  612 
Gemeinden ,   Abhängigkeitsverhältnisse 

IV  61 
(iemeindeverfassung,  städtisches  Domi- 

cil  V  4-24 
Gemellus,  vicarius  praefectorum  für  Gal- 
lien VI  395, 5 
Genetiva  (colonia  Julia,  Urso),    [vergl. 
Ges.  Sehr.  1 194  ff.]  Bürgerwehr  VI  154 
Genf,  zur  narbonensischen  Provinz  ge- 
hörend V  357.  374 
gens,  ausländische  Völkerschaft  VI  166. 

226 
gentiles,  Angehörige  einer  solchen  VI 

166  ff.  226.  259  f.  467 
Gentilitätsrecht,    Zurücktreten    in    der 

Kaiserzeit  IV  400  ff". 
Genuatischer  Schiedsspruch  IV  61. 304,4 
Gernlänenstaaten  im  römischen  Reich, 

Eigenart  VI  482  ff. 
Germani  cives  Tuihanti  cunei  Frisiorum 

VI  115  f.  171       • 
Germaniae,  Titel  des  Legaten  V  358, 1 
Gemeindeorganisation  V  429 
Verlegung  der  Legion  von  Köln  nach 

Bonn  VI  179 
Einverleibung  des  rechten  Rheinufers 

V  449 
obergermanisch-raetische    Grenze    V 
433  ff. 
Germanicus,  Familie  IV  271  ff. 
Geburtsdatum  IV  271 
Zeit  der  Vermählung  IV  272 
Dauer   des   rheinischen    Commandos 

IV  275,  2 
Verhalten  bei  Soldatenunruhen  i.  J. 

14  IV  281  f. 
Feldzug  i.  J.  16  IV  211,2.  239.  241,1 
Germanicus  als  Cognomen  und  Pränomen 

IV  287  ff", 
germanischer    Krieg    unter    Alexander 

VI  171  f. 
Geschworenendekurien,  Aufnahme  von 

Frovincialeu  IV  308 
Gewerbe,    kapitalistischer   Sklavenbe- 
trieb V  613 


[Gewerbe] 

unfreie  Berufe  V  613  f. 
Gildo,  Statthalter  von  Africa  IV  524. 

551,  4.  553, 1.  5r)8 
Gladiatoren,     militärisch    verwendet 

V  489 

Q.  Glitius  Atilius  Agricola,  zweites  Kon- 
sulat IV  460  f. 
Goldausfuhr,  Gegenmassregeln  V  881, 1 
Gosen  (terra  Gesse),  Lage  VI  614 
Gothen  =  foederati  VI  227.  230 
Grabschrift,  Entwicklung  ihrer  Formen 

IV  248  ff. 
Grabstein,  sakrale  Auffassung  IV  249, 1 
Gratilla,  von  Domitian  verbannt  IV  418, 4 
Graviscae,  Colonie  V  221 
Gregor  von  Tours,  Stil  VI  486, 1 
Gregor  II,  Papst  VI  619  f. 
Gregor  III,  Papst  VI  619  f. 
Grenzbefestigung    in    der    Dobrudscha 

V  447.  449 

Grenzprovinzen ,  Landwehrorganisation 

VI  150  f. 
Grenzschutz  V  445,  460.  VI  150.  225 
Grenzsperruug  V  446 
Grenzsteine,  Bezeichnung  V  98  ff. 
Gromatik,  als  staatlicher  Beruf  V  168  f. 
Grumentum,  Colonie  V  208 
Grundbesitz,  Entwicklungstendenz  vom 
Klein-  zum  Grossbesitz  V  592  f. 
Verhältnis  von  Gross-  und  Kleinbe- 
sitz V  602  f. 
Besitzwechsel  nicht  beschränkt  V593. 

600 
obligatorischer    der    Senatoren    und 

Banquiers  V  595 
Grossgrundbesitz,  Wirtscbaftsbetrieb 

V  138  ff. 

Kleinpächter  anstatt  der  Kleinbauern 

V  144  f. 

kulturell  nivellierende  Wirkung  V59& 
Rekrutenstellung  VI  253  ff. 
Grundstücksbenennung  V  123  ff. 
Grundstückscomplexe,     Benennung    V 

126  f. 
Gründungssage  Roms  um  die  Zeit  der 
Samnitenkriege  in  Grundzügen  fertig 
IV  2 
griechische  Versionen  IV  5,1 


670 


Sach-  und  Namenregister. 


Hadria,  Colonie  V  235 
Hadrian,   Anfang  seiner  Laufbahn  IV 
413, 1;  erstes  Consulat  IV  381,  5.  386 
führt   als  Kaiser  die  örtliche  Aushe- 
bung ein  VI  39 
setzt  iuridici  ein  V  181 
verleiht  Stadtrechte  an  Lagerstädte 

VI  200 
über  Municipium  und  Colonie  V  115 
Denkschrift  im  Pantheion  zu  Athen 
IV  254 
Hadrianswall  V  446  f.  449.  460 
Hadrumetum,  Münzrecht  IV  190 
Haedui ,    Abhängigkeitsverhältnis     der 
Boier  IV  61,2 
Bürgerrecht  V  429 
Haltern,  Müuzfunde  IV  244,  1 
Hannibal ,   Feldzug  in  Africa   IV  41  ff. 
Hasta  regia ,    Abhängigkeitsverhältnis 

der  Lascutaner  V  60  ff. 
hastiferi  civitatis  Mattiacorum  VI  155  ff. 
Hebewesen  V  610  f. 

fleer,  vergl,   ala,  Aushebung,   auxilia, 
cohortes,  Flottensoldaten,  foederati, 
Legionen,  numeri,  Officiere,  Provin- 
zialmilizen,  Veteranen 
antesignani  VI  139 
ausländische  Heerkörper  VI  20,  2 
Auszeichnungen,  von  Kameraden  ver- 
liehen VI  145, 1.  152 
barbarische  Truppen körper  im  spät- 
römischen Heere  VI  276  ff. 
Berufssoldaten,     von    Augustus     ge- 
schaffen IV  159  f. 
hrevia  VI  118  ff. 
bucellarii  VI  241  ff. 
candidati,  spätrömische  Heeresabtei- 
lung VI  231, 1 
castellani  oder  castriciani   VI  210  f. 
centurio,  im  spätrömischen  Heer  VI  276 
civium  Romanorum  cohortes  und  alae, 

Bürgerrecht  V  406, 1 
comitatenses  VI  236  ff. 
cornicularius   in   einem  numerus  VI 

164  f. 
cunei  VI  115  ff.  217  f. 
decurio,  im  spätrömischen  Heer  VI  276 
Dienstpflicht,  allgemeine  VI  251.  253 
-der  Soldatensöhne  VI  255 


[Heer] 

Dienstzeit,  Abrundung  IV  105  ff. 

Einreihung    ägyptischer  und   galati- 

scher  Truppen  VI  67 
equites,  Heeresabteilung  VI  217  f. 

equites  singulares  V  402  ff.  411  f. 

evocati  IV  167, 1 
excubitores  VI  233 

exploratio  VI  174 

exploratores  VI  109.  169  f.  174  f. 

extraordinarii,  bundesgenössische  Ab- 
teilung VI  If. 

Feldheer,  von  Cä.sar  geplant  IV 
167  f.  von  Constantin  geschaffen  VI 
236  f. 

Feldzeichen  VI  135  ff. 

Freigelassene,    im  Heerdienst  VI  35 

Freiwillige  VI  74 

frumentarii  VI  547  f. 

Gaesaten  V  352,  1 
Provinzialmilizeu  VI  107.  147.  151  f. 

Grenzbesatzungen  VI  209  ff.  219  f. 

Heimatangaben  der  Soldaten  VI  41  ff. 

xaxäloyog  =  numerus  VI  208 

Kriegsdienst,  Rechtsgründe  seit  Dio- 
cletian  VI  247  ff. 

Zulassung  von  Sklaven  VI  250  f 

Lagerkinder  IV  208,  3.  VI  29  f. 

lanciarii  VI  234,4 

Leibwächter  (corporis  custodes),  ger- 
manische VI  17  ff.  47  f.  V  403 

milites  limitanei  VI  209  ff. 

Mauipelstellung  VI  138 

Militärgerichtsbarkeit  nach  Diocletian 
VI  265 

Militärgerichte,  Instanzen  VI  470  f. 

Militärjahr,  Beginn  IV  103 

Nichtbürger,  privilegierte  Stellung 
VI  249 

officiales  VI  170  f. 

optio  VI  548 

palatini  VI  234  ff. 

peculium  castrense  VI  127 

peregrinorum  castra  VI  546.  552  f. 
optio  VI  546 
princeps  VI  546  ff. 

principales  VI  405 

privilegia  militaria,  Originalurkunden 
V  38 


Sach-  uud  Namenregister. 


671 


[Heer] 
Reiterei  seit  Diocletian  VI  211  f.  217f. 

239 

Übergewicht  in  der  justiuiauischen 
Zeit  VI  244 
Rekrutenjahr  IV  109 
Rekrutenstellung   der  Grossgrundbe- 
sitzer VI  253  ff. 

auf  Grund    eines   Untertänigkeits- 
vertrages VI  256 
milites  ripenses  oder  riparienses  VI 

209  ff. 
scholae  VI  208.  230  ff. 
Semesterstipendium  IV  105  ff. 
Soldaten,  Rechtstellung  VI  470 
Soldatensöhne,  Soldzahlung,   Dienst- 
pflicht VI  255 
Soldberechnung      und     Soldzahlung 

an  ägyptische  Legionare  unter  Do- 

mitian  VI  122  ff. 
Söldner,  ausländische,  Rechtstelluug 

VI  4G8f. 
ojtejQa,  Bedeutung  bei  Polybius  VI  141 
Stärke  bei  Cä.sars  Tode  IV  161  ff. 

unter  Augustus  IV  165 

nach  Diocletian  VI  263 

jährlicher    Rekrutenbedarf  in    der 
Kaiserzeit  VI  22 
stehendes  Heer,  Entwicklung  IV 157  ff. 
stehende  Lager,  erst  mit  dem  stehen- 
den Heer  VI  177 

nicht  in  oder  bei  Colonien  VI  178  f. 
oTQarojieddoxrj?  =  princeps  peregrino- 

rum  VI  1)46  ff. 

=  praefectus  casti"orum  VI  549  f. 
symmacharii  VI  107  f.  149 
System,  Cäsars  IV  157  ff. 

Einfluss   des   republikanischen   IV 
158  f. 

Gegensatz    des    augustischen    und 

diokletianischen  IV  160.  VI  206  f. 

Truppeukörper,  Stärke  seit  Diocletian 

VI  260  ff. 
Truppenverteilung,   bei  Cäsars  Tode 

IV  161  ff. 

unter  Augustus  IV  164  f. 
veredarii  VI  171 
vexillatio  VI  104.  135 
Werbung  VI  252  f. 


Hegesiauax  von  Troas,  behandelt  Roms 

LIrsprungssage  IV  5, 1 
Helenopontus,  Teil  von  Pontus  V  575. 

587 
Helvetier,  pagi  V  441 
Schwächung  durch  Cäsar  V  375 
foedus  V  378,  1.  391  ff', 
colonia  foederata  V  422 
Rechtstellung  V  378, 1.  420  ff".  VI  89 
conventus  V^I  196  f. 
Gemeindeverfassung  V  424 
curatores  V  424 
Truppenstelluug  V  380 
helvetische  Wüste,  Landstrich  auf  dem 

rechten  Rheinufer  V  375 
L.  Helvius  Agrippa,  Proconsul  von  Sar- 
dinien V  326  f.  330.  335 
Heraclius,  Oberkämmerer  IV  544 
Herennius  Senecio,  unter  Domitian  hin- 
gerichtet IV  418  f. 
Hermunduren  IV  491.  V  452 
Heroonpolis,  Lage  VI  615.  617 
Hersilia,  Gattin  des  Romulus  IV  24 
Heruler,  im  Heere  lustinians  IV  566 
Hippo  Regius,  ursprünglich  Sitz  eines 

Landeskönigs  IV^  60 
Hispellum,  Colonie  V  223 
Hissarlik  (Niedermösien),  Castell,  viel- 
leicht Cius  VI  303 
Histria,  nicht  zur  Transpadana  gerech- 
net V  274 
Hof,   Organisation  des   byzantinischen 

VI  649  ff 
honorati  (in  den  Municipien  der  Spät- 
zeit) VI  433 
Honorias,  Provinz  V  575.  588 
Honorius,  Verhältnis     zu    Stilicho   IV 
516  f. 
Vermählungen  IV  524.  529 
Sklavenbewaffnung  VI  168  f. 
angeblicher   Brief  an   Theodosius  11 
('thessalonikische  Kaisererlasse')  VI 
585 
Hostius  Hostilius  IV  23 
Hunerich,  Sohn  des  Geiserich  IV  531,  5 
Hunnen    (Chunen),   Ausdehnung    unter 

Attila  IV  539 
Hyrkanos    II,     Hohepriester    IV     146. 
149  f. 


672 


Sacli-  und  Namenregister. 


lUus  der  Isaurier  IV  563 

Illyricum,  Loslösung  von  Gallia  Cisal- 
pina  IV  173 

oppida   civium    Romanorum  VI  197 
orientalisches     und    occidentalisches 

V  568  f. 

das    östliche    Streitobjekt    zwischen 

Ost-  und  Westrom  IV  517  ff. 
Ausdehnung   des   illyrischen   Steuer- 
bezirks V  360 
imperium,  theoretisch  ohne  Competenz- 
abgreuzung  IV  92  f. 
seine   spätere   Spaltung   in    Spezial- 

competenzen  IV  96  f. 
für    italisch  -  bürgerliche    Tätigkeit 
entbehrlich  IV 99 f.;  Prorogation  IV 
117;    Trennung    des    bürgerlichen 
vom  militärischen  IV  122 
Scheinimperium  IV  124 
incola,  in  technischem  Sinne  VI  187 
indischer  Handelsverkehr  VI  612.   614 
Interamna,  municipium  V  218.  260  f. 
Interamnia  Praetuttiorum,  Stadtrecht  V 

208 
Isca,  canabae  VI  186 
Isidor  von  Sevilla,  Verhältnis  zur  Lango- 
bardengeschichte des  Paulus  Diaco- 
nus  VI  513  ff. 
Italica,  Streben  nach  dem  Colonialtitel 

V  115 
Italien,  Auflösung  der  landschaftlichen 
Verbände  V  269  f. 

geographische  Verwendung  der  Stam- 
mesnamen V  270  f. 
Landschaften  nach  Strabo  und  Ptole- 

mäus  V  271  f. 
Einteilung  in  Regionen  durch  Augus- 
tus  V  275  f.;   deren  Zweck  V  179. 
276  ff. 
Regionen  nach  Plinius  V  278  f. 
regiones  annonariae  und  suburbicariae 

V  186  ff. 

Grenzen  Italiens  V  278, 4 

Entwicklung  fester  Verwaltungsbe- 
zirke V  279  ff.  179  ff. 

Diöceseneinteilung  V  189  f. 

urbica  dioecesis  V  183.  186.  281  ff. 

Provinzeneinteilung  V  166  f.  190  ff. 
285.  VI  518  ff. 


[Italien] 
byzantinische  Provinz  VI  395 
Marcomaneninvasion  IV  494 
militärische    Erschöpfung  unter   Au- 

gustus  VI  80 
Truppenstellung  VI  56  f. 
Ausschliessung    von    der   legionaren 
Aushebung  IV  159.  310.  VI  36  f. 
s.  Ostgothenreich 

Jahr,  siehe  Amtsjahr,  Militärjahr 
makedonisches  V  527  f. 
Herrscherjahr,  Abrundung  VI  343 ff. 
tribunicische  Zählung  VI  345  f. 
Kaiserjahr  VI  346  ff.  331  f. 
Königsjahr,  römisch -germanisches  VI 
355  ff. 
M.  Jallius  Bassus,  Statthalter  von  Pan- 

nonien  IV  492,  1 
Javolenus  Priscus  IV  367,  3 
Jazygen,    Krieg    gegen    Domitian   IV 
447  ff. 
gegen  Marcus  IV  491  ff. 
Contingent  VI  113.  168 
Johannes,  weströmischer  Kaiser  IV  533 f. 
Johannes  IL,  Papst  VI  605  f. 
Johannes  Chrysostomus  VI  294 
Johannes- Evangelium  VI  566  ff. 
Josephus,  Datierungen  VI  349 
Jovianus,  Kaiser  IV  555,  1 
Jovianus,  patricius  IV  537,  6 
Jovinus,  comes  IV  532,  5 
Jovius,   praefectus  praetorio   von  Illy- 
ricum IV  526,  4 
Juba,  König  von  Numidien  V  472 
Juden,  Bündnisse  mit  Rom  IV  146  ff. 
Gesandtschaften  nach  Rom  IV  147  f. 
Rechtstellung   nach  70    [vergl.  auch 
III  418  ff]  VI  168 
Julia  Drusilla,  zweite  Tochter  des  Ger- 
manicus,    Geburtszeit  und    -ort  IV 
277  ff. 
Julia  Livilla,   dritte  Tochter  des  Ger- 

manicus,  Geburtszeit  IV  280 
Julia  Mamaea,  Schreibung  des  Namens 

und  Titulatur  VI  173 
Julianus,  Oberbefehl  in  Gallien  IV  549,3 
Verwendung  germanischer  dediticii  VI 
168 


Sach-  und  Namenregister. 


673 


[Julianus] 
Gleichstellung     des     byzantinischen 

und  römischen  Senats  VI  428 
Bücherschenkung  an  die  Bibliothek  in 
Konstantinopel  VI  650 
Julius,  magister  equitum  et  peditum  IV 

550,3 
C.  Julius  Masinissae  filius  IV  37,  4 
Julius  Amantius,  cos.  345  VI  333  f. 
C.  Julius  C.  f.  Antiochus  Philopappus 
cos.  aus   dem  kgl.  Hause  von  Kom- 
magene IV  89 
C.Julius  Bassus,  Process  IV  376.  379 f. 

C.  Julius  Caesar,  s.  Caesar 

Ti,  Julius  Candidus,  Name  IV  409 
Ti,  Julius  Ferox,   curator  alvei  Tiberis 
IV  383, 1.  429 
Consulat  IV  426, 1 
Sex.  Julius   Frontinus,   Abfassungszeit 
einzelner  Schriften  IV  379,  8 
Consulate  IV  375, 2.  454 
Tod  IV  379 
Julius  Julianus,  praefectus  praetorioVI 

300  f. 
P.  Julius  Lupus,  Consulat  IV  373,  5 
L.  Julius  Marinus,  Name  IV  410 

Consulat  IV  455 
Julius  Planta,  amicus  et  comes  Claudii 

IV  294.  301 
M.  Julius  Romulus,  legatus  pro  praetore 
des  Proconsuls  von  Sardinien  V  327. 
334,2 
L,  Julius  Ursus  Servianus,  Statthalter- 
schaften IV  449  f.  461 
L.   Julius  Vestinus,     Grammatiker  VI 

651 
Gaius  Julius  Vindex,  Persönlichkeit  IV 
335 
Programm  IV  336.  350;  Aufstand  IV 

336  ff. 
Ehrung  durch  Galba  IV  346 
Junia  Silani  filia  V  350 
Junius  Avitus,  Tod  IV  386 

D.  Junius  Brutus,  Statthalter  von  Gallia 

Cisalpina  IV  162 
M.  Junius  Brutus,  Provinzenfrage  i.  J.  44 

IV  170  ff. 
Münzen  IV  186 
Junius  Mauricus,  Exil  IV  372 

MOMMSEN,   SCHR.  VI. 


Junius  Silanus,  Adoptivvater  des  Q.  Me- 

tellus,  Consul  7  n.  Chr.  (?)  V  351 
L.  (Junius)  Silanus  IV  872 
Jupiter  Poeninus,   Inschriften  auf  dem 

Grossen  St.  Bernhard  V  382 
Juridici,   Sprengel  und  Functionen  V 

181  ff.  280  ff. 
Jurisdiction,  Collision  municipaler  mit 

militärischer  vermieden  VI  179 
Justa  Grata  Honoria,  Schwester  Valen- 

tinians  III.    IV  541  f. 
Justinian,  Reichsdatierung  VI  346 
Schwächung  des  Consulats  VI  347 
Heeresstärke  VI  264  f. 
Zurücksetzung  der  Grenztruppen  VI 

210 
Tribut  an  die  Perser  VI  229  f. 
Anerkennung  der  Gothenkönige  VI  481 
Juthungen,  von  Aetius  bekriegt  IV  535 
Juventius  Celsus,  Prätur  IV  384 
M.  Juventius  Rixa,  Procurator  von  Sar- 
dinien V  326.  329.  335. 

Kaiser  und  Kaisertum 
Erbfolge  VI  480  f. 
Minderjährigkeit  IV  516,  2 
Samtregiment  VI  286.  308  ff. 
gemeinsame  Nennung  in  der  officiellen 

Titulatur  VI  310  ff 
Titel  der  abgedankten  Augusti  V  58 f. 
Gesetzgebung  in  Form  von  Erlassen 

an  den  Senat  VI  606 
oberste  Militärinstanz  VI  266 
Entscheidung  bei  Streitigkeiten  zwi- 
schen Gemeinden  V  336 
Schutz  des  Privateigentums  V  601 
Recht  der  natalium  restitutio  VI  35 
s.  Principat 
Kaiserkult  IV  267  ff. 
kaiserliche  Kasse  VI  650 
Kalender  von  Amiternum  IV  261 
Kalenderreform,  in  Asien  V  519  ff. 
in  Ägypten  V  528 
in  Syrien  V  528 

Schaltungsfehler  unter  Augustos  V527 
Kallias,     syracusanischer     Geschichts- 
schreiber IV  3  ff', 
kardines  V  96 

Kelten,  Charakteristik  V  369  ff- 
43 


674 


Sach-  und  Namenregister. 


[Kelten] 
besetzen  nur  Ebenen  V  368 
Stammkönigtum  V  442 
Kephalos  von  Gergis    behandelt   Roms 

Ursprungssage  IV  5,  1 
Kibyra,  Distrikt  IV  68 
Kinderrecht  IV  414  f. 
kleinasiatische  Provinzen ,  beschränkte 
auxiliare  Aushebung  VI  23 
Gendarmerie  der  Städte  VI  154 
Kleinpacht  V  141 ;  durch  einen  colonus 

oder  einen  vilicus  V  141  f, 
Klysma  =  Suez  VI  612  f.  617,5 
Köln,  Name  IV  277,  5 
legionare  Aushebung  VI  85 
Rechtstellung    VI   85.    92  f.;     erhält 
Stadtrecht  und  verliert  Besatzung 
VI  179 
xoivd  V  553 

xoivov  ziöv  TaQfiiavcöv  V  516  f. 
Komet  nach  Cäsars  Tod  IV  180  ff. 
Kommagene,  Dynastie  IV  81  ff. 
Stammtafel  IV  91 

Verwandtschaft   mit   Seleukiden   IV 

83  ff. 

Kosmographie,  ravennatische,  Vergleich 

mit  der*  tabula  Peutingeriana  V  286  ff. 

die   zu  Grunde  liegende  Erdkarte  V 

300  ff 
andere  Quellen  und  Nachrichten    V" 

807  ff. 
Entstehung  V  312  ff. 
Kreta,    als    besondere   Provinz   Brutus 

übertragen  IV  172 
Kriegsgefangene,  Einreihung  in  das  Heer 

VI  252 
Krinagoras   von  Mytilene,   Epigramme 

auf  die  Varusschlacht  IV  245  f. 
Kypros,  Verwaltung  IV  431,3 
Kyrene,  als  besondere  Provinz   Cassius 
übertragen  IV  172 

JL,  spitzwinkliges  IV  56 

M'.Laberius  Maximus,  sein  zweites  Kon- 
sulat IV  459  ff. 

Labici,  latinische  Gemeinde  IV  54, 3.  V 
69.  73.  245, 1 

laeti  VI  171.  258  f. 

Lagerstädte,  Entstehung  VI  180  ff. 


[Lagerstädte] 

canabae  und  Corporationen  VI  181  ff. 
communale  Bezeichnung  VI  189  f. 
Bedingungen   für   die    Zugehörigkeit 

VI  190  f. 
Stamm  vonVeteranen  gebildet  VI  191ff. 
ältere    militärische    Organisation    VI 

193  ff. 
jüngere  bürgerliche  VI  198  f. 
Verleihung  des  Stadtrechts  VI  199  ff. 
Lambaesis,  Stadtrecht  VI  201 
Landanweisuugen  in  Italien  V  601 
in  den  Provinzen  V  601  f. 
an  Municipien  V  153  f. 
Langobarden,  frühere  Sitze  IV  492, 1 
Langobardengeschichte ,     s.     Paulus 
Diaconus 
Lanuvium,  Municipalrecht  V  73 
Laodicea,  Ehreninschrift  IV  72 
Laokoongruppe  V  511  ff. 
Larisa,  Abhängigkeitsverhältnis  zu  Ma- 
kedonien IV  49 
Bürgerrechtserteiluug     an     Metökeu 

IV  50 
Parteiverhältnisse  IV  50 
L.  Lartius  L.  f ,  Senator  V  509 
Lascutaner,  Abhängigkeitsverhältnis  zu 

Hasta  regia  IV  60  ff. 
laterculum  malus  und  minus  VI  392 
Latium ,  plinianisches  Verzeichnis  der 
untergegangenen  Ortschaften  V  69  ff". 
Liste  der  Gemeinden  combiniert  mit 
dem   dionysischen  Verzeichnis    der 
stimmberechtigten    Gemeinden    V 
75  ff- 
Liste  der  Städte  combiniert  mit  dem 
Verzeichnis  der  albanischen  Colo- 
nien  V  81  ff. 
antiquum  und  adiectum  V  74.  80 
verschwindet  als  Landschaftsname  V 

283 
latinischer  Bund,  Normalzahl  V  80  f, 
latinische  Colonien,  Colonietitel  V115 
latinisches    Fest,    teilnehmende    Ge- 
meinden V  75  ff", 
prisci  Latini  V  82 
ius  Latii  in  der  Kaiserzeit  [vergl.  auch 
1295  ff.  III  33  ff.]  VI  93  f. 
Latinus  Silvius  V  82 


Sach-  und  Namenregister. 


675 


Lauriacum,  Stadtrecht  VI  201,  1 

Lazen,  Clieutelstaat  VI  225  f. 

legati    pro   praetore  der  seuatorischen 

:Statthalter  V  338 
legatus  pro    praetore  consulari   potes- 

tate  (Plinius)  IV  432 
Legionen 

Zusammensetzung  VI  20  ff. 
in  der  letzten  Zeit  der  Republik  VI 

30  tf. 
in  der  ersten  Kaiserzeit  VI  21  ff. 
unter  Augustus  VI  33  f. 
seit  Vespasian  VI  36  ff. 
seit  Hadriau  VI  39  f. 
der  orientalischen  VI  23  ff".  40 
Ausschliessung  der  Italiker  IV  310. 

VI  36  f. ;  Gründe  dafür  IV  159 
legiones  vernaculae  VI  31  f. 
legio  barbarica  VI  79 
Rekrutierung  aus  den  Städten  VI 
41  ff.  79  f. 
Alaudarum  VI  32,  3 
■Cyrenaica  VI  61,  2 
Deiotariana  VI  32,  3 
JVIartia  VI  32,  3 

I  adiutrix  IV  451  f.  VI  37.  209,  1 ; 
II  adiutrix  IV  448;  VII  gemina  IV 
451;  XI  (Claudia)  VI  37;  XII  ful- 
minata  IV  511  f.;  XIII  gemina  IV 
448;  XIV  (gemina)  IV  343,  5;  XXI 
rapax  VI  33,  1 
Geldzeichen  VI  135  ff", 
zu  Neuformationen  Genehmigung  des 

Senats  erforderlich  VI  73 
Vermehrung  durch  Diocletian  VI  219  ff. 
palatinae  und  comitatenses  VI  220. 238 
pseudocomitatenses  VI  219  f. 
Auflösung  in  Detachemeuts  VI  222  f. 

238.  260  f. 
Verzeichnis    der   notitia    dignitatum 
VI  212  tf. 
Legionäre,   ohne  Geschlechtsnamen  VI 
33,1 
Heimatangaben  VI  34.  41  ff. 
freie  Geburt  VI  35  f. 
Bürgerrechtsverleihung  an  Rekruten 
VI  78  f. 
Xegionscohorte,    als    aus.serordentliche 
Formation  vor  Marius  VI  140  f. 


[Legionscohorte] 
der    Auxiliarcoborte    der     Republik 

gleichartig  VI  143  f. 
kein  Feldzeichen  VI  135 
Legionsreiterei  VI  144,2.  239  s.  Reiterei 
Leibarzt  der  Gothenkönige  VI  454 
Lemuria,  talschlich  von   Remus  abge- 
leitet IV  7 
Cn.  Leutulus  Augur,  Reichtum  V  589 
Leugenrechnung  V  359.  433 
ÄEvxiog  vnaioi  IV  147 
lex  Gabiuia  bereitet  das  proconsularische 
Imperium  des  Principats  vor  IV  100 
Mamilia    Roscia    Peducaea    Alliena 
Fabia  wahrscheinlich  identisch  mit 
der   lex  lulia  agraria  und  der  lex 
Mamilia  V  200  ff. 
Pompeia   665/87  über  Rechtsverhält- 
nisse des  tran.spadanischeu  Galliens 

IV  304 

Pompeia   über  einjährige  Dauer  der 

Statthalterschaft  IV  115 
Pompeia  über  fünfjähriges  Intervall 
zwischen    Magistratur     und    Pro- 
magistratur  IV  132  f.  138.  169 
Pompeia  Licinia   über  Verlängerung 
der  Statthalterschaft  IV  127.   138; 
Clausel  IV  139 
Roscia,  Bürgerrecht  der  Transpadaner 

VI  32 
Vatinia,  Endtermin  von  Caesars  Gal- 
lischer Statthalterschaft  IV  127 
Liberius,  praefectus  praetorio  von  Gal- 
lien VI  447  f. 
Liberius ,    römischer  Bischof  VI  570  ff. 
librarii  VI  651 

libri  coloniarum,  die  verschiedenen  Re- 
daktionen V  155  tf. 
Verhältniss  zur  expositio  des  Baibus 

V  172  f. 

Interpolationen  und  Fälschungen  V 

173  ff. 
bedingter  Wert  V  203 
Verzeichnis  der  Colonien  Sullas,  der 
Triumvirn  und  des  Augustus  V  215  ff. 
Licinius,   Jahr  der  Creierung  zum  Au- 
gustus VI  329.  340 
Jahr  des  letzten  Krieges  mit  Constan- 
tin  VI  331 

43* 


676 


Sach-  und  Namenrecrister. 


[Licinius] 
Nennung  inVerordnungensammlungen 
VI  310  ff, 
M.  Licinius    Crassus,   Reichtum  V  589 
L.  Licinius  Lucullus,  cos.  680  V  509 

Mithridatischer  Krieg  IV  324  ff. 
L.  Licinius    Murena,    Statthalter    von 

Asien  IV  68, 1 
L.  Licinius  Murena,  Legat  des  Lucullus 

IV  330  f. 
Licinius  Nepos,  Prätor  IV  378,  7 
C.  Licinius  C.  f.  Sacerdos,  Senator  V  509 
Ligures    Baebiani,    Alimentartafel    V 

129  ff.  218 
linies,  gromatische  Bedeutung  V  96.  444. 
456  ff. 

Anwendung  auf  den  Reichsgrenzstrei- 
fen V  446.  456  ff. 
germanisch -raetischer   V  447  ff.   462 
procurator    tractus    translimitani    s. 
Sumelocenna 
limites  Gracchani,  Juliani,  Augustei  V 

178,1 
Limitation  V  96  ff.  115  f.  456.  458 
Liternum,  Colonie  V  221 
Litorius,  Unterfeldherr  des  Aetius  IV 

535,  8.  538 
Livia,  ihr  Name  nach  Augustus  Tod  IV 

401 
Livius,  Benutzung  des  Polybius  1V42. 48, 2 
Abhängigkeit  von  Statthalterberich- 
ten an  den  Senat  IV  57 
lixae  VI  180  f. 
XoyoMxTjs  =  agens  in  rebus  VI  612  f. 

TOV   ÖQÖflOV  VI  613 

Lohnarbeiter,  freigeborene  V  607 
Losentscheidung  unter  Collegen  IV 12, 1 
Luca,  Conferenz  IV  127;  Colonie  V  212 
Luceres,  abgeleitet  von  Lucumo  IV  35, 2 
Luceria,  Stadtrecht  V  235 
Luciferianer  VI  577,  4 
Lucillianus,  magister  equitum  et  pedi- 

tum  IV  555, 1 
Lucius,  sagenhafter  christlicher  König 

von  Britannien  VI  636  ff. 
Lugdunensis,      Provinz,     Teilung     im 

4.  Jahrhundert  V  582 
Lugudunum,  Gründung  V  356, 1 
volles  Bürgerrecht  V  428 


[Lugudunum] 

bevorzugte  Stellung  IV  334.  336 

Züchtigung  durch  Galba  IV  347, 1 

canabae  VI  181,  2 

Collegien  VI  158  ff. 

cohors  urbana  VI  12  ff.  178 
Luna,  Colonie  V  218 
Luxusanlagen  auf  dem  Lande  V  609 
Lycaonia,  Provinz  V  577  f. 
Lycia  und  Pamphylia,  von  Hadrian  dem 
Senat  abgetreten  IV  431,  2 

christenfeindliche  Petition  VI  555  ffl 

Lykiarchie  V  537  ff. 

Lykier,     Stammverwandtschaft    mit 
Römern  IV  73 

Dedikatiousinschriften  inRomIV72ff.; 
Zeit  IV  75 
Lygii,  germanische  Völkerschaft  IV  447 
Lykophron     behandelt     römische     Ur- 
sprungssage dichterisch  IV  5, 1 
Lykoreus,  Asylgottheit  IV  33 

Macrinius  Vindex,  Praefectus  praetorio 

IV  494 
Macrinus  (Kaiser),  beschränkt  die  Com- 

petenzen  der  Juridici  V  183 
T.  Maenius  T.  f.,  Senator  V  510 
magister,  zur  Bezeichnung  von  Priestern 

VI  198  f. 
magister  census  VI  432 

officiorum,  Commando  über  die  scholae 
IV  547.  VI  208.  233.  399 
Haupt  der  Hofhaltung  VI  650 
Rang  VI  388  f.  453 
Mitglied  des  Consistorium  VI  389 
Vorsteher  der  unmittelbar  kaiser- 
lichen Subalternbeamten  VI  406 
scrinii  VI  389.  405 
studiorum  VI  652 
magistri  militum  IV  545  ff.   VI  266  ff. 
Rangklasse  IV  545.  VI  267 
Bezeichnungen  IV  546 
Einsetzung  IV  547.  VI  266 
magister  peditum  IV  548  f. 
equitum  IV  549 
per  Gallias  IV  549  ff.  520 
equitum  et  peditum  oder  utriusque- 
militiae  IV  529.  550.  VI  267 
provinciale  Competenzen  IV  552 


Sach-  und  Namenregister. 


677 


[magistri  militum] 

Entwicklung  zum  Reichsgeneralissi- 

mat  IV  553  f. 
Anteil    an    Officiersernennungen   VI 

392  f. 
Theoderich  magister  militum  VI  444  f. 
Magistrate,  jährliche  Zahl  in  der  Kaiser- 
zeit IV  418 

kaiserliche  suffragatio  IV  427  f. 
Majestätsplural  VI  B2ü  ff. 
maiores  domus  regiae  VI  455.  483 
L.  Mamilius  Limetanus,  lex  MamiliaV202 
Marcellus,  magister  equitum  IV  549,  3. 

550,2 
Marcianus,  oströmischer  Kaiser  IV  542 
Q.  Marcius   Crispus,  Heerführer    unter 

Cäsar  IV  163 
L.  Marcius  Philippus,  Consular  IV  178  f 
L.  Marcius  Philippus,  Münze  V  40 
Q.  Marcius  Rex,  Statue  V  40  f. 
Cn.  Marcius  Rufinus,  Grossgrundbesitzer 

bei  Benevent  V  131 
Marcomanen  IV  447 

Krieg  s.  M.  Aurelius 
Marcus  Aurelius,  Kaiser,  s.  M.  Aurelius 
Margensis,  Bezeichnung  für  Obermösieu 

V  580 
Maria,    Tochter   des   Stilicho    IV  520 

524.  529 
C.Marius,  Bürgerrechtserteilungen  VI  30. 
C.  Marius  Marcellus  Octavius  Publius 

Cluvius  Rufus,  Name  IV  407, 1 
L.  Marius  Maximus  Perpetuus  Aurelia- 

nus,  Historiker  V  542, 1 
Marius  Perpetuus,  cos.  237  V  542 
Marius  Priscus,  Process  IV  374.  376.  379 
Marspiter,  Inschrift  IV  15 
Martialis,  Abfassungszeit  des  10. — 12. 

Buches  IV  452  ff. 
Todesjahr  IV  458.  378 
Martins   Verus,    Partherkrieg   IV   484 

vergl.  VI  654 
Masinissa,  persönlicheMitteiluugen,  von 

Polj^bius  benutzt  IV  42 
Masinissa,  numidischer  Fürst  zu  Caesars 

Zeit  V  472 
Matidia,  die  jüngere  IV  479 
Mattiaci,   communale  Organisation  VI 

160  ff. 


Matuta,  Heiligtum  V  81 

Mauretania,  Colonien  VI  92,  vergl.  V  586 

Maxen ti US,  Empörung  V  187 

Consulatspolitik  i.  J.  307  VI  325 
Maxima  Sequanorum,  Provinz  V  432 
Maximianus,  (Kaiser),  belegt  Italien  mit 
Lieferungen  (annonae)  V  186 
erbaut  dieDiocletiansthermen  in  Rom 

V  58 
9te8  Consulat  VI  326 
Verhältnis  zu  Coustantin  VI  326  f. 
Zählung    der    Regierungsjahre     in 
Aegypten  VI  332 
Maximinus  Daia,  als  Caesar  V  58  f.  VI 
324  ff. 
Christenpolitik  VI  mOl 
Verhältnis  zu  den  Mitregenten  VI  561 
Maximus,  Patricier  und  Consular  unter 

Theodahathus  VI  448  f. 
Medullina,  Braut  des  Kaisers  Claudius 

IV  466,  8 
Meilensteine  V  66  ff. 
Mela,  Quelle  V  242 
a  memoria  VI  651  f. 
Meuestheus,    mythischer   Gründer   von 

Scylacium  V  256 
Merobaudes,  Lobgedicht  auf  Aetius  IV 

531,5 
M.  Messius    Rusticus    Aemilius    Papus 
Arrius    Proculus    Julius    Celsus    = 
M.  Cutius  M.  f.  Gal.  Priscus  Messius 
etc.,  Name  IV  406* 
M.  Metellus  s.  Caecilius 
Mettius   Curtius,    Führer    der   Sabiner 

IV  23 
Militärämter  unter  ostgothischer  Herr- 
schaft VI  435  ff. 
Militärgewalt,  Trennung  von  der  Civil- 

gewalt  VI  221 
Militärrevolte  des  J.  14  IV  281 
C.  Minicius  Fundanus,  Consulatsjahr  IV 

381 
L.  Minicius  Natalis,  curator  alvei  Tiberis 

IV  429 
Q.  Minucius  Q.  f.  Thermus,   Senator  V 

510 
Minturnae,  Colonie  V  215 
Mithradates    Ktistes     (des    pontischea 
Reichs)  IV  76 


678 


Sach-  und  Namenre'rister. 


Mithradates  V    Euergetes,    Vater    des 

Eupator  IV  66.  70 
Mithradates  Eupator  IV  77  ff. 
Mithradates  Chrestos,  Bruder  des  Eu- 
pator IV  79 
Mithradates    Philopator   Philadelphus 
JV  69  ff.;   Metradati  f.  IV  71;   viel- 
leicht   von    Sulla    als     König    von 
Paphlagonien  eingesetzt  IV  78;  viel- 
leicht Sohn  des  Eupator  IV  79 
Mithradates,  König  von  Armenien  IV  324 
Mithradates  (II)  von  Kommagene,  Partei- 
gänger des  Antonius  IV  87 
Mithradatischer  Krieg,  erster  IV  75 
Mogontiacum,  canabae  VI  185 

Stadtrecht  VI  202 
Moles  Martis,  supplicatio  IV  264  f. 
monumentum  Ancyranum,  keine  Grab- 
schrift IV  247  ff. 

kein  politisches  Testament  IV  251 
politischer    Rechenschaftsbericht  IV 

251 
index  rerum  a  se  gestarum  IV  252  f. 
ohne   Beziehung    zum  Kaiserkult  IV 

254  f. 
Ausdruck     monarchischen     Selbstge- 
fühls IV  256 
Verschweigung  der  Varusschlacht  IV 
257  f. 
Moorbrücken  IV  205  f.  241,2.  242 
Q.   Mucius   Scaevola,     Statthalter   von 

Asien  IV  65, 1 

L.  Munatius  Plancus,  Befehlshaber  der 

gallisch -germanischen  Legionen  IV 

162 

gründetLugudunumu.EauricaV356, 1 

Municipalamt  in  abhängigen  Gemeinden 

mit  römischem  Bürgerrecht  vereinbar 

V  523, 1 

municipaler  Sicherheitsdienst  VI  154 

Municipalgendannen,  militärisch  ver- 
wendet IV  489 

Municipalwesen  der  gothischen  Epoche 
VI  433  f. 

Municipium,  Unterschied  von  der  Colonie 

V  113  ff. 

Municipien   der   Kaiserzeit,    Streben 

nach  Colonialrecht  V  115 
Misswirtschaft  V  536  f. 


Münzen,  Präge-  und  Bildnissrecht  IV  191 
Reichsmünzstätte  in  Lugudunum  IV 
834 
Mursa,  Schlacht  IV  550,  2.  547, 1 
Mutina,  Colonie  IV  55,  1 

Ä'amen,  römische,  dem  Nichtbürger  ver- 
boten IV  306 
römische  auswärtiger  Dynasten  IV  90 
verändert  und  gehäuft    durch  Adop- 
tionen IV  399  ff. 
vielstellige,  abgekürzt  IV  409  f. 
unrömische    in    den    Alpengegenden 

IV  306  f. 
der  Kinder  des  Germanicus  IV  288  f. 
selbstgewählte  Beinamen  in  den  Fa- 
sten unberücksichtigt  IV  175  f. 
Cognomina    lokaler   Herleitung    nur 
von    Namen    unselbständiger    Ge- 
meinden abgeleitet  V  70 
Nantuates,  Wohnsitz  V  374 
Naraggara,  Namensform  IV  45, 4 ;  Lage 

47  f. 
Narbonensis,  prima  und  secunda  V  583 
Narcissus,  Reichtum  V  589 
Nationalität,   rechtliche  und  faktische 

Vi  54  f. 
natione  in  Heimatangaben  VI  51  f. 
[Nemanes  Nemanei  f.]  =  Natfiärrjg  tov 
Naifidvovg  pontischer  Gesandter  IV  71 
Nemausus,    civitates  attributae  V  556 
Nepet,  municipium  V  218 
L.  Neratius  Marcellus,  Statthalter  von 
Britannien  IV  377,  verschieden  von 
Marcellus,  Consul  i.  J.  104  IV  462 
Grossgrundbesitzer  bei  Benevent  V 131 
L.  Neratius  Priscus,  Jurist  IV  374 
Nero,  Sohn  des  Germanicus,    Geburts- 
zeit IV  273 
Nero,  Kaiser,  Namen  IV  467  f. 
Desiguation  zum  Consulat  für  55  IV 

429,2 
Sturz  IV  333  ft. 

Landanweisungen  in  Italien  V  601 
Christenpolitik  VI  543 
Nerva,    tribunicische    Jahrzählung  VI 
345 

Anlass  zum  Titel  Germanicus  IV  449 
suebischer  Krieg  IV  448  ff. 


Sach-  und  Namenregister. 


679 


[Nerva] 

Begründer  der  Alimentationen  1V435  f. 
Erwähnungen  bei  Martial  IV  453  ff. 
Neujahr,  vom  1.  März  auf  den  1.  Januar 
verlegt  IV  102. 
asianisches  V  528  f. 
Kiebuhrs  Geschichtschreibung  VI   653 
Nikomedes  von  Bithynien  IV  77 
Nikopolis  (bei  Actium),  Ort  der  Anlage 

VI  176  f. 
Nola  V  226 
Nomentum  V  73 
Nonnenalter  VI  602  ff. 
nach  dem  Pontificalbuch  unter  Leo  I 
VI  603  f. 
Norba  V  71.  74 

Noricum,  Truppenstellung  VI  68 
notarii  VI  405.  420.  435 
Notheimus,  Erzbischof  von  Canterbury 

VI  619  f. 
notitia  dignitatum,    Abfassungszeit  IV 
558  ff.  V  588 
Legionenverzeichnis  VI  212  ff". 
Angaben  über  Britannien  VI  117 
Novae,  Stadtrecht  VI  200 
Nuceria  V  212  f.  221 
numeri  (militärisch),  technische  Bedeu- 
tung VI  103  ff  207  f. 
nationaler  Charakter  VI  106  ft. 
Organisation  VI  111  ff', 
erstes  Auftreten  VI  112  f. 
teilweise  Verwandlung  in  cunei  VI114 
Aufgehen  in   den   späteren  Auxilien 

VI  217 
mit  doppeltem  Ortsnamen  VI  109. 175,1 
vergl.  Provinzialmilizen 
numerus  Palmyrenorum  VI  153 
Numidia,    unter    Cäsars    Diktatur   vor- 
übergehend Provinz  IV  173 
Cirtensis  und  Tripolitana  V  586 
Numitor,  König  von  Alba  Longa  IV  21 
Numpidius  (Nymphidius)  Sabinus,  prae- 
fectus  praetorio  IV  344 

Obier=  Avionen?  IV  492,1 
Odovacar,  Gescblechtsname  VI  476 

Stellung  VI  477  ff. 

ernennt  Civilbeamte  VI  492 ;   Consuln 
VI  334.  383 


[Odovacar] 
Unterschrift  VI  394,  2 
Landanweisungen  VI  468  f. 
officia  (Subalternbeamte)  VI  404  ff. ;  Ent- 
stehung VI  404  f.  - 
in  byz.  Zeit  zur  'legio  I  adiutrix'  VI 

209,1 
'officium  nostrum'  (des  Gothenkönigs) 

VI  406  f. 
der  gothischen  comites  VI  448 
ab  auro  potorio  VI  650 
officiales,  s.  Heer 
Officiere,  Ernennung  VI  392  f. 
Organisation  des  Commandos  seit  Dio- 

cletian  VI  221  ff.  266  ff. 
comes  limitis  oder  rei  militaris  VI  272 
excubitorum  VI  233 
gothischer  Befehlshaber  VI  438.  441 
dux,  technische  Bedeutung  VI  204  f. 
limitis  V  366.  VI  221.  272  f. 
gothi.scher  Befehlshaber  VI  441 
legatus  legionis  VI  222 
praefectus,  seit  Diocletiau  VI  275 
civitatis,  gentis  VI  256  f. 
legionis  VI  222  ff. 
limitis  VI  257 
praepositus  VI  152.  275.  307 
tribunimilitumhonorespetiturilV413 
Tribunat,  ausgewirkt  und  auf  einen 

andern  übertragen  IV  877 
tribunus  (spätrömisch)  VI  274  f.  307 
legionis  VI  224  f. 
scholarum  VI  233 
vergl.  magistri  militum,  praefectus 
Cn.  und  Q.  Ogulnius,  curulische  Ädilen, 
stellen  Erzbild  der  Wölfin   auf  IV  2 
Oktober,  Benennung  nach  Domitian  VI 

119 
Olympiodorus,    Geschichtsschreiber  IV 

517,4 
Olympius,  Prätorianerpräfekt  IV  527 
L.  Opimius  cos.  633,   Erbauer  des  Con- 

cordiatempels  IV  152  ff. 
Opitergium,  Zerstörung  IV  494 
Opramoasdenkmal  V  535  ff. 
origo,  in  technischem  Sinne  VI  187 
origo  gentis  Langobardorum,  Verhält- 
nis zu  Secundus  de  Langobardorum 
gestis  VI  508  ff. 


680 


Sach-  und  Namenregister. 


[origo] 

de  origine  gentis  Roman  ae   V    82  f. 
VI  491 

Orkistos,  Stadtrecht  V  540  ff. 
administrative  Zugehörigkeit  V  549 
von  dort  ausgehende  Strassen  V  549  f. 

Oropos,  Rechtsstreit  mit  den  publicani 

V  495  ff. 
Rechtsverhältnis  zu  Athen  V  503 

Orosius,  Erdbeschreibung  V  302, 1 
Ostercyclus,  victorischer  VI  598  ff.;  dio- 
nysischer VI  599  f. 
Ostertafel  vom  J.  447,  Zeitzer  VI  589 ff.; 
Veranlassung  VI  589  f. ;  Modificierung 
des     lateinischen     Ostercyclus    VI 
590  ff.;      darauf     zurückzuführende 
Osterdaten  VI  594  ö.;  officielle  Ver- 
wendung durch  die  römische  Kirche 
um  die  Zeit  Leos  I.  VI  596  f ;  Prosper 
nicht  der  Verfasser  VI  600  f. 
Ostgothen,  Ansiedelung  VI  436 
Donativum  VI  436 
Rechtstellung  VI  465  ff.  481  ff. 
Aufnahme    in    die    römischen   Rang- 
klassen VI  450 
Ostgothenreich ,     Civilverwaltung     VI 
394  ff. 
Municipalwesen  VI  483  ff. 
militärische    Organisation   VI   437  ff. 
ausseritalische  Truppen   VI  440  f. 
Grenztruppen  VI  441 
Provinzen  VI  442 
Gesetzgebung  VI  457  ff. 
Verfassung  VI  479  f. 
Erbfolge  VI  480 
Köuigsgericht  VI  471    ■ 
königliches  Selbstregiraent  VI  483 
Hofdienerschaft  VI  452  ff. 
ostgothische  Könige,   Consulernennung 

VI  379  ff. 

Ostrom,  Jahrestribut  an  Attila  IV  539,  4 
Decentralisation  des  Oberbefehls  VI 

270  f. 
Verhältnis  zu  Westrom  bezüglich  der 
Gesetzgebung  VI  457  ff. 
Otho,  fällt  von  Nero  ab  IV  339;  Nieder- 
lage bei  Betriacum  IV  358  f. 
Consulat  V  331 
Othonianer,  Kämpfe  IV  355  ff. 


P.   Pactumeius  Clemens,    Patron    der 

Cirtensischen  Colonien  V  485 
Paestum,  Colonie  V  208 
pagina  V  339,  2 
pagus  V  394  f.  480.  438  ff. 

pagi  der  Helvetier,  Fortleben  in  der 
Kaiserzeit  V  395  ff. 
Palaestina ,    militärische    Verhältnisse 

VI  101  f. 
Palantini  (spanische  Gemeinde),  Boden- 
eigentum V  93 
diva  Palatua  IV  16 
Pannonia,   von  den  Hunnen  occupiert 

IV  534,  7 
Paphlagonia,  politische  Zugehörigkeit 
IV  76  ff. 
Provinz  V  575.  577 
Papias  VI  566  ff. 

Sex.  Papinius  C.  f.  Allenius  IV  405  f. 
Päpste,  Ausdehnung  des  Metropolitan- 
rechts V  188 
Briefe    in    Bedas    Kirchengeschichte 
VI  619  ff. 

der  britischen  Sammlung  VI  629  f. 
Datierung  der  Urkunden  VI  347.  871  f. 
Archiv  VI  619.  622  ff.  626 
Papyrus    Berolinensis   vom    J.   158    V 

493  f. 
Papyrusurkunden  aus  dem  4ten  Jahr- 
hundert; Datierung  VI  330  ff. 
parare  inter  se,  technisch  IV  10  f.  12, 1 
Parentium,  Colonie  V"  223 
Parma,  Colonie  V  223.  226 
Partherfeldzüge,  des  Lucullus  IV  330  f. 
des  Corbulo  IV  328  ff 
des  Caesennius  Paetus  IV  329  f. 
Patriciat  (der  Spätzeit)  IV  537,  6.  547. 

VI  422  f. 
Patulcenses,  sardinische  Gemeinde  V  328 
Paulinus,    der    letzte    von   gothischen 
Herrschern  ernannte  Consul  VI  335 
Paulus,  Consul,  bei  Martialis  10, 10  IV 
454,5 
s.  auch  L.  Aemilius  Paulus 
Paulus,  praefectus  urbi  im  J.  438  VI  608 
Paulus  Diaconus,  CharakteristikVI  485ff. 
Glaubwürdigkeit  VI  538  f. 
Langobardengeschichte ,     Verhältnis 
zu  Eutropius  VI  487 


Sach-  und  Namenregister. 


681 


[Paulus  Diaconus] 

Benutzung  des  Gregor  von  Tours  VI 

486,1.  489 
Verhältnis  zur  Origo  gentis  Lango- 

bardorum  VI  490  a\ 
Benutzung  des  Secundus   de  Lango- 

bardorum  gestis  VI  506  ft". 
Zusammenhang  mit  der  historia  Ro- 

maua  VI  511  f. 
Benutzung  oströmisch -italischer  An- 

nalen  VI  511  ff. 
Verhältnis   zu    Beda   und  Isidor  VI 

513  ff. 
Verzeichnis  der  italischen  Provinzen 

und  dessen  Quelle  VI  518  ft". 
Verfasser  des  Auszugs  aus  Festus  de 

significatione  verborum  VI  532  f. 
Bearbeitung  des  Laudolf  VI  533  ff. 
Cn.    Pedanius    Fuscus   Salinator,    Ehe 

IV  385, 1 
Pedum,    Verschwinden     des     Gemein- 
wesens V  73 
Pelagia,  Gemahlin  des  Bonifatius  lV536f. 
Peregrinität  VI  467 
Perennis  bei  Galen  IV  514  f. 
Perfectissimat  IV  560, 1 
Pergamon,  Senatsbeschluss  IV  63  ff". 
Personalrecht  VI  168 
Perusia,  comitium  daselbst  (?)  V  1,1 
Pest,  während  des  Marcomanenkrieges 

IV  488.  493 
Petronius  Anuianus,  praefectus  praetorio 

VI  300  f. 
Petronius  Maximus,  Patriciat  IV  537,  6. 

544 
C.  Petronius   Pontius  Nigrinus,    Name 

IV  406 
Petronius     Turpilianus ,      Neronischer 

Truppenführer  i.  J.  68  IV  343, 4 
Petulantes,  Truppe  des  4.  Jahrhunderts 

VI  240,  6 
Peutingersche  Tafel,   Route  von  Zama 
regia  IV  39  ff', 
auf  Agrippa  zurückgehende  Angabe 

IV  87 
Bezeichnung  Tigranokertas  IV  325 
Landschaftsnamen  V  283,  3 
Verhältnis  zur  Ravennatischen  Kos- 
mographie  V  286  ff'. 


Pferdeausfuhr,   nach  Gallien  untersagt 

V  381,2 

Pharnakes  I.  von  Pontus  IV  70 
Philadelphus,  König  von  Paphlagonien 

IV  78,  4 
Philipp  V.,  Briefe  au  die  Larisäer  1 V49 ff. 
Kinfluss  auf  The.ssalieu  IV  49  f. 
auswärtige  Politik  IV  51 
Anschauungen  über  römische  Zustände 
IV  51  ff. 
Philosophen,  Ausweisung  aus  Rom  unter 

Domitian  IV  418  f. 
Phlegon,  Benutzung  einer  mit  Plinius 

gemeinsamen  Quelle  V  276,  2,  3 
Phrygia,  Autonomie  IV  67 
prima  und  secunda  V  577 
Grossphrygien  vorübergehend  an  Pon- 
tus abgetreten  IV  66 
alae  Phrygum  VI  61 
(pv).aQ)/_o?  VI  482 

Pinarius    Apollinaris,     Commissar     in 
Comum  unter Tiberius  IV 294.  299.  301 
Gnaeus  Pinarius  Cornelius  Clemens,  Le- 
gat von  Obergermanien  V  357 
Pisae,  Colonie  V  223 
Pisaurum,  Colonie  V  213.  223 
Pithom,  Lage  Vi  615.  617  f. 
Placentia,  Ausdehnung  des  Territoriums 

V  321  ff. 

Colonie  IV  53,  4.  54.  V  132.  235 
für  Alimente  den  Veleiaten  verpfän- 
dete Liegenschaften  V  132  ff. 
Placidus,  cos.  343  V  566  f. 
Placidus  Valentiniauus    s.   Valentinia- 

nus  III. 
Plautianus,  als  comes  des  Severus  und 

Caracalla  IV  316 
M.  Plautius   Silvanus,    Proconsul    von 
Asien;    Münze    mit   seinem    Bildnis 
IV  184 
C.  Plinius  Secundus  (der  ältere),  als  Ge- 
schichtsschreiber IV  274, 1.  275, 1  285 
Colonienverzeichnis   V  230  ff'.    VI  91 
Quellen  V  84.  239  ff.  276,  2 
C.  Plinius  Secundus  (der  jüngere), 
Name  IV  394  f.  397.  404  ff. 
Heimat  IV  395  f. 
Geburtszeit  IV  412 
Adoption  IV  397  ff. 


682 


Sacli-  und  Namenregister. 


[C.  Pliuius  Secundus  (der  jüngere)] 
Heiraten     IV    370;     Dreikinderrecht 

IV  370,  2 
Laufbahn  bis  zur  Prätur  IV  412  ff. 
Verhalten  in   den  ersten  Rangstufen 

IV  421  ff. 
praefectura  aerarii  niilitaris  IV  423, 

aerarii  Saturni  IV  423  ff. 
Cousulat  IV  425  ff.,  Dankrede  IV  375 
Augurat  IV  379.  429 
cura  alvei  Tiberis  IV  429  f. 
bithynische  Legation  IV  430  ff  390  ff. 
municipales  Priestertuni  IV  434 
municipale    Zuwendungen   IV   434  ff'. 
Testament  IV  436  f. 
Tod  IV  433 
Advocatur  IV  437  f. 
Processe  IV  438.  376 
Reihenfolge  der  Briefe  IV  366  ff. 
Briefwechsel    mit    Traian,    Zeitfolge   j 

IV  388  ff. 
Recitation  und  Herausgabe  der  Reden 

IV  438  f. 
als  Dichter  IV  439  f. 
Beziehungen  zu  Tacitus  IV  440  f. 
Inschriften  IV  442  f. 
Plutarch,  unzuverl.  im  Detail  IV  117,  65 
benutzt    für    Lucullus     vortreffliche 
Quelle  IV  330 
Poeninus,  Form  und  Ableitung  V  356,2 
Poetovio,  erhält  Stadtrecht  und  verliert 

Besatzung  VI  178 
Poimanenon,  Ehrenbeschluss  IV  65 
Pola,  Colonie  V  223 
Polemius  Silvius,  Verzeichnis  der  Pro- 
vinzen V565  ff  587  [vergl.  VII  633  ff'.] 
politische  Nachrichten,  brieflicher  Aus- 
tausch IV  174 
Politorium,  Poletaurini  V  81 
Polleutia,  Schlacht  IV  525 
Polybius,  Quellen  IV  42 
Pometia,  latinische   Colonie    (?)    V  74 
Pompeii,  Colonie  V  208  f. 

Pflasterung  der  Strasse  vor  dem  sta- 
bischen Thor  V  66 
Cd.  Pompeius,  Verhalten  in  Cäsars  Con- 
flikt  mit  dem  Senat  IV  132  ff. 
Bürgerrechtsverleihung  in  Spanien  VI 
30, 1 


[Cn.  Pompeius] 
kleinasiatische  Einrichtungen  IV  76. 

78.  V  440  f. 
Anstiftung  zur  Ermordung  Pisos  V471 
spanische  Statthalterschaft  IV  127 
Sextus  Pompeius,  sicilischerKriegIV261 
Q.  Pompeius  Falco,  Name  IV  410 

Laufbahn  IV  386 
Pompeius  Planta,   Präfekt  von  Ägyp- 
ten IV  389 
Q,  Pompeius  Q.  f.  Rufus,  Senator  V  510 
Q.  Pompeius    Senecio    Sosius    Priscus, 

Name  IV  410 
L.  Pompeius  Vopiscus  C.  Arruntius  Ca- 
tellius  Celer  Aquila,  Name  IV  407, 1 
T.  Pomponius    Bassus,     Zeit    und    Art 

seines  Alimentaramtes  IV  456  f. 
Pontica  dioecesis  V  574  f. 
C.  Popillius  C.  f ,  praetor  IV  63  f. 
M.  Poplicius  M.  f.  Scaeva,  Senator  V  510 
populus   senatusque  Romanus    IV  57  f. 
M.  Porcius  Cato,  basilica  Porcia  V  11  f. 
M.  Porcius  Cato  (Uticensi.s),  cäsarfeind- 
liche Politik  IV  132  ff. 
porta  praetoria  VI  132  f. 
portorium  V  445 
portus  V  445 
possessores  VI  433 

kaiserl.  Post,  von  Plinius'  Frau  benutzt 
IV  391 

Postverwaltung  in  den  Provinzen  VI 
613  f. 
Postumus,  gallisches  Kaiserthum  VI4S3 
Potaissa,  Stadtrecht  VI  200 
praedium  V  V24 

praefectus  aerarii  niilitaris  IV  423 
annonae  IV  197.  VI  431,  2 
classis  Havennatium   cum  curis  eius- 

dem  civitatis  VI  432 
fabrum,   consularis  und  praetorius  V 

484  f. 
frumenti  dandi   1)  ordentliche  Magi- 
stratur unter  Augustus  IV  195  ff.  = 
curator    frumenti    IV    196    ersetzt 
durch  den  praefectus  annonae  IV 197 
2)  ausserordentliche  Magistratur  IV 
193  ff.  198 
praefecti    praetorio,    Vorgesetzte    der 
hauptstädtischen   Garnison  VI   552 


Sach-  und  Namenregister. 


683 


[praefecti  praetorio] 

Zusammenwirken  VF  284  f. 
Zeichnung  präfektorischer  Edikte  Vi 

285 
Verwaltungsteilung  VI  285  ff.  290 
Drei-  und  Vierzahl  VI  288  f. 
Ausdruck  der  Sprengelteilung  in  der 

Titulatur  VI  291  f. 
Einfluss  auf  den  Kaiser  VI  297  f. 
Eang  VI  301 
Competenz  VI  301  f. 
Gesetzgebung  VI  607 
gemeinschaftliche  Erlasse  VI  302 
Ininiediatbezirke  V  566  f. 
Beamtenernennung  VI  393 
Militärgewalt  VI  '266 

deren  Verlust  IV  547 
unter  gothischer  Herrschaft  VI  398  f. 

46-3  f. 
arca  VI  400 
praefectus  urbi,   häufig  als  amicus  Au- 
gusti  bezeichnet  IV  321 
Amtsbezirk  V  270 
Vorsitz  im  Senat  VI  608  f. 
Aufsicht  über  die  Bibliotheken  VI  651 
unter   der  gothischen  Herrschaft  VI 
393.  397.  431  f. 
praefectus  vigilum  VI  431 

vigilum  urbis  Ravennatis  VI  433 
vergl.  Officiere 
Praeneste,  Colonial-  und  Municipalrecht 

V  115.  209.  215,2 
praepositus  calcis  der  Stadt  Rom,  in  der 
Gothenzeit  VI  432 
sacri  cubiculi  IV  559.  VI  452f.  619  f. 
Prätorianer,  Eintreten  für  Galba  IV  344 

s.  cohortes  praetoriae 
praetorium,     Statthalter- Residenz    VI 
128  ff. 
Landhaus  IV  297.4.  VI  128 
Praetur,  Amtsantritt  IV  101,23 
Competenzen  IV  96  f. 
Verteilung   der  prätorischen  Provin- 
zen IV  136 
urbana  consulari  potestate  IV  432,  3 
Vertretung  des  Consuls  IV  151 
für  Tutelen  und  Fideicommisse  V  188 
Altersbestimmungen  in  der  Kaiserzeit 
IV  414 


[Praetur] 
seit  Diocletian  VI  430 
Lictoren  des  praetor  urbanus  IV  96, 15 
praetores  duoviri  V  208  f. 
precarium  IV  02 
Priestertümer,  bald  nach  dem  Consulat 

verliehen  IV  379 
primiceriatus  qui  et  domesticatus  nomi- 

natur  VI  448  f. 
primicerius  VI  412  f.  444 
notariorum  VI  392.  427 
sacri  cubiculi  VI  400  f.  453 
princeps  senatus  VI  428 
principes  officiorum  IV  552.  VI  412  ff 

princeps  cardinalis  VI  409 
Principat,      Unverantwortlichkeit     IV 
251,  3 
beeinflusst  durch   die  monarchischen 
Institutionen  des  Orients  IV  256 
Proca,   König  von  Alba  Longa  IV  20 
Processjahr,  Anfang  IV  110  ff. 
Proconsulat,  von  Cäsar  auf  zwei  Jahre 
festgesetzt  IV  169 
Antrittstermin  in  der  Kaiserzeit  IV  41 5 
Proconsuln.  consularische   und  praeto- 
rische  IV  186  f. 
Bildnisse    auf   Münzen    augustischer 

Zeit  IV  183  ff'. 
Namen  auf  Münzen  IV  187,  1 
citra  sortem  IV  431 
proconsularisches  Imperium,  rechtlich 
ohne  lokale  Beschränkung  IV  121. 
123 
Procopius,  Unparteilichkeit  VI  459,  3 
procurator,  privater  V  608 
Promagistraturen,  Einrichtung  IV  99 

Endtermin  IV  116.  124 
Promotus,  magister  equitum  IV  551,  2. 

VI  341 
provincia  IV  92 ff,;   abgesteckte  Impe- 
riencompetenz  IV  93  f  ;  Etj'mologie 
IV   93 f.;   nur  auf  Geschäftsteilung 
der  Consuln  und  Prätoren  angewen- 
det IV  95;   Grundsätze  für  die  Ver- 
teilung durch  den  Senat  IV  97;  Be- 
schränkung des  Begriffes  auf  ausser- 
italische  Commandos  IV  99  f. 
provinciae  legatoriae  IV  171 
quaestoriae  IV  95 


684 


Sach-  und  Namenregister. 


[provinciae] 

Zahl  unter  Cäsar  IV  169  ff, 

neugeschaffene  IV  171 

Scheidung  militärisch  besetzter  und 

unbesetzter  IV  163.  VI  39 
Truppenstellung  der  kaiserlichen  VI 

63  ff.,  der  senatorischen  VI  66  f. 
Veroneser  Verzeichnis  V  561  ff. 
Provinzialmilizen VI  145 ff.;  beschränkt 
besonders    auf   Grenzprovinzen    und 
von   den    Kaisern    ervrorbene  Land- 
schaften VI  150 f.;  Dienstdauer  und 
Besoldung  VI  151;  Organisation  VI 
152;  Verwendung   für   den   Reichs- 
dienst VI  153;  vergl.  numeri 
Ptolemäus,    ethnographische    Gesichts- 
punkte V  270 
Fehler  seiner  Karten  IV  327 
Publianus,  vicarius  von  Rom  VI  609 
publicani,   Rechtsstreit  mit  Oropos  V 
495  ff. 
Beseitigung  V  610 
Publicius  Certus,  von  Plinius  im  Senat 
augegriffen  IV  372 
Zeit  seiner  praefectura  aerarii  IV  424 
Puerperium  IV  285 

Weihungen  ob  puerperium  IV  278, 1 
Puteoli,  Colonie  V  221 

Ableitung  des  Namens  V  255 
Pylaemenes,  Thronprätendent  von  Pa- 

phlagonien  IV  77 
Pylaemeniden,  paphlagonische  Dynastie 

IV  77.  78,  4 
Pyrgi,  Bürgercolonie  IV  54, 1,  4 

<Juaden,  Marcomanenkrieg  IV  491  ff. 
Quaestoren,  Verhältnis   zu  den  Consuln 
uud  Praetoren  IV  95.  114 
quaestor  imperatoris  IV  421  f. 
Altersbestimmung    in  der  Kaiserzeit 

IV  414 
Antrittstermin  IV  415  ff. 
Designation  IV  382 
in  der  Spätzeit  VI  387,  2.  424.  430 
quaestor  palatii  VI  387  ff. 

wahrscheinlich    identisch     mit    dem 

vicarius  a  consiliis  sacris  VI  388 
Rang  VI  388  f. 
Functionen  VI  389  ff. 


[quaestor  palatii:  Functionen] 

Ausfertigung  der  Bestallungen  VI 

390  ff-. 
Officiersernennungen  im  Orient  VI 
392  f. 
P.  Quinctilius  Varus,  Münze  von  Achulla 
IV  200 
Ehreninschrift  von  Pergamon  IV  201 
Proconsul  von  Africa  IV  184.  187 
Denkmal    auf   dem   Schlachtfeld  IV 
241,1 
s.  Varusschlacht 
S.  Quintilius  Condianus  IV  496 
S.  Quintilius  Maximus  IV  496 
T.  Quinctius  Flamininus,  Tätigkeit  in 

Thessalien  IV  50 
Quirites,  von  Cures  abgeleitet  IV  24 

Radagaisus  IV  526,  2.  528,  6 
Raetia,  Truppenstellung  VI  68 
Provinzialmilizen  Vi  151 
Verwaltung  V  357 
prima  und  secunda  V  584 
Ramesse,  Lage  VI  615.  618 
Q.  Rancius  Q.  f.,  Senator  V  510 
Rangklassen     im     Ostgothenreich    VI 

449  ff. 
Rauriker  V  374  f.  VI  89,2 
Ravenna,  Verwaltung  VI  432  f. 
Recht,  personales  und  territoriales  VI 

465  ff. 
referendarii  VI  421 
Regenwunder  s.  M.  Aurelius 
regio,  Bedeutung  IV  300, 1.  V  277 
regiones  s.  Italien 
Regium,  bleibt  Municipium  V  211 
M.  Regulus,    Kollege    und    Feind    des 

Plinius  IV  367,  3.  370 
Reisebericht  von  Jerusalem   nach  dem 

Sinai  VI  610  ff. 
relegatio  V  270 
Remer,  Rechtsgemeinschaft  mit  Suessio- 

nen  V  448 
Remöna  für  Remuria  IV  16 
Remureina,  Göttin  IV  15  f. 
Remüria,     zweiter    Gründungsort     der 

Legende  IV  15 
Remurinus  ager  IV  8,  3.  15  f. 
Remus,  Mindestalter  der  Legende  IV  2  ff. 


Sach-  und  Namenregister. 


685 


[Remus] 
haftet  weder  in  der  sacralen  IV  6  f. 
noch   in    der  topographischen  Le- 
gende IV  7  f. 
Name  IV  8 
Auspication  IV  9  tt'.,  Auspicationsort 

IV  14  f. 
bei  Dichtern  IV  7, 1.  18 
Mitregierung  IV  18 
symbolische  Bedeutung  seiner  Tötung 

IV  19 
staatsrechtliche  Tendenz  der  Legende 
IV  20 
Bemushügel  IV  16 

Republik,  i.  J.  68  proklamiert  IV  336  Ü'. 
res    publica,   als  Bezeichnung  für  die 

canabae  VI  189  f. 
res   sacrae,    als    staatliches    Eigentum 

geltend  V  152 
Rheinbefestigungen  V  446 

—  brücken  V  363  f. 

—  brücke  bei  Coblenz  IV  278 

—  hafen,  für  Flotte  V  467  ff. 
Richomer,  magister  utriusque  militiae 

IV  551,  2 
Ricimer,  patricius  IV  537,  6 
römisches  Reich,  Städtezahl  V  559  f. 
Einheit  formal  festgehalten  VI  308 ff.; 

besonders  in  der  Gesetzgebung  VI 

309  f.  315.  585 
Rom 

Alcibiades  -  Statue  V  9.  15 
Apollotempel,  im  Flaminischen  Cir- 

cus,    auch  Latonaheiligtum    V  57 
aqua  Marcia  V  40  f. 
ara  Consi  V  57 

argentarii,  Platz  auf  dem  Forum  V 11  f. 
Argiletum  V  27  ff. 
atrium  Libertatis,  zur  Curie  gehöriger 

Saalraum  V  60  ff. 
Atti  Nävi  statua  V  14 
teraplum  divi  Augusti  V  44  ff. 
basilica  Aemilia  V  9.  12 
basilica  Opimia  IV  153  f.  V  5  ff. 
basilica  Porcia  V  11  f.  16.  505 
Brücke  (Caligulas)  zwischen  Palatium 

und  Capitol  V  45  f. 
Capitol,     Statuen     und    Tempel    V 

40  ff. 


[Rom] 

Capitolium  in  engerem  Sinn  (=  Ju- 
pitertempel) V  43  f. 

carcer  Mamertinus  V  12  f. 

Castortempel  V  16 

Chalcidicum  =  Graecostasis  ?  V  19 

Circus  (V)  corniscarum  V  57 

clivus  Capitolinus,  Pflasterung  V  63  ff. 

cloaca  maxima  V  47.  52 

Cluacinae  sacrum  V  14.  16 

Comitium,  Lage  V  1  ff. 

Concordiaterapel  IV  151  ff.  V  5  ff . 

curia  Domitiani  V  19  f. 

curia  Hostilia  V  3.  9 

curia  lulia  V  9.  17  ff'. 

Diokletiansthermen,  Inschrift  V  57  ff, 

Felicitastempel  V  10.  54  ff. 

ficus  Ruminalis  V  15 

fornix  Fabianus  V  47  ff. 

forum  lulium  V  29  ff". 

forum  piscatorium  V  12.  16. 

forum  transitorium  =  Nervae  V  30 

Forum  Romanum,  Ausdehnung  V  3  f. 
Monumente  zu  Ehren  Cäsars  IV  182^ 

Genius  P.  R.,  Heiligtum  V  54 

Graecostasis  V  3.  5  ff.  18  f. 

Janustempel  V  21  ff. 

Juno  regina,  Tempel  V  57 

Jupitertempel,  Häufung  auf  dem  Ca- 
pitol V  55 

Jupiter  Stator,  Tempel  IV  83.  V  57 

lacus  Servilius  V  16  f. 

Lautumiae  V  12  f. 

Minervatempel  V  31.  45  f. 

Ops,  Tempel  V  55 

pomerium  V  57 

porta  lanualis  V  25  f. 

porticus  Octaviae,  umschliesst  Dop- 
peltempel des  Jupiter  Stator  und 
der  Juno  regina  V  57 

puteal  V  1  f.  14 

Pythagoras  -  Statue  V  9.  15 

rostra  V  13 

secretarium  senatus  V  12 

senaculum  V  3.  5  f. 

stationes  municipiorum  V  32 

Strassenpflasterung  V  63  ff. 

Velabrum  V  16 

Veteres  (curiae)  V  16 


686 


Sach-  und  Nameniesrister. 


[Rom] 

Vortumnus,  Statue  V  56 

Vulcanal  V  3.  6  ff. 

Verwaltung  VI  430  ff. 

Wagen  verkehr  V  64 
Pcöfirj ,  Troianeriu,  Gattin  des  Latinus 

IV  3  ff'. 
"Pü/Liog,  Sohn  des  Latinus  und  der  Rhome 

IV  3  ff. 
Romulus,  Sohn  des  Latinus  IV  3  ff. 

in  der  topographischen  Legende  IV  7 

frühe  Namenbildung  IV  8 

Auspication  IV  9  ff. 
L.  Roscius  Aelianus,  Name  IV  409.  425 
rotarium,  Chausseegeld  V  479,  1 
Rotes  Meer,  Strandreise  VI  611 

Wagenspur  des  Pharao  VI  612 
Rua,  Hunnenkönig  IV  .537  f. 
Rubrius  Gallus,  Consulat  IV  380 
rubrianisches  Senatsconsult  IV  380,  4 
Rufinus,  praefectus  praetorio  IV  519, 3. 

520  f. 
Rufius  Albinus,  cos.  345  VI  333  f. 
Ruf  US  (Rufius)  Festus,  Verzeichnis  der 

Provinzen  V  587 
Rusellae,  Colouie  V  236 
T.  Rustius  Nummius  Gallus,  Name  IV 

406 
Rutilius  Lupus,  Grossgruudbesitzer  bei 

Beuevent  V  131 
Rutuler  V  74 

Sabiner,  Ausdehnung  IV  27  f. 

Bürgerrecht  IV  32 

Bezeichnung    für  Bürger    von  Cures 
IV  29 

foedus  Sabiuum  IV  30, 1.  32 
Sabinerinnen,  Zahl  der  geraubten  IV  26,4 
Saena,  Colonie  V  223.  229 
Saepinum,  Stadtrecht  V  177 
saio,    gothischer   Subalternbeamter  VI 

410  ff.  473 
Sallustius,  Präfekt  von  Gallien  IV  549, 3. 

VI  298 
Salmanticenses,    Bodeneigentum  V  93 
salutatio  IV  319  f. 
Salventius,  Stadtpräfekt  VI  605 
Saraceni,  als  foederati  VI  225  ff.  230. 482 

am  Roten  Meer  VI  612.  618 


Sardinia,  Verwaltung  V  334 

militärisch    als    kaiserliche    Provinz 
behandelt  VI  63 
Sarmaten,  in  Italien  angesiedelt  VI  259, 0. 
439.  468 
s.  Jazygen 
Satricum  V  70,  74,  81 
Saturnia  urbs  V  24  ff".  82 
Saturuinus,    Freund    des   Plinius:    sein 

Testament  IV  434,  6 
Saturnkult,  bei  den  Anaunern  IV  293  f. 
Saul,  Führer  bei  PoUentia  IV  528,  6 
Scaptia,     verschollene    latinische    Ge- 
meinde V  81  f. 
Schauspielernamen  IV  484 
Schisma  der  Jahre  355—365  VI  570  ff. 

des  J.  530   VI  605  ff 
scholae  (Saaltruppen)  VI  230  ff. 

scholares  unter  der  Gothenherrschaft 
VI  403 
Schrift,  Abkürzungen  V  342  f. 
Schweiz,  Eroberung  V  355 
administrative  Zugehörigkeit  der  ein- 
zelnen Teile  V  356  ff. 
politische  Einteilung   seit  Diocletian 

V  362 
Besatzung    bis  Vespasian   V    363  ff.; 

später  ohne  Besatzung  V  365 
Grenzverteidigung  seit  Probus  V  366 

am  Bodensee  V  431 
Romanisierung  V  372  f. 
keltische  civitates  und  pagi  V  374  ff. 
Stadtrechtsverleihung  V  377 
Rekrutierung  für  die  auxilia  V  379  f. 
Handelsartikel  V  383 
Weinbau  am  Genfer  See  V  383,  2 
Müuzfunde  V  36G,  1.  367, 1.  381  f. 
s.  Helvetier 
sclis,  Nebenform  von  stlis  (lis)  IV  194,3 
Scolacium  Minervium  =  Scylacium  V 

254  ff'. 
Scribonius  Curio,  s.  Curio 
scrinium  memoriae  VI  392 
vestiarii  sacri  VI  650 
Romanae  ecclesiae  VI  622  f. 
aneiga  Seßaatrj  VI  553 
Sebastianus,   magister  militum  IV  53!j 
secretum  VI  417 
seditio  V  347  f. 


Sach-  und  Namenregister. 


687 


Seduui  V  374 

C.    Sempronius    Gracchus,    sardinische 

Quästur  IV  117,65 
senaculum  IV  153  f. 
Senat 
steht  im  officiellen  Sprachgebrauch  der 
Republik  dem  populus  nach  IV  59; 
meist  vor  populus  IV  57  ft'. 
Machterweiteruug  durch  Sulla  IV  122 
formale  Souveränität  unter  Augustus 
IV  186 

in  der  Spätzeit  VI  428 
seuatus  amplissimus  VI  608 
Befugnis   von    den  Gesetzen    zu   ent- 
binden IV  120 
Senatusconsulta  ersetzen  leges  IV  60 
Recht    der    Gesetzgebung    für    den 

Sprengel  der  Hauptstadt  VI  606 
verfügt  über  die  Statthalterschaften 

IV  131 
verfassungsmässiger    Anteil     an    der 

Heeresergänzung  VI  73  ff. 
Verhandlungen   über    Caesars   Nach- 
folge in  Gallien  IV  188  ff. 

im  Januar  705  (49)  IV  120 

erkennt  Galba  an  IV  345 

erlässt   Bestimmungen    über   die 
Papstwahl  VI  605  ff. 
Zusammensetzung    (in    der    Spätzeit) 

VI  424  ff. 
Stimmordnung  VI  425  ff. 
Vorsitz  VI  430.  608  ff. 
Ausschüsse  V  507 
ex  senatus  consulto  IV  194  f.  198  f. 
Mitteilung  derSenatsbeschlüsse  VI  608 
contestatio  senatus  VI  607 
Senatsbeschluss  über  die  Bacchanalien 

VI  608 

über  ein  Bündnis  mit   den  Juden 
IV  146  ff. 

über  Oropos  V  495  ff. 

über  Pergamon  IV  63  ff. 

über  Phrygien  IV  66 

über  Tabae  V  514  ff. 
senatusconsultum  Articuleianum,  Da- 

sumianum,  Rubrianum  IV  380,4 
Seneca,  Reichtum  V  589 
theoretisch   Gegner   der   Latifundien 

V  597 


[Seneca] 

Wucherzinseu  V  612 
Finanzoperation  nach  Eroberung  Bri- 
tanniens V  612 

Septiraius  Severus,  Vermehrung  der  Do- 
mänen V  597.  599 
Reorganisation  der  hauptstädtischen 

Garnison  VI  547  f. 
Stadtrechtsverleihungen  VI  200 

Sequaner,  Ausdehnung  V  374 

Beteiligung    am    Aufstande    i.  J.   68 
IV  336.  340 

Serena,  Nichte  des  Theodosius,  Gemah- 
lin des  Stilicho  IV  517 

Sermoneta  V  72,  1 

Sertorius,  Gebietsabtretung  an  Mithra- 
dates  IV  78 

Servilia,  Mutter  des  M.  Brutus  IV  172 

P.  Servilius,  Dauer  des  Proconsulats  IV 
117,65 

P.   Servilius    Calvus,    Statthalter    von 
Bithynien  IV  481, 1 

Servilius  Pudens,  Legat  IV  431,3 

servus  actor  V  140 

Setia,  Municipium  V  218 

Severus,  Kaiser,  s.  Septiniius  Severus 

Severus,  Cäsar  VI  324  ff. 

Severus,  magister  militum  IV  548,  2 

T.   Sextius,    afrikanischer    Statthalter 
44  v.  Chr.    IV  162.  173 

Sicilia,  keine  Truppenstellung  VI  67 
gothische  Besatzung  VI  442 

Siculus  Flaccus,  Zeit  V  185,3 

Sidonius,   Unzuverlässigkeit   IV   441,  5 

signatores  V  344  f. 

Signia,  Municipium  V  218 

silentiarius  VI  417 

C.  Silius  P.  f.  P.  n.  A.  Caecina  Largus, 
Name  IV  405  f.  407,  1 

Silius  Italicus,  Tod  IV  378 

Silvius  s.  Polemius  Silvius 

Sinduni,    norditalische    Grenzgemeinde 

IV  294.  303  f. 
Siugidunum,  Stadtrecht  VI  200 

P.  Sittius,  Begründer  der  Colonie  Cirta 

V  471  ff. 

Sklaven,    militärische  Verwendung  VI 
168  f.  171.  250 
Bezeichnung  der  Nationalität  VI  53 


688 


Sach-  und  Namenregister. 


Socialkrieg,  Parteistellung  der  italischen 

Städte  V  262.  265  f. 
sodales  Titii  IV  34 

Sonnenfinsternis  i.  J.  202  v.  Chr.  IV  45, 5 
Sophanene,  keine  Provinz  V  574 
Sora,  Colonie  V  213.  224 
Q.  Sosius  Senecio,  Statthalterschaft  IV 

381 
Spanien,  Bürgerrecht  V  414 
Gemeinden  der  Tarraconensis  V  555  f. 
Küstenschutz  VI  153 
spatharius,  Schwertträger  VI  453  f. 
Städtegründung  an  der  Stelle  von  Lagern 

VI  176  f. 
Städteverbände  der  Kaiserzeit  V  553  ff. 
Stadtrechtbrief,  von  Orkistos  V  540  ff., 

von  Tymandos  V  550  f. 
statio   Maiensis,    Lage  der   Zollstation 

V  486 
L.  Statius  Murcus,  unter  Cäsar  Befehls- 
haber der  syrischen  Legionen  IV  163 
Statius  Priscus,   Feldherr  unter  Verus 

IV  484 
Statthalter,    decreta    nicht    ohne  Mit- 
wirkung des  consilium  V  337 
Controle  der  Gemeinden  und  Städte- 
bünde V  534  ff. 
Schiedsrichter  bei  Streitigkeiten  zwi- 
schen Gemeinden  V  336  f. 
Dauer  der  Statthalterschaften  1V115  ff. 
Stilicho,    Politik    gegen    Ostrom    und 
Alarich   IV   516  ff.;     Charakteristik 
IV  527  ff. 
magister  utriusque  militiae  IV  555  f. 
stipendiarii,  abhängige  Gemeinden  IV 

61  f. 
Strabo,  für  kleinasiatische  Dinge  zuver- 
lässig V  440,  6 
überwiegend  physikalischer  und  histo- 
rischer Standpunkt  V  270 
Strasse  Mailand -Chur- Rhein  V  359 
Strassenwesen  V  63  ff. 
OTQaTt]kdrr]g    =    magister    militum    IV 

546,2 
Stratonikeia,  abgabepflichtige  Gemein- 
den V  515  f. 
Studierende  in  Rom  VI  429 
a  studiis  VI  651  f. 
sublimis  vir  VI  455 


subsiciva,  unvollständige  Centurieu  V  90. 
269,3 

Sueben,  Kriege  unter  Domitian  und 
Nerva  IV  447  ff. 

Suessa,  Colonie  V  224 

Suessa  Pometia,  untergegangene  lati- 
nische Colonie  IV  54,  2,  3 

Suessula,  Colonie  V  216 

Suetonius  Tranquillus,  Geburtszeit  und 
Beziehungen  zu  Plinius  IV  377  f. 
Gründlichkeit  IV  274 
beschönigende  Darstellung  des  augu- 
stischen Kaiserkults  IV  269, 1 

Sulmo,  latinische  Colonie  V  71  f.  74 

P.  Sulpicius,  Eintreten  für  die  Italiker 

V  263 

Q.  Sulpicius  Camerinus,  cons.  suff.  des  J. 

46  IV  294.  296  f. 
P.  Sulpicius  Qnirinius,  Name  IV  405  f. 
Ser.  Sulpicius   Rufus,    Statthalter   von 

Griechenland  IV  173 
Sumelocenna  V  466.  467,2 

procurator  tractus  Sumelocennensis  et 
tractus  translimitani  V  465  ff". 
Sutrium,  Colonie  V  224 
Symmachus,    Consul    im  J.  485  n.  Chr. 

VI  382 

Symmachus,  Consul  mit  Boethius,  unter 
Theoderich  hingerichtet  VI  382 

Synesius  Schrift  'der  Ägypter'  VI 
292  ff. 

Synode  von  Tours  (nicht  Turin)  ?  VI  582  ff. 

Syphax,  africanischer  Krieg  IV  42  ff. 

Syria,  Jahresrechnung  VI  345.  348  f. 

avattjfia  XgvoaoQixöv,  karischer  Gemein- 
debund V  515  f. 

Tabae  V  515  ff.  Taßrjvoi  IV  72 
tabula  V  340 

Tacitus     (Cornelius),     Laufbahn     IV 
421  f. 
Beziehungen  zu  Plinius  IV  440  f. 
als  Redner  IV  441 
Entstehungszeit  des  Agricola  IV  440; 

der  Historien  IV  441 
benutzt  Senatsbeschlüsse  [vergl.  auch 

VII  S.  253  ff]  VI  74 
Datierung  nach  Regierungsjahren  VI 
350 


Sach-  und  Nan:enregister. 


689 


[Tacitus] 

Mängel  seiner   Geschichtsschreibung 
[vergl.  auch  VJI  224  ft'.]    IV  276,2. 
281,4.  283,1.  328.  330.  358  ff. 
tadelt  Augustus  wegen  göttlicher  Ver- 
ehrung IV  268,2.  269,1 
Tacitus  (Kaiser),  Vermögen  V  589 
Tareutum,  Neptunia  V  254 
Tarpeia,  Lokalisierung  der  Sage  V 17. 25-f. 
Tarracouensis  s.  Spanien. 
Tatiuslegende.  geschlossene  Composition 
IV  22  f. 
Grundzüge  alt  IV  26 
Entstehungszeit  IV  32 
widerspruchsvoll  IV  31 
Tendenz  IV  27 
Tauraunitium  regio,  in  Armenien  IV  329 
Taurus,  Präfectus  prätorio,  Consul  ord. 
im  J.  361     VI  293,  3.  341 
Vater  des  Aurelianus,  Consul  im  J.  400 
VI  293 
Teanum  Sidicinum,  Colonie  V  177.  221. 

236 
Tektosageu,  Könige  V  439,  2 
Telegonus.  dritter  Sohn  des  Latinus  und 

der  Rhome  IV  4 
Telesia,  Colonie  V  209.  218 
Tellena,  untergegangene  latinische  Ge- 
meinde V  81  f. 
Tempelgruppen  einer  Gottheit  V  55  f. 
M.  Tereutius  M.  f.  Varro  Lucullus,  Sena- 
tor V  510 
Tergeste,  Colonie  V  213;  abhängige  Ge- 
meinden IV  61.  304  f. 
Termiuation  V  456.  458.  463  f. 
TertuUian,  Zählung  der  Kaiserjahre  VI 

.350,  2 
Tetrarchie,  keltisches  Institut  V  438  ff. 
in  Kleinasien  V  440  ff. 
in  Syrien  V  441 
in  Thessalien  V  440,  3 
Tetricus,   gallisches   Kaisertum  VI  483 
Teutoburger  Wald  IV  205.  241 

vergl.  Varusschlacht 
Theodahathus,  Unterwerfungs  vertrag  VI 
228 
Verzicht  auf  Ämterverleihung  VI  894 
Verleihung  des  Primiceriats  an  Maxi- 
mus VI  448  f. 

MOMMSEN,   SCHR.  VI. 


[Theodahathus] 

Ein-  und  Absetzung  VI  480 
Theoderich,  Geschlechtsname  VI  476 
römische  Ämter,  Tracht  VI  477  f. 
magister  militum  IV  557.   VI  444  ff. 
als  Gothenkönig  VI  478  ff. 
Vorträge  der  referendarii  VI  421 
als  Gesetzgeber  VI  460  ff. 
Regierungsteudenz  VI  464  f. 
Selbstregiment  VI  473 
Consulernennung,  Verhältnis  zu  Ost- 
rom VI  335.  379  ff. 
Wiederherstellung    des   gallischen 

Vicariats  VI  397 
Herstellung    des    römischen    Forums 
V  61 
Theodoridus  (Theoderich),  Westgothen- 

könig  IV  543 
Theodosius  I.,  Umgestaltung  des  magis- 
teriura  militum  IV  550  f. 
Arbogastes'    Ernennung    zum    Heer- 
meister IV  555 
Verleihung  des   ordentlichen   Consu- 

lats  VI  341 
Heeresstärke  VI  264 
Reichsteilung  IV  516  f. 
Theodosius  IL,  Feigheit  gegenüber  den 
Hunnen  IV  540  ff. 
Behandlung  weströmischer  Erlasse  VI 

458 
thessalonikische  Kaisererlasse  VI  585 
Erdkarte  V  304 
Theonas,  gefölschter  Brief  des  Bischofs, 
Angaben  über  die  Organisation  des 
Hofes  VI  649  ff  ;  Zeit  der  Fälschung 
VI  652 
Thermantia,  Tochter  des  Stilicho  IV  529 
Thermen,  von  Plinius  für  Comum  ge- 
stiftet IV  436 
s.  auch  Diocletiansthermen 
Thessalonikische     Kaisererlasse ,     Fäl- 
schung VI  585  ff. 
Thronwechsel,  Beamtenbestätigung  IV 

424 
Tiberius,  Verhältnis    zu   Augustus   IV 
288 
absolutistischer  Einfluss  IV  188 
Einschränkung  des  Kaiserkults  IV  269 
„apsentia  pertinax"  IV  294 
44 


690 


Sach-  und  Namenregister. 


[Tiberius] 
Verwandlung     von     Lehnstaaten     in 

Provinzen  IV  88 
Domanialpolitik  V  596, 1 
erbaut     die    Praetorianerkaserne    in 
Rom  VI  178 
Tiberius,  dritter  Sohn  des  Germanicus, 

Geburtszeit  IV  273 
Tifata  V  83,  2 
Tifernum,  Tempel  von  Plinius  gestiftet 

IV  437 
Tigellinus,  Verhalten  im  J.  68  IV  344, 1 
Tigorini  V  394  ff. 

fälschlich  auf  Zürich  bezogen  V  397 
Tigranes,  Grosskönig  von  Armenien  IV 

324  f.  830  f. 
Tigranes,    römischer    Lehnkönig    von 

Armenien  IV  329 
Tigranokerta,  Lage  IV  323  ff. 
Geschichte  IV  324  f. 
Zeugnisse  über  die  Lage  IV  825  ff. 
in  den  Partherkriegen  IV  328  ff. 
Timasius,   magister  equitum   IV  551,2 

ordentliches  Consulat  VI  3il 
Tiridates,  König  von  Armenien  IV  324  f. 
Titinius  Capito,  Laufbahn  IV  872,  5 
setzt  dem  L.  Silanus  eine  Statue  IV 

372 
sucht    Plinius    zur  Geschichtsschrei- 
bung  anzuregen  IV  439.  441 
togati,  zur  Bezeichnung  des  Civilperso- 

nals  V  169, 1 
Totila,  von  Byzanz  nicht  anerkannt  VI 
476.  481 
Vorhaltungen  an  die  Römer  VI  395, 3, 4 
Tours,  alte  Namensformen  VI  582  f. 
Traian,  germanische  Expedition  unter 
Domitian  IV  450  ff. 
Legat  von  Germania  superior  IV  375 
Zählung  der  Regierungsjahre  IV  457, 1 . 

459  ff. 
Consulate  IV  429,  2,  3.  459 
konsularische  Akte  i.  J.  100   IV  428 
Beinamen  IV  391;  Aulass  zum  Titel 

Germanicus  IV  449 
Zeit  des  ersten  dacischen  Krieges  IV 

462 
Wegebauten  in  Germanien  V  449 
Hafenbauten  IV  384 


[Traian] 
Verleihung     des     Colonierechts      an 

Lagerstädte  VI  199  f. 
gegen  Verwendung  von  Soldaten  im 

Municipaldienst  VI  154,  4 
Erwähnungen   bei  Martial   IV  453  ff'. 
Traiana,    ursprünglich    Lagerstadt    zu 
Castra  vetera  VI  182 
Colonierecht  VI  199  f. 
Trebatius  Priscus,    Consulat  IV  381,5. 

386 
L.  Trebellius,   mit  Beinamen  Fides  IV 

176,1 
Tribigildus,    aufständischer  Föderaten- 

führer  VI  294 
C.  Trebonius,  cos.  709   IV  171.  174 
Trebonius  Garutianus,   Procurator  von 

Africa  i.  J.  68   IV  346 
Tribunat,  im  Cursus  bonorum  der  Kaiser- 
zeit  der  Ädilität   gleichgestellt  IV 
414 
tribunicische  Intercession  gegen  Senats- 
beschlüsse  über  consularische   Pro- 
vinzen ausgeschlossen  IV  137  f. 
tribunus   et  notarius    praetorianus   IV 

533,  3 
tribunus    provinciae     (der    Gothenzeit) 
VI  435 
voluptatum  VI  430.  434  f. 
Tribus,  patricische  IV  34  f. 
im  Namen  IV  150  f. 
auf    Inschriften     des    dritten    Jahr- 
hunderts V  419 
durch  Adoption   bestimmt   IV  397,  1 
Palatina  IV  897,  1 
Quirina  IV  32.  V  418,  3 
Sergia  V  266 

Einteilung    nach    dem    marsischen 
Krieg  V  262  ff. 
Tridentum,    zu    Italien    gehörig,    erst 
municipium,  dann  Colonie  IV  302  f. 
Zugehörigkeit  der  Anauni,  Tulliasses, 
Sinduni  IV  294  ft. 
Trier,  Rechtstellung  VI  85 
Triumvirn,  Colonien  V  211  ff.  601 
Troesmis,  canabae  VI  183  f.  Stadtrecht 

VI  200 
Truentum,  Municipium  V  221 
Tuder,  Colonie  V  219.  224 


Sach-  und  Namenregister. 


691 


Tuition  (Königsschutz  bei  den  Gothen) 

VI  472 
Tulliasses,  norditalische  Grenzgemeinde 

IV  294.  303  f. 
M.  Tullius  Cicero  s.  Cicero 
Tuluin,  gothischer  Patricius  VI  403,5. 

447  f.  455  f. 
Turicensis  statio  (Zürich)  V  397 
Turinas  ecclesia  VI  630 
Turpillio,   magister  utriusque  militiae 

IV  557,  2 
Tuscia  et  Umbria,  Provinz  V  193  f. 
Tusculum,  municipium  V  216 

Ulfila,   magister  equitum   per   Gallias 

IV  557,3 

Ulpianus,  von  Alexander  als  amicus  be- 
zeichnet IV  320 

Ulubrae,  Colouie '?  V  219 

Umbria,  Fest  in  Hispellum  V  269,  2 
s.  Tuscia  et  Umbria 

C.  Ummidius  C.  f.  Durmius  Quadratus, 
Name  IV  406 

Urbana,  sullanische  Colonie  V  210 

Ursicinus,   magister  railitum  IV  548,2 

Urso,  s.  Genetiva  (colouia) 

Utica,  Streben  nach  Colonierecht  V  115 

Vaballathus,  dux  Romanorum  VI  205 
Valens  (Kaiser),  Gothenkrieg  367 — 369 
VI  304  ff. 
Verordnung  über  Bibliothekspersoual 
VI  650 
Valens,  magister  militum  IV  557,  2 
Valentia,  Provinz  V  581 
Valeutinian  L,  Reichsteilung  IV  516 
Befestigungsanlagen    am   Neckar    V 

467  ft". 
Heeresverstärkungen  VI  264 
Valentinian  II.    IV  555 
Valentinian  III.   (Placidus  Valentinia- 

nus)  IV  534.  540  f.  544 
Valeria,  Provinz  V  580  f.  586 
Valerianus   und   Gallienus:   Kompetenz 
der  iuridici   unter  ihrer  Regierung 

V  184 

L.  Valerius  L.  f.  praetor  IV  146 
Valerius  Antias,  Benutzung  durch  Livius 
u  a.  IV  43 


M.  Valerius  Mcssalla  cos,  701/53  IV  177 
vallis  (Poenina),  besondere  Provinz   V 
356  f. 
procurator  Alpium  Atractianarum  et 

Poeninarum  V  357 
Romanisierung  V  372 
Valvensis  episcopus  VI  629 
Vandalen,  Einfall  in  Gallien  VI  169 

Unabhängigkeit  von  Ostrom  VI  481, 1 
Vannius,  Marcomanenfürst  IV  447  f. 
Varanes,  magister  peditum?  IV  557,2 
Varenus  Rufus,  Process  IV  376.  383  ff. 
Varro,  Quelle  des  Festus  IV  4,  2 
Quelle    des  Plinius   für   die   Kästen- 
beschreibung V  239  ff. 
Varro  Murena,   Sieg  über  die  Salasser 

VI  177 
Varusschlacht,  Örtlichkeit  IV200ff.  240 
Jahreszeit  IV  204 
Verlauf  der  Kämpfe  IV  243  f. 
Adler  IV  209,  3.  235, 1.  245  f. 
Münzfunde  in   und   um  Barenau   IV 
212 ff.;  ihre  Beziehung  zur  Schlacht 
IV  234  ff 
P.  Vatinius,  Quästor  IV  176 

Statthalter  von  Illyricum  IV  162 
Veii,  Municipium  V  219 
Veleia,    Alimentartafelu   IV  456,2.   V 

131  ff. 
Velitrae,  latinische  Colonie  IV  54,2,3 
Venafrum,    Colonie   V  224.  215, 2.  226 
P.  Ventidius,  cos.  711/43,  cognomina  IV 

175 
L.  Venuleius  Apronianus,  Proconsul  von 

Asia  V  532  f. 
Venus  genetrix,  Fest  IV  181 
Venusia,  Colonie  V  213 
Veragri  V  374 
Vereinswesen  VI  163 
L.Verginius  Rufus,  unfreiwilliger  Kampf 
gegen  Vindex  IV  339  ff. 
Ablehnung  der  Kaiserwürde  IV  341. 

346 
Votivinschrift  IV  353 
Tod  IV  373 ;  Grabschrift  IV  351 ;  Grab- 
mal IV  884 
Gedächtnisrede  des  Tacitus  IV   441 
Verina,    Gemahlin  des  Kaisers  Leo  IV 
562  ff. 


692 


Sach-  und  Namenregister. 


I 


Verona,  colonia  Gallieniana  V  227 
Verus,  Partherkrieg  IV  483  f. 

Tod  IV  489 
Vesontio,  Schlacht  i.  J.  68   IV  340 
Vespasian,   adsertor    libertatis  IV  352 
■wahrt  Autorität  gegenüber  dem  Mili- 
tär VI  38 
vermindert    die    Prätorianercohorten 

VI  12.  16 
beseitigt    nationalen    Charakter    der 
belgisch-germanischen  Auxilien  VI 
59.  98  f. 
legt  Legionennach  CappadocienlV  166 
Census  V  276 

Landanweisungen  in  Italien  V  601 
Christenpolitik  VI  544 
Vestricius    Cottius,    Nachruf   des   Pli- 

nius  IV  439,  3 
Vestricius  Spurinna,   Kämpfe  bei  Pla- 
centia  IV  355  f. 
gegen  die  Brukterer  IV  374  f.  449 
Veteranen,   in  den  canabae  VI  I91ff. ; 
sub  vexillo  VI  192;    Gemeindezuge- 
hörigkeit VI  192;    Stocken  der  De- 
duction    VI    193;    Organisation   VI 
193  ff.;  curator  veteranorum  etcivium 
Romanorum  VI  193 ff.;  quaestor  vete- 
ranorum VI  196 
von  Augustus    anfangs  durch  Grund- 
besitz, dann  durch  Capital  versorgt 
V  602 
C.  Vettennius  Severus,  Consulatsjahr  IV 

381.  384 
via,  in  technischem   Sinne  Fahrstrasse 

V  63 
via  Postumia  IV  356  f. 
Vibius  Crispus,  Reichtum  V  589 
Vibius  Pansa,  Eintreten  für  Cäsar  IV 142 
Vibo,  Municipium  V  211 
vicarius  Galliarum  VI  395.  397 
Italiae  V  166.  189  f.  VI  396 
Orientis  =  comes  Orientis  V  567 
Portus  VI  432 
principis  agentium   in  rebus  VI  408. 

431 
urbis  Romae  V  166  f.  189  f.   VI  395. 
397  f.  427.  431 
Victoria  Caesaris,  Spiele  IV  180 
vicus ,   in   technischem  Sinne  VI  189  f. 


[vicus] 
vici,  von  Hauptgemeinden  abhängig 
und  minderen  Rechtes  V  419 
Vienna,   Anschluss  an  Vindex  IV  336. 

346,4 
Vieunensis,  Provinz  V  583 
Viminacium,  Stadtrecht  VI  200 
Vindex,  Heerführer  unter  Pius  IV  492, 1 
Vindex,  C.  Julius,  s.  Julius 
Vindication  V  346  f. 
Vindobona,  Stadtrecht  VI  200 
Vindolici,    Grenzen     am    Bodeusee    V 

435 
Vindonissa,    strategische  Bedeutung  V 

363 
Virites  Quirini  IV  265 
C.  Visellius  C.  f.  Varro,  Senator  V  511 
Vitellia,  apokryphe  Colonie  IV  54,  3 
Vitellianer,   Kämpfe  bei  Betnacum  IV 

354 ff.;  auf  dem  Kapitol  V  44 
Vitellius,    Umgestaltung   der    cohortes 

praetoriae  u.  urbanae  VI  8.  12.  16 
Vocontier,    politische    Organisation  VI 

82  f. 
Volaterrae,  Colonie?  V  207.  219 
L.  Volcacius  Tullus,  Freund  des  Properz, 

ygafifiarsvg  in  Asien  (?)  V  5'i2  f. 
Volcientes,  Volcentani  V  239,  2 
Volksuamen   zur  Bezeichnung  der  gal- 
lischen Gemeinde  V  422 
Volturnum,  Colonie  V  221 
L.  Voluscius  L.  f.,  Senator  V  511 
Volusius  Maecianus,  Lehrer  des  Marcus 

IV  320 
L.  Volusius   Saturniuus,    Proconsul  von 

Africa  IV  184.  187 
Vulturnina  ecclesia  VI  630 

Waffenfabriken,  Leitung  VI  399 
Wein,  Ausfuhrzoll  V  445 

Anbau  am  Genfer  See  V  383,  2 
Weltchronik    vom   J.  741,   Abfassungs- 
zeit VI  643  tf. 
Westgothen,    Einfälle  in  Illyricum  IV 

519  ff 
Westrom,  Centralisation  des  Oberbefehls 
VI  269  f. 
Verhältnis  zu  Ostrom  bezüglich  der 
Gesetzgebung  VI  459 


Sach-  und  Namenregister  —  Verzeichnis  der  behandelten  Stellen.      693 


Wirtschaft,  Selbstwirtschaft  mit  Hilfe 
des  vilicus  oder  actor  V  604 f.;  Rück- 
gang V  140 ;  Verpachtung  an  einen 
colonus  oder  vilicus  V  606 
Kleinwirtschaft  ersetzt  nicht  Klein- 
besitz V  608 
Witiges,  Einsetzung  VI  480  f. 
säugende    Wölfin    als    Erzbild    u.   auf 
Silbermünze  IV  2  f.  V  15 

Zama,  Ost-  und  West-  IV  36  ft". 
Zama  regria  =  West-Zama  IV  37  f.  41 .  60 


[Zama] 

Ort  der  Hannibalschlacht  IV  41  ff. 
Zanticus,  Jazygenfürst  IV  496 
Zeno,  Palastrevolution  IV  563 

Abmachungen     mit     Odovacar     und 
Theoderich  VI  334.  383.  386 

Soldzahlung  an  Gothen  VI  440 
Zeugitana,  afrikanische  Provinz  V  585 
kaiserliche  Ziegeleien  V  597 
Zollstationen   an   der   Grenze   Galliens 

V  359  ff. 
Zürich,  alter  Name  V  397 


II.    Yerzeichnis  der  behandelten  Stellen. 


Ainiiiiiinus 

Die  Cassins 

21,  8,  1 

VI  298 

56,  21 

IV  243, 1 

Apostelgeschichte 

57,5 

IV  283,  1 

27,1 

VI  553 

Dionysins 

28,16 

VI  546  ff. 

1,72 

IV  3 

Appianns 

Eusebius 

bell.  civ.  4,  3 

V  212  f. 

hist.  eccles.  3,  39 

VI  567  ff. 

Lib.  36 

IV  45,  2 

Festus 

Arrianus 

p.  56  V.  clipeum 

IV  30,  1 

k'xra^ig  xax'  'AXa% 

S)v  c.  7 

VI  148,  2 

p.  269  V.  Romam 

IV  4 

Asconius 

Groiiiatici 

zu  Cic. in  Pison. 

p.  3.  0 

r.     IV  53,  4 

Frontinus 

Caesar 

passim 
Hyginus 
p.  171  ff. 
p.  194  ff. 
p.  204  ff. 

V  120  ff. 

b.  Alex.  53 
b.  G.  3,  1 
4,10 

VI  31,3 

V  390 

V  390  f. 

V  100  ff 

V  100  ff. 

V  104  ff 

Cassiortorns 

Siculus  Flaccus 

var.  8,  12 

VI  403,5 

p.  161 

V  143,  1 

Cicero 

Herodotus 

ad  Att.  IV,  16 

V  31 

2,  158 

VI  616,  4 

ad  fam.  8,  8,  5 
8,  11,  3 
12,2 

IV  140, 

IV  139,  137 

138.  142,  142 

IV  176  ff. 

historia  Brlttonum 

c.  31 

VI  633 

15,20 

IV  174  ff. 

Hyginus 

Phil.      3,  10 

IV  170,  1 

de  castram.  c.  2.  19.  29. 

Vatin.  11,  28 

V  49 

30.  43 

VI  106  f. 

694                   Verzeichnis  der  behandelten  Stellen  —  Inschriften, 

1 

Joseplius 

Suetonius 

■P 

ant.  14,  8,  5 

IV  146  ff. 

Gaius  7 

IV  273  f.  279,  5 

Livius 

8 

IV  274,  1 

9,28 

V  260  f. 

Symmachus 

28,  11 

V  70 

or.  II  28 

V  469,  1 

41,27 

V  63  ff. 

Tacitus 

Philipperbrief 

ann.    1,  37 

IV  281,  4 

1,  12,  13 

VI  549,  1 

1,  40.  44 

IV  281  ff. 

Plinius,  der  ältere 

2,5 

IV  275,  2 

h.  n.  3,  5,  68.  69 

V  69  ff. 

2,26 

IV  276,  2 

3,  111 

V  232,  2 

6,17 

V  595,  2 

7,  13,  57 

IV  277,  1 

12,27 

IV  277,  5 

7,60 

V  10 

15,  5 

IV  325,  2 

33,  3,  41 

IV  320,  2 

Germ.  28 

IV  277,  5 

36,  5,  37 

V  511  f. 

Velleius 

PHiüns,  der  jüngere 

ep.  5,  7 

IV  434,  6 

1,15 

V  254  f. 

ad  Trai.  29.  30 

VI  32,  3 

Vitruvius 

Plutarchns 

8,  3,  24 

IV  37,  4 

Rom.  9 

IV  16,  3 
Angnstae 

Scriptores  historiae 

Gallien.  19,  4 

V  51 

Aeg.  Urkunden  aus  den 

K.  Museen  zu 

Seneca 

Berlin,  Griech. 

Urk.  I 

n.  6      V  493  f. 

dial.  10, 12,  2 

V  138,  4 

Inschriften. 


Ancyranum  5,  36  f.  V  227,  2 

Bücheier,  carm.  epigr.  n.  787  VI  578  ff. 
Corpus  inscr.  Latinarum 
vol.  I 

ed.  I  n.  203  (s.  c.  de  Asclepiade)  IV 58  ff. 

ed.  I  n.  606.  607  =  ed.  2  p.  198  V  47  ff. 

ed.  I  p.  310  =  ed.  2  p.  229 


(feriale  Cuman.) 

vol.  II 
5041 

vol.  III 

4855 
5565 

6159  =  7494 
7000 
12132 


IV  259  ff. 

IV  56  ff. 

VI  204  f. 
VI  237,  1 
VI  303  ff. 

V  540  ff. 
VI  555  ff 


Corpus  inscr.  Latinarum 
vol.  III 

12  240 

13  374 

vol.  V 
5050 
5069 
5262 
5279 
5702 
6416 
7357 
7832 

vol.  VI 

889 

890 


V  518  ff.  529  ff. 
VI  300  ff 

IV  294  ff. 

IV  293. 

IV  430.  444  ff'. 

IV  394 

IV  353 

IV  274,  1 

V  320  ff. 

V  323 

IV  274 
IV  274 


Inschriften. 

695 

Corpus  inscr.  Latinarum 

1 

Corpus  inscr.  Latinarum 

vol.  VI 

vol.  XIII 

1130 

V  57  ff. 

5190 

V  432 

1501 

IV  198  f. 

5203 

V  431  f. 

30  920  —  30  927 

IV  71  ff. 

5205 

V  432 

32  347 

IV  271 

,  3.  279,  4 

5256 

V  431 

vol.  VIII 

6592 

VI  166  ff'. 

7986 

V  484  f. 

7250 

VI  lG3f. 

8210 

V  486 

7301 

VI  161  f. 

17  412 

IV  565  f. 

7317 

VI  156  ff- 

vol.  X 

7439 

VI  171 

103 

V  256  ff. 

7495 

VI  173  ff". 

211 

IV  194,  3 

Dessau,  inscr.  sei. 

8855 

V  465  ff". 

1249 

IV  194,  3 

Dittenberger,    Orient,  inscr. 

6440 

V  71,8 

405.  406 

IV  81  ft". 

7581 

V  349  ff". 

409- 

-413 

IV  89  ff'. 

7852 

V  325  ff. 

435 

IV  63  ff. 

vol.  XII 

438 

IV  65 

1244,  vergl.  Add 

•  P- 

824 

441 

V  514  ff 

Flurkarte  von 

Arausio) 

V  108  ff. 

442 

V  515  ff 

2327 

V  222 

458 

V  518  ff 

vol.  XIII 

493 

V  532  ff". 

1041 

VI  145,1 

Sylloge 

ed.  2  n. 

238.  239 

IV  49  ff 

3255 

VI  316,  If) 

n 

334 

V  495  ff". 

5076 

V  395  ff. 

Eph.  ep.  VII  1040 

.  1041 

VI  116  f. 

0 


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4  öiNDING  SECT.  JUN    4 


1973 


DG 

15 

Bd. 6 


Monmisen,   Theodor 

Gesammelte  Schriften